VVEERRKKEEHHRR UUNNDD UUMMWWEELLTT - Maja Rotter, Julia Glahe, Dr. Esther Hoffmann; Berlin

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VERKEHR UND UMWELT
Maja Rotter, Julia Glahe, Dr. Esther Hoffmann; Berlin

Klimawandel: Was kommt künftig
auf die Verkehrsbranche zu?
Neben Vermeidung ist Anpassung gefragt
                                                                                                   Rotter               Glahe

Die Diskussion um den Klimawandel ist im         vor dem Hintergrund einer langfristigen und
Schienensektor vor allem durch den poten-        strategischen Unternehmensführung ratio-
ziellen Beitrag des Schienenverkehrs zur         nal, bei Investitions- und Planungsentschei-
Verringerung von CO2-Emissionen geprägt.         dungen von langlebiger Infrastruktur künftige
Die Betroffenheit der Schieneninfrastruktur      Klimabedingungen einzubeziehen. Mit der
durch sich verändernde Klimabedingungen          Frage, wie dies in Unternehmen umgesetzt
wird in der Branche hingegen noch kaum be-       werden kann und welche politischen Rah-
trachtet.                                        menbedingungen die Anpassung des Ver-
                                                 kehrssektors fördern können, beschäftigt
Seit den letzten Veröffentlichungen des Inter-   sich die Forschungsgruppe Chamäleon an
                                                                                                             Hoffmann

governmental Panel on Climate Change             der Universität Oldenburg und am Institut für
(IPCC) im Jahr 2007 ist der anthropogen ver-     ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).                    DIE AUTORINNEN
ursachte Klimawandel als gesellschaftliches
Problem anerkannt. Hierbei haben sich nicht                                                        Maja Rotter (32) ist seit 2009 als wis-
nur die Diskussionen zu den Möglichkeiten        Klimawandel und Infrastruktur:                    senschaftliche Mitarbeiterin am Institut
seiner Begrenzung intensiviert. Auch die                                                           für ökologische Wirtschaftsforschung,
Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit,
                                                 Direkte und indirekte Folgen                      Berlin, im Forschungsfeld Ökologische
sich an die erwarteten und nicht mehr ver-                                                         Unternehmenspolitik und im For-
                                                 Die Betroffenheit des Schienensektors durch       schungsprojekt Chamäleon tätig. Ihre
meidbaren Folgen anzupassen, hat sich in
                                                 den Klimawandel kann in zwei Dimensionen          Forschungsschwerpunkte sind unter-
der wissenschaftlichen und politischen De-
                                                 unterteilt werden. Zum einen kann die Funk-       nehmerische Innovations- und Nach-
batte etabliert. Zudem zeigen die Erfahrun-
                                                 tionsfähigkeit der Infrastruktur direkt durch     haltigkeitsstrategien, organisationale
gen mit Extremwetterereignissen wie Hitze-
                                                 physikalische Einwirkungen der Wetterverän-       Lernprozesse und betriebliche Strate-
perioden und Stürmen in den letzten Jahren,
                                                 derungen im Zuge des Klimawandels (Kas-           gien zur Adaptation an den Klimawan-
dass Klimawandelfolgen direkte Auswirkun-
                                                 ten 1) beeinträchtigt werden. Zum anderen         del. Sie hat Soziologie an der TU Ber-
gen auf die Funktionsfähigkeit des schienen-
                                                 stellt sich die Frage, in welcher Form der Ver-   lin studiert.
gebundenen Verkehrs haben können.
                                                 kehrssektor, wie auch die weitere Versor-
Mit dem Ziel der Versorgungssicherheit sind      gungswirtschaft, angesichts des Klimawan-         Julia Glahe (31) arbeitet als For-
daher schon heute und nicht erst in ferner       dels im Rahmen von politischen Anpas-             schungsassistentin im Projekt Chamä-
Zukunft Möglichkeiten der Anpassung an den       sungsstrategien und -plänen berücksichtigt        leon. Von Anfang 2006 bis Ende 2008
Klimawandel in Entscheidungen und Planun-        werden und welche regulatorischen Verände-        war sie zunächst als wissenschaftliche
gen zu berücksichtigen. Zudem erscheint es       rungen sich hieraus ergeben.                      Mitarbeiterin am Ecolog-Institut für so-
                                                                                                   zial-ökologische Forschung und Bil-
                                                                                                   dung und anschließend als Mitarbeite-
 Kasten 1: Klimawandelfolgen in Deutschland                                                        rin im Projekt Klimawandel und Kom-
                                                                                                   munen bei der Kommunalen Umwelt-
 Die globale Ausprägung des Klimawandels         sichtlich im Jahresmittel nur geringfügig än-     aktion U.A.N in Hannover tätig. Von
 wird mit Hilfe von Klimaszenarien des Inter-    dern, bezüglich der regionalen und saison-        2009 bis 2010 leitete sie den Bereich
 governmental Panel on Climate Change            alen Verteilung kann es jedoch deutliche Ver-     Freiwilligen- und Länderkoordination
 (IPCC) ermittelt. Zur Projektion der Auswir-    änderungen geben. So sinken allen Model-          bei der Jugend im Bund für Umwelt
 kungen auf Deutschland gibt es Regionali-       len zufolge die Niederschläge im Sommer,          und Naturschutz Deutschland e.V. Sie
 sierungsmodelle, die Szenarien auf regio-       während die Winter feuchter werden sollen.        hat Umweltwissenschaften an der Uni-
 naler Skala abbilden.                           Besonders stark werden die Sommernieder-          versität Lüneburg studiert.
                                                 schläge in Süd- und Südwestdeutschland            Dr. Esther Hoffmann (40) ist Leiterin
 Die Jahresmitteltemperatur wird allen Model-
                                                 sowie in Nord-Ostdeutschland zurückgehen.         des Forschungsfelds Ökologische Un-
 len zufolge auch in Deutschland ansteigen.
                                                 Im Winter werden dagegen im Süden und             ternehmenspolitik am Institut für öko-
 Die Prognosen liegen abhängig vom gewähl-
                                                 Südosten mehr Niederschläge fallen.               logische Wirtschaftsforschung (IÖW)
 ten Modell zwischen 1 und 2,5 Grad Celsius
 (°C) Temperaturzunahme für den Zeitraum         Weiterhin zeigen die Klimamodelle, dass           GmbH, gemeinnützig, in Berlin. 2009
 2021 bis 2050. Für den Zeitraum 2071 bis        Extremwetterereignisse, wie Trockenperi-          promovierte sie an der Universität Ol-
 2100 liegen die Prognosen mit 1,5 bis 3,7 °C    oden, Starkniederschläge, Gewitter und            denburg zum Thema Nutzerintegrati-
 noch deutlich höher. Für die Sommertempe-       Hagel in ihrem Ausmaß ansteigen und häu-          on in Produktentwicklung. Ihre Arbeits-
 raturen bedeutet dies, dass sich die Anzahl     figer werden können. Besonders Hitzewel-          schwerpunkte sind nachhaltige Unter-
 der Sommertage (>25°C) bis zum Ende des         len und Starkniederschläge können öfter           nehmensführung, betriebliche Strate-
 Jahrhunderts verdoppeln und die von heißen      und intensiver auftreten. Über die Entwick-       gien zur Adaptation an den Klimawan-
 Tagen (>30°C) sogar verdreifachen kann.         lung der Sturmhäufigkeiten und -intensitä-        del und Organisationales Lernen.
 Die Niederschlagsmenge wird sich voraus-        ten bestehen noch Unsicherheiten.

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VERKEHR UND UMWELT
Direkte Folgen für den Schienenverkehr
                                                 Betroffenheit des Schienensektors durch Extremwetterereignisse                              Tabelle 1
Von den zu erwartenden Klimaänderungen            Wetterphänomen             Mögliche Folgen für die Schieneninfrastruktur
sind für die Verkehrsinfrastruktur insbeson-
dere die prognostizierte Zunahme von Hitze-                                  – Materialschäden an Schienen (Schienenverwerfung)
tagen und Starkregenereignissen von Be-                                      – Materialschäden und Ausfall elektronischer Infrastruktur
deutung. Auch Stürme bergen Risiken für           Erhöhte Temperaturen         (zum Beispiel Stellwerke und Signale)
Transport und Verkehr (Tabelle 1). Besondere      und Hitzeperioden          – Böschungs- und Schwellenbrände entlang von Schienen
Herausforderungen bestehen zudem für die
                                                                             – Gesundheitliche Beeinträchtigung von Fahrern und Passagieren
Verkehrsinfrastruktur in Küstennähe. Weiter-                                   durch Hitze
hin können Veränderungen der Vegetation zu
Chancen und Risiken für die Verkehrsinfra-                                   – Überflutung, Durchfeuchtung und Schädigung der Trassen,
struktur führen.                                                               Schädigung der Trassen durch Erdrutsche
Generell führen diese Effekte zu einer ten-                                  – Überlastung von Drainagesystemen und dadurch erhöhtes Risiko
                                                  Häufigere Stark- und         der Überschwemmung von Gleisen und Tunneln
denziell stärkeren Abnutzung der Infrastruk-      Dauerregenereignisse
tur, die sich durch verkürzte Lebensdauer, er-                               – Gefährdung der Stabilität von Bahndämmen und Gleisbetten durch
höhte Erhaltungskosten und höhere Ersatz-                                      Erosion und Überschwemmung
investitionen ausdrücken können. Teilweise                                   – Beschädigung von Bodenleitungen durch erhöhte Bodenfeuchte
sind zusätzlich Sicherheitsaspekte tangiert.
Es ist weiterhin hervorzuheben, dass sich In-                                – Sturmschäden an hochragenden Anlagen (Oberleitungen, Signale,
frastrukturschäden auf den operativen Be-         Starkwindereignisse          Schilder, Brücken)
trieb auswirken. Häufigere Verzögerungen im       und Stürme                 – Baumwurf auf Schienen und Oberleitungen
Verkehr haben nicht nur Kosten im Eisen-                                     – Unterbrechung der Elektrizitätsversorgung durch Blitzschlag
bahnbereich zur Folge, sondern erstrecken
sich aufgrund des Netzwerkcharakters auf
andere Modi und auch andere Wirtschafts-         Stakeholdern des Verkehrssektors durchge-         Maßnahmen und Strategien sieht die Kom-
zweige. Klimafolgen können sich auf die          führt [1]. Kernergebnisse waren, dass die         mission vorwiegend bei den Mitgliedsstaa-
Verfügbarkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit,      Branche sich noch kaum mit dem Thema              ten. Aufgabe der EU ist es, gemeinsam mit
Pünktlichkeit und den Reisekomfort auswir-       auseinandersetzt und dass Verantwortlich-         den Mitgliedsstaaten ein Bewertungskonzept
ken.                                             keiten für die Entwicklung, Durchführung und      zu entwickeln, mit welchem die Anfälligkeit
                                                 Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen              kritischer Infrastruktur gegenüber Wetterex-
Indirekte Folgen: Politische Aktivitäten         aufgrund der Akteursvielfalt bislang unge-        tremen überprüft werden kann.
zur Klimaanpassung                               klärt sind.
                                                                                                   Ein Leitfaden für die Integration von Fragen
Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Ei-        Ein erster Schritt auf europäischer Ebene         der Klimaauswirkungen in die Umweltver-
senbahnverkehrsunternehmen sind nicht nur        war die Veröffentlichung eines Weißbuchs          träglichkeitsprüfung und die strategische
den naturräumlichen Veränderungen und            zur Anpassung an den Klimawandel durch            Umweltprüfung soll bis in das Jahr 2011 er-
Folgen des Klimawandels ausgesetzt. Um           die Europäische Kommission im April 2009.         arbeitet werden. Diesen Ansatz hat auf natio-
auf die gesamtgesellschaftliche Herausfor-       In diesem wird auch explizit auf die Verbes-      naler Ebene das Eisenbahnbundesamt auf-
derung des Klimawandels vorausschauend           serung der Widerstandskraft von Produk-           gegriffen und in einem ersten, noch in der Er-
reagieren zu können, sind auf europäischer       tionssystemen und Infrastruktur eingegan-         probung befindlichen EBA-Leitfaden zur Um-
und nationaler Ebene Politikprozesse zur An-     gen. Die Zuständigkeit für darauf gerichtete      weltverträglichkeitsprüfung verwirklicht.
passung an den Klimawandel angestoßen
worden, die das öffentliche und unternehme-
rische Handeln zur Anpassung befördern           Mögliche Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel                                             Tabelle 2
sollen.                                           Klimaveränderung          Mögliche Klimaanpassungsmaßnahme
Bereits im Dezember 2008 hat die Bundesre-
                                                                            – Verbesserte Kühlungssysteme in Zügen und für elektronische
gierung die Deutsche Anpassungsstrategie                                      Infrastruktur
an den Klimawandel (DAS) beschlossen. Ein
                                                                            – kürzere Wartungs- und Instandhaltungsintervalle
zentraler Meilenstein der DAS ist die Erarbei-    Erhöhte Temperaturen
tung eines Aktionsplans Anpassung bis Mitte                                 – Monitoring von Schienentemperaturen
                                                  und Hitzeperioden
des Jahres 2011. Mit der DAS wird zunächst                                  – Einsatz endlos verschweißter Schienen und weiterer
vor allem ein Konsultationsprozess angesto-                                   hitzebeständiger Baumaterialien
ßen, in den alle von Klimawandelfolgen be-                                  – Anpassung der entsprechenden Planungs- und Baustandards
sonders betroffenen Sektoren und deren Ak-
teure eingebunden werden.                                                   – Verbesserung des Abflusses von Regenwasser:
                                                                              Bereitstellung von Versickerungsflächen
Ziel des Konsultationsprozesses ist es, bei       Häufigere Stark- und      – Schadensmonitoring entlang der Trassen
Akteuren aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft,       Dauerregenereignisse
Politik und Wissenschaft das Bewusstsein                                    – Anpassung der Dimensionierung von Drainage- und Pumpanlagen
für den Anpassungsbedarf in ihren Hand-                                     – Hangbefestigungen an von Erdrutschen gefährdeten Stellen
lungsfeldern zu wecken und gemeinsam
Handlungsempfehlungen für Anpassungs-                                       – Einsatz von Baumaterialien mit erhöhter Stabilität sowie Anpassung
                                                                              der entsprechenden Planungs- und Baustandards
maßnahmen zu erarbeiten und anzustoßen.
Letzteres geschieht beispielsweise im Rah-        Zunehmende Starkwind-     – Monitoring und Evaluierung gefährdeter Streckenabschnitte
men branchenspezifischer Stakeholderdialo-        ereignisse und Stürme     – Anpassung von Baumarten und Vegetationskonzepten an Trassen
ge. Das Umweltbundesamt hat in Koopera-                                     – Verbesserung der Vegetationskontrolle
tion mit dem Institut für ökologische Wirt-                                 – Vorbereitung auf den Umgang mit Verspätungen und Ausfällen
schaftsforschung einen solchen Dialog mit

5/2011   DER NAHVERKEHR                                                                                                                            15
VERKEHR UND UMWELT

                                                                                                                    Abb. 1: Aussagen be-
                                                                                                                    fragter Verkehrsunter-
                                                                                                                   nehmen zu Klimawan-
                                                                                                                    del und Betroffenheit,
                                                                                                                   Zustimmung in Prozent
                                                                                                                   (stimme voll und ganz
                                                                                                                    zu/stimme zu/stimme
                                                                                                                       eher zu) (N=26)

Anpassungsmaßnahmen                              durch die zunehmende Relevanz von Klima-       maßnahmen und -strategien ist das Be-
                                                 risiken eine erhöhte Bedeutung erhalten. Po-   wusstsein für die Problemstellungen und
für den Verkehrssektor                           tenzielle Anpassungsmaßnahmen lassen           die Kenntnis der Herausforderungen, die
                                                 sich in technische, organisatorische sowie     mit künftigen Klimawandelfolgen verbunden
Um auf die vielfältigen naturräumlichen und      planerische Maßnahmen unterteilen.             sind.
politischen Folgen des Klimawandels voraus-
schauend und effizient zu reagieren, sind von    Um diese auszuschöpfen, ist allerdings eine
                                                                                                Vor diesem Hintergrund hat das Forschungs-
Seiten der Verkehrsunternehmen und der Po-       erheblich größere Sensibilisierung des Sek-
                                                                                                projekt Chamäleon in Kooperation mit dem
litik und Verwaltung schon heute Anpassungs-     tors notwendig. Vorrausetzung für alle Maß-
                                                                                                VDV kürzlich eine Umfrage bei Verkehrsun-
maßnahmen für langlebige Infrastrukturen im      nahmen sind zunächst systematische und ver-
                                                                                                ternehmen durchgeführt [2]. Ziel der Erhe-
Verkehrssektor notwendig. Abwarten und un-       besserte Überwachungs- und Monitoringme-
                                                                                                bung war es, den aktuellen Stand der Wahr-
terlassenes Handeln der Verkehrsakteure          thoden, um die Empfindlichkeiten von Bahn-
                                                                                                nehmung von Klimawandelfolgen und des
führt aller Voraussicht nach, ähnlich wie beim   anlagen gegenüber hohen Temperaturen,
                                                                                                Umgangs mit diesen in den Unternehmen zu
Klimaschutz, zu deutlich höheren betrieb-        Temperaturschwankungen, Überschwemmun-
                                                                                                erfassen. Die Befragung richtete sich an 300
lichen und volkswirtschaftlichen Kosten.         gen, Erdrutschen oder Sturmereignissen zu
                                                                                                Mitgliedsunternehmen des VDV, die Betrei-
                                                 erfassen und bewerten zu können.
Übergreifende Studien zur Vulnerabilität und                                                    ber oder Nutzer von Schieneninfrastruktur
Anpassungsfähigkeit von Branchen und Sek-                                                       sind. Lediglich 26 Unternehmen beteiligten
toren halten den Verkehrssektor generell für                                                    sich an der Umfrage, so dass die Ergebnisse
anpassungsfähig, da eine Vielzahl wirksamer
                                                 Wie angepasst ist                              nur eingeschränkt als repräsentativ für die
Anpassungsoptionen, zum Beispiel techni-         der Verkehrssektor?                            Branche gelten können. Dennoch lassen sich
sche Lösungen, zur Verfügung stehen. Größ-                                                      einige Aussagen zur Bewertung des Themas
tenteils sind dies keine neuen Maßnahmen,        Eine zentrale Bedeutung für die erfolgreiche   Anpassung in den befragten Unternehmen
sondern bekannte Aktivitäten, die jedoch         Planung und Umsetzung von Anpassungs-          treffen.

                                                                                                                       Abb. 2: Anteil von
                                                                                                                      Unternehmen, die
                                                                                                                       genannte Anpas-
                                                                                                                      sungsoptionen an-
                                                                                                                        geben (N=26)

16                                                                                                                    DER NAHVERKEHR   5/2011
VERKEHR UND UMWELT
Grundsätzlich stimmt die Mehrheit der ant-
wortenden Unternehmen (73 Prozent) der                      Kasten 2: Chamäleon                          fördernden und hemmenden Faktoren für
Annahme zu, dass sich die Veränderungen                                                                  Anpassungsmaßnahmen und entwickelt
des Klimas auch in Deutschland bemerkbar                    Der VDV und die Deutsche Bahn gehen die      und evaluiert betriebliche Strategien und
machen werden. Dass diese Folgen auch                       Frage der Anpassung an den Klimawandel       Instrumente der Adaptation. Gleichzeitig
von Relevanz für das eigene Unternehmen                     proaktiv an. Zusammen beteiligen sie sich    richtet Chamäleon den Blick auf die politi-
sein können, wird zumindest in einigen Un-                  als Praxispartner am BMBF-geförderten        schen Rahmenbedingungen, die eine wich-
ternehmen bereits wahrgenommen. So se-                      Forschungsprojekt Chamäleon – Adaptati-      tige Rolle für Adaptationsstrategien in Un-
hen beispielsweise 32 Prozent der Unterneh-                 on an den Klimawandel in Unternehmen der     ternehmen der öffentlichen Versorgung
men ihren operativen Betrieb bereits heute                  öffentlichen Versorgung. Neben dem VDV       spielen. Das Projekt geht der Frage nach,
von den Folgen des Klimawandels betroffen.                  und der Deutschen Bahn, gehören die Fra-     wie politisches und betriebliches Handeln
Von einer künftigen Betroffenheit des opera-                port AG und auf Seiten der Energiewirt-      aufeinander abgestimmt werden können.
tiven Betriebs gehen sogar 80 Prozent der                   schaft der Bundesverband der Energie- und    Eine systematische Verallgemeinerung der
Verkehrsbetriebe aus (Abb. 1).                              Wasserwirtschaft (BDEW), die RWE AG          identifizierten betrieblichen sowie politi-
                                                            und die HSE AG zu den Praxispartnern. Zu-    schen Strategien und Instrumente zur
Dementsprechend gibt auch gut die Hälfte                    dem sind das Kompetenzzentrum Klimafol-      Adaptation im Verkehrs- und Energiesektor
der Unternehmen an, sich mit der Bedeutung                  gen und Anpassung des Umweltbundesam-        soll dazu beitragen, auch weiteren Wirt-
von Klimawandelfolgen in der strategischen                  tes und das Potsdam Institut für Klimafol-   schaftsbranchen und Politikfeldern praxis-
Planung auseinander zu setzen. Die Planung                  genforschung als Kooperations- und For-      dienliche Empfehlungen für erfolgreiche
und Umsetzung konkreter Maßnahmen er-                       schungspartner in das Projekt eingebun-      Anpassungsmaßnahmen an die Hand zu
folgt dagegen in nur geringem Ausmaß. Le-                   den.                                         geben.
diglich 19 Prozent der Unternehmen planen
Maßnahmen und nur 15 Prozent setzen                         Gemeinsam mit den Unternehmen sucht          Weitere Informationen unter www.climate-
Maßnahmen bereits um (Abb. 2). Auch eine                    die Forschungsgruppe Chamäleon nach          chameleon.de.
systematische Erhebung der eigenen Betrof-
fenheit durch (Extrem-) Wetterereignisse er-
folgt nur in den wenigsten Unternehmen. In                 Wie weiter? Forschung und                     Problembewusstsein und praxisorientierte
lediglich vier der antwortenden Unternehmen                                                              Handlungsempfehlungen für Anpassungs-
(15 Prozent) wird der Anteil der wetterbe-
                                                           Vernetzung für Anpassung                      maßnahmen bei Unternehmen der Verkehrs-
dingten Ausfälle an den gesamten Betriebs-                                                               und Energiewirtschaft zu entwickeln und
ausfällen erhoben.                                         Der VDV und die Deutsche Bahn AG haben        arbeitet hierfür eng mit Unternehmen dieser
                                                           die zunehmende Relevanz der Anpassung         Branchen zusammen.
Insgesamt lässt sich sowohl aus der gerin-                 an Klimawandelfolgen für den Schienen-
gen Rücklaufquote als auch aus den Antwor-                 sektor anerkannt und sind Praxispartner in
ten der Umfrage ableiten, dass die Auseinan-               dem vom Bundesministerium für Bildung und
dersetzung mit den Herausforderungen der                   Forschung (BMBF) geförderten Forschungs-      Anmerkungen
Anpassung an den Klimawandel im Schie-                     projekt Chamäleon – Adaptation an den Kli-
nensektor noch am Anfang steht. Dennoch                    mawandel in Unternehmen der öffentlichen      [1] Die Ergebnisse dieses Dialogs sind online verfügbar
ist zumindest teilweise ein Problembewusst-                Versorgung, das Möglichkeiten der Klima-          unter www.anpassung.net.
sein über die potenzielle Betroffenheit durch              anpassung für die Versorgungswirtschaft       [2] Eine ausführliche Auswertung der Umfrage ist in
Klimawandelfolgen erkennbar.                               untersucht. Chamäleon verfolgt das Ziel,          Kürze unter www.climate-chameleon.de abrufbar.

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5/2011      DER NAHVERKEHR                                                                                                                                  17
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