WAHLEN|WÄHLEN polis aktuell 2/2022 - Zentrum polis
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LIEBE LESERIN, LIEBER LESER! 2007 hat Österreich als erstes Land in Europa das ak- Instrumente der politischen Partizipation wieder ver- tive Wahlrecht auf 16 und das passive Wahlrecht auf mehrt in den Mittelpunkt zu rücken und über ihre 18 Jahre gesenkt. Damit hat Österreich eine Vorreiter- Wichtigkeit ebenso wie über die Notwendigkeit, sie rolle in Europe eingenommen und eine zentrale Forde- weiterzuentwickeln, zu reflektieren. rung der UN-Kinderrechtskonvention nach adäquater politischer Partizipation von Jugendlichen erfüllt. Die Wie immer enthält das Heft Ideen für den Unterricht Wahlaltersenkung wurde u.a. mit einer Lehrplanreform sowie Link- und Literaturtipps. Wir wünschen Ihnen viel zur Stärkung der Politischen Bildung begleitet. Wir Freude bei der Umsetzung des Themas. haben in einem Spezial zum 15-Jahr-Jubiläum dieser Reform nachgefragt, wie Organisationen, die mit und für Ihr Team von Zentrum polis Jugendliche arbeiten, die Entwicklungen seither einord- > service@politik-lernen.at nen. Wahlen stellen eine der zentralen Möglichkeiten der politischen Mitgestaltung und Mitentscheidung dar. Die vorliegende Ausgabe von polis aktuell gibt daher INHALT auch einen Überblick über die nationalen Wahlen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene sowie über die 1 Warum wählen? ........................................... 3 Europawahl. Weitere Themen sind die Unterschiede 2 Wie Politik lernen? ....................................... 4 zwischen Mehrheits- und Verhältniswahlrecht am Bei- 3 Wahlen in Österreich ..................................... 5 spiel der Präsidentschaftswahl in den USA, E-Democracy, Spezial: 15 Jahre Wählen ab 16 ................... 11 Ausschlüsse am Beispiel der Pass-Egal-Wahl, Wahlkampf 4 Verhältnis- versus Mehrheitswahlrecht ........... 19 und Wahlprognosen. Außerdem wird in einem Beitrag 5 Elektronisch wählen ................................... 20 der Initiative Wahlbeobachtung.org die Bedeutung von 6 Wahlrecht für alle in Österreich? ................... 21 Wahlbeobachtung dargestellt. 7 Wahlbeobachtung in Österreich .................... 23 Gerade in Zeiten, in denen das Vertrauen in 8 Wahlkampf und Wahlprognosen .................... 24 Politik und Demokratie in vielfältiger Weise auf die Probe 9 Link- und Materialientipps ........................... 27 gestellt wird, ist es wichtig, auch die klassischen PARTIZIPATION VON KINDERN DEMOKRATIEVERSTÄNDNIS EUROPA MITGESTALTEN UND JUGENDLICHEN polis aktuell 1/2019 polis aktuell 8/2018 polis aktuell 4/2021 > www.politik-lernen.at/ > www.politik-lernen.at/ > www.politik-lernen.at/ pa_demokratieverstaendnis pa_europamitgestalten pa_partizipation 2 polis aktuell 2/2022
1 WARUM WÄHLEN? Junge Menschen gehen auf die Straße, kämpfen für das Klima, engagieren sich in Initiativen und NGOs gegen Rassismus. Eine aktuelle Jugendstudie unter 14- bis >WEITERLESEN 24-Jährigen zeigt, dass fast jede/r Zweite mit dem Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Leben unzufrieden ist, jede/r Dritte macht sich Sorgen Männer erlangten das allgemeine Wahlrecht in um die Zukunft. Laut Umfrage sieht die große Mehrheit Österreich 1907. Das Wahlrecht für Frauen trat der Jugendlichen den Klimawandel als Hauptbedrohung erst 1918 in Österreich in Kraft. in den nächsten 20 Jahren.1 www.demokratiezentrum.org/bildung/ressour- Jugendliche sind grundsätzlich an politischen Fragen cen/timelines/wahlrechtsentwicklung-in-oester- interessiert. Viele (junge) Menschen fragen sich aber: reich-1848-bis-heute Macht es überhaupt Sinn, meine Stimme abzugeben? www.parlament.gv.at/PERK/HIS/WAHL/RECHT/ Sind die antretenden Parteien vertrauenswürdig, index.shtml werden sie die Probleme und Fragen der Zeit lösen www.politik-lexikon.at/oe1918plus/1919 können? Der Österreichische Demokratiemonitor zeigt, wie die Bevölkerung zunehmend das Vertrauen in die Partei- politik verliert. Bereits 58 % der Befragten meinen, dass wurde, kann informieren, welche Parteien für wel- das politische System nicht gut funktioniert. che Inhalte stehen – und wie sie diese real umsetzen. Allgemein über das Wahlrecht zu sprechen, wird jun- Immerhin denken 88 % der ÖsterreicherInnen nach wie ge WählerInnen kaum motivieren, zur Wahlurne zu vor, dass die Demokratie die beste Staatsform ist.2 Diese gehen. Wenn Politische Bildung klar vermittelt, wie gilt es durch eine hohe Wahlbeteiligung zu stärken. Poli- Wählen unsere Demokratie stärkt und populistischer tische Bildung kann u.a. vermitteln, dass das Wahlrecht Politik entgegenzutreten vermag, sind Jugendliche keine Selbstverständlichkeit ist, sondern hart erkämpft dafür zu gewinnen. Denn sie wollen mitbestimmen, welche politischen Kräfte ihre Zu- kunft gestalten werden. Die Teilnahme an Schuldemokratie und die Auseinandersetzung mit dem Thema „Wählen ab 16“ spie- len in der Entscheidung, erstmals wählen zu gehen, eine wichtige Rolle. Didaktisch gut vorbereite- te politische Diskussionen regen dazu an, sich nachhaltig für Poli- tik und Wahlen zu interessieren.3 Politische Bildung stellt klar: An- gesichts sogenannter „illiberaler Demokratien“ in Europa zählt jede Stimme; extremistischen Stimmen, wie aktuell in der Corona-Krise Quelle: SORA deutlich vernehmbar, ist entschie- www.demokratiemonitor.at/ergebnis/systemvertrauen-auf-tiefpunkt den entgegenzutreten. 1 Allianz Jugendstudie 2021, Juni 2021 https://docplayer.org/216273859-Allianz-jugendstudie-2021.html 2 Der Demokratie Monitor befragt seit 2018 einmal pro Jahr Menschen in Österreich, wie sie das politische System bewerten und wie sie sich an politi- schen Diskussionen und Entscheidungen beteiligen. Ein besonderer Fokus liegt auf den jungen Menschen. www.demokratiemonitor.at 3 Sylvia Kritzinger, Markus Wagner und Josef Glavanovits: Wählen mit 16 – ErstwählerInnen bei der Nationalratswahl 2017. Wien, 2018. www.parlament.gv.at/ZUSD/PDF/Endbericht_NRW_2017_final.pdf polis aktuell 2/2022 3
2 WIE POLITIK LERNEN? Um das Interesse der Jugendlichen an Partizipation „Ich kann sowieso über die Schule hinaus zu wecken und den Erkenntnis- nichts verändern“, prozess zu verselbständigen, bedarf es einer speziellen sagen Jugendliche gelegent- Lernatmosphäre in der Politischen Bildung. Diese wird lich, wenn sie gefragt werden, durch Materialien und Methoden befördert, die veran- ob sie wählen gehen. Oder sie schaulichen und vertiefen sollen. Gruppenarbeiten, Re- meinen: „Alle Parteien sind cherchen und Diskussionen sind wesentliche Elemente gleich, es ist egal, Politischer Bildung. Zentral ist dabei eine Lehrperson, wer regiert.“ die ermutigt, sich mit komplexen Inhalten zu beschäfti- gen, und den Raum für Meinungsfreiheit und Interesse schafft. Was kann Politische Bildung dem entgegensetzen? Einerseits Informationen darüber vermitteln, wie Wahlergebnisse Politik verändern können, >TIPP LINK Demokratiebildung und andererseits persönlichen Bezug zu politischen gegen antidemokra Themen herstellen. tische Tendenzen Beides bedarf eines längeren Zeitraums, in dem Schüler Markus Pausch, Patricia Hladschik, Filip und Schülerinnen die Möglichkeit haben, ihr Interesse Pazderski, Rasha Nagem. Salzburg, Strasbourg, an Politik zu entdecken, Zusammenhänge zu erkennen Toulouse, Wien, Warschau, 2021. und Positionen zu beziehen. 52 Seiten. ISBN 978-83-7689-393-8 Der Politischen Bildung stehen heute, nicht zuletzt aufgrund einer coronabedingten beschleunigten Digita- www.politik-lernen.at/demokratiebildung- lisierung, viele Tools zur Verfügung, um spielerische und gegen-antidemokratische-tendenzen kreative Zugänge zu ermöglichen. Eine ehemalige Schülerin erinnert sich viele Jahre später: „Wir haben uns Dienstag nachmittags getroffen, eine Art Wahlfach oder Neigungsgruppe, die Lehrerin trat mit Schwung ein, öffnete ihre Aktentasche und warf einen Stapel Zeitungen auf den Tisch. Kronenzeitung, es war einfach zu lesen. Im Laufe eines Schuljahres lasen wir über den Falklandkrieg, den Terrorangriff auf den jüdischen Stadttempel in Wien, die Demonstrationen gegen Atomkraft und erfuhren über Aids. Wir stellten Fragen, redeten durcheinander, diskutierten und fühlten uns mit einem Mal erwachsen. Unsere Meinung wurde gehört, ohne dass eine weitere Erwartung damit ver bunden wurde. Wir interessierten uns für die Welt, stellten Zusammenhänge her, entwickelten Theorien, wurden Feministinnen. Es gab keinen Zwang zur Mitarbeit und doch gab es niemanden, der sich nicht zu Wort meldete. Manchmal erzählte die Lehrerin eine Geschichte aus ihrem Leben, gelegentlich brachte sie Fotos mit oder proji- zierte Statistiken an die Wand. Sie kritzelte auf die Folie des Overheadprojektors, erläuterte den Zusammenhang von Hunger und Kolonialismus und machte kein Hehl aus ihrer Abneigung ausländerfeindlichen Parteien gegen- über. Hat sie uns politisiert? Ja. War sie jemals neutral? Nein. Seit damals engagiere ich mich politisch, sie hat mich mit ihrer Politischen Bildung angesteckt.“ Was darf Politische Bildung? Podcast Richtig & Falsch: Politik wagen, Phillip Mittnik, Georg Lauss, Keine Angst vor ein Argumentationstraining. Stefan Schmid-Heher. Wien: Spontaneität Wochenschau Verlag, 2016. Zentrum für Politische Bildung, Wie gehen Lehrkräfte mit Christian Boeser-Schnebel, 2018. Kontroversen in der Klasse Klaus-Peter Hufer u.a.: Eine Handreichung für Lehr- um? Ist es falsch, neutral Das Buch hilft, die eigene kräfte für den Unterricht in sein zu wollen? politische Urteilsfähigkeit Politischer Bildung www.politik-lernen.at/pilot- weiterzuentwickeln und die www.politik-lernen.at/was- folge_richtigundfalsch individuelle politische Hand- darfpb lungsfähigkeit auszubauen. 4 polis aktuell 2/2022
3 WAHLEN IN ÖSTERREICH Um SchülerInnen zu motivieren, WAHLGRUNDSÄTZE sich für Wahlen zu interessie- Wahlen sind ein wichtiges Instrument der Demokra- ren, ist ein Überblick „wann und tie, für das klare Grundsätze gelten, die eingehalten was kann ich denn überhaupt werden müssen. Diese sind im Bundes-Verfassungs- wählen“ wichtig. So ist die Aus- gesetz festgelegt.4 wirkung einer Stimmabgabe bei einer Gemeinderatswahl näher an der Allgemeines Wahlrecht: Alle Personen mit österrei- Lebensrealität der jungen WählerInnen als bei der Wahl chischer Staatsbürgerschaft, die am Wahltag min- des Europäischen Parlaments. destens 16 Jahre alt sind, haben grundsätzlich das Recht zu wählen (aktives Wahlrecht) und gewählt zu In Österreich gibt es Wahlen zu folgenden politischen werden (passives Wahlrecht5). Nicht österreichische Institutionen bzw. Ämtern: EU-BürgerInnen haben das Recht, an Gemeinderats- • Nationalrat (alle fünf Jahre) wahlen bzw. in Wien an Bezirksvertretungswahlen • Landtag (alle fünf Jahre, in OÖ alle sechs Jahre) sowie an Europawahlen teilzunehmen. Vom Wahl- • Gemeinderat (alle fünf Jahre bzw. sechs Jahre) recht ausgeschlossen werden kann man aufgrund • BundespräsidentIn (alle sechs Jahre) einer gerichtlichen Verurteilung.6 • Europäisches Parlament (alle fünf Jahre) In Österreich besteht keine Wahlpflicht. Gleiches Wahlrecht: Jeder wahlberechtigten Staats- Darüber hinaus finden in Österreich Wahlen zu ver- bürgerin und jedem wahlberechtigten Staatsbürger schiedenen Interessenvertretungen statt. Jugendliche kommt eine Stimme zu und jede Stimme hat den können sich als KandidatInnen teilweise selbst daran gleichen Wert. beteiligen. Beispiele: Vertretungen im Rahmen der Schuldemokratie Persönliches Wahlrecht: Das Wahlrecht muss (Klassen- und SchulsprecherInnen, Schulgemein- persönlich ausgeübt werden, d.h. die Wählenden schaftsausschuss, Schulparlament etc.) können sich nicht vertreten lassen. Eine Ausnahme Vertretetungen der Österreichischen HochschülerIn- bilden körper- oder sinnesbehinderte Menschen, die nenschaft (ÖH) zum Ausfüllen des Stimmzettels auf fremde Hilfe VertreterInnen in Betrieben bzw. in den Kammern angewiesen sind. Sie können sich von einer Person (Arbeiter-, Wirtschafts-, Landwirtschaftskammer) ihres Vertrauens unterstützen lassen. Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbe- Freies Wahlrecht: Es ist gewährleistet, dass jede fragungen sind Mittel der „direkten Demokratie“, Wahlentscheidung ohne Zwang oder Behinderung durch welche BürgerInnen ihre Anliegen äußern getroffen werden kann. bzw. Entscheidungen treffen können. Geheimes Wahlrecht: Durch Maßnahmen wie Wahl- zelle, Wahlkuvert und Wahlurne wird sichergestellt, >TIPP LINKS dass die Wahlentscheidung geheim gehalten wird. Unmittelbares Wahlrecht: Die Abgeordneten Wann wird wo gewählt? SORA-Wahlkalender werden direkt vom Volk gewählt (und nicht durch www.sora.at/suche-download/wahlkalender.html Wahlmänner oder Wahlfrauen wie z.B. in den USA). Überblick über das Wahlrecht in Österreich Durch die Abgabe einer Vorzugsstimme kann außer- auf der Seite des Innenministeriums dem eine Kandidatin bzw. ein Kandidat hervorgeho- www.bmi.gv.at/412 ben werden. 4 Siehe dazu Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), Artikel 26 und 27 www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzes num- mer=10000138 sowie oesterreich.gv.at > Wahlgrundsätze www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wahlen/1/ Seite.320220.html 5 Bzgl. Altersregelung siehe www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wahlen/1/Seite.320210.html 6 Gerichte entscheiden im Einzelfall, ob Personen, die rechtskräftig zu einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bzw. bei bestimmten Delikten zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe (z.B. Landesverrat, Wahlbetrug, bestimmte Fälle von Amtsmissbrauch, NS-Wiederbetätigung, Terror, organisierte Kriminalität) rechtskräftig verurteilt wurden, von der Wahl ausgeschlossen werden. polis aktuell 2/2022 5
3.1 NATIONALRATSWAHL leicht zu nehmen. Außerdem muss jede wahlwerbende Die Gesetzgebungsperiode des Nationalrats beginnt mit Gruppe eine Liste von Personen hinterlegen, die bereit der konstituierenden Sitzung und endet, sofern es keine sind, ein erworbenes Mandat auszuüben. vorgezogene Neuwahl gibt, nach fünf Jahren.7 WER HAT DAS RECHT ZU WÄHLEN? Wählen können alle österreichischen StaatsbürgerIn- >TIPP METHODE Wer soll das Volk vertreten? nen, die am Wahltag mindestens 16 Jahre alt geworden Die SchülerInnen überlegen in Kleingruppen, wel- sind. Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, che Eigenschaften und Kompetenzen ihrer Meinung die am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind, verfügen, nach Personen haben sollten, die sich für ein po- sofern sie nicht wegen einer gerichtlichen Verurteilung litisches Amt bewerben. Gibt es Persönlichkeiten, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, über das passive die besonders geeignet wären? Warum? Diskutieren Wahlrecht.8 Sie die Ergebnisse in der Klasse. AuslandsösterreicherInnen sowie Personen, die sich Ziel: Reflexion über Berufsethos und Kompetenzen zum Zeitpunkt der Wahl nicht an ihrem Wohnsitz auf- von VolksvertreterInnen. halten bzw. bettlägerig oder nicht geh- und transport- fähig sind, können vor dem Wahltermin schriftlich eine Wahlkarte beantragen.9 Darüber hinaus gibt es soge- WIE GRÜNDET MAN EINE POLITISCHE PARTEI? nannte „fliegende Wahlbehörden“, die beispielsweise in Die Gründung einer politischen Partei ist relativ einfach. Krankenhäuser oder Pflegeheime kommen.10 Es bedarf Satzungen, die veröffentlicht sowie beim Bun- desministerium für Inneres hinterlegt werden müssen. Damit erlangt eine politische Partei die Rechtspersön- >TIPP LINK lichkeit. Die Gründung politischer Parteien ist grund- sätzlich frei, sofern damit nicht gegen das Verbotsgesetz Demokratiewebstatt des verstoßen wird, das eine nationalsozialistische Wieder- Österreichischen Parlaments. betätigung verbietet.12 Ende Jänner 2022 umfasste das Informationen zum Thema Wählen und Wahl- recht in leicht verständlicher Sprache. Parteiverzeichnis 1241 Parteien.13 www.demokratiewebstatt.at/thema/thema- wahlen >TIPP LINKS Politiklexikon für junge Leute www.politik-lexikon.at/wahlrecht WELCHE GRUPPIERUNGEN KÖNNEN BEI DER NATIONALRATSWAHL ANTRETEN? Unterrichtsbeispiel Praxisbörse Um zur Wahl zugelassen zu werden, muss von der wahl- www.politik-lernen.at/werdarfwaehlen werbenden Gruppe eine Hürde genommen werden. Das soll meineabgeordneten.at verhindern, dass sich eine unübersichtlich große Anzahl Transparenzplattform, die öffent- an Gruppen einer Wahl stellt. So muss die wahlwerbende liche Daten zu den österreichi- Gruppe eine bestimmte Zahl an Unterstützungserklärun- schen Landtags-, Nationalrats- und Europa- gen11 vorlegen. Alternativ dazu kann die wahlwerbende abgeordneten, den Mitgliedern der Bundes- Gruppe auch die Unterstützung von mindestens drei Na- regierung und des Bundesrats etc. bereitstellt. tionalratsabgeordneten nachweisen. Für Parteien, die be- www.meineabgeordneten.at | @MeineAbg reits im Nationalrat vertreten sind, ist diese Hürde meist 7 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), Artikel 26 und 27 www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzes nummer=10000138 8 oesterreich.gv.at > Nationalratswahl: www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wahlen/5/Seite.320610.html 9 oesterreich.gv.at > Wahlkarte/Stimmkarte (gilt für alle Wahlen) www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wahlen/6/ Seite.320520.html 10 oesterreich.gv.at > Besuch durch die „fliegende Wahlkommission“ www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wahlen/6/ Seite.320530.html 11 Dies sind für einen Landeswahlvorschlag in Wien und Niederösterreich jeweils 500, in Oberösterreich und der Steiermark je 400, in Kärnten, Salzburg und Tirol je 200 und im Burgenland und in Vorarlberg je 100 Unterstützungserklärungen. Für eine bundesweite Kandidatur sind mindestens 2.600 Unter- stützungserklärungen nötig. Vgl. Bundesministerium für Inneres. Wie kann man bei einer Nationalratswahl kandidieren? www.bmi.gv.at/412/National- ratswahlen/Wie_kann_man_bei_einer_ Nationalratswahl_kandidieren.aspx 12 Österreichisches Parlament > Wie gründet man eine Partei?: www.parlament.gv.at/PERK/FAQ/PART/index.shtml 13 www.bmi.gv.at/405/start.aspx 6 polis aktuell 2/2022
Quelle: SORA und Haus der Geschichte Österreich, www.sora.at/wahlen/index.html >TIPP RECHERCHE >TIPP LINK Auf der Website von SORA gibt es ein interaktives Von der Stimme zum Mandat Tool über das Wahlverhalten der letzten 100 Wahlkreise und Mandatsberechnung bei National- Jahre in Österreich, anhand dessen die ratswahlen (Addendum) WählerInnenströme der einzelnen Nationalrats- https://vis.strategieanalysen.at/mandate wahlen abgerufen werden können. www.sora.at/wahlen/index.html Die SchülerInnen recherchieren in Gruppen, wie sich das Wahlverhalten in den letzten 10, 20, 30 >TIPP RECHERCHE etc. Jahren verändert hat. Wann waren Parteien Politische Partizipation von Frauen besonders stark oder verloren dann wieder Stim- Die SchülerInnen recherchieren die Entwicklung men? Wann konnten sich neue Parteien profilieren des Frauenwahlrechts in Österreich und die und welche Gründe könnten dafür vorliegen? Repräsentanz von Frauen im Nationalrat im Lauf der Jahrzehnte. Wie sieht es in anderen Ländern aus? Welche Vor- und Nachteile hat die Einführung MANDATSVERTEILUNG einer Quotenregelung? Die Nationalratswahl erfolgt nach den Grundsätzen der Vertiefung: Welche anderen Gruppen sollten sicht- Verhältniswahl. Das heißt, die Mandate werden ent- bar im Parlament vertreten sein? sprechend dem prozentuellen Stimmenanteil an die wahlwerbenden Gruppen vergeben. Wie viele Stimmen polis aktuell 2/2021: Frauenrechte jeweils für das Erreichen eines Mandats nötig sind, wird www.politik-lernen.at/pa_frauenrechte durch die „Wahlzahl“ ermittelt. Um in den Nationalrat Erster Wiener Protestwanderweg einzuziehen, müssen die Parteien bundesweit mehr als Station Parlament/Kapitel 4 Frauenwahlrecht vier Prozent der Stimmen oder ein sogenanntes Grund- www.protestwanderweg.at/parlm/parlament_07. mandat in einem der Wahlkreise erreichen.14 Die Vergabe php der Mandate an einzelne Personen richtet sich nach der Mediathek des Österreichischen Parlaments Reihenfolge der KandidatInnen auf den Wahllisten. Je Podcast und Erklärvideos, z.B. Folge 8 des Pod- weiter vorne jemand auf der Liste steht, desto größer casts zum Frauenwahlrecht ist die Chance, ein Mandat zu erreichen. Mittels der Ver- www.parlament.gv.at/MEDIA/POD/FOLGE8/in- gabe von Vorzugsstimmen können die Wählenden diese dex.shtml Reihung beeinflussen.15 14 Österreichisches Parlament > Wahlen: www.parlament.gv.at/PERK/ FAQ/WAHL sowie www.parlament.gv.at/PERK/FAQ/WAHL/ERMNRWAHL 15 Vgl. www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wahlen/1/Seite.320260.html polis aktuell 2/2022 7
3.2 BUNDESPRÄSIDENTSCHAFTSWAHL Der/die BundespräsidentIn ist das Oberhaupt der Repu- blik Österreich und wird alle sechs Jahre für maximal >TIPP DISKUSSION BRIEFWAHL Die vergangenen Wahlen haben zwei Funktionsperioden von den BürgerInnen direkt ge- aufgrund der Covid-19-Pandemie wählt. WählerInnen müssen am Wahltag das 16. Lebens- in vielen Staaten einen hohen jahr vollendet haben, österreichische StaatsbürgerInnen Anstieg von BriefwählerInnen mit sein und das Wahlrecht zum Nationalrat besitzen. sich gebracht. Inwieweit steht die Zur Kandidatur berechtigt sind alle österreichischen Briefwahl in einem Spannungsverhältnis zu den StaatsbürgerInnen, die am Wahltag mindestens 35 Jahre Grundsätzen der freien und geheimen Wahl? alt sind, sofern kein Ausschließungsgrund vorliegt. Für die Kandidatur muss ein Wahlvorschlag eingebracht wer- Die ungelösten Probleme der Briefwahl den. Dieser ist nur rechtsgültig, wenn mindestens 6.000 (Standard, 5. März 2021) Unterstützungserklärungen vorliegen. www.derstandard.at/story/2000124675514/die- ungeloesten-probleme-der-briefwahl Zu den Aufgaben des Bundespräsidenten zählen unter anderem die Vertretung der Republik nach außen, der Oberbefehl über das Bundesheer sowie die Beurkundung der Verfassungsmäßigkeit von Bundesgesetzen. Bisher gab es in Österreich noch keine Bundespräsidentin. >TIPP LINKS Um zur Bundespräsidentin oder zum Bundespräsiden- Informationen zur Bundespräsidentschaftswahl: ten gewählt zu werden, ist das Erreichen von mehr als www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oester- der Hälfte aller gültigen Stimmen erforderlich. Erlangt reich/wahlen/5/Seite.320611.html keineR der BewerberInnen eine solche Mehrheit, so fin- Infos zur Bundespräsidentschaftswahl 2016: det vier Wochen nach dem ersten Wahlgang ein zweiter www.bmi.gv.at/412/Bundespraesidentenwahlen Wahlgang statt, bei dem die beiden stimmenstärksten Österreichisches Wort des Jahres 2016: „Bundes- KandidatInnen in einer Stichwahl gegeneinander antre- präsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung“ ten. www.politik-lexikon.at/oesterreich1918plus/2016 BUNDESPRÄSIDENTSCHAFTSWAHL 2016 Manfried Welan: Die Wahl zum Bundespräsiden- Die letzte Bundespräsiden- ten/Bundespräsidentin, aus: IzPB 41, 2017, S. 14 schaftswahl ging knapp bis 22) aus. Alexander Van der https://bit.ly/36q78l0 Bellen (Grüne), erhielt 50,35 %, Norbert Hofer (FPÖ) 49,64 % der gültigen Stim- men, die Wahlbeteiligung be- trug 72,7 %. >TIPP METHODE Der Verfassungsgerichtshof Wen will ich wählen? entschied bei der Stichwahl, Die Klasse arbeitet in Kleingruppen: Am Beispiel Wikimedia Commons dass diese aufgrund von einer bevorstehenden Wahl (z.B. Bundespräsident- Formfehlern und einer nicht schaftswahl 2022) werden dringende Anliegen an korrekten Abwicklung des Wahlvorgangs wiederholt das künftige Staatsoberhaupt formuliert. Anschlie- werden musste. Auch die Wiederholung der Stichwahl ßend werden die Arbeitsergebnisse verglichen, ein lief nicht reibungslos ab, so musste der festgelegte Ter- Ranking wird erstellt. Dann wird geklärt: Ist der/ min am 2. Oktober aufgrund von fehlerhaften Wahlkar- die BundespräsidentIn für die Wünsche der Schüle- ten auf den 4. Dezember 2016 verschoben werden. rInnen überhaupt zuständig? Die nächste Funktionsperiode nach der Wahl im Herbst 2022 beginnt mit der Angelobung vor der Bun- desversammlung am 26. Jänner 2023. 8 polis aktuell 2/2022
3.3 LANDTAGS UND GEMEINDERATSWAHLEN Die Landtage sind die Parlamente der einzelnen Bundes- GEMEINDERATSWAHL WAIDHOFEN AN DER YBBS länder. Sie beschließen Gesetze und kontrollieren die Am 30. Jänner 2022 wurde in Waidhofen an der Landesregierungen. Die Landtagsabgeordneten werden Ybbs der neue Gemeinderat gewählt. Die Partei in den Bundesländern nach dem Prinzip des gleichen, Menschen – Freiheit – Grundrechte (MFG), die unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältnis- Coronaschutzmaßnahmen und die Impfpflicht wahlrechts gewählt. ablehnt und 2021 gegründet wurde, trat zum Die Gesetzgebungsperiode in den Landtagen ist nicht ersten Mal an, erlangte auf Anhieb 17 % und in allen Ländern gleich, sie beträgt fünf oder sechs Jah- wurde somit drittstärkste Partei nach der WVP re. Aktiv wahlberechtigt sind Personen, die am Wahltag (= Waidhofner Volkspartei) und SPÖ. Besonders mindestens 16 Jahre alt und österreichische Staatsbür- die ÖVP musste große Verluste hinnehmen gerInnen sind sowie grundsätzlich ihren Hauptwohnsitz (von 60 % auf 41 %).16 im jeweiligen Bundesland haben. Das Ergebnis in Waidhofen überraschte auch Bei der Gemeinderatswahl sind alle österreichischen die Wahlsiegerin MFG (Standard, 31. Jänner StaatsbürgerInnen sowie nicht österreichische EU-Bür- 2022) gerInnen, die in der jeweiligen Gemeinde ihren Haupt- www.derstandard.at/story/2000132988465/ wohnsitz haben und am Wahltag mindestens 16 Jahre das-ergebnis-in-waidhofen-ueberraschte- alt sind, wahlberechtigt. Bei BürgermeisterInnenwahlen auch-die-wahlsiegerin-mfg gilt das Mehrheitswahlrecht. Falls eine Person im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit erreicht, findet Waidhofner Gemeinderatswahl sorgt für Über- eine Stichwahl statt. raschungen (Tips Ybbstal, 31. Jänner 2022) www.tips.at/nachrichten/ybbstal/wirtschaft- politik/556884-waidhofner-gemeinderats- >TIPP LINK wahl-sorgt-fuer-ueberraschungen Informationen zu Wahlen auf Landes- und Diskutieren Sie mit den SchülerInnen am Beispiel Gemeindeebene: der Waidhofner Gemeinderatswahl 2022 die Moti- www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oester- ve, warum Wählerinnen und Wähler ihre Stimme reich/wahlen/5/Seite.320620.html einer neuen Partei geben. www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oester- reich/wahlen/5/Seite.320621.html polis aktuell 1/2021: DIE GEMEINDE ALS POLITISCHE AKTEURIN Die Gemeinde ist jene politische Akteurin, die am nächsten an der Lebenswelt der SchülerInnen andockt. Das Heft enthält einen einführenden Teil zu Aufga- Die Online-Politikorientierungshilfe ermöglicht es, ben, Organen und Finanzierung von Gemeinden sowie die eigenen Positionen mit den Standpunkten der Blitzlichter mit Daten politischen Parteien abzugleichen. Für den Einsatz und Fakten zu österrei- im Unterricht werden begleitend Materialien für chischen Gemeinden. Ein die Vor- und Nachbereitung zur Verfügung gestellt. zweiter Teil widmet sich www.wahlkabine.at den partizipativen Ansät- www.wahlkabine.at/material zen einer lebensweltlich orientierten Politischen Bildung am Beispiel kom- >TIPP LINK munaler Beteiligungs- möglichkeiten. Politiklexikon für junge Leute www.politik-lernen.at/ www.politik-lexikon.at/gemeinderat pa_gemeinde 16 https://waidhofen.at/gemeinderatswahl-2022 polis aktuell 2/2022 9
3.4 EUROPAWAHL nen. Speziell junge Menschen konnten motiviert wer- den, wählen zu gehen. Laut Eurobaromterumfrage haben unter anderem ein stärkeres Bewusstsein für die Pflichten als Bürgerinnen und Bürger sowie ein positi- veres Bild über die EU zu einer höheren Wahlbeteiligung beigetragen.17 >TIPP RECHERCHE Die SchülerInnen recherchieren, welche Gründe genannt wurden, warum die Wahlbeteiligung bei der letzten Europawahl gestiegen ist und welche WählerInnengruppen besonders motiviert werden Parlamentsgebäude in Straßburg © Europäisches Parlament konnten. Gibt es Unterschiede in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten? Woran kann das liegen? Wel- Das Europäische Parlament vertritt alle Bürgerinnen und che Themen wurden im Wahlkampf angesprochen Bürger der EU-Mitgliedstaaten, somit auch Österreichs. und welche Fraktionen konnten überzeugen? Gemeinsam mit dem Rat der EU ist es u.a. für die Ge- www.bpb.de/themen/europawahlen/et-wahlmoni- setzgebung verantwortlich und spielt eine aktive Rolle tor-2019/292009/europawahl-wer-gewinnt-wer- bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften. Zahlreiche verliert Kontrollinstrumente ermöglichen es dem Europäischen Parlament, andere EU-Institutionen zu überwachen und zu prüfen. Alle fünf Jahre findet die Wahl zum Europäischen Par- lament statt. Wahlberechtigt sind alle Personen, die am >TIPP LINK Wahltag mindestens 16 Jahre alt sind, die österreichi- Lernecke EU sche Staatsbürgerschaft besitzen sowie nicht österreichi- Zahlreiche Unterrichtsmaterialien zu diversen sche EU-BürgerInnen mit Wohnsitz in Österreich. EU-Themen. Die Europawahl ist eine Direktwahl, bei der die https://learning-corner.learning.europa.eu/ Stimme für eine kandidierende Partei abgegeben wird. learning-corner_de Sie erfolgt nach dem Verhältniswahlrecht. Derzeit ist Österreich durch 19 Abgeordnete (von insgesamt 705) im Europäischen Parlament vertreten. >TIPP LINK Themenvorschläge für vorwissenschaftliche Arbeiten und Diplomarbeiten Infos zu Europawahlen www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oester- Verhältnis- versus Mehrheitswahlrecht: Darstellung reich/wahlen/5/1.html am Beispiel der österreichischen Nationalratswahl www.europarl.europa.eu/at-your-service/de/be- sowie der Präsidentschaftswahl in den USA (Vor- heard/elections teile und Nachteile) Einfluss von Wahlbeobachtungen auf die Wahler- gebnisse anhand ausgewählter Länder, ein Ver- EUROPAWAHL 2019 gleich Bei der letzten Europawahl 2019 Beeinflusst der Wahlrechtsausschluss aufgrund betrug die Wahlbeteiligung fehlender Staatsbürgerschaft das politische und 50,6 % und war somit gesamt ge- gesellschaftliche Engagement junger Menschen? sehen um acht Prozentpunkte Wahlkampf in den sozialen Medien: Analyse von höher als 2014. In Österreich lag sie sogar bei 59,8 % Strategien, AkteurInnen und Zielgruppen und konnte somit eine Steigerung um 14 % verzeich- 17 www.europarl.europa.eu/at-your-service/de/be-heard/eurobarometer/2019-european-elections-entered-a-new-dimension 10 polis aktuell 2/2022
WA H L A LT E R SPEZIAL: 15 JAHRE „WÄHLEN AB 16“ Der Nationalrat stimmte 2007 der Senkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre für bundesweite Wahlen zu. In Österreich durften damit als erstem europäischen Land Jugendliche ab 16 Jahren auf allen Ebenen (Gemeinde-, Landtags-, Nationalrats-, Bundespräsidentschafts- und Europawahlen) das aktive Wahlrecht aus- üben. Das passive Wahlalter wurde gleichzeitig von 19 auf 18 Jahre gesenkt. 2008 konnten österreichische 16- und 17-Jährige erstmals ihre Stimme bei einer Nationalratswahl abgeben. Österreich kam mit der Wahlaltersenkung u.a. der Forderung österreichischer und europäischer JugendvertreterInnen nach, Jugendliche formell stärker in politische Entscheidungen einzubinden. Auch in vielen anderen europäischen Staaten wird die Senkung des Wahlalters für junge Menschen diskutiert. Malta hat 2018 als zweites europäisches Land das Wahlalter auf allen Ebenen von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Wir haben aus Anlass des 15-jährigen Jubiläums der Wahlaltersenkung vier Organisationen um eine Einordnung aus ihrer Sicht gebeten. Die Organisationen Die Fragen akzente Salzburg – Initiativen Argumente für eine Wahlaltersenkung? für junge Leute Verstärkt die Wahlaltersenkung das politische Interesse beteiligung.st der Jugendlichen? Bundesjugendvertretung Wurde die Wahlaltersenkung gut begleitet? jugendornbirn Wäre eine Wahlaltersenkung auf 14 Jahre denkbar? Impulsfragen für die Beschäftigung mit den Texten sowie mit dem Thema „Wählen“ im Unterricht Welche Bedeutung hat „Wählen gehen“ für euch? Fühlt ihr euch gut vorbereitet, um informierte Wahlentscheidungen zu treffen? Welche Kompetenzen sind für informierte Wahlentscheidungen erforderlich? Welche Politikbereiche sind für euch besonders wichtig und wo wollt ihr mehr eingebunden sein? Welche Positionen nehmen die vier befragten Organisationen ein? Gibt es Unterschiede in der Einschätzung? Wie ist eure Einschätzung zum Thema „Wählen ab 14“? polis aktuell 2/2022 11
AKZENTE SALZBURG – INITIATIVEN FÜR JUNGE LEUTE! www.akzente.net Was waren/sind die stärksten Argumente für konkreter Handlungsmöglichkeit verknüpft werden eine Wahlaltersenkung? und somit ein nachhaltiges Lernergebnis erzielt Durch das Wahlrecht erhalten Jugendliche ein werden. echtes Mitbestimmungsrecht und können so ihre Zukunft selbst mitgestalten. Viele politische Wir gehen davon aus, dass die Wahlberechtigung Entscheidungen sind weitreichend und zum Teil bei Jugendlichen zu einer höheren Identifikation irreversibel. Ohne die Absenkung des Wahlalters mit der Demokratie und zur stärkeren Teilnahme müssen Jugendliche in ihrem Erwachsenenleben am politischen Leben führt. Denn wer in den po- die Konsequenzen von Entscheidungen tragen, an litischen Entscheidungsprozess einbezogen wird, denen sie nicht teilhaben konnten. der weiß, dass er etwas bewegen kann. Somit ist die Absenkung des Wahlalters ein Weg, der Politik- Unsere Gesellschaft wird im Durchschnitt immer verdrossenheit entgegenzutreten. älter; somit verlagern sich Entscheidungen über die Zukunft unserer Gesellschaft verstärkt auf Wählen, und damit verbunden eine Einbindung ältere Menschen. Insofern kann Wählen ab 16 in die Politik, fällt durch das Wahlalter 16 mitten als eine Gegenmaßnahme zu dieser Entwicklung in die Übergangsphase vom Jugendlichen zum gewertet werden. Erwachsenwerden. Junge Menschen werden früher in die Gesellschaft eingebunden, anstatt immer Ein weiteres Argument für ein niedrigeres Wahl- nur mitgedacht zu werden. Ihnen wird die große alter ist, dass auch Jugendliche, z.B. als Auszu- Verantwortung zuteil, selbst mitzubestimmen. Sie bildende, Steuern zahlen müssen und deshalb allein sind es, die in der Wahlkabine eine geheime auch mitentscheiden sollten, was mit dem Geld und ganz persönliche Entscheidung treffen. Im passiert. Gegensatz zu anderen Dingen, wie etwa großen Investitionen, brauchen sie dazu keine Zustim- Das Recht der Jugendlichen, sich an Wahlen zu mung der Erziehungsberechtigten. Wählen ab 16 beteiligen, sollte sich positiv auf die Politik aus- beinhaltet somit auch eine fürs Erwachsenwerden wirken. PolitikerInnen sollten die Jugendlichen als unabdingbare, emanzipatorische Komponente, mit potenzielle WählerInnen verstärkt ernst nehmen der Jugendliche zu selbstbestimmten und mitbe- und deshalb die Interessen der Jugendlichen stimmenden BürgerInnen werden. besser vertreten. Neben der zugedachten Verantwortung, die Wählen ab 16 ist zudem eine gute Chance für die Jugendliche beim Erwachsenwerden übernehmen Politische Bildung innerhalb und außerhalb der wollen, bedeutet das Recht zu Wählen zudem eine Schule. Jugendliche können in einem neutralen große Wertschätzung der Jugend gegenüber. Sie Raum über Politik und Wahlen reden und sich wird bei der Wahl als gleichsam wichtiger und informieren. Außerdem können Lerninhalte mit gleichberechtigter Teil der Gesellschaft anerkannt. 12 polis aktuell 2/2022
Die meisten Jugendlichen mit 16 Jahren verfügen lichkeit, an der Wahl teilnehmen zu können, in bereits über ein wenig Arbeitserfahrung, aber be- der individuellen Auseinandersetzung mit Politik finden sich dennoch in Ausbildung. Mit Ablauf der sowie mit politischen Inhalten und Konzepten. Schulpflicht haben sie zudem eine wegweisende Entscheidung zur Berufswahl getroffen. Sie haben Inwieweit es gelungen ist, dass die politische dadurch einen Blick für ihre (auch persönliche) Ebene die jungen Menschen als potenzielle Wähler Zukunft. Zugleich sind sie ExpertInnen, die aus und Wählerinnen erkannt hat und verstärkt auf erster Hand über politisch höchst relevante und diese zugeht, ist schwierig zu beurteilen. beeinflusste Bereiche wie Bildung oder Infra- Gerade aber bei den für jungen Menschen wichti- struktur berichten können. Das niedrige Wahlalter gen Themen wie etwa Klima- und Umweltschutz, ermöglicht außerdem ein nahtloses Anknüpfen an Politische Bildung oder Öffentlicher Verkehr gibt die in Schulen vorhandenen demokratischen Struk- es sicherlich noch einigen Aufholbedarf. turen mit KlassensprecherInnen, SchülerInnenver- tretung. Hinzu kommt, dass sie mit dem Ende der Unbestritten ist, dass durch das Wahlrecht ab 16 Schulpflicht eine wichtige Entscheidung über ihre mehr Jugendliche politisches Interesse zeigen. ganz persönliche Zukunft individuell treffen muss- Selbst wenn man von einem im Durchschnitt ge- ten. Umfassende rechtliche Befugnisse bewirken, ringeren Politikinteresse bei den 16- bis 18-Jäh- dass sich die meisten auch im privaten Bereich rigen als dem Rest der Gesellschaft ausgeht, bereits in Eigenständigkeit erprobt haben. bedeutet eine Miteinbeziehung mehr Wahlbe- rechtigte, mehr politikengagierte Menschen und Von der Wahlrechtsreform hat man sich dadurch eine breiter gestützte Repräsentation der erwartet, dass Jugendliche durch die frühere Gesellschaft im demokratischen Sinne. Untersu- Einbindung in den politischen Prozess mehr chungen zeigen ein positives Bild: Das Interesse politisches Interesse zeigen: Ist diese bei 18- bis 21-Jährigen ist im europäischen Ver- Erwartung eingetroffen? gleich ähnlich hoch wie bei den 16- bis 18-Jähri- Österreich war das erste Land in der Europäischen gen ÖsterreicherInnen. Das bedeutet, dass jungen Union, in dem man auf allen politischen Ebenen Menschen in Österreich ein Hindernis auf dem Weg ab 16 Jahren wählen darf. 15 Jahre nach der zur politischen Mündigkeit genommen wurde und Herabsetzung des Wahlalters konnte man erste sie diese Chance auch nutzen. Erkenntnisse gewinnen: Es ist zwar das Ziel einer kontinuierlich hohen Wahlbeteiligung junger Haben Schule und Gesellschaft ausreichend Menschen in Österreich noch nicht erreicht, den- auf die Wahlaltersenkung reagiert? Was noch zeichnet sich im Hinblick auf das politische würden Sie sich wünschen, damit Jugendliche Interesse und die Wahlbeteiligung ein positiver ihre demokratischen Kompetenzen gut Trend ab. Laut aktuellen Studien liegt die Wahl- entwickeln? beteiligung von jungen WählerInnen bei ihrer Unabhängig von der Absenkung des Wahlalters ersten Wahl über jener der anderen Altersgrup- sehen sich junge Menschen mit gesellschaftspoli- pen; leider sinkt diese später wieder (leicht) ab. tischen Herausforderungen (z.B. Fake News) und Um diesen anfänglichen Trend weiter zu fördern, den demokratiepolitischen Implikationen konfron- wäre es notwendig, eine nachhaltige Strategie zur tiert. Politisches Interesse und Engagement sind dauerhaften Einbindung von Jugendlichen in den die Grundlage einer Demokratie. Sie entwickeln politischen Prozess zu entwickeln. sich auf Basis und als Teil demokratischer Kompe- tenzen. Doch von welchen Kompetenzen sprechen Natürlich bekommt Politische Bildung vor dem wir? Dazu zählen besonders Einstellungen und Hintergrund der Wahlaltersenkung eine sehr große Werte, praktische Handlungsfertigkeiten und Bedeutung. Es ist aber sehr wichtig, Politik Wissen und kritisches Denken aber natürlich nicht nur „zu lernen“, sondern auch „zu er- auch Konfliktfähigkeit und die Fähigkeit zur leben“. Für Jugendliche ist es von Bedeutung, Perspektivenübernahme. einen Ankerpunkt zu haben: in Form der Mög- polis aktuell 2/2022 13
Besonders wünschenswert wäre, wenn Bildungs- einrichtungen wie Schulen noch intensiver mit außerschulischen PartnerInnen projektbezogen zusammenarbeiten und zeitgemäße Formen der Demokratiebildung erproben. Es geht darum, Demokratie als gesellschaftlichen Aushandlungs- und Gestaltungsprozess erfahrbar zu machen und Jugendlichen möglichst facettenreich und über- greifend zu ermöglichen, Demokratie zu erleben, zu erlernen und selbst zu gestalten. angepasst werden, könnten die Tendenzen zur Eine umfassende Vorbereitung auf den Moment Ungleichheit verstärkt werden: Politische Infor- der ersten Wahl ist sehr wichtig. Sie soll Interes- miertheit und das Interesse für politische Vor- se schaffen und den Wert einer demokratischen gänge hängen auch vom Bildungsstand der Eltern Gesellschaft in den Vordergrund stellen. Hilfreich und dem sozialen Umfeld ab: Wird zu Hause oder ist die bestehende Darstellung von Politik als Teil mit FreundInnen überhaupt über Politik geredet? des täglichen Lebens. Diese wird jedoch unglaub- Wenn ja, wie? Schon heute ist die Wahlbeteiligung würdig, wenn die Vorbereitung durch Veranstal- bei Erst- und JungwählerInnen besonders gering, tungen, Workshops oder im Unterricht immer nur wenn sie aus sozial benachteiligten Familien kom- gebündelt vor großen Wahlen stattfindet. Eine men. Dies könnte vielleicht gerade in der beson- Ausweitung der Vorbereitung, was es bedeutet, in ders wichtigen Gruppe der sozial nicht so privile- einer Demokratie zu leben, beispielsweise durch gierten jungen Menschen nicht den gewünschten die Schaffung eines eigenen Unterrichtsfachs Effekt nach mehr Beteiligung bewirken. „Politische Bildung“ oder durch mehr Möglichkei- ten zu Info- und Partizipationsveranstaltungen Auch wenn 14-Jährige nicht in absehbarer Zeit wäre wünschenswert für nachhaltiges politisches in den Genuss einer Wahlaltersenkung kommen, Engagement. Es wäre dem nachhaltigen Politi- bedeutet es jedoch nicht, dass 14-Jährige nicht kengagement dienlich, wenn diese Fortbildungen in die Politik eingebunden werden sollen. Ihr oft auch in Jahren ohne Wahlen in großer Anzahl unvoreingenommener Blick bringt eine wertvolle, stattfinden können, da Politikinteresse und alternative Perspektive ein und soll daher mit Politikbewusstsein auch abseits des politischen gewisser Unterstützung in Ideenfindungsprozessen Großevents Neuwahl gefördert werden. berücksichtigt werden, ab 16 Jahren dann auch in Entscheidungsfindungsprozessen. Nicht zuletzt Wäre eine Wahlaltersenkung auf 14 Jahre dient eine aktive Einbindung der Jugend, unge- denkbar? Welche Rahmenbedingungen würde achtet des Alters, dazu, sie an die Politik heranzu- es dafür brauchen? führen und für die Demokratie zu begeistern. Mit Vollendung des 14. Lebensjahres ist die Schwelle des Kindseins überschritten: Junge Men- schen sind deliktsfähig und strafmündig, können nun ihre Religionszugehörigkeit selbst wählen, haben ein Mitspracherecht beim Sorgerecht, kön- nen eine Lehre beginnen oder können Mitglied der meisten Parteien werden. Man sieht, dass junge Menschen bereits vor Erreichen der Volljährigkeit viel Eigenverantwortung tragen. Dennoch könn- te das 14. Lebensjahr insofern zu früh sein, als die Lücke zwischen aktivem und passivem Wahl- recht relativ groß zu werden scheint. Wenn nicht die Rahmenbedingungen (Politische Bildung) 14 polis aktuell 2/2022
BETEILIGUNG.ST www.beteiligung.st Was waren/sind die stärksten Argumente für In der Öffentlichkeit werden oft parteipolitische eine Wahlaltersenkung? Geschehnisse und Skandale wahrgenommen. Kinder und Jugendliche sowie ihre Bedürfnis- So sprechen wir mittlerweile eher von einer se ernst zu nehmen, gehen Hand in Hand mit PolitikerInnenverdrossenheit. Das wirkt sich nicht Überlegungen zum Wahlalter. Beteiligungsmög- besonders förderlich aus. Wie gut sich Jugendliche lichkeiten gab es seit vielen Jahren auf lokaler vertreten fühlen oder ihre Themen Eingang in die und internationaler Ebene. Partizipation ist in Bundespolitik finden, sei ebenso dahingestellt. Die der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben. Frage: „Wofür soll ich wählen gehen, wer vertritt Jugendliche wollen mitentscheiden. Österreich hat mich und meine Anliegen?“ scheint wohl auch 2007 richtig entschieden und definitiv eine Vorrei- eine berechtigte Frage der Jugendlichen zu sein. terrolle (nach wie vor) eingenommen, um dieser Forderung nachzukommen. Haben Schule und Gesellschaft ausreichend auf die Wahlaltersenkung reagiert? Was wür Damit verbunden wäre es ebenso wichtig, den As- den Sie sich wünschen, damit Jugendliche ihre pekt ernst zu nehmen, dass sich junge Menschen demokratischen Kompetenzen gut entwickeln? unzureichend auf die Wahl vorbereitet fühlen. Da- In der Steiermark gab es 2007 eine Demokratie- her ist die Frage bedeutend, wie Ermutigung und Offensive: Auf Landesebene wurde die Wahlalter Vorbereitung, Information und die Befähigung, senkung zum Anlass genommen, verstärkt das Wahlrecht wahrnehmen zu können, konzeptio- Angebote im Bereich der Politischen Bildung nell und strukturell gesichert sein können. außerschulisch anzubieten. Bis heute gibt es Strukturen und Angebote, die sich ergänzend zum Von der Wahlrechtsreform hat man sich Schulunterricht verstehen. erwartet, dass Jugendliche durch die frühere Einbindung in den politischen Prozess mehr Im Unterricht, so eine Forderung der SchülerInnen politisches Interesse zeigen: Ist diese Erwar selbst (u.a. in diversen Jugendlandtagen) und tung eingetroffen? auch der Politischen BildnerInnen, wie der Inter- Die Forderung nach mehr Mitsprache und in poli- essengemeinschaft Politische Bildung, müsste es tische Prozesse eingebunden zu sein, ist für viele ein eigenes Fach Politische Bildung geben. junge Menschen weiterhin aktuell und mit der Wahlrechtsreform nicht ausreichend abgedeckt. Kritisches Denken, Reflexionsvermögen aufzubau- Wählen zu gehen, kann nur eine Form der Einbin- en und das Erkennen von seriösen Informationen dung und Mitbestimmung darstellen. Die Wahlal- wären wünschenswert. Es gibt Jugendliche, die tersenkung ist und war ein wichtiges Signal, dass besonders interessiert sind und Ressourcen haben, junge Menschen Teil der Gesellschaft und somit sich mit politischen Themen mehrdimensional aus- wahlberechtigt sind. Es gibt aber auch viele junge einanderzusetzen; die mit ihren Anliegen in der Menschen, die nicht wahlberechtigt sind, obwohl Öffentlichkeit wahrgenommen werden, sich arti- ihr Lebensmittelpunkt in Österreich liegt. Wählen kulieren können und Handlungsspielräume haben. gehen zu dürfen, ist ein wichtiger Teil der gesell- Andere Jugendliche haben diese Zugänge nicht. schaftlichen und politischen Partizipation. Umso wichtiger wäre es, Jugendliche zu fördern, polis aktuell 2/2022 15
jeden jungen Menschen im Sinne einer „Demo- Sich darüber bewusst zu sein, ist keine Rahmenbe- kratiefitness“ zu begleiten und übers Wählen dingung, doch kann das Thema in pädagogischen hinaus Partizipationsmöglichkeiten anzubieten. Ausbildungen (elementare Bildungseinrichtungen, Primarstufe, Sek. I und II) einen Platz bekommen, Wäre eine Wahlaltersenkung auf 14 Jahre damit Politische Bildung und Demokratiebildung denkbar? Welche Rahmenbedingungen würde vorstellbar und didaktisch umsetzbar werden. Eine es brauchen? altersgerechte Aufbereitung von Inhalten, ein re- Grundsätzlich ist es denkbar, dass auch jünge- spektvoller Umgang miteinander, Reflexionsräume re Jugendliche (und warum nicht auch Kinder) und Diskussionsräume zu eröffnen, wären beson- ein verbrieftes Mitbestimmungsrecht haben. ders wichtig. Durch Einbindung und Gestaltungs- Dafür braucht es allerdings fundierte Konzepte, möglichkeiten erleben junge Leute Wertschätzung Strukturen und Ressourcen. Angebote, die junge und Selbstwirksamkeit, demokratische Prozesse Menschen auf diesem Weg begleiten, in denen sind erlern- und vielmehr erfahrbar. Und das ganz Grundsätze der Politischen Bildung die Basis unabhängig von einer Wahlaltersenkung. bilden (Kontroversitätsgebot, Überwältigungsver- bot …). BUNDESJUGENDVERTRETUNG www.bjv.at Was waren/sind die stärksten Argumente für Erste Untersuchungen haben diesen erhofften eine Wahlaltersenkung? Effekt bestätigt. Allerdings muss dabei berücksich- Junge Menschen sind in der Lage, verantwortlich tigt werden, dass es unmittelbar nach der Senkung zu handeln und ihr Verhalten zu reflektieren. Stu- des Wahlalters einen leichten Boom an Angeboten dien zeigen, dass sie (anders als das oft behauptet Politischer Bildung gab. Als dieser nachließ, ließ wird) ihre Entscheidungen vorrangig aufgrund von auch die Wirkung bei jungen WählerInnen – also Informationen treffen. Werden junge Menschen dass sie sich im Vergleich zu anderen Altersgrup- richtig adressiert, sind sie definitiv interessiert an pen sogar überdurchschnittlich stark an Wahlen Politik und vor allem an verlässlichen Informati- beteiligten – etwas nach. onen. Der triftigste Grund für eine Senkung des Wahlalters ist und war aber aus Sicht der BJV, dass Haben Schule und Gesellschaft ausreichend junge Menschen analog zu ihren Pflichten mit auf die Wahlaltersenkung reagiert? Was wür adäquaten Rechten ausgestattet sein sollten. den Sie sich wünschen, damit Jugendliche ihre demokratischen Kompetenzen gut entwickeln? Von der Wahlrechtsreform hat man sich Nach wie vor gibt es kein flächendeckendes Fach erwartet, dass Jugendliche durch die frühere „Politische Bildung“ an Österreichs Schulen und Einbindung in den politischen Prozess mehr keine ausreichende Ausbildung für alle Pädago- politisches Interesse zeigen: Ist diese Erwar gInnen. Die BJV fordert deshalb seit langem die tung eingetroffen? Einführung eines eigenen Fachs Politische Bildung 16 polis aktuell 2/2022
in allen Schultypen ab der 5. Schulstufe. Ebenso müsste dem Unterrichtsprinzip Politische Bildung, das für ALLE Schulstufen gilt, endlich durch eine entsprechende Berücksichtigung bei der Aus- bildung von PädagogInnen Rechnung getragen werden. Wäre eine Wahlaltersenkung auf 14 Jahre denkbar? Welche Rahmenbedingungen würde es brauchen? Auch wenn viele junge Menschen bereits ab 14 Jahren weitreichende Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen, wäre es aus Sicht der BJV zuerst notwendig, umfassende Maßnahmen im Bereich Politische Bildung umzusetzen, damit auch sichergestellt werden kann, dass alle jungen Menschen rechtzeitig mit den entsprechenden Logo der damaligen Demokratie-Initiative (2007/08) der Österreichischen Bundesregierung, um die Einführung der Kompetenzen ausgestattet werden. Wahlaltersenkung in der Schule mit begleitenden Maßnahmen zu unterstützen. JUGENDORNBIRN – MEINE STIMME ZÄHLT www.jugendornbirn.at Was waren/sind die stärksten Argumente für und Jugendliche interessieren sich stärker für eine Wahlaltersenkung? (Alltags)Politik. Die demografische Entwicklung unserer Gesell- schaft. Ältere werden immer mehr, es gibt anteils- Von der Wahlrechtsreform hat man sich mäßig zu wenig Jugendliche. Dadurch verschiebt erwartet, dass Jugendliche durch die frühere sich das politische Momentum auf die Bedürfnisse Einbindung in den politischen Prozess mehr älterer Menschen. Interessen Jugendlicher drohen, politisches Interesse zeigen: Ist diese Erwar nicht berücksichtigt zu werden. tung eingetroffen? Jugendliche sind weitgehend politisch interes- Die Jugend wird, besonders in den Gemeinden siert. Sie engagieren sich oft in ihrem Umfeld wie und Städten, für die handelnden PolitikerInnen Schule und Freizeit, aber nicht in der klassischen wahrnehmbarer. Der Wunsch nach einem Mädchen- Parteipolitik. treff oder Jugendplatz bekommt dann eine andere Jugendliche nehmen ihr politisches Handeln Bedeutung, weil es dann auch um WählerInnen- anders wahr. Wenn sie sich z.B. in ihrer Schule stimmen geht. Stärkung der Politischen Bildung für eine Verbesserung einsetzen, geht es um die polis aktuell 2/2022 17
Verbesserung an sich und sie erkennen nicht, dass nen Unterrichtsfach wird immer wieder laut, sie dadurch „politisch handeln“. jedoch nicht umgesetzt. Hier scheint dringender Handlungsbedarf zu sein, ein eigenständiges Politik wird von den Jugendlichen oftmals ver- Unterrichtsfach ab der 6. Schulstufe mit gut bunden mit „langweiligen Sitzungen“, „endlosen ausgebildeten Lehrpersonen einzuführen. Besprechungen“, „viel zu viel reden, zu langsames Handeln“ … Wäre eine Wahlaltersenkung auf 14 Jahre denkbar? Welche Rahmenbedingungen würde Haben Schule und Gesellschaft ausreichend es dafür brauchen? auf die Wahlaltersenkung reagiert? Was wür Eine Wahlaltersenkung auf 14 Jahre wird im Verein den Sie sich wünschen, damit Jugendliche ihre jugendornbirn kontrovers diskutiert. Es sprechen demokratischen Kompetenzen gut entwickeln? Argumente dafür, manche dagegen. • Stärkung der Schuldemokratie und Förderung von Partizipationsprojekten in Städten, Gemein- Jedenfalls regen wir an, das passive Wahlalter auf den, Vereinen ... 16 Jahre zu senken. Dieses liegt nach wie vor bei • Aktionen vor Wahlen sind sehr wichtig, Beispiel 18 Jahren. Dadurch wäre es bereits 16-jährigen „Wahlen sind keine Tiere“ von www.jugendorn- möglich, die Stadt bzw. Gemeinde, das Bundesland birn.at. und den Staat aktiv mitzugestalten. Somit tragen • An den verschiedenen Schultypen ist Politische Jugendliche verstärkt Verantwortung für ihre Bildung nach wie vor ein fächerübergreifendes Stimme. Unterrichtsprinzip. Der Ruf nach einem eige- LINKTIPPS: • Wählen mit 16 Jahren (Bundeskanzleramt) www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/jugend/beteiligung-und-engagement/waehlen-mit-16.html • Wählen ab … (Bayrischer Jugendring) www.bjr.de/junggerecht/wahlalter-senken.html • Wählen ab 16 in Österreich – ein Erfolgsmodell für ganz Europa? (ÖGfE Policy Brief 06/2018) www.oegfe.at/policy-briefs/waehlen-ab-16 METHODENTIPPS: Wählen ab 14 Wahlalter in Europa Zielsetzungen: Auseinandersetzung mit der Die SchülerInnen arbeiten in Kleingruppen, Frage, aus welchen Motiven und mit welchen wählen jeweils ein EU-Land aus und recher- Argumenten die Diskussion um eine Wahlalter- chieren, welches Wahlalter in diesem Staat senkung geführt wird; Reflexion über Kompe- auf europäischer, nationaler, regionaler und tenzen, die ein Wähler bzw. eine Wählerin auf- kommunaler Ebene gilt. In welchen dieser weisen sollte, um am demokratischen Prozess Staaten werden Diskussionen darüber geführt, mitwirken zu können. das Wahlalter zu senken? Welche Argumente Die gesamte Übung kann in der Praxisbörse werden dafür, welche dagegen angeführt? von Zentrum polis abgerufen werden. www.politik-lernen.at/waehlenab14 18 polis aktuell 2/2022
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