Waldzustandsbericht 2021 - NW-FVA Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt
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Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, seit Jahrmillionen prägen unsere Wälder das Erscheinungsbild unserer Erde. Was als botanische Naturgeschichte begann, ging mit der sesshaften Besiedlung durch den Menschen über in ökologische Prozesse und nahm später in der Kunst und Literatur als Symbolbild einer heilen Welt seinen weiteren Verlauf. Doch der Wald ist viel mehr als das: Unsere Wälder tragen als CO2-Speicher sowie Lärm- und Staubfilter ganz wesentlich zum Klimaschutz bei. Sie bieten darüber hinaus Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, schützen sowohl das Grundwasser als auch vor Bodenerosion, sorgen zudem für den nachwachsenden Rohstoff Holz und ermöglichen ganz nebenbei gesunde Erholung im Grünen. Da ist es natürlich umso erfreulicher, dass der Waldanteil in Sachsen-Anhalt jährlich wächst – aktuell bedeckt er gut ein Viertel der Landesfläche. Der Wald hat aber nicht nur viele lebenswichtige Funktionen, er bestimmt auch unsere Identität. Das können wir aktuell im Oberharz beobachten. Bevölkerung und Touristen blicken mit großer Sorge auf die durch Borkenkäfer und Klimawandel großflächig abgestorbenen Fichtenwälder. Die Menschen fürchten nicht nur um ihren Lebensort, sondern oft auch um ihre Lebensgrundlage. Doch wie geht es dem Wald in Sachsen-Anhalt insgesamt? Antworten auf diese zentrale Frage gibt die vorliegende jährliche Waldzustandserhebung. Das Fazit für 2021 lautet: Die Lage ist ernst. Die wichtigsten Fakten: Der Vitalitätszustand aller Baumartengruppen hat sich im Vergleich zu 2017 verschlechtert. Besonders instabil ist die Lage der Fichte; hier mussten 2021 nach Borkenkäferbefall weitere Bestände entnommen werden. Die mittlere Kronenverlichtung der Waldbäume in Sachsen-Anhalt befindet sich seit drei Jahren unverändert auf einem Höchststand von aktuell 26 Prozent. Auch der Anteil starker Schäden und die Absterberate haben nach 2017 ein neues Allzeithoch seit Start der Waldzustandserhebung im Jahr 1991 erreicht. Die Gründe dafür liegen zum einen in den Extremwetterjahren 2018 bis 2020, die auch in 2021 noch für Schäden sorgen, und zum anderen im erneuten Auftreten pathogener Schwächeparasiten und einer Vielzahl rindenbrütender Insekten im laufenden Jahr. Der „Waldzustandsbericht 2021“ verdeutlicht den Ernst der Lage: Wenn wir unseren Wald auch für kommende Generationen erhalten und entwickeln wollen, dann müssen wir ihn an den Klimawandel anpassen. Deshalb setze ich mich insbesondere dafür ein, dass Bund und Land schnelle und umfangreiche Hilfen für den standortsgerechten Waldumbau hin zu klimatoleranten Mischbeständen bereitstellen. Ich bin zuversichtlich, dass wir den Wald als unsere natürliche Schatzkammer in den nächsten Jahren stärken werden. Basis dafür sind verlässliche Informationen, wie sie die Fachleute der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt im vorliegenden „Waldzustandsbericht 2021“ erneut mit Engagement und großer Expertise zusammengetragen haben. In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern eine interessante und anregende Fachlektüre. Sven Schulze Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt 2
Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort 2 Inhaltsverzeichnis 3 Hauptergebnisse 4 Forstliches Umweltmonitoring 6 Ulrike Talkner, Inge Dammann und Uwe Paar WZE-Ergebnisse für alle Baumarten 8 Inge Dammann und Uwe Paar Kiefer 10 Fichte 11 Buche 12 Eiche 14 Andere Laub- und Nadelbäume 16 Witterung und Klima 18 Johannes Sutmöller Insekten und Pilze 23 Martin Rohde, Rainer Hurling, Gitta Langer, Johanna Bußkamp, Pavel Plašil und Ines Graw Stoffeinträge 27 Birte Scheler Anpassungspotenziale heimischer Baumarten 30 Aki Michael Höltken, André Hardtke und Wilfried Steiner Wachstum von Eiche, Buche, Fichte und Kiefer im Klimawandel 34 Matthias Schmidt, Jan Schick und Thorsten Zeppenfeld Waldmoore – Erfassung und Renaturierungsperspektiven 38 Maria Aljes, Philipp Küchler und Marcus Schmidt Lössboden – verweht, verlagert, vergleyt und (fast) der perfekte Waldboden 41 Jan Evers Impressum 44 Foto: J. Evers 3
Hauptergebnisse Waldzustandserhebung (WZE) Nach extremen Witterungsbedingungen in den Jahren 2018 bis 2020 sind die Schäden in den Wäldern auch 2021 unüber- sehbar. Der Vitalitätszustand aller Baumartengruppen hat sich im Vergleich zu 2017 verschlechtert. Besonders instabil ist die Situation der Fichte: 2021 mussten weitere Fichten nach Bor- kenkäferbefall entnommen werden. Die mittlere Kronenverlichtung der Waldbäume in Sachsen- Anhalt befindet sich seit drei Jahren unverändert auf einem Höchststand (2021: 26 %) in der Zeitreihe der Waldzustands- erhebung. Die Störungen durch Sturmschäden, Trockenstress und Insektenbefall wirken auch 2021 bei allen Baumarten- gruppen nach. Der Anteil starker Schäden für den Gesamtwald in Sachsen- Anhalt bleibt 2021 immer noch hoch und überschreitet mit 11,4 % das langjährige Mittel (3,4 %) erheblich. Den höchsten Anteil starker Schäden weist auch in diesem Jahr die Fichte Foto: J. Evers (40,8 %) auf. Die Absterberate war 2019 besonders hoch (4,2 %). 2020 und Witterung und Klima 2021 sind weniger Bäume abgestorben, mit 1,6 % liegt die Nach drei sehr trockenen und warmen Jahren fiel im Vegeta Absterberate aber auch 2021 weit über dem Durchschnitts- tionsjahr 2020/2021 die Niederschlagsbilanz mit rund 580 mm wert der Zeitreihe (0,6 %). Für die Baumartengruppen sind im Flächenmittel des Landes ausgeglichen aus. Im Gegensatz Absterberaten zwischen 0 (andere Nadelbäume) und 4,6 % zu den vergangenen Jahren kam es zu keiner ausgeprägten (Fichte) festgestellt worden. Trockenperiode. Während im Südosten von Sachsen-Anhalt Die Ausfallrate (als Schadholz entnommene Bäume) beträgt infolge der überdurchschnittlich feuchten Vegetationszeit die in diesem Jahr 1,8 %. Auch hier ist der Fichtenwert besonders mehrjährige Dürre beendet wurde, haben sich die Boden- hoch (29,9 %). wasservorräte in weiten Teilen der Mitte und des Nordens Die Baumartenverteilung in der WZE-Stichprobe in Sachsen- noch nicht erholt. Auch das Vegetationsjahr 2020/2021 war Anhalt ergibt für die Kiefer einen Flächenanteil von 57 %, die im Vergleich zur Klimaperiode 1961 bis 1990 zu warm. Die Jah- Ergebnisse der Waldzustandserhebung für den Gesamtwald resmitteltemperatur für Sachsen-Anhalt lag um knapp 1,3 K in Sachsen-Anhalt werden daher stark durch die vergleichs- über dem langjährigen Wert von 8,5 °C. Besonders das küh- weise niedrigen Verlichtungswerte der Kiefer geprägt. Die le Frühjahr sorgte dafür, dass die Temperaturerhöhung nicht Fichte ist 2021 mit 5 %, die Eiche mit 12 % und die Buche mit stärker ausfiel. 9 % im Kollektiv der Waldzustandserhebung vertreten. Die anderen Laubbäume nehmen einen Anteil von 16 % ein, die Insekten und Pilze anderen Nadelbäume sind relativ selten (1 %). Die Schäden durch Borkenkäfer an Fichte haben auch 2021 weiter zugenommen. Obwohl die Fichten gegenüber den Vorjahren besser mit Wasser versorgt und damit abwehr- bereiter waren, kam es in den Befallsschwerpunkten zu um- fangreichem frischen Stehendbefall nicht nur an besonnten Bestandesrändern, sondern auch im Bestandesinneren. Wo keine besiedelbare Altfichte (mehr) vorhanden war, wichen die Borkenkäfer auf junge Fichten aus. Absterbeerscheinungen nach Pilzinfektionen durch die Bu- chen-Vitalitätsschwäche, die Rußrindenerkrankung des Ahorns und das Diplodia-Triebsterben der Kiefer werden in den letzten Jahren zunehmend festgestellt. Stoffeinträge Aufgrund der Filterwirkung der Baumkronen für Gase und Partikel (trockene Deposition) sind die Einträge luftbürtiger Nähr- und Schadstoffe im Wald höher als im Freiland. Der Eintrag von Sulfatschwefel sowie von anorganischem Stickstoff hat 2020 weiter abgenommen. Im Vergleich zum Mittel der Jahre 2010-2019 betrug die Abnahme mit der Ge- samtdeposition beim Sulfatschwefel zwischen 34 und 44 % und beim anorganischen Stickstoff (Ammonium und Nitrat) zwischen 11 und 20 %. 2020 wurden unter Kiefer nur noch Foto: J. Evers 4
Hauptergebnisse für Buche, Fichte und überwiegend auch für die Kiefer eine Bonitätsverschlechterung zu erwarten. Insgesamt zeichnet sich für die Eiche eine Steigerung der Wuchsleistung ab, für die Kiefer werden geringe Veränderungen projiziert, während für Buche und Fichte zukünftig großflächig (78 % bzw. 66 % der Standorte) von einer Verminderung der Wuchsleistung ausge- gangen werden muss. Waldmoore – Erfassung und Renaturierungs perspektiven Intakte Waldmoore sind von hohem ökologischen Wert für den Natur- und Klimaschutz. Zu ihrem Erhalt sind sie auf eine gute Wasserversorgung angewiesen. Durch häufig noch vor- handene Entwässerungsgräben und entwässernde Besto- ckung sowie durch den Klimawandel ist der Bestand dieser Foto: M. Delpho sensiblen Standorte mit ihren hochspezialisierten Pflanzen- und Tierarten gefährdet. bis zu 1,8 kg je Hektar und unter Douglasie 2,7 kg je Hektar Zur Renaturierung von Waldmooren reicht ein Verzicht auf Sulfatschwefel eingetragen. Hier zeigt sich deutlich der Erfolg Nutzungsmaßnahmen allein meist nicht aus, vielmehr sind verschiedener Maßnahmen zur Luftreinhaltung. den gesamten Moorkörper umfassende Kartierungen der Der anorganische Stickstoffeintrag betrug 2020 unter Kiefer Torfmächtigkeiten und der Entwässerungssysteme und dar- bis zu 11,2 kg je Hektar (Nedlitz) und unter Douglasie 12,1 kg auf aufbauende Wiedervernässungsmaßnahmen sowie ein je Hektar. begleitendes Monitoring zielführend. Anpassungspotenziale heimischer Baumarten Lössboden – verweht, verlagert, vergleyt und Bei der Klimaanpassung der Wälder kann eine Streuung des (fast) der perfekte Waldboden ökologischen und ökonomischen Risikos sowohl durch eine Zunahme der Baumartenvielfalt als auch durch die Nutzung Lössstandorte sind überwiegend in der letzten Eiszeit durch des vorhandenen genetischen Potenzials innerhalb der Baum- mit dem Wind angewehte Schluff- und Feinsandablagerun- arten erreicht werden. gen entstanden, daher ist das Bodengefüge für die Speiche- Beim Aufbau klimaangepasster, stabiler Wälder werden auch rung von Bodenwasser optimal. Als Bodentypen haben sich künftig heimische Baumarten eine zentrale Rolle einnehmen. vor allem Parabraunerden, Pseudogleye und Braunerden ent- Hier sind genetisch nachhaltige Verjüngungsstrategien von Be- wickelt. Die Streuzersetzung ist meist günstig, auf zwei Drittel deutung, um die Voraussetzungen für Anpassungsprozesse der Lösslehmstandorte finden sich die Humusformen Mull künftiger Waldgenerationen an sich ändernde Umweltbedin- oder mullartiger Moder. Je nach Zusammensetzung des an- gungen zu schaffen. Diese Konzepte müssen sowohl die Er- gewehten Materials unterscheidet sich das Nährstoffpotenzial haltung lokal verfügbarer genetischer Vielfalt gewährleisten als der Lösslehme. Die Ergebnisse der BZE II weisen in Sachsen- auch verschiedene geographische Herkünfte einer Baumart Anhalt und Hessen für die Mehrzahl der Lösslehmstandorte mit unterschiedlichen Anpassungsmustern berücksichtigen. die Trophiestufen eutroph und gut mesotroph aus, in Nie- Ein wichtiges Instrument zur Sicherung der genetischen Vielfalt dersachsen überwiegt die Einstufung mesotroph. Auch in der in den Wäldern sind DNA-Analysen zur Bestimmung der gene- mittleren Basensättigung bestehen Unterschiede: In Sachsen- tischen Vielfalt von Waldbeständen und zur Identifizierung und Anhalt beträgt sie 60 %, in Hessen rund 50 % und in Nieder- Prüfung von geeignetem Vermehrungsgut. sachsen 30 %. In der Regel zeigt sich auf Lösslehmstandorten ein hervorragendes Baumwachstum. Wachstum von Eiche, Buche, Fichte und Kiefer im Klimawandel Mit an der NW-FVA entwickelten Standort-Leistungs-Modellen lässt sich abschätzen, wie sich das Wachstum der Hauptbaum- arten Eiche, Buche, Fichte und Kiefer unter veränderten Klima- bedingungen in verschiedenen Regionen Sachsen-Anhalts entwickeln wird. Entlang eines Transektes vom Hohen Fläming über Dessau, Halle (Saale), das obere Selketal bis zum Brocken werden die Projektionen der Mittelhöhe und der Leistungsklas- se für die Jahre 2000 und 2100 gegenübergestellt. Die Modellschätzungen projizieren bei allen vier Baumarten für 2100 eine Bonitätsverbesserung im Oberharz im Vergleich zum Jahr 2000. In den tieferen Lagen des Harzes zeigen sich sowohl Verbesserungen als auch Verschlechterungen. Im Tiefland ist Typischer Lösslehmboden Foto: NW-FVA 5
Forstliches Umweltmonitoring Ulrike Talkner, Inge Dammann und Uwe Paar https://doi.org/10.5281/zenodo.5588335 Das Forstliche Umweltmonitoring hat eine langjährige Ge- schichte und eröffnet damit einen guten Einblick in die Ver- änderung der Waldökosysteme. Die Umweltbedingungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich verändert, aber das Ausmaß und die Geschwindigkeit der aktuellen Klimaveränderungen sind in der Geschichte des Forstlichen Umweltmonitorings einmalig. Die Waldschäden zu Zeiten des sauren Regens waren deutlich zu sehen, doch übertreffen die aktuellen Schäden in bestimmten Regionen und für einige Baumarten das damalige Ausmaß. Seit den 1980er Jahren wurden erfolgreich politische Maßnahmen er- griffen, um die versauernden Einträge in die Wälder zu mini- mieren. Nun stellt sich die Frage, ob wir auch erfolgreich in der Eindämmung des Klimawandels sein werden. Fest steht, Elektronische Zuwachsmessung Foto: J. Weymar dass die Reduzierung der CO2-Emissionen notwendig ist, um liefert als Übersichtserhebung Informationen zur Vitalität der den menschengemachten Klimawandel abzumildern und da- Waldbäume unter dem Einfluss sich ändernder Umweltbedin- mit den Zustand des Waldes zu stabilisieren. gungen. Das Stichprobenraster der Waldzustandserhebung Das Forstliche Umweltmonitoring ist aus der Waldökosystem- ist darauf ausgelegt, die gegenwärtige Situation des Waldes forschung entstanden. Die Ergebnisse der Untersuchungen landesweit repräsentativ abzubilden. Das Ergebnis ist das Ge- dienen der Erarbeitung von Entscheidungshilfen für die forst- samtbild des Waldzustandes für das Bundesland. Die Stich- liche Praxis und der Beratung der Politik auf fachlicher Grund- probe der Waldzustandserhebung vermittelt ein zahlenmä- lage. ßiges Bild zu dem Einfluss von Stürmen, Witterungsextremen Grundsätzlich werden im Forstlichen Umweltmonitoring fol- sowie Insekten- und Pilzbefall. Lokale Befunde, wie sturmge- gende Kategorien unterschieden: fallene Bäume oder ein extremer Befall der Kiefer durch Pilze, • Level I: waldflächenrepräsentative Übersichtserhebungen können allerdings von dem landesweiten Ergebnis abweichen. auf einem systematischen Stichprobenraster (Waldzu- Verschiedene Auswertungen belegen eine hohe Repräsenta- stands- und Bodenzustandserhebung), tivität des Rasternetzes für verschiedene Fragestellungen. • Level II:Untersuchung von ausgewählten Waldökosys- temen mit erhöhter Messintensität (Intensives Forstliches Waldzustandserhebung – Umweltmonitoring) Methodik und Durchführung • Level III: Erforschung der Auswirkungen von Waldbewirt- Aufnahmeumfang schaftungsmaßnahmen auf den Nährstoffhaushalt von Die Waldzustandserhebung erfolgt auf mathematisch-sta- Wäldern (Experimentalflächen) tistischer Grundlage. Auf einem systematisch über Sach- Die Verknüpfung und Kombination von Level I und II eröffnet sen-Anhalt verteilten Rasternetz werden seit 1991 an jedem die Möglichkeit der Übertragung von Ergebnissen aus dem Erhebungspunkt 24 Stichprobenbäume begutachtet. Die Forstlichen Umweltmonitoring auf Waldflächen ohne Be- Waldzustandserhebung wurde im Zeitraum 1991 bis 2014 im obachtungen (Regionalisierung). Für die Beantwortung von 4 km x 4 km-Raster durchgeführt. Ab 2015 beträgt die Raster- komplexen forst- und umweltpolitischen Fragen ist die Ver- weite des landesweiten Stichprobennetzes 8 km x 8 km. Für netzung aller drei Kategorien des Forstlichen Umweltmonito- Buche, Eiche, Fichte sowie die anderen Laub-und Nadelbäu- rings zweckmäßig. me wurde das 4 km x 4 km-Raster beibehalten, wenn 2014 Die methodischen Instrumente des Forstlichen Umweltmoni- mindestens 6 Bäume dieser Baumartengruppen am WZE- torings sind europaweit nach den Grundsätzen des ICP Fo- Punkt vorhanden waren. Nach einer Rasterüberprüfung im rests (2016) harmonisiert. Die Waldzustandserhebung (WZE) Frühjahr 2020 wurden 14 weitere WZE-Punkte in das 8 km x 8 km-Raster integriert, sodass jetzt 188 Erhebungspunkte zum Stichprobenkollektiv gehören, von denen in diesem Jahr 163 Erhebungspunkte in die Inventur einbezogen werden konnten. Dieser Aufnahmeumfang ermöglicht repräsentative Aussagen zum Waldzustand auf Landesebene sowie Zeitrei- hen für die Baumarten Buche, Eiche, Fichte, Kiefer und die Gruppe der anderen Laubbäume. Für den Parameter mittlere Kronenverlichtung zeigt die Ta- belle Seite 7 die 95 %-Konfidenzintervalle (= Vertrauensbe- reiche) für die Baumarten und Altersgruppen der WZE-Stich- probe 2021. Je weiter der Vertrauensbereich, desto unschärfer sind die Aussagen. Die Weite des Vertrauensbereiches wird Kamera zur Erfassung der Phänologie Foto: M. Spielmann im Wesentlichen beeinflusst durch die Anzahl der Stichpro- 6
Forstliches Umweltmonitoring benpunkte in der jeweiligen Auswerteeinheit und die Streu- ung der Kronenverlichtungswerte. Für relativ homogene Auswerteeinheiten mit relativ gering streuenden Kronenver- lichtungen (z. B. Kiefer über 60 Jahre) sind enge Konfidenz- intervalle auch bei einer geringen Stichprobenanzahl sehr viel leichter zu erzielen als für heterogene Auswerteeinheiten, die sowohl in der Altersstruktur als auch in den Kronenverlich- tungswerten ein breites Spektrum umfassen (z. B. alle Baum- arten über 60 Jahre). Aufnahmeparameter Bei der Waldzustandserhebung erfolgt eine visuelle Beurteilung des Kronenzustandes der Waldbäume, denn Bäume reagieren auf Umwelteinflüsse u. a. mit Änderungen in der Belaubungs- WZE-Aufnahmeteams bei der Schulung im Juli 2021 Foto: M. Spielmann dichte und der Verzweigungsstruktur. Wichtigstes Merkmal ist die Kronenverlichtung der Waldbäume, deren Grad in 5 %-Stu- Mittlere Kronenverlichtung fen für jeden Stichprobenbaum erfasst wird. Die Kronenverlich- Die mittlere Kronenverlichtung ist der arithmetische Mittel- tung wird unabhängig von den Ursachen bewertet, lediglich wert der in 5 %-Stufen erhobenen Kronenverlichtung der mechanische Schäden (z. B. das Abbrechen von Kronenteilen Einzelbäume. durch Wind) gehen nicht in die Berechnung der Ergebnisse der Waldzustandserhebung ein. Starke Schäden Die Kronenverlichtung ist ein unspezifisches Merkmal, aus dem nicht unmittelbar auf die Wirkung von einzelnen Stressfaktoren Unter den starken Schäden werden Bäume mit Kronenverlich- geschlossen werden kann. Sie ist daher geeignet, allgemeine tungen über 60 % (inkl. abgestorbener Bäume) sowie Bäume Belastungsfaktoren der Wälder aufzuzeigen. Bei der Bewertung mittlerer Verlichtung (30-60 %), die zusätzlich Vergilbungen der Ergebnisse stehen nicht die absoluten Verlichtungswerte über 25 % aufweisen, zusammengefasst. im Vordergrund, sondern die mittel- und langfristigen Trends der Kronenentwicklung. Zusätzlich zur Kronenverlichtung wer- Absterberate den weitere sichtbare Merkmale an den Probebäumen wie der Die Absterberate ergibt sich aus den Bäumen, die zwischen Vergilbungsgrad der Nadeln und Blätter, die aktuelle Frucht- der Erhebung im Vorjahr und der aktuellen Erhebung abge- bildung sowie Insekten- und Pilzbefall erfasst. storben sind und noch am Stichprobenpunkt stehen. Durch 95 %-Konfidenzintervalle für die Kronenverlichtung der Baumarten- Windwurf und Durchforstung ausgefallene Bäume gehen gruppen und Altersgruppen der Waldzustandserhebung 2021 in Sach- nicht in die Absterberate, sondern in die Ausfallrate ein. sen-Anhalt. Das 95 %-Konfidenzintervall (= Vertrauensbereich) gibt den Bereich an, in dem der wahre Mittelwert mit einer Wahrscheinlich- Ausfallrate keit von 95 % liegt. Das Inventurverfahren der WZE ist darauf ausgelegt, die ak- Baumarten- Alters- Anzahl Anzahl 95%-Konfidenz- Raster tuelle Situation der Waldbestände unter realen (Bewirtschaf- gruppe gruppe Bäume Plots intervall (+/-) tungs-) Bedingungen abzubilden. Daher scheidet in jedem alle Alter 513 41 4x4 km 7,3 Jahr ein Teil der Stichprobenbäume aus dem Aufnahme- Buche bis 60 Jahre 146 10 4x4 km 8,0 kollektiv aus. Der Ausfallgrund wird für jeden Stichproben- über 60 Jahre 367 34 4x4 km 6,2 baum dokumentiert. Gründe für den Ausfall sind u. a. Durch- alle Alter 729 73 4x4 km 5,8 forstungsmaßnahmen, methodische Gründe (z. B. wenn der Eiche bis 60 Jahre 172 18 4x4 km 8,0 Stichprobenbaum nicht mehr zu den Baumklassen 1-3 ge- über 60 Jahre 557 61 4x4 km 5,3 hört), Sturmschäden oder außerplanmäßige Nutzung auf- alle Alter 282 18 4x4 km 24,0 grund von Insektenschäden. Fichte bis 60 Jahre 47 2 4x4 km 14,8 Dort, wo an den WZE-Punkten Stichprobenbäume ausfallen, über 60 Jahre 235 16 4x4 km 27,0 werden nach objektiven Vorgaben Ersatzbäume ausgewählt. alle Alter 1092 55 8x8 km 3,0 Sind aufgrund großflächigen Ausfalls der Stichprobenbäume Kiefer bis 60 Jahre 216 15 8x8 km 4,8 keine geeigneten Ersatzbäume vorhanden, ruht der WZE- über 60 Jahre 876 44 8x8 km 3,2 Punkt, bis eine Wiederbewaldung vorhanden ist. alle Alter 899 87 4x4 km 6,0 Die im Bericht aufgeführte Ausfallrate ergibt sich aus den andere bis 60 Jahre 357 45 4x4 km 11,2 Laubbäume infolge von Sturmschäden, Trockenheit und Insekten- oder über 60 Jahre 542 61 4x4 km 6,3 Pilzbefall (insbesondere durch Borkenkäfer) am Stichproben- alle Alter 139 14 4x4 km 5,4 punkt entnommenen Bäumen. andere bis 60 Jahre 101 9 4x4 km 6,1 Nadelbäume über 60 Jahre 38 6 4x4 km 6,3 Literatur alle Alter 1920 80 8x8 km 4,6 alle ICP Forests (2016): Manual on methods and criteria for harmonized bis 60 Jahre 506 27 8x8 km 8,1 Baumarten sampling, assessment, monitoring and analysis of the effects of über 60 Jahre 1414 63 8x8 km 5,2 air pollution on forests. UNECE, ICP Forests, Hamburg 7
WZE-Ergebnisse für alle Baumarten Inge Dammann und Uwe Paar https://doi.org/10.5281/zenodo.5588382 Seit 2018 haben Stürme, Borkenkäfer, Hitze- und Trocken perioden umfangreiche Schäden in den Wäldern verursacht. Die Vitalitätsparameter aller Baumartengruppen belegen seit- dem eine erhebliche Verschlechterung des Waldzustandes. Mittlere Kronenverlichtung Die Waldzustandserhebung 2021 weist als Gesamtergebnis für die Waldbäume in Sachsen-Anhalt (alle Baumarten, alle Alter) eine mittlere Kronenverlichtung von 26 % aus. In den letzten drei Jahren ist die mittlere Kronenverlichtung konstant hoch. Am höchsten ist die mittlere Kronenverlichtung der älteren Fichten (55 %) und Buchen (43 %). Für die älteren Eichen hat sich die mittlere Kronenverlichtung seit 2017 kontinuierlich erhöht (2021: 42 %). Insgesamt wird der Verlauf der mittle- ren Kronenverlichtung für den Gesamtwald ganz wesentlich durch die Kiefer geprägt, die als häufigste Baumart in Sach- sen-Anhalt maßgeblich das Gesamtergebnis mit relativ kons- tanten niedrigen Verlichtungswerten (über 60-jährige Kiefern 2021: 21 %) beeinflusst. Alle Baumarten Mittlere mittlere Kronenverlichtung Kronenverlichtung in % in % 50 40 30 30 27 alle Altersstufen 23 über 60 Jahre 26 20 21 15 10 bis 60 Jahre Foto: J. Evers 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Anteil starker Schäden Der Anteil starker Schäden liegt im Mittel der Zeitreihe bei 3,4 %. 2021 wird dieser Mittelwert erneut deutlich überschrit- ten (11,4 %). Bei allen Baumartengruppen liegt der Anteil star- ker Schäden 2021 weit über dem langjährigen Durchschnitt. Die Spanne der starken Schäden reicht in diesem Jahr von 3,6 (andere Nadelbäume) bis 40,8 % (Fichte). Mit einer Kronenverlichtung über 60 % sind im Vergleich zu einer vollbelaubten Baumkrone Begrenzungen der Versor- gung der Bäume mit Wasser und Energie verbunden. Das Vermögen der Bäume, sich an wechselnde Bedingungen an- zupassen, wird eingeschränkt. Anteil starker Anteil starker Schäden Schäden (inkl. abgestorbener (inkl. abgestorbener Bäume), Bäume), alle Baumarten, alle Baumarten, alle inAlter alle Alter % in % 14 12 11,4 10 8 6 4 2 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Foto: J. Evers 8
WZE-Ergebnisse für alle Baumarten Absterberate Der Höchstwert der jährlichen Absterberate (alle Bäume, alle Alter) wurde 2019 mit 4,2 % festgestellt. 2021 ist die Absterbe- rate niedriger (1,6 %), übersteigt aber das langjährige Mittel weiterhin (0,6 %). Im Zeitraum 1992-2017 lag die Absterberate in allen Jahren unter 1 %. 2021 war die Absterberate bei den anderen Nadelbäumen mit 0 % am niedrigsten und bei den Fichten mit 4,6 % am höchsten. Jährliche Absterberate Jährliche Absterberate (stehende (stehende Bäume), Bäume), alle Baumarten, alle Baumarten, alle Alter alle Alter in % in % 5 4 3 Foto: J. Evers 2 1,6 Ausfallrate Die Ausfallrate ist das Ergebnis der infolge von Sturmwurf, 1 Trockenheit, Insekten- und Pilzbefall (z. B. Borkenkäferbefall) 0 am Stichprobenpunkt liegenden oder entnommenen Bäu- me. Die jährlichen Ausfallraten bilden die Auswirkungen der 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 Stürme „Kyrill“ (2007) und „Friederike“ (2018) deutlich ab. In Jährliche Ausfallrate Jährliche Ausfallrate (als Schadholz (als Schadholz entnommene entnommene Bäume), beiden Jahren waren Sturmschäden die Hauptausfallursache. Bäume), alle Baumarten, alle Baumarten, alle Alter in % alle Alter in % Seit 2019 ist dagegen Borkenkäferbefall der Hauptausfall- 5 grund. Besonders betroffen ist 2021 die Fichte mit einer Aus- fallrate von 29,9 %. 4 Vergilbungen 3 Vergilbungen der Nadeln und Blätter sind häufig ein Indiz für 2 1,8 Magnesiummangel in der Nährstoffversorgung der Waldbäu- me. Der Anteil an Bäumen mit nennenswerten Vergilbungen 1 (>10 % der Nadel- bzw. Blattmasse) liegt im Erhebungszeit- raum zwischen 0 und 11 %, die Vergilbungen waren über- 0 wiegend gering ausgeprägt. 2021 waren an 0,1 % der Stich- probenbäume Vergilbungen festzustellen. 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 Anteil an den Vergilbungsstufen, alle AnteilBaumarten, alle AlteralleinBaumarten, an den Vergilbungsstufen, % alle Alter in % 12 Stufe 1 (11 - 25 % der Nadel-/Blattmasse) 10 Stufe 2 (26 - 60 % der Nadel-/Blattmasse) Stufe 3 (über 60 % der Nadel-/Blattmasse) 8 6 4 2 0,1 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Fazit Die Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2021 belegen eine anhaltend hohe Belastungssituation der Wälder in Sach- sen-Anhalt. Durch die voranschreitenden Absterbe- und Aus- fallprozesse sind strukturellen Störungen in Form von Blößen und Freiflächen entstanden. Die Krise der Wälder hält weiter an, Folgeschäden werden vermutlich auch in den nächsten Jahren noch festzustellen sein. Foto: J. Evers 9
Kiefer Die WZE-Ergebnisse für die Kiefern zeigen eine moderate Re- Absterberate aktion auf das Witterungsgeschehen der letzten Jahre. Scha- Die Absterberate der Kiefern liegt im Mittel der Jahre 1992- densausmaß und -intensität sind bei der Kiefer geringer als bei 2021 bei 0,3 %. In den ersten beiden Erhebungsjahren wurden den anderen Baumarten, gleichwohl gab es auch bei der Kiefer erhöhte Absterberaten (bis 0,8 %) festgestellt. Bei der Wald- lokal Schäden durch Sturm, Pilzbefall und Trockenheit. zustandserhebung 2021 ist die Absterberate der Kiefer eben- falls erhöht (1,7 %). Ältere Kiefer Die älteren Kiefern wiesen im ersten Erhebungsjahr 1991 – mit- Ausfallrate verursacht durch Insektenschäden – einen hohen Verlichtungs- grad auf. In den Folgejahren verbesserte sich der Kronenzu- Jährlich fallen im Durchschnitt 0,7 % der Kiefern aufgrund au- stand erheblich und die Kiefer ist seit Mitte der 1990er Jahre ßerplanmäßiger Nutzung (liegende bzw. entnommene Bäume) unter den Hauptbaumarten die Baumart mit den niedrigsten aus. 2007 und 2018 führten Sturmschäden zu erhöhten Aus- Kronenverlichtungswerten. Dies gilt – trotz erhöhter Werte – fallraten, 2011 wurden überdurchschnittlich viele Kiefern wegen auch für 2021 mit einer mittleren Kronenverlichtung von 21 %. Schneebruch und Insektenschäden entnommen. Die Ausfall- rate 2021 (0,5 %) liegt unter dem langjährigen Mittelwert. Jüngere Kiefer Jährliche Absterberate (stehende Bäume), Im Zeitraum 2005-2017 war die Benadelung der jüngeren Kie- alle Alter Jährliche in % Absterberate (stehende Bäume), alle Alter in % 16 fern gut. 2015 wurde der niedrigste Verlichtungswert im Erhe- bungszeitraum festgestellt. Nach einer Zunahme der Verlich- 14 Kiefer alle Baumarten tung 2018 liegt die mittlere Kronenverlichtung der jüngeren 12 Kiefern seit 2019 wieder unter 10 %. Im Gegensatz zu Buche, 10 Fichte und Eiche sind bei der Kiefer die Unterschiede im Kro- 8 nenverlichtungsgrad zwischen den Altersgruppen sehr viel we- 6 niger ausgeprägt. 4 1,7 Starke Schäden 2 0 Auch bei den starken Schäden heben sich die Ergebnisse 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 der Kiefern von denen der anderen Baumarten ab. Seit 1992 liegt der Anteil starker Schäden bei der Kiefer in allen Jahren Jährliche Ausfallrate Jährliche Ausfallrate (als Schadholz (als Schadholz entnommene entnommene Bäume), unter dem Mittelwert für alle Baumarten. Es gibt nur wenige Bäume), alle Alter in alle % Alter in % Schwankungen in der Zeitreihe, der langjährige Mittelwert be- 30 trägt 1,3 %. 2021 sind 4,3 % der Kiefern stark geschädigt. Kiefer 25 Kiefer alle Baumarten Mittlere Kronenverlichtung mittlere Kronenverlichtung in % in % 20 60 15 50 10 40 31 5 30 0,5 23 21 0 20 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 über 60 Jahre 10 9 bis 60 Jahre 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Anteil starker Anteil starker Schäden Schäden (inkl. abgestorbener (inkl. abgestorbener Bäume), Bäume), alle Alterin in alle Alter % % 40 35 Kiefer 30 alle Baumarten 25 20 15 10 5 4,3 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Foto: J. Evers 10
Fichte Das Ausmaß der Schäden bei den Fichten bleibt auch 2021 Jüngere Fichte außergewöhnlich hoch. Deutlich wird die besondere Belas- Die mittlere Kronenverlichtung der jüngeren Fichten ent- tungssituation der Fichte und die Dimension der Schäden in spricht 2021 nahezu den Werten vor 2018. den letzten vier Jahren im hohen Anteil starker Schäden sowie der Absterbe- und Ausfallraten, die die Mittelwerte der Zeit- reihe um ein Vielfaches übersteigen. Starke Schäden Bis zum Jahr 2017 wurden bei den älteren Fichten vergleichs- Ältere Fichte weise niedrige Anteile starker Schäden (zwischen 0,6 und 4,5 %) verzeichnet. Ab 2018 hat der Anteil stark geschädigter Bei den älteren Fichten wurden seit Beginn der Waldzustands- Fichten erheblich zugenommen. 2021 ist der Anteil nochmals erhebung vergleichsweise hohe Kronenverlichtungswerte re- angestiegen (40,8 %). gistriert. Bis 2018 lagen die Werte zwischen 21 und 35 %. 2019 stieg die mittlere Kronenverlichtung auf 43 % an. Der Extrem- wert von 2020 (55 %) wird 2021 wieder erreicht. Absterberate Fichte Mittlere Kronenverlichtung mittlere Kronenverlichtung in % in % Bis zum Jahr 2003 war die Absterberate überwiegend gering, 60 anschließend wurden infolge von Trockenstress und Borken- käferbefall bis 2007 erhöhte Absterberaten (bis 1,3 %) ermittelt. 55 50 Seit 2018 zeigt sich ein grundlegend anderes Bild: Im Jahr 2018 40 war die Absterberate mit 3,4 % bereits deutlich erhöht, 2019 über 60 Jahre folgte ein Höchstwert (16 %) und 2020 starben weitere 11,8 % 30 der Fichten ab. 2021 liegt die Absterberate mit 4,6 % immer noch deutlich über dem langjährigen Durchschnitt (1,4 %). 20 24 15 10 12 Ausfallrate bis 60 Jahre 0 Der Anteil liegender bzw. entnommener Fichten liegt im Mit- 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 tel der Beobachtungsjahre bei jährlich 3,9 %. 2018 wurden Anteil starker Anteil starker Schäden Schäden (inkl. abgestorbener (inkl. abgestorbener Bäume), Bäume), aufgrund der Sturmschäden 13 % der Fichten außerplanmä- alle Alterin in alle Alter % % ßig entnommen. 2019 überwogen die Ausfälle (9 %) durch 40 40,8 Borkenkäferbefall. 2020 führte die massive Ausbreitung der 35 Fichte Borkenkäferschäden dazu, dass fast ein Drittel der Fichten 30 alle Baumarten (31 %) gefällt werden mussten. 2021 mussten 29,9 % der ver- bliebenen Fichten entnommen werden. 25 20 Jährliche Absterberate (stehende Bäume), 15 alle Alter Jährliche in % Absterberate (stehende Bäume), alle Alter in % 16 10 14 Fichte 5 alle Baumarten 12 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 10 8 6 4,6 4 2 0 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 Jährliche Ausfallrate Jährliche Ausfallrate (als Schadholz (als Schadholz entnommene entnommene Bäume), Bäume), alle Alter in alle % Alter in % 29,9 30 Fichte 25 alle Baumarten 20 15 10 5 0 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 Foto: J. Weymar 11
Buche Für die Buchen zeichnet sich 2021 keine Verbesserung des Vitalitätszustandes ab. Sowohl die mittlere Kronenverlichtung als auch der Anteil starker Schäden und die Absterberate sind deutlich erhöht. Ältere Buche Bei den älteren Buchen beträgt die mittlere Kronenverlich- tung in diesem Jahr 43 %. Die höchsten Kronenverlichtungswerte sind bei den älteren Buchen nach extremen Hitze- und Trockenjahren aufgetreten. 2019 bis 2021 hält die Phase der hohen Verlichtungswerte län- Foto: J. Weymar ger an als nach dem Trockenjahr 2003. Starke Schäden Jüngere Buche Wie beim Verlauf der mittleren Kronenverlichtung treten auch beim Anteil starker Schäden im Beobachtungszeitraum Bei der Buche sind die Unterschiede in der Belaubungsdich- Schwankungen auf. 2019 wurde ein Extremwert (21 %) ermit- te zwischen jüngeren und älteren Beständen besonders stark telt. 2020 und 2021 ist der Anteil stark geschädigter Buchen ausgeprägt. 2019 wird aber auch bei den jüngeren Buchen mit 15,2 % fast 3-mal so hoch wie der langjährige Mittelwert der höchste Kronenverlichtungswert im Erhebungszeitraum (5,2 %). festgestellt, 2021 sind die Werte rückläufig. Buche Anteil starker Anteil starker Schäden Schäden (inkl. abgestorbener (inkl. abgestorbener Bäume), Bäume), Mittlere mittlere Kronenverlichtung Kronenverlichtung in % in % alle Alter alle Alter in % in % 60 40 35 Buche 50 43 30 alle Baumarten über 60 Jahre 40 25 30 20 15,2 16 15 20 bis 60 Jahre 10 10 12 11 5 0 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Foto: J. Evers 12
Buche Fruchtbildung Die Ergebnisse zur Fruchtbildung im Rahmen der Wald- zustandserhebung zeigen die Tendenz, dass die Buchen in kurzen Abständen und vielfach intensiv fruktifizieren. Dies steht im Zusammenhang mit einer Häufung warmer Jahre sowie einer erhöhten Stickstoffversorgung der Bäume. Geht man davon aus, dass eine starke Mast erreicht wird, wenn ein Drittel der älteren Buchen mittel oder stark fruktifiziert, ergibt sich rechnerisch für den Beobachtungszeitraum der Waldzustandserhebung 1991-2021 alle 2,2 Jahre eine starke Mast. Literaturrecherchen hingegen ergaben für den Zeit- raum 1839-1987 Abstände zwischen zwei starken Masten für 20-Jahresintervalle zwischen 3,3 und 7,1 Jahren. Anteil mittel und stark fruktifizierender älterer Buchen inund Anteil mittel % stark fruktifizierender älterer Buchen in % Foto: J. Evers 100 Absterberate 80 Im Vergleich zu den anderen Hauptbaumarten weisen die Buchen zwischen 1992 und 2019 die niedrigste Absterberate 60 auf. In 22 von 30 Jahren ist keine Buche im Stichprobenkol- lektiv abgestorben. 2020 beträgt die Absterberate 2 % und 40 2021 sind 1,2 % abgestorben. Gerade weil in den letzten Jahr- zehnten kaum Buchen abgestorben sind, sind die Absterbe 20 12 erscheinungen der letzten Jahre besonders auffällig. 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Ausfallrate Die durchschnittliche Ausfallrate ist bei der Buche vergleichs- weise niedrig (0,2 %). 2021 sind keine Buchen außerplanmä- ßig aus dem WZE-Kollektiv ausgeschieden. Jährliche Absterberate (stehende Bäume), alle Alter Jährliche in % Absterberate (stehende Bäume), alle Alter in % 16 14 Buche alle Baumarten 12 10 8 6 4 1,2 2 0 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 Jährliche Ausfallrate Jährliche Ausfallrate (als Schadholz (als Schadholz entnommene entnommene Bäume), Bäume), alle Alter inalle % Alter in % 30 Buche 25 alle Baumarten 20 15 10 5 0 0 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 Foto: J. Evers 13
Eiche Bei den Eichen ist im Gegensatz zu Fichte und Buche kein Jüngere Eiche sprunghafter Anstieg der Verlichtungswerte nach 2017 fest Die Kronenentwicklung der Eichen in der Altersstufe bis zustellen. Vielmehr hat die Kronenverlichtung stetig zuge- 60 Jahre zeigt einen sehr viel günstigeren Verlauf als die Ent- nommen. wicklung der älteren Eichen. Die mittlere Kronenverlichtung beträgt aktuell 17 %. Ältere Eiche Die mittlere Kronenverlichtung der älteren Eichen liegt 2021 Starke Schäden bei 42 %. Nachdem 2016 der niedrigste Wert im Beobach- Die Anteile starker Schäden der Eichen liegen bis 2017 über tungszeitraum festgestellt wurde, sind anschließend die Ver- den Werten für den Gesamtwald. Im Durchschnitt der Zeit- lichtungswerte kontinuierlich angestiegen und erreichen 2021 reihe sind 6,5 % der Eichen als stark geschädigt eingestuft den Maximalwert der bisherigen Zeitreihe. worden. Die Entwicklung des Kronenzustandes der Eichen wird durch Der Anteil starker Schäden variiert bei den Eichen stark und Insekten- und Pilzbefall beeinflusst. Für die Zunahme der verläuft bis 2017 parallel zum Anteil der Fraßschäden. Phasen Verlichtung in den letzten Jahren war der Insektenbefall aller- erhöhter Anteile treten vor allem im Anschluss an mittleren dings nicht ausschlaggebend, da nur moderate Fraßschäden und starken Insektenfraß auf. beobachtet wurden (Abb. Seite 15). Die erhöhten Werte seit 2019 sind allerdings nicht durch In- Auffällig ist 2021 die Häufung von Schleimfluss an den Stäm- sektenfraß bedingt. men der Eichen. 15 % der älteren Eichen zeigten dieses Mit dem diesjährigen Anteil stark geschädigter Eichen (15,1 %) Stresssymptom, das durch komplexe Wechselwirkungen zwi- wurde ein neuer Höchstwert in der Zeitreihe erreicht. schen Trockenheit, Hitze oder Frost sowie Pilzen und Insekten entsteht. Eiche Anteil starker Anteil starker Schäden Schäden (inkl. abgestorbener (inkl. abgestorbener Bäume), Bäume), Mittlere Kronenverlichtung mittlere Kronenverlichtung in % in % alle Alter alle Alter in % in % 60 40 35 Eiche 50 42 30 alle Baumarten 40 über 60 Jahre 25 31 30 20 15,1 15 20 20 10 17 10 bis 60 Jahre 5 0 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Foto: J. Weymar 14
Eiche Absterberate Überdurchschnittliche Absterberaten wurden bei den Eichen jeweils im Anschluss an Perioden mit starkem Insektenfraß er- mittelt, am höchsten war die Absterberate 1997 (2,7 %). Im Durchschnitt sterben jährlich 0,7 % der Eichen ab. Im Jahr 2021 liegt die Absterberate – ohne Einfluss durch Insekten- fraß – bei 2,5 %. Ausfallrate Auch die Ausfallrate der Eiche ist nach intensivem Insekten- fraß erhöht, im Mittel der Erhebungsjahre liegt sie bei 0,6 %. Durch die Witterungsextreme der letzten Jahre ist die Ausfall- rate der Eichen nicht nachhaltig angestiegen. Jährliche Absterberate (stehende Bäume), alle Alter Jährliche in % Absterberate (stehende Bäume), alle Alter in % 16 14 Eiche alle Baumarten 12 10 8 6 Schleimfluss an einem Eichenstamm Foto: J. Weymar 4 2,5 Fraßschäden 2 Die periodische Vermehrung von Schmetterlingsraupen der 0 so genannten Eichenfraßgesellschaft trägt maßgeblich zu den Schwankungen der Belaubungsdichte der Eichen bei. 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 Der Fraß an Knospen und Blättern durch die Eichenfraßgesell- Jährliche Ausfallrate Jährliche Ausfallrate (als Schadholz (als Schadholz entnommene entnommene Bäume), schaft wurde verstärkt in den Jahren 1991-1997 beobachtet. Bäume), alle Alter in alle % Alter in % Von 2004-2007 und von 2010-2012 folgten zwei weitere Pe- 30 rioden mit Fraßschäden. Seit 2013 ist der Anteil mittlerer und 25 Eiche starker Fraßschäden an älteren Eichen gering. alle Baumarten 20 Fruchtbildung 15 Die Fruchtbildung der Eiche ist zum Zeitpunkt der Waldzu- 10 standserhebung im Juli und August nur schwer einzuschät- zen, weil die Eicheln dann noch sehr klein sind. Im Zuständig- 5 0,1 keitsbereich der NW-FVA wurde daher für WZE-Punkte mit mindestens 17 Eichen im Alter über 60 Jahre im 8 km x 8 km- 0 Raster eine zusätzliche Erfassung in der zweiten September- 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 woche durchgeführt. Die Eichen an diesen Referenzpunkten, bestehend aus 13 WZE-Punkten, zeigten 2021 keine mittlere oder starke Fruktifikation. Anteil mittlerer und starker Fraßschäden an älteren Eichen in %und starker Fraßschäden an älteren Eichen in % Anteil mittlerer 50 40 30 20 10 1 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 1991-2005: Einstufung in 4 Stufen, ab 2006: Einstufung in 5 %-Stufen, Fraßschäden >=15 % Foto: F. Reinbold zählen zu den mittleren und starken Fraßschäden 15
Andere Laub- und Nadelbäume In Sachsen-Anhalt wurden bei der Waldzustandserhebung 2021 als landesweite repräsentative Stichprobeninventur 27 Baumarten erfasst. Neben den Hauptbaumarten Kiefer, Fichte, Buche und Eiche kommt in den Wäldern eine Vielzahl von anderen Baumarten vor, die insgesamt 17 % der Stich- probenbäume der Waldzustandserhebung in Sachsen-Anhalt ausmachen. Jede Baumart für sich genommen ist allerdings zahlenmäßig so gering vertreten, dass allenfalls Trendaus- sagen zur Kronenentwicklung möglich sind. Bei den Ergeb- nissen der Waldzustandserhebung werden sie daher in den Gruppen andere Laubbäume und andere Nadelbäume zu- sammengefasst. Das Vorkommen der anderen Nadelbäume ist mit 1 % so gering, dass auf eine Darstellung der Ergebnisse verzichtet wird. Zu den anderen Laubbäumen gehören u. a. Esche, Ahorn, Linde und Hainbuche. Am häufigsten ist die Birke, gefolgt von der Erle. Mittlere Kronenverlichtung Bereits im Jahr 2018 waren Trockenstresssymptome bei den anderen Laubbäumen (alle Alter) offensichtlich und die mitt- lere Kronenverlichtung angestiegen. Seitdem ist der Verlich- tungsgrad weiterhin hoch (2021: 33 %). Starke Schäden Für die anderen Laubbäume (alle Alter) liegt der Anteil starker Schäden im Mittel der Jahre 1991-2021 bei 6,3 %. Seit 2018 sind starke Schäden häufig (2021: 17,9 %). Spitzahorn Foto: J. Evers Andere Laubbäume, alle Alter Mittlere mittlere Kronenverlichtung Kronenverlichtung in % in % 60 50 andere Laubbäume, alle Altersstufen 40 33 30 20 21 10 0 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Anteil starker Anteil starker Schäden Schäden (inkl. abgestorbener (inkl. abgestorbener Bäume), Bäume), alle Alter alle Alter in % in % 40 35 andere Laubbäume 30 alle Baumarten 25 20 17,9 15 10 5 0 Hainbuche Foto: M. Spielmann 1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 16
Andere Laub- und Nadelbäume Jährliche Absterberate (stehende Bäume), alle Alter Jährliche in % Absterberate (stehende Bäume), alle Alter in % 16 14 andere Laubbäume alle Baumarten 12 10 8 6 4 2 1,8 0 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 Schwarzerle Foto: M. Spielmann Jährliche Ausfallrate Jährliche Ausfallrate (als Schadholz (als Schadholz entnommene entnommene Bäume), Bäume), alle Alter in alle % Alter in % Absterberate 30 andere Laubbäume 25 Die Absterberate der anderen Laubbäume (alle Alter) war alle Baumarten 2019 besonders hoch (6 %). 2021 ist die Absterberate nied- 20 riger (1,8 %), aber noch doppelt so hoch wie das langjährige Mittel (0,9 %). 15 10 Ausfallrate 5 1,5 Nach den Stürmen 2007 und 2018 war die Ausfallrate erhöht. 2021 sind 1,5 % dieser Baumartengruppe außerplanmäßig 0 91-92 92-93 93-94 94-95 95-96 96-97 97-98 98-99 99-00 00-01 01-02 02-03 03-04 04-05 05-06 06-07 07-08 08-09 09-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21 genutzt worden. Esche Foto: J. Evers 17
Witterung und Klima Johannes Sutmöller verfügbare Wasser in den Waldböden während der Vege- https://doi.org/10.5281/zenodo.5588395 tationszeit ausreichte, um die Wasserversorgung der Wald- Das kalendarische Jahr 2020 war in Sachsen-Anhalt mit einer bestände zu gewährleisten. Die Vegetationszeit war in Teilen Mitteltemperatur von 10,9 °C das wärmste Jahr seit Messbe- Sachsen-Anhalts deutlich feuchter als normal. ginn im Jahr 1881. Gegenüber der Klimaperiode 1961-1990 Die Jahresmitteltemperatur betrug im Vegetationsjahr bedeutet dies eine Abweichung von 2,4 K. Die Trockenheit 2020/2021 im Landesmittel von Sachsen-Anhalt 9,8 °C. Damit setzte sich von 2018 bis 2020 unvermindert fort, sodass die war auch dieses Jahr wärmer als das langjährige Mittel. Die Waldschäden in Sachsen-Anhalt ein bisher nicht beobachte- Jahresmitteltemperatur lag um knapp 1,3 K über dem Mittel- tes Ausmaß annahmen. Im Jahr 2021 dominierten häufig Tief- wert von 8,5 °C der Periode 1961-1990. Besonders das kühle druck beeinflusste Wetterlagen. Die unbeständige Witterung Frühjahr hatte zur Folge, dass die positive Temperaturabwei- beendete die mehrjährige Dürre in Teilen von Sachsen-An- chung nicht stärker ausfiel. halt. Für eine flächenhafte Aussage für das Land Sachsen-An- Witterungsverlauf von Oktober 2020 bis halt werden die klimatologischen Größen Niederschlag und September 2021 Temperatur anhand der Messstationen des Deutschen Wet- terdienstes (DWD) ausgewertet. Die Messwerte werden mit Der Oktober 2020 war nass, sonnenscheinarm und mild. einem kombinierten Regionalisierungsverfahren (Inverse Dis- Nach dem trockenen Sommer führte verstärkte Tiefdruck- tance Weighting, Höhenregression) auf ein einheitliches Ras- tätigkeit zu häufigen und flächendeckenden Niederschlägen. ter interpoliert. Für die aktuelle Auswertung wurde erstmals Das Niederschlagssoll wurde mit 66 mm im Flächenmittel ein 50 Meter Raster (Digitales Höhenmodell) verwendet, so- um knapp 70 % übertroffen, sodass die Bodenfeuchte in den dass im Vergleich zu den Werten im letztjährigen Bericht ge- oberen Schichten deutlich zunahm. Die Mitteltemperatur lag ringfügige Abweichungen auftreten. Die Mitteltemperaturen in Sachsen-Anhalt bei 11,0 °C und damit 1,8 K über dem lang- werden in Grad Celsius (°C) und die Abweichung in Kelvin (K, jährigen Durchschnittswert (Abb. unten, Tabelle Seite 19). Die entspricht °C) angegeben. Im Waldzustandsbericht wird die Abweichungen von Niederschlag und Temperatur vom Mit- Witterung des aktuellen Vegetationsjahres beschrieben. Das tel der Klimaperiode 1961-1990 (durchgezogene schwarze Vegetationsjahr umfasst die Monate Oktober des Vorjahres Linie) in Sachsen-Anhalt, Monatswerte für das Vegetations bis einschließlich September des aktuellen Jahres. jahr 2020/2021 (Oktober 2020 bis September 2021) Mit dem Jahr 2020 endete die international gültige Klima % 250 normalperiode 1961-1990. Diese wurde durch die neue Re- Niederschlag ferenzperiode 1991-2020 abgelöst. Ein Vergleich der Periode 200 1961-1990 mit der neuen Referenzperiode von 1991-2020 zeigt 150 deutlich, dass die Klimaveränderung in Sachsen-Anhalt bereits 100 zu einer signifikanten Erwärmung geführt hat (s. Tabelle Seite 50 19). Um den anthropogen verursachten Erwärmungstrend zu 0 verdeutlichen, werden im Text die Monatsmittelwerte des ak- K 5 Temperatur tuellen Vegetationsjahres weiterhin mit den langjährigen Wer- ten der Klimaperiode 1961-1990 verglichen. 3 Nach drei sehr trockenen und warmen Jahren entsprach 1 im Vegetationsjahr 2020/2021 die Niederschlagsmenge mit -1 584 mm im Flächenmittel des Landes dem langjährigen Mit- tel. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren kam es zu -3 Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. keiner ausgeprägten Trockenperiode, sodass das pflanzen- Daten des Deutschen Wetterdienstes, Offenbach Foto: M. Spielmann 18
Witterung und Klima Witterung war im November überwiegend durch Hochdruckeinfluss geprägt. Die Niederschlagshöhe betrug 10 mm und damit nur rund 20 % des üblichen Solls. Aufgrund der jahreszeitlich bedingten geringen Ver- dunstung nahm die Bodenfeuchte jedoch kaum ab. Die Monatsmittel- temperatur von 6,8 °C übertraf das langjährige Mittel um 2,4 K. Anfang des Monats wurden an vielen Stationen des DWD neue Allzeitrekorde der Tageshöchsttemperatur für November gemessen (z. B. Magdeburg 21,1 °C). Im Dezember wurden auf der Vorderseite von Tiefdruckge- bieten über Westeuropa mit einer südlichen Luftströmung häufig milde Luftmassen nach Sachsen-Anhalt herangeführt. Folglich fiel der Monat deutlich zu warm aus. Die Monatsmitteltemperatur von 3,4 °C lag um 2,4 K über dem Wert der Klimaperiode 1961-1990. Da jedoch meistens schwacher Hochdruckeinfluss überwog, fielen nur rund 60 % (28 mm) der üblichen Niederschlagsmenge. Zwar nahm die Bodenfeuchte weiter zu, lag jedoch in weiten Teilen von Sachsen-Anhalt weiter unter den langjährigen Mittelwerten. Der Wechsel von kühlen und milden Luftmassen prägte das Witterungs- geschehen im Januar 2021. Mit einer Mitteltemperatur von 0,7 °C er- gab sich eine Abweichung von rund +1,2 K zum langjährigen Mittel. Häufiger Tiefdruckeinfluss sorgte für reichlich Niederschlag, sodass mit Foto: J. Weymar 51 mm mehr als 20 % des Niederschlagssolls fiel. Infolge der nieder- schlagsreichen Witterung füllten sich die Wasserspeicher der oberen auf 18,1 °C (Differenz 41,9 K). Im Süden Deutsch- Bodenschichten deutlich auf. Der Februar war durch extreme Wetter- lands wurde teilweise eine Tageshöchsttemperatur gegensätze gekennzeichnet. In der ersten Monatshälfte sorgte sibirische von über 20 °C gemessen. Trotz der ausgeprägten Kaltluft für nächtliche Tiefsttemperaturen, die häufig unter -20 °C lagen. Kälteperiode war der Februar 0,6 K wärmer als die Vielfach bildete sich auch in tieferen Lagen eine mächtige Schneedecke. durchschnittliche Monatsmitteltemperatur der Pe- An einigen Messstationen wurden Rekordschneehöhen gemessen. Ab riode 1961-1990. Die Niederschläge erreichten mit Mitte des Monats führte subtropische Warmluft zu extremen Tempe- 48 mm im Landesmittel 140 % der üblichen Nie- ratursprüngen. In Göttingen wurde ein neuer Deutschlandrekord auf- derschlagsmenge, sodass auch in tieferen Boden- gestellt. Innerhalb von einer Woche stieg die Temperatur von -23,8 °C schichten der Wassergehalt weiter zunahm. Für eine vollständige Sättigung der Böden reichten die Temperaturmittelwerte und Niederschlagssummen für das Vegetationsjahr Niederschläge jedoch nicht aus. 2020/2021 (Oktober 2020 bis September 2021) sowie die langjährigen Mittelwerte Es folgte ein milder, sonnenscheinreicher und tro- der Referenzperioden 1961-1990 und 1991-2020 ckener März. Im Landesmittel von Sachsen-Anhalt Temperatur (°C) Niederschlag (mm) fielen nur 28 mm Niederschlag. Dies entspricht 2020/21 1961 - 1991 - 2020/21 1961 - 1991 - knapp 70 % der üblichen Niederschlagsmenge. 1990** 2020** 1990** 2020** Die Monatsmitteltemperatur betrug 5,1 °C und Oktober 11,0 9,2 9,5 66 40 44 lag damit um 1,6 K über dem langjährigen Durch- November 6,8 4,4 4.9 10 45 48 schnittswert. Zum Ende des Monats verzeichne- Dezember 3,4 1.0 1,9 28 50 49 ten einige Stationen in Sachsen-Anhalt den ers- ten Sommertag (Tageshöchsttemperatur >25 °C) Januar 0,7 -0,5 1,0 51 41 47 des Jahres. Mit einsetzender Pflanzenentwicklung Februar 0,8 0,2 1,6 48 34 35 trockneten die Oberböden langsam aus, allerdings März 5,1 3,5 4,7 28 41 43 stellte sich die Bodenfeuchtesituation nicht an April 6,2 7,6 9,3 30 45 32 nähernd so ungünstig dar, wie in den Jahren zuvor. Im April endete die 10-monatige Abfolge zu war- Nicht- vegetationszeit 4,8 3,6 4,7 261 296 298 mer Monate. Häufige Nordwetterlagen dämpften Mai 11,6 12,7 13,6 67 53 56 das Temperaturniveau. Die Monatsmitteltempera- Juni 19,9 16,0 16,8 63 65 57 tur war mit 6,2 °C nur wenig höher als im März, sodass der April 2021 zu den kältesten der letzte Juli 19,4 17,4 18,9 62 55 73 Jahrzehnte zählt. Die Abweichung zum vieljähri- August 16,9 17,0 18,5 105 60 59 gen Mittelwert betrug -1,4 K. Infolge der trocken- September 15,5 13,6 14,3 27 43 50 kühlen Witterung fielen mit 30 mm nur rund 70 % Vegetationszeit 16,7 15,3 16,4 323 276 295 des Niederschlagsolls. Die niedrigen Temperaturen verzögerten die Vegetationsentwicklung deutlich, Vegetationsjahr 9,8 8,5 9,6 584 572 593 sodass die Böden zwar weiter austrockneten, aber zu kalt* -5 K -3 K -1 K +1 K +3 K +5 K zu warm* das niedrige Niveau der Jahre 2019 und 2020 bei weitem nicht erreicht wurde. Die kühle Witterung zu nass* 175 % 150 % 125 % 75 % 50 % 25 % zu trocken* setzte sich im Mai unvermindert fort. Im Gegen- * Abweichung zur Periode 1961-1990, ** Neuberechnung (50 m Digitales Höhenmodell) satz zum April führte eine vermehrte Tiefdruck- 19
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