Was bleibt? - Das Magazin für die ETH-Community April 2021 - ETH Zürich
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PANORAMA ! nu n g zählt ei Ihre M pril bis a m 23. A Noch Sie an der g n ragun Führungskultur könne itendenbef ternen Ulrike Kutay erhält be in Mitar Umfrage zur hmen: e r l n e und d katio n te i u ni gen Kom m /umfra ALEA Award z .ch .eth www Beschaffungsrecht Ulrike Kutay, Leiterin des Instituts für Biochemie, ist mit dem ALEA Award als Tiefere Schwelle vorbildlichste Führungskraft geehrt worden. Die Professorin wird von ihrem Team als ehrliche, respektvolle und aufmerksame Gruppenleiterin geschätzt. für Einladungs- Sie setzt sich ein für Diversität, familiäre Werte und flache Hierarchien, was für ein motivierendes Arbeitsumfeld sorgt. Der ALEA Award wird jährlich an verfahren Vorgesetzte verliehen, die innovative Arbeitsbedingungen ermöglichen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Nominiert werden die Füh- rungskräfte durch ihre Mitarbeitenden, die Jury besteht unter anderem aus Seit Jahresbeginn gilt das neue öffentliche Be- Vertreterinnen und Vertretern der AVETH, der HR und der PeKo. schaffungsrecht. Neben dem sogenannten Para- www.ethz.ch/alea → digmenwechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit müssen auch Änderungen im Prozess beachtet werden. Ins- besondere müssen neu ab einem Auftragswert von 150 000 Franken offizielle Einladungsverfahren durchgeführt werden. Dies erfordert die Erstellung eines Pflichtenhefts und eine nachvollziehbar do- kumentierte Evaluation. Daher muss die Beschaf- fungsstelle frühzeitig eingebunden werden. Wenn möglich sind jeweils drei Angebote einzuholen. Fehlende Angebote müssen begründet werden. www.ethz.ch/beschaffungsrecht → 3246 Die Zahl So viele Tonnen CO2-Äquivalente an Treibhausgasemissionen haben F oto: z v g Dienstreisen von ETH-Angehö- rigen im letzten Jahr verursacht. t Das sind rund 80 Prozent we- «Point» ftsberich Neue Community-Plattform Geschä 2020 niger Emissionen als 2019. Die Auswirkungen, welche das Coronavirus auf den interna- tionalen Flugverkehr hatte, «Point» ist eine neue digitale Gemeinschaftsplattform der ETH Zürich und zeigt sich somit auch deutlich steht allen Angehörigen offen – vom Verwaltungspersonal über den Lehrkör- 12.03.2 1 10:32 in der Bilanz der Dienstrei- per bis hin zu den Studierenden. Auf der Webseite können sich Nutzerinnen UG__u 1-u4_e th-gb20 _DE-10 -3.indd 1 sen von ETH-Angehörigen. Weitere und Nutzer in Gruppen zu ihren Interessen austauschen, Veranstaltungen und spannende Zahlen zur ETH Zürich im Jahr 2020 Tipps teilen oder über den Marktplatz gebrauchten Gegenständen ein länge- finden Sie im aktuellen Geschäftsbericht. res Leben schenken. www.ethz.ch/geschaeftsbericht → www.point.ethz.ch → 2 life 1 / 2021
Projekt rETHink Workstreams im Überblick Foto: Omar Zeroual Damit die ETH Zürich auch in Zukunft zu den bes- ten Hochschulen der Welt gehört, wurde das Projekt rETHink ins Leben gerufen. Es soll die Weichen stellen für die organisatorische Wei- terentwicklung der ETH. In sechs Teilprojekten Veranstaltungsmanagement wird die jetzige Organisation reflektiert und an Studio für den Herausforderungen gespiegelt, mit denen sich die Hochschule heute und morgen konfron- tiert sieht. Auf der rETHink-Webseite werden die virtuelle Events einzelnen Workstreams vorgestellt und deren aktueller Projektstand publiziert. www.ethz.ch/rethink → Die Abteilung Services hat ein Studio für virtuelle und hybride, also virtu- ell-physisch kombinierte, Events im Hauptgebäude eingerichtet. Das Studio ist technisch bestens ausgestattet und eignet sich unter anderem für die Pro- duktion von Podiumsdiskussionen, Townhalls oder Webinaren. Dank Green- screen ist der Hintergrund individuell wählbar. ETH-Angehörige können das Studio über das Tool «Servix» online buchen. www.ethz.ch/virtuelleveranstaltungen → Öffentliche Führungen Die ETH im Live- stream entdecken Die PeKo wird 50 Jahre alt. Alle Infos und Events auf: www.peko.ethz.ch → Aufgrund der aktuellen Situation werden die öffentlichen Führungen der ETH neu auch virtuell durchgeführt. Jeden Dienstagabend können Interessierte die Hochschule und all ihre Facetten über einen Livestream kennenlernen. Impressum «life – Das Magazin für die ETH-Community» ist ein Medium Angeboten werden sowohl geführte Rundgänge durch ETH-Räumlichkeiten der internen Kommunikation der ETH Zürich und wird von der Hochschulkommunikation (HK) vierteljährlich auf Deutsch als auch Präsentationen zu Fachgebieten. Die Führungen dauern rund eine und Englisch herausgegeben. Stunde. Informationen zum Programm und die Anmeldung sind online verfügbar. Redaktion Druck Anna Maltsev (Leitung), Neidhart + Schön AG www.ethz.ch/fuehrungen → Karin Köchle (Stv. Leitung), Leo Herrmann, Michael Auflage Walther, Omar Zeroual, 14 670 Exemplare Angelika Bühler Kontakt Cover Magazin life, ETH Zürich, Was wird von der Krise HG F 41, 8092 Zürich bleiben? (Illustration: Stephan Schmitz) Mail an die Redaktion: life@hk.ethz.ch Gestaltung gestalten AG Weitere Informationen: www.ethz.ch/life Lithografie Küenzi + Partner Korrektorat Linkgroup AG (deutsch), Lilian Dutoit (englisch) Übersetzung Louise Killeen Translations Limited Foto: zvg life 1 / 2021 3
THEMA Was bleibt? Ein Ende der Pandemie ist noch nicht absehbar, doch es gibt Anlass zur Hoffnung. Wie hat das erste Jahr mit dem Virus die ETH verändert? Und was wird von der Krise bleiben? 4 life 1 / 2021
Text Leo Herrmann Illustration Stephan Schmitz der ETH verneinen, sagt Detlef Günther, drei verschiedenen Departementen an- Vizepräsident Forschung der ETH: «Ich gehören. Die Zusammenarbeit entstand Wie die ETH einst war, habe ich nur kurz war zu jedem Zeitpunkt mit der ganzen aufgrund der besonderen Situation, be- miterlebt. Rund einen Monat nach mei- Breite unserer Grundlagenforschung stätigt Co-Leiterin Susanne Ulbrich: «Wir nem ersten Arbeitstag setzten die ersten konfrontiert. Das wird sich auch langfris- kannten uns vorher nicht und wollten Corona-Massnahmen des Bundesrats ein. tig nicht ändern.» Als Beispiele nennt er gemeinsam zum Wissensgewinn über Und ausgerechnet an jenem Tag im März, etwa Data Science, Ernährung, Medizin die Verbreitung und das Verhalten des an dem dieser die «ausserordentliche oder Energie, die weiterhin Schwerpunkte Virus in der ETH-Community beitragen.» Lage» ausrief, wurde ich 25 Jahre alt. Mit sein würden. Auch bei der Vergabe von Dass die Studie, an der bis jetzt rund 2900 Freunden sass ich in einem Zürcher Park, Fördergeldern im letzten Jahr finden Probandinnen und Probanden teilnehmen, die Stimmung war gedrückt, die Situation sich Projekte aus vielfältigen Bereichen. bereits eineinhalb Monate nach Beginn nicht richtig fassbar. Das erste Jahr mit «Nichtsdestotrotz wird die Forschung des ersten Lockdowns starten konnte, dem Virus ging gefühlt schnell vorbei: Die rund um Krankheitserreger künftig mehr sei auch einer grossen Solidarität zu Interpunktion des Alltags fiel teilweise Gewicht haben», ist Günther überzeugt. verdanken: «ETH-Angehörige aus allen weg und liess die Zeit gleichförmiger da- möglichen Bereichen haben uns mit Rat hinfliessen. Trotzdem hat diese Zeit uns und Tat grosszügig unterstützt. Das zu wohl alle verändert. Während viele be- erleben, war extrem bereichernd.» ruflich oder privat unter einem erhöhten «Die Krise hat einen Diese Offenheit gelte es auch für die Druck stehen, hat die Krise auch kollektiv unzählige Fragen aufgeworfen. Eine davon Diskurs zwischen Zeit nach Corona mitzunehmen, betont Detlef Günther: «Unkonventionelle, in- ist, was wir am Ende mitnehmen. allen Disziplinen ge- terdisziplinäre Forschungsinitiativen Die ETH Zürich hat in dieser Situation eine besondere Verantwortung. Als eine fördert und innovative sind wichtiger denn je, um die grossen Probleme unserer Zeit anzugehen.» Hier der führenden Hochschulen trägt sie Zusammenarbeiten könnte die nun noch stärker etablierte mit ihrer Forschung zur Bewältigung digitale Kommunikation helfen. Denn so der Krise bei, muss aber auch mit Blick hervorgebracht.» zermürbend es auch sein kann, sich mit auf Tausende von Mitarbeitenden und Mitarbeitenden nur noch am Bildschirm Detlef Günther Studierenden aus der Krise lernen und auszutauschen: Gerade für internationale Vizepräsident Forschung der ETH innovative Lösungen für die Arbeit und Forschungskooperationen sind Teams, die Lehre der Zukunft finden. Zoom & Co. eine Chance. Ein weiterer Was die Öffentlichkeit in der Krise Punkt, in dem Günther Potenzial sieht, ist von der ETH am stärksten wahrnimmt, ist Ohnehin besteht traditionell eine starke der schnelle Austausch von Daten. «Das ihre Forschung. ETH-Angehörige berech- Verbindung zwischen Naturwissenschaf- Bewusstsein könnte gewachsen sein, nen den berüchtigten R-Wert, ermitteln ten und Medizin: Rund ein Drittel der ETH- dass man Grosses bewirken kann, wenn die Belegung der Intensivbetten, die Kon- Forschenden beschäftigte sich schon vor man gewonnene Daten zusammenfliessen junkturstimmung oder die Mobilität der der Pandemie direkt oder indirekt mit lässt», sagt der Vizepräsident. Bevölkerung. Sie helfen mit, Orientierung medizinischen Fragen. in diese ungewisse Situation zu bringen. Zentral für Detlef Günther ist, dass Risiken und Chancen in der Lehre Wie aber hat umgekehrt die Krise die der Wert von Synergien noch stärker Auf ein Ende der Pandemie hofft Günther Forschung an der ETH verändert? hervorgetreten sei. Die Krise habe einen ganz besonders für die Studierenden: Diskurs zwischen allen Disziplinen geför- Zum Studium gehörten Lerngruppen, Solidarität und Innovation dert und innovative Zusammenarbeiten informelle Treffen und auch Partys – das In den Medien nehmen Forschungspro- hervorgebracht. Die Forschungsprojekte lasse sich nicht digitalisieren. Weitere jekte zur Pandemie viel Raum ein. Spiegelt wurden oft in einem hohen Tempo lan- kritische Punkte sind das psychische das ein tatsächliches Ungleichgewicht ciert. Ein Beispiel ist die «CoV-ETH»-Stu- Wohlbefinden und die Lern- und Arbeits- wider? Obwohl Corona-Themen den öf- die, die sich mit dem Immunverlauf von situation zu Hause. Das zeigt sich in einer fentlichen Diskurs dominieren, könne Covid-19-Infektionen befasst. Geleitet Studierendenumfrage, welche die Abtei- er das für den Forschungsbetrieb an wird sie von drei ETH-Forschenden, die lung Lehrentwicklung und -technologie life 1 / 2021 5
THEMA Mitte Dezember 2020 durchgeführt werden», sagt Springman. Die Gestaltung Entwicklungen angestossen haben. Künftig hat. Weit über die Hälfte der befragten des digitalen Unterrichts soll auch für könnte eine hybride Lehre, die sowohl auf Studierenden bewertete ihre Fähigkeit die Dozierenden ein Lernprozess sein: Präsenz- als auch auf digitalen Unterricht zur Konzentration sowie ihre Motiva- «Jede Lehrperson soll die Distanzlehre zurückgreift und die jeweiligen Vorteile tion schlechter als in einem normalen in sich vereint, Normalität sein. Auch die Semester und berichtete zudem, sich Studierenden stehen einer Teildigita- häufiger niedergeschlagen zu fühlen. lisierung des Unterrichts mehrheitlich Vor allem neu eintretende Studierende, «Eine zentrale positiv gegenüber. In der Befragung ge- im Bachelor wie im Master, fühlen sich Herausforderung ben rund 80 Prozent der Teilnehmenden sozial zu wenig integriert. an, sich weiterhin mindestens einen Tag «Eine zentrale Herausforderung bei bei der digitalen Fernunterricht pro Woche vorstellen zu der digitalen Lehre ist es, Interaktion herzustellen», meint ETH-Rektorin Sa- Lehre ist es, Inter- können. Sarah Springman sieht weiteres Potenzial bei Joint-Studiengängen. So rah Springman. In der Befragung zeigt aktion herzustellen.» könnten Module virtuell angeboten wer- sich deutlich, dass die Studierenden jene den, damit Studierende mehrerer Hoch- Veranstaltungen bevorzugen, die For- Sarah Springman schulen gleichzeitig daran teilnehmen ETH-Rektorin men von Austausch bieten. Dazu gehören können. Breakout-Sessions, Umfragen oder die Möglichkeit, per Chat Fragen zu stellen. Die Arbeitsumgebung der Zukunft Die Massnahme, die bei den Befragten am in ihrem persönlichen Stil gestalten und Auch für die Mitarbeitenden der ETH meisten Anklang fand, war das Einschal- mit neuen Ansätzen experimentieren, um haben sich durch die Krise Risiken und ten der Webcam, vor allem bei kleineren sie so lebendig wie möglich zu machen.» Chancen eröffnet. Für viele ist die Home- Veranstaltungen. «Immerhin ein Teil des Die Corona-Krise könnte in der Hoch- office-Pflicht mit einer höheren Belas- Zugehörigkeitsgefühls kann so gewahrt schullehre langfristig auch positive tung verbunden. Die Abteilung Human
Resources unterstützte Mitarbeitende und Leiter der Abteilung Personal: «Wir ha- in Richtung flexibler Arbeitsformen zu Vorgesetzte mit Coaching sowie Beratung. ben erkannt, dass im Homeoffice nicht prüfen. Treibende Faktoren dahinter sind Auf die oft thematisierte mentale und die Produktivität der kritische Punkt ist, die Digitalisierung, veränderte Bedürf- physische Fitness reagierte die Schullei- sondern das Gemeinschaftsgefühl.» Das nisse der Arbeitnehmenden sowie die tung mit einer Serie von vier Townhalls. verändere das Führungsverständnis: ökologischen und ökonomischen Vor- Während die administrativ-technischen «Führungskräfte werden vermehrt zu teile einer effizienteren Raumnutzung. ETH-Mitarbeitenden von einer hohen Ar- Ermöglichern und Ermöglicherinnen.» Obwohl Corona nicht der eigentliche beitsplatzsicherheit profitieren, steht der Um diesen Prozess zu begleiten, hat das Grund für diese Entwicklung ist, dürfte akademische Mittelbau unter erhöhtem HR bereits für verschiedene Gruppen von die Arbeitssituation im letzten Jahr sie Druck. Die Doktorierenden und Postdocs Führungskräften, Professorinnen und stark beschleunigen und viele wertvolle sind befristet angestellt und für ihre wis- Professoren Webinare veranstaltet, die Erkenntnisse für die Umsetzung liefern. senschaftliche Karriere darauf angewie- jeweils auf grosses Interesse stiessen. Die Corona-Krise lässt uns noch nicht sen, an andere Universitäten wechseln zu Vonesch kann sich gut vorstellen, dass los. Sie richtet global grossen Schaden können. Mit der schwierigen Wirtschafts- auch der physische Arbeitsplatz eine an, hat aber vielerorts auch Chancen lage und Reisebeschränkungen ist für viele neue Bedeutung erhält: «Vielleicht nut- eröffnet. Ob wir diese nutzen, liegt in der von ihnen die Unsicherheit erhöht und die zen wir diesen künftig bewusster als eine Verantwortung von uns allen. «Wir haben Zukunft ungewisser geworden. Schon seit Art Begegnungszone.» die Möglichkeit, viel aus der Pandemie Beginn der Krise setzt das HR mit neuen Fest steht: Homeoffice wird auch in zu lernen. Aber nur, wenn jeder und jede Regelungen Leitplanken für möglichst Zukunft für viele zum Arbeitsalltag ge- bereit ist, das Gute wie das Schlechte flexible und individuelle Lösungen. In hören. Damit verändern sich auch die gründlich zu reflektieren, bevor man vielen Fällen wurden Verträge verlängert. Anforderungen an die Arbeitsinfrastruk- weitermacht wie zuvor», schliesst ETH- Langfristig gesehen eröffnet sich, be- tur. Der Bund hat den ETH-Bereich im Vizepräsident Detlef Günther. schleunigt durch die Krise, eine neue Sicht Dezember beauftragt, diese Auswirkun- auf unsere Arbeit, sagt Lukas Vonesch, gen zu analysieren und Veränderungen life 1 / 2021 7
IM GESPRÄCH «Viele betreuen so, wie sie selbst betreut wurden» Antonio Togni geht, Manfred Sigrist kommt. Der alte und der neue Prorektor Doktorat diskutieren über die neue Doktoratsverordnung und darüber, wie sich ihr eigenes Doktorat vom heutigen unterscheidet.
Interview Michael Walther Fotos Gian Marco Castelberg Es warten also viele Diskussionen auf Sie … Togni: Auf die Diskussionen kommt es an! Ich muss zugeben, Sie beide betreuen Doktorierende. Wie ist die dass ich die alte Doktoratsverordnung zum ersten Mal von A momentane Situation für sie? bis Z gelesen habe, als ich Prorektor geworden bin. Und ich Togni (rechts im Bild): Im März 2020 ist meine ganze Gruppe bin mir sicher, ich war nicht der Einzige, der sie nicht so gut ins Homeoffice. Die meisten meiner Doktorierenden mussten kannte. Es gab im Alltag ja keine dringende Not, die Regeln zu eigentlich nur noch schreiben. Der Lockdown kam ihnen da lesen. Jetzt ist die Situation anders: Dank der Vernehmlas- fast entgegen, und weil die Laborarbeit entfiel, konnte ich mir sungsarbeit kennen viele an der ETH die neue Verordnung auch viel Zeit nehmen für Gespräche. relativ gut. Sigrist: Es gibt dieses typische Bild der theoretischen Phy- Sigrist: Das ist ein wichtiger Punkt. Viele haben bisher so siker, die in einer Gruppe vor der Wandtafel stehen und disku- betreut, wie sie selbst betreut wurden. Und man macht sich oft tieren. Diese Situation lässt sich nur bedingt virtuell herstellen. erst dann über die Vorschriften Gedanken, wenn es irgendwo Online ist der Austausch mit meinen Doktorierenden weniger klemmt. Ich hoffe, dass sich alle durch den Neuanfang bewuss- spontan. Das fehlt ihnen jetzt genauso wie mir. ter mit den Regeln auseinandersetzen. Dann bin ich zuversicht- lich, dass es auch zu weniger heiklen Situationen kommen wird. Die neue Doktoratsverordnung tritt im Herbst in Kraft. Was verbessert sie? Togni: Im Kern schwächt sie die Eins-zu-eins-Abhängigkeit der Doktorierenden von ihrem Betreuer oder ihrer Betreuerin «Wir wollen mit der neuen ab. Wir stellen den Doktorierenden eine zweite Person zur Seite, die sie auch wissenschaftlich nah begleitet. Zudem haben wir Verordnung auch erreichen, das Eignungskolloquium eingeführt. Damit wollen wir erreichen, dass die Auffassung darüber, dass sich die Doktorierenden gemeinsam mit ihrem Professor oder ihrer Professorin vom ersten Tag an mit ihrem Forschungs- was ein Doktorat ist, ETH- projekt auseinandersetzen. Es gibt Departemente, die das schon weit homogener wird.» kennen. Jetzt haben wir das ETH-weit eingeführt. Antonio Togni, ehemaliger Prorektor Doktorat Was haben wir noch nicht erreicht? Togni: Wir wollen mit der neuen Verordnung auch erreichen, dass die Auffassung darüber, was ein Doktorat ist, ETH-weit homogener wird. Wir möchten, dass sich Professoren und Wie wurden Sie selbst als Doktorand betreut? Professorinnen mehr mit ihrer Rolle als Betreuerin oder Be- Sigrist: Ich habe hier am Institut für Theoretische Physik treuer auseinandersetzen. Dass sie wissen, was diese Rolle doktoriert und sehr gute Erinnerungen. Mein Betreuer kannte beinhaltet. all die neuesten Entwicklungen im Gebiet und hat mir aufge- zeigt, welche Fragestellung und welcher Weg wohl ergiebig Kann das ein Reglement? wären und hat mich dann recht frei arbeiten lassen. In Diskus- Togni: Natürlich nicht. Aber für die neue Verordnung dis- sionen haben wir dann die Ideen weiterentwickelt, wobei ich kutieren wir an der ETH nun seit über einem Jahr über das von seiner immensen Erfahrung profitieren konnte. Mit meinen Doktorat. Das ist gut! Doktoranden möchte ich auch so umgehen. Als Betreuer muss man aber auch wissen, dass verschiedene Doktoranden ver- Manfred Sigrist, wie geht es jetzt weiter, nachdem die neue schiedene Bedürfnisse haben. Was die einen als Freiheit emp- Verordnung steht? finden, erfahren andere als Vernachlässigung. Sigrist: Es liegt nun an den Departementen, das neue Togni: Ich erinnere mich, wie mein Professor und ich ge- Reglement umzusetzen und dabei auch ihren Gestaltungs- meinsam an einem Manuskript gearbeitet haben. Auf Papier spielraum wahrzunehmen. Ich sehe meinen Beitrag darin, dort und von Hand. Wenn man einen Abschnitt verschieben wollte, Hilfe zu leisten, wo offene Punkte zu klären sind, aber nicht als musste man ihn mit der Schere ausschneiden und wieder ein- Polizist aufzutreten. Ich denke, dass das neue Reglement dem kleben. Das habe ich ganze Nachmittage lang mit ihm gemacht Doktorat klarere Strukturen gibt und dadurch besser sichtbar und dabei gelernt, was es heisst, ein Manuskript zu schreiben. wird, ob ein Doktorat gut läuft. Am Ende entscheidet aber im- Wie Manfred habe aber auch ich gelernt, zu geniessen, wenn mer das gute Zusammenspiel aller Beteiligten, dass es nicht mich jemand machen lässt. Beim Rekrutieren von Doktorie- zu problematischen Situationen kommt. Da sind alle gefragt, renden habe ich mir deshalb oft überlegt: Ist das jemand, den sich in die neue Kultur einzuleben. man machen lassen kann? life 1 / 2021 9
IM GESPRÄCH Worauf kommt es in einem guten Doktorat an? «Am Ende entscheidet aber immer Sigrist: Doktorierende sollten sich als Mitarbeitende des Betreuers fühlen. Man erarbeitet ein Projekt gemeinsam, das gute Zusammenspiel aller tauscht Ideen aus, bis die Ergebnisse konvergieren. Ein Dok- Beteiligten, dass es nicht zu pro- torat ist gut, wenn ich als Betreuer von meinen Doktorierenden auch herausgefordert werde und auch mal meine ursprüngli- blematischen Situationen kommt. chen Ideen aufgeben muss. Togni: Ein Beispiel: Vor einigen Jahren kamen zwei Dokto- Da sind alle gefragt, sich in die randen zu mir und sagten: «Wir haben es dir noch nicht gesagt, neue Kultur einzuleben.» weil wir nicht wussten, ob du einverstanden bist. Aber wir haben etwas probiert. In deinen Ferien. Und das hat funktioniert!» Manfred Sigrist, Prorektor Doktorat (lacht). Daraus wurde eine sehr erfolgreiche Publikation! Wie hat sich das Doktorat seit Ihrem eigenen verändert? Herr Togni, was geben Sie Manfred Sigrist mit Sigrist: Es gibt mehr Ablenkung. Heutzutage gibt es ein in seine neue Funktion? Überangebot an Events und Tagungen, an denen die Doktorie- Togni: Eigentlich nicht viel. Im Gegenteil – man soll auf renden teilnehmen sollten. Und man erwartet von ihnen, dass keinen Fall das Gefühl haben, man müsse die Arbeit des Vor- sie in ihrem Thema à jour sind, obwohl die Webarchive täglich gängers wiederholen. Die Rektorin gab mir bei der Arbeit viel mit neuen Publikationen geflutet werden. Zudem sollen sie sich Vertrauen und Freiheit. Ich sage darum: einfach machen! auch bereits für Grants und Fellowships bewerben. Ich hatte zu www.ethz.ch/doktoratsverordnung → meiner Zeit mehr Musse und fühlte mich weniger belastet. Togni: Ja, und die Doktorierenden sind stärker dem Druck ausgesetzt, zu publizieren. An mir ging das damals vorbei. Ich finde es absurd, dass sich manche Doktorierende heute vor allem überlegen, was sie tun müssen, um das nächste Paper zu publizieren. Antonio Togni ist im Misox (GR) aufgewachsen, studierte Manfred Sigrist ist in Giswil (OW) aufgewachsen und studierte an der ETH Chemie und promovierte 1983. Bevor er als Physik an der ETH Zürich. Er promovierte am Institut für Assistenzprofessor zurückkehrte, forschte er am California Theoretische Physik, wo er mittlerweile seit über 20 Jahren Institute of Technology in den USA und bei der damaligen als Professor forscht und lehrt. Seine Karriere führte ihn Ciba-Geigy in der Schweiz. Neben seinem Engagement für unter anderem an das MIT in Cambridge in den USA und die das Doktorat hat sich Togni unter anderem für die Reform Kyoto-Universität in Japan. Nach der Emeritierung von der Ausbildung von Gymnasiallehrkräften eingesetzt. Antonio Togni hat er das Amt des Prorektors Doktorat ab Februar 2021 übernommen. 10 life 1 / 2021
ÜBRIGENS «Die LunchLottery ist ein Lichtblick im Homeoffice» Die Pandemie hat die physischen Kontakte erheblich eingeschränkt. Mit dem neuen Format der LunchLottery haben ETH-Angehörige die Möglichkeit, sich zu einem Austausch über die üblichen Teamgrenzen hinweg zu treffen. Text Angelika Bühler Illustration Benjamin Hermann bei der sie die Namen der zugelosten Personen erfahren. Ob man sich dann für ein gemeinsames virtuelles Mittagessen Christian Thurn brachte Ende Oktober mit seinem Beitrag auf oder eine Kaffeepause trifft, ist den Teilnehmenden selbst dem rETHink-Blog den Stein ins Rollen: Er schlug eine Platt- überlassen. Auch die ETH-Bibliothek nutzt dieses Format seit form für Mittagstreffen vor, um Vielfalt und Teamgeist inner- geraumer Zeit: Bereits über ein Drittel der Belegschaft hat sich halb der ETH-Community zu stärken. Mit Julia Dannath-Schuh angemeldet und nimmt regelmässig daran teil. als Vizepräsidentin für Personalentwicklung und Leadership Pia Aeschlimann von den Akademischen Diensten hat das nahm Thurns Idee konkrete Formen an: Sie rief gemeinsam neue Format ausprobiert: «Ich bin ein Fan der LunchLottery – mit einem externen Partner ein neues Format ins Leben, um auch wenn es im Moment aufgrund der Lage wohl eher ‹Teams- die soziale Fitness zu stärken – die ETH LunchLottery war Coffees› sind.» Was sie besonders an der neuen Vernetzungs- geboren. «ETH-Angehörige schätzen es ungemein, neue möglichkeit schätzt, ist die Durchmischung. Da die Terminfin- Leute kennenzulernen und ihr Wissen zu erweitern», meint dung nicht einfach ist, sei aber die Frequenz noch etwas zu hoch. Dannath-Schuh. Das findet auch Doktorand und ursprünglicher Um noch mehr Verbesserungspotenzial zu erkennen, soll die Ideengeber Christian Thurn: «Die LunchLottery ist besonders LunchLottery nach einer dreimonatigen Pilotphase evaluiert in Homeoffice-Zeiten ein niederschwelliges Angebot, um mit und weiterentwickelt werden. Regula Furegati Hafner, Dozentin anderen in Kontakt zu treten.» am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Bei der LunchLottery können sich alle Mitarbeitenden und freut sich bereits auf neue Begegnungen über Mittag: «Die Idee Doktorierenden registrieren. Ziel ist eine möglichst bunte der LunchLottery ist ein Lichtblick im bereits ein Jahr dauern- Durchmischung – unabhängig von Herkunft, Alter, Abteilungs- den Homeoffice – und es ist ein Fenster in den vielfältigen und zugehörigkeit und Funktion. Jeweils am ersten und dritten Mon- faszinierenden Betrieb der ETH Zürich.» tag des Monats erhalten sie eine sogenannte Matching E-Mail, www.ethz.ch/lunch-lottery → life 1 / 2021 11
EINBLICK Wie steht es um die finanzielle Zukunft der ETH? Die Schulleitung hat bekannt gegeben, dass die ETH ihr Wachstum in den nächsten Jahren verlangsamen muss. «life» beantwortet die wichtigsten Fragen zur finanziellen Entwicklung unserer Hochschule. Anzahl Professuren 600 07 500 20 ab 400 300 1 97 –1 200 60 19 Die ETH erlebte 100 seit ihrer Gründung zwei ausgeprägte 0 Wachstumsphasen 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 bei den Professuren. Text Redaktion Grafiken Josef Kuster und Personal zur Verfügung. Ein steigender Personalbestand zieht aber auch Investitionsbedarf bei der Infrastruktur (Räume, Warum muss die ETH ihr Wachstum bremsen? Geräte usw.) und einen Anstieg der laufenden Ausgaben nach In den letzten Jahren ist die ETH sehr stark gewachsen. Die sich. Drittmittel werden dafür in weit geringerem Umfang zur Departemente und die Schulleitung haben neue strategische Verfügung gestellt. Forschungsfelder erschlossen, um den Forderungen seitens der Politik und Gesellschaft sowie der wachsenden Anzahl Hätte die Schulleitung die bevorstehenden Budget- Studierender gerecht zu werden. Gleichzeitig ist der Finanzie- mitteldefizite nicht kommen sehen müssen? rungsbeitrag des Bundes in den letzten vier Jahren nicht wie Die Schulleitung hat selbstkritisch eingeräumt, dass sie an- erwartet um 2 bis 2,5 Prozent pro Jahr gewachsen. Weil unsere gesichts des überproportionalen Mehrbedarfs bei den Bud- Hochschule zu mehr als 70 Prozent aus Bundesmitteln finan- getmitteln 2020 bis 2024 und der veränderten Finanzierungs- ziert wird und der Bund wegen der Corona-Pandemie grosse situation allenfalls noch früher hätte eingreifen können. Das Defizite macht, blicken wir herausfordernden Zeiten entgegen Resultat wäre aber dasselbe gewesen: Die ETH muss das und müssen unser Wachstum daher bremsen. Wachstumstempo drosseln und deshalb die geplanten Vor- haben (re-)priorisieren. Warum wird das sinkende Bundesbudget nicht über mehr Drittmittel ausgeglichen? Wie wird das Wachstum nun gebremst? Die zur Verfügung stehenden Drittmittel der ETH sind in den Zum einen wird das Budget im Bereich der Bauprojektausgaben letzten Jahren dank grosser Anstrengungen stark gestiegen. auf ein nachhaltig finanzierbares Niveau von 180 bis 200 Mio. Die meisten Drittmittel stehen für kreative Forschungsideen Franken pro Jahr reduziert. Dafür wurde unter anderem das 12 life 1 / 2021
Projekt zur Sanierung und Erweiterung des MM-Gebäudes und wirtschaftlich herausfordernden Zeiten nachhaltig finanzierbar der Polyterrasse gestoppt. Da derzeit gleich vier Immobilien- bleiben. Das gleiche gilt auch für die zentralen Schulleitungsbe- grossprojekte kurz vor ihrer Vollendung stehen, sind trotz reiche, Stäbe, Abteilungen und Technologieplattformen. Auch dieses Verzichts die Mittel von 2021 bis 2024 für kleinere und diese waren bereits im letzten Sommer dazu angehalten, ihre mittlere Projekte äusserst begrenzt. Für 2021 hat die Schul- Bedarfsplanung zu revidieren und für die kommenden Jahre leitung daher ein einmaliges Zusatzbudget von 25 Mio. Franken um rund 20 Mio. Franken pro Jahr nach unten anzupassen. und weitere Zusatzmittel in der Höhe von über 8 Mio. Franken für die Immobilien gesprochen. Zudem haben sämtliche De- Gibt es einen Einstellungsstopp oder kommt es partemente zugestimmt, einen ersten Solidaritätsbeitrag von gar zu einem Stellenabbau? insgesamt 15 Mio. Franken für das laufende Jahr zu leisten. Nein, es gibt zurzeit weder einen Einstellungsstopp noch einen Für jedes Departement bedeutet dies eine Verschiebung von Stellenabbau. Reserven in der Höhe von 2,27 Prozent des jeweiligen Grund- auftragsbudgets. Zusätzlich sind alle Departemente auch in Ist die ETH mit dieser «Sparübung» international den kommenden drei Jahren aufgefordert, gemeinsam weitere noch konkurrenzfähig? 15 Mio. Franken pro Jahr beizutragen, um geplante, ETH-weite Die ETH Zürich ist finanziell nach wie vor gesund aufgestellt Infrastrukturprojekte in den Bereichen Lehre und Forschung und verfügt über eine solide Eigenkapitalbasis. Und auch im zu finanzieren. internationalen Vergleich steht die ETH Zürich sehr komfortabel Ausserdem hat die Schulleitung die Departemente bereits da. Da unsere Hochschule zu 70 Prozent aus Mitteln des Bundes im vergangenen Herbst aufgefordert, die Planung ihrer zukünf- finanziert ist, muss sie im Gegensatz zu vielen ausländischen tigen, zusätzlich beantragten Professuren zu überprüfen und Hochschulen nicht auf Bestehendes verzichten. Die Abstriche zu priorisieren. Mit dieser Massnahme möchte die Schulleitung werden in erster Linie bei der Wachstumsplanung – also auf das langfristige Wachstum dämpfen und sicherstellen, dass den Wunschzetteln – gemacht. die Professuren und die dafür benötigte Infrastruktur auch in www.ethz.ch/finanz-entwicklung → Der Budgetmittelbedarf der ETH Zürich gemäss revidierter Bedarfsplanung und Budgetmitteleinnahmen Millionen Franken Vergangenheit Zukunft 1 600 1 500 1 400 1 300 1 200 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 Budgetmittelbedarf gemäss revidierter Bedarfsplanung (MFP) Budgetmittelüberschüsse geplante Budgetmittelüberschüsse Budgetmitteleinnahmen beantragte Budgetmitteleinnahmen gem. Budgetantrag 2022–2025 Budgetmitteldefizite erwartete Budgetmitteldefizite life 1 / 2021 13
PORTRÄT Mark Buschor, Leiter ID Service Desk Techniker im Herzen Text Karin Köchle Foto Florian Bachmann Der Zürcher schloss seine Lehre als Informatiker bei der UBS ab, wollte dann aber weg vom Bankenumfeld und «Wir haben gelitten», erinnert sich Mark Buschor an den absolvierte die Unteroffiziersschule bei der Schweizer März 2020. Er ist seit neun Jahren Leiter des ID Service Armee. Bereits mit 21 Jahren trat er seine erste Stelle beim Desk, der Anlaufstelle für sämtliche Anfragen rund um die ID Service Desk der ETH an. Als Ausgleich zu seinem Job IT. Letztes Jahr haben sich diese gegenüber dem Vorjahr verbringt er viel Zeit draussen: im Winter beim Snowboarden, fast verdoppelt. Es galt aber nicht nur unzählige Fragen zu im Sommer beim Wandern. Und mit Kim, dem Hund seiner beantworten – der Service Desk hat auch das Umstellen auf Freundin. Mit dem Border-Collie-Mischling geht er regel- Fernunterricht ermöglicht und Tausende Mitarbeitende im mässig zum «Hoop Agility»-Training, bei dem er die Hündin Homeoffice unterstützt. allein durch seine Haltung und seine Stimme durch einen Neben seiner Funktion als Leiter eines sechsköpfigen Hindernisparcours führt. «Ohne die beiden hätte mir das Teams betreut Buschor auch das Ticketsystem für die Infor- letzte Jahr bestimmt mehr zugesetzt», meint der 35-Jährige. matikdienste, den Chatbot oder die neue Wissensdatenbank, Könnte er sich dereinst auch eine andere berufliche die alle Anleitungen rund um die IT Services umfassen wird. Tätigkeit vorstellen, vielleicht sogar in der Natur? «Im Das Führen eines Teams von zu Hause aus sei schon eine Moment nicht», sagt Buschor bestimmt. «Ich kann so viel Herausforderung und setze viel Vertrauen voraus. Er habe bewirken und Neues lernen an der ETH. Ich habe zwar aber gelernt, stärker auf den Output seiner Leute zu fokus- auch eine Leidenschaft für Management in mir entdeckt, sieren und weniger auf deren Arbeitszeiten. aber ich bleibe wohl immer ein Techniker im Herzen.» 14 life 1 / 2021
FORUM Brauchen wir eine Du-Kultur an der ETH? Illustrationen: Kornel Stadler Pro Kontra Christine Bratrich Robert Schikowski Leiterin Sustainability Mitarbeiter Grants Office im Stab Präsident im Stab Forschung Wir brauchen Begegnungen auf Augenhöhe – gerade an einer «I strongly suggest that you …»: Wenn ich das während meines Hochschule! Sie sind das Elixier, um kreative Ideen zu entwickeln Postdoktorats von meinem Chef hörte, wusste ich gleich, dass und neue Denkansätze zu wagen. Dazu müssen wir uns von «Du Widerworte schwierig würden. Dabei handelte es sich doch zu Du» offen und wertfrei austauschen. Wir alle. Studierende, scheinbar nur um einen Vorschlag von einem Du zum andern Lehrende und Mitarbeitende. Nur so schöpfen wir das volle (oder vielmehr von einem Sie zum anderen, denn das englische Potenzial unserer Hochschule aus. Die ETH Woche berührt mich «you» war ursprünglich ein höflicher Plural). in diesem Zusammenhang immer wieder: Sie schafft eine bar- Was man an diesem Beispiel schön sieht: Sprache kann rierefreie Umgebung, in der Lernen und Lehren auf Augenhöhe Dinge verschleiern. Sie kann Befehle wie Empfehlungen oder möglich sind – ganz egal, ob Sarah Springman, Claude Nicollier eben Vorgesetzte wie Gleichgestellte und Fremde wie Freunde oder eine Studentin ihre Ideen teilen. Eine Sie-Kultur zementiert aussehen lassen. Als Linguist wäre ich der Letzte, der abstritte, Hierarchien und behindert innovative Prozesse. Die ETH wird dass Sprache die Wirklichkeit auch formen kann – man muss kreativer, wenn wir vom Sie zum Du gelangen. nur von Fall zu Fall sehen, wie sehr. Wenn man beispielsweise Daneben würde auch unsere Führungskultur profitieren. glaubt, mit Sprache Hierarchien abschaffen zu können, wird Menschen mit natürlicher Autorität überzeugen uns. Wir man wahrscheinlich enttäuscht. brauchen kein Sie, um unsere Teams erfolgreich zu führen. Damit will ich nicht sagen, dass Hierarchien und ähnliche Unsere Mitarbeitenden und Studierenden gewinnen wir mit unzeitgemässe Ideen wie Förmlichkeit und Distanz unabänderlich Kompetenz und Vertrauen. Als Vorgesetzte können wir uns sind. Ich glaube aber, dass eine Sprachregelung in Form einer im Sie leicht hinter der institutionellen Macht verstecken. Im verordneten Du-Kultur nicht der richtige Ansatz ist, um sie zu Du sind wir verletzlicher und somit authentischer. In meinem ändern. Die ETH ist eine komplexe Organisation mit mittlerweile ersten Job nach dem Studium erlebte ich einen Chef, der von über 33 000 Angehörigen. In einem solchen Mikrokosmos ist niemandem mehr kritisiert wurde – selbst, wenn er offen- Platz für verschiedenste soziale Beziehungen. Weisungsbefugnis sichtliche Fehler beging. Offene und ehrliche Kritik fällt umso und Anonymität sind darin ebenso eine Realität wie kollegiale schwerer, je eindrücklicher der Titel ist. Im Du sind wir für Kritik Diskussionen und Mitsprache über Hierarchien hinweg. Wo und zugänglicher – das mag schmerzlicher sein, aber wertvoller. wie sich das Du ausbreitet, soll nicht zentral entschieden werden, Last but not least: Respekt und Wertschätzung gebührt sondern von vielen Einzelpersonen in ihren Netzwerken, denn jeder Person. Unabhängig von deren Alter, Ausbildung oder jede und jeder weiss selbst am besten, ob Du das angemessene Herkunft. Unsere persönlichen Vornamen drücken diese Pronomen für die jeweilige Begegnung ist. Wertschätzung wesentlich besser aus als ein Sie, das Distanz Ich selber duze übrigens schnell, aber hier und da sieze ich demonstriert und die Ungleichheit einer Beziehung betont. lieber (Sie haben es sicher schon geahnt). Für mich ist das ein Wer, wem, wann das Du anbieten darf, ist Ausdruck einer Zeichen von Ehrlichkeit und Professionalität, aber auch ein Schutz anachronistischen Ungleichheit, die wir überwinden sollten. vor zu viel Nähe. Ausserdem ist es ein gutes Mittel, um eine Gerade wenn der Forschungs- und Lehrbetrieb reibungslos Person und ihre Rolle besser trennen zu können, besonders auch verläuft, geht oft vergessen, dass dieser Betrieb nur durch in unangenehmen Situationen. Kritik auszusprechen und nicht die vielen Menschen im Hintergrund möglich ist. Menschen, persönlich zu nehmen, fällt mir in einer Sie-Beziehung leichter. die im Heizkraftwerk oder in unseren Werkstätten arbeiten, Ich verbinde mit dem Sie aber auch angenehme Erinnerun- in der Logistik oder der Informatik. Der Erfolg der ETH hängt gen, zum Beispiel an eine frühere Chefin, mit der es erst nach von uns allen ab. Nennen wir diesen Erfolg beim Namen und einem Jahr zum Duzis kam. Mein Verhältnis zu ihr war immer zeigen unsere Wertschätzung. Begegnen wir uns mit unseren ausgezeichnet – aber Vertrauen und Kollegialität brauchen Vornamen und stärken damit unser Wir-Gefühl! ihre Zeit, und manchmal eben auch der Übergang zum Du. Was halten Sie von einer Du-Kultur an der ETH? Diskutieren Sie mit auf Intern aktuell: www.ethz.ch/du-kultur → life 1 / 2021 15
ZUM SCHLUSS #moveETH bewegt Im vergangenen Spätherbst kam das Coronavirus mit voller Wucht zurück. Das graue Wetter und die kurzen Tage machten die Situation noch unerträglicher. Weil sich Rektorin Sarah Springman um die psy- chische Gesundheit der ETH-Angehörigen sorgte, stiess sie zusammen mit dem ASVZ die Bewegungskampagne #moveETH an. Auf den sozialen Medien sollen sich ETH-Angehörige gegenseitig mit diesem Hashtag zu sportlichen Aktivitäten animieren, denn Sport steigert nicht nur das physische, sondern auch das psychische Wohlbefinden. Seit dem Start am 14. Dezember 2020 sind bereits über 250 Posts entstanden. www.ethz.ch/move-eth →
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