Was für ein theater! ein Modeheft mit den Münchner Kammerspielen - Nummer 8 | 22. Februar 2019 - Süddeutsche

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Was für ein theater! ein Modeheft mit den Münchner Kammerspielen - Nummer 8 | 22. Februar 2019 - Süddeutsche
Nummer 8 | 22. Februar 2019

                                  was
                               für ein
                              theater!
                                    Ein Modeheft
                               mit den Münchner
                                 Kammerspielen
Was für ein theater! ein Modeheft mit den Münchner Kammerspielen - Nummer 8 | 22. Februar 2019 - Süddeutsche
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I n h a lt                                                          Nr. 8                                                 2 2 . F e b rua r 20 1 9

                                                                                                                                                                                                                                              Ein Modeheft mit den Münchner Kammerspielen,
Cover Gro Swantje Kohlhof: Kleid von Loewe, Kopfschmuck aus dem Stück Die Selbstmord-Schwestern; Cover Martina Taube-Jedryas: Blazer von Miu Miu, Bluse von Sacai, Handschuhe von Thomasine, Hut aus dem Stück Sicherheitskonferenz;
Cover Wiebke Puls: Kleid von Valentino, Schuhe von Miu Miu, Kopfschmuck aus dem Stück Der Sturm; Cover Matthias Lilienthal: Sakko von Dressler über Lodenfrey, Strümpfe von Gucci, Kopfschmuck aus dem Stück Nichts von euch auf Erden;

                                                                                                                                                                                                                                          einem der wichtigsten Theater Deutschlands – diese Idee
                                                                                                                                                                                                                                                               ­geis­terte eine ganze Weile durch unsere Köpfe.
                                                                                                                                                                                                                                                            Was genau daraus werden könnte, wussten wir
                                                                                                                                                                                                                                                               anfangs nicht. Aber oft ist das ja
                                                                                                                                                                                                                                                           gut: kein Reißbrett, sondern
                                                                                                                                                                                                                                                                Freiheit. Daraus ist ein Heft
                                                                                                                                                                                                                                          entstanden, in dem nicht nur Schauspielerinnen
                                                                                                                                                                                                                                               und Schauspieler die Mode der Saison
                                                                                                                                                                                                                                            präsentieren, sondern auch Bühnentechniker,
                                                                                                                                                                                                                                                  eine Inspizientin, ein Tapezierer, eine
                                                                                                                                                                                                                                                                    Schreinerin, der Intendant …
Hase: Top und Hose von Gucci, Schuhe von Ami, Hasenkopf aus dem Stück Camino Real

                                                                                                                                                                                                                                                            Diese 48 Models erklären zudem,
                                                                                                                                                                                                                                                                    was Mode ihnen persönlich bedeutet.
                                                                                                                                                                                                                                                           Das Heft ­erscheint mit vier ­verschiedenen
                                                                                                                                                                                                                                                                         Titel­bildern. Viel Vergnügen!
                                                                                                                                                                                                                                               14 Sagen Sie jetzt nichts 16 Gute Frage, Gefühlte Wahrheit, Gemischtes Doppel, Die drei großen Lügen 82 Kosmos 84 Das Kochquartett
                                                                                                                                                                                                                                                        86 Getränkemarkt 88 Hotel Europa, Gewinnen, Impressum 89 Das Kreuz mit den Worten 90 Das Beste aus aller Welt

                                                                                                                                                                                                                                          Titelfotos: Maria Ziegelböck; Styling: Samira Fricke                                           Süddeutsche Zeitung Magazin                      11
Contribut0rs

                                                                                                     Maria Ziegelböck,                                                                 Martin FengEl,
                                                                                                          Fotografin                                                                      Fotograf
                                                                                     Die Österreicherin hat einen eigenen Sinn für Humor, der                  Der in München lebende Künstler ist für Fotos bekannt,
                                                                                      sich in ihren Modeaufnahmen spiegelt. Sie fotografiert                        die im Alltäglichen das Besondere entdecken.
                                                                                     für internationale Zeitschriften wie 10 Magazine, Numéro,                  Von ihm stammen die Still-Life-­Bilder der Accessoires
                                                                                      032c und Interview und ist Professorin für Fotografie an                        in diesem Heft, die er in den Räumen der
                                                                                          der Universität für Angewandte Kunst in Wien.                                   Kammerspiele in Szene gesetzt hat.

                                                                                                                                         a u f s z- m a g a z i n . d e

                                                                                             Guli, guli, guli, guli,
                                                                                             guli ram sam sam
                                                                                     Viele Eltern finden Kinderlieder eher … schwierig.
                                                                                         So ging es auch unserer Autorin – bis ihr
                                                                                      klar wurde, wie viel gemeinsames Liedgut dazu
                                                                                       beiträgt, die Verbindung zwischen Eltern und
                                                                                     Kindern zu stärken. Selbst wenn sich der Sinn der
                                                                                         Worte, siehe oben, manchmal nicht ohne
                                                                                     Weiteres erschließt. sz-magazin.de/kinderlieder

                                                                                                                                                                                         Vorgeknöpft
Fotos: Thomas Dashuber (1), Getty Images (1), Swatch (1); Illustration: QuickHoney

                                                                                                                                                                    Auch auf unserer Website hat die Mode-Berichterstattung
                                                                                                                                                                        ihren Platz. Jede Woche schreiben Maria Hunstig
                                                                                                                                                                      und Silke Wichert in der Modekolumne »Vorgeknöpft«
                                                                                                                                                                    über Trends, die oft skurrile Kleiderwahl von Prominenten
                                                                                                                                                                        und andere Modephänomene – wie das malende
                                                                                                                                                                    Schwein namens »Pigcasso« (siehe oben), das kürzlich die
                                                                                                                                                                     Kollektion eines Schweizer Uhrenherstellers gestaltete:
                                                                                                                                                                                 sz-magazin.de/vorgeknoepft

                                                                                                                             z e ic h e n d e r z e i t • Emojis für Erwachsene (74)

                                                                                                                            Sorry, falsches Emoji geschickt, weil dicker Finger.

                                                                                                                                                                                       Süddeutsche Zeitung Magazin              13
SAG E N S I E J E T Z T N I C H TS

                             Schorsch Kamerun
              GE B O R E N 29. Mai 1963 in Timmendorfer Strand (als Thomas Sehl)
                            B E RU F Musiker, Autor, Regisseur, Clubbetreiber
              AUS B I L DU N G Lehre zum Kfz-Mechaniker STATUS Schorsch Clooney

                                                                                   Fotos: Axel Martens

                                   Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

14   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Als Schorsch Kamerun mal zu deutschem Hip-Hop – ge-                 Regisseur am Theater. »Ich bin wahrscheinlich der einzige
 nauer: zu Bushido und Sido – befragt wurde, antwortete er:          Regisseur, der am Stadttheater arbeitet und nicht mal einen
 »Wenn ich nur meinen Schwanz raushole, stört das die Leu-           Hauptschulabschluss hat«, sagte er mal. Schorsch Kamerun
 te, ist aber noch keine Gegenkultur.« Deswegen holt er seit         ist Punk geblieben und auf eine so unvernünftige Weise
 Jahrzehnten alles andere raus, seine Wut, seine Kreativität,        bürgerlich geworden, dass er nie Gefahr lief, seine Ideale zu
 seinen Idealismus und seine Überzeugung, dass die Welt              verraten. Stattdessen hat er sich immer Nischen gesucht, in
 gerechter und freier, aber auch lässiger und verspielter sein       denen er integer und kritisch bleiben konnte und auch noch
 könnte, als sie ist. Man müsse schon Alternativen anbieten,         dafür bezahlt wurde. Das neue Album der Goldenen Zitro-
 um subversiv zu sein, findet er, und das hat er gemacht: mit        nen, More Than A Feeling, ist gerade erschienen, am 20. Juni
 seiner Band Die Goldenen Zitronen, mit dem berühmten                feiert sein Musiktheater-Projekt ­Das Bauhaus – Ein rettendes
 »Golden Pudel Club« auf St. Pauli sowie als Autor und               Requiem Premiere an der Berliner Volksbühne.

Welches Statussymbol reizt                    Wie tanzen Sie zu einem Lied von                  Wären Sie noch so fleißig, wenn es ein
     Sie trotz allem?                                 Helene Fischer?                          bedingungsloses Grundeinkommen gäbe?

Wie theatralisch sind Sie?                      Ganz ehrlich, schon mal einen                          Socken oder Kniestrümpfe?
                                                     Porsche zerkratzt?

                     Weitere Fragen und Bilder finden Sie in unserer App und ab 24. Februar auf sz.de/magazin/ssjn
G E F Ü H LT E WA H R H E I T                                             G U T E F R AG E

        WAS »FREUNDLICHE
      ERINNERUNG« BEDEUTET
                                               »Ein Freund von uns hing vor einiger Zeit psychisch sehr
                                               durch. Wir haben ihm geraten, Bilder zu malen. Das hat
                                               ihm tatsächlich geholfen. Jetzt hat er uns zum Dank eines
                                               dieser Bilder geschenkt. Zwei mal zwei Meter, unsagbar
                                               hässlich. Müssen wir es jetzt aufhängen?« L E NA S., F R E I B U RG

     Freundliche Erinnerung

     Letzte Warnung!

                                                                                                                                                Fotos: mauritius images / Fabrizio Malisan / Alamy; Walter Bibikow / AGE / F1online; Illustration: Serge Bloch; alle Autoren-Illustrationen: Grafilu
        DIE DREI GROSSEN LÜGEN

     DER POLITIKER-ANTWORTEN

                                               I
       1. »Darum geht es doch gar nicht.«
                                                     n Arztpraxen frage ich mich oft, was     und nun komme ich zu Ihrer Frage, da-
2. »Das ist aber nicht das, was die Menschen
                 interessiert.«                      es mit der Kunst an den Wänden auf       rin das Schaffen ihrer Patienten zu erken-
                                                     sich hat. Lustigerweise scheint dabei,   nen. D­ unkelgrüne Werke mit schwarzen
 3. »Dazu habe ich doch schon alles gesagt.«
                                               private Recherche, die Regel zu gelten:        und ­anthrazitfarbenen Sprenkeln, Sinn-
                                               Je hässlicher die Kunst, desto besser der      bilder einer am weit entfernten Horizont
                                               Arzt. Sind die Werke sehr geschmackvoll,       für den Bruchteil einer Sekunde aufge-
                                               ich denke da vor allem an eine ganz be-        schimmert gewesenen Hoffnung, die sie
                                               stimmte Allgemeinarztpraxis in einer           als Dank für die Behandlung vorbei-
           GEMISCHTES DOPPEL                   großen deutschen Stadt, in der alte Wer-       brachten und die sofort aufgehängt wur-
                  von
                                               beschilder den Wartebereich und die Be-        den, aus Angst, sie würden sich sonst doch
              PATRICK FISCHER
                                               handlungsräume schmücken, sollte man           noch was antun. Und so starren nun Ge-
                                               Vorsicht walten lassen, was allzu großes       nerationen neuer Patienten in Wartezim-
                                               Vertrauen in das Können des betreffenden       mern sitzend auf diese Gebilde und wer-
                                               Mediziners angeht. Vor einem unglaub-          den darüber selbst ganz bucklig und gram.
                                               lich schönen Email-Schild einer tennis-        Diese Ärzte haben Mitgefühl bewiesen,
                                               spielenden Vierzigerjahre-Schönheit mit        und exakt diese Fähigkeit macht sie ver-
                                               perfekt ondulierten blonden Wellen, die        mutlich zu den Meistern ihres Fachs, die
                                               gerade anmutig aus einer Flasche Coca-         sie sind. Aber zwei mal zwei Meter, sagen
                                               Cola trinkt, teilte mir einmal ein weiß        Sie? Die Antwort ist: Nein.
                                               gekleideter Mensch nach Messen meines
                                               Pulses mit, ich hätte leider einen Großteil
     Hut im Gang              Gut im Hang      meiner Lebensenergie bereits v­ erbraucht.
                                               Tja. Was tun mit dieser Information? Min-
                                               destens dreißig dieser Schilder hatte er in
                                               seiner Praxis, die Dinger müssen ein Ver-                     JOHANNA ADORJÁN
      Weitere Gemischte Doppel finden Sie
     auf sz-magazin.de; um eigene Vorschläge
                                               mögen gekostet haben.
           einzureichen, schreiben Sie an      Gute Ärzte haben in der Regel eher depri-      Welches Problem treibt Sie um? Schreiben Sie an
        gemischtesdoppel@sz-magazin.de         mierende Kunst an der Wand. Ich meine,         gutefrage@sz-magazin.de

16         SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
MASKE
                                   und
                           MODE
18   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Text

      BARBARA VINKEN

Laufsteg und Theater
  sind Bühnen, die
   mehr über das
Menschsein erzählen,
   als man glaubt.
      Ein Essay
                       SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   19
M
                              ode und Theater vereint, dass         Ballets Russes, für die Picasso das B
                                                                                                        ­ ühnenbild und Chanel
                              die Bretter für beide die Welt        die Kostüme beisteuerten. Beide, der Kubismus Picassos
                              bedeuten. Der Laufsteg, die Büh-      und die neue Mode Chanels, zerlegen die Silhouette. Die
                              nenbretter. Auf beiden geht es        Choreografie nahm den idealen Körper des Balletts und
                              nicht um die Darstellung von          seine klassischen Posen gründlich auseinander.
                              Geschichten, die das Leben               Andererseits wurde im Theater auch die Sprache kör-
                              schreibt, sondern um die Gegen-       perlicher. Die Materialität des Sprechens tritt in Verspre-
                              wärtigkeit von Körpern. Was           chern in den Vordergrund: Verhaspeln, Lallen, Reden in
                              Theater und Mode verbindet, ist       fremden Zungen, Schreien, Klagen. Im Theater gibt es
                              gerade nicht das Spektakuläre,        auch die Sprache, die sich in ihrer Klanglichkeit dem
                              das große Theater, der Klamauk,       Verstehen, dem Logos entzieht und auf sich selbst als
      den man dem Theater immer zugestanden hat, der aber           Lautgebilde verweist.
     seit Jahrzehnten auch die Modenschauen bestimmt: Zau-                                        •
     bergärten, das Moulin Rouge, der Eiffelturm werden             All das repräsentieren Körper: lebendig auf dem Lauf-
     nachgestellt, oder man begibt sich wie bei Dior gleich auf     steg, lebendig auf der Bühne, in Fleisch und Blut wirklich
     die Bühne aller Bühnen, nach Versailles. Nein, was inte-       anwesend, im Hier und Jetzt. Die Oper, die M   ­ odenschau,
     ressante Mode und gutes Theater verbindet, ist die Arbeit      das Theater gehören zu den wenigen ­Räumen, in denen
     an der Normierung und Zurichtung der Körper.                   man sich nicht via Bildschirm in andere, virtuelle Räume
                                  •                                 versetzen lässt, in denen alles, was passiert, jetzt und nur
     Mode macht Silhouetten und Körper, sie bewegt uns und          jetzt passiert. Auch wenn die ­Aufführung wiederholt
     prägt, wie wir uns bewegen. Auf der Bühne, auf dem             wird, ist sie nie ganz gleich. Nicht nur gehen da Leute
     Laufsteg kommen immer wieder neue Typen von Frau,              über den Laufsteg, stehen da Leute auf der Bühne. Im
     von Mann, von Kindfrau, von Mannfrau, Fraumann,                Theater wie in der Modenschau teilen Zuschauer und
     ­Vogelfrau, Manntier zur Aufführung, die sich anschlie-        Darsteller Raum und Zeit im A     ­ ugenblick, in Echtzeit.
      ßend wie ein Lauffeuer um die Welt verbreiten. Die Sen-       Das macht Mode und Theater zum Ereignis.
      sation Anfang des 20. Jahrhunderts war in der Mode

                                                                       Anders als das Kino ist
      Chanels die knabenhafte Garçonne und im Theater die
      Exzentrik einer Sarah Bernhardt, der subtile Realismus
      einer Eleonora Duse, im Tanz die Frivolität Josephine
      Bakers. Später, nach dem Zweiten Weltkrieg, verwandel-

                                                                       das THEATER kein
      te Diors verschwenderischer »New Look« die Frauen in
      florale Gebilde. Martin Margiela schickte Ende der
      Neunzigerjahre Körper über den Laufsteg, deren Gren-

                                                                       abgeschlossener RAUM
      zen nicht natürlich, sondern menschengemacht waren.
      Comme des Garçons zerbrach die Norm des ganzen har-
      monischen, ebenmäßigen, symmetrischen Körpers und
      verwandelte uns, wie böse gesagt wurde, in hinkende
      Glöckner von Notre-Dame. Bei Jean Paul Gaultier wie-
      derum wird der auf Idealnorm gebrachte weibliche Kör-
      per mit schmaler Taille und hohem Busen dem Kleid von         Mitgerissen, abgestoßen, berührt werden die Zuschauer
      außen eingetragen. Frauen müssen dieses Ideal der Weib-       von dem, was sie mit eigenen Augen sehen, mit eigenen
      lichkeit dann nicht mehr verkörpern, sondern können es        Ohren hören und manchmal auch, angerührt oder an-
      als Fremdkörper, ironisch, mitführen.                         geekelt, riechen. Beim Sehen sehen wir uns ­gegenseitig.
                                  •                                 Im Theater, auf dem Laufsteg, geht es um geteilte Augen-
      Auf dem Laufsteg, auf der Bühne sehen wir wie in einem        zeugenschaft, Sehen und Gesehenwerden. Aber durchaus
      Spiegel, dass unsere Körper kein natürlich Gegebenes,         auch um Tuchfühlung, auf und vor der Bühne. Anders
      sondern ein kunstvoll künstlich Gemachtes sind, ein           als das Kino ist das Theater kein abgeschlossener Raum,
      Ergebnis des Lernens, des Nachahmens, der Disziplinie-        in dem man in der Anonymität des Dunkels versinkt. Im
      rung: Haltung oder Ausstrahlung haben, bella figura           Kino ist man allein und auf der Leinwand auch nur
      machen. Mode und Theater führen neue, spektakuläre,           scheinbar jemand. Der Theaterraum hingegen – und die
      aber auch entstellte Körper vor, Zwitter, die zwischen        Salons und Hallen, in der die ­Modenschauen stattfinden
      Stoff und Haut, Tier und Mensch, Engel oder Mensch,           – war früher noch viel stärker als heute ein gesellschaft-
      Mann und Frau liegen und unter die Haut gehen.                licher Raum. Man bewunderte die Schöne der Saison
                                  •                                 in ihrer Loge, man wusste genau, wer wen besuchte,
      Im Theater wird der Körper, der spricht, mehr und mehr        machte mit einer weißen ­Kamelie eine heimliche Liebes-
      von dem Körper, der durch Gesten spricht, durch den be-       erklärung. Längst nicht alle Dramen und Intrigen finden
      wegten Körper, in den Hintergrund gedrängt. Die Schlüssel­-   auf der Bühne statt und auch nicht dahinter. Die Beset-
      szene für die Verwandlung des Theaters vom Sprechtheater      zung der ersten Reihe der Modenschau ist mindestens so
      in ein Körpertheater war wiederum ein Tanztheater, die        wichtig wie die Auswahl der M ­ odels.

20   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Umgekehrt wird auf beiden, auf dem Laufsteg und im             gespielt. Rousseau, der in Theater und Mode den Anfang
     Theater, die Welt als Bühne, als Theater und Modenschau        vom Untergang des Abendlandes sah, meinte, das Thea-
     entblößt. Allegorie des Theaters ist die Maske, und der, der   ter mache aus Bürgern, bereit, ihr Blut für die Sache aller
     sie trägt, weist mit dem Finger darauf: Er ist maskiert. Das   einzusetzen, in blinder Leidenschaft gegeneinander um
     Theatralische, Spektakuläre, das Bühne und Laufsteg tei-       die Gunst der Frau buhlende, rasende Männer. Die Mode
     len, bringt die Selbstinszenierung ans Licht, die das Leben    verwandele das Abendland vollends in einen Harem,
     ausmacht. Nicht die Bühne b      ­ ildet die Welt ab, schon    ­regiert von Frauen, die sich die von ihren Leidenschaften
     die Welt ist Bühne. Laufsteg und Bühne öffnen in ihren          verweichlichten Männer als Sexspielzeuge hielten. Män-
     Inszenierungen die Augen für das kunstvolle Gemacht-            ner seien keine Männer mehr, Frauen keine Frauen. Zola
     sein unserer Identität. Sie weisen mit dem Finger auf die       erklärte das Theater kurzerhand zu einem Bordell, in der
     Gesellschaft als eine t­ agtägliche Maskerade. T­ heater und    alle nur das eine wollten: die Zuckerpuppe auf der Büh-
     Mode treffen sich im Auftritt, coram publico,­vor aller         ne vernaschen. Die Frau, die sich öffentlich macht, wird
     Augen. Städte sind immer Bühnen gewesen, auf denen wir          zur öffentlichen Frau. Die Schauspielerin, und umso
     ­auftreten, eine Rolle spielen, Masken tragen. Und das          mehr die Balletttänzerin und das Mannequin – tatsäch-
      nicht nur im Karneval, sondern alltäglich. Beherrscht wird     lich ja leichte, federleichte Mädchen – fischten im Pub-
      die ­Straße wie die Bühne und der Laufsteg, Aug’ in Aug’,      likum nach Kunden.
      von Blickordnungen: Wer sieht wen? Wie kann man es                                           •
      wagen, sich den Blicken der ­anderen aus­zusetzen?             Auf der Bühne wie auf dem Laufsteg geht es um die Ver-
                                    •                                körperung von Norm und Ideal, dem Ideal des richtigen
      Die Reduzierung der Welt als Bühne, die Prägung ­unserer       Auftritts, des richtigen Körpers, der richtigen Sprache.
      Identität auf ihr wie in der Mode, hat man dem Theater         Niemand kommt als vollkommener Mensch auf die
      oft übel genommen. Wie, alles nur Theater? Wo bleibt da        Welt. Dass das authentische Ich nicht angeboren ist, war
                                                                     schon eine von Goethes besten Pointen. Daher ist das
                                                                     Theater im wahrsten Sinne des Wortes eine Bildungs­

 FRAUEN waren auf der
                                                                     anstalt, denn theatralisch, spielend, schöpft der Mensch
                                                                     sich selbst, im Modus von Maske und Mode.
                                                                                                   •
                                                                     Es stimmt, es geht weder im Theater noch in der Mode

         Bühne immer ein
                                                                     um Befreiung, nicht darum, dass »erlaubt ist, was ge-
                                                                     fällt«. Wohl aber um Eigenart, um das Aparte. Kunst
                                                                     kommt von Können, und um Regeln zu brechen, muss

 Stein des ANSTOSSES
                                                                     man sie beherrschen. Auf dem Theater, auf dem Laufsteg
                                                                     blicken wir unseren Normierungen, Geschlechterrollen,
                                                                     unseren mehr oder weniger gelungenen, aber oft ja auch
                                                                     lustvollen Zurichtungen ins Auge. Sie zu erkennen heißt,
                                                                     sie verrücken zu können. Nicht, dass hinter der Maske
                                                                     eine wahre Identität, hinter der Verkleidung ein tatsäch-
     Raum für Authentizität? Alles Performance und kein Sein?        liches Sein, hinter der Verfremdung ein unverstelltes Ich
     Nichts als Oberflächlichkeit? Theater- wie Modegegner –         zum Vorschein käme. Aber im Verfehlen der Normen,
     oft dieselben – werfen dem Theater und der Mode vor, das        das ab und an grotesk hässlich sein kann und allen
     Leben in einen Jahrmarkt der Eitelkeiten zu verwandeln,         Schönheitsidealen ins Gesicht schlägt, entsteht eine neue,
     wo jeder nur danach giert, als Selbstdarsteller – Inbegriff     eigen­artige, sublimierte Schönheit, die Mode und Thea-
     des Inauthentischen – dem andern ins Auge zu stechen. In       ter verbindet. Darin sind sie nicht nur faszinierend, son-
     Giacomo Leopardis berühmten ­Dialog zwischen Madame             dern auf eine eigene, unnachahmliche Art auch barm-
     la Mode und Madame la Mort (1835) wird auf der Bühne            herzig gegenüber unserer Unvollkommenheit.
     der Welt immer nur das eine barocke Theaterstück vom
     Tod und dem Mädchen aufgeführt. Durch lächerliche
     Eitelkeit würden die jungen Frauen geraden Wegs, unter-
     kühlt und eingeschnürt stöckelnd, grotesk verkleidet, in
     die Arme des Todes getrieben. Heute hört sich diese Kritik
     an der E ­ itelkeit des Modetheaters so an: Verunstaltet zum                      BARBARA VINKEN
     ­Kleiderständer, nur noch Haut und Knochen, würden die
      Models in fatale Essstörungen katapultiert. Allen ­werde      ist Professorin für Französische Literaturwissenschaft sowie All­
      die rassistische wie sexistische Norm der überschlanken       gemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ludwig-
      Blonden aufgezwungen. Ausnahmen wie die Vernarrtheit          Maximilians-Universität in München. Einem breiteren Publikum
                                                                    wurde sie bekannt mit Büchern wie Angezogen. Das Geheimnis der
      in asiatische Modelle bestätigten nur die Regel.
                                                                    Mode (2013) und Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines M
                                                                                                                                  ­ ythos
                                    •                               (2007). Vinken wurde 2018 mit dem Verdienstorden der Bundes­
      Frauen waren auf der Bühne immer ein Stein des An-            republik Deutschland ausgezeichnet und geht eigenen A      ­ ngaben
      stoßes. Bei Shakespeare wurden sie nur von Männern            zufolge mindestens dreimal pro Monat ins Theater.

22   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Die
  wollen
 nurspielen
Die Mode der Saison,
vorgestellt von Verwandlungs-
künstlern: dem Personal
der Münchner Kammerspiele

Porträtfotografie                       Still-Life-Fotografie

MARIA ZIEGELBÖCK                        MARTIN FENGEL
Styling                                 Styling

SAMIRA FRICKE                           CAROLINE BUCHOLTZ
24        SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
GRO SWANTJE KOHLHOF, 24,
Schauspielerin
»Gro ist norwegisch, Swantje friesisch. Als
Kind ließ ich mich Swantje nennen, Gro
klingt ja wie ein Wort, das nicht fertig ist.
Mit elf, zwölf bin ich rumgelaufen wie eine
Farbexplosion. Neongrüne Schuhe, blaue
Latzhose, rot gefärbte Haare. Meine
Brüder, meine Mama, meine Oma, alle haben
von Natur aus rote Haare, nur ich nicht.
Dann wurden alle cooler, und ich bin auf
Schwarz umgestiegen. Nicht wirklich Gothic,­
aber ziemlich schwarz. Ich habe mir die
Haare braun gefärbt, war ganz blass, und
wurde Gro. Jetzt bin ich wieder blond,
meine echte Farbe, und immer noch Gro.«

Kleid von Loewe, Kopfschmuck aus dem Stück
»Die Selbstmord-Schwestern«.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN                 25
MARTHA ENGL, 31, Abendkasse
»Es gibt keinen Dresscode mehr. Jüngere Leute sind sehr modebewusst, kommen aber oft in Jeans, das ist
                                                                                                                Hemd und Pullover von
völlig in Ordnung. Mache ich auch: Jeans und T-Shirt, allerdings brauche ich ein Jackett drüber. Wir an der
                                                                                                                Prada, Rokoko-Perücke
Abend­kasse sind das Gesicht des Theaters, die Ersten, die gesehen werden. Unsere ä  ­ lteren Abonnenten sind   angefertigt von der
am elegantesten angezogen. Wir haben da viele schicke Damen im Kostüm und Herren mit Fliege zum Anzug.          Maskenabteilung für
Uschi Obermaier stand mal mit großem Hut vor mir an der Kasse. Sie und ihr Hut sahen umwerfend aus.«            das Stück »Der Spieler«.
MAJA BECKMANN, 42,
Schauspielerin
»Ich habe in Der erste fiese Typ
eine Frau gespielt, die sich ein
­System erschaffen hat, um
 im Leben zurechtzukommen.
 Zum Beispiel besitzt sie
 nur zwei Teller, sodass immer
 ­einer sauber und einer
  schmutzig ist. Ich tat mich
  schwer, in die Rolle zu finden,
  bis jemand aus der Regie
  meinte: Spiel doch deine
  Schuhe! Ich trug Clarks. Ich
  weiß, die sind ein Klassiker,
  aber ich finde sie hässlich
  und nichtssagend. Ich schaute
  also an mir runter, fühlte
  mich ein paar Sekunden ein –
  und auf einmal wusste ich,
  was zu tun war.«

Oberteil und Kleid von Kenzo, Strumpfhose
von Falke, Plateauschuhe von Gucci. Der
Ober­lippenbart ist eine Anfertigung der Masken­
abteilung der Münchner Kammerspiele.               SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   27
Blazer von Miu Miu,
                            Bluse von Sacai, Cowboy-
                                    hut aus dem Stück
                             ­» Sicherheitskonferenz«.

Clutch von Giorgio
Armani, angebracht an der
Tür zum Lastenaufzug.

                                                         MARTINA TAUBE-JEDRYAS, Künstlerische Betriebsdirektorin

»Mit zehn oder zwölf wünschte ich mir zu Weihnachten weiße, knie­­
  hohe Knautsch­lackstiefel, wie Twiggy sie trug. Es war mein e­ rster
    Wunsch, der mit Mode zu tun hatte. Statt der Stiefel, die toll zu
 Mini­röcken passten, bekam ich praktische, dunkle Stiefeletten von
      meiner Mutter. Ich habe nichts gesagt und sie brav getragen.«
                                                                           SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN       29
NILS KAHNWALD, 34,
                                   Schauspieler
                                   »Kostüme prägen
                                   ­Körper, Kleidung verän-
                                    dert auch das Innere.
                                    Wenn ich auf der Bühne
                                    das Richtige trage, muss
                                    ich beim Spielen nicht
                                    nur in mir selbst suchen,
                                    manches passiert fast
                                    von allein.«
                                   Sakko von Dries Van Noten, Tasche von
                                   Tod’s. Historisches Watteau aus dem
                                   Fundus der Münchner Kammerspiele.
                                   Netzteil auf dem Kopf von der Masken-
                                   abteilung der Münchner Kammerspiele.

30   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Shopper von
                                            Bottega Veneta,
                                                verziert mit
                                             Auf­k lebern des
                                            Ensembles. Das
                                          Schlauchkleid des
                                            Kostümbildners
                                        Klaus Bruns stammt
                                             aus dem Stück
                                          »Das schweigende
                                                 Mädchen«.
SYLVIA JANKA, 49,
Maskenbildnerin
»Ich bin in Leipzig in
der DDR groß gewor-
den. Außer dass ich
nicht r­ eisen konnte,
wohin ic­h wollte, nicht
sagen konnte, was
ich wollte, und nicht
studieren konnte, was
ich wollte, habe ich
schöne Erinnerungen.
Ich war eine M       ­ ischung
aus Popper und Waver
und habe mir Strass-
steine in die Netzunter-
hemden meines Vaters
genäht, dazu eine
Jeans aus dem Konsum-
Warenhaus. Nach der                     RAIMUND RICHAR-VETTER, 40, Maskenbildner
Wende war ich ziemlich »Bevor ich zu den Kammerspielen kam, war ich vier Jahre lang mit Udo Jürgens
überfordert von dem                     auf Tour gewesen, als sein persönlicher Maskenbildner. Ich konnte es mir
riesigen Warenangebot.« anfangs auch nicht vorstellen, aber man kommt locker auf einen Acht-Stunden-
                                        Tag. Die Räume inspizieren, Garderobe einrichten, Hemden aufbügeln,
                                        Make-up und Haare machen, ihn zum Soundcheck begleiten, persönliche Rund­
                                        umbetreuung, einpacken. In der Entourage hatten alle Anzüge an, meistens
                                        schwarze, es hieß immer, da kommen die Men in Black. Ich habe geschaut, dass
Linke Seite, links: Tüllkleid und
Ballerinas von Christian Dior, Strumpf-
                                        ich ordentlich angezogen bin, aber kein weißes Hemd und Krawatte, sondern
hose von Falke, Ringe privat.
Rechts: Hemd von Gucci, Hose von
                                        bunte Hemden und Fliege zum Cordsakko.«
Louis Vuitton, Plateaustiefel aus dem
Stück »1968 – Eine Besetzung der
Kammerspiele«, Brille privat.                                                  SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN       33
ANDREAS MERKL, 59,
Bühnentechniker
»Ich habe immer gern Röcke
getragen. Früher habe ich sie in
Damenabteilungen gekauft,
die saßen aber nie richtig, also
habe ich mir einen Herrenrock
aus schwarzem Leinen schnei-
dern lassen. Leider wurde ich
in München so oft dumm ange-
sprochen – der eine pfeift, der
andere denkt, man gehöre einer
Sekte an –, dass ich ihn kaum
noch anziehe. Es muss ja nicht
selbstverständlich sein, aber
auf einen Spießrutenlauf habe
ich auch keine Lust.«

Mantel, Hose und geblümter Rollkragen-
pullover von Prada, Strickpullover von
Ami, Clutch von Max Mara. Augenbrauen
und Oberlippenbart aus dem Fundus
der Maskenabteilung.
JELENA KULJIĆ, 42,
Musikerin und Schauspielerin
»In der Pubertät habe ich
nicht die klassischen Normen
erfüllt: Weder waren meine
Formen weiblich, noch wollte
ich Schuhe mit Absätzen
tragen oder mich sexy anzie-
hen, wie das junge Frauen
in unserer serbischen Stadt
­taten. Als ich dann eine
 Band hatte und in einem Ort
 an der serbisch-bosnischen
 Grenze auftrat, verkaufte
 mir ein Zöllner günstig Doc-
 Martens-Stiefel, die er be­­-
 schlag­nahmt hatte. Ich be­sitze
 sie immer noch – und drei
 weitere Paar Doc Martens.
 Sie sind meine absoluten Lieb-
 lingsschuhe.«
Tüllkleid und Schuhe von Erdem.

                                    SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   35
Slingback von Mulberry,
     mit hellblauem Sakko aus dem
               Stück »Doktor Alıcı«.

                                       Blumenring von Versace,
                                       fotografiert im Requisitenfundus.

36   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
MATTHIAS LILIENTHAL, 59,
Intendant
»Beim Gastspiel von Houelle­
becqs Unterwerfung quatschte
mich eine Münchner Dame
an: Was fällt Ihnen ein, so un­
gepflegt herumzulaufen?
Ich war verwirrt, fragte dann
aber sehr liebenswürdig:
Und wer hat I­ hnen erlaubt, so
gepflegt ­herumzulaufen?
Ich versuche, hier in meiner Ar­
beit eine identische Person
zu bleiben. So w­ enige Notlügen
wie möglich, auch wenn es
das für mich und das Theater
manchmal nicht leichter
macht. Das betrifft auch meine
Gesamt­er­scheinung. Es ist
nicht so, dass ich Mode nicht
sehen würde. Ich sehe die
Acne-Klamotten meiner Freun­
din. Aber ich habe auch ein
relativ gespaltenes Verhältnis
zu meinem Körper. Bis Mitte
der Zeit am ›Hebbel am Ufer‹ in
Berlin habe ich manchmal
Jacketts getragen, jetzt trage
ich sie nur, wenn ich politisch
unbedingt muss. Das ist schon
ein innerer Widerstand. Wenn
ich öfter Schläge ein­stecke,
­werde ich ja nicht weicher.«

Sakko von Dressler über Lodenfrey,
­Kapuzenjacke und Shirt privat,
 Strümpfe von Gucci, Huhn-Kopfschmuck
 aus dem Stück »Nichts von euch auf
 Erden«, Pumps aus » Ludwig II. – Die volle
 Wahrheit«.
38   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
HANS-BJÖRN ROTT­L ÄNDER,
WOLFGANG KLÖCKNER,
SAJAD HOSAYNI,
MICHAEL PARKER,
RUDOLF SAILER,
ANDREAS BÖHEIM,
PIT SCHULTHEISS,
THOMAS SPIEGLER
(Technikabteilung, von links)

PIT SCHULTHEISS, 66,
Beleuchtungsmeister
(Zweiter von rechts)
»Bei uns hinter der
­Bühne sollen alle dunkle
 Kleidung tragen,
 die Techniker, die
 Be­leuch­ter. Als stell­ver­
 tretender Abteil­ungs­­
 leiter dürfte ich
 ­inzwischen auch in
  Jeans und Hemd
  ­rumlaufen. Aber ich
   ­bleibe bei den Ar­beits­
    klamotten, ich fühle
    mich­darin wohl.
    ­Kleidung, die für eine
     bestimmte Arbeit
     steht, schafft ja auch
     ein bestimmtes
     Bewusstsein.«

Dunkelblaue Handtasche (zweite von rechts)
von Mulberry, alle anderen Taschen von Tod’s.
BARBARA SCHLEMER,

»Je verrückter,
Stellvertretende Leiterin Verwaltung, Personal, Organisation

desto lieber!«
Kleid von Anaïs Jourden, Sandalen von Kenzo.
Ohrring von Cartier, auf dem Abguss
eines Ohrs in der Maskenwerkstatt.

                                      SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   41
Baskenmütze von Emilio Pucci,
                                                           auf Lampen aus dem Stück »Der Vater«.

Tasche von Simone Rocha,
mit hellblauem Sakko aus »Doktor Alıcı«.

                                       Die Sandale von
                            Salvatore Ferragamo wurde
                               im ­Malsaal fotografiert.

42        SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
OLYMP.COM/SIGNATURE

                       GERARD BUTLER’S
                       CHOICE
PHOTO: GREG WILLIAMS
THOMAS HAUSER, 26,
                                   Schauspieler
                                   »Mode ist für mich auch
                                   ein Kampf. Wenn ich
                                   die Möglichkeit habe, eine
                                   teure Klamotte anzu­
                                   ziehen, ist das für mich
                                   eine Demonstration der
                                   Teil­habe. Weil ich als
                                   queerer Mensch nicht zur
                                   Mehrheit gehöre.«
                                   Kleid von Missoni, Socken von Bonne
                                   Maison, Sandalen von Ermenegildo Zegna.

44   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
SUSANNE DÖLGER,
Schreinerei
»Ich habe einen Turnschuh-
Tick. Als Kind sollte ich Puma
tragen. Ich wollte Adidas,
aber die bekam ich nicht. Erst
als ich 13 war, hat mir meine
Mutter welche geschenkt. Die
hab ich immer getragen, waren
natürlich schnell durchgelau-
fen. Mein Vater war dagegen,
dass ich neue bekam. Adidas
waren ja viel teurer als Puma.
Natürlich habe ich mit 15 vom
ersten selbst verdienten Geld
in der Schreinerlehre neue
gekauft. Es wurden immer mehr,
ich habe Fußball gespielt und
Tischtennis, hochklassig, dritte
Liga. Heute spiele ich nicht
mehr, aber es sind immer noch
zwanzig Paar, Größe 42.            Jacke von Simone Rocha,
Drei Kinder habe ich, auch sie     Vogel-Kopfschmuck aus dem Stück
tragen nur Turnschuhe.«            »Nichts von euch auf Erden«.
46   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
SAMOUIL STOYANOV, 30, Schauspieler
»Am liebsten wäre ich nackt. Oder hätte nur
eine Basketballhose an, aber das ist oft zu kalt.
Dann ziehe ich eine Jogginghose drunter,
­daran erkennt man mich. Meine Mutter schämt
 sich direkt für mich. Meine Freundin stört
 es nicht. Nur Essen darf nicht auf der Kleidung
 sein. Aber das möchte ich selber nicht.
 ­Jogginghose und Basketballhose sind schon
  einmal zu meinem Kostüm geworden, in ­
  Der Kirschgarten.«

Unterhose von Schiesser, Sandalen von Gucci.
Perlenkette von Scho Studio,
im Gipsraum der Maskenabteilung.
ZEYNEP BOZBAY, 26,
Schauspielerin

»Ich liebe gute
Kleidung, aber sie
ist so schwer in
den Alltag integrier­
bar. Als Schau­
spielerin habe ich
das Gefühl, ich
muss irgendwie im­
mer ›ready to go‹
sein, mich jederzeit
in eine Figur
verwan­deln können.
Also bleibe ich
privat eher neutral,
ich trage häufiger
praktische Kla­
motten, als mir
­ei­gentlich lieb ist.«

Lederoberteil von Miu Miu, Pumps von Dries
Van Noten, Strumpfhose von Smiffys,
Reifrock aus dem Fundus der Kammerspiele,
Federhut aus dem Stück »Mittelreich«.        SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   49
PETER BROMBACHER,
Schauspieler
Tannenbaum aus dem Weihnachts­
märchen »Zimt & Sterne« der
Kammerspiele. Schuhe von Santoni,
rote Socken von Falke.
Schuhe von Marni,
auf der Trommel aus dem
Stück »Schlachten!«.

                          SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   51
52   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
LEO SCHÖNWALD, 19,
absolviert ein FSJ Kultur in der
Spielstätte »Kammer 4 You« (links)
»Mode ist mir meistens ziemlich
egal. Außer Socken. Die können
für mich nicht zu ausge­fallen und
bunt sein. Am liebsten sind mir
­welche, die auch noch grafische
 Muster haben.«

VALERIE EPPING, 26,
Praktikantin in der Kostüm-
abteilung (Mitte)
»Kleidung ist angewandte Selbst­
erkundung. Ich habe mir neulich
einen braunen Rollkragenpullover
gekauft, eng anliegend, aus Samt,
an einigen Stellen transparent.
Etwas sehr Sinnliches. Ich habe
dieses Teil gesehen und gewusst,
dass es etwas ausdrücken kann,
was ich in mir habe, eine weitere
Facette. Danach suche ich immer.«

VICTORIA DIETRICH, 28,
Praktikantin in der Kostüm-
abteilung (rechts)
»Den Fatsuit fand ich gut.
Der macht alles gleichgültig und
irre­levant – was darunter ist
und wie man aussieht. Man soll
sich ja hauptsächlich wohlfühlen
in dem, was man trägt.«

Alle Fatsuit-Kostüme aus dem Stück »Fran­
ziska«. Links: Strumpfhose von Burlington,
Ohrring von Gabriela Artigas, Armreif von Paola
Vilas. Mitte: Strumpfhose von Maria La Rosa,
Ohrring von Paola Vilas, Ring von Ming Yu Wang.
Rechts: Strumpfhose von Falke.
54   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
KINAN HMEIDAN, 27, Schauspieler

»Im Winter weiß ich nicht, was ich anziehen soll. Warm muss es
sein, aber ich finde es schade, dass die Farben dann gedeckt sind.
Im Sommer trage ich viele bunte Sachen, Türkis ist meine Lieb-
lingsfarbe. Seit ich in Deutschland bin, wundere ich mich, warum
die Leute auch im Sommer häufig dunkle Farben tragen. Das
tun sie in meiner Heimat Syrien erst, seit der Krieg ausgebrochen
ist. Vielleicht ist ihnen das gar nicht bewusst: Vor dem Krieg
haben alle, auch Männer, bunte Sachen getragen. Ich frage mich
seither, welche Auswirkung Krieg auf Farben hat.«
Strickjacke, Hose, Strümpfe und Sandalen von Gucci, die Lamettabox ist eine Anfertigung der Maskenabteilung für »Miunikh-Damaskus«.

                         WHITE ROOM                                                                                GREEN PIECE

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ANTONIA ZIEGENAUS, 19,
                                                                           Auszubildende in der Schneiderei
                                                             »Ich liebe Tüllröcke. Ich durfte an einem
                                                      braunen, asymmetrischen Tüllrock mitnähen,
                                                          den eine Schauspielerin in Yung Faust trägt.
                                                       Ich besitze selbst einen Tüllrock, schwarz und
                                                            kurz. Und für den Jugendwettbewerb bei
                                                     der Innung für Maßschneiderei nähe ich gerade
                                                          ein langes, enges Kleid in Schwarz, bei dem
                                                        unterhalb der Knie ein Tüllrock aufspringt.«
                                                                          Jacke von Stella McCartney, Ohrring privat.

Clutch von Celine, im Regal des
Requisitenfundus.

           Pumps von Jimmy Choo, im Zuschauerraum
                        der Kammer 1 (Hauptbühne).

56        SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
SIGRID DERVIEUX, 62,                                   CHRISTIAN PETZUCH, 63,
Zentrale Dienste (Organisatorisches)                   Bastler in der Tapeziererei
                                                       »Ich trage Maßhemden, seit ich nach                     sich, meine bunten Klamotten zu bügeln,
»Als ich in Schanghai im                               München kam. 2001 bin ich in den Laden
                                                       von Clara Niggl in der Reichenbachstraße
                                                                                                               kein Problem, machte ich von da an selbst.
                                                                                                               Ich käme niemals auf die Idee, in T-Shirt

Botanischen Garten                                     gestolpert. Seitdem hat sich das Thema
                                                       Hemd für mich erledigt. Zwei Hemden je­
                                                                                                               oder kurzen Hosen in der Öffentlichkeit zu
                                                                                                               erscheinen. Meine Jobbeschreibung:

gearbeitet habe, ließ ich                              des Jahr näht sie mir, immer im gleichen
                                                       Schnitt. Ich habe ja das Glück, mit den Jah­
                                                                                                               Bastler, ich behandele viele sichtbare Ober­
                                                                                                               flächen auf der Bühne. Aber ich verstehe

mir auf dem Markt viele
                                                       ren nicht auseinandergegangen zu sein.                  mich eher als bastelnder Intellektueller. Ich
                                                       Unten gerader Abschluss. Ich trage die                  bin erst mit Mitte dreißig zum Theater ge­

Kleider schneidern, auch
                                                       Hemden glatt über der Hose, eine Brust­                 kommen, hatte zuvor Sozialwesen im Ruhr­
                                                       tasche – für die Zigaretten –, schmaler                 gebiet studiert, in Kulturzentren gearbeitet,
                                                       Kragen, immer einen Knopf geöffnet. Nie                 auch Musikalienhändler gelernt, war

aus Sari-Stoffen, die ich                              Krawatte, nie ein Sakko drüber, ich fahre
                                                       ja Fahrrad. Immer T-Shirt drunter, schwarz
                                                                                                               Kellerknecht in einer Sektkellerei – bis ich
                                                                                                               mal in Salzburg sah, wie an einem Baum mit

aus Indien mitgebracht                                 oder grau. Meine Hemdenfarben: erfri­
                                                       schendes Dunkelblau, anziehendes Maus­
                                                                                                               Wachs befestigte Blätter einzeln auf Kom­
                                                                                                               mando im Takt auf die Bühne fielen. So was

hatte. Ich besitze wenige
                                                       grau, entspanntes Schwarz, ich besitze kein             fasziniert mich. Ich habe dann in München
                                                       einziges weißes Hemd. Zwanzig Hemden                    als Urlaubsvertretung angefangen. Bin

Kleidungsstücke. Wenn
                                                       etwa hängen im Schrank. Ich bügle selber.               immer noch da. Die Jungen müssen noch
                                                       Ich war ja mal Hippie, meine Mutter weigerte            ein paar Tricks lernen von uns Alten.«

ich welche kaufe, schaue
ich nicht auf den Preis
und trage sie, egal ob sie
gerade modern sind, wie
die Marlenehosen, die
ich schon mochte, als
man sie in den Geschäften
kaum finden konnte.
Was sich über die Jahre
nie geändert hat: Ich
mag keine Blusen, dafür
Farben und auffällige
Kragen.«

Pullover, Weste, Hose und Stiefel von Louis Vuitton,   Handschuh von Akris, über Haarjacke aus dem Stück »War and Peace«.
Muskelshirt aus dem Stück »Mittelreich«,
Lederhose von Gucci, Brille und Schuhe privat.

                                                                                                               SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN              59
WIEBKE PULS, 45,
          Schauspielerin
     »Ich habe mich als Kind
       schon gern verkleidet.
       Meine Mutter hat eine
 große Kiste mit Faschings-
  kostümen und abgelegten
     Erwachsenenklamotten
      eingerichtet. Auf einem
 Foto stehe ich unter einem
     Regenschirm im Garten,
      in einem himmelblauen
Rock mit Rosen darauf, da-
      runter ein Tutu und ein
Ringel-Frotteekleid, drüber
   eine Cowboyweste. Nicht
mal sechs Jahre war ich da.
       Meinen kleinen Bruder
 habe ich auch gern verklei-
         det. Mit neun bin ich
    geschminkt in die Schule
     gegangen. Meine Eltern
  haben eher in Musikunter-
 richt investiert als in coole
   Outfits. Als Teenager be-
kam ich darum Kleidergeld,
     das ich in der Regel zum
Kopfschütteln unsinnig an-
  gelegt habe – etwa in Stie-
 fel aus weißem, gelochtem
 Nappaleder, im November.
   Veränderung und Stilisie-
 rung machen mir bis heute
   großen Spaß, und ich bin
sehr dankbar für die Arbeit
   der KostümbildnerInnen.
Die richtigen Kleider helfen
    mir, ein Körpergefühl für
    eine Rolle zu entwickeln.
  Wenn ich an meine Rollen
      denke, fallen mir zuerst
 die Kostüme und Perücken
      ein und das Gefühl, mit
 dem ich sie getragen habe.
   Meinen Text habe ich oft
 zwei Tage nach der letzten
      Vorstellung vergessen.«

        Kleid von Valentino, Plateau­-
 sandalen von Miu Miu, Kopfschmuck
         aus dem Stück »Der Sturm«.
WALTER HESS, 79,
Schauspieler

»Im Sturm, Shakes—
peare, habe ich den
König von Neapel
gespielt. Es geht um
eine Gesellschaft,
die strandet. Ich hatte
einen sehr teuren
Trainingsanzug an,
hellbeige, mit Gold-
beschriftung. Da
dachte ich, den
möchte ich eigentlich
mitnehmen. Das
war so schön gegen-
läufig zur Vorstellung
eines Königs.«

Stiefeletten von Max Mara. Das stehende Kleid wurde
für »Doktor Faustus Lichterloh« angefertigt.          SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   61
VINCENT REDETZKI, 26,
Schauspieler (links)
»Ich war Kinderschauspieler,
Willi in den Wilden Hühnern,
Teile 1, 2, 3, und anderes. Mit elf
trug ich meinen ersten, maß­
geschneiderten Anzug in der
Schaubühne. Der war blau, mit
Nadelstreifen. Ich war gleich
fasziniert. Seitdem liebe ich
Anzüge. Ich habe so um die
zwanzig im Schrank hängen.
Am liebsten Dreiteiler, die Hose
darf nicht zu eng sein, breiter
Bund, breites Revers, dicke Kra­
watte, Dreißigerjahre-Schnitt,
gern altmodisch, aber nicht zu
exaltiert. Ich darf nicht das
Gefühl haben, verkleidet zu sein.
Gern mit Krawatte. Anzüge ver­
ändern die äußere und innere
Haltung, das fasziniert mich. In
Kreuzberg gibt es so einen
In-Schneider, »Herr von Eden«,
viele Jungschauspieler tragen
Anzüge von dem. Ich wollte mir
zur Abschlussprüfung an der
Ernst-Busch-Schule auch einen
leisten, aber ein paar Tausend
Euro für einen Maßanzug waren
mir dann doch zu viel. Ich kaufe
secondhand. Gern auch bei
Oxfam. Meine Anzüge kosten
selten mehr als zwanzig Euro.
Für die Abschlussprüfung habe
ich mir schließlich in Schott­
land einen Smoking gekauft.
Zwanzig Pfund. Der hatte drei
Mottenlöcher, die wollte
ich zum Stopfen geben, aber
die Näherin holte einfach einen
Edding und übermalte sie.«
                                                        Pokalsammlung im Fundus der Requisite, mit einer Uhr von Bulgari und einem Münzarmband von
                                                        Marjana von Berlepsch.

CHRISTIAN LÖBER, 35, Schauspieler
»Das Kleidungsstück, das mich zuerst am meisten geprägt hat, war die Arbeitsjacke bei VW. Ich bin erst spät zum
Theater gekommen, eigentlich habe ich eine Ausbildung zum Industriemechaniker gemacht und später Maschinen­-
bau studiert. Als Azubi und danach in der Fertigung hab ich mich durch die graue Latzhose, Arbeitsschuhe und
Jacke auf eine Art verwandelt. Alle waren nahezu gleich. Dann trat ich in die IG Metall ein, wurde Jugendvorsitzender.
Die Reden, die ich dort geschwungen habe, waren vielleicht schon eine Vorstufe zum Theater. Bis heute finde ich,
dass einen auf der Bühne nichts so sehr verändert wie Uniformen.«

Links: Parka von Acne Studios, Hemd und Hose von Ermenegildo Zegna, Sonnenbrille von Balenciaga,
Socken von Paul Smith, Stiefel von Red Wings. Rechts: Daunenjacke von Calvin Klein Jeans über
mytheresa.com, Oberteil und Hose von Craig Green, Sonnenbrille von Cartier, Sneaker von Adidas.                SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN          63
JOCHEN NOCH, 63,
Schauspieler und Direktor der
Otto-Falckenberg-Schule (links)
»Früher haben sich mehr Paradiesvögel be­
worben. Jetzt kommen die meisten der
rund 500 Bewerberinnen und Bewerber je­
des Jahr in Alltagsklamotten. Deswegen
lassen wir noch niemanden durchfallen,
aber ein Kostüm vermittelt ein besseres Ge­
fühl für die Rolle. Darüber sollte man sich
Gedanken machen. Denn alles, was auf der
Bühne geschieht, hat eine Bedeutung.
Dieses Jahr hat einer mit Totenschädel und
Weintrauben in einem Vanitas-Bühnenbild
gespielt, obwohl er keine Rolle aus dem
Mittelalter vorgesprochen hat, und ist wei­
tergekommen. Eine andere kam mit selbst
genähtem Fantasiekostüm und hat einen
großen Teddy als Ansprechpartner mitge­
bracht. Sie schaffte es sogar unter die letz­
ten zwanzig, hatte sich da aber schon für
eine andere Schule entschieden. Ich verste­
he nicht, warum, aber immer öfter spielen
Leute barfuß vor. Oder noch schlimmer: in
Socken. Das macht überhaupt keinen Sinn,
man rutscht ja auf dem Bühnenboden. Und
sie spielen Figuren, die sicherlich Schuhe
getragen haben. Schuhe helfen, ein Gefühl
für eine Figur zu entwickeln. Ich habe
schon mal rumgefragt, ob irgendein Hand­
buch das Barfußvorspielen empfiehlt –
­gefunden habe ich keins.«

Kartenhemd aus »Alice im Wunderland«,
Unterhose privat.

BENJAMIN RADJAIPOUR, 28,
Schauspieler
»Wenn meine Mutter mich zu einer Einla­
dung mitnimmt, sagt sie immer: Die wissen,
dass du am Theater arbeitest, du musst
dich jetzt nicht extra verrückt anziehen.
Dabei bin ich gar nicht verrückt gekleidet.
Ich hatte diese Bauchtasche, so eine Fanny
Pack, die war total abgetragen, ein Ge­
schenk meiner Mitbewohnerin. Dann ging
die Tasche kaputt, und meine Mutter hat
mir zu Weihnachten eine neue geschenkt.
Dabei hat sie natürlich die ›Street Credi­
bility‹ durch die abgetragene Tasche total
unterschätzt. Eine Zeit lang habe ich
Gaffer Tape über den Schriftzug auf der
neuen geklebt. Ich habe nichts gegen
die Marke, aber ein bisschen spießig ist sie
schon. Jetzt stehe ich dazu.«

Hemd von Balenciaga, Hose privat.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN              65
66   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
STEFAN MERKI, 56, Schauspieler

»Meine absolute Lieblingshose, das einzige                                                                       100 JAHRE
Kleidungsstück, dem ich so etwas wie                                                                             FREISTAAT
Liebe entgegengebracht habe, hatte ich als                                                                        BAYERN
Teen­ager: eine Cordhose aus ganz dickem
Stoff und mit tiefen Ritzen zwischen den
Wulsten, rotbraun, ins Violette gehend, eng
am Oberschenkel, nach unten hin weiter
werdend mit e­ twas Schlag, sodass ich meine
Stiefel gut dazu tragen konnte, die mich
etwas größer machten. Es war eine Manchester-
hose. Ungefähr mit 13 bekam ich sie und                                                                             NUR NOC
                                                                                                                                H

war damit in dem kleinen Züricher Vorort auf
                                                                                                                      W E N IG E
                                                                                                                                RE!
                                                                                                                    E EMPLA
                                                                                                                     X

jeder Garagenparty sehr cool unterwegs.
Sie war weich, deshalb hatte ich wohl eine so
                                                                                                                      DIE UHR ZUM JUBILÄUM
                                                                                                                     Eine auf 100 Exemplare limitierte
                                                                                                                    Sonderedition „NOMOS Tangente –

innige Beziehung zu ihr. Es gab in meiner                                                                             100 Jahre Freistaat Bayern“ der
                                                                                                                   Uhrenmanufaktur NOMOS Glashütte:

Kindheit noch keinen Weichspüler. Die Unter-
                                                                                                                   mit einer blauen Raute auf sechs Uhr,
                                                                                                                    weiß rhodinierten Zeigern und einer
                                                                                                                        Rautengravur auf der Krone.

wäsche kratzte, was hab ich gelitten. Strumpf­                                                                            EXKLUSIV BEI UNS
                                                                                                                            ERHÄLTLICH

hosen konnte ich auch nie tragen. Bevor
sonntags die Unterwäsche gewechselt wurde,
habe ich sie in der Nacht ans Bettende gelegt
und im Schlaf weich getreten, so gut ich konnte.«                                                                       J. B. FRIDRICH GMBH & CO KG
                                                                                                                 SENDLINGER STRASSE 15 • 80331 MÜNCHEN
                                                                                                                   TEL 089 260 80 38 • WWW.FRIDRICH.DE
Longsleeve, Hemd und Leggings von Vivienne Westwood, Plateaustiefel aus dem Stück »Nichts von euch auf Erden«,
Netzteil auf dem Kopf von der Maskenabteilung der Kammerspiele.
MAJD FEDDAH, 36,
     Schauspieler
     »Kleidung involviert dich und
     andere gleichzeitig. Wenn du
     dich nur für andere anziehst,
     hast du ein Problem. Ich mag
     es, wenn die Kleidung dem, der
     sie anhat, ähnlich ist.«

     Kapuzenpullover von Louis Vuitton.

68   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
EVA LÖBAU, 46, Schauspielerin

»Wenn es der
Anlass hergibt,
trage ich High
Heels. Sieht
gut aus. Gleich­
zeitig vergesse ich
nie: Das ist die
Domestizierung
der Frau. Es
sind die Schuhe,
mit denen du
nicht weglaufen
kannst.«

Kleid von Fendi, Top von Giorgio Armani,
Holzbeine aus dem Stück »Die Regentrude«
der Schauburg München, die sich mit
den Kammerspielen die Werkstätten teilt.
70   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
HELENA ECKERT, 28, Dramaturgin

»Ich versuche möglichst viel
­Secondhand-Kleidung zu tragen,
 um ihre Lebenszeit zu ver­längern
 und mich von Fast Fashion­
 zu d­ istanzieren. Diese Aussage
 ­neben einem Foto von mir
  in D­ esignerklamotten aus einer
  ­aktuellen Kollektion ist natürlich
   paradox. Bei dem Shooting
   habe ich nicht gefragt, wie und wo
   die Kleidung produziert wurde.«
Federhaube und Mantel von Dries Van Noten, Rock und Stiefeletten von   Der Gipskopf von Wiebke Puls trägt eine Sonnenbrille von Chloé.
Max Mara, Reifrock der Königin Gertrude aus »Hamlet«.

                                                                             AB 21. FEBRUAR IM KINO
ANNETTE PAULMANN, 54,
Schauspielerin, mit LENI,
ihrem Hund
»Ich habe kein Abendkleid, nie
eines besessen. Es gab auch
noch nie eine Gelegenheit, wo
ich es vermisst hätte. Sollte ich
wirklich mal eines brauchen,
würde ich zur Gewandmeisterin
des Theaters gehen und mir
eines leihen. Ich besitze zwei,
drei blaue Hosenanzüge und
Kostüme, die ich auf Lesungen
trage oder – was es ja in
meinem Alter immer öfter gibt
– auf Beerdigungen.«

Bluse und Rock von Gucci, Pumps
von Miu Miu, Lenis Haarteil ist aus dem
Maskenfundus.

72        SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
KAMEL NAJMA, 44,
Schauspieler            in ihren Augen, dass      Schal oder Socken.
»In München tragen sie mich gar nicht             Es fällt mir auch beim
die Menschen dunkle richtig verstanden            ­Essen auf: Das Essen
Farben, Schwarz,        ­haben. Und wenn           in München schmeckt
Grau, Braun, Dunkel- doch mal jemand eine          richtig gut, aber
blau, als ob sie sich    intensive Farbe trägt,    meis­tens ist es braun.«
gegen irgendwas          dann oft verhuscht,
wappnen wollten. Ich fast verschämt, als          Kapuzenjacke von Moncler 2 1952, Krone aus »Ludwig II.«.

finde das traurig,
weil viele so wunder-
bar blaue, grüne,
gelbliche Augen­ha-
ben. Manchmal
sehe ich jeman­den mit
einem gelben oder
roten Pullover, stürme
auf ihn zu und be­
danke mich. Die Leute
lächeln dann oder
bedanken sich ihrer-
seits, aber ich erkenne
LOLA FONSÈQUE, 29, Regieassistentin

»Ich liebe es, Verwirrung zu stiften. Kleidung
kann das wunderbar. Madame? Monsieur?
Butch? Man weiß es nicht, es juckt im Kopf,
wie spannend.«                        Top und Leggings von Acne Studios, Balle­rinas
                                      von Santoni, Cap und Brille privat.              SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   75
FRANZ ROGOWSKI, 33,
Schauspieler (links)
»Meinen Lieblingsanzug
habe ich geklaut. Er ist marine­-
blau, mit einem Schnitt
im Siebzigerjahre-Stil: hohe
Hüfte, breites Bein, nicht
ganz eng. Den Anzug habe
ich als Cherubino in Figaros
Hochzeit in den Kammer­
spielen getragen und nach
der letzten Vorstellung
einfach mitgenommen. Bei
Filmen ohne Förderung
gibt es meist kein Budget für
Kos­tüme, da wird man schon
mal gefragt, ob man nicht
aus dem eigenen Kleider-
schrank etwas zum Dreh mit­-
bringen könnte. Der Ver-
such, jemand anderes zu sein,
wird in der eigenen Hose
manchmal nicht wirklich
unterstützt. Deswegen trage
ich persönlich lieber die
                                                                  Kette von Chanel, an der Büste von Richard Riemerschmid, der vor mehr als hundert
Hosen der Regisseurin.«                                           Jahren den Innenausbau der Kammerspiele entwarf. Die Büste hängt im Foyer.

DAMIAN REBGETZ, 40, Schauspieler und Musiker

»Wenn man bei sich selbst erlebt, mit welchem Aufwand und welcher Hingabe die
Kostümbildner einem Schauspieler ein Kostüm auf den Leib schneidern,
kann man eigentlich kein Kleidungsstück mehr in einem normalen Geschäft kaufen.
Man sieht an jeder Naht, wie lieblos die hingeschludert wurde.«
Jumpsuit von Perfect Moment über mytheresa.com, Loafer von Acne Studios, Socken von Cos,
Spitzenjumpsuit aus »Tauberbach«, Sandalen von Gucci.                                                            SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN         77
JULIA RIEDLER, 28,
Schauspielerin             Salzburg gab. Darin habe      Mode verschwimmen. Ich
»Wenn ich Feierabend       ich mich unwohl gefühlt.      teile mir eine Wohnung
habe, ist das Letzte, das Ich wollte Skaterschuhe        mit Thomas Hauser, auch
mir einfällt, in eine      tragen, aber das fanden       Schauspieler. Er trägt
­Umkleidekabine zu gehen. alle unweiblich. Jetzt gibt    oft hohe Schuhe und wi-
 Früher hat mich Mode      es eine Frauenab­teilung in   derlegt die These, dass
 ­erdrückt. Ich hatte nur  den Sneakerstores. Die        das nicht ästhetisch aus-
  Zugang zu Kleidung, die Grenzen z­ wischen männ-       sieht. Und ich wider­lege
  es im Einkaufszentrum in licher und weiblicher         die These, dass Skater-
                                                         schuhe an Frauen nicht
                                                         schön sind. In Yung Faust
                                                         trage ich klobige Nikes ­
                                                         in Giftgrün, die ich mir nie
                                                         kaufen würde. Aber ich
                                                         gewöhne mich mit jeder
                                                         Vorstellung mehr an sie.
                                                         Es erweitert etwas in mir,
                                                         wenn ich sie trage. Was
                                                         mich allerdings stört:
                                                         Wie gleich wir Menschen
                                                         uns alle ­an­ziehen. Das
                                                         ist gruselig. Wie steuerbar
                                                         man da ist. Wenn alle
                                                         dasselbe wollen, hat man
                                                         alle in der Hand.«
                                                         Jumpsuit von Jenny Fax, Stiefeletten von Giorgio Armani,
                                                         Perücke aus dem Maskenfundus der Kammerspiele.
Stiefel von Givenchy,
fotografiert in der Foyer-Bar.   SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN   79
Haare & Make-up: Team der Maskenabteilung der
                                        Münchner Kammerspiele und Julia Schlotke
                                        Stylingassistenz: Vanessa Danisch, Kira März
                                        Produktion: Franziska von Stenglin, Ralf Zimmermann
                                        Mitarbeit: Anna-Lena Engel
                                        Fotoassistenz: Mara Pollak, Janek Stroisch
                                        Protokolle: Max Fellmann, Lara Fritzsche, Tobias Haberl,
                                        Gabriela Herpell, Lars Reichardt, Susannne Schneider
                                        Besonderen Dank an Martina Taube-Jedryas
                                        und Katrin Dod.

                                        Herrenuhr von Patek Philippe,
                                        fotografiert im Beleuchtungslager.

Federsandalen von Valentino,
unter einer Probenmaske für »Drei
Schwestern«.

80        SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
STEFANIE RENDTORFF, 60,
Inspizientin
   »Ich habe nach dem Tod meines Vaters
­ inige seiner feinwolligen Anzughosen
e
mitgenommen und enger schneidern
­lassen. Keine anderen Erinnerungsstücke
 sind mir so lieb geworden. Objekte, die
 in der Wohnung stehen, nutzen sich als
 ­Erinnerungsanker ab, aber diese Hosen
  nicht. Wenn ich sie morgens aus dem
  Schrank nehme und anziehe, sehe ich mei-
  nen Vater, wie er in ihnen ging, wie er
  in ihnen dastand, ich höre ihn sogar reden.
  Nur für e
          ­ inen Moment, dann schließe
  ich den Bund und nehme meinen Vater mit
  in meinen Alltag.«

Mantel, Strümpfe und Schuhe von Prada.
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