Was für ein theater! ein Modeheft mit den Münchner Kammerspielen - Nummer 8 | 22. Februar 2019 - Süddeutsche
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M Ü N C H E N BY EGETEMEIER WOHNKULTUR, OSKAR VON MILLER RING 1 - T. 089 55 27 32 510 B E R L I N BY HERRENDORF, LIETZENBURGER STR. 99 - T. 030 755 4204 56 AUCH BEI ANDEREN AUTORISIERTEN HÄNDLERN UND IN ANDEREN STÄDTEN. PLZ 0/1/2/3/4/5 HANDELSAGENTUR STOLLENWERK - T. 0221 2828259 - TIM.STOLLENWERK@WEB.DE PLZ 6/7/8/9 HANDELSAGENTUR RIEXINGER - T. 07121 325953 - INFO@HANDELSAGENTUR-RIEXINGER.DE
I n h a lt Nr. 8 2 2 . F e b rua r 20 1 9 Ein Modeheft mit den Münchner Kammerspielen, Cover Gro Swantje Kohlhof: Kleid von Loewe, Kopfschmuck aus dem Stück Die Selbstmord-Schwestern; Cover Martina Taube-Jedryas: Blazer von Miu Miu, Bluse von Sacai, Handschuhe von Thomasine, Hut aus dem Stück Sicherheitskonferenz; Cover Wiebke Puls: Kleid von Valentino, Schuhe von Miu Miu, Kopfschmuck aus dem Stück Der Sturm; Cover Matthias Lilienthal: Sakko von Dressler über Lodenfrey, Strümpfe von Gucci, Kopfschmuck aus dem Stück Nichts von euch auf Erden; einem der wichtigsten Theater Deutschlands – diese Idee geisterte eine ganze Weile durch unsere Köpfe. Was genau daraus werden könnte, wussten wir anfangs nicht. Aber oft ist das ja gut: kein Reißbrett, sondern Freiheit. Daraus ist ein Heft entstanden, in dem nicht nur Schauspielerinnen und Schauspieler die Mode der Saison präsentieren, sondern auch Bühnentechniker, eine Inspizientin, ein Tapezierer, eine Schreinerin, der Intendant … Hase: Top und Hose von Gucci, Schuhe von Ami, Hasenkopf aus dem Stück Camino Real Diese 48 Models erklären zudem, was Mode ihnen persönlich bedeutet. Das Heft erscheint mit vier verschiedenen Titelbildern. Viel Vergnügen! 14 Sagen Sie jetzt nichts 16 Gute Frage, Gefühlte Wahrheit, Gemischtes Doppel, Die drei großen Lügen 82 Kosmos 84 Das Kochquartett 86 Getränkemarkt 88 Hotel Europa, Gewinnen, Impressum 89 Das Kreuz mit den Worten 90 Das Beste aus aller Welt Titelfotos: Maria Ziegelböck; Styling: Samira Fricke Süddeutsche Zeitung Magazin 11
Contribut0rs Maria Ziegelböck, Martin FengEl, Fotografin Fotograf Die Österreicherin hat einen eigenen Sinn für Humor, der Der in München lebende Künstler ist für Fotos bekannt, sich in ihren Modeaufnahmen spiegelt. Sie fotografiert die im Alltäglichen das Besondere entdecken. für internationale Zeitschriften wie 10 Magazine, Numéro, Von ihm stammen die Still-Life-Bilder der Accessoires 032c und Interview und ist Professorin für Fotografie an in diesem Heft, die er in den Räumen der der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Kammerspiele in Szene gesetzt hat. a u f s z- m a g a z i n . d e Guli, guli, guli, guli, guli ram sam sam Viele Eltern finden Kinderlieder eher … schwierig. So ging es auch unserer Autorin – bis ihr klar wurde, wie viel gemeinsames Liedgut dazu beiträgt, die Verbindung zwischen Eltern und Kindern zu stärken. Selbst wenn sich der Sinn der Worte, siehe oben, manchmal nicht ohne Weiteres erschließt. sz-magazin.de/kinderlieder Vorgeknöpft Fotos: Thomas Dashuber (1), Getty Images (1), Swatch (1); Illustration: QuickHoney Auch auf unserer Website hat die Mode-Berichterstattung ihren Platz. Jede Woche schreiben Maria Hunstig und Silke Wichert in der Modekolumne »Vorgeknöpft« über Trends, die oft skurrile Kleiderwahl von Prominenten und andere Modephänomene – wie das malende Schwein namens »Pigcasso« (siehe oben), das kürzlich die Kollektion eines Schweizer Uhrenherstellers gestaltete: sz-magazin.de/vorgeknoepft z e ic h e n d e r z e i t • Emojis für Erwachsene (74) Sorry, falsches Emoji geschickt, weil dicker Finger. Süddeutsche Zeitung Magazin 13
SAG E N S I E J E T Z T N I C H TS Schorsch Kamerun GE B O R E N 29. Mai 1963 in Timmendorfer Strand (als Thomas Sehl) B E RU F Musiker, Autor, Regisseur, Clubbetreiber AUS B I L DU N G Lehre zum Kfz-Mechaniker STATUS Schorsch Clooney Fotos: Axel Martens Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben? 14 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Als Schorsch Kamerun mal zu deutschem Hip-Hop – ge- Regisseur am Theater. »Ich bin wahrscheinlich der einzige nauer: zu Bushido und Sido – befragt wurde, antwortete er: Regisseur, der am Stadttheater arbeitet und nicht mal einen »Wenn ich nur meinen Schwanz raushole, stört das die Leu- Hauptschulabschluss hat«, sagte er mal. Schorsch Kamerun te, ist aber noch keine Gegenkultur.« Deswegen holt er seit ist Punk geblieben und auf eine so unvernünftige Weise Jahrzehnten alles andere raus, seine Wut, seine Kreativität, bürgerlich geworden, dass er nie Gefahr lief, seine Ideale zu seinen Idealismus und seine Überzeugung, dass die Welt verraten. Stattdessen hat er sich immer Nischen gesucht, in gerechter und freier, aber auch lässiger und verspielter sein denen er integer und kritisch bleiben konnte und auch noch könnte, als sie ist. Man müsse schon Alternativen anbieten, dafür bezahlt wurde. Das neue Album der Goldenen Zitro- um subversiv zu sein, findet er, und das hat er gemacht: mit nen, More Than A Feeling, ist gerade erschienen, am 20. Juni seiner Band Die Goldenen Zitronen, mit dem berühmten feiert sein Musiktheater-Projekt Das Bauhaus – Ein rettendes »Golden Pudel Club« auf St. Pauli sowie als Autor und Requiem Premiere an der Berliner Volksbühne. Welches Statussymbol reizt Wie tanzen Sie zu einem Lied von Wären Sie noch so fleißig, wenn es ein Sie trotz allem? Helene Fischer? bedingungsloses Grundeinkommen gäbe? Wie theatralisch sind Sie? Ganz ehrlich, schon mal einen Socken oder Kniestrümpfe? Porsche zerkratzt? Weitere Fragen und Bilder finden Sie in unserer App und ab 24. Februar auf sz.de/magazin/ssjn
G E F Ü H LT E WA H R H E I T G U T E F R AG E WAS »FREUNDLICHE ERINNERUNG« BEDEUTET »Ein Freund von uns hing vor einiger Zeit psychisch sehr durch. Wir haben ihm geraten, Bilder zu malen. Das hat ihm tatsächlich geholfen. Jetzt hat er uns zum Dank eines dieser Bilder geschenkt. Zwei mal zwei Meter, unsagbar hässlich. Müssen wir es jetzt aufhängen?« L E NA S., F R E I B U RG Freundliche Erinnerung Letzte Warnung! Fotos: mauritius images / Fabrizio Malisan / Alamy; Walter Bibikow / AGE / F1online; Illustration: Serge Bloch; alle Autoren-Illustrationen: Grafilu DIE DREI GROSSEN LÜGEN DER POLITIKER-ANTWORTEN I 1. »Darum geht es doch gar nicht.« n Arztpraxen frage ich mich oft, was und nun komme ich zu Ihrer Frage, da- 2. »Das ist aber nicht das, was die Menschen interessiert.« es mit der Kunst an den Wänden auf rin das Schaffen ihrer Patienten zu erken- sich hat. Lustigerweise scheint dabei, nen. D unkelgrüne Werke mit schwarzen 3. »Dazu habe ich doch schon alles gesagt.« private Recherche, die Regel zu gelten: und anthrazitfarbenen Sprenkeln, Sinn- Je hässlicher die Kunst, desto besser der bilder einer am weit entfernten Horizont Arzt. Sind die Werke sehr geschmackvoll, für den Bruchteil einer Sekunde aufge- ich denke da vor allem an eine ganz be- schimmert gewesenen Hoffnung, die sie stimmte Allgemeinarztpraxis in einer als Dank für die Behandlung vorbei- GEMISCHTES DOPPEL großen deutschen Stadt, in der alte Wer- brachten und die sofort aufgehängt wur- von beschilder den Wartebereich und die Be- den, aus Angst, sie würden sich sonst doch PATRICK FISCHER handlungsräume schmücken, sollte man noch was antun. Und so starren nun Ge- Vorsicht walten lassen, was allzu großes nerationen neuer Patienten in Wartezim- Vertrauen in das Können des betreffenden mern sitzend auf diese Gebilde und wer- Mediziners angeht. Vor einem unglaub- den darüber selbst ganz bucklig und gram. lich schönen Email-Schild einer tennis- Diese Ärzte haben Mitgefühl bewiesen, spielenden Vierzigerjahre-Schönheit mit und exakt diese Fähigkeit macht sie ver- perfekt ondulierten blonden Wellen, die mutlich zu den Meistern ihres Fachs, die gerade anmutig aus einer Flasche Coca- sie sind. Aber zwei mal zwei Meter, sagen Cola trinkt, teilte mir einmal ein weiß Sie? Die Antwort ist: Nein. gekleideter Mensch nach Messen meines Pulses mit, ich hätte leider einen Großteil Hut im Gang Gut im Hang meiner Lebensenergie bereits v erbraucht. Tja. Was tun mit dieser Information? Min- destens dreißig dieser Schilder hatte er in seiner Praxis, die Dinger müssen ein Ver- JOHANNA ADORJÁN Weitere Gemischte Doppel finden Sie auf sz-magazin.de; um eigene Vorschläge mögen gekostet haben. einzureichen, schreiben Sie an Gute Ärzte haben in der Regel eher depri- Welches Problem treibt Sie um? Schreiben Sie an gemischtesdoppel@sz-magazin.de mierende Kunst an der Wand. Ich meine, gutefrage@sz-magazin.de 16 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
MASKE und MODE 18 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Text BARBARA VINKEN Laufsteg und Theater sind Bühnen, die mehr über das Menschsein erzählen, als man glaubt. Ein Essay SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 19
M ode und Theater vereint, dass Ballets Russes, für die Picasso das B ühnenbild und Chanel die Bretter für beide die Welt die Kostüme beisteuerten. Beide, der Kubismus Picassos bedeuten. Der Laufsteg, die Büh- und die neue Mode Chanels, zerlegen die Silhouette. Die nenbretter. Auf beiden geht es Choreografie nahm den idealen Körper des Balletts und nicht um die Darstellung von seine klassischen Posen gründlich auseinander. Geschichten, die das Leben Andererseits wurde im Theater auch die Sprache kör- schreibt, sondern um die Gegen- perlicher. Die Materialität des Sprechens tritt in Verspre- wärtigkeit von Körpern. Was chern in den Vordergrund: Verhaspeln, Lallen, Reden in Theater und Mode verbindet, ist fremden Zungen, Schreien, Klagen. Im Theater gibt es gerade nicht das Spektakuläre, auch die Sprache, die sich in ihrer Klanglichkeit dem das große Theater, der Klamauk, Verstehen, dem Logos entzieht und auf sich selbst als den man dem Theater immer zugestanden hat, der aber Lautgebilde verweist. seit Jahrzehnten auch die Modenschauen bestimmt: Zau- • bergärten, das Moulin Rouge, der Eiffelturm werden All das repräsentieren Körper: lebendig auf dem Lauf- nachgestellt, oder man begibt sich wie bei Dior gleich auf steg, lebendig auf der Bühne, in Fleisch und Blut wirklich die Bühne aller Bühnen, nach Versailles. Nein, was inte- anwesend, im Hier und Jetzt. Die Oper, die M odenschau, ressante Mode und gutes Theater verbindet, ist die Arbeit das Theater gehören zu den wenigen Räumen, in denen an der Normierung und Zurichtung der Körper. man sich nicht via Bildschirm in andere, virtuelle Räume • versetzen lässt, in denen alles, was passiert, jetzt und nur Mode macht Silhouetten und Körper, sie bewegt uns und jetzt passiert. Auch wenn die Aufführung wiederholt prägt, wie wir uns bewegen. Auf der Bühne, auf dem wird, ist sie nie ganz gleich. Nicht nur gehen da Leute Laufsteg kommen immer wieder neue Typen von Frau, über den Laufsteg, stehen da Leute auf der Bühne. Im von Mann, von Kindfrau, von Mannfrau, Fraumann, Theater wie in der Modenschau teilen Zuschauer und Vogelfrau, Manntier zur Aufführung, die sich anschlie- Darsteller Raum und Zeit im A ugenblick, in Echtzeit. ßend wie ein Lauffeuer um die Welt verbreiten. Die Sen- Das macht Mode und Theater zum Ereignis. sation Anfang des 20. Jahrhunderts war in der Mode Anders als das Kino ist Chanels die knabenhafte Garçonne und im Theater die Exzentrik einer Sarah Bernhardt, der subtile Realismus einer Eleonora Duse, im Tanz die Frivolität Josephine Bakers. Später, nach dem Zweiten Weltkrieg, verwandel- das THEATER kein te Diors verschwenderischer »New Look« die Frauen in florale Gebilde. Martin Margiela schickte Ende der Neunzigerjahre Körper über den Laufsteg, deren Gren- abgeschlossener RAUM zen nicht natürlich, sondern menschengemacht waren. Comme des Garçons zerbrach die Norm des ganzen har- monischen, ebenmäßigen, symmetrischen Körpers und verwandelte uns, wie böse gesagt wurde, in hinkende Glöckner von Notre-Dame. Bei Jean Paul Gaultier wie- derum wird der auf Idealnorm gebrachte weibliche Kör- per mit schmaler Taille und hohem Busen dem Kleid von Mitgerissen, abgestoßen, berührt werden die Zuschauer außen eingetragen. Frauen müssen dieses Ideal der Weib- von dem, was sie mit eigenen Augen sehen, mit eigenen lichkeit dann nicht mehr verkörpern, sondern können es Ohren hören und manchmal auch, angerührt oder an- als Fremdkörper, ironisch, mitführen. geekelt, riechen. Beim Sehen sehen wir uns gegenseitig. • Im Theater, auf dem Laufsteg, geht es um geteilte Augen- Auf dem Laufsteg, auf der Bühne sehen wir wie in einem zeugenschaft, Sehen und Gesehenwerden. Aber durchaus Spiegel, dass unsere Körper kein natürlich Gegebenes, auch um Tuchfühlung, auf und vor der Bühne. Anders sondern ein kunstvoll künstlich Gemachtes sind, ein als das Kino ist das Theater kein abgeschlossener Raum, Ergebnis des Lernens, des Nachahmens, der Disziplinie- in dem man in der Anonymität des Dunkels versinkt. Im rung: Haltung oder Ausstrahlung haben, bella figura Kino ist man allein und auf der Leinwand auch nur machen. Mode und Theater führen neue, spektakuläre, scheinbar jemand. Der Theaterraum hingegen – und die aber auch entstellte Körper vor, Zwitter, die zwischen Salons und Hallen, in der die Modenschauen stattfinden Stoff und Haut, Tier und Mensch, Engel oder Mensch, – war früher noch viel stärker als heute ein gesellschaft- Mann und Frau liegen und unter die Haut gehen. licher Raum. Man bewunderte die Schöne der Saison • in ihrer Loge, man wusste genau, wer wen besuchte, Im Theater wird der Körper, der spricht, mehr und mehr machte mit einer weißen Kamelie eine heimliche Liebes- von dem Körper, der durch Gesten spricht, durch den be- erklärung. Längst nicht alle Dramen und Intrigen finden wegten Körper, in den Hintergrund gedrängt. Die Schlüssel- auf der Bühne statt und auch nicht dahinter. Die Beset- szene für die Verwandlung des Theaters vom Sprechtheater zung der ersten Reihe der Modenschau ist mindestens so in ein Körpertheater war wiederum ein Tanztheater, die wichtig wie die Auswahl der M odels. 20 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Umgekehrt wird auf beiden, auf dem Laufsteg und im gespielt. Rousseau, der in Theater und Mode den Anfang Theater, die Welt als Bühne, als Theater und Modenschau vom Untergang des Abendlandes sah, meinte, das Thea- entblößt. Allegorie des Theaters ist die Maske, und der, der ter mache aus Bürgern, bereit, ihr Blut für die Sache aller sie trägt, weist mit dem Finger darauf: Er ist maskiert. Das einzusetzen, in blinder Leidenschaft gegeneinander um Theatralische, Spektakuläre, das Bühne und Laufsteg tei- die Gunst der Frau buhlende, rasende Männer. Die Mode len, bringt die Selbstinszenierung ans Licht, die das Leben verwandele das Abendland vollends in einen Harem, ausmacht. Nicht die Bühne b ildet die Welt ab, schon regiert von Frauen, die sich die von ihren Leidenschaften die Welt ist Bühne. Laufsteg und Bühne öffnen in ihren verweichlichten Männer als Sexspielzeuge hielten. Män- Inszenierungen die Augen für das kunstvolle Gemacht- ner seien keine Männer mehr, Frauen keine Frauen. Zola sein unserer Identität. Sie weisen mit dem Finger auf die erklärte das Theater kurzerhand zu einem Bordell, in der Gesellschaft als eine t agtägliche Maskerade. T heater und alle nur das eine wollten: die Zuckerpuppe auf der Büh- Mode treffen sich im Auftritt, coram publico,vor aller ne vernaschen. Die Frau, die sich öffentlich macht, wird Augen. Städte sind immer Bühnen gewesen, auf denen wir zur öffentlichen Frau. Die Schauspielerin, und umso auftreten, eine Rolle spielen, Masken tragen. Und das mehr die Balletttänzerin und das Mannequin – tatsäch- nicht nur im Karneval, sondern alltäglich. Beherrscht wird lich ja leichte, federleichte Mädchen – fischten im Pub- die Straße wie die Bühne und der Laufsteg, Aug’ in Aug’, likum nach Kunden. von Blickordnungen: Wer sieht wen? Wie kann man es • wagen, sich den Blicken der anderen auszusetzen? Auf der Bühne wie auf dem Laufsteg geht es um die Ver- • körperung von Norm und Ideal, dem Ideal des richtigen Die Reduzierung der Welt als Bühne, die Prägung unserer Auftritts, des richtigen Körpers, der richtigen Sprache. Identität auf ihr wie in der Mode, hat man dem Theater Niemand kommt als vollkommener Mensch auf die oft übel genommen. Wie, alles nur Theater? Wo bleibt da Welt. Dass das authentische Ich nicht angeboren ist, war schon eine von Goethes besten Pointen. Daher ist das Theater im wahrsten Sinne des Wortes eine Bildungs FRAUEN waren auf der anstalt, denn theatralisch, spielend, schöpft der Mensch sich selbst, im Modus von Maske und Mode. • Es stimmt, es geht weder im Theater noch in der Mode Bühne immer ein um Befreiung, nicht darum, dass »erlaubt ist, was ge- fällt«. Wohl aber um Eigenart, um das Aparte. Kunst kommt von Können, und um Regeln zu brechen, muss Stein des ANSTOSSES man sie beherrschen. Auf dem Theater, auf dem Laufsteg blicken wir unseren Normierungen, Geschlechterrollen, unseren mehr oder weniger gelungenen, aber oft ja auch lustvollen Zurichtungen ins Auge. Sie zu erkennen heißt, sie verrücken zu können. Nicht, dass hinter der Maske eine wahre Identität, hinter der Verkleidung ein tatsäch- Raum für Authentizität? Alles Performance und kein Sein? liches Sein, hinter der Verfremdung ein unverstelltes Ich Nichts als Oberflächlichkeit? Theater- wie Modegegner – zum Vorschein käme. Aber im Verfehlen der Normen, oft dieselben – werfen dem Theater und der Mode vor, das das ab und an grotesk hässlich sein kann und allen Leben in einen Jahrmarkt der Eitelkeiten zu verwandeln, Schönheitsidealen ins Gesicht schlägt, entsteht eine neue, wo jeder nur danach giert, als Selbstdarsteller – Inbegriff eigenartige, sublimierte Schönheit, die Mode und Thea- des Inauthentischen – dem andern ins Auge zu stechen. In ter verbindet. Darin sind sie nicht nur faszinierend, son- Giacomo Leopardis berühmten Dialog zwischen Madame dern auf eine eigene, unnachahmliche Art auch barm- la Mode und Madame la Mort (1835) wird auf der Bühne herzig gegenüber unserer Unvollkommenheit. der Welt immer nur das eine barocke Theaterstück vom Tod und dem Mädchen aufgeführt. Durch lächerliche Eitelkeit würden die jungen Frauen geraden Wegs, unter- kühlt und eingeschnürt stöckelnd, grotesk verkleidet, in die Arme des Todes getrieben. Heute hört sich diese Kritik an der E itelkeit des Modetheaters so an: Verunstaltet zum BARBARA VINKEN Kleiderständer, nur noch Haut und Knochen, würden die Models in fatale Essstörungen katapultiert. Allen werde ist Professorin für Französische Literaturwissenschaft sowie All die rassistische wie sexistische Norm der überschlanken gemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ludwig- Blonden aufgezwungen. Ausnahmen wie die Vernarrtheit Maximilians-Universität in München. Einem breiteren Publikum wurde sie bekannt mit Büchern wie Angezogen. Das Geheimnis der in asiatische Modelle bestätigten nur die Regel. Mode (2013) und Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines M ythos • (2007). Vinken wurde 2018 mit dem Verdienstorden der Bundes Frauen waren auf der Bühne immer ein Stein des An- republik Deutschland ausgezeichnet und geht eigenen A ngaben stoßes. Bei Shakespeare wurden sie nur von Männern zufolge mindestens dreimal pro Monat ins Theater. 22 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Die wollen nurspielen Die Mode der Saison, vorgestellt von Verwandlungs- künstlern: dem Personal der Münchner Kammerspiele Porträtfotografie Still-Life-Fotografie MARIA ZIEGELBÖCK MARTIN FENGEL Styling Styling SAMIRA FRICKE CAROLINE BUCHOLTZ 24 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
GRO SWANTJE KOHLHOF, 24, Schauspielerin »Gro ist norwegisch, Swantje friesisch. Als Kind ließ ich mich Swantje nennen, Gro klingt ja wie ein Wort, das nicht fertig ist. Mit elf, zwölf bin ich rumgelaufen wie eine Farbexplosion. Neongrüne Schuhe, blaue Latzhose, rot gefärbte Haare. Meine Brüder, meine Mama, meine Oma, alle haben von Natur aus rote Haare, nur ich nicht. Dann wurden alle cooler, und ich bin auf Schwarz umgestiegen. Nicht wirklich Gothic, aber ziemlich schwarz. Ich habe mir die Haare braun gefärbt, war ganz blass, und wurde Gro. Jetzt bin ich wieder blond, meine echte Farbe, und immer noch Gro.« Kleid von Loewe, Kopfschmuck aus dem Stück »Die Selbstmord-Schwestern«. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 25
MARTHA ENGL, 31, Abendkasse »Es gibt keinen Dresscode mehr. Jüngere Leute sind sehr modebewusst, kommen aber oft in Jeans, das ist Hemd und Pullover von völlig in Ordnung. Mache ich auch: Jeans und T-Shirt, allerdings brauche ich ein Jackett drüber. Wir an der Prada, Rokoko-Perücke Abendkasse sind das Gesicht des Theaters, die Ersten, die gesehen werden. Unsere ä lteren Abonnenten sind angefertigt von der am elegantesten angezogen. Wir haben da viele schicke Damen im Kostüm und Herren mit Fliege zum Anzug. Maskenabteilung für Uschi Obermaier stand mal mit großem Hut vor mir an der Kasse. Sie und ihr Hut sahen umwerfend aus.« das Stück »Der Spieler«.
MAJA BECKMANN, 42, Schauspielerin »Ich habe in Der erste fiese Typ eine Frau gespielt, die sich ein System erschaffen hat, um im Leben zurechtzukommen. Zum Beispiel besitzt sie nur zwei Teller, sodass immer einer sauber und einer schmutzig ist. Ich tat mich schwer, in die Rolle zu finden, bis jemand aus der Regie meinte: Spiel doch deine Schuhe! Ich trug Clarks. Ich weiß, die sind ein Klassiker, aber ich finde sie hässlich und nichtssagend. Ich schaute also an mir runter, fühlte mich ein paar Sekunden ein – und auf einmal wusste ich, was zu tun war.« Oberteil und Kleid von Kenzo, Strumpfhose von Falke, Plateauschuhe von Gucci. Der Oberlippenbart ist eine Anfertigung der Masken abteilung der Münchner Kammerspiele. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 27
Blazer von Miu Miu, Bluse von Sacai, Cowboy- hut aus dem Stück » Sicherheitskonferenz«. Clutch von Giorgio Armani, angebracht an der Tür zum Lastenaufzug. MARTINA TAUBE-JEDRYAS, Künstlerische Betriebsdirektorin »Mit zehn oder zwölf wünschte ich mir zu Weihnachten weiße, knie hohe Knautschlackstiefel, wie Twiggy sie trug. Es war mein e rster Wunsch, der mit Mode zu tun hatte. Statt der Stiefel, die toll zu Miniröcken passten, bekam ich praktische, dunkle Stiefeletten von meiner Mutter. Ich habe nichts gesagt und sie brav getragen.« SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 29
NILS KAHNWALD, 34, Schauspieler »Kostüme prägen Körper, Kleidung verän- dert auch das Innere. Wenn ich auf der Bühne das Richtige trage, muss ich beim Spielen nicht nur in mir selbst suchen, manches passiert fast von allein.« Sakko von Dries Van Noten, Tasche von Tod’s. Historisches Watteau aus dem Fundus der Münchner Kammerspiele. Netzteil auf dem Kopf von der Masken- abteilung der Münchner Kammerspiele. 30 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
Shopper von Bottega Veneta, verziert mit Aufk lebern des Ensembles. Das Schlauchkleid des Kostümbildners Klaus Bruns stammt aus dem Stück »Das schweigende Mädchen«. SYLVIA JANKA, 49, Maskenbildnerin »Ich bin in Leipzig in der DDR groß gewor- den. Außer dass ich nicht r eisen konnte, wohin ich wollte, nicht sagen konnte, was ich wollte, und nicht studieren konnte, was ich wollte, habe ich schöne Erinnerungen. Ich war eine M ischung aus Popper und Waver und habe mir Strass- steine in die Netzunter- hemden meines Vaters genäht, dazu eine Jeans aus dem Konsum- Warenhaus. Nach der RAIMUND RICHAR-VETTER, 40, Maskenbildner Wende war ich ziemlich »Bevor ich zu den Kammerspielen kam, war ich vier Jahre lang mit Udo Jürgens überfordert von dem auf Tour gewesen, als sein persönlicher Maskenbildner. Ich konnte es mir riesigen Warenangebot.« anfangs auch nicht vorstellen, aber man kommt locker auf einen Acht-Stunden- Tag. Die Räume inspizieren, Garderobe einrichten, Hemden aufbügeln, Make-up und Haare machen, ihn zum Soundcheck begleiten, persönliche Rund umbetreuung, einpacken. In der Entourage hatten alle Anzüge an, meistens schwarze, es hieß immer, da kommen die Men in Black. Ich habe geschaut, dass Linke Seite, links: Tüllkleid und Ballerinas von Christian Dior, Strumpf- ich ordentlich angezogen bin, aber kein weißes Hemd und Krawatte, sondern hose von Falke, Ringe privat. Rechts: Hemd von Gucci, Hose von bunte Hemden und Fliege zum Cordsakko.« Louis Vuitton, Plateaustiefel aus dem Stück »1968 – Eine Besetzung der Kammerspiele«, Brille privat. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 33
ANDREAS MERKL, 59, Bühnentechniker »Ich habe immer gern Röcke getragen. Früher habe ich sie in Damenabteilungen gekauft, die saßen aber nie richtig, also habe ich mir einen Herrenrock aus schwarzem Leinen schnei- dern lassen. Leider wurde ich in München so oft dumm ange- sprochen – der eine pfeift, der andere denkt, man gehöre einer Sekte an –, dass ich ihn kaum noch anziehe. Es muss ja nicht selbstverständlich sein, aber auf einen Spießrutenlauf habe ich auch keine Lust.« Mantel, Hose und geblümter Rollkragen- pullover von Prada, Strickpullover von Ami, Clutch von Max Mara. Augenbrauen und Oberlippenbart aus dem Fundus der Maskenabteilung.
JELENA KULJIĆ, 42, Musikerin und Schauspielerin »In der Pubertät habe ich nicht die klassischen Normen erfüllt: Weder waren meine Formen weiblich, noch wollte ich Schuhe mit Absätzen tragen oder mich sexy anzie- hen, wie das junge Frauen in unserer serbischen Stadt taten. Als ich dann eine Band hatte und in einem Ort an der serbisch-bosnischen Grenze auftrat, verkaufte mir ein Zöllner günstig Doc- Martens-Stiefel, die er be- schlagnahmt hatte. Ich besitze sie immer noch – und drei weitere Paar Doc Martens. Sie sind meine absoluten Lieb- lingsschuhe.« Tüllkleid und Schuhe von Erdem. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 35
Slingback von Mulberry, mit hellblauem Sakko aus dem Stück »Doktor Alıcı«. Blumenring von Versace, fotografiert im Requisitenfundus. 36 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
MATTHIAS LILIENTHAL, 59, Intendant »Beim Gastspiel von Houelle becqs Unterwerfung quatschte mich eine Münchner Dame an: Was fällt Ihnen ein, so un gepflegt herumzulaufen? Ich war verwirrt, fragte dann aber sehr liebenswürdig: Und wer hat I hnen erlaubt, so gepflegt herumzulaufen? Ich versuche, hier in meiner Ar beit eine identische Person zu bleiben. So w enige Notlügen wie möglich, auch wenn es das für mich und das Theater manchmal nicht leichter macht. Das betrifft auch meine Gesamterscheinung. Es ist nicht so, dass ich Mode nicht sehen würde. Ich sehe die Acne-Klamotten meiner Freun din. Aber ich habe auch ein relativ gespaltenes Verhältnis zu meinem Körper. Bis Mitte der Zeit am ›Hebbel am Ufer‹ in Berlin habe ich manchmal Jacketts getragen, jetzt trage ich sie nur, wenn ich politisch unbedingt muss. Das ist schon ein innerer Widerstand. Wenn ich öfter Schläge einstecke, werde ich ja nicht weicher.« Sakko von Dressler über Lodenfrey, Kapuzenjacke und Shirt privat, Strümpfe von Gucci, Huhn-Kopfschmuck aus dem Stück »Nichts von euch auf Erden«, Pumps aus » Ludwig II. – Die volle Wahrheit«.
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HANS-BJÖRN ROTTL ÄNDER, WOLFGANG KLÖCKNER, SAJAD HOSAYNI, MICHAEL PARKER, RUDOLF SAILER, ANDREAS BÖHEIM, PIT SCHULTHEISS, THOMAS SPIEGLER (Technikabteilung, von links) PIT SCHULTHEISS, 66, Beleuchtungsmeister (Zweiter von rechts) »Bei uns hinter der Bühne sollen alle dunkle Kleidung tragen, die Techniker, die Beleuchter. Als stellver tretender Abteilungs leiter dürfte ich inzwischen auch in Jeans und Hemd rumlaufen. Aber ich bleibe bei den Arbeits klamotten, ich fühle michdarin wohl. Kleidung, die für eine bestimmte Arbeit steht, schafft ja auch ein bestimmtes Bewusstsein.« Dunkelblaue Handtasche (zweite von rechts) von Mulberry, alle anderen Taschen von Tod’s.
BARBARA SCHLEMER, »Je verrückter, Stellvertretende Leiterin Verwaltung, Personal, Organisation desto lieber!« Kleid von Anaïs Jourden, Sandalen von Kenzo.
Ohrring von Cartier, auf dem Abguss eines Ohrs in der Maskenwerkstatt. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 41
Baskenmütze von Emilio Pucci, auf Lampen aus dem Stück »Der Vater«. Tasche von Simone Rocha, mit hellblauem Sakko aus »Doktor Alıcı«. Die Sandale von Salvatore Ferragamo wurde im Malsaal fotografiert. 42 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
OLYMP.COM/SIGNATURE GERARD BUTLER’S CHOICE PHOTO: GREG WILLIAMS
THOMAS HAUSER, 26, Schauspieler »Mode ist für mich auch ein Kampf. Wenn ich die Möglichkeit habe, eine teure Klamotte anzu ziehen, ist das für mich eine Demonstration der Teilhabe. Weil ich als queerer Mensch nicht zur Mehrheit gehöre.« Kleid von Missoni, Socken von Bonne Maison, Sandalen von Ermenegildo Zegna. 44 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
SUSANNE DÖLGER, Schreinerei »Ich habe einen Turnschuh- Tick. Als Kind sollte ich Puma tragen. Ich wollte Adidas, aber die bekam ich nicht. Erst als ich 13 war, hat mir meine Mutter welche geschenkt. Die hab ich immer getragen, waren natürlich schnell durchgelau- fen. Mein Vater war dagegen, dass ich neue bekam. Adidas waren ja viel teurer als Puma. Natürlich habe ich mit 15 vom ersten selbst verdienten Geld in der Schreinerlehre neue gekauft. Es wurden immer mehr, ich habe Fußball gespielt und Tischtennis, hochklassig, dritte Liga. Heute spiele ich nicht mehr, aber es sind immer noch zwanzig Paar, Größe 42. Jacke von Simone Rocha, Drei Kinder habe ich, auch sie Vogel-Kopfschmuck aus dem Stück tragen nur Turnschuhe.« »Nichts von euch auf Erden«.
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SAMOUIL STOYANOV, 30, Schauspieler »Am liebsten wäre ich nackt. Oder hätte nur eine Basketballhose an, aber das ist oft zu kalt. Dann ziehe ich eine Jogginghose drunter, daran erkennt man mich. Meine Mutter schämt sich direkt für mich. Meine Freundin stört es nicht. Nur Essen darf nicht auf der Kleidung sein. Aber das möchte ich selber nicht. Jogginghose und Basketballhose sind schon einmal zu meinem Kostüm geworden, in Der Kirschgarten.« Unterhose von Schiesser, Sandalen von Gucci.
Perlenkette von Scho Studio, im Gipsraum der Maskenabteilung.
ZEYNEP BOZBAY, 26, Schauspielerin »Ich liebe gute Kleidung, aber sie ist so schwer in den Alltag integrier bar. Als Schau spielerin habe ich das Gefühl, ich muss irgendwie im mer ›ready to go‹ sein, mich jederzeit in eine Figur verwandeln können. Also bleibe ich privat eher neutral, ich trage häufiger praktische Kla motten, als mir eigentlich lieb ist.« Lederoberteil von Miu Miu, Pumps von Dries Van Noten, Strumpfhose von Smiffys, Reifrock aus dem Fundus der Kammerspiele, Federhut aus dem Stück »Mittelreich«. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 49
PETER BROMBACHER, Schauspieler Tannenbaum aus dem Weihnachts märchen »Zimt & Sterne« der Kammerspiele. Schuhe von Santoni, rote Socken von Falke.
Schuhe von Marni, auf der Trommel aus dem Stück »Schlachten!«. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 51
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LEO SCHÖNWALD, 19, absolviert ein FSJ Kultur in der Spielstätte »Kammer 4 You« (links) »Mode ist mir meistens ziemlich egal. Außer Socken. Die können für mich nicht zu ausgefallen und bunt sein. Am liebsten sind mir welche, die auch noch grafische Muster haben.« VALERIE EPPING, 26, Praktikantin in der Kostüm- abteilung (Mitte) »Kleidung ist angewandte Selbst erkundung. Ich habe mir neulich einen braunen Rollkragenpullover gekauft, eng anliegend, aus Samt, an einigen Stellen transparent. Etwas sehr Sinnliches. Ich habe dieses Teil gesehen und gewusst, dass es etwas ausdrücken kann, was ich in mir habe, eine weitere Facette. Danach suche ich immer.« VICTORIA DIETRICH, 28, Praktikantin in der Kostüm- abteilung (rechts) »Den Fatsuit fand ich gut. Der macht alles gleichgültig und irrelevant – was darunter ist und wie man aussieht. Man soll sich ja hauptsächlich wohlfühlen in dem, was man trägt.« Alle Fatsuit-Kostüme aus dem Stück »Fran ziska«. Links: Strumpfhose von Burlington, Ohrring von Gabriela Artigas, Armreif von Paola Vilas. Mitte: Strumpfhose von Maria La Rosa, Ohrring von Paola Vilas, Ring von Ming Yu Wang. Rechts: Strumpfhose von Falke.
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KINAN HMEIDAN, 27, Schauspieler »Im Winter weiß ich nicht, was ich anziehen soll. Warm muss es sein, aber ich finde es schade, dass die Farben dann gedeckt sind. Im Sommer trage ich viele bunte Sachen, Türkis ist meine Lieb- lingsfarbe. Seit ich in Deutschland bin, wundere ich mich, warum die Leute auch im Sommer häufig dunkle Farben tragen. Das tun sie in meiner Heimat Syrien erst, seit der Krieg ausgebrochen ist. Vielleicht ist ihnen das gar nicht bewusst: Vor dem Krieg haben alle, auch Männer, bunte Sachen getragen. Ich frage mich seither, welche Auswirkung Krieg auf Farben hat.« Strickjacke, Hose, Strümpfe und Sandalen von Gucci, die Lamettabox ist eine Anfertigung der Maskenabteilung für »Miunikh-Damaskus«. WHITE ROOM GREEN PIECE UNSERE 3-LAGEN-JACKE SOURCE. AUS 100% RECYCELTEM POLYESTER Für Sportler, die sich nicht zwischen, sondern für Performance, Style und Nachhaltigkeit entscheiden. Unsere Vision? Hochfunktionale Produkte ohne Footprint. Diese Meilensteine haben wir schon erreicht: Geschlossener Recyclingkreislauf und giftfreie Imprägnierung. Lust auf unbeschwerte Performance? Green Pieces gibt’s auf www.pyua.de
ANTONIA ZIEGENAUS, 19, Auszubildende in der Schneiderei »Ich liebe Tüllröcke. Ich durfte an einem braunen, asymmetrischen Tüllrock mitnähen, den eine Schauspielerin in Yung Faust trägt. Ich besitze selbst einen Tüllrock, schwarz und kurz. Und für den Jugendwettbewerb bei der Innung für Maßschneiderei nähe ich gerade ein langes, enges Kleid in Schwarz, bei dem unterhalb der Knie ein Tüllrock aufspringt.« Jacke von Stella McCartney, Ohrring privat. Clutch von Celine, im Regal des Requisitenfundus. Pumps von Jimmy Choo, im Zuschauerraum der Kammer 1 (Hauptbühne). 56 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
SIGRID DERVIEUX, 62, CHRISTIAN PETZUCH, 63, Zentrale Dienste (Organisatorisches) Bastler in der Tapeziererei »Ich trage Maßhemden, seit ich nach sich, meine bunten Klamotten zu bügeln, »Als ich in Schanghai im München kam. 2001 bin ich in den Laden von Clara Niggl in der Reichenbachstraße kein Problem, machte ich von da an selbst. Ich käme niemals auf die Idee, in T-Shirt Botanischen Garten gestolpert. Seitdem hat sich das Thema Hemd für mich erledigt. Zwei Hemden je oder kurzen Hosen in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Meine Jobbeschreibung: gearbeitet habe, ließ ich des Jahr näht sie mir, immer im gleichen Schnitt. Ich habe ja das Glück, mit den Jah Bastler, ich behandele viele sichtbare Ober flächen auf der Bühne. Aber ich verstehe mir auf dem Markt viele ren nicht auseinandergegangen zu sein. mich eher als bastelnder Intellektueller. Ich Unten gerader Abschluss. Ich trage die bin erst mit Mitte dreißig zum Theater ge Kleider schneidern, auch Hemden glatt über der Hose, eine Brust kommen, hatte zuvor Sozialwesen im Ruhr tasche – für die Zigaretten –, schmaler gebiet studiert, in Kulturzentren gearbeitet, Kragen, immer einen Knopf geöffnet. Nie auch Musikalienhändler gelernt, war aus Sari-Stoffen, die ich Krawatte, nie ein Sakko drüber, ich fahre ja Fahrrad. Immer T-Shirt drunter, schwarz Kellerknecht in einer Sektkellerei – bis ich mal in Salzburg sah, wie an einem Baum mit aus Indien mitgebracht oder grau. Meine Hemdenfarben: erfri schendes Dunkelblau, anziehendes Maus Wachs befestigte Blätter einzeln auf Kom mando im Takt auf die Bühne fielen. So was hatte. Ich besitze wenige grau, entspanntes Schwarz, ich besitze kein fasziniert mich. Ich habe dann in München einziges weißes Hemd. Zwanzig Hemden als Urlaubsvertretung angefangen. Bin Kleidungsstücke. Wenn etwa hängen im Schrank. Ich bügle selber. immer noch da. Die Jungen müssen noch Ich war ja mal Hippie, meine Mutter weigerte ein paar Tricks lernen von uns Alten.« ich welche kaufe, schaue ich nicht auf den Preis und trage sie, egal ob sie gerade modern sind, wie die Marlenehosen, die ich schon mochte, als man sie in den Geschäften kaum finden konnte. Was sich über die Jahre nie geändert hat: Ich mag keine Blusen, dafür Farben und auffällige Kragen.« Pullover, Weste, Hose und Stiefel von Louis Vuitton, Handschuh von Akris, über Haarjacke aus dem Stück »War and Peace«. Muskelshirt aus dem Stück »Mittelreich«, Lederhose von Gucci, Brille und Schuhe privat. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 59
WIEBKE PULS, 45, Schauspielerin »Ich habe mich als Kind schon gern verkleidet. Meine Mutter hat eine große Kiste mit Faschings- kostümen und abgelegten Erwachsenenklamotten eingerichtet. Auf einem Foto stehe ich unter einem Regenschirm im Garten, in einem himmelblauen Rock mit Rosen darauf, da- runter ein Tutu und ein Ringel-Frotteekleid, drüber eine Cowboyweste. Nicht mal sechs Jahre war ich da. Meinen kleinen Bruder habe ich auch gern verklei- det. Mit neun bin ich geschminkt in die Schule gegangen. Meine Eltern haben eher in Musikunter- richt investiert als in coole Outfits. Als Teenager be- kam ich darum Kleidergeld, das ich in der Regel zum Kopfschütteln unsinnig an- gelegt habe – etwa in Stie- fel aus weißem, gelochtem Nappaleder, im November. Veränderung und Stilisie- rung machen mir bis heute großen Spaß, und ich bin sehr dankbar für die Arbeit der KostümbildnerInnen. Die richtigen Kleider helfen mir, ein Körpergefühl für eine Rolle zu entwickeln. Wenn ich an meine Rollen denke, fallen mir zuerst die Kostüme und Perücken ein und das Gefühl, mit dem ich sie getragen habe. Meinen Text habe ich oft zwei Tage nach der letzten Vorstellung vergessen.« Kleid von Valentino, Plateau- sandalen von Miu Miu, Kopfschmuck aus dem Stück »Der Sturm«.
WALTER HESS, 79, Schauspieler »Im Sturm, Shakes— peare, habe ich den König von Neapel gespielt. Es geht um eine Gesellschaft, die strandet. Ich hatte einen sehr teuren Trainingsanzug an, hellbeige, mit Gold- beschriftung. Da dachte ich, den möchte ich eigentlich mitnehmen. Das war so schön gegen- läufig zur Vorstellung eines Königs.« Stiefeletten von Max Mara. Das stehende Kleid wurde für »Doktor Faustus Lichterloh« angefertigt. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 61
VINCENT REDETZKI, 26, Schauspieler (links) »Ich war Kinderschauspieler, Willi in den Wilden Hühnern, Teile 1, 2, 3, und anderes. Mit elf trug ich meinen ersten, maß geschneiderten Anzug in der Schaubühne. Der war blau, mit Nadelstreifen. Ich war gleich fasziniert. Seitdem liebe ich Anzüge. Ich habe so um die zwanzig im Schrank hängen. Am liebsten Dreiteiler, die Hose darf nicht zu eng sein, breiter Bund, breites Revers, dicke Kra watte, Dreißigerjahre-Schnitt, gern altmodisch, aber nicht zu exaltiert. Ich darf nicht das Gefühl haben, verkleidet zu sein. Gern mit Krawatte. Anzüge ver ändern die äußere und innere Haltung, das fasziniert mich. In Kreuzberg gibt es so einen In-Schneider, »Herr von Eden«, viele Jungschauspieler tragen Anzüge von dem. Ich wollte mir zur Abschlussprüfung an der Ernst-Busch-Schule auch einen leisten, aber ein paar Tausend Euro für einen Maßanzug waren mir dann doch zu viel. Ich kaufe secondhand. Gern auch bei Oxfam. Meine Anzüge kosten selten mehr als zwanzig Euro. Für die Abschlussprüfung habe ich mir schließlich in Schott land einen Smoking gekauft. Zwanzig Pfund. Der hatte drei Mottenlöcher, die wollte ich zum Stopfen geben, aber die Näherin holte einfach einen Edding und übermalte sie.« Pokalsammlung im Fundus der Requisite, mit einer Uhr von Bulgari und einem Münzarmband von Marjana von Berlepsch. CHRISTIAN LÖBER, 35, Schauspieler »Das Kleidungsstück, das mich zuerst am meisten geprägt hat, war die Arbeitsjacke bei VW. Ich bin erst spät zum Theater gekommen, eigentlich habe ich eine Ausbildung zum Industriemechaniker gemacht und später Maschinen- bau studiert. Als Azubi und danach in der Fertigung hab ich mich durch die graue Latzhose, Arbeitsschuhe und Jacke auf eine Art verwandelt. Alle waren nahezu gleich. Dann trat ich in die IG Metall ein, wurde Jugendvorsitzender. Die Reden, die ich dort geschwungen habe, waren vielleicht schon eine Vorstufe zum Theater. Bis heute finde ich, dass einen auf der Bühne nichts so sehr verändert wie Uniformen.« Links: Parka von Acne Studios, Hemd und Hose von Ermenegildo Zegna, Sonnenbrille von Balenciaga, Socken von Paul Smith, Stiefel von Red Wings. Rechts: Daunenjacke von Calvin Klein Jeans über mytheresa.com, Oberteil und Hose von Craig Green, Sonnenbrille von Cartier, Sneaker von Adidas. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 63
JOCHEN NOCH, 63, Schauspieler und Direktor der Otto-Falckenberg-Schule (links) »Früher haben sich mehr Paradiesvögel be worben. Jetzt kommen die meisten der rund 500 Bewerberinnen und Bewerber je des Jahr in Alltagsklamotten. Deswegen lassen wir noch niemanden durchfallen, aber ein Kostüm vermittelt ein besseres Ge fühl für die Rolle. Darüber sollte man sich Gedanken machen. Denn alles, was auf der Bühne geschieht, hat eine Bedeutung. Dieses Jahr hat einer mit Totenschädel und Weintrauben in einem Vanitas-Bühnenbild gespielt, obwohl er keine Rolle aus dem Mittelalter vorgesprochen hat, und ist wei tergekommen. Eine andere kam mit selbst genähtem Fantasiekostüm und hat einen großen Teddy als Ansprechpartner mitge bracht. Sie schaffte es sogar unter die letz ten zwanzig, hatte sich da aber schon für eine andere Schule entschieden. Ich verste he nicht, warum, aber immer öfter spielen Leute barfuß vor. Oder noch schlimmer: in Socken. Das macht überhaupt keinen Sinn, man rutscht ja auf dem Bühnenboden. Und sie spielen Figuren, die sicherlich Schuhe getragen haben. Schuhe helfen, ein Gefühl für eine Figur zu entwickeln. Ich habe schon mal rumgefragt, ob irgendein Hand buch das Barfußvorspielen empfiehlt – gefunden habe ich keins.« Kartenhemd aus »Alice im Wunderland«, Unterhose privat. BENJAMIN RADJAIPOUR, 28, Schauspieler »Wenn meine Mutter mich zu einer Einla dung mitnimmt, sagt sie immer: Die wissen, dass du am Theater arbeitest, du musst dich jetzt nicht extra verrückt anziehen. Dabei bin ich gar nicht verrückt gekleidet. Ich hatte diese Bauchtasche, so eine Fanny Pack, die war total abgetragen, ein Ge schenk meiner Mitbewohnerin. Dann ging die Tasche kaputt, und meine Mutter hat mir zu Weihnachten eine neue geschenkt. Dabei hat sie natürlich die ›Street Credi bility‹ durch die abgetragene Tasche total unterschätzt. Eine Zeit lang habe ich Gaffer Tape über den Schriftzug auf der neuen geklebt. Ich habe nichts gegen die Marke, aber ein bisschen spießig ist sie schon. Jetzt stehe ich dazu.« Hemd von Balenciaga, Hose privat. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 65
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STEFAN MERKI, 56, Schauspieler »Meine absolute Lieblingshose, das einzige 100 JAHRE Kleidungsstück, dem ich so etwas wie FREISTAAT Liebe entgegengebracht habe, hatte ich als BAYERN Teenager: eine Cordhose aus ganz dickem Stoff und mit tiefen Ritzen zwischen den Wulsten, rotbraun, ins Violette gehend, eng am Oberschenkel, nach unten hin weiter werdend mit e twas Schlag, sodass ich meine Stiefel gut dazu tragen konnte, die mich etwas größer machten. Es war eine Manchester- hose. Ungefähr mit 13 bekam ich sie und NUR NOC H war damit in dem kleinen Züricher Vorort auf W E N IG E RE! E EMPLA X jeder Garagenparty sehr cool unterwegs. Sie war weich, deshalb hatte ich wohl eine so DIE UHR ZUM JUBILÄUM Eine auf 100 Exemplare limitierte Sonderedition „NOMOS Tangente – innige Beziehung zu ihr. Es gab in meiner 100 Jahre Freistaat Bayern“ der Uhrenmanufaktur NOMOS Glashütte: Kindheit noch keinen Weichspüler. Die Unter- mit einer blauen Raute auf sechs Uhr, weiß rhodinierten Zeigern und einer Rautengravur auf der Krone. wäsche kratzte, was hab ich gelitten. Strumpf EXKLUSIV BEI UNS ERHÄLTLICH hosen konnte ich auch nie tragen. Bevor sonntags die Unterwäsche gewechselt wurde, habe ich sie in der Nacht ans Bettende gelegt und im Schlaf weich getreten, so gut ich konnte.« J. B. FRIDRICH GMBH & CO KG SENDLINGER STRASSE 15 • 80331 MÜNCHEN TEL 089 260 80 38 • WWW.FRIDRICH.DE Longsleeve, Hemd und Leggings von Vivienne Westwood, Plateaustiefel aus dem Stück »Nichts von euch auf Erden«, Netzteil auf dem Kopf von der Maskenabteilung der Kammerspiele.
MAJD FEDDAH, 36, Schauspieler »Kleidung involviert dich und andere gleichzeitig. Wenn du dich nur für andere anziehst, hast du ein Problem. Ich mag es, wenn die Kleidung dem, der sie anhat, ähnlich ist.« Kapuzenpullover von Louis Vuitton. 68 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
EVA LÖBAU, 46, Schauspielerin »Wenn es der Anlass hergibt, trage ich High Heels. Sieht gut aus. Gleich zeitig vergesse ich nie: Das ist die Domestizierung der Frau. Es sind die Schuhe, mit denen du nicht weglaufen kannst.« Kleid von Fendi, Top von Giorgio Armani, Holzbeine aus dem Stück »Die Regentrude« der Schauburg München, die sich mit den Kammerspielen die Werkstätten teilt.
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HELENA ECKERT, 28, Dramaturgin »Ich versuche möglichst viel Secondhand-Kleidung zu tragen, um ihre Lebenszeit zu verlängern und mich von Fast Fashion zu d istanzieren. Diese Aussage neben einem Foto von mir in D esignerklamotten aus einer aktuellen Kollektion ist natürlich paradox. Bei dem Shooting habe ich nicht gefragt, wie und wo die Kleidung produziert wurde.« Federhaube und Mantel von Dries Van Noten, Rock und Stiefeletten von Der Gipskopf von Wiebke Puls trägt eine Sonnenbrille von Chloé. Max Mara, Reifrock der Königin Gertrude aus »Hamlet«. AB 21. FEBRUAR IM KINO
ANNETTE PAULMANN, 54, Schauspielerin, mit LENI, ihrem Hund »Ich habe kein Abendkleid, nie eines besessen. Es gab auch noch nie eine Gelegenheit, wo ich es vermisst hätte. Sollte ich wirklich mal eines brauchen, würde ich zur Gewandmeisterin des Theaters gehen und mir eines leihen. Ich besitze zwei, drei blaue Hosenanzüge und Kostüme, die ich auf Lesungen trage oder – was es ja in meinem Alter immer öfter gibt – auf Beerdigungen.« Bluse und Rock von Gucci, Pumps von Miu Miu, Lenis Haarteil ist aus dem Maskenfundus. 72 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
KAMEL NAJMA, 44, Schauspieler in ihren Augen, dass Schal oder Socken. »In München tragen sie mich gar nicht Es fällt mir auch beim die Menschen dunkle richtig verstanden Essen auf: Das Essen Farben, Schwarz, haben. Und wenn in München schmeckt Grau, Braun, Dunkel- doch mal jemand eine richtig gut, aber blau, als ob sie sich intensive Farbe trägt, meistens ist es braun.« gegen irgendwas dann oft verhuscht, wappnen wollten. Ich fast verschämt, als Kapuzenjacke von Moncler 2 1952, Krone aus »Ludwig II.«. finde das traurig, weil viele so wunder- bar blaue, grüne, gelbliche Augenha- ben. Manchmal sehe ich jemanden mit einem gelben oder roten Pullover, stürme auf ihn zu und be danke mich. Die Leute lächeln dann oder bedanken sich ihrer- seits, aber ich erkenne
LOLA FONSÈQUE, 29, Regieassistentin »Ich liebe es, Verwirrung zu stiften. Kleidung kann das wunderbar. Madame? Monsieur? Butch? Man weiß es nicht, es juckt im Kopf, wie spannend.« Top und Leggings von Acne Studios, Ballerinas von Santoni, Cap und Brille privat. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 75
FRANZ ROGOWSKI, 33, Schauspieler (links) »Meinen Lieblingsanzug habe ich geklaut. Er ist marine- blau, mit einem Schnitt im Siebzigerjahre-Stil: hohe Hüfte, breites Bein, nicht ganz eng. Den Anzug habe ich als Cherubino in Figaros Hochzeit in den Kammer spielen getragen und nach der letzten Vorstellung einfach mitgenommen. Bei Filmen ohne Förderung gibt es meist kein Budget für Kostüme, da wird man schon mal gefragt, ob man nicht aus dem eigenen Kleider- schrank etwas zum Dreh mit- bringen könnte. Der Ver- such, jemand anderes zu sein, wird in der eigenen Hose manchmal nicht wirklich unterstützt. Deswegen trage ich persönlich lieber die Kette von Chanel, an der Büste von Richard Riemerschmid, der vor mehr als hundert Hosen der Regisseurin.« Jahren den Innenausbau der Kammerspiele entwarf. Die Büste hängt im Foyer. DAMIAN REBGETZ, 40, Schauspieler und Musiker »Wenn man bei sich selbst erlebt, mit welchem Aufwand und welcher Hingabe die Kostümbildner einem Schauspieler ein Kostüm auf den Leib schneidern, kann man eigentlich kein Kleidungsstück mehr in einem normalen Geschäft kaufen. Man sieht an jeder Naht, wie lieblos die hingeschludert wurde.« Jumpsuit von Perfect Moment über mytheresa.com, Loafer von Acne Studios, Socken von Cos, Spitzenjumpsuit aus »Tauberbach«, Sandalen von Gucci. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 77
JULIA RIEDLER, 28, Schauspielerin Salzburg gab. Darin habe Mode verschwimmen. Ich »Wenn ich Feierabend ich mich unwohl gefühlt. teile mir eine Wohnung habe, ist das Letzte, das Ich wollte Skaterschuhe mit Thomas Hauser, auch mir einfällt, in eine tragen, aber das fanden Schauspieler. Er trägt Umkleidekabine zu gehen. alle unweiblich. Jetzt gibt oft hohe Schuhe und wi- Früher hat mich Mode es eine Frauenabteilung in derlegt die These, dass erdrückt. Ich hatte nur den Sneakerstores. Die das nicht ästhetisch aus- Zugang zu Kleidung, die Grenzen z wischen männ- sieht. Und ich widerlege es im Einkaufszentrum in licher und weiblicher die These, dass Skater- schuhe an Frauen nicht schön sind. In Yung Faust trage ich klobige Nikes in Giftgrün, die ich mir nie kaufen würde. Aber ich gewöhne mich mit jeder Vorstellung mehr an sie. Es erweitert etwas in mir, wenn ich sie trage. Was mich allerdings stört: Wie gleich wir Menschen uns alle anziehen. Das ist gruselig. Wie steuerbar man da ist. Wenn alle dasselbe wollen, hat man alle in der Hand.« Jumpsuit von Jenny Fax, Stiefeletten von Giorgio Armani, Perücke aus dem Maskenfundus der Kammerspiele.
Stiefel von Givenchy, fotografiert in der Foyer-Bar. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 79
Haare & Make-up: Team der Maskenabteilung der Münchner Kammerspiele und Julia Schlotke Stylingassistenz: Vanessa Danisch, Kira März Produktion: Franziska von Stenglin, Ralf Zimmermann Mitarbeit: Anna-Lena Engel Fotoassistenz: Mara Pollak, Janek Stroisch Protokolle: Max Fellmann, Lara Fritzsche, Tobias Haberl, Gabriela Herpell, Lars Reichardt, Susannne Schneider Besonderen Dank an Martina Taube-Jedryas und Katrin Dod. Herrenuhr von Patek Philippe, fotografiert im Beleuchtungslager. Federsandalen von Valentino, unter einer Probenmaske für »Drei Schwestern«. 80 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN
STEFANIE RENDTORFF, 60, Inspizientin »Ich habe nach dem Tod meines Vaters inige seiner feinwolligen Anzughosen e mitgenommen und enger schneidern lassen. Keine anderen Erinnerungsstücke sind mir so lieb geworden. Objekte, die in der Wohnung stehen, nutzen sich als Erinnerungsanker ab, aber diese Hosen nicht. Wenn ich sie morgens aus dem Schrank nehme und anziehe, sehe ich mei- nen Vater, wie er in ihnen ging, wie er in ihnen dastand, ich höre ihn sogar reden. Nur für e inen Moment, dann schließe ich den Bund und nehme meinen Vater mit in meinen Alltag.« Mantel, Strümpfe und Schuhe von Prada.
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