Was kann künstliche intelligenz? - Wie Akteure im Norden das Potenzial von maschinellem Lernen nutzen wollen - Life Science Nord
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MEDTECH, BIOTECH & PHARMA | 1/2018 Was kann Künstliche Intelligenz? Wie Akteure im Norden das Potenzial von maschinellem Lernen nutzen wollen IMPLANTATE DRUCKEN Mit dem Fraunhofer IAPT wird Ham- burg Spitzenstandort für 3D-Druck und additive Fertigungstechnologien DEr GenTHERAPEUT Kilian Guses Startup GeneQuine entwickelt eine Therapie für das Gelenkleiden Arthrose 01_LSNM_2018_01_Titel.indd 1 10.04.2018 13:48:57 Uhr
02 INHALT KNOW-HOW SPECIAL PORTRÄT POTENZIAL VON 3D-DRUCK NUTZEN WAS KANN KÜNSTLICHE INTELLIGENZ? MIT GENTHERAPIE GEGEN ARTHROSE SEITE 06 SEITE 08 SEITE 16 NEWS SPECIAL PORTRÄT NACHRICHTEN AUS WIRTSCHAFT MASCHINELLES LERNEN UND KI DER NORDEN IM PROFIL UND WISSENSCHAFT 08–Was kann künstliche Intelligenz leisten? 16–Der Gentherapeut 04–Cluster erwirtschaftet Künstliche Intelligenz bietet immer dann Der Pharmazeut Kilian Guse entwickelt 4,3 Milliarden Euro Potenzial, wenn große Datenmengen bewältigt mit seinem Startup GeneQuine molekulare Das Cluster Life Science Nord hat seinen öko- werden müssen. Das Special beleuchtet, wie die Therapien gegen das Gelenkleiden Arthrose. nomischen Fußabdruck in der industriellen Ge- Medizin von KI-Algorithmen profitieren kann sundheitswirtschaft für 2016 bestimmen lassen. und wie Akteure im Norden Einsatzgebiete für 17–Baustart für neues Medizintechnikwerk maschinelles Lernen in Pilotprojekten erproben. Olympus baut am Standort in Hamburg-Jenfeld 05–Amputierte besser versorgen sein Forschungs- und Produktionszentrum aus. Das neue Exoprothesennetz.SH will Menschen helfen, denen Gliedmaßen amputiert wurden BUSINESS NORD und die fortan auf Prothesen angewiesen sind. TALENTE NACHRICHTEN AUS DEN UNTERNEHMEN 05–Standorte für Nano-Forschung EXZELLENTE LEISTUNGEN Das Centrum für Angewandte Nanotechnologie 12–Von der Tumorbiobank zur Krebstherapie AUS DEM NORDEN (CAN) wird Fraunhofer-Einrichtung, das Center Die Indivumed GmbH will mit einem Darlehen for Hybrid Nanostructures (CHyN) auf dem von 40 Mio. Euro und 20 Mio. Euro von Privatin- 18–Hamburg wird Top-Informatikstandort Campus Bahrenfeld ist bezugsfertig. vestoren ihre Krebsdatenbank ausbauen. Die Informatikplattform „ahoi.digital“ ist gestar- tet und adressiert auch medizinische Themen. 13–Patienten digital rekrutieren KNOW-HOW Mit einer neuen Finanzierungsrunde will das 18–Herr Gerkmann, woran forschen Sie Hamburger Startup Mondosano sein Portal für gerade? KOMPETENZEN AUS DER REGION klinische Studien erweitern und langfristig auch Timo Gerkmann erforscht im Rahmen von „ahoi. AUF EINEN BLICK internationale Patienten ansprechen. digital“ die Sensor-Datenerfassung bei medizini- schen Geräten. 06–Spitzenzentrum für 3D-Druck ausgebaut 13–Lokale Elastin-Produktion ankurbeln Mit dem Fraunhofer IAPT wird Hamburg zum Die MedDrop GmbH bringt ihre Expertise 19–In neuen Vorstand gewählt Spitzenstandort für additive Fertigungstechno- bei Applikationssystemen in ein neues EU- Der BVMA hat Ralf Freese von der CTC North logien. Verbundprojekt zur Narbenheilung ein. GmbH zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. 07–Virtuelle Operationshelfer für Chirurgen 14–Life Sciences in Kalifornien: Das Startup apoQlar entwickelt Daten-Brillen für Hotspot für digitale Medizin 19–Neue Präsidentin startet ins Amt den OP. Mixed Reality blendet MRT-Bilder des Die San Francisco Bay Area ist Innovationsma- Die Humangenetikerin Gabriele Gilessen-Kaes- Patienten während des Eingriffs ein. schine für Biotechnologie und digitale Gesund- bach ist neue Präsidentin der Universität Lübeck. heitstechnologien. 15–„Achse Kiel – San Francisco“ Axel Schulz vom Kieler Verein The Bay Areas e. V. über das Netzwerken zwischen Förde und der Bucht von San Francisco. 02-03_LSNM_2018_01_Editorial.indd 2 10.04.2018 13:53:43 Uhr
Editorial 03 Digitale Medizin Was kann künstliche Intelligenz in der Besuchen Sie uns auf Facebook: Medizin leisten? www.facebook.com/LifeScienceNord tan und einen „Innovation Hub“ gegründet, in dem eine ganze Band- breite von unterschiedlichen Computerassistenzsystemen für Medi- ziner und Pflegekräfte erarbeitet wird. Philips wiederum arbeitet mit Dr. Hinrich Habeck, der TU Hamburg-Harburg und dem Universitätsklinikum Eppendorf Geschäftsführer zusammen. Und mittendrin agiert das Startup FUSE-AI ebenfalls mit Life Science Nord Management GmbH vielversprechenden Ansätzen für die medizinische Diagnostik. Auch an anderen Stellen dieser Ausgabe des LSN Magazins wird deutlich, wie digital die Medizin bereits geworden ist. Das Startup apoQlar stellt Hightech-Brillen für Chirurgen her, mittels sogenannter Liebe Leserinnen und Leser, der Hype um die Künstliche Intelligenz Mixed Reality werden sie bei Eingriffen mit eingeblendetem Bildma- ist groß. Kaum eine Konferenz, kaum ein Technologieartikel kommt terial aus MRT-Scans unterstützt. Das sind Technologien, wie wir sie mehr ohne die Schlagworte „Deep Learning“ oder „Machine Learning“ bisher nur von den Superhelden aus Hollywood kannten. Warum aus. Doch was könnten IT-gestützte Algorithmen tatsächlich für die Kalifornien als Wiege der molekularen Biotechnologie nun auch Medizin – und hier vor allem im klinischen Einsatz leisten? Dieser zum Hotspot und Schrittmacher in der digitalen Medizin geworden Frage gehen wir in unserem Special zur Künstlichen Intelligenz nach. ist und wie Unternehmen aus dem Norden hier Kontakte knüpfen Der Norden ist hier gut aufgestellt: Die Fraunhofer-Gesellschaft hat können, beleuchten wir in unserem Länderspecial. Und wir stellen mit dem MEVIS eine auf bildgestützte Verfahren in der Medizin spe- „ahoi.digital“ vor und erläutern, wie diese hochschulübergreifende zialisierte Einrichtung, die Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf Informatikplattform auch Medizintechnologien erforscht. Spitzenniveau betreibt. Aktuell arbeiten die IT-Experten mit der Ham- burger Asklepios Klinik zusammen, um Radiologen die Arbeit bei der Mein Team und ich wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen! Diagnostik von Krebsleiden zu erleichtern. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein hat sich mit dem IT-Konzern IBM zusammenge- Hinrich Habeck 02-03_LSNM_2018_01_Editorial.indd 3 10.04.2018 13:53:45 Uhr
04 NEWS ÖKONOMISCHER FUSSABDRUCK CLUSTER ERWIRTSCHAFTET 4,3 MILLIARDEN EURO Das Cluster Life Science Nord hat erneut seine Wirtschaftskraft ver- messen lassen. Besonders erfreulich: 2016 gab es in der industriellen Gesundheitswirtschaft in Hamburg und Schleswig-Holstein 1.000 Jobs mehr in Forschung und Entwicklung als noch zwei Jahre zuvor. Vorderste Reihe v.l.n.r.: Benno Legler, Dr. Hinrich Habeck, Senator Frank Horch, Peter Vullinghs, Minister Dr. Bernd Buchholz (ganz rechts) Das Cluster Life Science Nord hat sich zum von 4,3 Mrd. Euro. „Ein Plus von knapp 300 verwies auf eine verbesserte Datenbasis, die zweiten Mal aus volkswirtschaftlicher Sicht Mio. Euro bei der Bruttowertschöpfung und auch einen bundesweiten Vergleich der Bun- den Puls fühlen lassen: Mit der marktöko- 3.300 Beschäftigte mehr in den vergangenen desländer ermögliche. „Insbesondere der An- nomischen Bewertung der „industriellen zwei Jahren zeigen, dass sich die Branche in stieg an Jobs in Forschung und Entwicklung Gesundheitswirtschaft“, insbesondere der Schleswig-Holstein und Hamburg positiv ist für uns sehr wichtig – denn sie sind das Bereiche Produktion und Vertrieb, hatte entwickelt“, sagte WifOR-Forscher Benno Scharnier für eine erfolgreiche Zukunft des das Cluster wie bereits vor zwei Jahren das Legler bei der Präsentation. „Vor allem im Clusters“, sagte Hinrich Habeck, Geschäfts- Darmstädter Wirtschaftsforschungsinstitut Bereich Forschung und Entwicklung sind führer der Life Science Nord Management WifOR beauftragt. Die Kennzahlen, die sich seit dem Jahr 2014 mehr als 1.000 zusätzliche GmbH. Die Potenziale, die im hohen Vernet- auf amtliche Daten des Statistischen Bundes- Arbeitsplätze entstanden.“ zungsgrad mit anderen Branchen im Norden amtes sowie der Statistischen Landesämter schlummern, wolle man noch stärker nutzen. stützen, wurden im Januar im Hamburger Hoher Grad an Vernetzung Sowohl der Hamburger Wirtschaftssenator Firmensitz des Technologie-Konzerns Phi- Zudem besitze das Cluster eine überdurch- Frank Horch als auch Schleswig-Holsteins lips vorgestellt. Die Bühne bereitete dort schnittlich hohe Ausstrahlungskraft auf die Wirtschaftsminister Bernd Buchholz be- der neue Health Innovation Port (HIP), eine Gesamtwirtschaft der Region. Je Euro Wert- grüßten die Cluster-Analyse und machten Kreativzone für Gesundheitstech-Startups. schöpfung im Cluster entstünden weitere sich für eine Fortführung der Clusterpolitik Die Life-Science-Branche im Norden hat 0,39 Euro in der Gesamtwirtschaft in Ham- und der länderübergreifenden Zusammenar- demnach im betrachteten Jahr 2016 einen burg und Schleswig-Holstein. „Diese hohen beit stark. pg markanten „ökonomischen Fußabdruck“ indirekten Wertschöpfungseffekte sind In- hinterlassen: 49.900 Erwerbstätige im Clus- diz für die Ausstrahlwirkung des Clusters Weitere Infos: www.lifesciencenord.de/ ter erzielten eine Bruttowertschöpfung und den hohen Grad an Vernetzung.“ Legler cluster-kennzahlen 04-05_LSNM_2018_01_News.indd 4 10.04.2018 13:54:42 Uhr
NEWS 05 EXOPROTHESENNeTZ.SH AMPUTIERTE BESSER Versorgen MEDTECH-ALLIANZ MAGIA Vier Life-Science-Cluster mit Schwerpunkt Es sind hierzulande vor allem Menschen mit soll für Betroffene die Anlaufstelle bei allen Medizintechnik haben sich seit Januar Diabetes, denen Gliedmaßen amputiert wer- Fragen zu medizinischen Problemen, körperli- 2018 in der europäischen Allianz MAGIA den müssen. Nach der Operation beginnt für chen Beschwerden und prothetischen Lösun- zusammengetan, um sich gemeinsam für sie oft eine Zeit mit erheblichen physischen gen werden. Damit werde eine neue Qualität die Kleinen und Mittleren Unternehmen und psychischen Herausforderungen. Eine der Patientenversorgung ermöglicht, betonte des Sektors einzusetzen und Potenzial für enge Betreuung seitens der Klinik existiert oft der Netzwerk-Koordinator, die Kieler Wirt- Synergien zu heben. Dem EU-geförder- nicht oder ist meist nicht lang genug. Das soll schaftsförderung KiWi. Life Science Nord ist ten Verbundprojekt gehören neben Life sich mit dem Exoprothesennetz.SH ändern: als Vernetzungspartner an Bord. Neben dem Science Nord noch BioPmed (Piemont), Ende 2017 haben sich 26 Unternehmen und auf Exoprothetik ausgerichteten Versor- das wallonische Cluster BioWin und das Institutionen aus Schleswig-Holstein zusam- gungs- und Innovationsnetzwerk gibt es mit französische Cluster Lyonbiopole (Region mengeschlossen, um Menschen, die sich ei- dem von der Life Science Nord Management Auvergne-Rhone-Alpes) an. Gemeinsam ner Amputation unterziehen müssen, künftig GmbH koordinierten Verbund NORTHOPE- wollen die vier Partner ihre Stärken und über den gesamten Behandlungsweg zuver- DICS ein weiteres Innovationsnetzwerk im Schwächen ausloten und bis zum Som- lässig die bestmögliche Versorgung zu bieten. Norden – es konzentriert sich auf das Thema mer die zwei bedeutendsten außereuro- Das bundesweit einzigartige Netzwerk wird Knochenheilung. Andreas Seekamp, Direk- päischen Absatzmärkte bestimmen, die aus Mitteln des Bundeswirtschaftsministe- tor der Klinik für Orthopädie und Unfallchi- die Allianz besonders adressieren wird. riums unterstützt. Im Exoprothesennetz.SH rurgie am Universitätsklinikum Schleswig- ist die gesamte Prozesskette an Leistungs- Holstein in Kiel, ist an beiden Netzwerken Weitere Infos: www.clustercollaborati- erbringern vertreten: Orthopädietechnik, beteiligt: „Die beiden Netzwerke ergänzen on.eu/escp-profiles/magia Softwareentwicklung, additive Fertigung sich ideal und heben unsere Region als Spit- (3D-Druck), Gesundheitsmanagement und zenstandort für Orthopädie, Traumatologie spezialisierte Rehabilitation ebenso wie Fach- und Orthopädietechnik hervor.“ pg kliniken, Forschungseinrichtungen und Pfle- #Optik 2,3 Mio geeinrichtungen. Das Exoprothesennetz.SH Weitere Infos: www.kiwi-kiel.de CAN & CHYN Eur0 gibt es für das Lübecker Verbundpro- STANDORTE FÜR NANO-FORSCHUnG jekt Neuro-Oct vom Bundesforschungs- ministerium. Im Fokus: hochauflösende 3D-Mikroskope für Neurochirurgen. Das Centrum für Angewandte Nanotechno- Unterdessen hat das Center for Hybrid Na- logie (CAN) GmbH forscht fortan unter der nostructures (kurz CHyN) in einem neu er- Flagge der Fraunhofer-Gesellschaft: Zum 1. richteten Bau auf dem Forschungscampus Januar 2018 wurde das CAN in das Fraun- Bahrenfeld – in direkter Nachbarschaft zum EVOTEC-SANOFI-PlATTFORM hofer-Institut für Angewandte Polymerfor- DESY – den Betrieb aufgenommen. Genutzt schung IAP integriert. Unter der Leitung des werden die Labor- und Büroflächen von acht Die Evotec AG und der Pharmakonzern Chemikers Horst Weller werden die 23 For- Arbeitsgruppen des Instituts für Nanostruk- Sanofi verhandeln exklusiv über den schenden ihre Arbeiten am Standort Ham- tur- und Festkörperphysik (INF) der Univer- Aufbau einer Open-Innovation-Plattform burg fortsetzen. Im Fokus des Fraunhofer- sität Hamburg. In einem interdisziplinären zur Erforschung und Entwicklung von Zentrums für Angewandte Nanotechnologie Ansatz beschäftigen sich Forschende aus der Medikamenten gegen Infektionskrank- CAN steht die Herstellung und Charakterisie- Physik, Chemie, Biologie und Medizin mit heiten. Das von Evotec geführte Zentrum rung einer Vielzahl von Materialien in Form dem Studium von Nanostrukturen. Ziel ist, soll im französischen Lyon entstehen. von Nanopartikeln und Nanocompositen. die Eigenschaften von Festkörpern und von Sanofi transferiert sein Antiinfektiva- „Das Portfolio vom CAN ergänzt das Kom- Bio-Materialien zu analysieren, diese ein- Forschungsportfolio sowie sein Exper- petenzspektrum des Fraunhofer IAP hervor- ander anzupassen, um daraus schließlich tenteam an das Hamburger Unterneh- ragend um Aktivitäten in den Geschäftsfel- neue Materialeigenschaften hybrider Nano men. Mehr als 150 Wissenschaftler sollen dern Optoelektronik und Medizintechnik“, strukturen für chemische, biologische und künftig für Evotec in diesem Bereich for- sagt der Potsdamer Leiter des Fraunhofer medizinische Anwendungen zu entwickeln. schen. Evotec erhält vorab 60 Mio. Euro IAP, Alexander Böker. Gegründet wurde die Für den Neubau investierten Bund und Land und eine langfristige Finanzierung, um CAN GmbH im Jahr 2005 als Public Private mehr als 61 Mio. Euro. pg das Portfolio weiterzuentwickeln. Partnership von der Freien und Hansestadt Hamburg, der Universität Hamburg sowie Weitere Infos: Weitere Infos: www.evotec.com Industrieunternehmen. www.iap.fraunhofer.de; www.chyn.de 04-05_LSNM_2018_01_News.indd 5 10.04.2018 13:54:42 Uhr
06 Know-How MaterialForschung SPITZENZENTRUM für 3D-Druck AUSGEBAUT Hamburg wird zum führenden Standort für 3D-Druck: 50 Mio. Euro schichtweisen Aufbau erheblich leichter. „In fließen in das Institut für Additive Produktionstechnologien – ehemals meinen Augen ist es elementar, dass jedes Unternehmen erkennt, welche Chancen Laser Zentrum Nord – das seit Anfang des Jahres eigenständig zur die 3D-Drucktechnologie ihm bietet – und Fraunhofer-Gesellschaft gehört. Ein Fokus ist die Medizintechnik. welche Herausforderungen sie birgt“, sagt Emmelmann. Wo früher aus klobigen Metallteilen ein Glatte Hüfte aus dem Drucker Werkstück gebohrt, gepresst, zerspant oder Aktuell wird unter anderem an Innovatio- geschliffen werden musste, setzt heute nen für die Endoprothetik gearbeitet. hochmoderne Lasertechnik feinstes Zusammen mit der Firma Johnson Metallpulver Schicht für Schicht & Johnson forscht das IAPT an aufeinander. Mit dieser Kompe- neuartigen Titanprodukten tenz im 3D-Druck hat sich das für Hüftpfannen. Hinzu Laser Zentrum Nord (LZN) kommt ein weiterer Clou: in den vergangenen zehn Poröse Gitterstrukturen Jahren immer mehr als Ko- auf der Oberfläche der operationspartner für die Implantate sollen die Industrie etabliert. Mehr Osteointegration, also als 100 Mitarbeiter sind das Einheilverhalten, be- am Hamburger Standort schleunigen. „Die Lang- in Bergedorf tätig, Indust- zeitstudienergebnisse riekonzerne wie Airbus, Por- stehen noch aus. Aber sche, Daimler und Johnson & man geht davon aus, dass Johnson gehören zu den Kun- die so beschaffenen Im- den. Ca. 2.000 3D-Druck-Exper- plantate durch ihre Oberflä- ten hat das LZN über seine Akade- chenstruktur länger im Körper mie in diesem Jahr ausgebildet. verbleiben können als die bishe- Seit Anfang des Jahres ist das LZN rigen, glatten Implantate“, sagt Em- nun ganz offiziell Teil der Fraunhofer-Ge- melmann. Das dürfte nicht nur erhebli- sellschaft. Insgesamt 50 Mio. Euro werden che Kosten sparen, sondern auch die vielfach Bund und Land investieren, damit Hamburg Diese Hüftpfanne wurde mittels 3D- üblichen Revisionsoperationen vermeiden mit seinem ersten eigenständigen Fraunho- Druck am IAPT gefertigt. helfen. „Der endoprothetische Markt hat den fer-Institut für Additive Produktionstechno- 3D-Druck bereits akzeptiert und wird sich logien (IAPT) die Weltführerschaft im Tech- fahren hergestellt“, berichtet Emmelmann. schnell weiterentwickeln“, so Emmelmann. nologietransfer weiter ausbauen kann. „Das Vor allem die geringeren Kosten sind ein Auch die Druck-Anlagen entwickeln sich ist ein Riesenwurf“, betont Institutsleiter Wettbewerbsvorteil, nicht nur in der Zahn- rapide weiter: in Kürze gibt es Anlagen mit Claus Emmelmann, der seine Einrichtung medizin. Dreidimensionale, am Computer zehn Lasern, wodurch sich die Aufbauraten als Schnittstelle zwischen Forschung und modellierte Werkstücke, gefertigt durch 3D- extrem verkürzen. Das IAPT hat sich in Ham- Industrie versteht. Laserdruck, bieten etwa der Zulieferindustrie burg als wichtiger Partner für die Wirtschaft erhebliche Einsparungsmöglichkeiten, wenn etabliert. 10 Mio. Euro Umsatz sind 2018 ange- Medizintechnik effizienter produzieren es um die Produktion von Prototypen oder peilt. Dabei unterstützen wird auch das neue Aus wirtschaftlicher Perspektive ist der 3D- Werkzeugen geht. „Gegenüber herkömmli- 3D-Druck-Netzwerk, das Mitte Februar mit Druck ein Markt mit großem Wachstum- chen Herstellungsverfahren wird deutlich mehr als 180 3D-Druck-Experten als Informa- spotenzial – sowohl für die Automobil- und weniger Rohstoff benötigt, da es keinen Ver- tionsplattform und Kompetenzforum für den Luftfahrtindustrie oder den Schienenfahr- schnitt mehr gibt“, so Emmelmann. Gleich- 3D-Druck in Hamburg gestartet wurde. jmr zeug- und Schiffsbau, als auch für die Medi- zeitig gebe es deutlich weniger Restriktio- zintechnik. „Bereits heute werden weltweit nen bei der geometrischen Formengebung. Weitere Infos: www.iapt.fraunhofer.de/ etwa 10% der Zahnkronen im 3D-Druckver- Und die fertigen Metallteile sind durch den www.3d-druckhamburg.de 06_LSNM_2018_01_Know-How_3D-Druck_.indd 6 10.04.2018 13:54:59 Uhr
Know-How 07 MixeD Reality Virtuelle OpERATIONSHelfer für ChirurgEN Das Startup apoQlar stellt mithilfe seiner Software MRT-Bilder dreidimen- sional in einer Mixed-Reality-Brille dar. Die Aufnahmen können Eingriffe verbessern, zur Patientenaufklärung dienen oder Assistenzärzte an komplexe Organe heranführen. Bilder dreidimensional in den Raum pro- Startups dar und sichern so die weitere Op- Patient arbeiten. Bisher liegt die Abweichung jizieren – das klingt nach Hollywood und timierung. „Die VSI ist eine intelligente Soft- bei drei Millimetern, wir wollen aber min- Zukunftsmusik. Doch das Hamburger ware. Sie basiert auf Mixed-Reality-Techno- destens bis auf einen Millimeter kommen.“ Startup apoQlar mit Sitz im Health Inno- logien und nutzt Künstliche Intelligenz (KI)“, Zudem soll die Software in Zukunft auch vation Port (HIP) ermöglicht Chirurgen ge- sagt Nadja Parfenov, Marketing-Managerin für die Patientenaufklärung oder zu Ausbil- nau das: Mithilfe einer Mixed-Reality-Brille bei apoQlar. „Im Gegensatz zur Virtual Reali- dungszwecken eingesetzt werden. können Ärzte Patientenaufnahmen aus einer ty bleibt bei der Mixed Reality die reale Um- Magnetresonanztomographie (MRT) oder gebung vollständig sichtbar.“ Dafür wird den Kooperation mit Fraunhofer MEVIS Computertomographie (CT) während einer Chirurgen während der OP eine Brille aufge- Für Mitte 2018 wird eine neue Brille von Mi- OP aufrufen und auf den Patienten projizie- setzt: die HoloLens von Microsoft. Mithilfe crosoft auf dem Markt erwartet, die einen ren, um sich beispielsweise der Lokalisation von Handgestik lassen sich dann die Soft- stärkeren Prozessor und einen verbesserten eines Tumors zu vergewissern. Dadurch sol- ware aktivieren und die Scans aufrufen. Die KI-Chip enthalten soll. Bis dahin will auch len OP-Risiken wie eine falsche Schnittfüh- Ärzte durchsuchen die jeweilige Aufnahme apoQlar seine VSI-Software aufrüsten. Ne- rung minimiert werden. nach der gewünschten Stelle und können ben dem Hamburger Marienkrankenhaus per Sprachsteuerung auf den Patienten kooperieren die Entwickler des Startups seit Steuerung per Gestik und Sprache selbst fixieren. Der Clou: Sogar während der Kurzem auch mit dem Fraunhofer-Institut Möglich wird diese 3D-Darstellung von CT- OP kann sie auf dem Patienten liegen bleiben für Bildgestützte Medizin MEVIS. Dabei und MRT-Scans durch die Virtual Surgery oder mittels Fingerzeig beiseite geschoben sollen durch sogenannte Segmentierung Intelligence (VSI) Software, die gemeinsam werden. Schon jetzt seien die Anwender in die einzelnen Gewebearten durch KI auto- mit Chirurgen wie Oberarzt Hans-Jürgen der Medizin begeistert, doch laut Parfenov matisch erkannt und entsprechend farblich von Lücken vom Hamburger Marienkran- gibt es auch noch einige Herausforderungen markiert werden. „Wir haben zwar mit dem kenhaus entwickelt wurde. Diese Ärzte stel- zu meistern: „Wir müssen noch etwas an der Kopf-Hals-Bereich angefangen, wollen aber len auch das Medical Advisory Board des Präzision der Überlagerung von Scan und auf weitere medizinische Anwendungsge- biete, wie beispielsweise Biopsien erweitern“, berichtet Parfenov. Auch weitere Weichteile und Gelenke sollen bald in den Anwendungs- katalog aufgenommen werden. „Unser VSI- System könnte theoretisch für jede erdenk- liche Operation eine Hilfestellung für den Chirurgen sein.“ Ein Mitmach-Paket für Ärzte ist schon online erhältlich. Das Marienkran- kenhaus hat es bereits eingeführt und an der University of Calgary wird es derzeit instal- liert. In naher Zukunft ist ein Basispaket der Software geplant. In etwa sechs Monaten soll es entsprechende Module für die einzelnen Fachbereiche geben. Geplant ist außerdem eine Funktion, die es erlaubt, bestimmte Stellen in den Scans farbig zu markieren oder etwas einzuzeichnen. jmr Weitere Infos: https://apoqlar.com/de 07_LSNM_2018_01_Know-How_apoQlar.indd 7 10.04.2018 13:55:18 Uhr
08 SpeCial MEDIZIN Sabrina Reimers-Kipping kennt sich aus mit dem menschlichen Ge- hirn. Die Biochemikerin war einst in der Hirnforschung tätig – das kommt ihr heute beim Hamburger IT-Startup FUSE-AI zugute, wenn Was kann sie sich mit künstlichen neuronalen Netzen beschäftigt. Während der Mensch dank der Architektur des Gehirns natürlicherweise in künstliche der Lage ist, eine massive Parallelbearbeitung zu betreiben, müssen Informatiker diese Prozesse in einer Computerumgebung künstlich erzeugen. Sie wollen Maschinen trainieren, bestimmte Muster oder Intelligenz Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und zu lernen. Unter dem Stichwort „Machine Learning“ oder „Deep Learning“ gibt es heute die verschiedensten Algorithmen, um Gesichter, Sprache, Leisten? Schriften oder Bilder automatisch zu erkennen und gezielt weiterzu- verarbeiten. „Künstliche Intelligenz ist ein faszinierendes Instrument mit dem riesigen Potenzial, Prozesse zu verbessern und dem Arzt die Diagnosearbeit stark zu erleichtern“, sagt Reimers-Kipping. In zwei Mensch und Technik können sich immer besser Entwicklungsprojekten setzen die Hamburger Methoden der Künst- ergänzen. Vor allem bei der Analyse medizini- lichen Intelligenz (KI) bei bildgebenden Verfahren in der Medizin ein: Mit dem Wuppertaler Radiologie-Zentrum Radprax entwickelt scher Daten und Bilder sind smarte Rechen- FUSE-AI ein System zur automatischen Erkennung von Prostata- leistungen gefragt. Akteure im Norden wollen krebs. „In einem ersten Schritt haben wir dem Algorithmus antrai- dieses Potenzial für den Patienten gezielt niert, die Prostata zu markieren“, erläutert Reimers-Kipping. ausschöpfen und haben erste Pilotprojekte in Als nächstes soll das neuronale Netz darauf getrimmt werden, krebsverdächtige Bereiche im Prostatagewebe zu erkennen und diese der Klinik gestartet. zu klassifizieren. Ein Entwicklerteam mit derzeit sechs Mitarbeitern füttert die Algorithmen dazu zunächst mit MRT-Bildern, auf denen 08-11_LSNM_2018_03_Special.indd 8 10.04.2018 14:07:14 Uhr
SpeCial 09 die Wuppertaler Mediziner als Coaches verdächtige Stellen markiert haben. „Diese Daten mit bekannten Diagnosen zeigen wir unseren neuronalen Netzen“, so Reimers-Kipping. Ähnlich wie Kinder durch CCMME 2018: Cognitive das Zeigen der immer wieder gleichen Dinge Erkenntnisse hinzuge- winnen, kann auch das computergenerierte System lernen, Assozia- computing in MeDicine and tionen herstellen und mit der Analyse beginnen. Radiology, 8. Juni, Hamburg „Unser künstliches neuronales Netz unterstützt den Arzt bei der Diagnose, wir wollen ihn aber nicht ablösen. Die letzte Entscheidung Informationstechnologien dringen in immer mehr Berei- über den Befund trifft immer der Arzt“, betont Reimers-Kipping. In che der Medizin ein und werden in naher Zukunft zentrale einem halben Jahr will FUSE-AI einen Prototypen des Prostatakrebs- Arbeitsabläufe in der Radiologie betreffen. Große und gut erkennungstools fertig haben. Ein zweites Projekt fokussiert eben- standardisierte Datenmengen entstehen, und Startups und falls auf die medizinische Bildgebung und zwar in der Dermatologie. KI-Forscher versprechen fundamentale Veränderung in der In einer Allianz mit den Partnern Jenoptik und dem Universitätskli- Arbeit der Ärzte durch automatisierte Analysen der trainier- nikum Jena wollen die Hamburger ein intelligentes Dermatoskop zur ten Algorithmen. Was aber wird tatsächlich benötigt und Erkennung von Hautkrebs entwickeln. was ist machbar? Auf der Konferenz CCMME 2018 kommen Experten und Entscheider zusammen, um klinische Ziele, Gebündelte KI-Kompetenzen im Norden wissenschaftliche Methoden und wirtschaftliche Expertise In der Hansestadt fühlen sich Reimers-Kipping und ihr Team bes- zu bündeln: in Lösungen, die praktisch helfen. tens aufgehoben. Das Thema KI ist im gesamten Cluster Life Science Nord präsent. Reimers-Kipping: „Wir sehen uns mit unserer flexi- Mehr Infos: www.ccmme.org blen KI-Plattform als ideale Ergänzung in der hiesigen Wertschöp- fungskette. Wir entwickeln kommerzielle Lösungen und betreiben gleichzeitig Auftragsforschung.“ Regelmäßigen Austausch pflegt das Startup unter anderem mit dem Fraunhofer-Institut für bildgestütz- klinischen und akademischen Partnern hat sich Fraunhofer MEVIS te Medizin (MEVIS) in Bremen. Eingebunden in ein Netzwerk aus auf die Fahnen geschrieben, praxistaugliche Softwaresysteme für die bildgestützte Früherkennung, Diagnose und Therapie zu entwi- ckeln. „Mit diesem Fokus auf die Medizin haben wir in den vergan- genen Jahren eine hohe Kompetenz aufgebaut, um die spezifische Komplexität medizinischer Daten – vor allem im Klinikumfeld – zu verstehen“, erklärt MEVIS-Experte Markus Wenzel. Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck und der Uni- versität zu Lübeck wird inzwischen ein gemeinsamer Arbeitskreis zu KI und Deep Learning angeboten. Seit etwa fünf Jahren tüfteln die Fraunhofer-Forscher an sogenannten kognitiven Computerassis- tenten. „Mit dieser KI-Plattform wollen wir Mediziner bei Arbeiten unterstützen, die langwierig, monoton und immer wiederkehrend sind – etwa, wenn es darum geht, die Umrisse eines Organs auf einer CT-Aufnahme präzise zu bestimmen. Außerdem sind die As- sistenten in der Lage, Informationen aus medizinischen Bilddaten herauszudestillieren, die ein Mediziner beim bloßen Blick auf den Bildschirm kaum zu erkennen vermag“, berichtet Wenzel. Bislang werden solche „Deep-Learning“-Algorithmen im Wesentlichen von Informatikern konzipiert und geschrieben. Dann werden die Er- gebnisse für solche Assistenten im Rahmen spezieller Wettbewerbe miteinander verglichen, sogenannter Challenges. Das Prinzip: Zu Beginn erhalten mehrere konkurrierende Programmierer-Teams ein- und denselben medizinischen Datensatz. Auf dessen Grundlage trainieren die Bildverarbeitungsexperten dann ihre Algorithmen. Am Ende hat die Software, die die gestellte Aufgabe anhand eines unab- hängigen Datensatzes am besten zu erledigen weiß, den Wettbewerb gewonnen. Da die Algorithmen auf denselben Datensatz angewen- det werden, sind die Resultate sehr gut vergleichbar. Aber: „Diesen Challenges mangelt es aus Sicht der Kliniker nicht selten an Praxisre- levanz“, sagt Wenzel. Aus diesem Grund binden die Bremer Experten nun die Mediziner in ihren Projekten noch enger als bislang in die Software-Entwicklung ein – so in einem laufenden Pilotprojekt an der Asklepios Klinik Barmbek in Hamburg. Hier geht es unter ande- rem darum, das Volumen der Leber auf einer Computertomographie (CT)- oder Magnetresonanztomographie (MRT)-Aufnahme im Laufe einer Therapie präzise zu vermessen: Wie zum Beispiel verändert sich die Größe eines Organs durch eine wiederholte Bestrahlung? 08-11_LSNM_2018_03_Special.indd 9 10.04.2018 14:07:16 Uhr
10 SpeCial „Diese Volumenbestimmung ist besonders bei großen oder komple- xen Organen wie der Leber eine zeitaufwendige Prozedur. Ein Arzt bei mir würde mit einem zugelassenen Medizinprodukt gut eine halbe Stunde dafür brauchen“, sagt Roland Brüning, Chefarzt für Ra- diologie und Neuroradiologie an der Asklepios Klinik Barmbek. Ein Computerassistent hingegen könnte das Organ auf der Aufnahme automatisch erkennen und sein Volumen erfassen. Wenzel: „Unse- re KI-Plattform segmentiert die Leber in bis zu 400 Schichten und misst den Umfang in wenigen Sekunden. Nun geht es darum her- auszufinden, ob sie auch verdächtige Stellen erkennen kann.“ Die KI- Plattform der Fraunhofer-Forscher ist so ausgelegt, dass sie auf der Basis eines gemeinsam aufgebauten Bilddatenbestandes erste Versi- onen der Computerassistenten entwickeln. Dann wird das System in der klinischen Umgebung mit den Medizinern getestet. Regelmäßig speisen sie neue Fälle aus ihrer üblichen Routine in die Software ein, begutachten, was der Assistent daraus macht, und korrigieren Ergeb- nisse. „Dadurch sehen die Kliniker jederzeit, auf welchem Lernstand der Computer ist und können regelmäßig Verbesserungshinweise geben“, beschreibt Wenzel die Vorteile dieser Vorgehensweise. „Wir Entwickler können dann gezielt auf ihre Bedürfnisse und etwaige Probleme reagieren.“ Die Folge: Der Computerassistent erfährt ein praxisrelevantes Training und wird nach und nach immer leistungs- fähiger. „In die Entwicklung solcher lernenden Assistenten so direkt eingebunden zu sein, ist nicht nur wissenschaftlich spannend. Es hilft mir auch, Vertrauen in die Fähigkeiten der Software zu gewin- Dr. Sabrina Reimers- nen“, sagt Chefarzt Roland Brüning. Aus seiner Perspektive hat KI vor Kipping allem angesichts des wachsenden Kostendrucks im medizinischen Head of Medical Adivsory, FUSE-AI Alltag großes Potenzial und aufgrund der großen Datenmengen, die in der Radiologie naturgemäß anfallen, lässt sich hier ein direkter Einsatz in naher Zukunft am schnellsten umsetzen. Herausforderung Versorgungskrankenhaus Um sich mit anderen Experten auszutauschen, haben Wenzel und Brüning die Konferenz „Cognitive Computing in Medicine and Ra- diology“ initiiert, die am 8. Juni in Hamburg stattfindet. „Wir wollen uns hier mit KI- und Radiologie-Experten über den aktuellen Stand der Technik und unsere Erfahrungen austauschen“, erläutern sie ihre Motivation. Radiologen wie Michael Forsting, Professor am Universi- tätsklinikum in Essen, oder Stephan Schönberg, Professor am Univer- Prof. Dr. Roland Brüning sitätsklinikum in Mannheim, werden ebenso erwartet wie Vertreter Chefarzt von IBM oder Philips (siehe Kasten S. 9). Brüning verspricht sich vor Asklepios Klinik Barmbek allem im Austausch mit Kollegen aus den forschenden Kliniken eine regen Wissenstransfer. Denn die technischen Voraussetzungen für den Einsatz eines Deep-Learning-Systems an einer privaten Klinik wie in Barmbek zu schaffen, ist eine Herausforderung. „Zu gewährleisten, dass der Algorithmus innerhalb einer Hoch- sicherheits-IT-Umgebung arbeiten und die Patientendaten sehen darf, ist in einem Versorgungskrankenhaus schwieriger als in einer Uniklinik, an der routinemäßig mit Patientendaten geforscht wird“, weiß auch Wenzel. Aufbauend auf Public-Domain-Ansätzen wurde in den letzten Jahren eine servicebasierte IT-Architektur entwickelt, die über sogenannte Paravirtualisierung ein maschinell lernendes Christian Elsner System innerhalb eines Klinikumfeldes ermöglicht. „Wir verkapseln Kaufmännische Direktion dabei Hardware und Software in einzelne Komponenten, die sich UKSH selbst erkennen und die über einen Memorystick an die Klinik-IT angeschlossen werden. Die Mediziner können dadurch auf jedem Kli- nikrechner über eine spezielle Software auf das System zugreifen“, er- läutert Informatiker Wenzel. Und inzwischen habe man das Interface schon so gestaltet, dass es auch für Ärzte benutzerfreundlich ist. Erste Versionen wurden auf der Konferenz „SPIE Photonics West“ vorge- stellt, die Anfang Februar in San Francisco, USA, stattgefunden hat. 08-11_LSNM_2018_03_Special.indd 10 10.04.2018 14:07:19 Uhr
SpeCial 11 Symbiose von Maschinen und Menschen in der Klinik Dass klinische Daten das neue Gold sind, das es mithilfe künstlicher Intelligenz zu bergen gilt – davon ist auch Christian Elsner über- zeugt. „Wenn wir uns als Universitätsklinik in diesem Feld nicht ak- tiv beteiligen, dann sind wir langfristig verloren“, bringt es der kauf- männische Direktor am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) auf den Punkt. „Wir müssen Maschinen und Menschen bestmöglich miteinander vernetzen, damit jeder entsprechend seiner Fähigkeit einsetzbar ist.“ Im Klinikalltag stehen dabei Spra- cherkennungstools und Bewegungserkennung im Vordergrund, aber auch softwaregestützte Medikamentendosierungssysteme. Das Ziel ist immer das Gleiche: Der Dokumentationsaufwand in der Pflege und bei der Betreuung der Patienten soll so erleichtert werden, dass wieder mehr Zeit für den Patienten bleibt. Elsner: „Das Bart de Witte Director Digital Health DACH papierlose Krankenhaus hat unsere Ärzte und unser Pflegeperso- IBM nal an die Tastatur gefesselt, wir wollen sie davon wieder befreien.“ Im Jahr 2017 ist das UKSH mit Tempo in das Thema eingestiegen. Gemeinsam mit der deutschen Dependance des IT-Konzerns IBM testet das UKSH neue Ansätze unter anderem in einem „Kognitiven Zimmer“ – eine Spielwiese von Internet of Things-Anwendungen im klinischen Umfeld, die das Potenzial vernetzter Geräte für Pati- enten und Ärzte in einem Praxisumfeld demonstrieren soll. Begon- nen hat die Kooperation zwischen UKSH und IBM beim „Healthcare Hackathon“ im Herbst 2017. Inzwischen wurde sie in einem „Inno- vation Hub“ institutionalisiert. Gemeinsam soll hier mit Startups und Forschungseinrichtungen an neuen kognitiven Technologien und Lösungen für das Gesundheitswesen gearbeitet werden. Bart Dr.-Ing. Markus Wenzel de Witte, Director Digital Health DACH bei IBM Deutschland hofft, Computer Scientist dass sich diese offene, unternehmens- und grenzüberschreitende Fraunhofer MEVIS Zusammenarbeit als Keimzelle für ein neues Innovations-Ökosys- tem in Schleswig-Holstein etabliert. Elsner betrachtet solche Aktivitäten als wesentliche Strategie, um langfristig als Universitätsklinikum in der ersten Liga mitspielen zu können. Unter den sechs Forschungsbereichen, die im Innovation Hub in mehreren Teams vorangetrieben werden, gibt es auch ein Big-Data-Projekt. Mit einem KI-Tool wird an einem besseren Ver- fahren zur Erkennung von Mustern in Daten von Intensivpatien- ten gearbeitet, um kritische Zustände in Zukunft noch früher zu erkennen. Ein weiterer Meilenstein wird im Mai der offizielle Start des Avatars „HospitalGenius“ in der Patientenaufnahme des UKSH sein. Elsner: „Damit wollen wir die Eingabe von Standarddaten au- Dr. Michael Graß tomatisieren.“ Principal Scientist, Philips Research Philips mit neuem KI-Projekt in Hamburg Auch Medizinproduktehersteller wie Philips haben längst das Po- tenzial Künstlicher Intelligenz erkannt. Von den 1,7 Mrd. Euro, die jährlich in die Forschung und Entwicklung des Konzerns fließen, entfallen allein 60% auf die Entwicklung von Software und in die Datenwissenschaft. Nun ist Philips Konsortialführer eines gemein- samen Projekts mit der TU Hamburg-Harburg sowie der Radiologie und Kardiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, um maschinelle Lernverfahren für die kardiovaskuläre Bildgebung zu entwickeln. „Mithilfe von KI-Algorithmen wollen wir Gefäßver- engungen automatisch vermessen und Ablagerungen automatisch finden“, erläutert Philips-Wissenschaftler Michael Graß. Gemein- sam sollen alle notwendigen Schritte von der Annotation klinischer Bilddaten über das Training verschiedener KI-Netzwerkarchitektu- ren bis zur Evaluation erforscht werden. Im November hat die Ham- burgische Investitions- und Förderbank die Finanzierung vorläufig bewilligt. Künstliche Intelligenz – so viel wird deutlich – ist aus der Medizin von morgen nicht mehr wegzudenken. pg/sw 08-11_LSNM_2018_03_Special.indd 11 10.04.2018 14:07:21 Uhr
12 Business NorD indivumed Von der Tumorbiobank zur Krebstherapie Die Hamburger Firma Indivumed will dank eines Darlehens von 40 Mio. Euro durch die Europäische Investitionsbank sowie weiteren 20 Mio. Euro von Privatinvestoren ihre Krebsdatenbank global deutlich erweitern und so zur schnelleren Wirkstoffentwicklung beitragen. Rund 700.000 Proben von 30.000 Krebspatienten lagern schon jetzt in der Krebsdatenbank der Indivumed. Durch die Erweiterung des Kliniknetz- werks sollen jährlich Daten von 20.000 Patienten aufgenommen werden. Die Indivumed GmbH hat sich seit der Grün‑ Indivumed inzwischen angewachsen. Dank Darüber hinaus will der Hamburger nun dung im Jahr 2002 vor allem als Forschungs‑ eines 40-Mio.-Euro-Darlehens der European endlich jenen Schritt gehen, der ihn bereits dienstleister für die Krebsmedizin einen Na‑ Investment Bank (EIB) sowie weiteren 20 bei der Gründung der Indivumed vor 16 Jah‑ men gemacht: Die Hamburger unterhalten Mio. Euro von privaten lokalen Investoren ren angetrieben hat: „Ich wollte schon immer eine weltweit anerkannte Krebsdaten‑ und aus dem Hamburger Umfeld will das Unter‑ etwas bewegen und bessere Krebstherapien Biobank, in der isolierte Muster von Bio‑ nehmen seine nächsten Expansionsschritte zu den Patienten bringen. Bisher haben molekülen wie RNA, DNA und Proteinen so vollziehen: Tausende Gewebeproben sollen aber schlichtweg die Datenmengen und IT- aufbewahrt werden, wie sie im menschlichen nun molekular und phenotypisch charak‑ Lösungen gefehlt. Nun können wir unsere Körper existiert haben. „Für diese Biobank terisiert und über eine portable IT-Lösung Infrastruktur unmittelbar auch in Pharma‑ haben wir eigene Standards und Verfahren zusammen mit den klinischen Daten aus‑ partnerschaften zur Medikamentenentwick‑ etabliert, sodass wir eine hohe Qualität an gewertet und Partnern zugänglich gemacht lung einbringen, an der wir partizipieren wol‑ Daten sicherstellen können“, betont Indivu‑ werden. Der weitere Ausbau des Kliniknetz‑ len.“ Hierfür sollen in einem ersten Schritt med-Gründer Hartmut Juhl. werkes in Europa, den USA und Asien soll zu‑ fünf bis zehn gezielte Entwicklungspartner‑ 700.000 Proben aus 30.000 Krebspatien‑ künftig für einen zusätzlichen Datenstrom schaften mit Pharma- oder Biotech-Firmen ten weltweit sind in der Biobank des Un‑ von etwa 20.000 Patienten jährlich sorgen. gestartet werden. Langfristig will Juhl mit‑ ternehmens bereits gespeichert. Zahlreiche „Hierfür wollen wir uns eine smarte und in‑ hilfe der Krebsdatenbank auch Diagnostika Pharmafirmen nutzen den Datenschatz telligente IT-Infrastruktur aufbauen, sodass entwickeln, die die personalisierte Krebs‑ schon heute, um ihn nach relevanten Bio‑ wir eine globale Krebsdatenbank besitzen, medizin von Patienten unterstützen. sw markern für Darm-, Lungen- oder Brustkrebs die als Ausgangspunkt für die Entwicklung zu durchforsten. Auf 180 Mitarbeiter – da‑ individualisierter Krebstherapien dienen Mehr Infos: von die große Mehrheit in Hamburg – ist kann“, sagt Juhl. www.indivumed.de 12_LSNM_2018_01_indivumed.indd 12 10.04.2018 13:56:41 Uhr
Business NorD 13 Klinische Studien Patienten DIGITAL rekrutieren Mit frischem Kapital aus einer neuen Erkrankungen wie Diabetes, Rheuma, Asth- über digitale Kanäle angesprochen. „Die di- Finanzierungsrunde ist das Hamburger ma sowie Herz- oder Hauterkrankungen. Mit gitale Patientenrekrutierung in Deutschland Startup Mondosano weiter auf Wachs- dem frischen Kapital aus der Finanzierungs- steckt zwar noch in den Kinderschuhen, doch tumskurs: Etwa 54.000 Patienten sind runde im Januar wollen Abraham und Erb in die Branche wächst. Und viele Teilnehmer für über das Onlineportal der Firma bereits Zukunft ihr Studienangebot erweitern: „Noch klinische Studien werden über traditionelle registriert und können für klinische Stu- in diesem Jahr werden wir den Bereich Onko- Rekrutierungswege wie Zeitungsanzeigen dien vermittelt werden. logie mit in unser Repertoire aufnehmen.“ gar nicht mehr erreicht“, so Abraham. Einen einstelligen Millionenbetrag konnte Unterstützung erhalten die Gründer von Im April 2016 von Anna Abraham und Christi- das Startup für das weitere Wachstum ein- ihren Geldgebern. 2016 konnte das Team an Erb gegründet, hat sich Mondosano inner- sammeln. Langfristig ist zudem eine Inter- dank einer Seed-Finanzierung das Online- halb von zwei Jahren im deutschsprachigen nationalisierung des Geschäfts geplant. „Die portal aufbauen. Anfang 2018 wurde der Ge- Markt der digitalen Patientenrekrutierung großen Pharmaunternehmen wie Pfizer, sellschafterkreis rund um Hanse Ventures bereits erfolgreich etabliert. Die junge Firma Bayer oder GlaxoSmithKline agieren inter- und den Berliner Gesundheitsinvestor „Die versteht sich dabei als neutrales Bindeglied national. Deshalb wollen auch wir unseren Brückenköpfe“ erweitert. Neu an Bord ist zwischen Patient und Forschung. „Der Lei- potenziellen Patientenpool in naher Zukunft unter anderem Roland Sand, Beiratsvorsit- densdruck vieler chronisch kranker Patienten europaweit ausweiten.“ Aktuell sind nach Fir- zender der Berliner Biotech-Firma Glycoto- und somit der Informationsbedarf zu neuen menangaben etwa 54.000 Nutzer registriert. pe, der seine Expertise im Bereich der Krebs- Therapien ist enorm“, berichtet Geschäfts- Aus diesem Pool kann Mondosano in der Regel erkrankungen beisteuern soll. jmr führerin Abraham. Bisher konzentrierte sich 10 bis 20% der Studienteilnehmer stellen. Die das Unternehmen vor allem auf chronische darüber hinaus benötigten Patienten werden Weitere Infos: www.mondosano.de Narbenheilung LOKALE Elastin-Produktion IN der Haut ANKURBELN Ein neuartiger Wirkstoff soll mit einer sie im Rahmen der EuroTrans- soll eine nicht-invasive, zielge- innovativen Applikationsmethode unter Bio-Förderinitiative 230.000 richtete Abgabe von Elastin die Haut gebracht werden, um dort die Euro vom Bundesminis- mRNA durch die epider- Elastinproduktion anzukurbeln. Zusam- terium für Bildung und male Hautbarriere unter men mit Tübinger mRNA-Experten ent- Forschung (BMBF). Insge- die Haut ermöglichen.“ wickelt die Hamburger MedDrop GmbH samt wird das Projekt mit Im Rahmen des dreijäh- die neue Narbenbehandlungstherapie. 770.000 Euro gefördert. rigen Förderprojektes soll Die Idee: Die von den das therapeutische Pro- Für eine gute Narbenbildung und Wieder- Tübinger Wissenschaftlern dukt (DESCAR) entwickelt herstellung der Hautstruktur und -elastizi- erstmals isolierte genetische und die Funktionalität des tät benötigt der Körper Elastin. Allerdings Information von Elastin, die Ansatzes in präklinischen Tests wird dieses Protein nach dem 20. Lebensjahr mRNA, soll in menschliche Haut- abgeklärt werden. Zwar verwendet kaum noch vom Körper produziert. Die Fol- zellen eingebracht werden, um dort die Elas- MedDrop ähnliche Applikationssysteme ge: Die Haut altert, Falten bilden sich und tin-Produktion wieder anzukurbeln. Hierfür bereits für Kosmetikprodukte, für DESCAR Wunden heilen schlechter. soll die Elastin-mRNA von den Wiener Bio- muss die Technologie allerdings noch auf Nun wollen Hamburger Forscher der tech-Experten in leere Bakterienhüllen, den die Behandlung von Narben abgestimmt MedDrop GmbH gemeinsam mit Wissen- Bacterial Ghosts (BG), eingesetzt werden. An werden. Beispielsweise muss die Trägersub- schaftlern des Universitätsklinikums Tü- dieser Stelle kommt dann die Expertise der stanz noch speziell auf die Bacterial Ghosts bingen sowie der österreichischen Biotech- Hamburger ins Spiel. „Wir wollen unser Ap- und ihr kostbare Fracht, nämlich die Elastin- Firma Bird C die genetische Information von plikationssystem aus der Kosmetikbranche mRNA, abgestimmt werden. jmr Elastin für die medizinische Behandlung verwenden“, berichtet Alexa Kreidel, Koordi- von Wunden verwenden. Dafür erhalten natorin des Projektes bei MedDrop. „Dieses Weitere Infos: www.meddrop.de 13_LSNM_2018_01_Business-North.indd 13 10.04.2018 13:57:26 Uhr
14 Business Nord Life Sciences in Kalifornien HotSPOT Für Digitale Medizin Daten & Fakten l S chwerpunkte: Stammzelltechnologien, Biopharmazeutika, Biotechnologie, In- vitro-Diagnostik, Digitale Medizin lU msatz Life Sciences (2015): 147,7 Mrd. US-Dollar (CLSA-pwc) lB eschäftigte Life Sciences (2015) 287.200 l Z ahl der Unternehmen (2015): 1.326 Biotech- und Pharma 1.714 Medizintechnik lÖ ffentliche Förderer für F&E: NIH, CIRM lW ichtige Netzwerke: California Life Science Association (CLSA) lW eitere Infos: https://califesciences.org Kalifornien ist die Innovationsmaschine in den Life Sciences. Die San schäftigte, insgesamt hängen 884.200 Jobs Francisco Bay Area ist nicht nur Kraftzentrum der Biotech-Industrie. mit der Life-Sciences-Branche zusammen. Innerhalb Kaliforniens formt die Bucht von Die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley haben Gesundheit und Me- San Francisco – die Bay Area – ohne Frage dizin als Wachstumsmarkt entdeckt. Das beflügelt das Interesse der das bedeutendste Cluster. Zu den Schwerge- Wagniskapitalgeber und bietet Chancen für deutsche Unternehmen. wichten der hier angesiedelten Biopharma- Branche zählen das Roche-Tochterunterneh- men Genentech sowie Gilead. Aber auch die In den Life Sciences nimmt Kalifornien Daten aus der Gesundheitsbranche setzt. Bayer AG hat in der San Francisco Bay ein eine unangefochtene Spitzenposition ein, Gleichzeitig wird diese gigantische Innova- Innovationszentrum aufgebaut und zählt zu in den Vereinigten Staaten wie auch welt- tionsmaschine durch viel Wagniskapital und den bedeutenden Arbeitgebern. weit. Die Branche profitiert von internatio- öffentliche Fördermittel angetrieben. Nach Das geballte Know-how und die wirtschaft- nal renommierten Top-Universitäten, einer dem jüngsten Report der California Life Sci- liche Stärke in Biotechnologie, Pharma und regen Startup-Szene sowie der Präsenz von ences Association (CLSA) und der Unterneh- Medizintechnik sowie in Informationstech- global erfolgreichen großen Biotechnologie- mensberatung PwC gab es 2015 insgesamt nologien im nahe gelegenen IT-Supercluster, und Pharma-Unternehmen. Hinzu kommen 3.040 Unternehmen in den Life Sciences in dem Silicon Valley, bereiten den Boden für Medizintechnik-Unternehmen und natür- Kalifornien, rund 200 mehr als noch ein Jahr hochdynamische Entwicklungen für die di- lich: eine IT-Branche, die immer stärker auf zuvor. Die Branche zählte 287.000 direkt Be- gitale Medizin. 14-15_LSNM_2018_01_Länder-Special_Kalif.indd 14 10.04.2018 13:59:06 Uhr
Business Nord 15 Dieser Markt regt auch die Phantasie der Wagniskapital-Investoren an. Allein in der Bay Area wurde 2015 1,6 Mrd. US-Dollar an Risikokapital in Digitale Medizin investiert, so viel wie in keiner anderen Region in Ka- lifornien und in den Vereinigten Staaten überhaupt. Besonders viel Kapital fließt in die sogenannten Wearables, zu denen Fit- nessarmbänder und tragbare Biosensorsys- teme gehören. Auch die Bereiche Wellness und Consumer Health gehören zu den Lieb- lingen der VC-Investoren in Kalifornien. Ein Paradebeispiel dafür ist Verily, der 2015 ge- gründete Life-Sciences-Ableger des Google- Mutterkonzerns Alphabet. Das Unterneh- men hat sich darauf spezialisiert, Daten mit Life Sciences in KALifornien smarter Elektronik zu erfassen, diese mit Genomanalyse-Daten zu verknüpfen und zu integrieren. Dabei wird Verily auch im „ACHSE Kiel–SAN FRANCISCO“ Rahmen der Precision Medicine Initiative unterstützt, die noch US-Präsident Barack Vor einem Jahr wurde der Verein „The Bay Areas e.V.“ gegründet. Mittlerweile Obama angestoßen hatte. zählt der Verein mit Sitz in Kiel 130 Mitglieder – Tendenz steigend. Axel Schulz ist „In Sachen Digitalisierung sind die der erste Vorsitzende des Vereins. Dieser wird rein aus Mitgliedsbeiträgen finan- USA hinsichtlich Infrastruktur und Kapi- ziert und bietet eine Anlaufstelle unter anderem für Unternehmer aus Schleswig- talmöglichkeiten wesentlich attraktiver als Holstein, die den Austausch mit Kollegen vor Ort oder in der Bay Area suchen. Deutschland“, sagt Jared Sebhatu, der beim German Accelerator Life Sciences (GALS) Was ist das Ziel des Vereins? junge Unternehmen aus Deutschland mit Schulz: Wir sind ein ehrenamtlich geführter Verein und unsere Hauptaufgabe ist es, Know-how und Kontakten unterstützt und Partnerschaften zwischen Menschen, Organisationen und Institutionen in Schleswig- berät. Das GALS-Büro sitzt zwar in Cam- Holstein mit Gleichgesinnten in San Francisco und der Bay Area zu schaffen. Eine Städ- bridge an der US-Ostküste, das Netzwerk tepartnerschaft zwischen Kiel und San Francisco wurde bereits initiiert: Kiel ist die strahle aber weit bis nach Kalifornien und einzige deutsche Partnerstadt von San Francisco, wir haben also eine ganz besondere das Silicon Valley aus. „In den USA gibt es Verbindung. Zudem wollen wir Schleswig-Holstein als Standort international bekannt- einen riesigen Markt, und digitale Lösungen machen. sind in der Gesundheitsversorgung etabliert und akzeptiert“, so Sebhatu. Auch deutsche Welche Themen stehen im Fokus? Unternehmen seien in diesem Technologie- Schulz: Wir bedienen ganz unterschiedliche Themen – beispielsweise gibt es sowohl Feld schneller in der Lage, einen Marktzu- in Kiel als auch in San Francisco eine große Segel-Community. Wir haben aber auch gang zu erreichen und zu wachsen. Experten aus Wirtschaft und Bildung, bis hin zu Wissenschaft und Medizin. Auch die Für die Unternehmen aus Schleswig- Life Sciences bieten sich an, aber unserem jungen Verein fehlen schlicht noch die Mit- Holstein will künftig der Verein „The Bay glieder, die mit ihrem Interesse dieses Thema voranbringen. Areas e. V. “ so manche Türen und Tore in der Bucht von San Francisco öffnen. Der im Worauf sollten Unternehmen achten, die in der Bay Area Fuß fassen wollen? vergangenen Jahr gegründete Verein mit Sitz Schulz: Man sollte sich im Klaren sein, dass es dort im Bereich Gesundheit und Medizin in Kiel hat offenbar einen Nerv getroffen (sie- ein ganz anderes System gibt als bei uns. Vor allem im Bereich digitale Medizin gibt he Interview rechts). Im Sommer 2018 wird in es unwahrscheinlich viele Neuerungen, welche sich der Patient dort quasi zu seiner San Francisco auf Initiative des Vereins hin Behandlung hinzukaufen kann. Die Akzeptanz für neue, digital gestützte Therapien ein Gemeinschaftsbüro Schleswig-Holstein ist zudem viel größer. Allgemein sind medizinische Entwicklungen in den USA eher eingerichtet. Das Büro wird von der WT.SH marktgetrieben und der Patient ähnelt mehr einem Kunden. In Deutschland muss hin- – Wirtschaftsförderung und Technologie- gegen der therapeutische Nutzen einer Therapie nachgewiesen werden, bevor sie von transfer Schleswig-Holstein im Auftrag der Krankenkassen übernommen wird. Landesregierung aufgebaut. Die Stadt Kiel und die Stadt Hamburg beteiligen sich neben Wie kann der Verein jungen Unternehmen helfen? vier Unternehmen ebenfalls an den Kosten. Schulz: Wir bieten ein Netzwerk aus Ansprechpartnern in den verschiedensten Bran- Derzeit ist man bei WT.SH noch damit be- chen sowohl in Schleswig-Holstein als auch in Kalifornien und vermitteln diese Kon- schäftigt, eine Büroleitung für San Francisco takte. Wir organisieren auch regelmäßig Reisen nach San Francisco. Die Kosten müs- zu finden. „Hier wird jemand sitzen, der be- sen zwar individuell getragen werden, aber wir organisieren ein straffes Programm mit reits über ein exzellentes Netzwerk in der Bay vielen branchenübergreifenden Meetings. Bei diesen Reisen steht aber auch immer der Area verfügt und damit zielgerichtet Kontak- Netzwerkgedanke innerhalb der Reisegruppe aus Schleswig-Holstein im Fokus. te für Unternehmen aus Schleswig-Holstein knüpfen kann.“ jmr/pg Weitere Infos: www.the-bay-areas.de 14-15_LSNM_2018_01_Länder-Special_Kalif.indd 15 10.04.2018 13:59:07 Uhr
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