Was Kindern mut macht - www.vorarlberger-kinderdorf.at - ausgabe 17/2020 - Vorarlberger Kinderdorf
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Die Zeitung des Vorarlberger Kinderdorfs ausgabe 17/2020 Verlagspostamt: 6900 Bregenz P.b.b. GZ02Z030275S, Österreichische Post AG, Sponsoring Post Was Kindern mut g em e i an K nsam macht wac r ise n hsen www.vorarlberger-kinderdorf.at
KIND 2020 – 2 Kindern neuen Lebensmut geben – chancenreiche Lebensräume schaffen Die Corona-Krise hat uns gezeigt, welchen Stel- Lasst uns diesem Trübsinn ein Ende setzen lenwert Kinder in unserer Gesellschaft haben. Ohne Rücksicht auf ihre Bedürfnisse wurden und Kindern gemeinsam neuen Lebensmut geben. Schulen, Spielplätze und Freizeiteinrichtungen Die Zukunft unserer Gesellschaft braucht geschlossen. Mit der Fokussierung auf den Schutz von anderen Bevölkerungsgruppen wurden ih- mehr Kinderbeteiligung. nen zentrale Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten genommen. Von chancenreichen Lebensräumen netzten Welt brauchen wir kooperative Grund- an uns Erwachsenen, ihnen Freiräume für diese blieb für sie keine Spur. Die damit verbundenen haltungen. Wir sollten uns deshalb unserer Rolle Lernerfahrungen zur Verfügung zu stellen. wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden uns als Vorbilder täglich bewusst sein. Wenn Kinder noch lange beschäftigen. kooperative Lebenshaltungen entwickeln sollen, Beteiligung STATT TRÜBSINN müssen wir sie beteiligen und ihnen Erfahrungen Inspirieren kann Herbert Grönemeyer: „Gebt Kooperative Grundhaltungen im Tragen von Verantwortung ermöglichen. den Kindern das Kommando/sie berechnen nicht Das Homeschooling hat die Schere zwischen was sie tun/die Welt gehört in Kinderhände/ privilegierten und benachteiligten Schülergrup- KINDER BRAUCHEN FREIRÄUME dem Trübsinn ein Ende ...“ Die Corona-Krise hat pen weiter geöffnet – mit absehbaren negativen Bewegungen wie „Fridays for Future“ zeigen uns schmerzlich gezeigt, wie weit wir von dieser Auswirkungen auf Bildungs- und Erwerbsbiogra- uns den Weg. Kinder und Jugendliche wollen Vision entfernt sind. Lasst uns diesem Trübsinn fien und damit hohen individuellen und gesell- ernst genommen werden, sich einbringen, mit- ein Ende setzen und Kindern gemeinsam neuen schaftlichen Kosten. Kinder erfuhren zudem ein reden und mitgestalten. Aus diesem Grund wird Lebensmut geben. Die Zukunft unserer Gesell- großes Ausmaß an Autorität, was ihre Lebens- sich das Vorarlberger Kinderdorf zum 70-Jahr- schaft braucht mehr Kinderbeteiligung. haltung nachhaltig prägen wird. Denn Kinder, Jubiläum 2021 dem Motto von Hugo Kleinbrod die lernen, dass die Erwachsenen ohne Rücksicht „Kindern neuen Lebensmut geben“ widmen und Dr. Simon auf ihre Bedürfnisse über sie hinweg entschei- einen aktiven Beitrag leisten, um neue chancen- Burtscher-Mathis ist Soziologe, Lebens- und den, werden später selbst autoritäre Denkmuster reiche Lebensräume für Kinder zu schaffen. Wir Sozialberater sowie Mitglied anwenden. Haltungen entscheiden über die ge- brauchen lebensmutige Kinder, die Verantwor- der Geschäftsleitung des sellschaftliche Entwicklung. In einer global ver- tung für das Gemeinwohl übernehmen. Es liegt Vorarlberger Kinderdorfs. ihre spende zählt hypo vorarlberg Inhalt IBAN: AT60 5800 0000 1103 0114 03 Editorial Bic: HYPVAT2B wertvolle kinder 04 Kinder leben im Hier und Jetzt 12 Kinder brauchen Nähe impressum Große Namen in der Mediathek KINDERSCHUTZ Vorarlberger Kinderdorf Informationen 3/2020 05 Kinderrechte wurden geopfert 14 KINDER-STATEMENTS Medieninhaber, Herausgeber & Verleger Vorarlberger Kinderdorf gemeinn. GmbH, Besuchsbegleitung PFLEGEKINDERDIENST Kronhaldenweg 2, 6900 Bregenz, 06 Fragiler Familienfrieden 16 Schutzmantel fürs ganze Leben T +43 5574 4992-0, F +43 5574 4992-48, willkommen@voki.at, www.vorarlberger-kinderdorf.at familienimpulse KINDERDORF KRONHALDE 07 Eltern sind Krisenprofis Verlagsort 18 Mehr Pink als Schwarzsehen Bregenz, Auflage: 5500 FAMILIENDIENST Redaktion und Konzept EHEMALIGENBETREUUNG Mag. Christine Flatz-Posch 08 Lachen ist wichtiger als Erziehung 19 Vertrauenssache Keine Machtkämpfe bitte! Layout Petra Heinzle, Barbara Drexel AUFFANGGRUPPE netzwerk familie Fotos 20 Zwei Monate sind für Kinder ... Vorarlberger Kinderdorf, iStock-Fotos, pixabay 10 Wie werden wir gute Eltern? Druck 21 SAG JA! BUCHER Druck GmbH, Hohenems paedakoop 11 Das eigene Ding machen Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Organigramm und betreuten Kinder werden Symbolfotos Fachbereiche: verwendet. Die Namen sind anonymisiert. vorarlberger-kinderdorf.at/ wir-ueber-uns/organisation
dr. christoph hackspiel KIND 2020 ist Geschäftsführer des Vorarlberger Kinderdorfs – und Präsident der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit. Er ist Psychologe 3 und Psychotherapeut. impfung mit LEBENSFREUDE Wie wohl fühlen wir uns im Sonnenschein, wie heilsame neue Erfahrungen zu überwinden. Im Dazu wollen wir in unserer alltäglichen Arbeit mit sehr wärmen uns gute Gespräche mit Freunden, übertragenen Sinn suchen wir für jedes Kind eine Herz und Seele beitragen. Wir knüpfen an Bezie- wie bereichernd ist ein entspannter Urlaub. Wenn passende „Impfung“, um die Lebensfreude zu hungsnetzen, auf die sich Kinder und deren El- es nur immer so sein könnte. Aber wir erleben aktivieren und all das, was an Kränkungen pas- tern verlassen können. Und wir tragen mit Wissen leider nicht nur glückliche Zeiten. Ob Liebeskum- siert ist, mit neuer Kraft zu bewältigen. Nicht nur und Erfahrung dazu bei, Talente wieder zu finden mer oder Tod eines nahen Angehörigen, Streit in in der Medizin gilt es, das Immunsystem gegen und damit Selbstwirksamkeit spürbar zu machen. der Familie, ein „Nichtgenügend“ in Mathematik Angriffe durch äußere Bedrohungen zu stärken. oder nun eben Corona – von Kindheit an müssen Auch was unsere emotionale, seelische und da- Gute Investition wir auch mit den Schattenseiten unseres Daseins mit psychische Gesundheit anbelangt, sollen wir Und noch etwas: So wie bei der Corona-Pandemie zurechtkommen. Verletzungen möglichst unbeschadet überste- ist es entscheidend, dass wir in Krisen niemanden hen können. alleine lassen, zusammenhalten und jene schüt- An Widrigkeiten wachsen zen, die in Not geraten oder besonders verletzlich Warum schaffen es die einen scheinbar mühelos, Immunisierendes Gegengewicht sind. Wir danken besonders Land und Gemein- mit den Widrigkeiten des Lebens umzugehen, Der beste Schutz, so sagt die Resilienz-For- den, Spendern und Sponsoren, Ehrenamtlichen Energie und Humor zu bewahren, während ande- schung, liegt darin, soziale Unterstützung zu er- und Behörden, all jenen, die uns dabei helfen, re Ängste, Depressionen oder Wut auf Gott und fahren, Zuversicht zu spüren und sich selbst als Kindern und Familien in Krisen beizustehen, ihre die Welt entwickeln? In dieser Ausgabe unserer handlungsfähig zu erleben statt den Kopf in den Resilienz zu stärken und ihnen neuen Lebensmut Zeitung KIND widmen wir uns dem Thema „Re- Sand zu stecken. Wir – und besonders „unsere“ zu schenken. Unsere gemeinsame Investition in silienz“, der Fähigkeit, auch schwierige Lebens- Kinder – mögen mit Recht vergangene Kränkun- die Ressourcen unserer Kinder wird reiche Früch- situationen ohne anhaltende Beeinträchtigung gen bedauern und weitere fürchten, aber für das te tragen. So können wir die Viren der Gleich- zu überstehen. Fast immer geht es in unserer Hier und Heute wie für die Zukunft hilft uns nur, gültigkeit gegenüber benachteiligten Kindern Arbeit darum, Kindern dabei zu helfen, Krisen möglichst viele neue schöne Erfahrungen als in Schach halten und dem Ziel, chancenreichs- zu meisten und erlebte Traumatisierungen durch „immunisierendes“ Gegengewicht zu sammeln. tes Land für Kinder zu werden, näher kommen.
mag. alexandra wucher, mph KIND 2020 – ist Klinische Psychologin und Gesundheitspsycho- 4 login, Arbeitspsychologin und Master of Public Health. Sie ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Vorarlberger Kinderdorfs. kinder leben im hier und jetzt Felix wirkt introvertiert, als er seine Lerntrainerin zum ersten Mal trifft. Er sitzt am Fuß- boden seines Zimmers. Unter dem Hochbett liegen Spielsachen. Er greift nach einem kleinen Teddy und zeigt ihn der Trainerin: „Das ist Harley. Er ist das einzige, das ich von zu Hause mitnehmen konnte.“ Es war anfangs sehr fraglich, ob sich der zurück- heranzuwachsen und seelische Schutzfaktoren Probleme konstruktiv gelöst werden können. haltende Junge auf das Lerntraining einlassen zu entwickeln? Damit beschäftigt sich die Resi- Das Resilienzkonzept legt nahe, dass riskante würde. Felix ist verschlossen und zieht sich häufig lienzforschung, die auf die Entwicklungspsycho- Bildungskarrieren am ehesten gelingen, wenn in seine eigene Welt zurück. Er liest gern, macht login Emmy Werner zurückgeht. Kinder leben gemeinsam Ressourcen gefestigt werden, die aber dennoch viele Rechtschreibfehler. Beim unbeschwert im Hier und Jetzt und versinken in es Kindern ermöglichen, weiter zu kommen, die Kennenlernen hört er aufmerksam zu. Er ver- schönen Augenblicken. Ihre innere Widerstands- sie motivieren, die Dinge selbst in die Hand zu steht, dass die Hilfe seine schulische Laufbahn kraft entwickeln sie zum Großteil im Zusammen- nehmen. Je früher Kinder zu ihren Stärken finden, positiv beeinflussen könnte. Das wöchentliche spiel mit Erwachsenen, aber auch im Kontakt zu desto leichter fällt es ihnen, eine stabile Identität Lerntraining wirkt rasch, denn Felix ist wissbe- Gleichaltrigen. Es ist der sensorische Input in aufzubauen. gierig und lernbereit. Bald kann er voller Stolz unserer Kindheit, die psychosozialen Erfahrun- den ersten Einser im Deutsch-Test präsentieren. gen mit Bindungspersonen und Umwelt, die die Sein Selbstvertrauen wächst zusehends. Als das Neuronen in unserem Gehirn „verdrahten“ und Das Positive ist, dass Training endet, schreibt Felix ein fehlerfreies damit unsere kognitiven, emotionalen, körper- Resilienz erlernbar Diktat und berührt seine Trainerin, indem er zu lichen und sozialen Fähigkeiten, unser Wesen, ihr sagt: „Jetzt möchte ich dich zum Abschied unsere Persönlichkeit nach und nach formen. ist und sogar trauma- am liebsten knuddeln.“ Felix fand durch seine Lerntrainerin einen Zu- tische Erfahrungen gang zu seinen eigenen Stärken und erlebte sich mehr und mehr als selbstwirksam. heilen können. Felix fand Zugang zu seinen Stärken Die Welt als sicherer Ort chancen von anfang an Für das psychische Wohl von Kindern ist ele- Das Positive ist, dass Resilienz erlernbar ist und und erlebte sich mehr mentar, dass sie insbesondere in den ersten lebenslang aufgebaut werden kann. Sogar und mehr als selbst- drei Lebensjahren eine feste Bindung erfahren traumatische Erfahrungen können heilen, wenn wirksam. und so zu der Überzeugung gelangen, dass die Welt ein sicherer Ort ist. Das Kind erlebt sich als es die Erfahrung einer vertrauensvollen Be- ziehung gibt. Toll zu erleben, wie es gelingen wichtig und wertvoll, weil auf seine Bedürfnisse kann, Felix und andere Kinder, die in risikorei- Innere Widerstandskraft reagiert wird. Resiliente Kinder haben zumindest chen Lebensumständen aufwachsen, zu stär- Was gibt Kindern die Kraft, trotz schwierigster Le- eine stabile emotionale Beziehung zu einem Er- ken und Chancen für ein gesundes Aufwachsen bensumstände zu lebenstüchtigen Erwachsenen wachsenen, der als Vorbild dient und zeigt, wie zu schaffen.
schutz KIND 2020 – 5 Kinder brauchen verbindliche persönliche Kontakte auSSerhalb der eigenen Familie. Kinderrechte wurden geopfert Die Rechte von Kindern und Jugendlichen sind während der Krise in den Hintergrund gerückt. Sie wurden erst viel zu spät wieder in den Blick genommen, meint Kinderschutz expertin Claudia Gössler. Jedes Kind in Österreich hat einen verfassungs- gemacht. Angst um sich selbst, um Familienmit- Mütter und Väter. Familien durch diese Krisenzeit rechtlich verankerten Anspruch auf Schutz, Für- glieder oder Verwandte. Zudem haben Kinder zu begleiten und damit Kinder in dieser unvor- sorge und bestmögliche Entwicklung. Gerade der und Jugendliche ihre Freunde vermisst. Eine hergesehenen Lebenssituation zu schützen und letzte Punkt fiel im Lockdown gesundheitlichen zentrale Erkenntnis ist, dass man soziale Kon- zu stärken, muss jetzt höchste Priorität haben. und wirtschaftlichen Interessen zum Opfer. Die takte nicht nur online pflegen kann und gerade Bei all dem dürfen Eltern die Erwartungen an ihre Schließung von Kindergarten und Schule, Kon- für Heranwachsende die persönliche Begegnung erzieherischen Fähigkeiten ruhig ein wenig nach taktsperren sowie Bewegungseinschränkungen unersetzlich ist. unten schrauben. Das nimmt Druck heraus. Kin- im öffentlichen Raum bedeuten einen schwer- der und Jugendliche brauchen vor allem Eltern, wiegenden Einschnitt in die Entwicklungschan- Geborgenes Zuhause? auf die sie sich verlassen können – auch wenn cen von Heranwachsenden mit nachhaltigen Fol- Kinder haben ein Recht auf körperliche Unver- diese zwischendurch mal die Nerven verlieren. gen. Denn die Gehirnentwicklung von Kindern ist sehrtheit und Schutz vor Gewalt. Nicht für jedes Und sie brauchen wieder verbindliche persönli- untrennbar mit ihren Möglichkeiten verbunden, Kind bietet das eigene Zuhause jedoch ein ge- che Kontakte außerhalb der eigenen Familie. sich in Familie, Schule und Freizeit zu entfalten. borgenes, sicheres Umfeld. Besonders für bereits belastete Familien stellt die momentane Situati- on eine enorme Herausforderung dar. Wir wissen Dr. Claudia gössler der erzieherische inzwischen, dass armutsgefährdete, bildungsbe- ist Klinische Psychologin und anspruch darf jetzt nachteiligte Kinder und Jugendliche in engen Gesundheitspsychologin. Sie ist Kinderschutz-Koordinatorin des Wohnverhältnissen vermehrt häuslicher Gewalt ruhig ein wenig nach ausgesetzt waren und sind. Vorarlberger Kinderdorfs. unten geschraubt werden. Gut ist gut genug Auch das Recht auf Bildung der Kinder konnte nicht sichergestellt werden. Viele Eltern waren Kindeswohl hat Vorrang mit Homeschooling & Co überfordert. Die Kin- Laut Artikel 3 der Kinderrechtekonvention hat der zu unterrichten, selbst im Homeoffice zu ar- das Wohl des Kindes immer Vorrang. Die Aus- beiten und zusätzlich Sorgen um Existenz oder nahmesituation hat jedoch vielen Kindern Angst Gesundheit zu haben zehrte an den Kräften vieler kINDERSCHUTZ Die Stabstelle „Koordination Kinderschutz und Kinderrechte“ sowie die Kinderschutzgruppe informieren und unterstützen Mitarbeiter*innen in Kinderschutzfragen.
Mag. Gabriele Rohrmeister ist Psychologin und Psycho- KIND 2020 – therapeutin. Sie arbeitet im 6 Familiendienst und leitet die Besuchsbegleitung des Vorarlberger Kinderdorfs. Familienfrieden „Ich bin so froh, dass ich meinen Papa wieder treffen kann.“ Luisa hatte während des Corona-Lockdowns nur wenig Kontakt zu ihrem Vater. Damit ist sie nicht allein. „Trennungskinder“ sahen ihren nicht zu Hause lebenden Elternteil manchmal über Wochen nicht. Jetzt ist im Besuchscafé zum Glück (fast) normaler Alltag eingekehrt. Luisa ist ganz aus dem Häuschen, als sie den zu klein.“ Dass der Kleine jetzt sehr zurückhaltend zwischen Mutter und Tochter gänzlich ab. Solche Papa nach vielen Wochen im Besuchscafé trifft. ist, schmerzt den Vater. „Es ist ganz anders als vor und ähnliche berührende Szenen spielen sich im Sie springt ihm in die Arme und will ihn gar nicht der Unterbrechung der Besuchskontakte. Das tut Besuchscafé viele ab. Ängste und Unsicherheiten mehr los lassen. „Mama hat Asthma und woll- mir weh und ich habe Angst, dass Sebastian mir haben zu Absagen von vereinbarten Treffen und te nicht, dass ich zum Papa gehe“, erzählt das entfremdet ist.“ monatelangen Kontaktunterbrüchen geführt. sechsjährige Mädchen. „Sie hatte Angst, dass Jetzt ist zwar wieder Alltag im Besuchscafé ein- ich Corona bekomme. Dass sie auch krank wird Anja ist zornig gekehrt, aber mit oder ohne Corona ist der Fami und dann nicht mehr auf mich schauen kann.“ Auch Anja schenkt ihrer Mama im Besuchscafé lienfrieden in Trennungsfamilien häufig fragil. Anfänglich haben sich Luisa und ihr Vater über keine Beachtung. Als diese versucht, mit Anja zu Videotelefonie gesehen, aber richtig gut ge- sprechen, wird die Achtjährige zornig. „Du bist blick auf das kind richten klappt haben diese „Online-Treffen“ nie. nie mehr gekommen, ich will dich nicht mehr Die Akzeptanz, dass die Paarbeziehung been- sehen“, schreit sie ihre Mutter an. Anja lebt beim det ist, die Elternbeziehung aber bleibt, und die Sebastian fremdelt Vater, die Mutter aufgrund einer psychischen Er- Fähigkeit, diese beiden Ebenen zu trennen – das Der zweijährige Sebastian verkriecht sich hinter krankung in einer betreuten Wohngemeinschaft. gelingt geschiedenen Paaren oft nur schwer. seiner Mutter, als er seinen Vater nach langer Zeit Das Risiko der Ansteckung war Anjas Vater zu Hilfreich ist es, den Blick auf die Kinder und ihre wieder sieht. Er will nicht zu ihm, weint und lässt groß: „Ich befürchtete, dass sich meine Tochter Bedürfnisse zu lenken. Dann fällt es Eltern leich- die Mutter nicht gehen. „Ich lebe in Deutsch- bei einem Treffen mit Corona anstecken könnte.“ ter, sich respektvoll zu begegnen und dem Kind land“, sagt der Vater. „Ich durfte lange nicht ein- Als es dann auch noch zu einer stationären Auf- die Erlaubnis zu geben, Vater und Mutter gern reisen und für Videotelefonie ist Sebastian noch nahme ins Krankenhaus kam, riss die Verbindung zu haben. besuchsbegleitung Die Besuchsbegleitung bietet Überbrückungshilfen für Eltern in Trennungssituationen. Besuchskontakte können fachlich begleitet in unbelasteter Umgebung stattfinden. Die Besuchs- cafés in Bregenz und Feldkirch haben samstags geöffnet. Eine Anmeldung ist notwendig! Kronhaldenweg 2, 6900 Bregenz, T +43 650 7732222, besuchsbegleitung@voki.at, www.vorarlberger-kinderdorf.at
KIND 2020 – 7 Eltern sind KRISENPROFIS Eine Krise ist nie eine völlige Katastrophe ohne Ausweg. Sie ist in erster Linie eine Chance zur Veränderung – auch wenn diese Chance nicht gleich zu erkennen ist. Dabei sind Eltern krisenerprobt – von Anfang an – und dürfen berechtigt stolz auf sich sein. Viele Mütter und Väter durchleben Ängste und den Fall verändert oder ist dabei sich zu verän- Sorgen um ihren Nachwuchs, bereits bevor die- dern. Vertrauen Sie auf Ihre Erfahrung mit Krisen ser überhaupt auf der Welt ist. Die Herztöne und lassen Sie sich nicht entmutigen. Und vor während der Geburt sind unregelmäßig. Die Be- allem: Übersehen Sie in schwierigen Lebenspha- geisterung der Geschwister über den Familienzu- sen niemals das, was gut läuft. Loben und lieben wachs hält sich mehr als in Grenzen. Der Partner Sie sich für alle Dinge, die Sie schaffen – auch die ist noch weniger greifbar als sonst – oder über- mittelguten. haupt nicht mehr da. Das Geld fehlt. Die Woh- nung ist viel zu eng. Alle diese Widrigkeiten sind von ständiger Müdigkeit begleitet. Zu keinem anderen Im Sog der Zweifel Zeitpunkt sind Später scheint sich das Kind bei denselben Din- wir so offen für gen schwerer als andere zu tun. Vergleiche wer- Veränderung. den unweigerlich gezogen und gehen selten zu- gunsten des eigenen Kindes aus. Die schulischen Anforderungen übersteigen die eigenen Mög- Impulse von auSSen zulassen lichkeiten der Hilfestellung. Schon wieder Zwei- Unterstützung und Ideen von außen können in fel. Die Ausbildung klappt nicht so wie erhofft. Krisen eine große Hilfe sein. Denn zu keinem Wie soll es weitergehen? anderen Zeitpunkt sind wir so offen für Verände- rungen. Wir schöpfen neue Kraft und halten inne. Dem sollten wir uns ganz bewusst stellen. Auch Loben und lieben Sie der Möglichkeit, Impulse von außen zuzulassen. sich für die Dinge, Sei es der Rat der besten Freundin, der Kinder- gartenpädagogin, der eigenen Eltern, der Bera- die Sie schaffen – auch tungsstelle. Das Gute daran ist: Das geht auch für die mittelguten. telefonisch. Den meisten Eltern dürfte die eine oder ande- Jasmin Neumayer, ba re Krise – oder auch das ganze Paket – bekannt ist Erziehungswissenschaftlerin vorkommen. Sie haben jede einzelne davon ge- und Mitarbeiterin des Fach- bereichs Familienimpulse des schafft. Aus eigener Kraft oder mit Unterstützung. Vorarlberger Kinderdorfs. Die Krise ist bewältigt und vorbei, hat sich auf je- Familienimpulse Der Fachbereich Familienimpulse bietet mit Ehrenamt für Kinder, dem Spielbus und der Vortragsreihe „Wertvolle Kinder“ allen Familien frei zugängliche Präventivangebote und praktische Alltagsunterstützung. Kronhaldenweg 2, 6900 Bregenz, T +43 5574 4992-54, familienimpulse@voki.at, www.vorarlberger-kinderdorf.at
KIND 2020 – 8 Mut zur Lücke – im Familienalltag muss Zeit für Rumspinnen & Blödeln sein. Das hebt die Stimmung, auch wenn’s kriselt. Lachen ist wichtiger In Krisenzeiten die gute Laune nicht zu verlieren, ist leichter gesagt als getan. Aber gerade dann tut es gut, den Familienalltag mit Humor zu würzen. Cornelia Kräutler-Küng weiß ein einfaches Rezept, das garantiert die Stimmung hebt. Lachen ist gesund: Tatsächlich wird das Herzkreis- spielt man nicht“ zur Seite gelegt werden. Tei- Familienleben und Erwachsene wie Kinder ganz lauf- und Immunsystem gestärkt, wenn wir lachen. len Sie die Begeisterung Ihres Nachwuchses dringend brauchen: Einfach mal ausgelassen Es werden Glückshormone ausgeschüttet, die wir und lassen Sie ruhig auch mal fünf gerade sein. sein und blödeln. Gerade dann, wenn’s rundum dringend brauchen. Ein paar einfache Tipps hel- In Sachen Konsequenz ein wenig kürzer treten – schwierig ist. fen, damit der Humor im herausfordernden Fa- das spart Energie und Nerven, die für anderes milienalltag nicht unter den Tisch fällt, denn: Er- gebraucht werden. zeit für retro ziehung ist wichtig, Lachen ist definitiv wichtiger. Sich an lustige Momente erinnern oder gemein- Über Macken lachen sam Urlaubsfotos anschauen – auch dies hebt Mundwinkel hochziehen Wir können die derzeitige Situation und auch die die Stimmung, denn unser Gehirn speichert zu Schon das Hochziehen der Mundwinkel sorgt für anderen Mitglieder der Familie nicht ändern. Da den Erinnerungen die entsprechenden Gefühle. eine positive Veränderung im Gehirn. bleibt nur, uns selber auf die Schippe und die Außerdem bieten die kleinen familiären Retro- Macken der anderen nicht allzu ernst zu nehmen. spektiven die Chance, um Pausen einzulegen – Den Alltag nicht zu ernst nehmen und die sind im herausfordernden Erziehungs- Wenn das Töchterchen beim Abendessen aus einfach mal blödeln alltag genauso hilfreich wie der Humor. ihrem Brot ein Auto macht, das genüsslich zu Sich auf das kindliche Spiel einlassen, ein Mat- Papas Teller fährt, um dort Käse zu probieren, ratzenlager bauen, sich an der Kissenschlacht darf der Erziehungsgrundsatz „Mit dem Essen beteiligen, zum Lieblingssong tanzen ... was das Mag. a (FH) cornelia kräutler-küng ist Sozialarbeiterin beim Familiendienst des Vorarlberger Kinderdorfs.
Bertram Ertl KIND 2020 ist Sozialarbeiter und – Psychotherapeut beim Familiendienst des 9 Vorarlberger Kinderdorfs. keine machtkämpfe bitte! Wenn Kinder mit Vollgas in Richtung Erwachsensein steuern, funktioniert Erziehung nicht mehr wie bisher. Dennoch dranbleiben und sich nicht auf Machtkämpfe einlassen, lautet die Devise für Eltern pubertierender Jugendlicher – auch wenn‘s schwer fällt. Gerade in der aktuellen Situation ist ein gelasse- Kindern nicht aufgeben. Immer gilt es, im Wert- Schlimmste, alleingelassen zu werden. Für El- ner Umgang mit scheinbar unlösbaren Schwierig- schätzungsmodus zu bleiben, auch wenn die tern birgt die Pubertät die große Versuchung, in keiten wichtig. Umso mehr, wenn pubertätsbe- Jugendlichen dazu nicht in der Lage sind. Autoritätsstrukturen zu verfallen. Dem sollten dingte Verhaltensänderungen beim Nachwuchs sie unbedingt widerstehen, denn Machtkämpfe zusätzliche Sorgen bereiten. Aber wie frech Pu- Das Schlimmste: Alleinlassen können beide Seiten nur verlieren. Pubertät bertierende auch sein mögen, welch schwieriges Dieses Üben elterlicher Präsenz ist wichtig und kann aus Elternsicht nur mit Gelassenheit gelin- Verhalten sie an den Tag legen, niemals sind sie signalisiert: „Du, ich bin da!“ Denn hinter dem gen – umso besser, je mehr Kinder bereits ihr böse. Mehr denn je brauchen Jugendliche ihre widerspenstigen Verhalten der Jugendlichen „Eigenes“ entwickeln konnten. Dann stehen Eltern, denn die Pubertät markiert einen funda- steckt oft die Frage aller Fragen: „Liebt man mich die Chancen gut, dass aus unseren Kindern mentalen Umbau auf körperlicher, emotionaler auch, wenn ich nicht lieb bin?“ Trotz demonstra junge verantwortungsvolle Erwachsene und und sozialer Ebene. tiver Ab- und Auflehnung wäre es für sie das später Freunde werden. Beziehung statt Erziehung Teenager in der Pubertät wissen nicht, wie sie mit ihren Eltern umgehen sollen und umgekehrt. Die angebotene Hilfe ist ihnen oft nicht einmal ein Schulter- zucken wert. Kurz: Erziehung wie bisher funktioniert schlichtweg nicht mehr. Eltern spüren dann, dass die bislang braven, leis- tungsorientierten Kinder zur Bestätigung der eigenen Identität nicht mehr zur Verfügung ste- hen. Erziehung soll zur Beziehung werden. Die Frage ist, ob Eltern das können. Eltern müssen nerven Pubertierende Jugendliche fühlen sich oft un- glücklich oder niedergeschlagen, weil die entsprechenden Botenstoffe wie das Bin- dungshormon Oxytocin nicht mehr in dem Maße ausgeschüttet werden wie in der Kindheit. In die- ser Umbruchphase müssen Eltern nerven, indem sie die Beziehung zu ihren erwachsen werdenden Hinter allem steckt die Frage aller Fragen: Liebst du mich, auch wenn familiendienst Der Familiendienst betreut Kinder und deren Eltern ich nicht lieb bin? in oftmals existenziellen Problemlagen vor Ort. Die Familien werden durch fünf Regionalteams in den Bezirken Bregenz und Dornbirn bei der Bewältigung ihrer schwierigen Lebenssituationen unterstützt. Kronhaldenweg 2, 6900 Bregenz, T +43 5574 4992-411, familiendienst@voki.at, www.vorarlberger-kinderdorf.at
KIND 2020 – 10 Wie werden wir gute Eltern? Zwar gibt es keine Checkliste für Mütter chen Fähigkeiten bereits während der Schwan- und Väter, wie Bindung gelingt. Sehr gerschaft. Anhand praxisorientierter Übungen wohl aber können Eltern ihre intuitiven und Videoanalyse werden die intuitiven elterli- Fähigkeiten trainieren, um mehr Sicher- chen Kompetenzen gestärkt, um mit mehr Ge- heit für die neue Rolle zu gewinnen. lassenheit und Feinfühligkeit auf die Signale des Babys zu reagieren. Auch im Rahmen der „Ent- wicklungspsychologischen Beratung“ (EPB) un- terstützt Netzwerk Familie Mütter und Väter da- Das innige Band zwischen Eltern und Kind ent- bei, die Eltern-Kind-Bindung und eine liebevolle wickelt sich vor allem im feinfühligen Umgang Beziehung zum Kind zu fördern. mit dem Baby. Dabei fällt es Eltern oft gar nicht so leicht, die Sprache ihres Kindes zu verstehen. gesundheit fürs Leben Wie werde ich eine gute Mutter, ein guter Vater? Psycholog*innen und Hirnforscher*innen wissen Viele frischgebackene Eltern haben Mühe, die heute: Wer als Baby und Kind eine sichere Bin- Unsicherheit abzuschütteln, die mit der Eltern- dung zu seinen Eltern entwickeln konnte, trägt rolle einhergeht. einen Schatz fürs Leben in sich. Wie wichtig Ur- vertrauen für die Entwicklung des Kindes ist, belegen auch Langzeitstudien. Kinder mit einer Wer als Baby eine sicheren Bindung können sich in der Schule bes- sichere Bindung ser konzentrieren, sind später im Beruf leistungs- zu seinen Eltern fähiger und schließen leichter Freundschaften. Die körperliche und seelische Gesundheit wird entwickeln konnte, bis weit ins Erwachsenenleben hinein unterstützt. trägt einen Schatz fürs Leben in sich. sandra gohm ist Sozialpädagogin und Ent- Feinfühligkeit üben wicklungspsychologische Be- In den SAFE-Kursen von Netzwerk Familie trai- raterin bei Netzwerk Familie. nieren Mütter und Väter ihre natürlichen elterli- zu sagen, was man von ihm will und was es tun soll. Das beugt Missverständ- nissen vor und beruhigt den Alltag enorm. Gehen Sie groSSzügig mit Lob um Wenn Kinder laut und an- strengend sind, bekommen sie viel Aufmerksamkeit. Das geht auch anders. Schauen Sie Ihrem Kind öfters zu, lo- ben Sie es, wenn es konzent- riert spielt, und freuen Sie sich, wenn es etwas Neues geschafft hat. Ganz wichtig ist, dass Sie Ih- rem Kind sagen, was Sie gerade toll finden. Belohnen Sie es dann mit einem Lächeln, einem Schulterklopfen oder gemein- samer Spielzeit. Kinder sind wissbegierig, stellen Frage um Frage, wollen toben, experimentieren und Versuchen Sie, die Situation aus Neues entdecken. Genau dieses Verhalten ist Sicht Ihres Kindes zu sehen enorm wichtig für eine gesunde Entwicklung, Kinder erleben die Welt anders als Erwach- manchmal für Eltern aber auch ganz schön sene und reagieren emotionaler. Uns fällt fordernd. Diese drei kleinen Tipps zeigen im es oft schwer, das aktuelle Verhalten zu in- Alltag große Wirkung: terpretieren. Da hilft es, kurz innezuhalten: Was will mein Kind mit seinem Verhalten machen sie klare ansagen erreichen? Was löst dies bei mir aus? Ehr In der Erziehung spielen die Worte „nein“ liche Antworten können für uns selbst über- netzwerk familie und „nicht“ eine große Rolle. Tu dies nicht, raschend sein. Bestimmt trägt die kleine Netzwerk Familie ist ein Angebot des Vorarlberger Kinderdorfs, lass das, heißt es den lieben langen Tag. Auf Denkpause dazu bei, dass sich die Situation der aks gesundheit und der Vorarlberger Kinder- und Jugend- Dauer ist das für Kinder und Erwachsene rich- entspannt und Sie wieder mit mehr Ruhe auf fachärzte – überwiegend finanziert durch die Gemeinden und das Land Vorarlberg. In ganz Vorarlberg werden junge Familien und tig zäh. Wirkungsvoller ist es, dem Kind klar Ihr Kind eingehen können. werdende Eltern begleitet. Am Rathausplatz 4, 6850 Dornbirn, T +43 5572 200262, info@netzwerk-familie.at, www.netzwerk-familie.at www.vorarlberger-kinderdorf.at
KIND 2020 – 11 Auf gemeinsame Familienzeit würden Jugendliche am liebsten ganz verzichten. Das eigene Ding machen Als wäre es für Eltern nicht schon schwierig genug, gemeinsam mit ihren Kindern durch die Pubertät zu schippern. Die derzeitigen Kontakt- beschränkungen machen die Sache nicht einfacher und Jugendlichen in ihrem Freiheitsdrang einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Als Mutter zweier Töchter weiß Gesundheitspsychologin Kathrin Stocker um die puber- tätsbedingten Herausforderungen für den Nachwuchs wie für die Eltern. Kommen Kinder in die Pubertät, wird die Eltern- ander unternommen. Eltern bietet sich zudem die unabhängig werden. Das daraus resultierende, Kind-Beziehung durcheinandergewirbelt. Auf Chance, einen Teil der Lebenswelt ihrer Kinder manchmal mühsame Verhalten gibt Eltern das gemeinsam verbrachte Familienzeit würden kennenzulernen, der sonst verschlossen bleibt. Gefühl, überflüssig zu sein. Für Erwachsene ist Jugendliche dann am liebsten gänzlich verzich- es nicht leicht, wenn Pubertierende eingespielte ten. Stattdessen heißt es Freunde treffen, un- Regeln ignorieren, Grenzen ausreizen und ganz gezwungene Umarmungen, Kontakte knüpfen, Eltern sind für schön pampig daherkommen. socializen eben auf Teufel komm raus. Jegliches Jugendliche Prellbock, Denken und Fühlen kreist um die Peergroup, die In Beziehung bleiben Gleichaltrigen. aber auch sicherer Als Eltern sollten wir daran denken, dass wir für Hafen in einer unsere erwachsen werdenden Kinder nicht nur Freiräume – auch digital Der Corona-Lockdown durchkreuzte die Frei- stürmischen Zeit. Prellbock, sondern sicherer Hafen in einer stür- mischen Zeit sind. Es gilt, Verständnis für die heitsbestrebungen unserer Pubertierenden mas- jugendlichen Rückzugstendenzen aufzubringen siv und die Kontaktbeschränkungen wirken auch Übellauniger Nachwuchs – stundenlange Telefonate inklusive. Wenn es jetzt. Denn statt unbeschwerter Entwicklung des Für Jugendliche sind Rückzugsorte das Um und Eltern schaffen, mit ihren großen Töchtern und eigenen sozialen Lebens abseits vom Elternhaus Auf. Ob echt oder durch Medien erschaffen, Söhnen im Gespräch zu bleiben, können diese heißt es, viel mehr Zeit als sonst daheim zu ver- immer bieten diese Freiräume die Möglichkeit, auch eher dem Wunsch nach gemeinsamer Zeit bringen. Handy und Computer kommt da eine alleine sein zu dürfen oder Zeit mit Freunden oder mehr Beteiligung im Haushalt nachkom- besondere – durchaus auch positive – Bedeu- zu verbringen. Genau das sind die Rahmenbe- men. Und wir Eltern dem erhöhten Medienkon- tung zu. Facetime, Skype & Co bringen nicht nur dingungen, unter denen Heranwachsende ihre sum und manchmal irritierenden Verhalten unse- Schulkollegen und Freundinnen zum Quatschen eigene Persönlichkeit entwickeln und verschie- rer Teenager „gechillter“ begegnen. nach Hause, über Online-Medien wird gemein- dene Facetten ihrer Identität erproben können. sam gelernt, über Spielplattformen etwas mitein- Jugendliche wollen ihr eigenes Ding machen, Paedakoop Die Paedakoop bietet Kindern und Jugendlichen Betreuung und Begleitung. Das Angebot umfasst Wohngruppen, Lebensweltorientierte Betreuung und eine Privatschule zur Erlangung eines qualifizierten Schulabschlusses. kathrin stocker Paedakoop Wohngruppen & Lebensweltorientierte Betreuung, ist Psychologin und Jagdbergstraße 44, 6824 Schlins, Elternberaterin in der T +43 5524 8315-0, paedakoop@voki.at Paedakoop des Paedakoop Privatschule, Jagdbergstraße 45, 6824 Schlins, Vorarlberger Kinderdorfs. T +43 5524 8315-451, direktion@paedakoop.snv.at www.paedakoop.at, www.vorarlberger-kinderdorf.at
KIND 2020 – 12 br au chen er n d äh Kin e Bindung stellt in der frühen Kindheit die Weichen für spätere Beziehungen. Was aber, wenn negative Gefühle die ersten Lebensjahre überschatten? „Eine unsichere Bindung ist veränderbar.“ Diese seine Ärmchen aus, es zeigt in den Raum, gluckst Beziehung gut gelaufen ist. So kann die elterliche hoffnungsvolle Aussage stellte die Bindungsfor- und strampelt, bis es schließlich bitterlich weint. Feinfühligkeit trainiert werden. Gerade vielfältig scherin und Psychoanalytikerin Anna Buchheim Nach zwei Minuten nimmt die Mutter wieder lie- belastete Eltern haben oft Schwierigkeiten, die an den Beginn ihres Vortrags in der Reihe „Wert- bevoll Kontakt zu ihrem Kind auf, tröstet es und kindlichen Signale wahrzunehmen und richtig zu volle Kinder“. Die auf John Bowlby zurückgehen- spricht sanft mit ihm, um es zu beruhigen. interpretieren. Über Frühe Hilfen und Program- de Bindungstheorie sei kein statisches Modell. me zur Förderung einer starken Eltern-Kind-Bin- „Negative Erfahrungen der frühen Kindheit sind Bindung macht sozial kompetent dung wie SAFE von Netzwerk Familie lässt sich ins Positive verwandelbar“, sagt die renommierte Der Still-Face-Versuch endet nach zwei Minu- eine unsichere Bindung reparieren und in gute Professorin für Klinische Psychologie an der Uni- ten, was aber, wenn ein Kind dauerhaft kein bin- Interaktionen umwandeln. Hier rücken Ressour- versität Innsbruck. dungsförderndes Umfeld, kein liebevolles Ge- cen in den Fokus, die durch verschiedene Me- genüber vorfindet? Denn Kinder, die Nähe und thoden und Tools verstärkt werden. Für Eltern, Still face: Das Baby zieht alle Register Zuwendung erfuhren, können auch im späteren die selbst eine schwierige Kindheit erlebt haben, Die Entstehung von Bindung setzt voraus, dass Leben besser mit schwierigen Situationen um- sei es wichtig, Traumatisierungen zu benennen. sich Eltern oder andere Bezugspersonen fein- gehen, zum Beispiel eher Hilfe annehmen. Sie „Reflexion verhindert die transgenerationale fühlig um das Kind kümmern. Anhand des Still- haben eine höhere Sozialkompetenz, sind weni- Übertragung einer unsicheren Bindung“, erklärt Face-Experiments veranschaulichte Buchheim, ger ängstlich, dafür neugieriger und offener. Das Anna Buchheim. So können positive, liebevolle wie Kleinkinder reagieren, wenn ihre Signale von ganze Leben lang hilft dieses feste, gefühlstra- Beziehungen gelebt und weitergegeben werden. der Bindungsperson nicht feinfühlig beantwortet gende Band, mit Belastungen zurechtzukommen werden. Im Video sieht die Mutter ihr Baby zwei und Herausforderungen mit Flexibilität und Opti- Minuten lang mit einem ausdruckslosen Gesicht mismus zu begegnen. MAG. CHRISTINE FLATZ-POSCH ohne Mimik an und spricht auch nicht mit ihrem ist Redakteurin und Soziologin. Kind. Das Baby zieht alle Register und schöpft Meine Kindheit – deine Kindheit Sie ist zuständig für Öffentlich all seine Möglichkeiten aus, um die Mutter zu ei- Verhaltensbeobachtung ist laut Buchheim eine keitsarbeit und PR im Vorarlberger Kinderdorf. ner Reaktion zu bewegen. Es lächelt und streckt Methode, um zu sehen, was in der Eltern-Kind-
vorträge grosse namen in Wertvolle Kinder unserer mediathek Über 70 Vorträge stehen in der Mediathek des Mit Kindern an Vorarlberger Kinderdorfs zum Nachlesen und -hören bereit. Namhafte Experten geben wertvolle Impulse Krisen wachsen für den Alltag mit Kindern und Jugendlichen. Kinder brauchen Geborgenheit und Abenteuer, Orientierung und Freiräume, um gut aufwachsen zu können. Wie gelingt es, den alten und vielen neuen Herausforderungen gerecht zu werden? Wie schaffen wir es, Kindern gute Christian Alt Kindheit im Wattebausch Wegbegleiter*innen zu sein, ihnen auch Dr. Udo Bär Ich geh nicht mehr zur Schule! in Krisenzeiten Zuversicht und Mut Fabienne Becker-Stoll Vertrauen in sich und die Welt zu geben? Es liegt an uns allen, Zweiter Vortrag: Stress killt Feinfühligkeit was aus Kindern wird, damit Joachim Bensel Steinzeitbabys, die im Atomzeitalter leben sie durch ihre Erfahrungen Reinmar du Bois Gewissheit, dass alles gut ausgeht gestärkt durchs Leben Inés Brock Geschwister haben’s gut gehen können. Romuald Brunner Selbstverletzendes Verhalten Anna Buchheim Kinder brauchen Nähe Monika Czernins Glückliche Scheidungskinder Doris Daurer Philosophieren macht glücklich Christoph Eichhorn Kinder beim Lernen unterstützen Donata Elschenbroich Kinder als Weltentdecker Wolfgang Endres Motiviert statt motzig – Lernen fördern Sibylle Fischer Kinder fürs Leben stärken Wir erleben anders – Autismus und Jürg Frick Die Kraft der Ermutigung das Phänomen des Pseudoautismus Klaus Fröhlich-Gildhoff Unverwundbar fürs Leben – Resilienz Katharina Gerats Was Kinder glücklich macht Vortrag von Prim. Dr.in Sonja Gobara Thomas Gesterkamp Neue Väter in Sicht? 27. Januar 2021, ORF Landesstudio Maja Götz Heldinnen von heute, Klischees von gestern Wilfried Griebel Übergänge im Kinderleben Petra Grimm Neue Werte im digitalen Kosmos Familien Burnout – Beate Großegger Die Zukunft kann mich mal (Jugend) Wege aus der Erschöpfung Henri Gutmann Respekt und Liebe (Patchworkfamilien) Norbert Hänsli Zeichen innerer Not – Jugendpsychologie Vortrag von Dr. Hans Hartmann Barbara Juen Alltag trotz Schock und Trauer 3. März 2021, Kinderdorf Kronhalde Zweiter Vortrag: Wenn etwas Schlimmes passiert Caterina Katzer Gefangen im Netz – Cybermobbing Monika Kiel-Hinrichsen Patchwork-Familien halten wach Hungern, um zu leben - Christiane Kohler-Weiss Das perfekte Kind, Anforderungwahn Entstehung, Behandlung Raphaela Kohout Generation Supercool und Verlauf von Essstörungen Stefan Lüttke Depressionen im Kindesalter Maria Luisa Nüesch Spielräume schaffen – Gebot der Stunde Vortrag von Prof. Dr. phil. Günter Reich Elisabeth Raffauf Mädchensein in allen Farben Herbert Renz-Polster Born to be wild – Evolutionsmedizin 14. April 2021, Kinderdorf Kronhalde Martina Rohrer Selbst schauen, wo man bleibt (Jugend) Michaela Schonhöft Work-Lilfe-Balance Schritte in die Welt – Mechthild Schroeter-Rupieper An der Hand durch die Traurigkeit Wie traumatisierte Kinder und Zweiter Vortrag: Für Trauer nicht zu klein Jugendliche (wieder) gehen lernen Frank M. Spinat Intelligenzforschung Peter Spork Die DNA bestimmt nicht unser Schicksal Vortrag von Prof.in Dr.in Miriam Rassenhofer Margrit Stamm Scheitern macht stark – Zutrauen in Kinder Friederike Tilemann Kinder und Medien 12. Mai 2021, KIMI Lustenau Detlef Träbert Selber denken, selber tun (Hausaufgaben) Mathias Voelchert Gut genug reicht – Väter heute Sichere Eltern-Kind-Beziehungen Zweiter Vortrag: Vatersein kann man nicht von Mütter lernen nach medizinisch Prisca Walliser Aufklärung nicht dem Smartphone überlassen assistierter Reproduktion Monika Wertfein Mehr aufs Bauchgefühl hören Reinhard Winter Jungen lassen es knallen (Pubertät) Vortrag von Dr.in phil. Karin J. Lebersorger Sarah Zanoni Teenager verstehen – fordern – fördern Ulrike Zartler Alles ganz schön aufreibend – Familie heute 9. Juni 2021, ORF Landesstudio Eva Zoller Kinderängste brauchen Raum WEITERE iNFOS UNTER: www.vorarlberger-kinderdorf.at/ familienimpulse/angebote In Kooperation mit: Fachbereich Jugend und Familie – Amt der Vorarlberger Landesregierung, ORF Vorarlberg, Russmedia Schwarzach, Ton & Bild Medientechnik GmbH, KIMI Lustenau, Prisma, IG Geburtskultur a-z, Frauenmuseum Hittisau, Hotel Weißes Kreuz Bregenz, Dorn Arbeitsbühnen, ATRIUM® – Raum für Ideen, Landeselternbüro des Landeselternverbandes Vorarlberg
Mir haben viele Freunde in den Sommerferien erzählt, dass es ihnen nicht gut gegangen ist während des Lockdowns. Manche sind in eine Depression gerutscht. Für mich war es anfangs noch nicht so schlimm. Ich habe mehr innere Ruhe bekommen. Ich musste nicht so früh aufstehen, der Alltag war nicht so stres- sig. Mit meiner Mama habe ich eine ziemlich angenehme Zeit gehabt und viele Filme mit ihr gemeinsam angeschaut. Ich habe täglich Sport gemacht und gebacken. Während der ganzen Zeit habe ich mir Sorgen um meinen Opa gemacht, der herzkrank ist. Schulisch lief zwei Wochen lang überhaupt nichts. Danach war es sehr anstrengend – die Aufgaben wurden einfach völlig ungeplant ins Microsoft Teams hineingewürfelt. Das hat mich oft total überfordert. Ich hoff, es kommt kein Lockdown mehr, das wär‘ jetzt ziemlich schlimm für mich. Anna, 14, besucht das Gymnasium Ich habe meine Freundinnen ver- misst und mit der Zeit waren die Telefo- nate echt langweilig. Das Distance Learning habe ich als anstrengend empfun- den. Es waren viel zu viele Aufgaben, die oft alle gleichzeitig auf verschiedene Plattformen gestellt wurden. Wenn man eine Aufgabe übersehen oder vergessen hat, bekam man manchmal keine Rückmel- dung. Überhaupt haben manche Lehrer ein ausführliches Feedback gegeben, manche aber Ich fühlte mich gar keines. Positiv war aber, dass ich Zeit für andere Dinge hatte – für Musik, Zeichnen, Klavier spielen zum Beispiel. Ich hab‘ auch neue Interessen entwickelt. Lilli, 13, sehr einsam. besucht das Gymnasium Die Stimmung wurde während der Corona-Krise bei uns daheim immer schlechter. Ich lebe mit meiner Mama allein. Sie hat ihre Arbeitsstelle wegen Corona verloren. Sie hat viel mit mir ge- schimpft und war sehr gereizt. Immer war ich an allem schuld. Ich durfte auch meine Freundin nicht Ich habe mehr Ruhe sehen, die im gleichen Block wie wir wohnt. Lara, 12 Jahre, besucht die Mittelschule gehabt, um meine Aufgaben für die Schule zu erledigen ... ... und dann ging’s schneller. Ich habe auch mehr mit meinen Eltern gekuschelt. Gefehlt haben mir meine Freunde ... und die Spielplätze, weil die waren ja alle gesperrt. Ayse, 9 Jahre, besucht die Volksschule Wie haben Kinder und Jugendliche selbst die Corona-Krise bzw. Mein Papa den Lockdown erlebt? war den ganzen Was war gut, was Tag daheim, ... schlecht? Wir haben ... das war super. Laurin, 5 Jahre, ein paar Statements geht in den Kindergarten eingeholt.
KIND 2020 – 15 Meine Mama war Blöd war vor allem, Am Anfang war gestresst, weil sie viel dass wir keinen norma- ich ganz froh, nicht arbeiten musste. len Unterricht hatten. so eingeteilt zu sein ... Wir waren immer alle daheim. Es hat oft Streit Dass wir unsere Klassenkameraden nicht sehen ... mit Schule, Sport, Musikschule und so. Ich gegeben und man hatte viel weniger Rückzugs- konnten und man nicht in der Schule essen konn- durfte auch viel mehr Zeit am Handy verbringen möglichkeiten. Oft hat das WLAN nicht funktio- te. Und dass die Spielplätze zu waren. Auch die und wir haben als Familie mehr miteinander ge- niert – vor allem, wenn wir alle eine Videokon- Maske ist blöd und unangenehm. Merlin (10), macht, mehr geredet. Wir sind aber auch wirklich ferenz hatten. Was ich wirklich vermisst habe, Samuel (8) und Franziska (7) besuchen die Volks- aufeinander gepickt und haben viel mehr ge- waren die Mittagessen bei meiner Oma – sie ge- schule stritten als sonst. Ich hoff, dass die Corona- hört zur Risikogruppe und wir durften sie deshalb Krise bald vorbei ist. Sandro, 11 Jahre, besucht nicht besuchen. Max, 15 Jahre, besucht das die Neue Mittelschule Gymnasium Mir hat ge- fallen, dass wir viel in den Wald gegangen sind. Sina, 4 Jahre, besucht den Kindergarten Ich hab‘ Ich hatte Angst kochen gelernt. um meinen Opa. Wir hatten mehr Zeit als Familie, z. B. haben Ich war traurig, dass ich meine Großeltern wir mehr gemeinsam gegessen. Das klappt nicht besuchen durfte. Ich hatte Angst, dass sonst nicht, weil wir alle unterschiedliche Ter- mein Opa sterben muss. Ben, 9 Jahre, mine haben. Ich habe auch ein bisschen ko- besucht die Volksschule chen gelernt. Malik, 11 Jahre, besucht die Mittelschule Ich durfte nicht Es war mir einfach zu schwer. in den Kindi gehen. Ich habe die Hausübungen oft nicht verstanden und konnte mich auch nicht gut konzentrieren. Ich wollte die anderen Kinder treffen, So habe ich viele Blätter gar nicht gemacht. Unsere Oma durfte leider nicht zu uns kommen, aber das durfte ich nicht. Julia, 5 Jahre, sie hätte mir geholfen. Ich konnte nicht nach draußen gehen und Freunde treffen. Das war besucht den Kindergarten sehr langweilig. Leo, 9 Jahre, besucht die Volksschule Nochmal mach‘ ich das nicht mit. Ich war sehr schlecht drauf wegen dem Coro- na-Scheiß. Das machte mich so wütend, das Ganze, dieses nicht Rauskönnen, immer drinnen hocken, niemanden treffen. Das halt ich sicher nicht noch einmal aus. Tobi, 14 Jahre, besucht die Mittelschule
KIND 2020 – 16 Körperliche Nähe ist elementar für das Wachstum und das Wohl- befinden eines Kindes.
isabella böckle, ba KIND 2020 ist Sozialarbeiterin und – Traumapädagogin. Sie leitet den Pflegekinderdienst des 17 Vorarlberger Kinderdorfs. Sag JA! Wir suchen dringend Pflegefamilien: T 05522 82253 Schutzmantel fürs ganze Leben Kinder, die Nähe und Zuwendung erfahren, können auch später besser mit schwierigen Situationen umgehen. Durch Berührung entsteht ein festes Band, das wie ein elastischer Schutzmantel hilft, mit Verletzungen und Krisen zurechtzukommen. Im Interview spricht Isabella Böckle über die Erfahrungen von Pflegefamilien während des Lockdowns und wie es gelingt, Kindern auch in unsicheren Zeiten Halt zu geben. Welche Bedeutung hat körperliche Nähe für hung einzulassen und Vertrauen zu Pflegeeltern haben wir mit bodenständigen Menschen mit die gesunde Entwicklung von Kindern? fassen. Diesen Mut bewundere ich immer wieder. stabilem Umfeld gemacht. Pflegefamilien sollten Kinder bauen durch Berührungen, Zuwendung, Verständnis, Toleranz und Geduld mitbringen. durch Kuscheln und Blickkontakt die sicherste Kann Resilienz auch später noch aufgebaut Aber auch Offenheit – gegenüber der Herkunfts- Bindung auf. Diese Berührungen sind elementar bzw. trainiert werden? familie des Kindes und der Zusammenarbeit mit für das Wachstum, aber auch das Wohlbefinden. Ein Kind mit ungünstigen Entwicklungsbedingun- dem Pflegekinderdienst. Es gibt sogar Studien, die bestätigen, dass Be- gen kann sich auch dann gut entwickeln, wenn es rührungen das Immunsystem stärken. mindestens eine präsente Bezugsperson erlebt Wie ist es den über 250 Pflegekindern hat. Diese Person hat das Kind in seiner Persön- und fast 200 Pflegefamilien während des Corona bedingt eine Einschränkung von lichkeit gesehen und angenommen und ihm als Corona-Lockdowns ergangen? sozialen Beziehungen, Körperkontakt, Rückblickend ist es einfach unglaublich, was Umarmungen ... Wie können wir Kindern unsere Pflegefamilien geleistet haben, wie sie in dieser Zeit dennoch Halt geben? Es hilft Kindern, den Pflegekindern Sicherheit gegeben haben. Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass wir Und sie waren eben auch mit den gleichen über digitale Medien zwar in Kontakt bleiben sie jetzt mehr in Problemen konfrontiert wie jede andere Familie – können, dies jedoch nicht dieselbe Vertrautheit den Arm zu nehmen den Spagat zwischen Eltern- und Lehrer*in-Sein herstellt wie wenn wir uns gegenübersitzen. Kin- als sonst. meistern, die Ängste und Sorgen der Pflege- der konnten ihre Freunde nicht treffen, sich nicht kinder und eigenen Kinder erkennen. Für die zum Spielen verabreden oder ihre Großeltern meisten Kinder war das „Blödeste“, dass sie ihre umarmen. Eltern können dies auffangen, indem Vorbild gedient. Auch später ist es noch möglich, Freunde nicht mehr treffen konnten. sie mit den Kindern über diese besondere Situa- Resilienz zu üben und zum Beispiel als Pflege- tion sprechen, ihre Sorgen wahrnehmen und sie eltern die Ressourcen beim Kind zu aktivieren. mehr in den Arm nehmen als sonst. Ich bewundere den Was stärkt verletzte Kinder am meisten? Du bist seit vielen Jahren mit dem Thema Sie dazu ermutigen, ihre Gefühle auszudrücken, Mut der Pflegekinder Pflegschaft befasst – welche Auswirkungen altersgemäß Verantwortung übertragen, Mitbe- immer wieder. hat es für Kinder, wenn sie dieses liebevolle stimmung ermöglichen. Fürsorgliche Aufmerk- Gegenüber nicht erlebt haben? samkeit, geduldige Erwachsene, eine Tages- Sehr großen Stress, das Kind entwickelt Defi- struktur und damit Orientierung, Körperkontakt, Wurde diese Zeit auch positiv erlebt? zite auf körperlicher und emotionaler Ebene. aber auch Leichtigkeit und Spaß. Ja, durchaus. Viele Familien sind näher zusam- Das Vertrauen in die Welt, in die Erwachsenen mengewachsen. Beziehungen wurden intensi- ist erschüttert. Wenn ein Kind in den ersten Le- Wenn man mit dem Gedanken spielt, ein viert, die Zeit bewusst für die Familie genutzt. bensjahren die Erfahrung macht, dass es sich Pflegekind bei sich aufzunehmen, welche Gerade Pflegekinder, die noch nicht so lang in nicht auf die Erwachsenen verlassen kann, nicht Voraussetzungen sind aus deiner Erfahrung der Familie lebten, haben das genossen und es wahrgenommen wird in seinem Bedürfnis nach für diese Aufgabe besonders wichtig? hat ihnen ein gutes Ankommen ermöglicht. Uns Nähe und Schutz, wird es misstrauisch, zieht sich Eine Grundvoraussetzung ist die Fähigkeit, eine hat es aufgezeigt, dass Pflegeeltern auch Krisen- zurück. Gleichzeitig erlebe ich, dass Pflegekinder Beziehung zum Kind aufzubauen und ein Bin- zeiten kompetent meistern. Das ist sicher etwas, sehr mutig sind und bereit, sich auf neue Bezie- dungsangebot zu machen. Positive Erfahrungen das Pflegefamilien auszeichnet. PFLEGEKINDERDIENST Der Pflegekinderdienst sucht und begleitet Pflegefamilien. Über 190 Pflegefamilien in ganz Vorarlberg geben derzeit 258 Kindern und Jugendlichen ein neues Zuhause und die Chance, sich in der Welt besser zurecht zu finden. Ringstraße 15, 6830 Rankweil, T +43 5522 82253, pflegekinderdienst@voki.at, www.vorarlberger-kinderdorf.at
KIND 2020 – 18 Mehr Pink als schwarzsehen „Ich glaub’, ihre Lieblingsfarbe ist Pink“, sagt Hanna über ihre Betreuerin im Kinderdorf Kronhalde. Hanna mag Farben und sie zeichnet gern. Ohne Vorlagen aus dem Internet, denn Hanna denkt sich lieber selbst was aus. Hanna greift Momente aus dem Alltag auf. Klei- größte Ressource für Kinder und Jugendliche. Einfühlungsvermögen ne, einfache Dinge, die ihr begegnen und sie Auch die modernen Helden der Kindheit zeigen Resiliente Menschen setzen im Unterschied dazu stärken. Resilienz bedeutet, an Herausforderun- solche stärkenden Kompetenzen: Sie nützen nicht auf Zerstörung des Gegenübers, sondern gen zu wachsen. Dafür braucht es Widerstands- „Tools“ aus ihrem Rucksack, um Hindernisse zu auf das Miteinander. Gerald Hüther beschreibt kraft im Umgang mit belastenden Situationen. überwinden und aus Konflikten siegreich hervor- „kooperierendes und einfühlendes Verhalten“ Die Forschung beschreibt schützende Faktoren zugehen. Das Mittel der Wahl zum Überleben ist als menschlichstes Merkmal für Innovation und bei Kindern, die sich trotz widriger Umstände gut jedoch meist Gewaltanwendung. Wachstum. Hanna hat es verstanden. Es braucht entwickeln konnten. Diese Kinder erlebten Men- vertraute Menschen, die da sind und mit denen schen, die im Umgang mit Hürden und Krisen Nähe gelebt werden kann. aktiv und realistisch waren, gutmütig und liebe- Hanna zeigt uns voll, ausgeglichen, humorvoll, kommunikativ und lösungsorientiert. klipp und klar: Und eigene Ideen Das Mädchen setzt auf Sinneserfahrungen und Es braucht ein bisschen Wahrnehmungen in der Natur. Hanna hat die Stärkende Tools mehr analog statt Fähigkeit, sich selbst etwas auszudenken statt Dieses Sicherheitsnetz können Kinder überneh- zu kopieren. Sie ist gern in Bewegung – spontan, men, daraus Selbstbestimmtheit und Zuversicht digital, mehr Einfühlen aus Freude am Tun. Dazu braucht sie keinen Leis- entwickeln. Haltgebende Menschen sind die statt Abwerten. tungssport. Sie kann sich zurückziehen und sich selbst spüren. Und sie kann sich in Menschen hin- einfühlen. Wüsste sie sonst um die Lieblingsfarbe Pink? Hanna zeigt uns klipp und klar: Es braucht ein bisschen mehr Pink anstatt Schwarzsehen. Ein bisschen mehr analog anstatt digital. Ein biss- chen mehr Einfühlen als Abwerten. ich mag ... Freunde treffen • ein Haustier haben • kuscheln • Fußball spielen • den Geruch nach Harz im Wald • kochen und backen, so wie ich es will • mir was ausdenken und es dann zeichnen oder basteln • etwas dann machen, wenn es mir einfällt • Mama, weil sie einfach meine Mama ist • am See sein und Pommes essen • wenn es nach nassem Gras riecht • Schlösser, um mein Zimmer zu versperren und alleine zu sein. Dann habe ich meinen Duft, meine Sachen ... und kann sein, wie ich bin. kinderdorf kronhalde Über 70 Kinder finden in zehn Kinderdorffamilien und zwei Familiären Wohngruppen des Kinderdorfs Kronhalde ein neues Zuhause. Nach Bedarf stehen unterschiedliche Förder- und mag. verena dörler Therapieangebote zur Verfügung. ist Pädagogin und Psycho- therapeutin. Sie ist Leiterin Kronhaldenweg 2, 6900 Bregenz, T +43 5574 4992-23, des Kinderdorfs Kronhalde des kinderdorf-kronhalde@voki.at, www.vorarlberger-kinderdorf.at Vorarlberger Kinderdorfs.
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