WEIBLICH. NACHHALTIG. DIGITAL. TOURISMUS IN AFRIKA - Studienergebnisse für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus Südafrika, Ägypten und Kenia
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WEIBLICH. NACHHALTIG. DIGITAL. TOURISMUS IN AFRIKA Studienergebnisse für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus Südafrika, Ägypten und Kenia Supported by Empowering Entrepreneurship Initiative
TOURISM RECOVERY PROGRAMME UND DIE STUDIE Um Tourismusunternehmen in der Corona-Krise zu helfen, haben enpact und die TUI Care Foundation 2020 eine gemeinsame Initiative ins Leben gerufen. Die Initiative unterstützt durch eine innovative Kombination von Lerninhalten und finanzieller Hilfe die Direktförderung von Unternehmerinnen und Unternehmern in Entwicklungs- und Schwellenländern. Mit zwei im Jahr 2020 gestarteten Programmen wurden 330 Unternehmen in Ägypten, Ghana, Indonesien, Jordanien, Kenia und Mexiko bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Krise unterstützt. Das Tourism Recovery Programme ist das aktuell dritte Programm der Empowering Entrepreneurship Initiative und wird von enpact und der TUI Care Foundation in Kooperation ERKENNTNISSE mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammen- Geschlechterspezifische Unterschiede 4 arbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit 5 durchgeführt. Hierdurch werden zusätzlich 415 kleine und Wirtschaftlicher Stellenwert 7 mittlere Unternehmen (KMU) im Tourismussektor in Ägypten, Mexiko, Kenia, Südafrika und Tunesien mit einer Kombination Digitale Vertriebskanäle 9 aus Mentoring, digitalen Lerninhalten und finanziellen Direkt- Wesentliche Hürden 10 hilfen unterstützt. Bedeutung des Mentorings 11 Im Auftrag des Tourism Recovery Programmes hat das Insitut für nachhaltigen Tourismus unter Führung von Prof. Dr. Harald Zeiss analysiert, mit welchen Hürden die KMU konfrontiert sind. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie wirken sich die Rahmenbedingungen in den drei afrikanischen Ländern auf VOR ORT die Entwicklung der touristischen KMU aus? Die Studie basiert Kamaroutes auf Experteninterviews sowie einer Online-Befragung von Unternehmerinnen braucht das Land 12 206 KMU des Tourism Recovery Programme, die zwischen November 2021 und Februar 2022 durchgeführt wurden. Die Wild Routes Africa ausgewählten Unternehmen nehmen am Tourismus Recovery Mehr Resilienz für Südafrikas Tourismus 14 Programme teil, sind nicht älter als 10 Jahre, weisen soziales Dayra Camp und ökologisches Innovationspotenzial auf und wurde durch Heimat für weltoffene Reisende 16 die Effekte der Pandemie stark in ihrer Existenz bedroht. Nubien Mit Tourismus eine Jahrtausende BEDEUTUNG DES TOURISMUS alte Kultur bewahren 18 Der Tourismus hat in Afrika bis zum Ausbruch der Corona- The African Thrillist Pandemie im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren ein Kenia ungeschminkt 20 überdurchschnittliches Wachstum verzeichnet. Die pandemie- Hikemaniak bedingten Folgen sind allerdings erheblich: Etwa 30 Prozent Kenia ist soviel mehr als Safari 22 der vormaligen Arbeitsplätze sind verloren gegangen, und der Tourismussektor in den Ländern kam zwischenzeitlich fast vollkommen zum Erliegen. KMU kommt generell eine besondere Rolle zu: In den Ländern HANDLUNGS- des globalen Südens prägen sie den Großteil der touristischen Wertschöpfungskette, bieten Ausflüge an, betreiben Hotels, EMPFEHLUNGEN24 Unterkünfte und Restaurants, sind Zulieferer und Dienst- leistungsunternehmen. Dabei haben sie großes Innovations- potenzial und einen starken Einfluss auf die touristischen Zielgebiete. Seite 2
Seite 3 HIGHLIGHTS DER STUDIE FRAUEN SIND BESONDERS 76,8 % AMBITIONIERT UND MUTIG 75,2 % Unter den befragten Frauen wollen 76,8 % neue Produkte und Dienstleistungen ent- wickeln, zwölf Prozentpunkte mehr als unter den befragten Männern. Zugleich wollen sie Nachhaltigkeit und Innovation in ihren Unter- LOKALE GEMEINSCHAFTEN nehmen deutlich stärker vorantreiben. PROFITIEREN ERHEBLICH Bei drei Viertel der Befragten profitieren die lokalen Gemeinschaften direkt von den touristischen Angeboten. 92,7 % INTERNATIONALE GÄSTE SIND TREIBER DES NACHHALTIGKEITSGEDANKENS Aus Sicht der Befragten spielt Umweltschutz für 92,7 % der internationalen Gäste eine wichtige oder sehr wichtige Rolle, bei nationalen Gästen liegt der Wert 16 Prozentpunkte niedriger. 97,6 % KMU IN ÄGYPTEN, KENIA UND SÜD- AFRIKA VERSTEHEN NACHHALTIGKEIT ALS WICHTIGEN WIRTSCHAFTSFAKTOR 74,3 % Für 89 % der Befragten ist nachhaltiges Engagement wichtig oder sehr wichtig für die Situation ihres Unternehmens – für die künftige Entwicklung liegt der Wert sogar bei 97,6 %. KMU IM TOURISMUSSEKTOR SIND AUF NICHT STAATLICHE Die Langfassung GELDER ANGEWIESEN der Studie inklusive aller Für drei Viertel (74,3 %) der Unternehmen stellte der Daten ist abrufbar unter: Zugang zu Finanzierungsquellen die größte Hürde dar. bit.ly/afrikastudie2022
WESENTLICHE ERKENNTNISSE DER NACHHALTIGKEITSSTUDIE 1 GESCHLECHTERSPEZIFISCHE UNTERSCHIEDE Deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind ein Indiz dafür, dass die (finanzielle) Förderung von jungen Unternehmen berücksichtigen sollte, welches Geschlecht die Gründenden haben. Weibliche Teilnehmende finanzieren die Grün- ABB 1 Finanzierung dung ihrer Unternehmungen mehrheitlich durch 53,7 % der Unternehmens- Ersparnisse (53,7 %). Bei den Männern waren es gründung durch nur 43,5 % ABB 1 . Das ist ein Indikator, dass Frauen Ersparnisse schlechter auf alternative Fördermöglichkeiten zurückgreifen können. Dies könnte auch kulturell 43,5 % bedingt sein, wie sich aus den individuellen Ge- sprächen ergeben hat, denn ihre Familien scheinen sie seltener dabei zu unterstützen, ein eigenes Geschäft aufzubauen und erfolgreich zu betreiben. Auch im unternehmerischen Umfeld nach der Frauen Männer Gründung sehen sich Frauen stärker als Männer mit Schwierigkeiten konfrontiert. Ein Viertel der ABB 2 Pläne zur Entwicklung Frauen attestiert sich einen Mangel an Manage- mentkompetenzen und Weiterbildungsmöglich- neuer Produkte und Dienstleistungen keiten. Bei den Männern sind es deutlich weniger (14,5 %). Weibliche Unternehmerinnen nehmen auch die Konkurrenz als ein größeres Hindernis wahr (28 % der Frauen, 17,7 % bei Männern). 76,8 % Frauen 64,5 % Männer Ähnlich problematisch sieht es bei dem Zugang zu den internationalen Märkten für die weiblichen Teilnehmenden aus (Frauen: 63,4 %). Das sehen die Männer nicht ganz so kritisch (52,4 %). Hier muss künftig stärker in der Entwicklungsförderung angesetzt werden: Unterstützungsprogramme für frauengeführte Unternehmen im Tourismus sollten sich auf den Zugang zu geschlechter- ABB 3 Pläne zur Verbesserung spezifischen Lerninhalten, gezielter finanzieller 45,1 % ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit Förderung und dem Aufbau von internationalen Netzwerken konzentrieren. So kann das beste- hende Potenzial von Unternehmerinnen im Touris- mus stärker gefördert werden. Frauen Geschlechtsbezogene Maßnahmen würden nicht nur den Frauen zugutekommen, sondern auch der Gesamtwirtschaft. Denn auf die Frage zu den Plä- Männer 32,3 % nen zur Entwicklung neuer Produkte/Dienstleistun- gen zeigen die befragten Unternehmerinnen eine besonders innovative Einstellung. 76,8 % haben diesbezüglich Pläne, während bei den männlichen Befragten nur 64,5 % diese Innovationsabsicht auf- weisen ABB 2 . Das gleiche Bild zeigt sich bei der Seite 4
Seite 5 Erschließung neuer Absatzmärkte – hier wollen Vor dem Hintergrund der im folgenden Abschnitt sich 75,6 % der Frauen engagieren, während nur diskutierten Ergebnisse der Nachhaltigkeit in den 63,7 % der Männer dazu bereit sind. Diese Zahlen befragten Ländern zeigen weibliche Befragte eine unterstreichen eindrucksvoll, welche wirtschaft- gute Einschätzung für die Potenziale der internatio- liche Kraft im weiblichen Unternehmertum steckt. nalen Kundschaft. Gleichzeitig weisen sie eine hohe Bereitschaft auf, die ökologischen und sozialen Eine deutliche Auffälligkeit zwischen weiblichen Umstände in ihren Heimatländern zu verbessern und männlichen Teilnehmenden zeigt sich bei der und bewusst zu den Nachhaltigen Entwicklungs- Planung von Maßnahmen zur Verbesserung der zielen der Vereinten Nationen beizutragen. Männer ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Fast hingegen benötigen mehr Unterstützung dabei, die die Hälfte der Frauen (45,1 %) gibt dies als Plan Bedeutung von sozialer und ökologischer Nachhal- für die kommenden drei Jahre an. Unter den Män- tigkeit einzuordnen. nern ist es jedoch nur ein Drittel (32,3 %) ABB 3 . 2 MASSNAHMEN FÜR MEHR NACHHALTIGKEIT Die Ergebnisse aus den drei afrikanischen Ländern zeigen, dass das soziale Engagement in der lokalen Gesellschaft sehr hoch ausgeprägt ist. So unterstüt- zen drei Viertel der Befragten lokale Gemeinden. Gelder aus dem Tourismus schaffen Arbeitsplätze, fördern die Weiterbildung und tragen zu bescheidenem Wohlstand bei. Deutliches Potenzial gibt es hinsichtlich der Produktentwicklung auf ökologischer Ebene: Obwohl vor allem internationale Gäste Umweltaspek- ten sehr positiv gegenüberstehen, lässt sich dies nicht in gleichem Maße in der Umsetzung bei den Befragten wiederfinden. Die Teilnehmer wurden gefragt, wie sie die Situa- Darüber hinaus werden gezielt junge Menschen tion in ihrem Land und ihrem Umfeld zur Nachhal- aus diesen Communities ausgebildet und einge- tigkeit beurteilen. Überraschend ist, wie hoch das stellt, wie 70,9 % der Befragten angaben. soziale Engagement aller Teilnehmer ausfällt – Damit können KMU einen entscheidenden Beitrag unabhängig von Geschlecht und Herkunft. Mehr für die lokale Entwicklung liefern. Gerade im als drei Viertel der Unternehmen (75,2 %) geben ländlichen Raum ist diese Art von Wirkung sehr an, mit ihren Geschäftsmodellen lokale Gemein- wichtig, da neben der Landwirtschaft weitere Ein- schaften zu fördern. ABB 4 . In erster Linie geht kommensquellen geschaffen werden, die der stei- es um eine gute Zusammenarbeit, was sich auch genden Landflucht entgegenwirken. Es ist positiv, mit den Ergebnissen aus den persönlichen Inter- dass diese Unternehmerinnen und Unternehmer views deckt. Nahezu alle Teilnehmer sehen die eine solche Einstellung zum Ausdruck bringen. Hier Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung als können Förderprogramme ansetzen. Voraussetzung für den Erfolg ihres Geschäfts an. Leider schlägt sich das hohe soziale Engagement nicht in gleichem Maße in der ökologischen Nach- haltigkeit nieder. Auch wenn die Befragten sehen, ABB 4 Junge Tourismusunternehmen fördern dass ihre internationalen Gäste sehr viel Wert auf lokale Gemeinschaften die Umwelt legen, engagiert sich noch nicht mal die Hälfte der Teilnehmer für diese Themen. Die Litera- tur bestätigt: Viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent liegen im internationalen Vergleich in Bezug auf die ökologische Säule der Nachhaltigkeit zurück.1 75,2 %
ABB 5 Aus Perspektive der befragten KMU: Internationale Gäste Treiber bei Nachhaltigkeitsthemen 85,0 % Wichtig, sehr wichtig Mäßig wichtig SOZIALE ASPEKTE 2,4 % 12,6 % Nicht wichtig, unwesentlich Interesse der internationalen Gäste Interesse der nationalen Gäste 73,3 % 7,3 % 19,4 % UMWELTASPEKTE 0,5 % 6,8 % Interesse der 92,7 % internationalen Gäste Interesse der nationalen Gäste 74,3 % 8,8 % 17,0 % KLIMAWANDEL 1,5 Interesse der % 16,5 % 82,0 % internationalen Gäste Interesse der nationalen Gäste 66,5 % 11,6 % 21,8 % Eine verstärkte Förderung von kleinen und Entsprechend den Einschätzungen der Befragten mittleren Tourismusunternehmen, insbesondere ist das Interesse an Nachhaltigkeitsthemen bei frauengeführte Unternehmen, mit einem Fokus nationalen und internationalen Gästen unter- auf Umwelt- und Artenschutz und erneuerbare schiedlich ausgeprägt ABB 5 . So meinen 63,1 %, Energien, wäre sinnvoll. Förderprogramme wie dass das Interesse der internationalen Gäste am das Tourism Recovery Programme schaffen Zu- Umweltschutz sehr hoch ist. Das kontrastiert mit gang zu Fördermitteln und digitalen Lerninhalten, der Einschätzung zum Umweltschutz bei den die den Wert der Natur und die wirtschaftlichen nationalen Gästen. Nur 46,1 % attestierten diesen Möglichkeiten durch nachhaltige naturbasierte ein sehr hohes Interesse am Umweltschutz. Angebote in den Vordergrund stellen. Das würde die lokalen Unternehmerinnen und Unternehmer im Hinblick auf internationale Märkte, lokale Wett- bewerbsfähigkeit und Investitionsattraktivität erheblich stärken. Seite 6
Seite 7 3 WIRTSCHAFTLICHER STELLENWERT Die Befragten schätzen nachhaltiges Wirtschaften für die wirtschaftliche Situation ihrer Unternehmen bereits heute als bedeutend ein – Tendenz klar steigend. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass die Umsetzung der Maßnahmen als schwierig bewertet wird. Ausgehend von den Gästeinteressen rund um Im Vergleich der drei Länder ist interessant, dass das Thema Nachhaltigkeit sind sich die KMU der die kenianischen KMU sowohl die aktuelle als wichtigen Bedeutung von nachhaltigem Engage- auch die künftige Bedeutung der nachhaltigen Ent- ment für den Erfolg ihrer Unternehmen bewusst. wicklung gegenüber den anderen Ländern deutlich Gefragt wurde zunächst nach der heutigen Bedeu- höher einschätzen. 80,8 % der kenianischen KMU tung von Nachhaltigkeit auf ökonomischer Ebene. bewerten die ökonomische Bedeutung als sehr hoch Mit 68,4 % schätzt die Mehrheit der Befragten diese (im Vergleich dazu: Ägypten 55,1 % und Südafrika Bedeutung als sehr hoch und ein weiteres Fünftel 64,6 %). Für das künftige Unternehmenswachstum (21,4 %) als hoch ein ABB 6 . schätzen 92,3 % der kenianischen Befragten Nach- haltigkeit als sehr wichtig ein. Von den südafrika- Zudem wurden die KMU um eine Einschätzung des nischen Befragten waren es 79,7 % und von den Einflusses von Nachhaltigkeit auf die künftige ägyptischen Befragten 63,3 % ABB 7 . wirtschaftliche Entwicklung gebeten. Auch hier erkennen die Teilnehmer der Befragung die große Gleichzeitig zeigen die Befragungsergebnisse Bedeutung von Nachhaltigkeit. 80,6 % der Teilneh- jedoch auch, dass eine nachhaltige Ausrichtung menden gaben an, Nachhaltigkeit sei dafür sehr des Unternehmens für die kenianischen KMU ein wichtig und weitere 17 % stuften sie als wichtig ein. größeres Problem darstellt als für Unternehmen ABB 6 Ökonomische Bedeutung von nachhaltigem Handeln steigt Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Bedeutung der Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen heute ein? 1,0 % 9,2 % 21,4 % 68,4 % Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Bedeutung der Nachhaltigkeit für die zukünftige Entwicklung Ihres Unternehmens ein? 0,5 % 1,9 % 17,0 % 80,6 % Nicht wichtig Mäßig wichtig Wichtig Sehr wichtig
aus den anderen beiden Ländern. Über ein Drittel für die Teilnehmenden steigt, diese Erwartungen zu (37,2 %) der Teilnehmenden wählten diese Ant- erfüllen. wortmöglichkeit. Im Vergleich dazu waren es aus Besonders im Fall der kenianischen KMU sollte Ägypten nur 16,3 %. In Südafrika gaben 17,7 % das untersucht werden, worin die Hürden bezüglich nachhaltige Handeln als Schwierigkeit an ABB 8 . der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen Aus den Ergebnissen geht ebenfalls hervor, dass liegen. Da die Erwartung der Gäste durch die die Erwartungen der Reisenden, die die KMU kenianischen Befragten höher eingeschätzt werden zu erfüllen haben, in Bezug auf Nachhaltigkeit als bei den Vergleichsgruppen, könnte das erklä- wachsen. An der großen Bedeutung, die Nach- ren, warum die Gruppe aus Kenia sich hier im Be- haltigkeit für die ökonomische Situation der KMU sonderen sorgt, die Erwartungen nicht erfüllen zu beigemessen wird, wird deutlich, dass der Druck können. ABB 7 Künftige Bedeutung von nachhaltigem Handeln wird in den Ländern unterschiedlich gewichtet Anteil der Befragten, die die wirtschaftliche Bedeutung der Nachhaltigkeit für die zukünftige ABB 8Nachhaltigkeit in der Unternehmensentwicklung als Unternehmensentwicklung – 92,3 % „sehr wichtig“ einschätzen. insbesondere in Kenia eine Herausforderung Kenia 79,7 % Südafrika 37,2 % Kenia Anteil der 17,7 % Befragten, die die nachhaltige Ausrichtung der Südafrika Geschäftsaktivitäten 63,3 % als „schwierig“ einschätzen Ägypten 16,3 % Ägypten Seite 8
ABB 9 Digitale Kanäle als zentrales Marketinginstrument Seite 9 91,3 % 82,5 % 73,8 % „Bitte geben Sie die drei wichtigsten sozialen Netzwerke für Ihr Unternehmen an.“ 23,3 % 15,0 % 3,4 % 7,8 % Facebook Instagram WhatsApp LinkedIn Twitter TikTok Andere 4 DIGITALE VERTRIEBSKANÄLE KMU nutzen fast ausschließlich Social-Media-Kanäle und Messenger-Dienste für den Vertrieb und das Marketing. Die Digitalisierung und die Verfügbarkeit vom Internet sind somit wichtige Voraussetzungen für den Zugang zu (inter- nationalen) Märkten. Dabei sind die Plattformen Facebook und Instagram sowie der Messenger-Dienst WhatsApp in allen drei afrikanischen Ländern die wichtigsten Kanäle für die Kundenkommunikation der KMU. Gefragt wurde nach der Bedeutsamkeit sozialer gut wie gar nicht genutzt wird (2 %), in Kenia hin- Netzwerke und Messenger-Dienste. Im Durch- gegen mehr als zehnmal häufiger (24,4 %). Auch schnitt nutzen die Teilnehmer rund drei soziale in Südafrika spielt Twitter immerhin noch für jeden Netzwerke für ihre Arbeit (konkret 2,97). Am siebten Befragten eine wichtige Rolle (13,9 %). häufigsten wurde Facebook (91,3 %) genannt, ge- Anders verhält es sich mit TikTok, einer Video- folgt von Instagram mit 82,5 % – eine Plattform, die plattform, die international sehr schnell wächst. in erster Linie für die Verbreitung von Fotos genutzt In Ägypten spielt sie bereits eine relevante Rolle wird und Möglichkeiten der klassischen Informa- (6,1 %), während sie in Südafrika (3,8 %) und tionsübermittlung nur eingeschränkt ermöglicht. Kenia (1,3 %) noch deutlich weniger genutzt wird. An dritter Stelle folgt WhatsApp, das bei 73,8 % der Die Ergebnisse zeigen mehrere wichtige Punkte. Befragten regelmäßig zum Einsatz kommt. Weniger Zuvorderst muss festgehalten werden, dass die wichtig sind die Netzwerke LinkedIn (23,3 %), Befragten innovative und „junge“ Vertriebskanäle Twitter (15 %) und TikTok (3,4 %) ABB 9 . Die Er- für ihre Produkte nutzen. Dies ist nur möglich, weil gebnisse sind beeindruckend, weil die klassischen die Verbreitung von Smartphones und die Netz- Vertriebskanäle (Print, Radio, TV und Out-of-home), werkabdeckung in den Ländern in manchen Teilen die in Europa immer noch eine große Rolle spielen, besser ist als in Europa. In Einzelinterviews wurde so gut wie gar nicht genutzt werden, wie in den Ein- bestätigt, dass selbst in ländlichen Gegenden zelinterviews deutlich wurde. Die sozialen Medien Einkäufe mit dem Handy getätigt werden – keine sind schneller, preiswerter und erlauben auch Selbstverständlichkeit in Ländern wie Deutsch- einen flexibleren Auftritt. Darüber hinaus sind sie land. Dadurch erzielen die Befragten schneller sowohl national wie international einsetzbar, ohne und kostengünstiger gute Vertriebsergebnisse, zusätzliche Kosten zu verursachen. ohne dafür auf externes Know-how zurückgreifen Unterschiede ergeben sich im Vergleich unter den zu müssen. Mehrere Befragte haben sich diese drei Ländern bei einzelnen Diensten. Interessant Kenntnisse autodidaktisch angeeignet. ist, dass Twitter von ägyptischen Teilnehmern so
ABB 10 Top-9-Probleme bei der Unternehmensgründung Finanzierung 74,3 % „Welche Herausforderungen waren für Sie am schwierigsten Marktzugang 56,8 % zu bewältigen? Bitte wählen Sie maximal drei Antworten aus.“ Fehlende staatliche Unterstützung 37,4 % 24,8 % Nachhaltige Ausrichtung der Geschäftsaktivitäten 21,8 % Wettbewerbssituation 20,9 % Qualifikation und Verfügbarkeit von Angestellten 18,4 % Mangel an Führungskompetenzen und Weiterbildungsmöglichkeiten 18,0 % Beschaffung der erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen 11,7 % Korruption 5 WESENTLICHE HÜRDEN Für drei Viertel der Befragten war die Finanzierung des Unternehmens eine besondere Hürde. Es fehlt der Zugang zu bezahlbaren Krediten, staatlicher Förderung und privaten Investoren. Aus diesem Grund sind viele auf eigene Ersparnisse oder Gelder aus der Familie angewiesen. Immerhin: Korruption ist – entgegen anderslautender Zahlen öffentlicher Quellen – für die befragten Tourismusunternehmen kein großes Problem. Fast die Hälfte der Teilnehmenden hat die Grün- wird auch deutlich, wenn man die KMU direkt nach dung des Unternehmens überwiegend durch den größten Schwierigkeiten fragt: Für drei Viertel eigene Ersparnisse finanziert (47,6 %) ABB 10 . (74,3 %) der Unternehmen stellte der Zugang zu Staatliche Förderungen, wie sie beispielsweise in Finanzierungsquellen die größte Hürde dar. Europa üblich sind, spielten bei den Befragten keine Analog dazu spielt auch das Wissen über Finanzie- Rolle. Lediglich 2,4 % der Teilnehmenden haben rungsquellen, Investitionen und Finanzmanage- zur Gründung finanzielle Hilfe seitens der Regie- ment eine große Rolle. Die Hälfte der Befragten gab rung bekommen. Die Unternehmerinnen und an, dass Finanzierung und Investitionen (46,1 %) Unternehmer waren demnach fast ausschließlich sowie Finanzmanagement (44,2 %) wichtige Fähig- auf eigene Gelder angewiesen. Dieses Problem keiten sind. Seite 10
Seite 11 Korruption ist in Afrika für KMU ein großes Prob- Jahren schon im Ausland, privat oder zum Studium. lem.2 Die Ergebnisse der Befragung spiegeln dies Allerdings zeigten sich die Befragten enttäuscht jedoch nicht wider. Nur 11,7 % der Teilnehmenden darüber, dass der Staat mit aufwändiger Bürokra- nannten Korruption als Schwierigkeit. tie selbst einfache behördliche Gänge kompliziert macht. So hätten sie weniger Zeit, sich auf das Im Vergleich zu Europa wird deutlich, dass in den Wesentliche zu konzentrieren. befragten Ländern die Gründung von Unterneh- men hauptsächlich von der eigenen finanziellen Um auch weniger privilegierten Gruppen den Leistungsfähigkeit abhängt – oder der der Familie. Schritt zum Unternehmertum zu ermöglichen, In den Interviews zeigte sich auch häufiger als er- müssten bedarfsorientierte Förderprogramme wartet, dass die Befragten aus Familien der geho- und Finanzinstrumente zum Einsatz kommen, die benen Mittelschicht bzw. der Oberschicht stammen skalierbare Unterstützung für unternehmerisches (Staatsangestellte, selbstständige Unternehmer), Handeln unabhängig von Einkommen, Geschlecht und überdurchschnittlich viele waren in jungen und Bildungsgrad anbieten. 6 BEDEUTUNG DES MENTORINGS Für ein Viertel (24,4 %) der Gründerinnen stellt Was fehlt, sind jedoch vor allem ausländische der Mangel an Weiterbildungsmöglichkeiten eine Unternehmen als Informations- und Kommunika- Schwierigkeit dar. Unter den männlichen Teilneh- tionspartner. Die Befragten wünschten sich in den menden ist dies nur für 14,5 % ein Problem. Anzu- Interviews einen besseren Kontakt zu diesen nehmen ist, dass es erneut auf die kulturellen und Unternehmen, um sich einen leichteren Zugang gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber der zu den europäischen Märkten zu verschaffen. Frau und dem erschwerten Zugang zu unter- Diese fehlenden Kooperationen werden auch in nehmerischer Bildung zurückzuführen ist. der Literatur als Hemmnis für KMU angeführt.3 Interessant ist, dass es offenbar einen regen Aus- tausch zwischen Unternehmen gibt – gegebenen- falls sogar unter Wettbewerbern. So gab die Mehr- ABB 11 Mentoren sind wichtigste heit der Befragten an, bei unternehmensbezogenen Kontaktgruppe bei unternehmens- Fragen ihre Kontakte zu anderen Unternehmen zu bezogenen Fragen nutzen. Vor allem der Kontakt zu Mentoren aus größeren Unternehmen wurde mehrheitlich (57,3 %) genannt ABB 11 . Die Hälfte der Teilneh- menden gab zudem an, Unternehmensverbände bzw. andere KMU kontaktieren zu können. Das 53,7 % bedeutet, dass diese Netzwerke auch in den drei Ländern eine wichtige Rolle spielen. 1 Vgl. Hartmann, Rainer. Tourismus in Afrika: Chancen und Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung. Berlin/Boston: Walter de Gruyter GmbH 2020: S. 44. 2 Vgl. Muriithi, Samuel M. African Small and Medium Enterprises (SMEs) Contributions, Challenges and Solutions, in: European Journal of Research and Reflection in Management Sciences 6(2017), S. 43. 3 Vgl. OECD. Tourism in OECD Countries 2008. Trends and Policies. Paris: OECD Publishing 2008: S. 31ff.
Als schwarze Frau in Südafrika unternehmerisch Fuß zu fassen, ist nicht leicht. Wenn sie dann noch aus einem ärmeren Land im süd- lichen Afrika eingewandert ist, ist es besonders schwer, die strukturellen und kulturelles Bar- „Südafrika hat mir rieren zu überwinden. Vanessa Mbenoun, die Chance gegeben, geboren und aufgewachsen in Kamerun, mich zu beweisen. Der Tourismus öffnet weiß das und geht mit ihrem Reise- hier Türen.“ unternehmen Kamaroutes ihren ganz West Assuan VANESSA MBENOUN eigenen Weg. Gründerin KAMAROUTES UNTERNEHMERINNEN BRAUCHT DAS LAND GRÜNDERIN SEHNSUCHTSLAND Vanessa Mbenoun SÜDAFRIKA GRÜNDUNG Mit 18 Jahren zieht Vanessa Mbenoun nach 2017 Südafrika, um Touristik zu studieren. Ge- messen an ihrer Heimat ist die Reisebran- MITARBEITENDE che hier um ein Vielfaches weiter: Gegen- 20 über Gästen herrscht eine authentische GÄSTE/JAHR VOR CORONA Willkommenskultur, es wird mehr inves- 120 tiert und der Umwelt- und Tierschutz ist deutlich ausgeprägter: „Das war ein ganz INTERNATIONALE GÄSTE anderer Tourismus als in Kamerun, einfach 100 % kapital startet Vanessa in die Selbstständig- großartig. Daran wollte ich anknüpfen.“ keit. Zeitgleich ist sie Mutter geworden. Was STANDORT Während des Studiums arbeitet Vanessa ihr allerdings fehlt: Ein Babysitter, ein Busi- Johannesburg, Südafrika nebenbei in einem Reisebüro. „Das war nessplan, ein Computer … Die Liste ist lang. Windhoek, Namibia eine sehr gute Arbeit, aber ich wollte Erschwerend hinzu kommt das ge- Reisen in Südafrika auf meine sellschaftliche Umfeld, das Erbe eigene Art und Weise ver- der Apartheit. Vanessa: „Als kaufen. Als jemand, der aus „Ich war sicher, schwarze Frau aus dem Windhoek Westafrika stammt und dass ich im südafrika- Ausland ist es schwer, in nachempfindet, wonach nischen Tourismus der Branche Fuß zu fas- sich Ausländerinnen und sen. Ich will es nicht Ras- Johannesburg etwas finden würde, Ausländer hier sehnen.“ sismus nennen, aber es NAMIBIA Mit ihrem Einfühlungs- was ich liebe.“ gibt noch immer großen vermögen als Grund- VANESSA MBENOUN Widerstand“, erzählt sie. Gründerin SÜDAFRIKA
Seite 13 GERADLINIG, AUCH WENN’S SCHMERZT Als Unternehmerin ist sie eine von Wenigen. Viel- wegs in einem klagenden Ton. Sie nimmt es zur fach fehle die Möglichkeit und die Vorstellung, dass Kenntnis, protestiert und zieht ihre Konsequenzen. eine schwarze Frau eine Führungsposition über- Vanessa: „Mitunter kann ich die Diskriminierungen nehmen könne, so Vanessa. Sie begleitet ihre Gäste nicht ertragen. Ich wechsle dann das Hotel und auf den Reisen, übernachtet mit ihnen in Hotels und erkläre meinen Gästen, die oftmals aus Europa Lodges – und wird von den Angestellten dennoch kommen, die Situation.“ oftmals abgekanzelt. Vanessa erzählt das keines- NACHHALTIGKEIT – EIN IMPULS DER GÄSTE Von dort kommen nicht nur Kunden, sondern auch So besucht sie mit ihren Gästen Kliptown, einen neue Ideen. Vanessa: „Mein Fokus lag ursprünglich Stadtteil von Johannesburg. Die Arbeitslosigkeit nicht auf Nachhaltigkeit. Aber die Erwartungs- liegt bei 70 Prozent , informelle Siedlungen prägen haltung meiner europäischen Kunden hat mich das Bild. Gleichzeitig erlaubt es den Bewohnerin- zum Umdenken gebracht.“ Spaziergänge mit Löwen nen und Bewohnern, durch die ausländischen Tou- oder Elefantenreiten kann man über Kamaroutes risten neue Einkommensquellen zu erschließen, nicht mehr buchen. Einen besonderen Schwer- Geschäftsmodelle zu entwickeln und Aufmerksam- punkt legt Vanessa nun auf soziale Aspekte. keit auf ihre Heimat zu lenken, so Vanessa. VORBILD FÜR FEMALE EMPOWERMENT Auf eigene Kosten unterstützt sie in Kliptown ein Die Unternehmerin steht für Geschlechtergleich- Waisenhaus für Mädchen. Diese geschlechter- heit und Inklusion von marginalisierten Bevölke- spezifische Ausrichtung kommt nicht von ungefähr. rungsgruppen. Das zeigt ihr Werdegang, ihr sozia- Rund drei Viertel ihrer Gäste sind weiblich. Jüngst les Engagement und auch ihre Zukunftspläne: hat Vanessa die Marke Solo Womxn gegründet, So will Vanessa eine Doktorarbeit über Frauen, die ausschließlich auf die besonderen Bedürfnisse Inklusion und Diversität schreiben: „Ich glaube, das von Frauen abzielt. Vanessa zum Hintergrund: ist sehr wichtig für den Kontinent. Ich sehe noch „Immer wieder können Frauen ihre Reisen nicht nicht genug Frauen in führenden Positionen.“ völlig genießen, weil sie in unsichere Situationen Und neben Solo Womxn will sie eine Reiseplatt- geraten, falsch eingeschätzt oder diskriminiert form allein für Frauen anbieten. „Da kommt auch werden. Bei uns ist das anders – egal wie die Haut- die Unterstützung durch das Tourism Recovery farbe unsere Kundinnen sind, wo sie herkommen Programme gerade recht, zumal ich während des oder welche sexuelle Orientierung sie haben.“ Lockdowns ohne Einkommen war. So konnte ich mich darauf konzentrieren, unternehmerisch vieles dazulernen, was mir dabei hilft, mein neues Projekt umzusetzen .“
Justin Perumal wächst in Südafrika auf. 2006 verlässt er das Land, um erst zehn Jahre später zurückzukehren. Der erhoffte gesellschaft- liche Wandel – eine Illusion. Doch er bleibt und gründet die Reiseagentur Wild Routes Africa. „Meine Philosophie Touren mit lokalen Künstlern und ganz ist es, Verantwortung neue Angebote für den Inlandstourismus: für die Einzigartigkeit seiner persönlichen Justin denkt vieles anders und gibt Impulse West Assuan Umstände zu nehmen.“ für neue Tourismusformate in Südafrika – JUSTIN PERUMAL nachhaltiger, inklusiver und resilienter in Gründer Krisenzeiten. WILD ROUTES AFRICA MEHR RESILIENZ FÜR SÜDAFRIKAS TOURISMUS Seine Rückkehr nach Südafrika nach Jahren wirtschaft gehabt. Dennoch findet er genau GRÜNDER in England empfindet Justin als Kultur- hier sein Aufgabenfeld. Erstens sieht er die Justin Perumal schock. „Ich sah die Situation im Land mit hier tätigen Menschen als aufgeschlossener völlig anderen Augen als die Person, die da- und engagierter an, zweitens will er auf GRÜNDUNG mals Südafrika verlassen hatte.“ Gleichzeitig diese Weise seine Heimat neu kennenlernen. 2016 verspürte er den Drang, Verantwortung zu Über soziale Netzwerke tritt er mit Reisen- MITARBEITENDE übernehmen. Für mehr Klimaschutz, die den in Kontakt, erkennt über deren digitale 12 Bewahrung der Kultur und die besonderen Profile ihre Bedürfnisse und gewinnt so Eigenheiten der Gemeinden vor Ort. Er für sein Unternehmen Wild Routes Africa GÄSTE/JAHR VOR CORONA hatte Betriebswirtschaft studiert, dabei erste Kunden. 994 aber keinerlei Berührung zur Tourismus- INTERNATIONALE GÄSTE 93 % STANDORT Durban, Südafrika TRANSFERFAHRTEN – MEHR ALS NUR VON A NACH B Wild Routes Africa startet 2016 als Boutique- Organisierte Tagestouren sind der nächste Transferservice für Reisen in die Natur- Entwicklungsschritt. Justin: „Wir wollten Rei- schutzgebiete. Herkömmliche Anbieter senden wirklich eindringliche Erfahrungen beschränken sich auf den reinen Shuttle- bieten. Dafür sind Interaktionen mit Men- service – teuer und ohne Informationen zu schen, die mit der Tourismusbranche im Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke. Kern nichts zu tun haben, ideal. Seine Gäste Justin: „Sie stifteten keinen Wert, meine Idee bringt er nun mit lokalen Straßenkünstlern, war es, den Transfer bereits als Teil der Reise Museumskuratorinnen, Naturschützerinnen Durban miteinzubeziehen.“ Ferngläser für die Gäste, oder Wildtierärzten zusammen, deren Zeit- ein lokaler Tourguide und mit iPads ausge- aufwand entlohnt wird. Das drückt zwar die SÜDAFRIKA stattete Fahrzeuge, die über das Tracking Marge, zahlt aber gleichzeitig auf die sozia- von Wildtieren und Naturschutz informieren len Aspekte der Nachhaltigkeit und das machen die Transfers mit Wild Routes Africa Alleinstellungsmerkmal ein. Justin brennt aus. für das Besondere, das Authentische.
Seite 15 INLANDSTOURISMUS SCHLÜSSEL FÜR MEHR RESILIENZ Gesellschaftliche Inklusion ist eine Kernkompetenz Dabei sei es, so Justin, nur ein anderer Markt. Um von Wild Routes Africa. Das zeigt sich auch, als mit insbesondere junge schwarze Südafrikaner anzu- der COVID-19-Krise der Anteil internationaler sprechen, gründet er 2020 sein Tochterunterneh- Gäste einbricht. „Vorher kamen die Gäste men Locals Who Wander. Hier bietet er überwiegend aus Europa und den USA. zum Beispiel bezahlbare Gin Journeys Von einem auf den anderen Tag an – eine Safari, die auch Cocktail- mussten wir umdenken.“ Workshops umfasst. „Man muss „Ich sehe aktuell So rückt der Inlandstourismus dazu wissen, dass sie sich in vor- in den Vordergrund, und Justin schon viele ,grüne‘ nehmlich von Weißen bereisten zieht seine Schlüsse: „Ein Ansätze im Gastgewerbe, Räumen wie Safari Lodges oft- widerstandfähiger Tourismus in vor allem beim Design.“ mals als Fremde fühlen.“ Justin Südafrika funktioniert nur über JUSTIN PERUMAL zielt auf mehr Diversität ab. einen stärkeren Inlandstouris- Gründer Die Unterstützung des Tourism mus.“ Lange wird dieser als eine Recovery Programmes habe ihm Art Discountermarkt betrachtet, für dieses neue Businessmodell internationale Gäste bevorzugt. wichtige Impulse gegeben. MANIPULATION IM NAMEN DER UMWELT Soziale Nachhaltigkeit lebt Justin von Beginn an. Marketingaktionen. Mit zweifelhaftem Mehrwert. Ökologische Themen treiben ihn ebenso an. „Wir Justin hingegen hat konkrete Ziele und weiß, wie müssen künftig kohlenstoffärmer werden und uns er diese gemeinsam mit seinen Gästen erreichen bewusst werden, wie wir mit der Umwelt umge- kann: „Es gibt viele Möglichkeiten grüne Produkte hen.“ Immer wieder, so erzählt Justin, erscheinen einzubauen, ohne dass die Gäste das Gefühl haben, ihm im Tourismus vermeintliche Ökoprojekte als einen Kompromiss eingehen zu müssen – ich nenne es konstruktive Manipulation.“ Zero Waste steht oben auf der Agenda. Ebenso Safaris, wo ein Teil des Gewinns zum Beispiel an Organisationen zum Schutz von Nashörnern gespendet wird. Eine Win- Win-Situation eben – geschaffen durch Tourismus.
Als Maschinenbauingenieur arbeitet der 36-jährige Mohamed Seragel- din jahrelang für internationale Konzerne. Dann der Bruch. Er kündigt seinen Job und eröffnet 2015 gemeinsam mit seiner Frau und einem weiteren Partner das Öko- „Bei Dayra geht Camp Dayra in Nuweiba. Am Strand des fernab es um Gemeinschaft. der Touristenströme gelegenen Hafenorts Wir haben das Ziel, Gleichgesinnte eröffnen sie Musikerinnen und Künstlern, zu vereinen.“ Weltenbummlerinnen und Backpackern MOHAMED SERAGELDIN eine Begegnungsstätte. Ihre Motivation: Mitgründer Gastgeber für tolerante Menschen aus allen Ländern zu sein – und das nachhaltig. DAYRA CAMP HEIMAT FÜR WELTOFFENE REISENDE FRIEDVOLLES MITEINANDER – AN DER NAHTSTELLE DER KULTUREN Wer die Reise in das Dayra Camp am Fuße sein Team täglich um 5 Uhr morgens auf, GRÜNDER*INNEN des Sinai-Gebirges antritt, erwartet keine musizieren, säubern den Strand von Müll, Mohamed Serageldin luxuriöse Unterkunft. Die Gäste übernachten der sich über Jahre angehäuft hatte, pflanzen Reem Abu Ellela in einfachen Hütten und Zelten am Strand. Hunderte von Bäumen und bauen die Infra- A. Abo EL Seoud Umso intensiver das Umfeld: Es gibt Kunst- struktur auf. Mohammed: „Wir hatten nicht GRÜNDUNG workshops, Yoga und musikalische Events. viel und haben nicht viel über die Zukunft 2015 Die Atmosphäre ist geprägt von Toleranz nachgedacht. Es war magisch, wir haben und Weltoffenheit. Mohamed: „Man kann am Achtsamkeit in Perfektion praktiziert.“ MITARBEITENDE Strand verschleierte Frauen sehen, die sich 19 sonnen. Wenige Meter entfernt badet jemand GÄSTE/JAHR VOR CORONA völlig nackt. Unterschiedlichste Menschen 2.200 finden hier zusammen und alle wissen, dass sie hier sicher sind und sich ausleben kön- INTERNATIONALE GÄSTE nen, solange sie nicht die Privatsphäre ande- 30 % rer stören.“ Diese praktizierte Weltoffenheit STANDORT setzt ein wichtiges Zeichen in der bedeuten- Nuweiba, Sinai-Halbinsel, den ägyptischen-israelischen Grenzregion. Ägypten Seit seiner Jugend liebt Mohamed es, Partys und kürzere Trips zu organisieren. Um Menschen zusammenzubringen und Spaß zu haben. Immer wieder organisiert er auch Trips nach Sinai, lange jedoch nur als Hobby. Nuweiba 2015 wagt er schließlich den Sprung in die Professionalität mit seinem eigenen Camp in ÄGYPTEN Nuweiba. „Das sollte der Beginn von etwas Größerem sein“, erinnert sich Mohamed. In den ersten Monaten stehen Mohamed und
Seite 17 ACHTSAMKEIT – SCHLÜSSEL ZUR NACHHALTIGKEIT Diese Achtsamkeit umfasst von Beginn wesent- kommen. Mohammed: „Für die Beduinen- liche Nachhaltigkeitskategorien. So zählt kinder haben wir auch schon Events mit es zu den Kernanliegen des Camps, argentinischen Clowns veranstaltet. das kulturelle Erbe der Beduinen – Wir nutzen jede Gelegenheit, um „Wir nutzen deren Heimat der Sinai seit Jahr- der Gesellschaft etwas zurück- hunderten ist – zu bewahren jede Gelegenheit, zugeben.“ Ähnlich wichtig ist und ihre Lebensweise beispiels- um der lokalen die ökologische Komponente. weise über Video-Dokumen- Gesellschaft etwas Speisereste werden an die Tiere tationen einer breiten Öffent- zurückzugeben.“ der Beduinen verfüttert. Auf lichkeit näher zu bringen. Plastik wird gänzlich verzichtet. MOHAMED SERAGELDIN Gleichzeitig bindet das Camp Mitgründer Gewaschen wird sich ausschließ- Frauen des lokalen Stammes lich mit biologisch abbaubarer ein und bietet ihnen ein festes Ein- Seife. ZEHNTAUSENDE FOLLOWER Mit seinem innovativen Konzept steht das Camp hen – auch im rund 500 Kilometer entfernten für die Zukunft des ägyptischen Tourismus: nach- Kairo.“ Fast alle seiner Gäste sind über die sozialen haltiger und digitaler. Parallel zu der Eröffnung des Medien auf Dayra aufmerksam geworden. Die Camps 2015 startete Mohamed seinen Facebook- Digitalisierungspläne gehen aber noch weit darü- Kanal, später kam Instagram hinzu – mit inzwischen ber hinaus: So soll Mitgliedern künftig ein Online- 43.000 beziehungsweise 20.000 Followern! „Das Self-Check-In-System zur Verfügung stehen. hilft uns enorm, Aufmerksamkeit auf uns zu zie- AGILITÄT STÄRKT RESILIENZ Natürlich sind die Gästezahlen durch die Corona- Programmes kam gerade zur rechten Zeit. „Die Pandemie auch im Dayra Camp massiv eingebro- digitalen Lerninhalte und der regelmäßige Aus- chen. Landesweit sind in der Branche schätzungs- tausch mit meinem Mentor haben mir sehr gehol- weise 900.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. fen, den Aufbau des neuen Standorts zu strukturie- Allerdings: „Wir sind agil und klein. Deshalb kamen ren – vom Marketing bis zur Personalgewinnung“, wir gut durch die schwierige Zeit und mussten auch so Mohammed. Die Möglichkeiten für den Umwelt- niemanden entlassen“, sagt Mohamed. schutz sind dort zudem größer: Strom aus Wind- energie, klimaschonende Kühlschränke, Gebäude Nun stehen die Zeichen auf Wachstum. So werden und Möbel aus nachwachsenden Materialien – das Mohamed und seine Partner bald ein zweites Camp Team zeigt, dass Nachhaltigkeit auch in Ägypten in Sokhna eröffnen, rund eine Stunde außerhalb längst „keine verrückte Idee mehr ist“, wie Moha- von Kairo. Die Unterstützung des Tourism Recovery med sagt.
Die Nubier sind sagenumwoben. Mehrere Tausend Jahre vor Christus gründeten sie das erste Königreich in Afrika. Bis tief ins 20. Jahr- hundert pflegen sie eine eigene Sprache, eigene Sitten und Gebräuche. Allerdings: Angetrieben „Unsere ersten von sozialer Mobilität, neuen Lebens- und Gäste waren so Arbeitsformen verblassen die kulturellen zufrieden, dass sie applaudiert haben – eine Eigenheiten seit einigen Jahrzehnten. Die unglaubliche Erfahrung.“ Familie von Mahmoud Atiya will dem etwas MAHMOUD ATIYA entgegensetzen – siehe das 2015 gegrün- Gründer dete „Nubian Eco Village“, eine Öko-Lodge in Assuan. NUBIEN MIT TOURISMUS EINE JAHRTAUSENDE ALTE KULTUR BEWAHREN Mahmoud Atiya ist in Assuan geboren, er ist treibt das Thema bereits sein halbes Leben GRÜNDER*INNEN Nubier. Das Bewusstsein um die einzigartige um. 2010 hat er eine NGO gegründet, um die Mahmoud Atiya Kultur seiner Ethnie – und die Bedrohung Sprache und Kultur vor dem Aussterben zu Mohamed Beshir derselben – sind in seiner Familie ausge- bewahren.“ Adel Edris prägt. Mahmoud: „Mein Onkel, Mohamed, GRÜNDUNG 2015 MITARBEITENDE 10 NUBISCHE KULTUR – EIN WERTVOLLES GUT Der Tourismus soll im Rahmen der NGO eine Speisen, dem Kunsthandwerk oder der Klei- GÄSTE/JAHR VOR CORONA besondere Rolle einnehmen. Ausgerechnet. dung. Statt sie zu vergessen, können sie 680 Mahmoud: „Unsere Region ist seit vielen diese Fertigkeiten in neue Einkommens- INTERNATIONALE GÄSTE Jahren bei Reisenden beliebt. Das schafft quellen verwandeln.“ Diese Perspektive 80 % Arbeit, trägt aber auch dazu bei, die kultu- wiegt in einer Region, die eine Jugend- rellen Eigenheiten zu verwässern.“ Das hat arbeitslosigkeit von rund 40 Prozent ver- STANDORT strukturelle Gründe: Die Reiseanbieter seien zeichnet, schwer. Mahmoud und seine West Assuan, Ägypten beispielsweise selten Nubier. Ihnen fehle laut Familie bieten insbesondere Mädchen und Mahmoud oftmals das tiefere Verständnis für geschiedenen Frauen Fortbildungen, wie sie die Kultur, und auch Nachhaltigkeitsaspekte Gäste bewirten, Speisen und handwerkliche kämen vielfach zu kurz. Arbeiten an Reisende verkaufen und somit das Familieneinkommen steigern können. Mahmoud und seine Familie verfolgen mit Natürlich wird die Kultur auch im Eco Village dem Nubian Eco Village einen gänzlich selbst gelebt. Gäste können traditionelle anderen Ansatz. Mahmoud: „Im Kern zeigen Sand- und Aromatherapien genauso wahr- ÄGYPTEN wir den Nubiern, dass ihre Kultur tausende nehmen wie Heilmassagen oder traditionell- wertvolle Eigenarten hat. Sei es bei den nubische Hausmannskost. West Assuan
Seite 19 Mohamed Beshir Gründer der NGO und Onkel von Mahmoud ÖKOLOGIE IM FOKUS Parallel verfolgt Mahmoud auch Radios wird verzichtet. Hinzu kommt ökologische Ziele. Der Wasser- der Anbau von Bio-Gemüse und „Onkel und Tanten, verbrauch im Nubian Eco Village -Früchten. Auch Möbel und ist pro Gast gegenüber her- Cousinen und Inneneinrichtungen sind aus kömmlichen Hotelanlagen Schwiegermutter – nachwachsenden und in der etwa zwei Drittel niedriger. Der sie alle machen mit.“ Umgebung vorkommenden Stromverbrauch – es gibt keine MAHMOUD ATIYA Materialien hergestellt. Öko- Klimaanlagen und statt Lampen Gründer logische Verträglichkeit ist hier brennen Kerzen – liegt sogar bei mehr als Strategie, es ist das einem Zehntel. Auf Fernseher oder kulturelle Erbe der Nubier. KEINE ZERTIFIZIERUNG – UND DANN KAM CORONA Ein überzeugendes Konzept. Allerdings spielt turelle Problem ist nicht neu. Anders die Corona- Nachhaltigkeit im Zertifizierungssystem der ägyp- Pandemie: 2021 sank die Gästezahl um rund tischen Hotelwirtschaft keine Rolle. Im Gegenteil: 95 Prozent. Anfang 2022 liegt das Einkommen bei Fehlende Klimaanlagen bedeuten zum Beispiel Null. Nur ein Drittel der Angestellten kann gehalten ein Downgrade. Die Vermarktung über klassische werden. Reisebüros scheidet weitgehend aus. Dieses struk DIGITAL WEIST DEN WEG Für Mahmoud und sein Team kommt die Unterstüt- der finanziellen Unterstützung und dem Mentoring zung durch das Tourism Recovery Programme zum durch einen Mitarbeiter der TUI in Deutschland richtigen Zeitpunkt. „Es ist in den ganzen Jahren arbeiten sie nun an dem Rebranding: „Wir wollen das erste Mal, das wir Hilfe bekommen.“ Mithilfe unseren Zugang zum internationalen Markt ver- bessern. Dafür müssen wir digitaler werden. Wir müssen die Gäste über unsere eigenen Kanäle direkt erreichen und zeigen, was wir bieten.“ Für die internationalen Gäste, die vielfach Assuan und Luxor besuchen und auf dem Nil des Nachts per Kreuzfahrtschiff befördert werden, plant Mahmoud nachhaltigere Angebote: „Wir wollen Segelkreuz- fahrten anbieten. Die sind exklusiver, ruhiger und lassen sich mit Yoga oder Meditation verbinden“, schwärmt er. Und der CO₂-Fußabdruck wäre auch niedriger. „Meine Traumvorstellung lautet, dass wir am wenigsten Ressourcen in ganz Ägypten verbrauchen.“
Der erste Gast von Raisa Ochola kommt aus Belgien. Er spricht weder Englisch noch Swahili, zweite Amtssprache des Landes. Ver- ständigung ist möglich – aber nur mit Gestik und Mimik. Ein Abenteuer für beide. Es gelingt „Es geht auch Raisa, ihren Gast in die kenianische Kultur darum, Menschen eintauchen zu lassen und fühlt sich be- ein ordentliches Einkommen zu stätigt: „Urlaub ist mehr als ein Aufenthalt ermöglichen.“ im 5-Sterne-Hotel. Es geht darum, Gäste RAISA OCHOLA Authentisches erleben zu lassen und dabei Gründerin auch noch Sinnstiftendes zu unternehmen.” THE AFRICAN THRILLIST KENIA UNGESCHMINKT uweiba GRÜNDERIN KENIA VERMARKTEN – TEN Raisa Ochola AUF UNKONVENTIONELLEM WEGE GRÜNDUNG A day in the life of a local Kenyan – mit die- stalten, und zwar im Einklang mit der lokalen 2019 sem Titel beginnt die gebürtige Kenianerin Gemeinschaft.“ Ein Selbstläufer ist das nicht. 2018 über eine Internetplattform ihre Touren Für Frauen schon mal gar nicht. So muss sie MITARBEITENDE zu bewerben. So erreicht sie besonders sich als Unternehmerin in der männerdomi- 3 internationale Gäste. Raisa: „Ich bin von hier. nierten Umgebung Respekt erarbeiten, zum GÄSTE/JAHR VOR CORONA Ich weiß über typisch-kenianischen Lifestyle Beispiel bei den muslimischen Kapitänen, 300 in all seinen Facetten Bescheid. Diese Welt die Reisende in klassischen Dhow-Booten möchte ich insbesondere meinen internatio- über den indischen Ozean schippern. Heute INTERNATIONALE GÄSTE nalen Gästen zeigen. Von dem klassischen arbeitet sie unter anderem mit einem halben 70 % Kenia-Urlaub unterscheidet sich das ziem- Dutzend Kapitänen zusammen. STANDORT lich.“ Nairobi und Kilifi, Das Konzept trägt und Raisa baut ihr Angebot Kenia aus. Sie bietet auch Bootstouren und Safaris an und gründet 2019 ihre eigene Reise- agentur – die Geburtsstunde von The African Thrillist. „Ich sah im Tourismus die Möglich- keit, das zu tun, was ich mag. Reisen zu ge- KENIA Nairobi Kilifi
Seite 21 REALITÄT STATT FOLKLORE Mit touristischer Folklore hat das nichts zu tun. In Absprache mit den Project-Life-Africa-Partnern – Raisa sieht die enormen Probleme, mit denen die und sofern die Gäste dafür offen sind – unternimmt Menschen alltäglich zu kämpfen haben. Die Situa- Raisa Touren dorthin. „Da findet echte Interaktion tion in den Slums. Noch heute zählt Kenia zu den statt, wenn die Kinder und meine Gäste zum Bei- 50 ärmsten Ländern der Welt. Schon als Jugend- spiel gemeinsam Fußballspielen, Singen oder sich liche engagiert sie sich mit ihren Freundinnen schlicht unterhalten“. Dabei zielt sie darauf ab, ehrenamtlich. Das behält sie bei und startet Begegnungen möglichst auf Augenhöhe zu das Project Life Africa, das Schulen, schaffen: „Slum-Safari geht gar nicht. Kinderheime und Sportvereine weit Wenn man Touren in schwierige abseits der Touristenströme ge- Gegenden unternimmt, muss man zielt und dauerhaft unterstützt. „Je mehr wir wachsen, verantwortungsbewusst vorge- desto mehr Leben können hen und im Vorfeld klären, ob es für die Menschen vor Ort wir positiv beeinflussen.“ in Ordnung ist.“ RAISA OCHOLA Gründerin VERTRIEBSKANÄLE ÖFFNEN Zur Begegnung auf Augenhöhe zählt auch, Fähig- Spiel und unterstütze sie.“ Raisa schafft damit keiten und Talente der Menschen vor Ort zu zeigen. Arbeit und trägt zu einem bescheidenem Wohl- So vertreibt Raisa an ihre Gäste seit Kurzem Hüte stand bei: „Viele Kenianer leben in Armut, haben und Schmuck, die von lokalen Künstlerinnen und kaum Perspektiven. Ich möchte ihnen zeigen, Kunsthandwerkern gefertigt werden. „Die Men- dass es sich lohnt, eigene Ideen zu verfolgen und schen sind sehr kreativ, ihnen fehlt es aber an Chancen zu erkennen.“ Erfahrungen im Marketing. Hier komme ich ins PIONIERIN AM INDISCHEN OZEAN Erhebliche Hürden hat auch Raisa selbst zu über- rund 30.000 Einwohnenden am indischen winden. Allen voran die Auswirkungen der Corona- Ozean, ein eigenes Büro aufbauen, um Touren Pandemie. Die Gästezahlen brechen ein, unzählige und Merchandise direkt verkaufen zu können. Male will sie aufgeben. Raisa: „Das Tourism „Ich will da auch die erste Wasser-Auffüllstation Recovery Programme war für mich wie ein Segen. Kilifis aufbauen. Gerade der Tourismus muss Ich brauchte die finanzielle Unterstützung. Vor al- endlich was gegen das Plastikproblem unter- lem aber hat mir meine Mentorin Mut gemacht und nehmen.“ Raisa wird auch dort eine Pionierin sein – Wege für meine weitere Strategie aufgezeigt.“ Ihre und nachhaltigen Tourismus mit Leben füllen. Pläne? Im Juni will Raisa in Kilifi, einer Stadt mit
UNESCO-Welterbe, Heimat der Big Five – wer an Kenia denkt, hat die Savanne Serengeti schnell vor Augen. Vielleicht auch noch die Strände am Indischen Ozean. Die Bergwelt mit Gipfeln auf bis zu 5.000 Metern Höhe ist hin- „Der Corona- gegen weitgehend unentdeckt, auch von Lockdown war hart. den Kenianern selbst. Gitonga Wandai will Ich habe die Zeit genutzt, um Angebots- das ändern – und ermöglicht mit seinen verbesserungen zu planen.“ Bergtouren zugleich eine besondere GITONGA WANDAI Verbindung zwischen den Gästen und Gründer der lokalen Gemeinde. HIKEMANIAK KENIA IST SOVIEL MEHR ALS SAFARI uweiba Gitonga Wandai wächst in einer ländlichen „Es klingt komisch, aber auf dem Gipfel TEN GRÜNDER Region Kenias auf, seine Zeit verbringt er am dachte ich mir: ,Mach was eigenes! Hilf Gitonga Wandai liebsten in der Natur. Zum Studium zieht er in Menschen, die auch im Alltag feststecken, GRÜNDUNG die Stadt. In anschließenden Jobs dominiert neue Orte zu erkunden – am besten durch 2016 die Büroarbeit, Unzufriedenheit macht sich Wandertouren‘ “, so Gitonga. Für den kenia- breit. Im Oktober 2015 unternimmt er eine nischen Tourismus, der sich weitestgehend MITARBEITENDE Wanderung in der kenianisch-ugandischen auf Safaris und Strandurlaube konzentriert, 3 Grenzregion. Für die Wanderung werden eine ungewöhnliche Idee und ein ambitio- GÄSTE/JAHR VOR CORONA gewöhnlich vier Tage veranschlagt. Gitonga nierter Traum. „Wandern war zu dieser Zeit 1.942 geht allein und halbiert die Zeit. Als er den weder bekannt noch beliebt unter Kenianern. Gipfel in 4.200 Meter Höhe erreicht, schreibt Das hat auch damit zu tun, dass Outdoor- INTERNATIONALE GÄSTE er „hike maniac“ in sein Notizbuch. Wenige Aktivitäten lange Zeit ausschließlich inter 10 % Monate danach gründet er sein gleich- nationalen Gästen vorbehalten waren.“ STANDORT namiges Unternehmen. Ikigai, Lavington, Nairobi, Kenia INTERAKTION DER BESONDEREN ART Gitonga will das ändern. Zunächst bietet er Gesamteinnahmen in den lokalen Gemein- geführte Wanderungen alle zwei Wochen an, schaften. Für längere Touren, etwa vier- bis dann wöchentlich. Für Tageswanderungen fünftägige Expeditionen zum Mount Kenya, gewinnt er lokale Guides, die damit das Ein- engagiert Gitonga zusätzlich einen Koch und kommen ihrer Familien steigern. Am Ende einen Träger. Egal ob für einen oder mehrere der Wanderung bereiten die lokalen Commu- Tage: Neben den Natureindrücken leben KENIA nities das Essen zu, bieten Tee an und kön- die Touren aus Sicht Gitongas von der Inter- nen mitunter Handwerkskunst vertreiben. aktion. „Die schönsten Momente sind die, in Nairobi Dadurch verbleiben 10 bis 15 Prozent der denen Reisende und Einheimische am Ende
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