Wertschätzung der Vielfalt - Inklusionspädagogik - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz - Rudolf Steiner Schulen Schweiz

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Wertschätzung der Vielfalt - Inklusionspädagogik - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz - Rudolf Steiner Schulen Schweiz
Herbst 2011

Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz

                                                   Herausgegeben
                                                   von der Arbeits-
                                                  gemeinschaft der
                                                    Rudolf Steiner
                                                Schulen in der Schweiz

Inklusionspädagogik                              www.schulkreis.ch
                                                www.steinerschule.ch

Wertschätzung der Vielfalt
                                                                    1
Wertschätzung der Vielfalt - Inklusionspädagogik - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz - Rudolf Steiner Schulen Schweiz
Schulen aus aller Welt:                                                                       Inhalt

                                                 Waldorfschule Aarhus (Dänemark)                                                                    Inklusionspädagogik
                                                                                                                                                    Rüdiger Grimm
                                                                                                                                                    Inklusion und Rudolf Steiner-Pädgogik                                    4

Oase zwischen Meer und Hauptstrasse
                                                                                                                                                    Entwicklungsperspektiven für gemeinsames Lernen
                                                                                                                                                    Gabriel Sturny-Bossart
                                                                                                                                                    Separation – Integration – Inklusion                                     6                       Mut
    Es ist schon besonders, wenn man eine         nis verschiedener Aufs und Abs, Stilar-    an den Gebäuden orientieren, lassen sich
                                                                                                                                                    Peter Appenzeller
                                                                                                                                                                                                                                                zur Farbe!
    Schule besucht, ohne dort Kinder, Leh-        ten und drängenden Bedürfnisse. Die        so drei «Schichten» erkennen: Der älte-
                                                                                                                                                    Was brauchen unsere Kinder heute?                                        8
    rer, Lärm und Gesang anzutreffen. Man         neusten, in schwarzem Holz realisierten    ste Teil des Schulbezirks erscheint durch                                                                                                Liebe Leserin, lieber Leser
                                                                                                                                                    Ein Beitrag zur Schulgestaltung der Gegenwart
    merkt, dass nur Raum und Spuren spre-         Anbauten beherbergen vier Klassenräu-      die Jahre und die Schulpraxis etwas ab-
    chen, die Zeit steht gewissermassen still.    me, Räume für Eurythmie, Vorschulklasse    genützt und «historisch». In den 60er                  Roland Steinemann                                                                 Mut zur Farbe! Wir hoffen, dass das neue Erscheinungsbild
    Alles atmet tief und ruhig; etwas fremd       sowie Werken. Sie versammeln Schulhof,     Jahren wurden die Gebäude restauriert                  Fehlende Spiralbewegung                                                10
                                                                                                                                                                                                                                      auch Sie anspricht. Wir nehmen gerne Ihre Reaktionen und
    und doch heimisch, bekannt. Direkt            Werkräume und Nachmittagshort, bilden      und erweitert mit einem Saalgebäude.                   Über die Folgen von Kaiserschnittgeburten
    zwischen Wald und Meer, am südlichen          so einen Spielraum für die «Ganztags-      Die räumlichen «Übergänge» zeugen von                                                                                                    Anregungen entgegen.
                                                                                                                                                    Udo Richter
    Stadtrand von Aarhus, liegt die zweit-        schule», eine Oase zwischen Meer und       jahrelangen Bedrängnissen und bunten
                                                                                                                                                    Disziplin, Formkraft – und ein «chaotisches Element»                   12         Die Frage der Integration von Kindern mit besonderem Bil-
    älteste dänische Rudolf Steiner Schule,       Hauptstrasse, mitten in einer Stadt von    Kompromissen, aber sind auch Wahrzei-
                                                                                                                                                    Erfahrungen im «bewegten Klassenzimmer»                                           dungsbedarf in die Regelschule ist eine grosse Herausfor-
                                                                                                                                                    Patrick Mundschin                                                                 derungen für alle und wird heute international debattiert;
                                                                                                                                                    «Spannende Diskurse mitgestalten»                                      13
                                                                                                                                                    Ehemaliger Schüler, politisch engagiert bei den Grünliberalen
                                                                                                                                                                                                                                      lassen sich wirklich problemlos alle Kinder integrieren und
                                                                                                                                                                                                                                      bis zu welcher Klassenstufe? Rüdiger Grimm und Gabriel
                                                                                                                                                    Sigurd Borghs
                                                                                                                                                    Liebe und Ehrfurcht für das, was werden will                           14         Sturny-Bossart stellen aus ihrer heilpädagogischen Erfah-
                                                                                                                                                    Die wachsende Beziehung zwischen dem Ich und dem                                  rung heraus grundsätzliche Fragen. Peter Appenzeller, ein
                                                                                                                                                    physischen Körper                                                                 erfahrener Musikpädagoge, fragt, ob die Bedürfnisse der
                                                                                                                                                    Schulen aus aller Welt       2             Termine                     15         Kinder sich wirklich so verändert haben. Was geschieht in
                                                                                                                                                    Aktuell                     11             Neue Bücher                 15         den bewegten Klassenzimmern? Ein ehemaliger Schüler
                                                                                                                                                                                                                                      in der Politik? Beeinflussen die neuen Bedingungen der
                                                                                                                                                                                                                                      Geburt das Leben? Wie kann die Erziehung den Prozess
                                                                                                                                                    Abschlussarbeiten zählen für Matur                                                der Einverleibung des Ich unterstützen? Diese Themen und
                                                                                                                                                    Die Rudolf Steiner Schule Basel hat die Abschlussarbeiten neu geregelt.           Fragen rufen uns zum Nachdenken auf.
                                                                                                                                                    Ausgangspunkt ist ein Entscheid der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK):
                                                                                                                                                    Diese hat 2007 die Maturarbeit aufgewertet und bestimmt, dass ihre Note
                                                                                                                                                                                                                                      Wie immer bringen uns die vielen News die Welt näher.
                                                                                                                                                    für das Bestehen der Matur zählen soll. Neu kommt die Note also direkt            Die Redaktion wünscht Ihnen eine spannende Lektüre.
                                                                                                                                                    ins Maturzeugnis. Bisher war die Maturarbeit an den Gymnasien nur eine
                                                                                                                                                    Zulassungsbedingung. Wer eine Arbeit abgeliefert hat, die genügend war,
                                                                                                                                                    der wurde zur Maturprüfung zugelassen. Steinerschüler konnten ihre Ab-
                                                                                                                                                    schlussarbeit am Gymnasium einreichen, wenn sie übertraten. Die Rudolf
                                                                                                                                                    Steiner Schule hat im vergangenen Jahr mit den Gymnasien in Baselland
                                                                                                                                                    und Basel-Stadt eine Regelung ausgehandelt, die besagt, dass Steinerschü-                                                       Robert Thomas
                                                                                                                                                    ler in Zukunft auch die neu für die Matur zählende Arbeit schon an der
                                                                                                                                                    Rudolf Steiner Schule schreiben können. Die Note dieser Arbeit nehmen
                                                                                                                                                    sie mit ans Gymnasium, wo sie dann ins Maturitätszeugnis geschrieben           Impressum
                                                                                                                                                    wird. Dafür arbeiten Gymnasien und Rudolf Steiner Schule eng zusammen.
                                                                                                                                                                                                                                  SCHULKREIS Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen von: Adliswil, Avrona, Basel, Bern/
                                                                                                                                                    Die die Gymnasien stellen einen Experten. Zusammen mit dem Mentor             Ittigen/Langnau, Biel, Birseck, Genève, Ins, Kreuzlingen, Langenthal, Lausanne, Luzern,
                                                                                                                                                    von der Rudolf Steiner Schule bildet er ein Team, das den Schüler betreut.    Münchenstein, Muttenz, Pratteln, St. Gallen, Schaan, Schaffhausen, Schafisheim, Scuol,
    gegründet im Jahr 1955. Seit 40 Jah-          300.000 Einwohnern. Als Robert Thomas      chen des Schulalltags geworden. Und                    Konkret hat der Experte drei Aufgaben: Er muss dem Konzept der Arbeit         Solothurn, Steffisburg, Wetzikon, Wil, Winterthur und Zürich
    ren ist sie eine voll ausgebaute Schule       aus Anlass der Haagerkreis-Sitzung die     in den letzten 10 Jahren wurde das Ge-                 zustimmen, ist bei der Präsentation anwesend, das ist ein Vortrag und ein     www.schulkreis.ch    www.steinerschule.ch Auflage: 7200 Exemplare
    mit 12 Klassen, Hort, Kindergarten und        Schule Anfang Juni besuchte, war gera-     lände mit Neubauten erweitert: Hier at-                Fachgespräch. Und schliesslich bestimmt er die Note mit. Bei Schülern, die    Redaktion: Robert Thomas, Carmenstr. 49, 8032 Zürich,
    Sonderklassen. Wie so manche ältere           de sehr sonniges und warmes Wetter. Es     met Wärme, frische Luft, Schönheit und                 nicht ans Gymnasium wechseln, kommt der Experte aus dem Kollegium der         Tel. 044 262 25 01, Fax 044 262 25 02, rthomas@access.ch
                                                                                                                                                                                                                                  Jörg Undeutsch, Weissenbühlweg 14, 3007 Bern, Tel. 031 312 04 52,
    Waldorfschule ist sie in einer ehemaligen     waren 230 OberstufenschülerInnen von       es «riecht» nach gesundem, modernem                    Rudolf Steiner Schule, hat aber die gleichen Aufgaben. Eine neue Weglei-      undeutsch@sunrise.ch
    Grossvilla untergebracht, für Dänemark        den übrigen fünf Oberstufenschulen des     Leben, Lernen und Spielen und (erst) hier              tung orientiert darüber, wie man eine Abschlussarbeit schreibt. Sie ist von   Abos: Marianne Thomas, Carmenstr. 49, 8032 Zürich,
    typisch mit weissen Ziegeln unter rotem       Landes zum jährlichen Treffen versam-      fällt die architektonisch-pädagogische                 den Kantonen und den Gymnasien genehmigt worden. Die Wegleitung gilt          Tel. 044 262 25 01, Fax 044 262 25 02, rthomas@access.ch
    Dach, – und seit der Gründung des öf-         melt; es gab eine freie Kunstausstellung   Absicht auf.                                           nicht nur für Schüler, die ans Gymnasium gehen, sondern auch für jene, die    Einzelabos: Inland Fr. 36.–, Ausland 30 Euro
    teren umgebaut und erweitert. Sie befin-      und ein heiteres Programm auf dem ge-                                Jeppe Flummer/rt             an eine Fachhochschule wechseln oder in eine Berufslehre. Zudem gilt sie      Produktion/inserate: PUBLIFORM Text & Gestaltung Hp. Buholzer, Postfach 630, 3550
    det sich an einer schönen Lage als Zeug-      genüberliegenden Strand. Wenn wir uns                                                             auch für die Rudolf Steiner Schule Birseck und die FOS, also für alle Ru-     Langnau, 034 402 61 60, publiform@spectraweb.ch
                                                                                                                                                    dolf Steiner Schulen der Region, die eine 10. bis 12. Klasse anbieten. Die                            erscheint     Redaktionsschluss
                                                                                                                                                                                                                                  Frühling              Ende März       10. Februar
                                                                                                                                                    Schüler haben so mehr Sicherheit als bisher: Es ist verbindlich geregelt,     Sommer                 Ende Juni      10. Mai
                                                                                                                                                    dass sie am Gymnasium keine Maturarbeit mehr schreiben müssen und             Herbst           Ende September       10. August
                                                                                                                                                    sie können eine Note mitnehmen, die direkt für die Matur zählt. (mm/jö)       Winter            Ende Dezember       10. November

2                                                                                                                                 Schulkreis 3/11   Schulkreis 3/11                                                                                                                                                         3
Wertschätzung der Vielfalt - Inklusionspädagogik - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz - Rudolf Steiner Schulen Schweiz
sich selbst in den Entwicklungen der Gegenwart Die Chancen für einen validen Beitrag der Rudolf
                                                                                                                                                                             kritisch zu reflektieren, um nicht zu «Nischenpro- Steiner-Pädagogik zu Integration und Inklusion
                                                                                                                                                                             dukten» zu werden, die sich selbst marginalisieren. stehen nicht schlecht, denn sie enthält in ihren
                                                                                                                                                                             Eine der zentralen Herausforderungen, vor die sich Grundansätzen eine Reihe von Merkmalen, die
                                                                                                                                                                             das Bildungswesen gestellt sieht, ist die Frage, wie sie für inklusive Prozesse hervorragend geeignet
                                                                                                                                                                             unsere Gesellschaften mit Heterogenität umge- macht. Einige Beispiele:
                                                                                                                                                                             hen werden. Die Inklusionsfrage am Beginn des – Rudolf Steiner-Schulen sind Einheitsschulen. Sie
                                                                                                                                                                             21. Jahrhunderts ist nicht nur die Frage nach der                     verweisen auf ein Verständnis gemeinsamen Ler-
                                                                                                                                                                             gemeinsamen Unterrichtung von Kindern mit und                         nens ohne normierende und segregierende Aus-
                                                                                                                                                                             ohne Behinderung, sondern generell die Frage, wie                     leseverfahren. Kinder lernen gemeinsam, auch
                                                                                                                                                                             Bildungsprozesse so verlaufen können, dass soziale                    wenn sie später unterschiedliche Schulabschlüsse
                                                                                                                                                                             Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen mehr und                       machen. Zieldifferentes Lernen in Jahrgangsklas-
                                                                                                                                                                             mehr verhindert werden kann. Das ist nicht nur –                      sen, ohne Noten und Sitzenbleiben, sind Voraus-
                                                                                                                                                                             aber auch – eine Frage der Formen des Bildungs-                       setzungen und Möglichkeiten, damit Heteroge-
                                                                                                                                                                             wesens und der gesellschaftlichen und politischen                     nität als erwünschte und akzeptierte Form des
                                                                                                                                                                             Urteils- und Willensbildung. Darüber hinaus aber                      gemeinsamen Lernens gelingen kann.
                                                                                                                                                                             eine, von vielen Zeitgenossen kritisch betrachtete – Der Unterricht ist handlungs- und erfahrungsbe-
                                                                                                                                                                             Zukunftsfrage der Entwicklung von Gemeinschafts-                      zogen. Er verläuft vom Tun zum Begreifen zum
                                                                                                                                                                             geist und Brüderlichkeit
                                                                                                                                                                             (vgl. Bauman 2006).
                                                                                                                                                                             Bis auf einige wenige                                    «Pädagogik sei Heilpädagogik und nichts
                                                                                                                                                                             «Modellschulen» (vgl.                            anderes», sagt Möckel: «nämlich Individuum-
                                                                                                                                                                             Maschke 2011) haben                                               zentriert und entwicklungsbezogen.
                                                                                                                                                                             sich die Rudolf Stei-
                                                                                                                                                                                                                                   S  o verstanden profitieren von Integration
                                                                                                                                                                                                                                 und Inklusion nicht nur behinderte Kinder –
                                                                                                                                                                             ner- und Waldorfschu-                                                                            sondern alle.»
                                                                                                                                                                             len den Herausforde-
                                                                                                                                                                             rungen von Integration
                                                                                                                                                                             und Inklusion noch wenig gestellt1. Im Zuge der von                   Können, vom Bild zum Begriff, vom Verstehen
                                                                                                                                                                             der «UN-Konvention über die Rechte behinderter                        zum Handeln und zum Aufbau von Erfahrung
                                                                                                                                                                             Menschen» angestossenen Entwicklungen2 werden                         und Lebenstüchtigkeit. In seinen vielfältigen und
                                                                                                                                                                             auch von ihnen massgebliche Beiträge erwartet.                        komplexen Möglichkeiten kann methodologisch
                                                                                                                                                                                                                                                   für alle Kind der richtige Ansatzpunkt gewonnen
                                                                                                                                                                             Rudolf Steiner-Pädagogik und Heil-                                    werden (vgl. Bulk 2010).
                                                                                                                                                                             pädagogik – gemeinsame Wurzeln,                                     – Das Curriculum ist entwicklungsbezogen. Unter
                                                                                                                                                                             getrennte Entwicklung                                                 psychologischen Gesichtspunkten berücksichtigt
                                                                                                                                                                             Rudolf Steiner-Schulen und anthroposophische                          es die Lerndispositionen der jeweiligen kindlichen
                                                                                                                                                                             Heilpädagogik teilen eine gemeinsame Wurzel: An                       Lebensaltersentwicklung. Pädagogisch gesehen
                                                                                                                                                                             der ersten Waldorfschule in Stuttgart wurde 1920                      bezieht es seine Inhalte nicht primär von gesell-
                                                                                                                                                                             durch Dr. Karl Schubert eine Hilfsklasse errichtet                    schaftlichen oder wirtschaftlichen Bedingungen,
                                                                                                                                                                             für diejenigen Kinder, die dem regulären Unterricht                   sondern aus der biographischen Relevanz des
                                                                                                                                                                             nicht so leicht folgen konnten. In diesem Förder-                     Erlebens des Kindes und Jugendlichen. Darüber

                                                                                                                   D
                                                                                                                                                                             unterricht blieben die Schüler über längere oder                      hinaus besitzt es einen medizinisch-therapeu-
                                                                                                                                                                             kürzere Zeit, je nach ihren individuellen Bedürf-                     tischen Aspekt, demgemäss Unterricht nicht nur
                                                                                           Rüdiger Grimm                                   ie Rudolf Steiner- und
                                                                                                                                                                             nissen. Grundsätzlich aber gehörten die meisten                       Begabungen fördern, sondern auch Ausgleich
                                                                                                                                           Waldorfschulen, eben-
                                                                                                                                                                             von ihnen weiterhin zu ihrer jeweiligen Klasse und                    von Schwächen und Schwierigkeiten bieten soll.
                                                                                                                                           so wie die auf anthro-
                                                                                                                                                                             ihren Klassenlehrern. Diesem Modell, das gleich-                    Die  Heilpädagogik ihrerseits kann in das Zusam-
                                                                                                                                           posophischer Grundla-
                                                                                                                                                                             zeitig förderpädagogisch und inklusiv ausgerichtet                  menwirken     mit der allgemeinen Pädagogik ihre
                                                       Entwicklungsperspektiven für gemeinsames Lernen                                     ge arbeitende Heilpä-
                                                                                                                                                                             ist, fühlen sich auch heute eine Reihe von Schulen                  speziellen  Erfahrungen   einbringen, z.B.:
                                                                                                                                           dagogik haben in den
                                                                                                                                                                             verpflichtet. Allgemein aber haben sich Waldorf-                    – Eine  individuelle Diagnostik,  z.B. der Lernvoraus-
                                                                                                                Jahrzehnten seit ihrer Begründung wesentliche
                                                                                                                                                                             pädagogik und Heilpädagogik in ihrer Geschich-                        setzungen    eines Kindes   und  in diesem Zusam-

    Inklusion und Rudolf
                                                                                                                Beiträge zur Entwicklung eines zeitgemässen Bil-
                                                                                                                                                                             te eher getrennt entwickelt und erst in letzter Zeit                  menhang     das konkrete  Wissen  um die Bedeutung
                                                                                                                dungswesens gegeben. Ihre Relevanz für eine
                                                                                                                                                                             wurden Gespräche über gemeinsame Aufgaben                             der Leiberfahrung   und  ihrer Störungen.  In inklusi-
                                                                                                                plurale Gesellschaft verdanken sie nicht nur dem
                                                                                                                                                                             und Entwicklungen zwischen beiden Arbeitsbe-                          ven  Bildungsprozessen    werden  dadurch   Möglich-
                                                                                                                überragenden Wurf Rudolf Steiners, der sie in den
                                                                                                                                                                             reichen begonnen.                                                     keiten  der individuellen  Förderung   mit speziellen
                                                                                                                Jahren nach dem 1. Weltkrieg begründet und auf-
                                                                                                                                                                                                                                                   Massnahmen und Möglichkeiten erschlossen.

       Steiner-Pädagogik
                                                                                                                gebaut hatte, und nicht nur den vielen innovativ             Chancen des Zusammenwirkens                                         – Die Wirkung der Schülerinnen und Schüler unter-
                                                                                                                denkenden Persönlichkeiten, die sie über all die
                                                                                                                                                                                                                                                   einander stellt eine wichtige Einflussgrösse auf
                                                                                                                Jahre hin weiter entwickelt haben, sondern auch              1
                                                                                                                                                                              Siehe auch die Dissertation von Barth, in welcher erstmals           die Entwicklung dar. Heterogenität ist gerade
                                                                                                                einem hohen Verantwortungsgefühl für die aktu-                 eine systematische Erschliessung der Waldorfpädagogik
                                                                                                                                                                                                                                                   auch in heilpädagogischen Zusammenhängen
                                                                                                                ellen gesellschaftlichen Probleme und Herausfor-               unter den Gesichtspunkten der schulischen Integration
                                                                                                                                                                               vorgenommen worden ist.                                             seit je ein bedeutsamer Ausgangspunkt gemein-
                                                                                                                derungen. Andererseits sind beide Arbeitsbereiche            2
                                                                                                                                                                               Die 2006 von den Vereinigten Nationen verabschiedete                samen Lernens gewesen.
                                                                                                                auch Geschichte geworden und haben die Aufgabe,                Konvention wurde bisher von etwa ¾ der Mitgliedsstaaten           – Vertiefung des praktischen und künstlerischen
                                                                                                                                                                               unterzeichnet und von ca. der Hälfte ratifiziert, d.h. dass sie
        Die Inklusionsfrage ist nicht nur die Frage nach gemeinsamem Unterricht für Kinder mit und ohne         Dr. Rüdiger Grimm ist Sekretär der Konferenz für Heilpäda-     in diesen Ländern Gesetzesstatus erhalten hat. Der Schwei-
                                                                                                                                                                                                                                                   Tuns hin zu heilenden und therapeutischen
      Behinderung. Sondern danach, wie Bildung verlaufen kann, so dass sie soziale Ausgrenzung zu ver-          gogik und Sozialtherapie, Medizinische Sektion am Goethea-     zer Bundesrat hat im Dezember 2010 eine Vernehmlassung              Übungen und Massnahmen, aber auch die Be-
     hindern hilft. Die Rudolf Steiner Schulen sind für inklusive Prozesse hervorragend gerüstet: sie sind      num, Dornach und Professor für Heilpädagogik an der Alanus     über den Beitritt eröffnet. Weitere Informationen: www.             deutung der pädagogischen Beziehung im Sinne
                                      Einheitsschulen, handlungs-, erfahrungs- und entwicklungsbezogen.         Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter.               un.org/disabilities.                                                einer Beziehungswissenschaft und Beziehungs-
4                                                                                             Schulkreis 3/11   Schulkreis 3/11                                                                                                                                                                        5
Wertschätzung der Vielfalt - Inklusionspädagogik - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz - Rudolf Steiner Schulen Schweiz
Separation – Integration – Inklusion
    kunst, sowie die bewusste Gestaltung einer pä-
    dagogischen und heilpädagogischen Entwick-
    lungsumgebung.
Heilen und Erziehen
In seiner Grundlegung der anthroposophischen
Heilpädagogik im Jahr 1924 sprach Rudolf Steiner
                                                                              In Schulklassen sitzen zunehmend häufiger Schülerinnen und Schü-                               haltensauffälligkeiten nehmen gesamthaft gese-        terschiedlicher Schulsysteme und Kulturen ge-
von der inneren Verwandtschaft von «Heilen und                              ler, deren kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten oder psychische und                                                                                                                                         Literatur:
                                                                                                                                                                             hen in ihren Klassen eine wenig günstige soziale      wonnen.
Erziehen» (Steiner 1995, 179). Diese entspricht                            körperliche Möglichkeiten eindeutig nicht den jeweils gültigen Durch-                                                                                                                                          Bless, G. (2007). Zur Wirksamkeit der Integration – For-
                                                                                                                                                                             Position ein (vgl. Bless 2004). In der Forschungs-    Zwar bestehen noch viele Forschungslücken.
dem Zusammenwirken von Heilpädagogik und                                schnittsnormen entsprechen. Die Mehrzahl dieser Kinder wird in der Tra-                                                                                                                                           schungsrückblick, praktische Umsetzung einer integra-
                                                                                                                                                                             übersicht von Bless (2007) wird diese ungün-          Dennoch hält es G. Bless, Professor für Heilpä-
Pädagogik als eines innovativen, zeitgemässen                           dition von schulischer Separation auch heute noch in speziellen Klassen/                                                                                                                                          tiven Schulform, Untersuchungen zum Lernfortschritt
                                                                                                                                                                             stigere soziale Stellung von Kindern mit Schul-       dagogik an der Universtität Freiburg i.Üe. für         (3. Aufl.). Bern: Haupt.
Impulses, gerade wenn man sich bewusst macht,                           Schulen unterrichtet. Dennoch: Die Frage der Integration bzw. Inklusion
                                                                            von Kindern mit besonderem Bildungsbedarf in die Regelschule ist die                             schwierigkeiten in 36 Einzeluntersuchungen und        verantwortbar, die Integration von Kindern mit         Bless, G. (2000). Schulische und ausserschulische Inte-
wie viele Kinder heute unter fragilen und prekären
                                                                                                  zentrale Herausforderung der heutigen Schule.                              zwei Meta-Analysen bestätigt, fünf Einzelunter-       Behinderungen der Separation vorzuziehen (vgl.         gration behinderter Menschen unter psychologischen
persönlichen und sozialen Bedingungen aufwach-                                                                                                                                                                                                                                            Aspekten. In: Borchert, J. (Hrsg.). Handbuch der Son-
                                                                                                                                                                             suchungen bestätigen den Befund nicht.                Bless 2004, S. 46). Sein wichtigstes Argument für
sen. Formulierte der bedeutende schweizer Heilpä-                                                                                                                                                                                                                                         derpädagogischen Psychologie. Göttingen: Hogrefe. S.
                                                                        Die Begriffe der schulischen Integration und In-   die Integration behinderter Kinder und Jugend-    Der Aspekt der geringen sozialen Akzeptanz            die Integration ist, dass schulische Integration die
dagoge Paul Moor noch das Axiom «Heilpädago-                                                                                                                                                                                                                                              440-453.
                                                                        klusion werden in der Fachliteratur uneinheit-     licher in die Regelschule gefördert werden,       stellt in der Integrationsdiskussion eine «nicht      Entwurzelung von Kindern mit besonderem För-
gik ist Pädagogik und sonst nichts», so verlangte                                                                                                                                                                                                                                         Bürli A. (2009). Integration/Inklusion aus internationa-
                                                                        lich verwendet. In diesem Beitrag bezeichnen       «soweit dies möglich ist und dem Wohl des         unwesentliche Problematik» (Bless 2004, S. 46)        derbedarf aus dem sozialen Umfeld verhindert.          ler Sicht – einer facettenreichen Thematik auf der Spur.
Jahrzehnte später der Erziehungswissenschaftler
                                                                        wir als «schulische Integration» die gemein-       behinderten Kindes oder Jugendlichen dient»       dar. Allerdings ist das allgemeine Klassenklima –                                                            In: A. Bürli/ U. Strasser/ A.-D. Stein (Hg), Integration/In-
Andreas Möckel diesen Satz in Umkehrung zu                                                                                                                                                                                         Ausgestaltung und Ausblick
                                                                        same Schulung und Erziehung von Menschen           (Art. 20, Abschn. 2).                             gemessen an der Intensität von Sympathien und                                                                klusion aus internationaler Sicht. Bad Heilbrunn: Klink-
lesen: «Pädagogik sei Heilpädagogik und nichts                                                                                                                                                                                                                                            hardt. S. 15-61.
                                                                        mit oder ohne besonderen Bildungsbedarf,           Der politische Impuls der Neugestaltung des       Antipathien – in integrativen Klassen signifikant     Im Praxisalltag haben sich in der integrativen
anderes» (Möckel 1998, 27), nämlich Individuum-                                                                                                                                                                                                                                           Preuss-Lausitz, U. (2009). Integrationsforschung. An-
                                                                        wann immer dies organisatorisch möglich und        Finanzausgleichs und der Aufgabenverteilung       günstiger als in nicht integrativen Parallelklassen   Schulung mit Blick auf das Zusammenwirken
zentriert und entwicklungsbezogen. Von Integrati-                                                                                                                                                                                                                                         sätze, Ergebnisse und Perspektiven. In: H. Eberwein/ S.
                                                                        pädagogisch sinnvoll ist. Der (neuere) Inklusi-    zwischen Bund und Kantonen (NFA) war nicht        (vgl. Preuss-Lausitz 2009).                           der beiden Hauptbeteiligten, also der Klassen-         Knauer (Hg.), Handbuch Integrationspädagogik. Kin-
on und Inklusion profitieren unter diesem Verständ-
                                                                        onsbegriff postuliert ohne Wenn und Aber das       behindertenpädagogisch motiviert und den-         SCHULLEISTUNGEN: In älteren Untersuchungen            lehrkraft und der Schulischen Heilpädagogin/           der mit und ohne Beeinträchtigung lernen gemeinsam.
nis keineswegs nur die sogenannten behinderten
                                                                        Recht jedes Kindes auf Schulung im jeweils         noch verändert er die Organisation der För-       (bis 1980) zeigte sich, dass Kinder mit Schul-        Sonderpädagogin, unterschiedliche Arbeits-             Weinheim und Basel: Beltz. S. 458-470.
Kinder, sondern alle.
                                                                        zuständigen Regelschulhaus – im Sinne einer        derung behinderter Kinder und Jugendlicher        schwierigkeiten in Sonderklassen tendenziell          formen etabliert. Insgesamt ist das Einrichten         Sturny-Bossart, G. (2005). Separation – Integration –
                                                                                                                                                                             grössere Lernfortschritte als in Integrationsklas-    von integrativen Schulungsformen mit tiefgrei-         Inklusion: Zur (Dis)Harmonielehre eines heilpädago-
Entwicklungsfragen                                                      wirklichen «Schule für alle».                      beträchtlich. Nun ist jeder einzelne Kanton                                                                                                                    gischen Dreiklanges. Ringvorlesung PHZ Luzern Som-
                                                                        Der Beitrag thematisiert die Ideengeschichte       aufgefordert, die Schulung und Förderung          sen erzielten. Bei den folgenden Forschungsar-        fenden Prozessen verbunden. Auf einen Nen-             mersemester 2005. Online im Internet: http://luzern.
Integrativer und inklusiver Unterricht an Rudolf                                                                                                                             beiten hingegen fallen die Schulleistungen von
                                                                        von Integration/Inklusion (vgl. Sturny-Bossart     von Kindern mit besonderem Förderbedürfnis-                                                             ner gebracht: Die Einführung von integrativen          phz.ch/seiten/dokumente/phzlu_rvss2005_sturny.pdf
Steiner Schulen könnte eine wichtige Ergänzung                                                                                                                               integrativ geschulten Schülerinnen und Schü-
                                                                        2005) und stellt Forschungsergebnisse zur          sen neu zu fassen. Das ist ein entscheidender                                                           Schulungsformen geht mit einem aufwändigen             [Stand: 7.6.05].
des pädagogischen Angebotes werden. Dies be-                                                                                                                                 lern mit sonderpädagogischem Förderbedarf
                                                                        Integration von Kindern mit besonderem Bil-        Wegpunkt in der Schul-Entwicklung in allen                                                              Schulentwicklungsprozess einher.                       Sturny-Bossart, Gabriel (2010). Förderung von Kindern
deutet nicht, dass die Vielfalt der heilpädago-                                                                                                                              im Vergleich zu ihren separativ geschulten Ka-                                                               mit besonderem Bildungsbedarf und Behinderung. In:
gischen Angebote überflüssig werden, sondern                            dungsbedarf in die Regelschule (vgl. Sturny-       Kantonen der Schweiz.                                                                                                                                          A. Buholzer & A. Kummer Wyss (Hrsg.). Alle gleich –
                                                                        Bossart 2010) dar.                                                                                   meradinnen und Kameraden tendenziell besser                    Prof. Dr. Gabriel Sturny-Bossart              alle unterschiedlich! Zum Umgang mit Heterogenität in
dass diese eine weitere, bedeutsame Farbe und                                                                                                                                aus (Bless 2000). Diese Forschungsergebnisse
                                                                                                                           Wirkungen der schulischen Integration                                                                            Päd. Hochschule Zentralschweiz (PHZ)          Schule und Unterricht. S. 40-51. Zug: Klett und Balmer.
Bereicherung erhalten.                                                                                                                                                       wurden in unterschiedlichen Schulformen un-
                                                                        Ideengeschichte                                    Die Integration von Kindern mit besonderem
Die gemeinsamen menschenkundlichen, metho-
dologischen und historischen Wurzeln von Rudolf                         Von Skandinavien ausgehend, begann in den          Bildungsbedarf wird vorwiegend ethisch-nor-
Steiner-Pädagogik und anthroposophischer Heil-                          1950er-Jahren eine Diskussion um die «rich-        mativ begründet. Die gemeinsame Schulung
pädagogik dürfen freilich nicht darüber hinweg-                         tige» Förderung von Menschen mit Behin-            soll Kinder mit besonderem Bildungsbedarf
täuschen, dass ihre Schulkulturen weiterer Ent-                         derungen – zunächst vor allem mit geistiger        schulisch und sozial integrieren sowie sozi-
wicklung bedürfen, wenn sie sich inklusionsfähig                        Behinderung. Im Kern zielte dieses sog. Nor-       ale Benachteiligungen reduzieren. Im Prozess
machen wollen. Neben Schulorganisationsfragen                           malisierungsprinzip darauf ab, behinderten         der Ausbreitung von schulischen Integrations-
wie den grossen Klassen ist sicher die Ausbildung                       Menschen ein Leben so nahe wie möglich dem         formen in den europäischen und angelsäch-
der Lehrerinnen und Lehrer ein wichtiges Thema,                         Leben nichtbehinderter Menschen zu ermögli-        sischen Ländern haben empirische Daten zur
aber auch die Art der Zusammenarbeit: Waldorfleh-                       chen. Ohne dieses Prinzip hätte die Integrati-     Wirksamkeit von separativer und integrativer
rer sind gewohnt, allein zu unterrichten. Inklusion                     onsdiskussion im heilpädagogischen Bereich         Schulung eine wichtige Rolle gespielt. Meh-
bedeutet aber auch zu lernen, wie man mit ande-                         nicht in dieser Weise stattfinden können.          rere Forschungsgenerationen haben bis heu-
ren Lehrern gemeinsam unterrichtet. Schliesslich                        Eine breite heilpädagogische Öffentlichkeit er-    te viele wissenschaftliche Erkenntnisse zur
bedeutet es auch, das «zwei-Gruppen-Denken»                             reichte das Normalisierungsgedankengut 1985        integrativen Schulung erarbeitet, die zum Teil
zu überwinden, das die Welt in «Behinderte» und                         mit dem Hamburger Weltkongress der Inter-          allerdings schwierig zu vergleichen sind. Wir
«Nicht-Behinderte» teilen will anstatt in Menschen                      nationalen Liga von Vereinigungen für Men-         konzentrieren uns gemäss einer Forschungs-
unterschiedlicher Fähigkeiten und Begrenzungen,                         schen mit geistiger Behinderung zum Thema.         übersicht von Bless (2007) auf die Ebene von
die ihren eigenen je Beitrag für das eigene Leben                       Beinahe zehn Jahre später – 1994 – rief die        Sozialisation und Persönlichkeit von Kindern
und das soziale Miteinander erbringen.                                  Organisation der Vereinten Nationen für Erzie-     und Jugendlichen mit und ohne Behinde-
Literatur                                                               hung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) im          rungen sowie auf die Unterrichtsebene – dort
Barth, Ulrike (2008): Integration und Waldorfpädagogik. Chancen         Anschluss an einen Weltkongress über «Bil-         werden vor allem Schulleistungen miteinander
und Grenzen der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem
Förderbedarf in heutigen Waldorfschulen. Dissertation. Technische       dung bei besonderem Förderbedarf – Zugang          verglichen. Die Untersuchungen befassten sich
Universität Berlin, Berlin.                                             und Qualität» die Regierungen aller Länder in      fast ausschliesslich mit Kindern und Jugend-
Bauman, Zygmunt (2006): Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten
der Moderne. Hamburg: Hamburger Ed.
                                                                        seiner sog. Deklaration von Salamanca auf, alle    lichen mit Schulschwierigkeiten oder leichteren
Bulk, Sabine (2010): Hören, sprechen, lesen – BewusstWerden an der      Kinder in die allgemeine Schule aufzunehmen        Behinderungen. Zur Integration von schwerer
Sprache. Grundzüge einer konzentrischen Didaktik. In: Seelenpflege      – ausser es gäbe schwerwiegende Gründe,            behinderten Kindern liegen noch sehr wenige
in Heilpädagogik und Sozialtherapie (4), S. 77–83.
Maschke, Thomas; Barth, Ulrike (Hg.) (2010): … auf dem Weg zu           die dagegen sprechen (vgl. Bürli 2003, 241).       Forschungsaussagen vor.
einer Schule für alle. Integrative Praxis an Waldorfschulen. 1. Aufl.   Vor diesem Hintergrund sind auch aktuelle          SOZIALE AKZEPTANZ: Der Faktor der sozialen
Stuttgart: Verl. Freies Geistesleben.
Möckel, Andreas (1998): Zur Geschichte der Arbeit mit behinderten       Veränderungen gesetzlicher Grundlagen in           Stellung ist in der Integrationsforschung aus-
Menschen. In: Rüdiger Grimm und Götz Kaschubowski (Hg.): Heilen         der Schweiz zu sehen. Gemäss dem seit Januar       giebig untersucht worden. Am häufigsten wur-
und Erziehen. Sonderpädagogik und anthroposophische Heilpäda-
gogik im Gespräch. Luzern: Ed. SZH/CSPS (Dornacher Reihe, hrsg.
                                                                        2004 gültigen Behindertengleichstellungsge-        den soziometrische Untersuchungen durchge-
von Rüdiger Grimm, Band 1), S. 23–38.                                   setz soll mit entsprechenden Schulungsformen       führt. Kinder mit Lernschwierigkeiten oder Ver-
6                                                                                                                                                         Schulkreis 3/11    Schulkreis 3/11                                                                                                                                                         7
Wertschätzung der Vielfalt - Inklusionspädagogik - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz - Rudolf Steiner Schulen Schweiz
Ein Beitrag zur Schulgestaltung der Gegenwart                                                                                                                                                                                       äusserlich-intellektuell schon so vorangetrieben
                                                                                                                                                                                                                                                                         wurden. Dabei dürfen wir aber nicht aus den
                                                                                                                                                                                                                                                                         Augen verlieren, dass der äussere Schein mei-
                                                                                                                                                                                                                                                                         stens trügt! Diese Welt der seelischen Entwick-
                                                                                                                                                                                                                                                                         lungsschritte hat sich nicht wirklich verändert.

       Was brauchen
                                                                                                                                                                                                                                                                         Das 12. Lebensjahr ist immer noch ein geniales,
                                                                                                                                                                                                                                                                         bemerkenswertes heute. Immer noch vollen-
                                                                                                                                                                                                                                                                         det sich in diesem Jahr das organische Gleich-
                                                                                                                                                                                                                                                                         gewicht zwischen Lunge und Herz. Das wahre
                                                                                                                                                                                                                                                                         innere Seelenleben hat sich nicht verfrüht und
                                                                                                                                                                                                                                                                         Rudolf Steiners genialer Lehrplan ist nach wie

       unsere Kinder
                                                                                                                                                                                                                                                                         vor völlig zutreffend.
                                                                                                                                                                                                                                                                         Bis 12 Kind bleiben dürfen
                                                                                                                                                                                                                                                                         Nehmen wir diesen Verlauf des Waldorf-Lehr-
                                                                                                                                                                                                                                                                         plans ernst – aus dem Geiste unserer Zeit her-

              heute?
                                                                                                                                                                                                                                                                         aus natürlich – , dann dürfen die Kinder bis zum
                                                                                                                                                                                                                                                                         12. Lebensjahr Kinder bleiben und – gleich-
                                                                                                                                                                                                                                                                         sam von der erklommenen Bergspitze aus in
                                                                                                                                                                                                                                                                         die Welt blickend – mit neuen Kräften aus der
                                                                                                                                                                                                                                                                         frühen, geordneten Römerzeit, der ersten Ster-
                                                                                                                                                                                                                                                                         nenkunde und grundlegenden Erfahrungen aus
                      Ja, früher war alles anders! Da hatte man noch Respekt...,                                                                                                                                                                                         der Physik ins Jugendalter eintreten. Hier nennt
                                                                                                         Aus der Kunst heraus bewegen                        lernt werden, sondern auch das Hören mit dem            entwickeln, Kinder anzuregen, aus der Sache
                    Formen..., Anstand... - Nicht selten wird dieser Satz heute in                                                                                                                                                                                       Rudolf Steiner ein neues Erziehungsprinzip: Die
                                                                                                         Heute werden in der Kinderwelt schon sehr ge-       inneren Ohr. Unhörbares möchten wir hören               heraus selbst phantasievoll tätig zu werden.
                      allen Variationen angewendet. Wie auch immer – wir leben                                                                                                                                                                                           Oktav-Stimmung solle der Lehrer sich innerlich
                                                                                                         scheite, informierte Köpfchen durch die Welt        lernen! Das fördert qualitatives gegenseitiges          Dies schafft Willen an sich, Schaffensfreude
                   heute und können bestenfalls an ein «Früher» anknüpfen, um                                                                                                                                                                                            wachrufen, um die Jugendlichen zu führen, zu
                                                                                                                                                             Wahrnehmen und kann auch als «zwischen                  und bildet eine gesunde soziale Gemeinschaft,
                    den Faden nicht ganz zu verlieren. Wer schon über drei Jahr-                         getragen, welche allerlei nachplappern können,                                                                                                                  begleiten. Diese Art, junge Menschen innerlich
                      zehnte Kinder unterrichtet, weiss, dass sich die Zeiten auch                       was sie scheinbar wissen. Diese sitzen jedoch       den Zeilen Lesen» interpretiert werden. Dies            die sich gegenseitig hilft. Nicht die Lehrpersön-
                                                                                                                                                                                                                                                                         zu erreichen, kann die herankommende Puber-
                   in der Schule sehr verändert haben und es kann heute darum                            auf einem Körper, der ganz andere Zuwendung         fördert ganz besonders eine gesunde Atmung.             lichkeit steht dabei immer dazwischen, sondern
                                                                                                                                                                                                                                                                         tät in einem gesunden Masse einführen. Allzu
                   gehen, gut zu prüfen, was erhaltenswert ist und was weniger.                          verlangt. Der Körper versteht einen solchen Kopf    Rhythmische Essenszeiten und gesunde Speisen            überwacht von aussen das Geschehen. Es geht
                                                                                                                                                                                                                                                                         früh will diese sich ja heute einstellen. Ein junger
                                                                                                         nicht! Kräfte, die vom Kopfe aus in den Körper      (= gute Verdauung) wirken in derselben Richtung.        heute viel mehr nach dem Prinzip der Pflanze,
                                                                                                                                                                                                                                                                         Mensch, der Ziele gesteckt bekommt und diese
Für unsere Grosseltern waren damals die Lehr-       steigert, Ruhe und Zeit haben ist dadurch auch       wirken und vom Leibe aus aufstrahlende Kräfte       Es braucht hier kaum gesagt zu werden, dass tech-       welche immer wieder Knotenpunkte bildet (hier
                                                                                                                                                                                                                                                                         erreichen will, kann die zeitweilige Übermacht
personen unserer Schule gleichsam die Halb-         vielen Kleinkindern schon verwehrt, kontinuier-      treffen aufeinander und kämpfen im 7. Jahre in      nische Apparate, insbesondere Musik- und Fern-          lehrt der Lehrer = Frontalunterricht) und dann
                                                                                                                                                                                                                                                                         der sich einstellenden sympatischen und anti-
götter. Viele von ihnen hatten Rudolf Steiner       licher Rhythmus fast unmöglich. Die Sprache hat      der Phase des Zahnwechsels. Da muss Erziehung       sehgeräte, die Kinderwelt stören, ja ihrer natürli-     dem Wachstum gleichsam freien Lauf lässt (die
                                                                                                                                                                                                                                                                         patischen Gefühle dämmen und besser ordnen,
persönlich gekannt, seine Vorträge und Kurse        sich verändert, der Dialekt verflacht, Amerikanis-   gesundend eingreifen, um diese gegensätzlichen      chen Entwicklung hinderlich sind. So ein Gedanke        Klasse verarbeitet das Gelernte untereinander
                                                                                                                                                                                                                                                                         weil er eine klare Vorgabe seiner Aufgaben im
besucht. Was diese sagten, wurde befolgt und        men besetzen rasch fortschreitend unsere Aus-        Körperkräfte in die richtigen Wirkensbereiche zu    ist nicht altmodisch, sondern ein Beitrag zur Not-      und bildet sozusagen neuen Humus, um wieder
                                                                                                                                                                                                                                                                         Sinne einer Erreichung der Oktav erhält. Heu-
in vielen Tagungen und Kursen aufgenommen.          drucksweise, das Sprechtempo wurde schneller,        führen. Also sollen Kinder heute noch viel mehr     Wendigkeit in der heutigen Zeit. Viele Eltern wis-      Neues aufnehmen zu können). Das ist ein ganz
                                                                                                                                                                                                                                                                         te jung zu sein, ist wahrhaftig nicht leicht. Wie
Die nächste Eltern-Generation akzeptierte Lehr-     die Laute verblassen. Wie fremd erscheint einem      als früher ganz besonders aus der Kunst heraus      sen dies heute viel besser als noch vor 10 Jahren.      natürlicher organischer Rhythmus, der dem heu-
                                                                                                                                                                                                                                                                         überaus schmackhaft wird den Jugendlichen die
personen in ihrer Eigenart verständnisvoll, im-     ein kleinkindliches, nachgeahmtes «OK!» oder         bewegt werden: durch das Gestalterische und         Wir alle sind seither vermehrt Sklaven einer tech-      tigen Zusammenleben und Zusammenwirken
                                                                                                                                                                                                                                                                         Ablenkung vorgegaukelt und wie schnell erlie-
mer noch respektvoll distanziert und heute ist      ein «easy!».                                         das Musikalisch-Sprachliche. Im ersteren wird       nischen Welt geworden und müssen viel bewus-            mehr entspricht als früher. Kinder ertragen gar
                                                                                                                                                                                                                                                                         gen viele diesen Angriffen.
die Schule eine Art Lebensgemeinschaft gewor-       Kinder sollen auch Verehrungskräfte bilden dür-      der Erziehende das Gefühl der Ehrfurcht in sich     ster damit umgehen lernen. Unsere Lebensweise           nicht mehr die dauernde Autorität, die da vor
                                                                                                                                                                                                                                                                         Was hier zählt, ist das Vertrauen in den guten
den. Alle versuchen miteinander in gegenseiti-      fen. Das Aufblicken zur Lehrperson fällt ihnen       tragen, im anderen den Enthusiasmus (Rudolf         erzeugt eine Atmosphäre, die sich durch die Tätig-      ihnen steht. Es muss sich im Raume eine Lern-
                                                                                                                                                                                                                                                                         Zeitgeist, der auch anderes zulässt und die Ju-
gem Respekt zu handeln und viele auftauchende       heute schwerer als früher, weil die Welt dazu        Steiner: GA 302a). Das sind hier so leicht hinge-   keiten und Gewohnheiten der Menschen andau-             stimmung entzünden, dann können die Kinder
                                                                                                                                                                                                                                                                         gendlichen an ihre inneren Kräfte erinnert, die
Probleme, die früher zu Recht oder zu Unrecht       wenig Anlass gibt. Nun ist es an den Erziehen-       worfene Begriffe, die ein Lehrerkollegium heute     ernd verändert. Die letzten Jahrzehnte brachten         sich entfalten. Diese kann idealerweise nur durch
                                                                                                                                                                                                                                                                         sie sich in den ersten Lebensjahren haben an-
im Verborgenen blieben, können heute viel of-       den, diese Andachtsstimmung im Kinde auf ir-         viel bewusster gemeinsam und individuell sich       ungeahnten technischen Fortschritt. Wir staunen         künstlerisch bewegtes Denken, Fühlen und Wol-
                                                                                                                                                                                                                                                                         eignen dürfen. Diese damaligen fast nur aus
fener und kompetenter besprochen und gelöst         gendeine Art zu wecken. Das kann sein, indem         erarbeiten und pflegen muss.                        immer, wie schnell kleine Kinder heute technische       len der Lehrperson sich bilden. Die heutige Päd-
                                                                                                                                                                                                                                                                         Wille, Lebenswille bestehenden Kräfte leuchten
werden. Das äussere hierarchische Denken ist        die Lehrperson in vielen Handlungen geheim-          Bewegt sich beispielsweise ein Kind in den Lau-     Apparate bedienen lernen. Im Grunde aber wis-           agogik muss immer wieder durch eine solche
                                                                                                                                                                                                                                                                         immer wieder auf und lassen die eine oder an-
verschwunden. Die Hierarchie der Geistesgegen-      nisvolle Stimmungen schafft, Kinder vor allem        ten eurythmisch in einem Märchen, darf es von       sen wir doch, dass Kinder unmittelbar aufnehmen,        Unordnung (Freilassen), um sich hernach wieder
                                                                                                                                                                                                                                                                         dere Idee keimen, die sich dann mit Hilfe einer
wart bleibt allerdings bestehen; diesbezügliche     nicht intellektuell anspricht, sondern erst einmal   klein auf singen und hören lernen und hernach       was im Raume und in der Zeit lebt. Diese Fähig-         mit neuer Möglichkeit zu ordnen.
                                                                                                                                                                                                                                                                         Lehrperson in selbständiger Weise verwirklichen
Wahrnehmungen und Übungen bieten sich im            staunen lässt und sie dadurch jung, eben Kin-        zeichnen und malen, so wird ihm gleichsam die       keiten der Kinder müssen wir gerade darum heute         Auf diese Weise kann verhindert werden, dass        lässt. Wieder ist der künstlerische Ansatz gefragt
heutigen Sozialgefüge mehr denn je. Sind wir        der bleiben dürfen, was sie ja dann heute allzu      heute verlorene Zeit (siehe oben) zurückgege-       vermehrt durch die Künste führen und ausbilden.         Entwicklungsschritte wie der Rubikon verfrüht       – vielleicht mehr denn je! Jetzt brauchen wir die
gegenwärtig immer noch in der Lage, die Not-        schnell nicht mehr sind.                             ben. Die variationenreiche Theaterarbeit an vie-    Wenn diese Köpflein für Momente vergessen, was          auftreten. Es geht wirklich darum, die Kinder       grossen Bücher der Welt! Noch nie hat mir ein
wendigkeiten der Zeit in dieser gemeinsamen         Natürlich waren Kinder vor 30 Jahren anders.         len Rudolf Steiner Schulen zeugt vom bewussten      der ganze Mensch dabei tut, umso besser. Wieder         möglichst lange innerlich bewegt «jung» sein        Schüler gesagt, Mozart-Musik sei schlecht. Diese
Schulgestaltung zu erkennen? Wissen wir denn,       Sie kamen mit anderen Voraussetzungen auf            Arbeiten an der schönen Ausgestaltung dieser        wird dem Kinde dadurch Ruhe und Zeit geschenkt,         zu lassen, dass die Neunjährigen im richtigen       wird in «Zauberflöte», «Krönungsmesse» oder
was unsere Kinder heute brauchen?                   die Welt. Viele Mütter hatten damals mehr Zeit;      Kräfte im Zusammenwirken der Künste. Dabei          Zeit zur natürlichen, altersgemässen Entwicklung.       Moment mit grosser Kraft im strömenden Flusse       «Requiem» erkannt. Aber wir Erwachsenen ha-
                                                    Ruhe und Rhythmus konnten noch lebensgemäss          ist gegenwärtig besonders auf eine deutliche        Die Kunst hat ja etwas Zeitloses in sich. Ein kurzer,   Rubikon stehen dürfen und genug Widerstands-
Verehrungskräfte                                                                                                                                                                                                                                                         ben die Aufgabe, Jugendliche zu solchen Werken
                                                    gepflegt werden. Die meisten kleinen Kinder wa-      Sprachführung zu achten, die dem Sprachzer-         intensiver künstlerisch erlebter Moment kann aber       kräfte dafür gebildet haben. Das ist spannend,      hinzuführen. Stehen sie dann im Konzert im Chor,
Waren die Kinder vor 30 Jahren wirklich anders?     ren in ihren Kopfkräften weniger in Anspruch ge-     fall entgegenwirken kann. Im Musikalischen          im Zeitlichen eine langdauernde Nachwirkung ha-         ihnen dann über diesen Fluss zu helfen. Haben       dann gibt es keine Fragen mehr. Es ist die schön-
Sicher hat sich die Welt seither unglaublich ver-   nommen. Heute können uns zuweilen Säuglinge          konzentriert sich die Erziehung mehr und mehr       ben. Unbewusst versteht das Kind solche Zusam-          sie den Übergang geschafft, streben sie heute       ste Musik, die sie uns in einer noch blühend jun-
ändert. Die Jahrtausendwende hat eine Umwer-        schon hellwach anschauen! Dafür waren die Kin-       aufs Hören. Man erinnere sich an die übermäch-      menhänge und braucht keine intellektuellen Erklä-       mit unbändiger Kraft «Rom» zu, was gleichbe-        gen Art darbringen, so eben, wie man sie sonst
tung von Werten möglich gemacht, welche viele       der mehr im Körper drin als heute, durften mehr      tige Zunahme an unwillkommenen Höreinflüs-          rungen. – Sprechen wir nicht alle viel zu viel auf      deutend sein kann mit der Pubertät, die heute       nie hört. Das ist auch altersgemäss richtig. Ihre
Erwartungen übertraf. Das Familienleben hat sich    im natürlichen, bewegten Freispiel die unteren       sen in den letzten Jahrzehnten. Weghören ler-       die Kinder ein?! Die heutige Pädagogik bräuchte         viel schneller als früher einsetzen möchte. Man     singenden Stimmen verkünden Wahrheit.
total verändert. Kinder haben meist viele ausser-   Sinne ausbilden (Tasten, Lebensfreude, Bewegen,      nen scheint dabei die einzige Rettung zu sein.      eigentlich möglichst wenige Worte.                      macht als Musiklehrer dann mit den Jahren die
familiäre Bezugspersonen und dadurch schon in       Gleichgewicht), erlebten ein rhythmisch geführ-                                                                                                                  Feststellung, dass Lieder, die man vor 20 Jahren                            Peter Appenzeller
                                                                                                         Unhörbares hören lernen                             Natürlicher organischer Rhythmus                                                                                                    Freie Musikschule Zürich
den ersten Lebensjahren viel weniger elterliche     tes Tages- und Nachtleben und hatten lebendi-                                                                                                                    noch der 6. Klasse brachte, plötzlich schon in
Geborgenheit. Das Arbeitstempo ist sehr ge-         gere Vorbilder für ihre Nachahmung.                  Nicht nur das Zuhören muss heute intensiv er-       Heute müssen wir Erziehenden alle den Mut               der 5. Klasse gewählt werden, weil die Kinder
8                                                                                                                                         Schulkreis 3/11    Schulkreis 3/11                                                                                                                                               9
Wertschätzung der Vielfalt - Inklusionspädagogik - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz - Rudolf Steiner Schulen Schweiz
Widerstandskräfte                                       Jugendeurythmie: anmelden!                              Glückliche Eltern?
                                                 Über die Folgen von Kaiserschnittgeburten                                                                   Die Forschung nach seelischen Widerstands-              Seit über zwei Jahren laufen die Planungen für          96 Prozent der Eltern fühlen sich mit ihrer Fa-
                                                                                                                                                             kräften zeige, dass für die Resilienz «nicht in         das größte Jugendeurythmie-Projekt, das es bis-         milie «glücklich» oder sogar «sehr glücklich»:
                                                                                                                                                             erster Linie Lehrpläne, Schulkonzepte und die           lang gab: WHAT MOVES YOU? Es findet vom 8.              Das ist das überraschende Ergebnis des er-

                                 Fehlende
                                                                                                                                                             Unterrichtsorganisation ausschlaggebend»                Juli bis 5. August kommenden Jahres anlässlich          sten ‚Familienbarometers’ des Elternmagazins
                                                                                                                                                             seien, schreibt Thomas Marti in einem Beitrag           des hundertjährigen Bestehens der Eurythmie             «Fritz+Fränzi». Als schön und heil wird das Fa-
                                                                                                                                                             für die Mitteilungen der Rudolf Steiner Schu-           in Berlin statt und ermöglicht Teilnehmern aus          milienland Schweiz aber nicht wahrgenommen:
                                                                                                                                                             le Zürich, «sondern vielmehr die menschlichen           aller Welt vier Wochen intensive künstlerische          Über die Hälfte aller befragten Eltern zweifeln

                              Spiralbewegung
                                                                                                                                                             Kompetenzen, die die Kinder tatsächlich an den          Auseinandersetzung unter einmaligen Rah-                an der Familienfreundlichkeit der Schweiz. Ver-
                                                                                                                                                             Erwachsenen erfahren. Was ein Kind stärkt und           menbedingungen: Neben der Arbeit an Ludwig              besserungsmöglichkeiten sehen die Eltern vor
                                                                                                                                                             schützt, ist das Selbstvertrauen, das Erwachsene        van Beethovens fünfter Symphonie und einem              allem in den Betreuungsangeboten (38%) oder
                                                                                                                                                             in ihm fördern. Es ist zudem die enge Bindung           weiteren zeitgenössischen Werk werden Work-             in Steuervorteilen (29%) und fast ein Fünftel
                                                                                                                                                             an mindestens eine menschlich kompetente                shops, Kurse und verschiedene Freizeitaktivitäten       findet, dass die Kinderzulagen erhöht werden
                                                                                                                                                             und verlässliche Person, eine Erziehungsorien-          angeboten. Zum Schluss gibt es zwei öffentliche         sollten. Ohne die Unterstützung der Grosseltern
                                       Die Bedingungen für die Inkarnation der Menschen haben                                                                tierung mit klaren Strukturen und Regeln, eine          Aufführungen gemeinsam mit einem Orchester              geht nichts. Fast die Hälfte glaubt, dass Väter,
                                       sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert.                                                                 religiöse Überzeugung und das gelebte Gefühl,           in Berlin. Die künstlerische Leitung bilden Sonn-       die weniger als 80 Prozent arbeiten, in unserer
                                       Die Technisierung, Computer, Mobilfunk, Lebensmittel, die                                                             dass dem Leben Sinn und eine (höhere) Bedeu-            hild Gädeke-Mothes, Mikko Jairi, Aurel Mothes,          Gesellschaft nicht ernst genommen werden
                                       Rhythmusstörungen durch die Sommerzeitumstellung und                                                                  tung zukommt. Und nicht zuletzt auch das Ver-           Astrid Thiersch, Reinhard Wedemeier und Ulrike          und kaum jemand legt noch Wert auf Familien-
                                       vieles andere mehr haben einen grossen Einfluss auf die
                                                                                                                                                             trauen, dass sich trotz Not und Schmerzen die           Wendt. Für die Gesamtleitung und Konzeption             feste – das sind weitere Ergebnisse der neuen
                                       Frage des Verhältnisses zum eigenen Leib. Roland Stei-
                                       nemann fasst in diesem Zusammenhang ein Referat von                                                                   Dinge am Ende zum Guten wenden.» Schulische             sind André Macco und Johannes Duve verant-              Studie, mit der «Fritz+Fränzi» anlässlich seines
                                       Karina Baumann über Kaiserschnittgeburten zusammen,                                                                   Leistungen hätten offenbar nur insofern gesund-         wortlich. Am 1. Oktober beginnt für interessierte       10-Jahre-Jubiläums «one marketing» beauftragt
                                       das sie vor einiger Zeit an der Nordwestschweizerischen                                                               heitliche Bedeutung, «als sie beim Kind das Ge-         Teilnehmer im Alter von 17 bis 23 Jahren mit eu-        hat. Zwischen dem 3. und 23. März wurden ins-
                                       Regionalkonferenz der Rudolf Steiner Kindergärten und                                                                 fühl nähren, etwas zu wissen oder zu können,            rythmischen Vorkenntnissen (z.B. Waldorfschüler)        gesamt 1000 Personen aus der Deutschschweiz
                                                       Spielgruppen gehalten hat.                                                                            lernfähig zu sein und dadurch in seinen Fähig-          die Anmeldephase.                          (MM/jö)      im Rahmen einer computerunterstützten Telefon-
                                                                                                                                                             keiten wachsen zu können.» (Mitteilungen 193/jö)        www.whatmovesyou.de.                                    umfrage befragt.                         (MM/jö)

    In der Schweiz gab es vor 20 Jahren rund         und Unten wird rhythmisch verbunden und es        stung nach dem Druck lockt den Atem. Es fin-
    35‘000 Kaiserschnittgeburten. Heute hat sich     wird ein Unterdruck bis in den Ohrbereich er-     det nur eine mangelhafte Zwerchfellatmung
    diese Zahl mehr als verdoppelt, wobei es re-     zeugt. Wird das Saugen nicht genügend aus-        statt, welche ebenfalls Verdauungsprobleme
    gional sehr unterschiedlich ist (z.B. Stein AG   gebildet, besteht eine zunehmende Gefahr          verursachen kann. Der fehlende Wehenrhyth-
                                                                                                                                                             Lehrer als «Potenzial-Coach»                            Skin Food Hautcreme                                     Langnau im Aufwind
    50%, Poschiavo 10%).                             von Mittelohrentzündungen. Es hat ebenfalls       mus, als Vorbereitung für den Atemrhythmus,
                                                                                                                                                             Über den Basis-Workshops «Potential-Coach»              Trockene und raue Haut bedarf einer reichhal-           Der Kindergarten der Rudolf Steiner Schule in
    Gründe für Kaiserschnitt sind: echte me-         weitreichende Bedeutung für die Ausbildung        hat weit reichende Folgen. Es treten vermehrt
                                                                                                                                                             der «Sinn-Stiftung», die der Göttinger Neuro-           tigen Pflege, die unsere Haut in jeder Situation        Langnau hat neue Räumlichkeiten bezogen: im
    dizinische Gründe, gemach-                                                                                        Bindungsprobleme auf, die
                                                                                                                                                             wissenschaftler Gerald Hüther ins Leben geru-           nährt und schützt. Ob rissige Ellenbogen oder           Parterre der Liegenschaft Dorfstrasse 27. Dort
    te medizinische Gründe und                                                                                        Wochenbettdepression ist oft
                                                                                                                                                             fen hat, schreibt Daniel Wirz im fpa-Newsletter:        strapazierte Füsse, die Weleda Skin Food Haut-          steht auch ein schöner Garten mit Weidenhaus,
    der «primäre Kaiserschnitt»                                                                                       verstärkt, es können vermehrt
                                                                                                                                                             «Noch geht die Schule davon aus, dass Kindern           creme pflegt besonders trockene Haut von Kopf           Sandkasten und Spielmaterial zur Verfügung.
    (Wunschkaiserschnitt). Gründe                                                                                     Schuldgefühle bei der Mutter
                                                                                                                                                             und Jugendlichen etwas fehlt, das wir ihnen zu          bis Fuss und hält sie mit wertvollen Kräuterex-         Am Donnerstag wird der Tag jeweils gemein-
    für einen Wunschkaiserschnitt                                                                                     auftreten, die zu einer Ver-
                                                                                                                                                             vermitteln haben – je schneller und effizienter         trakten zart und geschmeidig. International be-         sam mit der Unterstufe der Rudolf Steiner Schu-
    sind in erster Linie Angst (vor                                                                                   wöhntendenz führen können.
                                                                                                                                                             umso besser. Mit Mängeln behaftet, so ihr An-           liebt und preisgekrönt, wird sie auch hierzulande       le im Wald verbracht. Der Kindergarten mit in-
    einem ungelegenen Termin,
                                                                                                                     Auswirkungen                            satz, kommt der Mensch auf die Welt und die-            bestimmt in kurzer Zeit treue Fans finden. Die          tegrierter Spielgruppe ist damit – nach einigen
    vor Schmerzen, um Schönheit
                                                                                                                     im Kindergarten                         se gilt es wett zu machen. Der ganz andere An-          Skin Food Hautcreme von Weleda macht ihrem              Jahren örtlicher Distanz – wieder in die Nähe
    im Intimbereich und vor Kom-
                                                                                                                                                             satz: Jeder Mensch kommt mannigfaltig begabt            Namen alle Ehre. Sie «nährt» die Haut mit ei-           der Rudolf Steiner Schule gerückt. Diese kann
    plikationen – ein Kaiserschnitt                                                                                 Einige der folgenden Phänome-
                                                                                                                                                             in diese Welt, ein jeder unvergleichlich und so         ner wirksamen Komposition aus Kräuterauszü-             sich neuerdings wieder wachsender Schülerzah-
    gilt als zehn Mal sicherer als                                                                                  ne werden bei Kaiserschnittkin-
                                                                                                                                                             betrachtet vollkommen. An uns wäre es, die Vo-          gen, die harmonisierend auf die Hautstruktur            len erfreuen. Ins neue Schuljahr kann sie mit ei-
    eine Vaginalgeburt). Aber auch                                                                                  dern häufiger beobachtet, wo-
                                                                                                                                                             raussetzungen dafür zu schaffen, dass dieser            wirken: Ein Extrakt aus Stiefmütterchen hält die        ner Rekordzahl von zwölf Erstklässlerinnen und
    Geld (die Krankenkassen be-                                                                                     bei selbstverständlich grosse
                                                                                                                                                             reiche Schatz zur Offenbarung gelange. Wer so           Haut geschmeidig, ein Ölauszug aus Bio-Calen-           Erstklässlern starten, nachdem in den Vorjahren
    zahlen das Wochenbett bei ei-                                                                                   individuelle Unterschiede be-
                                                                                                                                                             denkt, muss die Aufgabe von Schule und Erzie-           dulablüten schützt die Haut und der Kamillen-           jeweils nur etwa fünf Kinder das erste Schuljahr
    ner «normalen» Geburt nicht                                                                                     stehen: vielfältige Wahrneh-
                                                                                                                                                             hung ganz anders sehen lernen. Wer so denkt,            blütenextrakt beruhigt – ein starkes Kräutertrio        begonnen hatten. Insgesamt werden die drei
    mehr, das Wochenbett bei ei-                                                                                    mungsstörungen, Drehen im
                                                                                                                                                             wird in seinem Umgang mit Menschen eher                 für eine wirkungsvolle Pflege. Weitere wertvolle        Mehrjahrgangs-Klassen der Rudolf Steiner Schu-
    nem Wunschkaiserschnitt aber                                                                                    Kreis (Zwirbeln), sie wollen in
                                                                                                                                                             ‚Sog‘ anstatt ‚Druck‘ erzeugen. Er wird sich öfter      Bestandteile vervollständigen die Rezeptur, so          le in Langnau nun wieder von 60 Schülerinnen
    wird bezahlt. Der Chirurg und                                                                                   Tunnel kriechen, haben ein
                                                                                                                                                             zurücknehmen und abwarten anstatt sich vor-             wie das kostbare Sonnenblumenöl, das pflegt             und Schülern besucht – bis vor zwei Jahren war
    das Spital verdienen doppelt                                                                                    stärkeres Kuschelbedürfnis,
                                                                                                                                                             drängen und eingreifen. Er wird wohl auch sehr          und für ein wohliges und wärmendes Gefühl               die Schülerzahl unter 50 gesunken.        (MM/jö)
    so viel.)                                                                                                       einige ertragen Finkli nicht,
                                                                                                                                                             vorsichtig in der Benennung von ‚Fehlern‘ und           auf der Haut sorgt. Das enthaltene Bienenwachs
                                                                                                                    stolpern und fallen häufiger,
    Gefahr von Mittelohr-                                                                                                                                    ‚Mängeln. Staunende Erwartung wird seine Hal-           schützt und bewahrt vor Feuchtigkeitsverlust.
                                                                                                                    teilweise haben sie auffallen-
    entzündungen                                                                                                                                             tung prägen anstelle von vorschnellem Urteilen.         Eine Mischung aus rein pflanzlichen Duftstoffen
                                                     einer guten Verdauung, für das spätere Kau-       de Sprachstörungen und Nahrungsmittelab-                                                                                                                              Möglicherweise krebserregend
                                                                                                                                                             Achtsamkeit, die wir einander entgegen tragen,          entfaltet einen erfrischenden Duft, der die Sinne
    Eine normale Geburt findet in der 40. Schwan-    en und die Sprachentwicklung.                     neigungen bis hin zu Ekel. Zur Heilung sind                                                                                                                           Eine Verbindung zwischen Mobiltelefonen und
                                                                                                                                                             ist unendlich steigerbar. Mit jedem Schritt, den        belebt und das Wohlbefinden fördert. Tipps zur
    gerschaftswoche statt, ein primärer Kaiser-      Während des Geburtsvorganges fehlt die Spi-       nötiger denn je die sorgfältige Sinnespflege                                                                                                                          Krebs sei gegenwärtig «nicht klar bewiesen»,
                                                                                                                                                             wir in diese Richtung tun, weitet sich der Blick.       Anwendung: Im Gesicht sanft mit den Finger-
    schnitt wird in der 38. Woche festgelegt. Ab-    ralbewegung, welche die Urbewegung von            mit Schwergewicht auf die Basalsinne und die                                                                                                                          heisst es in einer Meldung im «Bund». Das Te-
                                                                                                                                                             Raum, Leerraum entsteht zwischen uns. Und               spitzen einklopfen um ein Dehnen der Haut zu
    gesehen von der Verschiebung der astrologi-      Erscheinen und Verschwinden darstellt. Es         Pflege von Rhythmus und Wiederholungen.                                                                                                                               lefonieren mit dem Handy sei aber «möglicher-
                                                                                                                                                             siehe da: Er wird zum eigentlichen Lehrraum.            vermeiden, am Körper sanft einmassieren, bis
    schen Geburtskonstellation ist der Fötus noch    fehlt das initiale Tasterlebnis, die Ich-Wahr-    Die Gliedmassen, Hände und Füsse, müssen                                                                                                                              weise krebserregend». Zu diesem Schluss sei
                                                                                                                                                             So vielleicht liesse sich umschreiben, was den          die Creme in die Haut eingezogen ist. Zur Inten-
    nicht voll ausgereift und Kaiserschnittkinder    nehmung erfolgt aber grösstenteils über den       geweckt werden, nicht der Kopf, der bei die-                                                                                                                          eine Expertenkommission der internationalen
                                                                                                                                                             Potential-Coach vom konventionellen Lehrer              sivpflege die Creme grosszügig auftragen und
    neigen nach der Entbindung vermehrt zu           Tastsinn. Es fehlt der Druck auf den Brustkorb,   sen Kindern oft überwach sein kann.                                                                                                                                   Krebsforschungsagentur IARC gekommen. Die
                                                                                                                                                             unterscheidet. Potential-Entfaltung darf in die-        unter Baumwollhandschuhen oder Wollsocken
    Müdigkeit, Schwäche und noch nicht genü-         deshalb bleibt das Fruchtwasser in der Lunge,                                  Roland Steinemann                                                                                                                        31 Fachleute aus 14 Ländern hatten zuvor nahe-
                                                                                                                                                             sem Sinne als Kunst betrachtet werden – Rudolf          über die Nacht einwirken lassen.           (MM/jö)
    gend ausgebildetem Saugreflex. Das Saugen        welches Atemprobleme verursacht. Die Lun-                                                                                                                                                                               zu sämtliche Untersuchungen zum Thema Krebs
                                                                                                                                                             Steiner meinte gewiss Ähnliches, wenn er von            (Der SCHULKREIS veröffentlicht diese Medienmitteilung
    ist aber ein intensives Tasterlebnis, das Oben   ge entfaltet sich mangelhaft, denn die Entla-                                                                                                                                                                           und Rundfunk- bzw. Handystrahlen ausgewer-
                                                                                                                                                             Erziehungskunst sprach.»                                als Dank für die Unterstützung, die Weleda dem SCHUL-
                                                                                                                                                                                          (fpa-Newsletter 4/11/jö)   KREIS gewährt.)                                         tet.                            (Bund 1/06/11/jö)

Schulkreis 3/11                                                                                                                                         10   Schulkreis 3/11                                                                                                                                               11
Wertschätzung der Vielfalt - Inklusionspädagogik - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz - Rudolf Steiner Schulen Schweiz
Erfahrungen im «bewegten Klassenzimmer»                                                                                                                                          Ehemaliger Schüler,
                                                                                                                                                                                                                 politisch engagiert bei den Grünliberalen

                      Disziplin, Formkraft – und
                       ein «chaotisches Element»
Vor zwei Jahren habe ich die Aufgabe angetre-
ten, im «bewegten Klassenzimmer» zu unter-
richten – damals ein mir beinahe gänzlich un-
                                                      «A rose is a rose is a rose», lässt Mar-
                                                      cel Duchamp verlauten. «Ein Tisch ist
                                                      ein Tisch», meint Peter Bichsel. «Ein
                                                                                                            Unterschiedliche Qualitäten
                                                                                                            Mir ist wesentlich, ein Bewusstsein davon zu
                                                                                                                                                                   «Spannende
                                                                                                                                                                 Diskurse mitgestalten»
                                                      Bänkli ist ein Bänkli», äussert sich                  haben, ob ich «in der Gebogenen» oder «in der
beschriebenes Blatt. Ich kam kurz vor den Som-                                                              Geraden» unterrichte. Es ist nicht einerlei – und
                                                      der Klassenlehrer eines «bewegten
merferien zu meiner Stelle in Wetzikon und da
                                                      Klassenzimmers» – und meint dabei,                    die Wirkung in den Kinderseelen ist eine ver-
war eben das «bewegte Klassenzimmer» umzu-            in verflochtener Verwandtschaft mit                   schiedene: Bin ich mehr im Beseelten (der «Far-
setzen. Nun, was bleibt einem da anderes übrig        den beiden obgenannten Denkern, «…                    be») oder mehr im Gedanklichen (dem «Hell-
als die Ärmel hochzukrempeln und an die Arbeit        ist ein Bänkli, ist ein Tisch und auch                Dunkel»)? Während der mündlichen Arbeit, der
zu gehen? Vielleicht ist dies nicht die beste aller   Rosenhecke, Gebüsch und Zaun und                                                                                             Patrick Mundschin war 12 Jahre Schüler in der Rudolf Steiner                             Innovationen nicht unbedingt fördert. Niemand
                                                                                                            Stofferarbeitung, sitzen alle auf ihren Bänken –
möglichen Voraussetzungen gewesen, eine sol-          Mauer.» Erfahrungen aus den ersten                                                                                        Schule Mayenfels in Pratteln, anschliessend Matur am Gymnasi-                               kann und will da ein Wagnis eingehen, dessen
                                                          zwei Schuljahren in Wetzikon.                     soll die schriftliche Arbeit angegangen werden,
che Unternehmung zu beginnen. Doch bevor ich                                                                                                                                     um Muttenz; Studium Jus und Wirtschaft in Basel, pädagogische                              Resultat erst nach 9 bis 12 Jahren eintritt. Des-
                                                                                                            kommt wieder Bewegung in die Reihen: Das                             Ausbildung (Höheres Lehramt, Pädagogische Hochschule FHNW)                                 halb finde ich Konkurrenz im Bildungswesen
einen Blick auf den schulischen Alltag (m)eines       grossen Wunder näher, als die Kinder für ein paar     Schulmaterial ist hinten im Schulzimmer aus                              und Lehrer für Wirtschaft und Recht am KV Lenzburg. Er hat                             wichtig, weil es den Anreiz und den Freiraum
«bewegten Klassenzimmers» werfe, möchte               wenige Momente ganz eng um mich zu scharen            den Schubladen zu holen, ein Schreibbrett oder                         verschiedene Projekte begleitet (Projektleiter KMU Förderung,                            schafft, Entwicklungen in Gang zu bringen. Ein
ich Ihnen noch Folgendes zu bedenken geben:           und ihnen davon zu berichten? Solch kleine gros-      eine Schiefertafel muss bereitgemacht werden.                        Wirtschafts- kammer Baselland Generalsekretär Sympany Versi-
Es ist eine Dreiheit, aus der heraus die Antwort                                                                                                                                                                                                                            Schulsystem, das hauptsächlich mit extrinsischer
                                                      se «Sternen-Augen-Blicke» sind mir nur möglich,       Nun sitzen (knien) die Kinder auf ihren mit Spreu                     cherungen). Es kommt nicht oft vor, dass ehemalige Schüler po-
kommen muss, ob sich das «bewegte Klassen-            wenn ich die Kinder direkt aus dem Geschehen                                                                              litisch aktiv und parteipolitisch engagiert sind. Deshalb möchten                           Motivation (Noten) arbeitet, kommt an seine
                                                                                                            gefüllten Kissen, die Bank ist zur Schreibtisch-                                                                                                                Grenzen. Die Zukunft fordert kritische, kreative
zimmer» bewähren kann oder nicht – da ist das         heraus zu mir rufen kann.                                                                                                     wir in dieser Rubrik die politische Motivation sprechen lassen.
                                                                                                            fläche geworden.                                                                                                                                                und weltoffene junge Menschen, die gelernt
Kind, da ist der Lehrer und da ist das, was zwi-                                                            Im Verlaufe eines Schulmorgens ändert sich
schen diesen beiden Polen sich abspielt. Zumin-       Gleichgewicht, Bewegung und Variation                                                                      Sie waren Schüler in der Rudolf Steiner Schule        welchem Wege wir das erreichen. Die grünlibe-        haben, alles zu hinterfragen. Und es gilt, nebst
                                                                                                            noch mehrmals die Form: Nach der Znünipause          Mayenfels in Pratteln. Wie schauen Sie auf die-       rale Politik überzeugt mich, weil sie nicht mit Ver- Fachwissen auch Selbst-, Sozial- und Metho-
dest diese eine Zweiheit gibt den Ausschlag über      Was folgt, ist das, was «landläufig» unter «be-       ist die Frontalstellung geeignet, um die Kinder
Erfolg und Misserfolg: das Kind UND der Lehrer.       wegtem Klassenzimmer» verstanden wird: Die                                                                 se Zeit zurück?                                       boten und Moral argumentiert, sondern Anreize        denkompetenz zu fördern. Unser Schulsystem
                                                                                                            – beispielsweise im (Fremd-)Sprachunterricht –                                                             schafft. Zudem kann ökologisches Handeln öko-        ist noch viel zu sehr auf Fachkompetenz und De-
                                                      Bänke werden bewegt… Kräftig packen zwei Kin-         zu sammeln, schnell aber wandelt sich die Form       Es war eine wirklich tolle Schulzeit. Ich bin von
Farbenfrohe Seelen im Rücken                                                                                                                                     der ersten bis zur zwölften Klasse immer sehr         nomisch sehr attraktiv sein, wenn wir die Bedin-     tailwissen ausgerichtet. Fach- und Detailwissen
                                                      der an, die Bänke werden auf den Kopf gestellt,       wieder in den Kreis. Im Kreis beschliessen wir
Im «bewegten Klassenzimmer» habe ich als Leh-         und schon kann die Klasse sich balancierend auf                                                            gerne in die Schule gegangen und habe mich            gungen dafür schaffen. Für ein Innovationsland       soll Orientierungswissen fördern, damit Schü-
                                                                                                            auch den Schulmorgen.                                                                                      wie die Schweiz ist die alternative Energie eine     ler und Schülerinnen Schussfolgerungen selber
rer nichts mehr zwischen mir und den Kindern,         den Hügeln (den unten angebrachten Querstreben)                                                            wohlgefühlt. Ich schaue heute sehr gerne auf
jedenfalls kein Schülerpult, das so angenehm          zu einem von der andern Klassenhälfte rezitierten     Gesunde Atmung                                       diese Zeit zurück und habe mit vielen Klassen-        riesige Chance.                                      ziehen und Zusammenhänge schaffen können.
Distanz schafft. Es sitzt die Klasse im Kreis auf     Spruch im Gleichgewichtssinn üben – oder: Der                                                              kameraden und –kameradinnen noch heute re-            Ich habe in meiner Schulzeit und während             Schule soll zum lebenslangen Lernen anstiften,
                                                                                                            Was ist denn jetzt eigentlich das «bewegte Klas-                                                           meines ganzen Le-
den Bänkli, jeweils zwei teilen sich ein solches.     Bänklikreis wird in Windeseile zu einem Teichufer,    senzimmer»? Es ist rein – nichts Hinderliches ist    gen Kontakt.
Es beginnt der Schulmorgen mit einem Lied zur         auf welchem die Frösche ihr im Winter unter der                                                                                                                  bens gelernt, dass
                                                                                                            zwischen dem Kind und dem Lehrer. Es ist dem         Ehemalige Steiner-Schüler in der Politik sind ja      Eigeninitiative und
Sammlung: Ich spiele auf der Flöte die Liedme-        Eisdecke gegebenes Versprechen («wie Nachti-          Wesen der Gebogenen, des Kreises verwandt,                                                                                                           Unser Schulsystem ist noch viel zu sehr auf
lodie und stehe dabei mittendrin im Kreis – ein       gallen zu singen») nicht einhalten und stattdessen                                                         nicht gerade üblich. Was ist Ihre Motivation?         Selbstverantwortung                   Fachkompetenz und Detailwissen ausgerichtet.
                                                                                                            bildet Hülle, bildet Einheit. Der Lehrer bildet                                                            mehr bewirken als                          Fach- und Detailwissen soll Orientierungs-
wunderbares Gefühl, kann ich Ihnen sagen!             – «wie vor alter Zeit» – quaken – oder: Drei Bänkli   den Mittelpunkt, fügt sich ein oder umkreist die     In meiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit
                                                                                                                                                                                                                       einschränkende Re-                        wissen fördern, damit Schüler und Schüler-
Rund um mich herum eine Schar erwartungs-             werden aufeinander getürmt, damit die Krähe auch      Kinderschar. Es kann jederzeit sich wandeln zur      bin ich mit vielen Themen konfrontiert worden
                                                                                                                                                                                                                       geln. Deshalb möch-                       innen Schussfolgerungen selber ziehen und
froher Kinder: vor mir, neben mir und – hinter        einen ihr gebührenden Baum erhält, von dem he-        Wesenhaftigkeit der Geraden. Um dieser Polari-       wie Wirtschaft, Umwelt, Gesundheit und Bil-                                                                Zusammenhänge schaffen können.
mir. Das ist wesentlicher, als es auf den ersten      rab sie dem Jäger ihren Spott krächzen kann. Wir                                                           dung, bei denen grosser Handlungsbedarf be-           te ich im Nationalrat
                                                                                                            tät Genüge zu leisten, muss der Lehrer ein hohes                                                           Positionen vertreten,
Eindruck scheinen mag. Alle die Kinder, in all        sind mitten im «Rhythmischen Teil» angelangt.         Mass an Bewusstsein in sich tragen, welcher Pol      steht. Es wurde mir immer mehr bewusst, dass
ihren Temperamenten, in all ihren Farben, sind        Unbestritten ist es ein wesentlich Leichteres, mit                                                         erst ein politisches Engagement ganz real Verän-      die an den gesunden
                                                                                                            wann sinnvoll ist. Es begünstigt eine gesunde At-                                                          Menschenverstand der Bürger appellieren und soll auch von der Begeisterung der Lehrpersonen
mir gleich nah, gleich weit. In diesem Moment         den Bänken dem Bedürfnis in den Kindern nicht         mung, da es selber atmet – sofern der Lehrer sich    derungen bewirken kann. Interessant ist ja, dass
bin ich es als Lehrer, der in Bewegung ist. Ich       nur nach Bewegung, sondern auch nach Varia-                                                                in der Rudolf Steiner Schule gerade die Fragen        den Staat und die Bürokratie von unsinnigen und ihren Initiativkräften leben. Das habe ich in
                                                                                                            dieser Sache bewusst ist. Es ist bewusster Ver-                                                            und nicht durchsetzbaren Gesetzen entlasten.          der Steinerschule immer wieder gespürt.
muss auch hinter meinem Rücken ein Bewusst-           tion nachzukommen, als wenn Pulte und Stühle          zicht auf die für sieben- und achtjährige Kinder     nach einer gerechten Gesellschaft, einer mensch-
sein entwickeln – eine neue Erfahrung für mich,       hin- und hergeschoben werden müssten (was ich                                                              lichen Pädagogik und einer Respektierung der          Mich im Nationalrat für die Kernpunkte einer Nochmals: Auch Bildungspolitik soll Anreize
                                                                                                            nicht notwendige Ausbildung des Verstandes-                                                                grünliberalen Politik einzusetzen, empfinde ich schaffen, jede Schule und jede Lehrperson soll
der ich es doch vornehmlich gewohnt war, eine         als Lehrer erfahrungsgemäss dann eben oft doch        und Vernunftmässigen – und verlangt vom Leh-         Natur zentrale Themen waren. Meine Schulzeit
schwarze Tafel hinter mir, in meinem Rücken,          nicht täte, da es «zu aufwändig» ist). Es bedarf                                                           gehört deshalb auch zu den Motivationsfaktoren,       als eine spannende Herausforderung. Es braucht sich angespornt fühlen, gute Resultate zu er-
                                                                                                            rer einerseits Disziplin und Formkraft, anderseits                                                         mehr junge Menschen in der Politik, die von zielen. Nicht nur in Tests, sondern in allen Kom-
zu haben. Nun sind es farbenfrohe Seelen.             jedoch einer regelrechten Choreographiebegei-         Spontaneität und Duldung eines chaotischen           politisch tätig zu werden.
Zum Morgenspruch trete ich freilich als eines         sterung meinerseits, damit alles fliessend ablau-                                                          Ich glaube, dass die Politik viele abschreckt, weil   ihren Kompetenzen und ihrer Haltung her mit petenzen.
                                                                                                            Elementes. Es entspricht der frühen Schulzeit, der                                                         Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien und
der Kreisglieder ein Glied zurück. Nicht täglich,     fen kann. Der Moment von der Umstellung vom           Elementarstufenzeit – und steigert die Vorfreu-      sie spüren, dass es manchmal mehr um Grup-
aber doch des Öfteren, schliesst sich hier eine       einen Unterrichtsteil, dem rhythmischen, auf den                                                           peninteressen und Parteistrategien geht als um        Standpunkte auf Augenhöhe diskutieren können. Wie beurteilen Sie die Bildungsfunktion der
                                                                                                            de auf die dritte Klasse mit Pulten und Stühlen.                                                           Als Grünliberaler sehe ich meinen Ort inmitten künstlerischen Fächer?
«sinnige» oder «moralische Geschichte» an, in         anderen, den Lern- (oder Arbeits-)Teil (welch unzu-   Ich werde mich erst daran gewöhnen müssen,           die Sachen selbst. Sobald man sich engagiert in
welcher gelegentlich grosse Geheimnisse preis-        treffende Bezeichnungen…) kommt – es erklingt                                                              der Partei, die den eigenen Werten am nächsten        des Parteienspektrums, als Persönlichkeit sehe Ich schätze sie sehr hoch ein, denn ich habe
                                                                                                            nun – in der dritten Klasse – wieder eine schwar-                                                          ich mich in der Vermittlung unterschiedlicher selbst erlebt, wie wichtig die Kunst ist. Nicht nur
gegeben werden: Der Buchenkeimling ist traurig        ein Lied und singend werden jeweils zu zweit die      ze Tafel im Rücken zu haben… – oder lässt sich       steht, ist man mittendrin, wo Veränderungen
über seine «Elefantenohren», weshalb ihn der          Bänkli umgebaut: Es sind nun innert weniger Se-                                                            geplant werden und man spannende Diskurse             Standpunkte.                                          als Schulfach, sondern zur Förderung kreativen
                                                                                                            vielleicht auch für die Zeiten des Rubikon und                                                                                                                   und individuellen Handelns. Insofern sollte auch
in diesem Moment erscheinende Heilige Beatus          kunden alle vierundzwanzig Kinder «schön aufge-       danach eine andere Form finden als gerade Pul-       mitgestaltet.
                                                                                                                                                                                                                       Was sind für Sie in den Bildungsfragen die wich- die Politik vermehrt eine Kunst werden, die ver-
mahnt, sich eine Nacht noch in Geduld zu üben         reiht», auf den Bänken sitzend, frontal zu mir und    treihen in Frontalstellung mit starrem Blick auf     Warum möchten Sie als Nationalrat bei den             tigsten Prioritäten?                                  sucht, neuen und innovativen Ideen eine Form zu
und das Licht der Sterne zu empfangen – um den        zur Tafel. Eine neue Stimmung hält Einzug – eine      Lehrer und Tafel (– oder auch ein wenig neben
Keimling danach einzuweihen in das Geheimnis,         gewisse Sachlichkeit macht sich breit, es duftet      diesen vorbei)?                       Udo Richter
                                                                                                                                                                 Grünliberalen kandidieren?                            Bildung braucht Vielfalt. Erstens, weil die Welt geben, die gesellschaftlich relevant wird.
dass die folgenden zwei Blättli viel hübscher ge-     plötzlich richtiggehend nach Rechnen, Schreiben,                                                           Es ist für mich ganz klar, dass unsere Zukunft        komplexer und vielfältiger geworden ist und                                Interview: Robert Thomas
formt sein werden… Was liegt bei einem derart         Formenzeichnen.                                                                                            grün werden muss. Die Frage ist allerdings, auf       zweitens, weil ein einheitliches Bildungssystem
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