WIRT SCHAFT 2021 - Klima- und Energiefonds
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AUSTRIAN CLIMATE RESEARCH PROGRAMME in ESSENCE BERICHTE ZUR KLIMAFOLGENFORSCHUNG 2021 W IRT SC H AF T www.klimafonds.gv.at
INHALT 05 Vorwort 07 Einführung Auszug aus Studie „RE-COIN – Kosten des Nicht-Handelns in der Klimapolitik 12 COIN-INT Die Auswirkungen der Klimakrise sind in Österreich nicht nur lokal spürbar. Durch den Außenhandel und eine starke Verflechtung mit häufig vulnerablen Ländern ist der österreichische Wirtschaftssektor auch von den globalen Folgen der Klimakrise betroffen. Das Projekt COIN-INT quantifiziert diese volkswirt- schaftlichen Kosten, die durch die grenzüberschreitende Klimakrise entstehen und zeigt die zur Bewälti- gung des sich verstärkenden Problems nötigen Handlungs- und Anpassungsmaßnahmen auf. 20 SPECIFIC UVP-pflichtige Projekte werden aufgrund ihrer langen Lebensdauer verstärkten Auswirkungen der Kli- makrise gegenüberstehen. Nach der Verabschiedung einer EU-Richtlinie hat sich das Projekt SPECIFIC daher mit den konkreten Rahmenbedingungen befasst, die zur Bearbeitung der Klimawandelanpassung in der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig sind. Dazu wurde zum einen eine Analyse diverser UVP-Verfahren durchgeführt, zum anderen wurden mittels eines praxisbezogenen und transdisziplinä- ren Zugangs mit Hilfe aller Akteure der UVP-Praxis relevante Forschungsergebnisse erarbeitet und ein praxisrelevantes Infoportal erstellt. 30 RiskFinPorto Die Klimakrise hat auch für den Finanzsektor erhebliche Auswirkungen und Risiken zur Folge. RiskFin- Porto liefert die erste umfassende Analyse von CO2-Risiken im österreichischen Finanzmarkt und be- trachtet dabei neben den physischen Klimarisiken vor allem die Transitionsrisiken, die sich für Geschäfts- modelle durch die Dekarbonisierung und den Übergang zu CO2-freien Wirtschaftsstrukturen ergeben. Das Projekt schafft damit Bewusstsein für die direkten und indirekten Auswirkungen der Klimakrise auf den Finanzsektor und seine künftige Rolle für den Wandel hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft und Gesellschaft. 36 CATs Das Ziel des Projektes CATs war es, die Besteuerung von Energie und CO2 aus verschiedenen Blickwin- keln heraus zu analysieren. Dabei wurden verschieden ausgestaltete Steuersysteme der EU miteinander verglichen und die Auswirkungen der Einführung einer CO2-Steuer und Rückvergütungsszenarien in Österreich auf unterschiedlichen Ebenen modelliert. Theoretische ökonomische und juristische Aspekte wurden dabei ebenso berücksichtigt wie empirische Evidenz zu verschiedenen Steuersätzen. 44 EconTrans Das Projekt EconTrans hat zum Ziel, ein erstes Demonstrationsprojekt für eine Weiterentwicklung makroökonomischer Modelle mit dem Fokus auf Funktionalitäten darzustellen und ökonomische Akti- vitäten damit aus einer ergebnisorientierten Perspektive zu betrachten. Diese geht über die traditionelle Betrachtung der Nutzengenerierung durch Konsum hinaus und misst der Funktionalität sowie well-being dafür eine wichtigere Rolle bei. Der Fokus auf Funktionalitäten mit geringerem Ressourcenbedarf aber gleichbleibendem Nutzen geht damit über traditionelle Messgrößen wie dem BIP oder der ökonomischen Wohlfahrt hinaus. 52 Alle geförderten Projekte im Überblick 54 Bisherige Ausgaben von „ACRP in essence“
VORWORT Die österreichische Durchschnittstemperatur ist seit Beginn der Industrialisierung bisher um etwa 2 °C gestiegen – doppelt so viel wie im globalen Durchschnitt. Besonders in den letzten Jahr- zehnten hat die Klimakrise dabei deutlich an Fahrt aufgenommen, und damit auch die durch sie induzierten Schäden. Diese sind im Wirtschafts- und Finanzsektor in einer Vielzahl von Formen ausgeprägt: So sorgen die in vielen Teilen der Welt zu- nehmenden Klimaschäden und internationalen Verflechtungen für vulnerable Lieferketten, Großprojekte müssen die künftig vermehrt und verstärkt auftretenden Schäden in ihre Planung mitaufnehmen und der Finanzsektor wird die Risiken, die unter anderem mit den physischen Auswirkungen der Klimakrise einhergehen, mitberück- sichtigen müssen. Neben der nötigen Anpassung an die Folgen Ingmar Höbarth kann der Wirtschafts- und Finanzsektor auf der anderen Seite aber Geschäftsführer auch mit dazu beitragen, die Klimakrise einzudämmen und so die Klima- und Energiefonds nationalen und globalen Klimaziele zu erreichen. All diese Maßnah- men erfordern ein umfassendes Systemverständnis und eine solide wissenschaftliche Basis. Die Grundlage dafür liefert das Förderprogramm „Austrian Clima- te Research Programm“ (ACRP) des Klima- und Energiefonds, in welchem seit 2007 bisher 249 Projekte gefördert wurden. Bereits im Jahr 2015 erschien die erste ACRP in essence-Broschüre zum Thema Wirtschaft und auch heute – 6 Jahre später – zeigen neue, unten vorgestellte Forschungsprojekte, wie wichtig eine Transfor- mation des Wirtschafts- und Finanzsektors zum einen und eine Anpassung dieser Sektoren an die sich ändernden Bedingungen auf der anderen Seite ist. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Ingmar Höbarth, Geschäftsführer Klima- und Energiefonds 5
EINFÜHRUNG Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Nicht-Handelns in der Klimapolitik für Österreich Ein Nicht-Handeln in der Klimapolitik und seine Wichtige Handelspartner Österreichs, vor allem wirtschaftlichen Konsequenzen für Österreich außerhalb der Europäischen Union, sind deutlich werden in zahlreichen laufenden und abgeschlos- stärker vom Klimawandel betroffen als Österreich. senen Forschungsprojekten analysiert. Generell Grenzüberschreitende Klimawandelfolgen – also lassen sich die Kosten in drei Bereiche untertei- jene Folgen, die aus dem Ausland auf die österrei- len: (1) direkte Klimawandelfolgekosten, die durch chische Wirtschaft übertragen werden – verursa- Schäden im In- und Ausland sowie durch Klima- chen Schäden für Österreich in Höhe von zumin- wandelanpassung entstehen; (2) darüber hinaus- dest 1 1,5 Mrd. bis 1 1,9 Mrd. jährlich bis 2050 (für gehende Folgekosten für den Staatshaushalt und Details, siehe Projekt COIN-INT). (3) indirekte Folgekosten durch vertane Chancen, insbesondere im Lichte der aktuellen Corona-Kri- Die Ausgaben für Klimawandelanpassung in se und ihrer wirtschaftlichen Bewältigung. den öffentlichen Budgets sind bereits heute mit rund 1 Mrd. Euro jährlich allein für den Bund zu Direkte Klimawandelfolgenkosten beziffern und werden sich bis 2030 auf mehr als Die wetter- und klimawandelbedingten Schäden in 1,5 Mrd. Euro pro Jahr und bis 2050 auf mehr als Österreich liegen derzeit bei zumindest 1 2 Mrd.1 2 Mrd. Euro pro Jahr erhöhen. Obwohl verstärkte im Jahresdurchschnitt. Diese Schäden werden bis Anpassung an die Folgen des Klimawandels posi- 2030 im Bereich von zumindest 3 Mrd. bis 6 Mrd. tive Beschäftigungseffekte schaffen und volkswirt- Euro erwartet, bis 2050 im Bereich von zumindest schaftlichen Nutzen stiften kann, verbleiben unver- rund 6 Mrd. bis 12 Mrd. Euro – jeweils jährlich im meidbare Restschäden (für Details zur Minderung Schnitt. Die tatsächlichen Schäden weisen eine derselben durch adäquate Ausgestaltung von enorme Variabilität nach Regionen, betroffenen ge- Infrastrukturprojekten: siehe Projekt SPECIFIC). sellschaftlichen Gruppen und Unternehmen sowie Jahren auf. Zudem sind viele relevante Wirkungs- Direkte Folgekosten für ketten in ihrer wirtschaftlichen Wirkung noch nicht den Staatshaushalt untersucht – beispielsweise Gesundheitskosten Nicht-Handeln in der Klimapolitik belastet das öf- oder Verluste von Ökosystemdienstleistungen wie fentliche Budget ausgaben- und einnahmenseitig. Bestäubung. Die Folgen des Klimawandels führen zu volkswirt- 7
schaftlichen Schäden und somit zu verminderten Steuereinnahmen. Letztere lassen sich für 2050 mit rund 700 Mio. Euro pro Jahr beziffern. Auch ein fossiler Lock-In ist mit möglichen Wettbe- werbsnachteilen für die österreichische Wirtschaft verbunden, was das Budget ebenfalls einnahmen- seitig belastet. Auf der Ausgabenseite wirkt sich Nicht-Handeln in zumindest drei Dimensionen aus: Mehrausgaben zur Behebung von klimawandelbe- dingten Schäden, Ausgaben für Klimawandelan- passung und Kosten von klimaschädlichen Unter- stützungsmaßnahmen. Bereits heute (2020) fallen anpassungsrelevante Ausgaben von rund 1 Mrd. Euro jährlich an, und diese Kosten werden sich bis 2030 auf mehr als 1,5 Mrd. Euro pro Jahr und bis 2050 auf mehr als 2 Mrd. Euro pro Jahr erhöhen. Zusätzlich belasten klimaschädliche Unterstützungsmaßnahmen in den Bereichen Energie und Verkehr das öffentliche Budget mit bis zu 4,4 Mrd. Euro pro Jahr. Neben den im Inland wirkenden Ausgaben hat sich Österreich dazu verpflichtet, Entwicklungsländer in ihren Klimaschutz- und Anpassungsprojek- ten finanziell zu unterstützen. Diese Kosten der internationalen Klimafinanzierung belasten das Budget derzeit mit rund 220 Mio. Euro pro Jahr und dürften sich bis 2030 verdoppeln und bis 2050 vervierfachen. Für die Kosten aus einer möglichen Nichterfüllung der EU-Klima- und Energiepolitik liegen derzeit Schätzungen in großer Bandbreite vor. Jedenfalls wäre mit einer solchen Nichter- füllung zudem ein Reputationsverlust verbunden. Um das Budget gegenüber all diesen Belastungen auszugleichen, müssen somit entweder andere Ausgaben gekürzt oder zusätzliche Einnahmen lukriert werden. Indirekte Folgekosten Das Nicht-Handeln in der Klimapolitik belastet unsere Gesellschaft in Österreich bereits heute 9
(2020) in Milliarden-Höhe: Durch fossile Importe umgebaut wird, dass sie ein klimarobustes, eine entstehen Wertschöpfungsverluste in Höhe von Kreislaufwirtschaft der kurzen Wege dauerhaft rund 8 Mrd. Euro jährlich. unterstützendes Wirtschaftssystem ermöglicht. Dies gelingt zum einen direkt durch öffentliche Die derzeit vorherrschende Bindung (Lock-In) an Investitionen, zum anderen durch eine Reform des fossilen Technologien und Strukturen und eine ordnungsrechtlichen Rahmens, der die Anreize für unzureichende Klimapolitik verursachen volks- die Privatwirtschaft und Haushalte ausrichtet. wirtschaftliche Kosten. Zusätzlich reduziert sich auch für den Finanzsektor der Anreiz, Klimarisiken Das Wirtschaftspaket im Zuge der COVID-19-Kri- adäquat zu bepreisen und in Finanzierungs- und senbewältigung schafft eine einzigartige Chance, Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen. staatliche Politik zugunsten nachhaltig gesunder Dies erhöht die Gefahr potenzieller Stranded As- Strukturen zu setzen. Die potenziellen Schäden, sets (für Details siehe Projekt RiskFinPorto). die mit einem weiter ansteigenden Klimawandel Eine Klimapolitik, bestehend aus preislichen verbunden sind, manifestieren sich zwar langsa- Anreizen (für Details siehe Projekt CATs) und einer mer als jene dieser Pandemie, sind aber mittel- Unterstützung von Investitionen und Forschung, fristig massiver und permanenter. Große Teile der würde nicht nur eine klimagerechte Transforma- Bevölkerung waren wohl kaum jemals so aufge- tion des Wirtschaftssystems unterstützen (für schlossen wie derzeit dafür, auch dieser potenziell Details siehe Projekt EconTrans), sondern auch die viel stärkeren Klimakrise vorzubeugen. Je länger aus Lock-In und mangelnder Innovation entstehen- unser Land zuwartet, dazu beizutragen, auch diese den Kosten reduzieren. (Klimafolgen-)Kurve „flach zu halten“, umso größer wären die Folgekosten. Insbesondere wäre durch Die Chancen aus der Corona-Krise Weiterführung des fossilen Lock-In der Umstieg Der wirtschaftliche Einbruch infolge des Coro- erst mit Verzögerung umso teurer. na-Lockdowns war stärker als erwartet und über- trifft jenen der letzten Wirtschaftskrise 2007-2009 deutlich. Die Notwendigkeit einer Stimulierung der Nachfrage durch die öffentliche Hand ist unum- stritten. Öffentliche Ausgaben und Investitionen, insbesondere in Milliardenhöhe, sind jedoch nur dann volkwirtschaftlich gerechtfertigt, wenn sie auf klimagerechte und somit zukunftsfähige Strukturen ausgerichtet sind. Bildlich gesprochen: 1) Diese und alle weiteren monetären Werte sind in Euro zu Preisen von Einem Krisenpatienten kann mit Drogen in erhöh- 2019 angeführt. ter Dosis vielleicht kurzfristig Linderung verschafft Autor*innen: werden, dauerhaft geholfen werden kann ihm aber Karl Steininger, Birgit Bednar-Friedl und Nina Kittel nur mit einem Gesundungsprogramm. Literatur: Steininger, K.W., Bednar-Friedl, B., Knittel, N., Kirchengast, G., Das Corona-Konjunkturpaket als ein solches Nabernegg, S., Williges, K., Mestel, R., Hutter, H.-P., Kenner, L. (2020), Gesundungsprogramm zu nutzen bedeutet, dass Klimapolitik in Österreich: Innovationschance Coronakrise und die Kosten des Nicht-Handelns, Wegener Center Research Briefs 1-2020, die Infrastruktur in den Bereichen Mobilität, Wegener Center Verlag, Universität Graz, Austria, Juni 2020. Gebäude, Energie und industrielle Produktion so https://doi.org/10.25364/23.2020.1 11
COIN-INT Projektleitung Birgit Bednar-Friedl (birgit.friedl@uni-graz.at) Universität Graz, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel Beteiligte Institutionen JOANNEUM RESEARCH, LIFE Institut für Klima, Energie und Gesellschaft Autor*innen: Bednar-Friedl, Birgit1; Kulmer, Veronika2; Knittel, Nina1; Jury, Martin1; Kernitzkyi, Michael2; Rohrer, Anna Viktoria1; Borsky, Stefan1; Bachner, Gabriel1; Kortschak, Dominik2; Maraun, Douglas1; Steininger, Karl1 1 Universität Graz, Wegener Center; 2 JOANNEUM RESEARCH LIFE Statement der Projektleiterin: „In einer globalisierten Welt kennen die Folgen des Klima- wandels keine Grenzen. Anpassung vor der Haustür greift daher zu kurz – internationale Zusammenarbeit in der Klimawandelanpassung hilft nicht nur den vulnerabelsten Ländern, sondern indirekt auch Österreich.“ Gute Gründe für das Projekt: • Über den Außenhandel breiten sich die Auswirkungen des Klimawandels auch auf vergleichsweise wenig vulnerable Länder aus • Analyse von fünf zentralen internationalen Wirkungsketten: landwirtschaftliche Ernteausfälle, Wasserverfügbarkeit, Anstieg des Meeresspiegels, hitzebedingte Arbeitsproduktivitätseinbußen sowie erhöhtes Malariarisiko • Die volkswirtschaftlichen Kosten der internationalen Auswirkungen entsprechen in Österreich in etwa einem Viertel der Kosten, die durch nationale Auswirkungen des Klimawandels entstehen 12
COIN-INT Die Vulnerabilität des österreichischen Außenhandels gegenüber den Folgen des Klimawandels In einer zunehmend globalisierten Welt kann asiatischen Ländern und 9 % der Exporte gehen sich kein Land gänzlich von den Auswirkungen in diese Region, in der mit Vietnam, Thailand des Klimawandels, die außerhalb seiner Grenzen und Bangladesch die vulnerabelsten Länder zu auftreten, abschirmen. Über den Außenhandel finden sind. Auch Indien und Japan sind stark können Klimawandelfolgen entlang internationa- betroffene Länder, die zentrale Vorleistungs- ler Lieferketten übertragen werden, wie das Bei- produkte für Österreichs Produktionssektoren spiel der Thailandflut 2011 illustriert: Aufgrund liefern. Mit einer mittleren Vulnerabilität, aber einer Unterbrechung in der Verfügbarkeit von großem Importvolumen ist auch China ein poten- Halbleitern kam es zu weltweiten Produktions- zieller Überträger von Klimawandelfolgen auf die ausfällen und signifikanten Preissteigerungen in österreichische Wirtschaft. Ein sowohl import- der Automobil- und Elektronikindustrie. In noch als auch exportseitig wichtiger Handelspart- viel deutlicherer Weise führt die Corona-Pande- ner im außereuropäischen Raum mit mittlerer mie globale Abhängigkeiten und Verwundbarkei- Vulnerabilität sind die USA. ten vor Augen. Im Zuge der Globalisierung kam es im letzten Viele der wichtigsten Handelspartner Öster- Jahrzehnt zu einer erheblichen Internationalisie- reichs, beispielsweise China, Brasilien und die rung von Produktionsprozessen, die in zahlrei- USA, sind von Extremwetterereignissen und che Stufen unterteilt und auf viele Länder global Klimawandelfolgen deutlich stärker betroffen verteilt sind. Folglich haben sich die Handels- als Österreich, insbesondere unter einer star- verflechtungen deutlich intensiviert, und dies ken globalen Erwärmung (Abb. 1). Im Jahr 2018 gilt insbesondere für eine kleine offene Volks- stammten 13 % der Einfuhren Österreichs aus wirtschaft wie Österreich. Grenzüberschreitende 13
COIN-INT Abb. 1: Vulnerabilität einzelner Länder gegenüber dem Klimawandel, basierend auf dem ND-GAIN Vulnerabilitätsindex (Chen et al. 2015), und wichtige Handelsströme Österreichs innerhalb und außerhalb Europas, basierend auf Handelsdaten für 2018 (Statistik Austria 2020) a) b) rel. Veränderung des Ertrags rel. Veränderung der Wasserverfügbarkeit c) d) e) rel. Veränderung der Arbeitsfähigkeit abs. Veränderung der Malariasaison rel. Veränderung der Schäden Küsteninfrastruktur Abb. 2: Klimawandelfolgen für (a) landwirtschaftliche Getreideerträge, (b) Wasserverfügbarkeit, (c) Ar- beitsfähigkeit, (d) Malariarisiko und (e) Küsteninfrastruktur unter Szenario RCP8.5 bis Ende des Jahrhunderts relativ zu 1981-2010; dargestellt ist ein mittleres Szenario aus verfügbaren Läufen von CMIP5 Globalen Zirkulationsmodellen (Taylor et al. 2012) und ISIMIP Impact Modellen (Warzawski et al. 2014, Hinkel et al. 2014); Quelle: Jury und Maraun (2020) 14
Klimawandelfolgen sind somit von zunehmender Getreideproduktion in anderen Ländern zurück- Relevanz für Österreich. zuführen. Deutlicher zeigt sich dieser Einfluss am Beispiel Wasser, wo ein leichter Rückgang Regionale Unterschiede in den des heimischen Konsums (–0,2 %) durch positive, Klimawandelfolgen grenzüberschreitende Wirkungen kompensiert Abbildung 2 zeigt die Auswirkungen des Klima- wird (+1,9 %). Der Effekt von sinkender Arbeits- wandels für verschiedene Sektoren, Produkti- produktivität, einerseits durch Hitze und ande- onsfaktoren und Ressourcen unter einem Sze- rerseits durch Ausbreitung des Malariarisikos nario hoher Erwärmung (RCP8.5) bis Ende des bedingt, ist beinahe zur Gänze transnational: Jahrhunderts. Die negativen direkten Folgen des Der Konsum von Arbeitskraft, welche als Mala- Klimawandels sind besonders hoch in Süd- und ria-gefährdet einzustufen ist, steigt um 22 % an Südostasien (allen voran Getreideproduktion, und betrifft v. a. die Importe von elektronischen Wasserverfügbarkeit und Arbeitsproduktivität), und optischen Produkten, Bekleidung und Auto- Afrika (allen voran Getreideproduktion, Wasser- zubehör. verfügbarkeit und Arbeitsproduktivität) sowie Mittel- und Südamerika (allen voran Getreide- Innerhalb der EU liegt Österreich beim Anteil der produktion, Wasser, Arbeitsproduktivität und indirekten, grenzüberschreitenden Wirkungen im Gesundheit). ersten Drittel und gehört daher zu den exponier- ten Ländern (Abb. 3). Europa ist überwiegend Folgen des grenzüberschreitenden indirekt von Klimawandelfolgen über Importe Klimawandels für Österreichs aus dem Ausland betroffen, während für den Ressourcenverbrauch asiatisch-pazifischen Raum und für Nordameri- Österreichs Konsum basiert auf zahlreichen Res- ka – bei den meisten Ressourcen – die direkten sourcen, welche zu einem erheblichen Anteil über Auswirkungen viel stärker sind. Die Bedeutung den Handel mit anderen Ländern bereitgestellt grenzüberschreitender Klimawandelfolgen hängt werden. Für die in diesem Projekt untersuchten jedoch auch von der untersuchten Ressource ab. Ressourcen (Wasserverbrauch, Getreideprodukti- Generell zeigt sich, dass Europas Ressourcen- on, Veränderungen der Arbeitsproduktivität durch abhängigkeit durch den Klimawandel verschärft Hitze und Malariarisiko) ist Österreich, wie auch wird, es entstehen aber auch Chancen für andere europäische Länder, ein Netto-Importeur. Europa – wie im Bereich Getreide, wo Ernteer- Das Beispiel Wasser verdeutlicht die globale Ver- träge steigen, oder auch durch Rückverlagerung flechtung: Rund drei Viertel der virtuellen Was- arbeitsintensiver Schritte. ser-Importe Österreichs stammen von Regionen außerhalb Europas. Volkswirtschaftliche Kosten durch grenzüberschreitenden Klimawandel Ein Ignorieren grenzüberschreitender Klima- Unter Berücksichtigung des Anstieges des Mee- wandelfolgen unterschätzt die Auswirkungen resspiegels, der Veränderung der Arbeitspro- des Klimawandels auf den Ressourcenverbrauch duktivität durch Hitze und der Auswirkungen auf deutlich: Eine durch günstige klimatische Bedin- landwirtschaftliche Getreideproduktion verursa- gungen mögliche Ausweitung des Getreidekon- chen grenzüberschreitende Klimawandelfolgen, sums in Österreich im mittleren Szenario von also jene Folgen, die aus dem Ausland auf die 2,3 % ist zu zwei Drittel auf einen Anstieg der österreichische Wirtschaft übertragen werden, 15
COIN-INT Abb. 3: Veränderungen im heimischen und importierten Ressourcenverbrauch durch Klimawandel unter RCP4.5 bis Mitte des Jahrhunderts (mittleres Szenario) – Österreich im Vergleich zum EU-Durchschnitt und den Top-5- bzw. Bottom-5-Ländern innerhalb der EU. Quelle: Kulmer et al. (2020) 16
den Großteil der durch diese drei Klimawandel- szenarios ohne Klimawandel. In einem Szenario folgen in Österreich spürbaren Schäden. Der hoher Erwärmung (RCP8.5; globale mittlere Meeresspiegelanstieg führt global zu Zerstörung Erwärmung von rund 4 °C bis 2100) und bei von produktivem Land und Kapital in Küstennä- ungünstiger sozioökonomischer Entwicklung he und hat besonders große Auswirkungen auf (SSP3; Regionale Rivalität) steigen die Kosten nördliche EU-Länder, wo viele Vermögenswer- durch grenzüberschreitende Klimawandelfolgen te an Küsten angesammelt sind. Der negative auf 1,9 Mrd. Euro jährlich für die Periode um Einfluss zunehmender Hitze auf die Arbeitspro- 2050 an; dies entspricht 15–30 % der volkswirt- duktivität ist vor allem für Tätigkeiten im Freien, schaftlichen Kosten durch Klimawandelfolgen im aber auch für schwere körperliche Arbeit signi- Inland. fikant. Besonders betroffen sind hier Regionen im asiatischen Raum und in Äquatornähe, wo die Die Betroffenheit über den Außenhandel wirkt Durchschnittstemperatur bereits heute hoch ist. sich sektoral unterschiedlich aus. Die stärksten Aber auch bei Österreichs wichtigem Handels- Rückgänge entstehen bei Importen von Textilien, partner Italien werden Produktivitätsrückgänge Dienstleistungen, Lebensmitteln, Maschinen und erwartet. Bei den erntebedingten Klimawan- Fahrzeugen. Importe aus Europa steigen leicht, delfolgen wird in der monetären Bewertung die können aber den starken Rückgang der Impor- Veränderung der vier Hauptanbausorten Weizen, te aus dem Rest der Welt nicht kompensieren. Reis, Soja und Mais berücksichtigt. Der Klima- Exportseitig kann sich Österreich leicht verbes- wandel führt in den nördlichen Weltregionen zu sern, obwohl die Exporte in den Rest der Welt Ertragssteigerungen, jedoch in den gemäßigten aufgrund der sinkenden Nachfrage rückläufig Breiten der Nordhalbkugel und im globalen Sü- sind. den zu deutlichen Rückgängen. Anpassung an den Diese Veränderungen wirken sich volkswirt- grenzüberschreitenden schaftlich betrachtet auf das Bruttoinlandspro- Klimawandel dukt (BIP) eines Landes aus und reduzieren auch Unternehmen berücksichtigen grenzüberschrei- dessen Wohlfahrt, gemessen in Konsummög- tende Klimawandelfolgen bislang noch zu wenig lichkeiten eines Haushalts (Abb. 4). Deutlich in ihren Entscheidungen. Unternehmen können wird hier die ungleich stärkere Betroffenheit des das Risiko reduzieren, indem sie Klimarisiken globalen Südens und insbesondere des südost- entlang ihrer Lieferketten in das unternehmeri- asiatischen Raumes. sche Risikomanagement aufnehmen, Zulieferer diversifizieren, die Lagerhaltung ausbauen oder In einem Szenario mittlerer Erwärmung (RCP4.5; ihre Versicherungen erweitern. Auch potenzielle globale mittlere Erwärmung von rund 2 °C bis Chancen könnten sich für den Standort Öster- 2100 relativ zu 1986–2005) und bei durchschnitt- reich und Europa ergeben – dies hängt jedoch licher sozioökonomischer Entwicklung (SSP2; auch von der globalen Nachfrage ab. Letzteres Middle of the Road) sind 2050 für Österreich zeigt sich vor allem in der Corona-Pandemie, wo durch grenzüberschreitende Klimawandelfol- Länder, darunter auch Österreich, wieder ausge- gen Schäden in Höhe von 1,5 Mrd. Euro jährlich wählte Produktionsschritte zurückverlagerten. zu erwarten. Anders ausgedrückt liegt das BIP Abbildung 5 verdeutlicht diese Anpassungsmög- jährlich um 0,3 % unter jenem eines Referenz- lichkeiten am Beispiel der Textilindustrie. 17
COIN-INT BIP Wohlfahrt Abb. 4: Veränderungen von BIP und Wohlfahrt durch Klimawandel unter RCP4.5 (oben) und RCP8.5 (unten) bis Mitte des Jahrhunderts in % relativ zu einem Szenario ohne Klimawandel in der gleichen Periode – berücksichtigte Wirkungsketten: Meeresspiegelanstieg, Arbeitsproduktivitätsverluste durch Hitze und erntebedingte Klimawandelfolgen. Quelle: Knittel et al. (2020) C_Wegener Center/Tschürtz Abb. 5: Grenzüberschreitende Klimawandelfolgen am Beispiel des Textilhandels: Darstellung der Elemente der Wirkungskette „hitzebedingte Arbeitsproduktivitätsverluste“ und der Auswirkungen im Absatzland als auch möglicher Anpassungsmaßnahmen und deren Wirkung. 18
Einige Länder wie Großbritannien und Deutsch- land inkludieren grenzüberschreitende Klima- wandelfolgen in ihren Klimarisikoabschätzun- gen sowie in ihren Anpassungsstrategien und -plänen. Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um das Bewusstsein für Anpassungsmaßnahmen in diesem Bereich zu schärfen. Weiters kann der Staat durch Anpassungsfinanzierung vulnerable Herkunftsländer unterstützen. Dies untermau- ert, dass rein nationale Maßnahmen und Bemü- hungen zu kurz greifen und Europa nur mithilfe internationaler Kooperationen grenzüberschrei- tende Klimawandelauswirkungen dämpfen kann. Referenzen: Chen, C., Noble, I., Hellmann, J., Coffee, J., Murillo, M., & Chawla, N. 2015. Country Index Technical Report. University of Notre Dame. Hinkel, J., Lincke, D., Vafeidis, A.T., Perrette, M., Nicholls, R.J., Tol, R.S.J., Marzeion, B., Fettweis, X., Ionescu, C., Levermann, A. 2014. Coastal Flood Damage and Adaptation Costs under 21st Century Sea-Level Rise. Procee- dings of the National Academy of Sciences 111 (9): 3292–97. DOI 10.1073/ pnas.1222469111. Jury M., Maraun D. 2020. International Climate Change Vulnerability Assessment, COIN-INT WP2 Report, 76 p. Knittel N., Bachner G., Bednar-Friedl B., Jury M.W., Lincke D., Hinkel J. 2020. The effects of global climate change on foreign trade patterns – In- sights from a cross-sectoral impact assessment for Austria. Unpublished manuscript. Kulmer V., Jury M.W., Wong S., Kortschak D. 2020. Global resource consumption effects of borderless climate change: EU’s indirect vul- nerability. Environmental and Sustainability Indicators, DOI 10.1016/j. indic.2020.100071 Statistik Austria 2020. Der Außenhandel Österreichs - Ergebnisse im Überblick. Abgerufen von https://www.statistik.at/web_de/statistiken/ wirtschaft/aussenhandel/hauptdaten/index.html Taylor, Karl E., Ronald J. Stouffer, und Gerald A. Meehl. 2012. „An Overview of CMIP5 and the Experiment Design“. Bulletin of the Ame- rican Meteorological Society 93 (4): 485–98. https://doi.org/10.1175/ BAMS-D-11-00094.1. Warszawski, L., Frieler, K., Huber, V., Piontek, F., Serdeczny, O., Schewe, J. 2014. The Inter-Sectoral Impact Model Intercomparison Project (ISI–MIP): Project Framework. Proceedings of the National Academy of Sciences 111 (9): 3228–32. DOI 10.1073/pnas.1312330110. 19
SPECIFIC Projektleitung Priv.-Doz. DI Dr. Alexandra Jiricka-Pürrer (alexandra.jiricka@boku.ac.at) Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung Universität für Bodenkultur, Wien Beteiligte Institutionen • Universität für Bodenkultur, Wien • Formerly – Dr. Wachter Büro für Umweltplanung1 • Umweltbundesamt Wien2 Autor*innen: Priv.-Doz. DI Dr. Alexandra Jiricka-Pürrer, Dr. Thomas F. Wachter 1, DI Markus Leitner2 Gute Gründe für das Projekt: • Aufgrund ihrer langen Lebensdauer werden UVP-pflichtige Projekte i. d. R. während des Betriebs bzw. des Vorhandenseins der Anlage verstärkten Herausforderungen durch Klimawandelfolgen gegenüberstehen. • Die Novellierung der EU-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung hat eine Be- trachtung möglicher Auswirkungen von Klimawandelfolgen auf die Projekte notwendig gemacht, insbesondere wenn das Vorhaben anfällig für Unfälle und Katastrophen ist, die infolge des Klimawandels am Standort vermehrt und/oder mit höherer Intensität auftreten können. • Der multi-methodische, akteurszentrierte Ansatz, der alle drei wichtigsten Akteur*in- nengruppen involviert hat, brachte auch international breit kommunizierte und beachte- te Forschungsergebnisse. 20
SPECIFIC Klimawandelfolgen vorausschauend bei der Konzeption und Entwicklung von UVP- Großprojekten berücksichtigen und anpassen EINLEITUNG Aufwand auf der Grundlage der verfügbaren Umwel- Bereits seit 2009 muss in Österreich im Rahmen der tinformationen und wissenschaftlichen Erkenntnisse“ Antragstellung für ein UVP-Verfahren ein Klima- und beschrieben werden. Folglich war es maßgeblich für Energiekonzept der Umweltverträglichkeitserklärung die Berücksichtigung potenzieller Klimawandelfolgen (UVE) beigelegt werden (Margelik & Eberhartinger-Ta- in der UVP, welche Aspekte und Themen praxisbezo- fill 2017), die Berücksichtigung von Klimawandelfolgen gen vorlagen und welche Inhalte mittel- bis langfristig und Anpassung in der UVP war jedoch bis zur No- für die UVP aufzubereiten wären. vellierung der EU-Richtlinie nicht gefordert. Seit Mai 2017 sind nun von allen Mitgliedstaaten der Europäi- Vor diesem Hintergrund hat sich ein Team, bestehend schen Union die Inhalte der Umweltverträglichkeits- aus der Universität für Bodenkultur, dem Umwelt- prüfung – UVP-Richtlinie (2014/52/EU im Folgenden bundesamt sowie einem deutschen Planungsbüro, im UVP-ÄndRL) bei bestimmten öffentlichen und privaten Rahmen des ACRP-Projektes „SPECIFIC – SPEcific Projekten zu berücksichtigen. Zu den neuen Anfor- ClImate change ForesIght in projeCt planning and EIA“ derungen gehört auch die Betrachtung des rezenten mit den konkreten Rahmenbedingungen zur Bearbei- Klimawandels, der in Form von Klimaschutz (Mitiga- tung der Anpassung an die Folgen des Klimawandels tion) wie auch Klimawandelanpassung (Adaptation) in in der UVP im Zeitraum von 2016 bis 2018 befasst. den UVP-Bericht einzubeziehen ist. Methodischer Ansatz International hatte das Thema schon vor der Novel- Der Forschungsansatz ging davon aus, dass eine lierung Beachtung gefunden. Behörden und For- gute fachliche Praxis nicht nur von der UVP-ÄndRL scher*innen hatten sich bereits mit dem Potenzial und den nationalen Leitfäden abhängt, sondern auch der UVP sowie auch der SUP beschäftigt, Klima- von „weichen“ Einflussfaktoren, die im Hintergrund wandelanpassung in Plänen, Projektplanungen und wirken. Dabei handelte es sich um die Praxis der UVP, Entscheidungen zu integrieren (The Scottish Govern- die beteiligten Akteur*innen und die Klimafolgenfor- ment 2009; Fischer & Sykes 2009; Runge und Wachter schung. Parallel zur rechtlichen Umsetzung wurden 2010; Agrawala et al. 2010; Byer et al. 2012; Walker konkrete, thematische Anknüpfungspunkte für die et al. 2013) und auch die Europäische Kommission umfassende Berücksichtigung von Klimawandelfolgen hatte konkrete Hinweise für die Berücksichtigung von in der UVP untersucht. Um diese zu identifizieren, Klimawandelfolgen in der UVP als Leitfaden veröf- wurden Inhaltsanalysen einer großen Zahl deutscher fentlicht (EC 2013). Nach Anhang IV Nr. 3 UVP-ÄndRL und österreichischer UVP-Dokumente durchgeführt. soll die voraussichtliche Entwicklung der Umwelt bei Mithilfe eines umfangreichen Suchwortkatalogs wur- Nichtdurchführung des Projekts „mit zumutbarem den 23 österreichische und 28 deutsche UVP-Verfah- 21
22 SPECIFIC C_Adobe Stock
ren analysiert und daraus Integrationsmöglichkeiten einbezogen wurden, unterstützte ein internationales der Klimawandelanpassung in die UVP abgeleitet. Advisory Board das Projekt und brachte Perspektiven aus Großbritannien und Skandinavien in das Projekt Es wurden sowohl die tatsächlichen Bezüge zu ein. Klimaprojektionen bzw. Veränderungen durch den Klimawandel analysiert als auch mögliche zukünftige Herausforderungen bei der Anknüpfungspunkte über sich verändernde mete- Berücksichtigung von Klimafolgen orologische Parameter und deren Wirkungen (z. B. in der UVP Bodenerosion), die Gegenstand der UVP sind. Bereits im Vorgängerprojekt „envisage-cc“, das ebenfalls über den ACRP gefördert wurde, zeigte sich Bewusst wurde in dem Projekt außerdem ein stark das Potenzial der UVP, Optionen zum Climate Proofing praxisbezogener, transdisziplinärer Ansatz ge- aufzugreifen und mit der Projektplanung zu ver- wählt. Dabei wurden alle Akteur*innengruppen der schränken. Zudem wurde deutlich, dass die Berück- UVP-Praxis – Projektwerber*innen (Vorhabensträ- sichtigung von Klimawandelfolgen mehrdimensional ger*innen), UVP-Büros (Fachplaner*innen für die erfolgen muss. Folgende drei „Wirkrichtungen“ sind Erstellung des Umweltberichts bzw. der früheren dabei maßgeblich und wurden im Projekt SPECIFIC Umweltverträglichkeitserklärung) sowie UVP-Behör- vertiefend untersucht: den (koordinierende Fachbehörden und behördliche • direkte Wirkung von Klimawandelfolgen auf Sachverständige) – in persönlichen Interviews sowie UVP-Projekte (z. B. Fahrbahnschäden durch län- in zwei Workshops eingebunden, um zu klären, wie gerfristige Hitzeeinwirkung), die Erstellung eines UVP-Berichts unter Einbezug • indirekte Auswirkungen durch die Veränderung des Klimawandels gezielt unterstützt werden könn- der Projektumwelt bzw. der Schutzgüter (z. B. te. Bei den Workshops wurde u. a. mit der Methode Böschungsbrände mit Auswirkungen auf den der Backcasting-Szenarienanalyse gearbeitet. Dabei Betriebsablauf bzw. die Infrastruktur) wurden Lösungsansätze aus einem Blickwinkel von • sowie eine mögliche verstärkende Wirkung der 2037 entwickelt und eine Priorisierung der wichtigs- Auswirkungen von Projekten auf eine sensitivere ten Umsetzungsschritte bis dahin vorgenommen (vgl. Projektumwelt (z. B. Wasserentnahme in Dür- Jiricka-Pürrer et al. 2019). reperioden mit verstärkten gewässerökologi- schen Auswirkungen). Um den akteursbezogenen Prozess fortzusetzen, Die detaillierte Untersuchung der bisherigen wurde das „UVPklimafit-Infoportal“ (https://uvpkli- UVP-Praxis zeigte, dass Klimawandelfolgen, wenn mafit.boku.ac.at/) entwickelt, das eine Unterstützung überhaupt, nur in Zusammenhang mit Naturgefahren für Praktiker*innen in der Berücksichtigung von und Möglichkeiten für das Climate Proofing beachtet Klimawandelfolgen bietet. Es wurde in den einzel- wurden. Demgegenüber wurden mögliche verstärkte nen Entwicklungsphasen einem „Praxis-Check“ der Auswirkungen auf die Schutzgüter Tiere, Pflanzen und Akteur*innen unterzogen. Rückmeldungen wurden, Lebensräume bisher kaum betrachtet (Jiricka-Pürrer so weit möglich, berücksichtigt und seine Bausteine et al. 2018a). adaptiert. Von Seiten der Akteur*innen wurden zum einen Zusätzlich zielte das Projekt darauf ab, internationale einheitliche Standards, methodische Hinweise wie Erfahrungen miteinzubeziehen. Neben deutschen auch Leitfäden zur Berücksichtigung von potenziellen Akteur*innen, die bei allen methodischen Schritten Klimawandelfolgen in den Schritten des UVP-Berichts 23
SPECIFIC Abb. 1: Startseite des UVPklimafit-Infoportals 24
gefordert, um hier weitere Optionen zur Beachtung konkreten UVP herauszufinden, können die Akteur*in- von Klimawandelfolgen aufzuzeigen. Zum anderen nen den „UVPklimafit-Wegweiser“ des Infoportals wurde Wissen zu Szenarien, Zeithorizonten und nutzen, der sie in drei Schritten durch die Abschät- Methoden der Regionalisierung gewünscht, ebenso zung der möglichen konkreten Betroffenheit führt. wie weiterführende Informationen zur Empfindlich- keit bzw. Sensitivität der Schutzgüter gegenüber dem Schritt 1 – Identifikation der stand- Klimawandel (Jiricka-Pürrer et al. 2018b). ortspezifischen Betroffenheit Ziel des ersten Schrittes ist es zu identifizieren, wo in Ergebnisse für die Praxis – dem jeweiligen Projektgebiet aufgrund der topografi- UVPklimafit-Infoportal schen Bedingungen oder der Nähe zu Gewässern oder Um Erkenntnisse aus dem Projekt längerfristig für Wäldern ein verstärktes Auftreten von Klimawandel- die Praxis aufzubereiten, wurde das UVPklimafit-In- folgen möglich sein könnte. Hier könnten aufgrund foportal realisiert, um die relevanten Akteur*innen- der Klimaszenarien die zu erwartenden Veränderun- gruppen bei der Berücksichtigung des Klimawandels gen der klimatischen Bedingungen für die jeweilige in der UVP zu unterstützen. Abbildung 1 zeigt die geografische Lage abgeschätzt werden. Im Bereich Startseite des UVPklimafit-Infoportals. Es dient dabei „Klimawandel“ finden Praktiker*innen eine Über- den UVP-Bearbeiter*innen bei der Berücksichtigung sicht über die wichtigsten Klimatrends für Österreich, der Klimafolgenanpassung in der UVP, handlungs- aber auch spezifische räumliche Hinweise, welche anleitende Informationen (Wegweiser), Arbeitshilfen sich verändernden Phänomene in welchen Untersu- und weiterführende Datenquellen zur Verfügung zu chungsgebieten für die Betrachtung im Rahmen der stellen. Als Einstieg finden die Praktiker*innen im Inf- UVP besonders relevant sein können. oportal methodische Hinweise, worauf in der Entwick- lung von Vorhaben (Großprojekten) geachtet werden Schritt 2 – Die Abschätzung von mögli- sollte, wenn Klimawandelfolgen und -anpassung in chen erheblichen Auswirkungen auf die der UVP berücksichtigt werden sollen. Projekte (Stichwort „Climate Proofing“) Im Bereich „Vorhaben“ des UVPklimafit-Infoportals Das Factsheet ,,Umgang mit Klimawandelfolgen und ermöglichen „Projektdatenblätter“ für neun Projekt- Unsicherheiten in der UVP" führt aktuelles Wissen zu- typen, potenzielle Auswirkungen des Klimawandels sammen, wie mit Klimaszenarien bzw. Unsicherheiten auf das Vorhaben zu ermitteln. Die mögliche Betrof- bei der Berücksichtigung von Klimawandelfolgen und fenheit ist Vorhaben-spezifisch in Kombination mit -anpassung in der UVP von Großprojekten umgegan- standörtlichen (räumlich-spezifischen geografischen gen werden kann. Vertiefende methodische Hinweise bzw. topografischen) Merkmalen angegeben. Mög- zur Berücksichtigung der Anpassung an die Folgen liche Risiken für Unfälle und Katastrophen bei den des Klimawandels im UVP-Verfahren finden die Nut- Projekt-spezifischen Auswirkungen sind fett her- zer*innen in dem Factsheet ,,Methodische Hinweise vorgehoben. Leitfragen unterstützen zudem bei der zur Berücksichtigung von Klimawandelfolgen in der Abschätzung der spezifischen Betroffenheit. UVP ". Neben Vorschlägen, wie die Berücksichtigung von Klimawandelfolgen in unterschiedlichen metho- Schritt 3 – Abschätzung der dischen Schritten der UVP verankert werden könnte, möglicherweise geänderten enthält das Factsheet Hilfestellungen zur Entwicklung Sensitivität der Projektumwelt von Anpassungsmaßnahmen. Um die thematische Be- Ebenso wie die Projekte selbst kann auch die Projekt- troffenheit von Klimawandelfolgen im Rahmen einer umwelt von klimatischen Veränderungen betroffen 25
SPECIFIC C_Adobe Stock Abb. 2: Überblick über die Grundlagen des Umweltverträglichkeitsprüfungs- gesetzes (UVP-G 2000): www.umweltbundesamt.at/uvpsup/uve-leitfaden 26
sein (Balla et al. 2017, Jiricka et al. 2014, Wachter et tal im Rahmen des Screenings (Feststellung der al. 2017). Diese Einwirkungen des Klimawandels auf UVP-Pflicht) eine verlässliche Ersteinschätzung die Schutzgüter können indirekt auch das Vorhaben ermöglicht, sodass anschließend für bestimmte beeinflussen bzw. möglicherweise gefährden, wie Aspekte spezielle Detailuntersuchungen möglich beispielsweise verstärkte Bodenerosion aufgrund von werden. Hierbei kann dann in einigen Bereichen – vermehrten Starkregenereignissen. insbesondere wenn es um die Berücksichtigung von Darüber hinaus könnte die Projektumwelt zukünftig in Naturgefahren geht – auf Fachwissen und der UVP einzelnen Aspekten empfindlicher gegenüber be- bereits geläufige Aspekte zurückgegriffen werden. stimmten Projektauswirkungen werden, da die klima- Das Projekt SPECIFIC mit seinen länderübergrei- wandelbedingten Veränderungen auch die Sensitivität fenden Workshops mit allen Akteur*innengruppen einzelner Schutzgüter in einem bestimmten Pro- der UVP-Praxis und insbesondere das entwickelte jektgebiet ändern können. Sogenannte „Basisinfos“ UVPklimafit-Infoportal konnten somit einen Anstoß helfen deshalb zu identifizieren, welche Schutzgüter in bieten, sich mit den möglichen Folgen und für die UVP welchen Aspekten zukünftig eine geänderte Sensibili- geeigneten Grundlagen vertraut zu machen. tät gegenüber klimatischen Einwirkungen aufweisen könnten. Literatur: Balla, S.; Peters, H.-J.; Schönthaler, K. & Wachter, T. (2017): Überblick zum Stand Die „Maßnahmen-Infos“ im Bereich „Umwelt“ bieten der fachlich-methodischen Berücksichtigung des Klimawandels in der UVP. Ana- lyse, Bewertung und Politikempfehlungen zur Anpassung nationaler rechtlicher, einen Überblick, wie typische Maßnahmen adaptiert planerischer und informatorischer Politikinstrumente an den Klimawandel – bzw. ergänzt werden können. Diese Übersicht muss 2. Teilbericht zu Arbeitspaket 4 des FE-Vorhabens FKZ 3713 48 105 im Auftrag des in Hinblick auf den jeweiligen Standort und Projekttyp Umweltbundesamts, Dessau-Roßlau i.V. (Climate Change 2017). EC – European Commission (ed.) (2013): Guidance on Integrating Climate betrachtet und ggf. reduziert werden. Die Adaptie- Change and Biodiversity into Environmental Impact Assessment, Brussels. DOI: rungsvorschläge werden außerdem in „Schwerpunkt 10.2779/11735. Jiricka-Pürrer, A.; Czachs, C.; Formayer, H.; Wachter, T.; Margelik, E.; Leitner, M.; lokale Maßnahmen“ und „Schwerpunkt regionale Fischer, T.B.: Climate change adaptation and EIA in Austria and Germany – Current Maßnahmen“ unterschieden. Die regionalen Maßnah- consideration and potential future entry points. Environmental Impact Assessment Review, Vol. 71 (2018a), pp. 26-40 https://doi.org/10.1016/j.eiar.2018.04.002 men können teils in der UVP relevant sein, teils aber Jiricka-Pürrer, A.; Wachter, T.; Margelik, E.; Leitner, M.; Völler, S.; Czachs, C.; auch die Schnittstelle zur übergeordneten (Fach-) Fischer, T.B.: Konkrete Rahmenbedingungen zur Bearbeitung der Klimafolgenan- Planung bzw. begleitender Instrumente wie der passung in der UVP, UVP-report Vol 2 (2018b). http://dx.doi.org/10.17442/uvp-report.032.08 Strategischen Umweltprüfung (SUP) darstellen. In Jiricka-Pürrer, A; Wachter, T.; Driscoll, P. (2019): Perspectives from 2037-Can beiden Bereichen finden sich Maßnahmen, die bereits Environmental Impact Assessment be the Solution for an Early Consideration of Climate Change-related Impacts? SUSTAINABILITY-BASEL. 2019; 11(15), 4002. heute in der UVP üblich sind und durch den Einfluss Margelik, E.; & Eberhartinger-Tafill, S. (2018): Berücksichtigung der Bereiche Klima von Klimawandelfolgen aber an Bedeutung gewinnen und Energie in der Umweltverträglichkeitsprüfung – Erfahrungen aus Österreich. dürften. UVP-report 31 (3): 209-2012. DOI: 10.17442/uvp-report.031.23 Roll, E.; Hauke, C.; Kowallik, C.; Lüdeke, J.; Neises, F.; Rommel, S.; Steudel, D. (2014): Umwelt-Leitfaden zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung und Plange- Das UVPklimafit-Infoportal ergänzt den österreichi- nehmigung sowie für Magnetschwebebahnen. Teil III Umweltverträglichkeitsprü- fung – Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung; Hrsg. Eisenbahnbundesamt. schen UVE-Leitfaden (siehe Abb 2.) zum Umgang Runge, K.; Wachter, T. & Rottgart, E. (2010): Klimaanpassung, Climate Proofing und mit Klimawandelfolgen in UVP-Vorhaben. Durch das Umweltfolgenprüfung. UVP-report 27 (4): 165-169. UVPklimafit-Infoportal sollen die Aufgaben und Pro- The Scottish Government – Environmental Assessment Team (2010): Consideration of Climatic Factors within Strategic Environmental Assessment (SEA). zessschritte der UVP nicht automatisch umfassend www.historicenvironment.scot/media/2383/0096207.pdf [15.04.2018]. erweitert, sondern eine systematische Identifizierung BMNT (2019): UVE-Leitfaden - Eine Information zur Umweltverträglichkeitserklä- rung, Überarbeitete Fassung 2019. Wien, Dezember 2019. der relevanten Konfliktbereiche möglich werden. Weblink: www.umweltbundesamt.at/uvpsup/uve-leitfaden Es ist auch denkbar, dass das UVPklimafit-Infopor- UVPklimafit: http://uvpklimafit.boku.ac.at 27
RiskFinPorto Projektleitung Natalie Glas (natalie.glas@umweltbundesamt.at) Umweltbundesamt, Spittelauer Lände 5, 1090 Wien Beteiligte Institutionen • GreenAlpha GmbH (Vienna) • Wirtschaftsuniversität Wien – Institute for Ecological Economics (Vienna) • ISS ESG (Zurich/CH; formerly ISS Ethix Climate Solutions) • Georg Günsberg Strategy Consulting (Vienna) • Sattler & Schanda Rechtsanwälte (Vienna) • South Pole (Zurich/CH) Autor*innen: Natalie Glas, Sabine Kunesch Statement der Projektleiterin: „Der Finanzsektor trägt eine Schlüsselrolle für die Reduktion der Klimarisiken und für ein klimaneutrales Österreich. Denn die Investitionen und Finanzie- rungsentscheidungen von heute haben großen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen der kommenden Jahrzehnte. Allerdings werden CO2-Risiken vom österreichischen Finanzmarkt noch nicht adäquat bewertet und gemanagt, wie das Projekt RiskFinPorto zutage bringt. Die aktive Beteiligung von über 200 Entscheidungsträger*innen zeigt jedoch, dass das Bewusst- sein für das Thema im Finanzsektor steigt.“ Gute Gründe für das Projekt: • RiskFinPorto liefert die erste Analyse von CO2-Risiken im österreichischen Finanzmarkt und schafft somit Transparenz und Bewusstsein. • Die Erkenntnisse aus RiskFinPorto wurden sowohl in die Entwicklung der österreichischen Green Finance Agenda als auch in den FMA-Leitfaden zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken aufgenommen. • RiskFinPorto zeigt, dass der Finanzsektor bei der Bewältigung der Klimakrise vom „Teil des Problems" zum „Teil der Lösung" werden kann. 28
RISKFINPORTO Exposition des österreichischen Finanzmarktes gegenüber CO2-Risiken Welche Rolle spielt der Finanzsektor für den Finanzsektors identifiziert, um einen geordneten Wandel zur klimafreundlichen Wirtschaft und Übergang zu einer klimafreundlichen und resi- Gesellschaft? Welche Auswirkungen hat die De- lienten Wirtschaft und Gesellschaft zu gewähr- karbonisierung auf Finanzportfolios und welche leisten: Risiken ergeben sich daraus? Und inwieweit sind • die Finanzierung klimafreundlicher und resili- sich die Entscheidungsträger*innen dieser Bran- enter Infrastrukturen, che dessen bewusst? • das Management von Klimarisiken, • die Gewährleistung der Finanzmarktstabilität Um diese Fragen zu beantworten, analysierte ein und internationales Konsortium aus sieben Institu- • die Unterstützung der Entwicklung und Im- tionen politische und regulatorische Entwick- plementierung eines förderlichen regulatori- lungen, Klimarisiken, Risiko-Kennzahlen sowie schen Rahmens. das Risikobewusstsein im Finanzsektor. Mehr Die Ergebnisse aus RiskFinPorto liefern wesent- als 200 Schlüsselakteur*innen aus Banken, liche Impulse für die genannten Handlungsberei- Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften, che. Pensionskassen, Betrieblichen Vorsorgekassen, Aufsichtsbehörden, Wissenschaft, Zivilgesell- Investitionen in eine klimafreundliche schaft, Politik und Verwaltung waren in unter- Zukunft schiedlichen Dialogformaten in die Erarbeitung Die aktuellen Klima- und Energieziele erfordern der Ergebnisse dieses Projekts eingebunden. So EU-weit bis 2030 zusätzliche jährliche Investiti- konnten die wissenschaftlichen Fragestellungen onen in Höhe von 260 Mrd. Euro, insbesondere aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und werden, und es wurde gemeinsam neues Wissen CO2-arme Infrastrukturen und Mobilität (EC, entwickelt. RiskFinPorto leistet damit einen ent- 2019). In Österreich sind gemäß integriertem scheidenden Beitrag zur Bewusstseinsbildung nationalen Energie- und Klimaplan bis 2030 jähr- im Finanzsektor, der Wirkungsbereich geht weit lich rund 17 Mrd. Euro nötig, um klimafreund- über die wissenschaftliche Community hinaus. liche Infrastrukturen zu finanzieren (BMNT, 2019). Die öffentliche Hand kann die für die Der Finanzsektor ist ein Schlüsselakteur Erreichung der Klima- und Energieziele notwen- für die Bewältigung der Klimakrise digen Investitionen nicht alleine stemmen. Dem Ausgehend von den Aufgaben des Finanzsektors Finanzsektor kommt somit eine entscheidende wurden vier zentrale Handlungsbereiche des Rolle zu, um bestehende Investitionslücken zu 29
RiskFinPorto Treibhausgas-Emissionsintensität (tCO2e/Mio. EUR Umsatz) für die Anlageklasse Aktien Energie Versorgung Rohstoffe Industrie Basiskonsumgüter Nicht-Basiskonsumgüter Informationstechnologie Kommunikationsdienste Gesundheitsvorsorge Finanzen Immobilien Abb. 1: Scope 1 & 2 Treibhausgas-Emissionsintensität [in Tonnen CO2e / Million EUR Umsatz] der einzelnen Sektoren pro Anlageklasse mit deren Stichproben und Benchmarks. Quelle: ISS ESG Darstellung (Dörig et al., 2020) 30
schließen. Es gilt, Kapital zu mobilisieren und hoher CO2-Intensität hingegen weisen ein signifi- von klimaschädlichen in CO2-arme Infrastruk- kant ungünstigeres Rendite-Risiko-Profil auf als turen und Vermögenswerte umzulenken. Neben nachhaltige Fonds (Dörig et al., 2020). Eine 2020 der klassischen Finanzierung durch Kredite sind veröffentlichte Studie (Scope Analysis, 2020), die zahlreiche Anlageklassen, wie etwa Aktien und in Deutschland zum Vertrieb zugelassene Akti- Unternehmensanleihen, Staatsanleihen, Trans- enfonds analysiert, bestätigt diese Ergebnisse port- und Energieinfrastruktur sowie Immobilien und zeigt zudem, dass nachhaltige Aktienfonds in hierfür relevant. Allerdings befindet sich das der COVID-19-Krise widerstandsfähiger sind als nachhaltig investierte Finanzvolumen trotz eines konventionelle. deutlichen Wachstums in den vergangenen Jah- ren immer noch in der Nische. Klimarisiken managen Der zur Bewältigung der Klimakrise erforderli- So beträgt das 2019 von Österreichs Fondsin- che Strukturwandel bringt sowohl Chancen als dustrie verwaltete Vermögen insgesamt 194,7 auch Risiken mit sich. Im Gegensatz zu physi- Milliarden Euro, eine Größenordnung, die etwa schen Klimarisiken, die eine Folge klimatischer 50 % des österreichischen Bruttoinlandspro- Veränderungen sind, entstehen Transitionsrisi- dukts entspricht. Betrachtet man die mit dem ken infolge der Dekarbonisierung von Wirtschaft österreichischen Umweltzeichen UZ 49 zer- und Gesellschaft. Beide können erhebliche tifizierten Publikumsfonds, so beträgt deren Auswirkungen auf Finanzportfolios nach sich Anteil am Gesamtvolumen der Publikumsfonds ziehen. Um die Interessen der Investor*innen lediglich 7,3 %. Gemäß einer breiter ausgelegten und der Versicherten zu wahren und um die Nachhaltigkeits-Definition des Forums für Nach- Finanzmarktstabilität zu gewährleisten, müssen haltige Geldanlagen beträgt deren Anteil zwar diese Risiken systematisch gemanagt werden 14,5 %, jedoch mit der Einschränkung, dass es (Rattay et al, 2020). sich hierbei um „selbst deklarierte“ nachhaltige Fonds handelt. Der Fokus von RiskFinPorto liegt auf den Tran- sitionsrisiken, für deren Einschätzung unter- Dazu kommt, dass als nachhaltig gekennzeich- schiedliche Kennzahlen herangezogen werden nete Fonds klimaschädliche Investments nicht können. Eine vergleichende Darstellung von Metho- zwangsläufig ausschließen (Glas et al., 2020). den zur Berechnung und Offenlegung von klimarele- Ein Vergleich von nachhaltigen mit konventio- vanten Risikokennzahlen im Finanzsektor (Kunesch nellen Fonds zeigt zwar, dass nachhaltige Fonds et al., 2020) bildete die Grundlage für diese Analysen. deutlich weniger gegenüber CO2-Risiken expo- Um die Exposition des österreichischen Finanz- niert sind. Dennoch ist die CO2-Intensität der als marktes gegenüber Transitionsrisiken abzuschätzen, nachhaltig deklarierten Aktienfonds im Vergleich wurde die CO2-Intensität der größten österreichi- zur CO2-armen Benchmark mehr als doppelt so schen Aktien- und Anleihenfonds berechnet und im hoch (Dörig et al., 2020). internationalen Vergleich dargestellt. Investitionen in fossile Unternehmen (Öl, Gas und Kohle) wurden als Darüber hinaus zeigen die Analyse-Ergebnisse, zusätzlicher Risikoindikator herangezogen. dass eine nachhaltige Anlagestrategie weder das Risiko oder die Volatilität erhöht noch die Rendite Insgesamt wurden im Rahmen von RiskFinPorto reduziert. Konventionelle Fonds mit besonders 350 Fonds analysiert. Es handelt sich hierbei um die 31
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