Wissen & Forschen - Schwer pun ktddo os lkdj lfk - Innovative Projekte im UKE
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Nachgefragt Professor Debatin und Professor Koch-Gromus über Erfolge, Projekte und Perspektiven Das Jahr 2010 verlief sehr erfolgreich für die Forschung im UKE. Was waren die Höhepunkte? Professor Koch-Gromus: Wir sind sehr stolz darauf, dass wir eine Reihe von großen Verbundprojekten auf nationaler und europäischer Ebene einwerben konnten. Herausragend war sicher der neue Sonderforschungsbereich, bei dem unsere Wissenschaftler entschlüsseln wollen, wie die Leber durch die Auseinandersetzung zwischen Krankheitserreger und Immunsystem geschä- digt wird.Auch unsere wissenschaftlichen Netzwerke haben sich sehr gut ent- wickelt – etwa die Neurowissenschaften und die Kardiologie. Professor Debatin: Der Sonderforschungsbereich war in der Tat ein Riesen- sprung für uns. Wir ernten jetzt langsam aber sicher das, was wir mit der Eröffnung unseres Campus Forschung gesät haben. Der enge Austausch von Forschern unter einem Dach, über die Fachdisziplinen hinweg, bringt das UKE enorm nach vorn. Wir finden so viel Akzeptanz wie nie zuvor, sei es bei den Gremien der Europäischen Union, bei der Deutschen Forschungsgemein- schaft oder beim Bundesforschungsministerium. 2 Wissen und Forschen
Schlägt sich das auch in den Fördersummen nieder? Professor Koch-Gromus: Ja, sehr deutlich sogar. Die eingeworbenen Dritt- mittel haben in den vergangenen drei Jahren um über 50 Prozent zugenommen. Das ist erheblich. Im Sommer war hoher Besuch im UKE, der diese positive Entwicklung sehr wohl registriert hat … Professor Debatin: Der Besuch der Delegation des Wissenschafts- rats war für mich eines der spannendsten Ereignisse dieses Jahres. Die Delegationsmitglieder haben sich ein genaues Bild von der Leistungsfähigkeit unserer Hochschulmedizin gemacht. Und ihr spontanes Zwischenfazit war sehr erfreulich für uns: substanzielle „Ich möchte dazu beitragen, Fortschritte gegenüber der letzten Begutachtung 1997, sehr hohes Potenzial in dass wir in der Forschung der Forschung. international sichtbar werden“ Welche bedeutenden Forschungsvorhaben stehen für das kommende Professor Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät des UKE Jahr an? Professor Debatin: Wir werden den eingeschlagenen Kurs sehr konsequent fortsetzen. Und uns noch stärker auf unsere wissenschaftlichen Schwerpunkte konzentrieren. Dort, wo Exzellenz und ein hoher Grad der Vernetzung in besonderem Maß aufeinandertreffen, werden wir noch intensiver als bisher fördern. Zum Beispiel durch gezielte Berufungen von Professorinnen und Professoren. Professor Koch-Gromus: Für das kommende Jahr haben wir außerdem zahlreiche Großprojekte auf den Weg gebracht. Stark beteiligt haben wir uns beispielsweise am Standortwettbewerb zu den Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung. Da sind wir mit Anträgen in den Bereichen Infektion, Herz-Kreislauf und translationale Krebsforschung im Rennen. Auch bei der Bundes- exzellenzinitiative hoffen wir auf Erfolge. Aktuell in Vorberei- „Wir möchten noch stärker tung ist die Begutachtung eines zweiten Sonderforschungsbereichs, die im als bisher kreative Wissen- kommenden März ansteht. schaftler längerfristig an uns Was treibt Sie beide an, die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft binden“ ständig zu verbessern? Professor Dr. Jörg F. Debatin, Professor Koch-Gromus: Ich liebe Hamburg und das UKE. Daher möchte ich Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE mit den Kolleginnen und Kollegen dazu beitragen, dass wir in der Forschung zu den leistungsstärksten Universitätskliniken Deutschlands gehören – und international sichtbar werden. Professor Debatin: Wenn wir international sichtbarer sind, können wir auch noch stärker als bisher kreative Wissenschaftler an uns binden. Ich möchte dafür die optimalen Rahmenbedingungen schaffen. Forscher, die innovative Fragen stellen und Bahnbrechendes entwickeln, sollen nicht ihr Glück in anderen Ländern suchen, sondern sich längerfristig hier bei uns im UKE wohlfühlen. Wissen und Forschen 3
Inhalt 06 2 Nachgefragt Professor Debatin und Professor Koch-Gromus im Interview 6 Hat Krebs ein Gesicht? Krebsforscher denken um und suchen neue Wege jenseits der klassischen Chemotherapie 10 Entschlüsselungstaktik in XXL Eppendorfer Mediziner wirken mit 18 beim weltweit größten Forschungs projekt zur Klärung der molekularen Ursachen von Krebs 14 Schlafenden Tumorzellen auf der Spur Der Träger des Deutschen Krebspreises 2010 entwickelt einen Test zum Ausschluss von Fehlbehandlungen 18 Zwischen Hoffnung und Verzweiflung UKE-Forscher suchen nach maßge- 46 schneiderten Lösungen im Kampf gegen Lebermetastasen 22 Lamas als Helfer der Wissenschaft Universitätsmediziner entdecken tierische Antikörper als Hoffnungsträger 26 34 4 Wissen und Forschen
14 26 Sauer macht stabil Forscherteam am UKE findet Auslöser für Osteoporose dort, wo sie keiner vermutet 30 Gewichtige Hoffnungen Interdisziplinäres Verbundprojekt zum weißen und braunen Fettgewebe rückt Übergewicht auf den Leib 10 34 Von Menschen und Mäusen Ein Teilprojekt des Sonderfor- schungsbereichs ist Hepatitisviren auf der Spur 38 Von den Toten lernen Mit virtuellen Obduktionen gewinnen Hamburger Mediziner entscheidende Einblicke 42 Aus dem Takt Wissenschaftler finden vielverspre- chende Ansätze für die Behandlung von Herzrhythmusstörungen 34 46 Rettung im Mutterleib Forscher entwickeln ein weltweit einmaliges OP-Verfahren 50 Gedanken in der Einbahnstraße UKE-Mediziner entdecken einen Ausweg aus dem Teufelskreis der Schizophrenie 54 Spenden für das UKE 55 Impressum Das Titelbild zeigt ein fünf Mikrometer dickes Knochenpräparat, das mit einer Spezialfärbung versilbert wurde. Das Knochengewebe ist dunkel dargestellt Wissen und Forschen 5
Mit ruhiger Hand: Gewinnung von Bausteinen der Erbsubs- tanz. Diese werden für die Herstellung sogenannter Genfähren benötigt ‒ Trans- porter, die wie ein Taxi neue therapeutische Gene in kranke Zellen bringen Hat Krebs ein Gesicht? 6 Wissen und Forschen
Tumorzellen gleichen sich nicht wie ein Ei dem anderen, im Gegenteil: Sie besitzen klar unterscheidbare Oberflächen. Diese Erkenntnis nutzen UKE-Krebsforscher und entwickeln neuartige Behandlungsansätze, die international große Beachtung finden. >>>
G enauso wie kein Patient dem anderen Mitteln. „Manches Medikament hilft nur bei gleicht, so eindeutig lassen sich auch zehn Prozent der Patienten, die es erhalten. Tumorzellen voneinander unterschei- Und auch wenn es bei diesen außerordentlich den. Alle haben ein charakteristisches Ober- gut anschlägt, bleibt im Umkehrschluss immer flächenmuster aus Eiweißen – und sind des- noch die Tatsache, dass am Ende 90 Prozent halb so spezifisch wie menschliche Gesichter. aller Patienten unnötig mit der Substanz be- Dieses Wissen nutzen der UKE-Spitzenfor- handelt wurden“, sagt Prof. Trepel. Vor diesem scher Prof. Dr. Martin Trepel und seine Hintergrund vollzog die Krebsforschung vor Arbeitsgruppe, um Therapien zu konzipieren, mehr als zehn Jahren eine Wende: Die Zu- die individuell auf den einzelnen Patienten kunft gehört nicht alleine der traditionellen „Als Mediziner sehe ich fast täglich, wie Krebspatienten leiden. Das treibt einen ungemein an, alles daranzusetzen, eine Therapie zu entwickeln, die die Situation dieser Erkrankten entscheidend verbessert“ Prof. Dr. Martin Trepel, Forschungsleiter für Molekulare Onkologie zugeschnitten sind. „Wir wollen Medikamen- Chemotherapie, sondern der sogenannten te entwickeln, die zielgerichtet das Krebs- molekularen Krebstherapie, die sich gezielt wachstum hemmen, ohne dabei den ganzen gegen die einzigartigen Oberflächenstrukturen Körper zu belasten“, sagt der Krebsexperte. auf den Krebszellen richtet. „Diese Idee hat die „Dabei sind wir schon ein gutes Stück voran- Krebsbehandlung grundlegend revolutioniert“, gekommen.“ Bislang größter Erfolg der Wis- sagt Prof. Trepel, der die Molekulare Onkolo- senschaftler: Mit einer europaweit einzig gie am Universitätsklinikum leitet. artigen Kombination von Methoden der Vor diesem Hintergrund charakterisieren molekularen Therapie und der Genetik ent die UKE-Forscher seit Jahren detailliert die deckten sie Substanzen, die derzeit in den USA Beschaffenheit einzelner Tumorzellen aus Pa- an Krebspatienten klinisch getestet werden. tienten und im Tiermodell. Auf der Oberflä- Viele Menschen warten noch immer auf das che der einzelnen Zellen befinden sich Eiwei- Wundermittel gegen Krebs. Die UKE-Forscher ße, auch Rezeptoren genannt, von denen, sind sich jedoch darüber einig, genauso wie vergleichbar mit einer Gipsmaske von einem andere führende Wissenschaftler weltweit, dass Gesicht, eine Art Abdruck erstellt wird. Die- es kein Allheilmittel geben wird, denn Patien- ser passt zu den Rezeptoren wie ein Schlüssel ten sprechen oft nur in geringem Maße auf zu einem Schloss. Die Herstellung des Standardtherapien an. Man braucht, verein- „Schlüssels“ ist komplex und langwierig: Der facht ausgedrückt, für jeden einzelnen Tumor passende Botenstoff ist ein spezifisches Peptid, eine auf ihn zugeschnittene Kombination von also eine kleine Aminosäurenkette. Diese 8 Wissen und Forschen
wird aus einer Sammlung von fast einer Mil- nun gezielter in erkranktes Gewebe gelenkt liarde möglicher Schlüssel herausgefiltert, die werden. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich in einer „Peptidbank“ erfasst sind. Anschlie- warten: Die Genfähren fanden über das Blut ßend analysieren die Forscher, welche Peptide von selbst den Weg in das Gewebe und luden sich zum Beispiel spezifisch an Blutkrebs- dort ihre Fracht ab, um die Tumorzellen zu oder Lymphdrüsenkrebszellen binden. vernichten. Entscheidende Erkenntnisse er- hoffen sich Prof. Trepel und seine Arbeits- Mit dem Gen-Taxi in die Zelle gruppe auch von einem besseren Verständnis Der lange Atem der Forscher zahlte sich aus: von Immunreaktionen bei spezifischen Krebs- Die Wissenschaftler entwickelten einen Boten- erkrankungen: Bei lymphatischen Krebsarten, stoff, der über das Blut seinen Weg in die zum Beispiel bei Lymphdrüsenkrebs, entste- Lymphknoten findet und so die Nebenwir- hen die bösartigen Zellen aus Zellen des kungen von Impfungen verringert und ihre Immunsystems. Trotzdem hat die Forschung Wirksamkeit erhöht. Außerdem trug die Tre- diese Krankheiten bislang nicht als Erkran- pel-Arbeitsgruppe entscheidend zum Beweis kung des Immunsystems wahrgenommen. bei, dass das Schlüssel-Schloss-Prinzip für „Es gibt aber Hinweise, dass eine Auseinander Peptid-Botenstoffe auch beim Menschen mög- setzung zwischen den Krebszellen und be- lich ist. Ein ähnliches Prinzip wandte die stimmten Antigenen im Körper stattfindet“, Arbeitsgruppe auch für den gezielten Einsatz sagt der Krebsforscher. „Dieses Zusammen- von Genfähren an – Transportmittel, die wie spiel beeinflusst möglicherweise grundlegend, ein Taxi neue therapeutische Gene in die ob die Erkrankung sich aggressiv ausbreitet Die medizinisch-techni- kranken Zellen bringen und so die Auslöser oder nur langsam fortschreitet.“ Mit dem sche Assistentin Barbara der Krankheit abtöten. „Dieses Konzept war Schlüssel-Schloss-Prinzip erhoffen sich die Lechenne aus der Arbeits- lange der Hoffnungsträger in der Medizin“, Forscher, zielgerichtete Therapien für diese gruppe von Prof. Trepel erklärt Prof. Trepel. „Es konnte aber bis bisher oft unheilbaren Leiden zu entwickeln. ■ zählt Merkmale von zuletzt an Patienten nur vereinzelt eingesetzt Krebszellen, die durch die werden, weil die Fähren zu unspezifisch waren Bindung einer spezifischen und oft das Zielgewebe nicht erreichten.“ Mit Substanz an die Zellober- einem innovativen Ansatz, der international fläche sichtbar gemacht für viel Aufsehen sorgte, gelang es den For- werden. schern vor wenigen Monaten, die Genfähren treffsicherer an ihr Ziel zu steuern. Dazu kombinierten sie ihre Erkenntnisse aus dem Schlüssel-Schloss-Prinzip mit ihrem Know- how in der Gentherapie. Mit derselben Me- thode, mit der sie bislang Peptide auswählten, gewannen sie nun komplexe Proteine. Diese sind die Hüllen von Genfähren und können Faszination Forschung – Motivation für die Gesundheit Ungewöhnliche Wege zu ge- im Labor auszuprobieren, immer das Potenzial, das Wis- unter anderem aus ihren hen und um mehrere Ecken ob sie funktionieren“, sagt sen über die Abläufe einer Erfahrungen am Krankenbett. zu denken – das ist kennzeich- Prof. Trepel. „So betrachtet, spezifischen Erkrankung zu „Mein Ziel ist ganz klar, eine nend für die Arbeitsweise der gibt es auch keine schlechten erweitern.“ Ihre Motivation innovative Idee von der Grundlagenforscher. „Es hat Ergebnisse. Ein Ergebnis kann ziehen die Forscher, die größ- Grundlagenforschung bis eine starke Faszination, Hypo- überraschend sein oder an- tenteils auch als Ärzte in der zum Patienten zu tragen“, thesen aufzustellen und dann ders als erhofft – aber es hat Krankenversorgung arbeiten, sagt Prof. Trepel. Wissen und Forschen 9
Entschlüsselungstaktik in XXL Rund 25 000 Tumorarten in fünf Jahren zu analysieren ‒ das ist das Ziel eines einzigartigen Mammutprojekts, zu dem sich welt- weit Spitzenkräfte aus Medizin und Forschung zusam- mengetan haben. Ganz vorn mit dabei und zustän- Dargestellt ist der Chromosomensatz einer Prostatakrebszelle in der sogenannten Multicolor-FISH-Technik. Zu erkennen ist die krankhaft dig für Prostata- veränderte Erbsubstanz, wie sie typisch für einen bösartigen Tumor ist krebs: das UKE. 10 Wissen und Forschen
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A ls im Jahr 2001 die Entschlüsselung dem Großprojekt International Cancer Genome des menschlichen Erbguts gelang, war Consortium (ICGC) mitmischen. Das ICGC dieser Schritt für Ärzte und Wissen- ist das weltweit größte Forschungsvorhaben schaftler ein Meilenstein. Die Methoden von zur Klärung der molekularen Ursachen von damals sind heute längst überholt, Zeit- und Krebserkrankungen. Die Hamburger Medizi- Kostenfaktoren stehen in keinem Verhältnis ner arbeiten gemeinsam mit dem Deutschen mehr zu den ersten Gehversuchen der De Krebsforschungszentrum in Heidelberg und chiffrierung, als man sich erst langsam zum dem Max-Planck-Institut für molekulare Gene- Geheimnis der DNA vortastete. Inzwischen ist tik in Berlin an ihrem Projekt mit dem Titel die Forschung so weit, dass innerhalb kürzes- „The genomes of early onset prostate cancer“. ter Zeit die komplette DNA einer einzigen Zel- Für die drei deutschen Arbeitsgruppen, welt- le entschlüsselt werden kann – ein Fortschritt, weit sind es insgesamt 23, stellen das Bundes- der vor allem für die Untersuchung von Krebs- ministerium für Bildung und Forschung und zellen interessant ist. die Deutsche Krebshilfe ge- Prof. Dr. Guido Sauter, meinsam 30 Millionen Euro Direktor des Instituts für „Die schonende Operationsmethode zur Verfügung. Ziel des Pathologie, gehört auf dem von Prof. Huland bei Prostata- Großprojektes ist es, Verän- Gebiet der DNA-Entschlüsse- Erkrankungen hat der Martini- derungen der wichtigsten lung weltweit zu den Spitzen- Klinik weltweites Ansehen verschafft“ Tumorformen zu analysie- reitern. Die Anwendung des ren. Insgesamt ist die Ent- von ihm und seinem Team Prof. Dr. Guido Sauter, schlüsselung der Erbinfor- Direktor des Instituts für Pathologie entwickelten Tissue Microar- mation von mehr als 25 000 rays (TMA) machte es mög- Tumoren geplant. Die ge- lich, bis zu 4 000 Prostatakarzinome verschie- wonnenen Daten sollen über eine Datenbank denster Stadien auf nur einem Chip zu weltweit zugänglich sein. Um dabei möglichst speichern und miteinander zu vergleichen. effektiv und kostensparend vorzugehen, wurden Durch die systematische Analyse der Proben für die Analyse der verschiedenen Tumor lassen sich ganz gezielt Zusammenhänge zwi- erkrankungen die Spitzenkräfte der jeweiligen schen Oberflächenstrukturen des Tumorge Fachgebiete für die ICGC gewonnen. webes und den Erbinformationen der verschie- denen Tumorzellen herstellen. Diese wiederum Ohne Impotenz und Inkontinenz erlauben Rückschlüsse auf mögliche neue Für die UKE-Mediziner bedeutet die Teilnah- Therapien gegen den Prostatakrebs. me eine besondere Auszeichnung. „Das Uni- versitätsklinikum ist Prostataweltmeister“, sagt Globale Datenbank geplant Prof. Sauter. „Die schonende Operationsme- Eine Zusammenarbeit von Wissenschaftlern thode von Prof. Huland bei Prostata-Erkran- der Arbeitsgruppe der UKE-Pathologie mit kungen hat der Martini-Klinik weltweites herausragenden Experten aus der Klinik bot Ansehen verschafft.“ Die Martini-Klinik hat sich an, und so war es kein Zufall, dass sich im vergangenen Jahr mehr Operationen an das Forscherteam mit Prof. Dr. Markus Prostatapatienten durchgeführt hat als jede Graefen, Prof. Dr. Hartwig Huland und Priv.- andere Klinik weltweit. Doz. Dr. Thorsten Schlomm aus der Martini- Dass Patienten aus allen Erdteilen für den Klinik komplettierte. Die Martini-Klinik ist Eingriff ins UKE kommen, liegt nicht zuletzt eine 100-prozentige Tochter des Universitäts- an der speziellen Methodik von Prof. Huland. klinikums und auf die Diagnose und Therapie Er hat es geschafft, mittels der sogenannten des Prostatakarzinoms spezialisiert. nervenerhaltenden radikalen Prostatektomie Das gebündelte Know-how des Ärzteteams seinen Patienten die beiden unangenehmen zog weltweites Interesse auf sich: Die erfolgrei- Nebenwirkungen des Eingriffs – die Impotenz che Arbeit des Forscherverbunds soll nun bei und die Inkontinenz – zu ersparen. Prof. Sauter 12 Wissen und Forschen
gehört längst zu den prominentesten Uro- Pathologen in Europa. „Ungeheure Chance“ Innerhalb der fünfjährigen Laufzeit des ICGC- Projektes sollen er und sein Team 250 Tumore entschlüsseln. Die Ergebnisse werden Patienten Hoffnung machen. Denn Krebserkrankungen – egal, welches Organ des Körpers betroffen ist – sind immer auf genetische Veränderungen in den Körperzellen zurückzuführen. Aller- dings gibt es nicht den einen Tumor, den es zu entwaffnen gilt, sondern viele verschiedene Varianten, die allesamt einer ganz unter- schiedlichen Behandlung bedürfen. Um die optimale Lösung zu finden, ist es notwendig, die Tumorzellen bis auf das Trio im Kampf gegen Prostatakrebs: (v.l) Prof. Dr. Guido Sauter, Kleinste zu durchschauen. „Leider ist es immer Priv.-Doz. Dr. Thorsten Schlomm (oben) und Prof. Dr. Markus Graefen noch so, dass wir viele Patienten übertherapie- ren, da wir nicht genau erkennen können, welche Tumorzellen bekämpft werden müssen und welche nicht“, sagt Priv.-Doz. Dr. Thorsten Schlomm, Koordinator der Prostataforschung im UKE. „Um hier in Zukunft gezielter behan- deln zu können, müssen wir das erbliche Muster und die Genveränderungen der Zellen erforschen.“ Das internationale Forschungsvorhaben bietet dafür hervorragende Voraussetzungen, wie Prof. Graefen betont. „Das Projekt birgt eine ungeheure Chance, etwas wirklich Neues und Relevantes zu finden“, sagt der Chefarzt der Martini-Klinik. „Unsere große Hoffnung beruht darauf, die für uns wichtigen Tumore zu entdecken und so weit zu analysieren, dass jeder Patient eine maßgeschneiderte Behand- lung bekommt.“ ■ Prostatakrebs: Auch jüngere Männer sind betroffen Trotz der enormen Fortschritte als verdoppelt. Wurden 1980 ten Diagnosemöglichkeiten, gen aus der Martini-Klinik. in den letzten Jahren ist das jährlich rund 30 000 Neuer- andererseits aber auch an der Allein dort wurden 2009 etwa Prostatakarzinom immer noch krankungen in Deutschland demografischen Entwicklung. 100 Fälle diagnostiziert, bei die häufigste Krebstodesursa- diagnostiziert, so ist die Zahl Dass Prostatakrebs aber nicht denen die Betroffenen unter che des Mannes. Im Zeitraum inzwischen auf über 60 000 ausschließlich ein Leiden von 50 waren. Zehn Prozent aller von 1980 bis heute hat sich die gestiegen. Die Zunahme liegt Männern jenseits der 60 ist, Prostata-Erkrankungen sind Zahl der Erkrankungen mehr zum einen an den verbesser- bestätigen auch die Erfahrun- erblich bedingt. Wissen und Forschen 13
Schlafenden Tumorzellen auf der Spur Krebszellen gelten als tickende Zeitbomben. Ob sie nach einer Behandlung ganz verschwinden oder weiter im Körper kreisen, konnten Mediziner lange Zeit nicht zuverlässig einschätzen. Ein neuer Bluttest bringt Erkrankten jetzt Gewissheit. 14 Wissen und Forschen
Stark vergrößert zeigt sich hier der Objektträger eines Spezialmikroskops, der die Zellen einer Blutprobe enthält. Mit der Glaskapillare von wenigen Mikrometern Durchmesser können einzelne Zellen für weiterführende Analysen entnommen werden >>> Wissen und Forschen 15
Genau bei dieser Problematik setzt die Arbeit von Prof. Pantel und seinem Team an. Ihr Ziel: Ein Frühwarnsystem für Tumorzellen zu entwickeln. Die Gruppe forscht vor allem auf dem Gebiet der sogenannten soliden Tu- more. Dazu zählen Lungen-, Darm-, Brust- und Prostatakrebs – Tumorarten, die relativ häufig streuen und für die sich daher die Eta- blierung eines Frühwarnsystems besonders lohnt. Der Mikromanipulator ist ein Mikroskop, das mit einer steuerbaren, extrem „Es kommt nicht selten bei Krebspatienten dünnen Glaskapillare ausgestattet ist. Damit können einzelne Zellen aus vor, dass sich einzelne Tumorzellen aus ihrem der Blutprobe eines Patienten entnommen und analysiert werden Zellverband lösen und über die Blutbahn oder die Lymphe durch den Körper wandern“, sagt Dr. Juliane Hannemann aus der Arbeitsgrup- E pe. „Wir wollen diese zirkulierenden Zellen so s klingt nach einem makaberen früh wie möglich aufspüren und näher analy- Glücksspiel, wenn nach einer ver- sieren.“ Die Entschlüsselung dieser sogenann- meintlich erfolgreichen Tumorbehand- ten „schlafenden Zellen“ war es letztlich, die lung Metastasen auftauchen und Arzt und die Forscher am UKE einen bedeutenden Patient am Ende der Behandlung plötzlich Schritt nach vorn brachte. Es gelang den wieder ganz am Anfang stehen. „Zu den Wissenschaftlern, anhand verschiedenster Kerncharakteristika bösartiger Tumore ge- Verfahren bis zur DNA einzelner Tumorzellen hört schlichtweg die Tatsache, dass sie streuen vorzudringen. Diese Methode, für die Prof. und Tochtergeschwulste bilden“, sagt Prof. Pantel mit dem Deutschen Krebspreis 2010 Dr. Klaus Pantel, Direktor des Instituts für ausgezeichnet wurde, gibt Erkrankten neue Tumorbiologie. Das Unvorhersehbare und Hoffnung. Tückische der Metastasen: Die Mediziner „Das Belastende für viele Patienten, bei können nicht genau wissen, über welche denen Metastasen diagnostiziert wurden, ist Zeitspanne Vorsicht geboten ist und wie die die Ungewissheit, ob die ausgesuchte Behand- Tochtersaat letztlich bekämpft werden kann. lungsmethode auch wirklich greift“, sagt „Manchmal können bis zu zehn Jahre verge- Prof. Pantel. Schließlich sei nicht gesagt, dass hen, ehe der Krebs erneut ausbricht“, sagt das Medikament, das den primären Tumor Prof. Pantel. „Das Fatale daran: Die Metasta- bekämpfen konnte, auch die Tochterge- sen bleiben oftmals so lange unentdeckt, bis schwulste besiegt. „Die Medizin ist lange Zeit jede Hilfe zu spät kommt.“ davon ausgegangen, dass Metastasen nach Spurensuche mit Magnet und Mikroskop Um die Tumorzellen zwischen erkennt und sich gemäß dem Abkürzung steht für „magne- probefindet schließlich im den anderen Blutzellen auf- Schlüssel-Schloss-Prinzip an tic activated cell sorting“ – Mikromanipulator statt – zuspüren, sind verschiedene sie heftet. beginnt dann die Zellsortie- einem Mikroskop mit dünnen Schritte notwendig. Zuerst Diese Antikörper sind mit rung. Mit einem starken Glaskapillaren. Die Zellen werden die Blutproben mit kleinen magnetischen Eisen- Magneten werden die Beads werden in die Kapillaren einem Antikörper vermischt, partikeln versehen, den und somit die kompletten eingesaugt und zur weiteren der bestimmte Moleküle an sogenannten Beads. Mit Tumorzellen angezogen. Die Analyse in ein Reaktionsgefäß der Oberfläche der Zellen der MACS-Methode – diese Isolierung vom Rest der Blut- übertragen. 16 Wissen und Forschen
dem exakt gleichen Prinzip aufgebaut sind und funktionieren wie ihr Stammtumor“, sagt der Tumorbiologe. „Heute wissen wir: Die Grund- züge sind gleich. Aber das heißt noch lange nicht, dass die Tumorzellen ihre Eigenschaften beibehalten.“ Aber genau diese Grundzüge und Eigenschaften sind es, die entschlüsselt werden müssen, um die Tochtergeschwulste besser „Heute können wir viele Detailinformationen aus einer einzigen Tumorzelle im Blut eines Krebspatienten ziehen“ Prof. Dr. Klaus Pantel, Direktor des Instituts für Tumorbiologie behandeln zu können. „Früher konnten wir mit unseren Standardmethoden die schlafen- den Tumorzellen nicht erfassen. Nun ist nur ein Bluttest nötig, um die Zellen zu finden und genau zu untersuchen“, sagt Dr. Hannemann. Für Prof. Pantel und sein Team, zu dem auch Dr. Sabine Riethdorf gehört, ist diese Entwicklung bahnbrechend. „In der Vergan- genheit war es lediglich möglich, den primären Tumor auf seine DNA zu untersuchen. Heute können wir viele Detailinformationen aus einer einzigen Tumorzelle im Blut eines Patienten ziehen“, so Prof. Pantel. Der Bluttest bringt vielen Erkrankten Gewissheit und vermeidet kostspielige Fehlversuche. Prof. Pantel nennt dafür ein Beispiel: „Ein gängiges Medikament, das bei Brustkrebs eingesetzt wird, ist Hercep- tin. Die Behandlung mit dem Mittel kostet jährlich etwa 30.000 Euro pro Patient. Trotz- dem weiß man im individuellen Fall noch nicht genau, ob es hilft oder nicht. Unser Blut- test könnte eine wichtige diagnostische Lücke schließen.“ Somit sei der Test, der mit rund 300 Euro zu Buche schlägt, nicht nur ver- gleichsweise günstig, sondern entlaste mögli- cherweise auch den Erkrankten durch die Setzen ihre gezielte Diagnose nach nur wenigen Tagen. Hoffnungen auf einen Das Ziel für die Zukunft steht für den Routinebluttest für Wissenschaftler nach den ersten Erfolgen fest: Krebspatienten: „Wir wollen erreichen, dass in einigen Jahren Prof. Dr. Klaus Pantel für jeden Patienten ein Routinebluttest zur und seine Mitar- Verfügung steht, der uns verrät, ob die ange- beiterin Dr. Juliane wandte Therapie erfolgreich war.“ ■ Hannemann Wissen und Forschen 17
Besorgniserregender Befund: In der Leber einer Darmkrebspatientin findet sich, wie die Computertomograpie zeigt, eine Tochtergeschwulst von etwa 3 cm Durchmesser 18 Wissen und Forschen
Diagnose Darmkrebs: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung Geballte Schlagkraft: Ein Forschungsverbund beschäftigt sich erstmals in Deutschland über Fach grenzen hinweg intensiv mit den Zusammenhängen zwischen Tochtergeschwulsten in der Leber und ruhenden Krebszellen. >>> Wissen und Forschen 19
Geballtes Know-how gegen Krebs – Die Schwerpunkte des Forschungsverbundes in einem interdisziplinären Netzwerk: In einem Zentralprojekt wird für die jeweiligen Arbeitsgruppen eine Tumorzellen: Prof. Dr. Klaus Pantel, Dr. Juliane Hannemann, Institut Plattform für tierexperimentelle Studien gebildet und ein translationa- für Tumorbiologie; Funktion von nicht-kanonischen Signalwegen les Forschungsprojekt mit Patientengeweben etabliert. Erkenntnisse in der Dissemination und Metastasierung: Dr. Henning Wege, der Grundlagenforschung sollen dabei möglichst rasch in klinische I. Medizinische Klinik; Rolle des inflammatorischen Stromas bei Therapien umgesetzt werden. Umgekehrt sollen klinische Beobach- der Lebermetastasierung: Dr. Jörg Schrader, Prof. Dr. Ansgar Lohse, tungen als Rückkoppelung in die Grundlagenforschung einfließen. I. Medizinische Klinik; Analyse disseminierter Zellen und ihrer Die dem Verbund zugehörigen Institute und Kliniken werden mit ihren metastatischen Nischen: Dr. Dr. Sonja Loges, Prof. Dr. Carsten Arbeitsschwerpunkten im Rahmen des Projekts wie folgt genannt: Bokemeyer, II. Medizinische Klinik; Homing Mechanismen der Leber- Funktionale Rolle von Zelladhäsionsmolekülen: Prof. Dr. Udo metastasierung: Prof. Dr. Martin Trepel, II. Medizinische Klinik; Schumacher, Institut für Anatomie; Funktionelle Bedeutung von Modulation der Zelladhäsion durch Galectin-1: Priv.-Doz. Dr. Oliver AKT2, einem Onkogen: Priv.-Doz. Dr. Manfred Jücker, Institut für Stöltzing, Klinik für Hepatobiliäre Chirurgie. Biochemie und Molekularbiologie; Bedeutung von zirkulierenden N ach erfolgreicher Operation und Aussicht auf Heilung war nun möglich. Auch Chemotherapie verlassen viele Pati- dieser komplexe Eingriff, der von den UKE- enten geheilt das Krankenhaus und Medizinern aufwendig mit einer 3-D-Rekon- schöpfen nach einer langen Leidenszeit wie- struktion des Organs vorbereitet wurde, der Hoffnung auf einen Neuanfang. Die Kon- gelang. Alle Beteiligten schöpften nun Hoff- trolluntersuchungen verlaufen ohne suspekte nung. Die Patientin schmiedete wieder Zu- Befunde. Zunächst. Nicht selten kommt die kunftspläne. Kaum ein halbes Jahr später kam Nachricht wie aus dem Nichts: Rückfall mit die Hiobsbotschaft: Die Ärzte mussten ihr neuen Tumoren – meist Lebermetastasen. eröffnen, dass sich in ihrer Leber an einer an- Ein interdisziplinäres Team führender deren Stelle ein neuer Tumor entwickelt hatte. UKE-Forscher sucht nach den Mechanismen „Alles verläuft bestmöglich: Man kombi- ihrer Entstehung und hofft, dass die gewon- niert optimal modernste Behandlungskon- nenen Erkenntnisse bald für eine bessere zepte, sowohl die Chemotherapie als auch die Fachübergreifende Therapie nutzbar gemacht werden können. Operation sind erfolgreich“, sagt Priv.-Doz. Zusammenarbeit: Eine 69-jährige Hamburgerin steht stellver- Dr. Oliver Stöltzing. „Und trotzdem tritt (v.l.) Dr. Dr. Sonja Loges, tretend für viele Darmkrebspatienten: Zunächst nach kurzer Zeit ein Rückfall auf.“ Warum Dr. Juliane Hannemann war die Diagnose für sie ein Schock. Der Krebs kommt der Krebs zurück? Warum so schnell? und Priv.-Doz. Dr. Oliver hatte sich schon im Bauch ausgebreitet; im Und warum ist erneut die Leber betroffen? Stöltzing diskutieren Röntgenbild zeigte sich ein drei Zentimeter Auf diese Fragen hat die Krebsmedizin noch ihre Analyseergebnisse großer Tochter-Tumor auf der Leber. keine befriedigenden Antworten. Das ehr- Der Primärtumor im geizige Ziel, dies zu ändern, hat sich ein ein- Darm wurde entfernt zigartiger Forschungsverbund auf die Fahnen und die Tochterge- geschrieben. In dem Projekt mit dem Titel schwulst in der Leber, „Colorektale Lebermetastasen: Von moleku- die sogenannte Metas- laren Mechanismen der Metastasierung zur tase, wurde anschlie- maßgeschneiderten onkologischen Therapie“ ßend mit einer maß arbeiten Klinikärzte und Naturwissen- geschneiderten schaftler über ihre Fachgrenzen hinweg Chemotherapie mit zusammen. molekularen Substan- Bei drei von vier Patienten treten binnen zen behandelt, die den zehn Jahren erneut Metastasen auf. Colorek- Tumor verkleinern soll- tale Lebermetastasen sind eine Folge von ten. Ein voller Erfolg: Darmkrebs. Diese Krebsart ist die zweithäu- Die Geschwulst figste in Deutschland. Rund 75 000 Menschen schrumpfte beträcht- erkranken jedes Jahr neu daran. Die Sterb- lich. Eine Leber-OP mit lichkeit ist nach wie vor hoch: Bei der Zahl der 20 Wissen und Forschen
„Mit vereinter Kraft wollen wir es schaffen, das Langzeitüberleben nach Darmkrebs entscheidend zu verbessern“ Prof. Dr. Björn Nashan, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hepatobiliäre Chirurgie und Transplantationschirurgie jährlichen Krebs-Todesfälle liegt das soge- Tochter-Geschwulste auftreten. Und dass es nannte kolorektale Karzinom an zweiter Stelle. bestimmte molekulare Mechanismen in der Bei einem Viertel aller Darmkrebs-Patienten Leber geben muss, die der Grund dafür sind, haben sich bereits zum Zeitpunkt der Diag- dass gerade dieses Organ auf Tumorzellen so nose Tochtergeschwulste auf der Leber ange- besonders anziehend wirkt.“ Die Forscher- siedelt. Im weiteren Verlauf des Darmkrebses gruppe ist die erste in Deutschland, die sich leiden bis zu 55 Prozent der Erkrankten unter so tiefgehend mit den Zusammenhängen von solchen Lebermetastasen. Selbst wenn Patien- Lebermetastasen und zirkulierenden Tumor- ten mit Aussicht auf Heilung operiert werden zellen befasst. können, tritt der Krebs bei drei Vierteln von Die Herausforderung besteht nun darin, ihnen im Lauf von zehn Jahren wieder auf. zum einen zu definieren, wie die molekularen An dem groß angelegten Verbund sind Strukturen aussehen, die Tumorzellen dazu sechs Institutionen und Kliniken beteiligt. bringen, sich immer wieder in der Leber ein- Die Ärzte und Wissenschaftler kommen aus zunisten. Und zum anderen, herauszufinden, so unterschiedlichen Fachbereichen wie etwa welche Arten von Signalen sie empfangen, der Anatomie, der Biochemie, der Leber- die das Wachstum bösartiger Zellen auslösen Chirurgie und der Onkologie. „Wir alle tei- und beschleunigen. „Nur wenn wir diese len eine Hypothese, die uns vorantreibt“, sagt Zusammenhänge besser verstehen, können Prof. Dr. Björn Nashan, Direktor der Klinik wir neue Therapieansätze für Patienten ent- für Hepatobiliäre Chirurgie und Transplanta- wickeln, Lebermetastasen vorbeugen oder tionschirurgie. „Wir gehen davon aus, dass Rückfälle verhindern“, sagt Prof. Nashan. Tumorzellen aus dem Knochenmark, die im „Mit vereinter Kraft wollen wir es schaffen, Körper zirkulieren, dafür verantwortlich das Langzeitüberleben nach Darmkrebs sind, dass auch nach einer OP immer wieder entscheidend zu verbessern.“ ■ Innovative Chirurgie und neuen Substanzen Gerade in den vergangenen OP, können sie mit einer maß- des Eingriffs. Zielgerichtet hungern den Tumor aus, fünf bis sieben Jahren hat so- geschneiderten Chemothera- sind auch die neuen Therapi- indem sie das Wachstum der wohl die chirurgische als auch pie verkleinert werden. Sollte en, die unmittelbar gegen die Blutgefäße hemmen, oder die medikamentöse Therapie die Geschwulst anatomisch Krebszellen eingesetzt wer- verhindern die Signalübertra- von Lebermetastasen deutli- ungünstig liegen, planen die den. Sie blockieren beispiels- gung zwischen Tumorzellen, che Fortschritte gemacht. Chirurgen mithilfe von 3-D- weise Faktoren, die das ohne benachbarte gesunde Sind Tumore zu groß für eine Rekonstruktionen den Verlauf Tumorwachstum fördern, Zellen zu beeinträchtigen. Wissen und Forschen 21
Equi te dolutat lum quatie vendit praesecte tion esequis dolor 22 Wissen und Forschen
Lamas als Helfer der Wissenschaft Lamas sind als Lastenträger und Woll-Lieferanten bekannt. Neu ist aber, dass sie für die Medizin höchst interessante Eigenschaften besitzen, die vielversprechende Perspektiven für die Therapie von Krebs und entzündlichen Erkrankungen eröffnen. >>>
G eh nicht so nah ran, die spucken“, Weil große Hoffnungen auf dem Vorhaben hören Kinder oft, die im Zoo dicht an ruhen, stellen sowohl die Deutsche For- ein Lama-Gehege treten. Im Gegen- schungsgemeinschaft als auch das Bundesmi- satz zum Speichel der Kameltiere, einer für nisterium für wirtschaftliche Zusammenar- Menschen im direkten Kontakt eher unange- beit und Entwicklung Mittel zur Verfügung. nehmen Flüssigkeit, stellen die Lamas aber Und der Deutsche Akademische Austausch- auch ungewöhnlich nützliche Wirkstoffe her. dienst unterstützt eine Kooperation mit For- Die Tiere produzieren Antikörper, die sich in schern in Mexiko. Dort arbeitet ein Team an Medikamente gegen kranke Zellen verwan- der Produktion von Nanobodies aus dem Blut deln lassen. Weil die Bindungsbereiche dieser von Haien. Die Antikörper der Fische haben Antikörper, mit denen sie an andere Molekü- ähnliche Eigenschaften wie die der Lamas. „Nanobodies sind Hoffnungsträger im Kampf gegen Krebs und Entzündung“ Prof. Friedrich Koch-Nolte, Institut für Immunologie Die Köpfe des le andocken können, besonders klein sind, Weitere Mittel fließen aus der Industrie und Forschungsprojektes werden sie Nanobodies genannt. von der Hamburger Werner Otto Stiftung. im Dialog: Mit den Nanobodies der Lamas befasst In den Laborräumen im Campus Forschung Prof. Dr. Friedrich sich ein Pilotprojekt am Institut für Immuno- züchtet das UKE-Team die Nanobodies in Haag (links) und logie des Universitätsklinikums. Das Team Brutschränken. Beteiligt sind unter anderem Prof. Dr. Friedrich um Prof. Dr. Friedrich Koch-Nolte und Prof. die Doktoranden Janusz Wesolowski, Mandy Koch-Nolte (rechts) Dr. Friedrich Haag produziert die Antikörper Unger, Welbeck Danquah und Björn Rissiek. für Therapiekonzepte. Gewonnen werden sie aus den weißen Blutkörperchen geimpfter Patent eingereicht Lamas. Vier Mal werden die Tiere für die Erste große Erfolge können die Wissenschaft- Wissenschaft immunisiert, so wie das sonst ler bereits verbuchen. In Zusammenarbeit mit auch bei der Tierhaltung im Rahmen der den Kollegen aus Argentinien ist es gelungen, Schutzmaßnahmen durch den Veterinär ge- Nanobodies zu züchten, die gegen spezielle schieht. Einmal wird ihnen anschließend Blut Toxine und gegen ein Enzym auf Entzün- abgenommen. Das alles geschieht mit einer dungszellen wirksam sind, das mit diesen schonenden Technik mithilfe von Tierärzten Toxinen verwandt ist. Dieser Schritt eröffnet und Tierpflegern des UKE. die weitreichende therapeutische Hoffnung, An dem Projekt arbeiten die Hamburger auf diese Art und Weise bakterielle Toxine zusammen mit Kollegen aus Argentinien. mittels der Nanobodies einfach abzuschalten. 24 Wissen und Forschen
Das könnte ein Mittel sein gegen schwerwie- verabreichen sind. Sie gende Infektionserkrankungen wie Durchfall, können intravenös, Keuchhusten oder Diphtherie. Doch inzwi- als Salben oder Pillen schen ist das Team noch einen Schritt weiter. gegeben werden“, sagt In Zusammenarbeit mit der Firma Ablynx Prof. Koch-Nolte. Der aus dem belgischen Gent, die auf die Produk- Körper scheidet sie tion von Nanobodies spezialisiert ist, haben über die Nieren wie- die Eppendorfer als weltweit Erste Nanobo- der aus. In den Labor- dies entwickelt, die einen Ionenkanal blockie- versuchen hatten die ren können. Dieser Ionenkanal kontrolliert Nanobodies Entzün- Entzündungsreaktionen und die Schmerz- dungsreaktionen in Minuten- empfindung. schnelle blockiert. In Verbindungen mit an- Die Abbildung zeigt die Ablynx ist ein junges Biotechnologie-Unter- deren Medikamenten ergab sich – jedenfalls vergleichsweise flache nehmen, als Ausgründung der Universität im Labor – bereits ein positiver Effekt beim Interaktion zwischen Brüssel entstanden. Der gemeinsame Erfolg Einsatz gegen Diabetes Typ I. „Nanobodies einem Enzym und dem der Belgier und der Hamburger Immunolo- sind Hoffnungsträger im Kampf gegen Krebs Bindungsbereich eines gen öffnet eine Tür für die Behandlung von und Entzündung“, sagt Prof. Koch-Nolte. konventionellen Antikör- Entzündungen und Autoimmunerkrankun- Auch als Helfer der Bildgebung eignen sich pers (links) sowie die gen. Es besteht die Hoffnung, auf diese Weise die kleinen Alleskönner. Sie könnten etwa für tiefe Interaktion eines bei entzündlichen und allergischen Erkran- eine bessere Darstellung von Entzündungs Nanobodies mit dem kungen die entzündungsauslösenden Makro- reaktionen eingesetzt werden. Zielenzym (rechts). Zu moleküle einfach zu blockieren. Deshalb haben Die Immunologen arbeiten an diesem erkennen ist eine tiefe die Partner das Projekt mithilfe der auf Wis- Thema mit Kollegen aus der medizinischen Ausstülpung, die die senstransfer spezialisierten UKE-Tochter Klinik und der Radiologie zusammen. Weitere Aktivität des Enzyms Medigate bereits zum Patent eingereicht. Verbindungen gibt es zum Graduiertenkolleg blockieren kann. Auch auf ihre Eignung zur Hemmung der „Entzündung und Regeneration“ des Sonder- Blutgerinnung werden Nanobodies bereits forschungsbereichs 841 der Deutschen For- in einer ersten klinischen Studie von Exper- schungsgemeinschaft, mit dem Sonderfor- ten des Universitären Herzzentrums geprüft. schungsbereich 877 „Proteolyse“ sowie mit dem Landesexzellencluster „Nanotechnology Blockade in Minutenschnelle in Medicine“, das fächerübergreifend die „Der Vorteil der kleinen Antikörper liegt dar- Möglichkeiten der gezielten Therapie mit- in, dass sie leicht herzustellen und leicht zu hilfe von Nanopartikeln untersucht. ■ Allzweckwaffe Antikörper Antikörper, Y-förmige Eiweiß- cken können. Lamas dagegen, sind sie stabil, klein und Die Nanobodies erinnern an stoffe, haben große Bedeu- andere Kamelarten und Hai gut löslich. Und sie haben den Begriff der „Zauberku- tung für Forschung und fische haben Antikörper, die besonders wirksame Andock- geln“, den der Medizin-Nobel- Therapie. Es gibt Millionen nur aus schweren Ketten zu- stellen, mit denen sie sich mit preisträger Paul Ehrlich vor verschiedener Antikörper. Die sammengesetzt sind. ihren Ziel-Molekülen verbin- rund 100 Jahren für medizini- meisten bestehen aus zwei Das macht sie besonders inte- den können. sche Wirkstoffe prägte, die schweren und zwei leichten ressant für die Wissenschaft- Das heißt, dass sie als Medi- gezielt und passgenau gegen Polypeptidketten. ler: Zum einen, weil ihre Bin- kamente leicht zu verabrei- Erreger eingesetzt werden Die Antikörper besitzen be- dungsbereiche gentechnisch chen sind und zuverlässig ans sollten. Mit den Nanobodies stimmte Bindungsanteile, mit in großen Mengen hergestellt Ziel gelangen – eine Art könnte sein Konzept Realität denen sie an Moleküle ando- werden können. Zum anderen schnelle Eingreiftruppe also. werden. Wissen und Forschen 25
Eine Knochenprobe ist in dem Plexiglasblock eingebettet und wird hier auf einem speziellen Schneidegerät, dem Hartschnittmikrotom, zu tausendstel Millimeter dünnen Schnitten aufgearbeitet Sauer macht stabil Wenn die Knochensubstanz porös wird und das Skelett geschwächt ist, kann die Ursache dafür auch dort liegen, wo sie niemand vermutet. Forscher des UKE haben nach Gründen gesucht und die Antwort im Magen gefunden. 26 Wissen und Forschen
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ringerung der Magensäureproduktion. Zum anderen nehmen allein in Deutschland rund acht Millionen Menschen regelmäßig Medi- kamente gegen Sodbrennen und den Rück- fluss der Magensäure in die Speiseröhre ein. Milliarden-Entlastung möglich Die Untersuchungen von Prof. Amling und seinem Team sollten zum einen klären, wie sich die verminderte Magensäurebildung im Detail auf die Knochenqualität auswirkt. Zum anderen zielten sie darauf, Therapiean- sätze zu erarbeiten, die die zerstörerischen R Erforscht die und acht Millionen Menschen in Nebenwirkungen der Magensäureblocker auf Auswirkungen von Deutschland leiden an Osteoporose. die Knochen verhindern. Die Zusammenhän- Magensäureblockern Dabei geraten Knochenauf- und -ab- ge, die im Laborversuch untermauert wurden auf die Knochen bau aus der Balance. Die Knochenmasse und sich mechanistisch auf den Menschen stabilität: Dr. Florian schwindet, das Skelett wird geschwächt und übertragen ließen, belegten eindeutig, dass bei Barvencik, Leitender es kommt zu Knochenbrüchen. Schuld an fehlender Magensäure bestimmte Kalziumver- Oberarzt am Institut dem Leiden ist häufig die unzureichende Auf- bindungen, etwa Kalziumkarbonat, vom Or- für Osteologie und nahme von Kalzium aus der Nahrung. Und ganismus nur schwer aufgenommen werden Biomechanik dafür wiederum gilt als eine Ursache der können. Andere Verbindungen wie beispiels- Mangel an Vitamin D. weise Kalziumglukonat oder Kalziumcitrat Doch mit der Zuführung von Vitamin D dagegen werden unabhängig von der Magen- allein ist es nicht getan, wenn man Osteopo- säure vom Körper resorbiert. rose vermeiden will. Ein Wissenschaftlerteam Das ist eine entscheidende Erkenntnis, die um Prof. Dr. Michael Amling, Direktor des zunächst für Osteoporose-Patienten bedeut- Instituts für Osteologie und Biomechanik im sam ist, deren Organismus nicht ausreichend Universitätsklinikum, hat herausgefunden, Magensäure herstellt. Da die Kalziumpräpa- dass der Kalziummangel auch die Folge einer rate, die in Deutschland verordnet werden, bislang nicht erkannten Kettenreaktion sein zum überwiegenden Teil auf einer Kalzium- kann. Schließlich ist eine wichtige Vorausset- karbonat-Basis beruhen, können sie diesen zung für die Aufnahme von Kalzium eine Kranken folglich nicht helfen. „Damit liefert ausgeglichene Magensäurebildung, wie die die translationale Forschung einen entschei- Hamburger jetzt nachgewiesen haben. denden Beitrag zur Verbesserung der Osteo- Anlass für die Untersuchungen war die porose-Therapie“, sagt Prof. Amling. Transla- Tatsache, dass Patienten, die über lange Zeit tionale Forschung hat die Aufgabe, Erkennt- Magensäureblocker einnahmen, ein „drama- nisse der Grundlagenwissenschaftler aus dem tisch gesteigertes Knochenbruchrisiko auf- Labor direkt für Erkrankte nutzbar zu machen. wiesen“, wie Dr. Florian Barvencik sagt, Aber die Bedeutung der Ergebnisse geht Leitender Oberarzt des Instituts. Obwohl weit über die Gruppe der Osteoporose-Pati- mehrere Beobachtungsstudien die Gleichzei- enten hinaus. Sie betreffen Millionen Men- tigkeit der Medikamenteneinnahme und des schen in Deutschland, die wegen Magenleiden erhöhten Knochenbruchrisikos bestätigten, Magensäureblocker einnehmen müssen. Auf- führte das lange Zeit nicht zu den entspre- grund der neuen Erkenntnisse könnten bei chenden Schlussfolgerungen. „Aber gerade ihnen die Gefahren einer drohenden Osteo- das ist von großer Bedeutung“, sagt Prof. porose durch alternative Kalziumpräparate Amling. Denn zum einen kommt es bei bis zu gemindert werden. Dies sei eine wichtige 30 Prozent der über 60-Jährigen zu einer Ver- Aufgabe, wie Amling betont. Denn Erkran- 28 Wissen und Forschen
„Würde man die Bevölkerung ausreichend mit Vitamin D und Kalzium versorgen, könnte man das deutsche Gesundheitssystem um 2,5 Milliarden Euro entlasten“ Prof. Dr. Michael Amling, Direktor des Instituts für Osteologie und Biomechanik kungen von Muskeln und Skelett verursachen Die Osteologie ist die Lehre von den Knochen in Deutschland rund ein Drittel der Gesund- und dem Skelettsystem. Das Fach fußt in der heitskosten. Allein für die Behandlung und Hansestadt auf einer langjährigen Tradition. Folgen von Knochenbrüchen aufgrund von Die Osteologie steht dabei gleichsam im Zen- Osteoporose würden 5,6 Milliarden Euro trum des interdisziplinären Dialogs von Or- fällig. thopädie, Unfallchirurgie, Innerer Medizin, Endokrinologie und Sportmedizin. International noch zu wenig beachtet Das Institut für Osteologie und Biomecha- Im Sport ist die heilsame Wirkung von Vita- nik ist die größte Einrichtung in Deutschland min D längst bekannt – bei Fußball-Bundes- für die Diagnose der Osteoporose. Die Ep- ligisten bis hin zu den Sprinter-Stars. Dort pendorfer Wissenschaftler betreiben interdis- hat man längst erkannt, dass das Vitamin die ziplinäre und patientenbezogene Forschung Muskelleistung verbessert. Bereits in den im Bereich von Muskeln und Skelett. Erkran- 50er-Jahren ist sein Einsatz vom Internatio- kungen in diesem Bereich – darunter neben nalen Olympischen Komitee geprüft und als der Osteoporose beispielsweise auch Arthro- zulässig eingeschätzt worden. Eine verbesser- se, Sarkopenie und Knochenmetastasen – te muskuläre Situation ist auch für die Kno- sind von zentraler gesundheitsökonomischer chen wichtig, denn sie vermindert die Gefahr Relevanz. Sie sind in der Forschungsaktivität von Stürzen und damit von Brüchen. international bislang aber unterrepräsentiert. Prof. Amling hat den bislang einzigen Lehr- Das Institut will dazu beitragen, diese Lücke stuhl für Osteologie in Deutschland inne. zu schließen. ■ Knochendiagnostik mit Durchblick Bei der Untersuchung des Schritt sichtbar werden. über Struktur und Beschaf- putertomografie können die Knochengerüsts auf poten- Die Knochendichte wird per fenheit der Knochen offenba- Knochenproben in Größen- zielle Brüche oder Schädigun- Dual-Energy-X-Ray-Absorp- ren sich mit der peripheren ordnungen bis auf sechstau- gen können Prof. Amling und tiometrie gemessen – eben- quantitativen Computerto- sendstel Millimeter unter- sein Wissenschaftler-Team falls eine Methode der Rönt- mografie. Das sogenannte sucht werden. auf ein ausgefeiltes techni- gendiagnostik. Xtreme CT zeigt die Knochen- Schließlich bietet die Raster- sches Arsenal setzen. Das Die Funktionsweise: Je porö- architektur von Patienten bis elektronenmikroskopie die beginnt bereits mit dem ser die Knochen sind, desto in ihre feinsten dreidimensio- Möglichkeit, Knochenproben Röntgen, bei dem eventuelle mehr Strahlen können durch- nalen Strukturen. Mithilfe bis aufs letzte Kalziumkristall Brüche in einem ersten dringen. Weitere Erkenntnisse von Biopsien und Mikro-Com- zu analysieren. Wissen und Forschen 29
Der Ausschnitt zeigt weißes Fettgewebe in 200-facher Vergrößerung. Durch die Blaufärbung des Präparats ist deutlich das blasenartige Muster des Gewebes zu erkennen Gewichtige Hoffnungen Von Kleinkindern war bislang schon bekannt, dass sie braune Fettzellen besitzen, die beim Abnehmen helfen können. UKE-Forschern gelang der Nachweis, dass das braune Fettgewebe tatsächlich einen Ansatz zur Therapie von Fettleibigkeit und erhöhten Blutfetten bietet. 30 Wissen und Forschen
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Dr. Harald Ittrich, Oberarzt in der Klinik und Poliklinik Alexander Bartelt, Biochemiker aus dem Zentrum für Diagnostische und Interventionelle Radiologie für Experimentelle Medizin E s ist eine scheinbar einfache Glei- können pro Tag etwa ein Fünftel der tägli- chung: Bei Nahrungsüberangebot chen Energiezufuhr verbrennen.“ Bei Men- speichert der Körper Fett für schlech- schen mit Übergewicht dagegen scheint die te Zeiten. Und das dokumentiert sich in Ret- Stoffwechselaktivität des braunen Fetts stark tungsringen, wenn die Vorräte zu opulent herabgesetzt zu sein. Und genau hier tun werden. Diese sind unschön und können sich Hoffnungen auf: Wenn man das braune krank machen. Tatsächlich ist alles etwas Fett aktivieren würde, könnte das gegen komplizierter und noch dazu ist Fett nicht Übergewicht und seine Folgeerkrankungen gleich Fett. Ein interdisziplinäres Wissen- helfen. schaftlerteam des Instituts für Biochemie Das interdisziplinäre Verbundprojekt un- und Molekularbiologie will nun in Zusam- tersucht nun, was die Lipide im Körper be- menarbeit mit anderen deutschen Forschern wirken und welche Mechanismen dabei wich- die Zusammenhänge im Detail klären und tig sind. „Vor allem die Rolle des braunen untersucht den Fettstoffwechsel auf moleku- Fettgewebes in der Verarbeitung der Nah- larer Ebene. Dabei setzen die Wissenschaft- rungslipide war bislang nicht bekannt“, sagt ler bahnbrechende Methoden der Bildge- Diplom-Biochemiker Alexander Bartelt, der bung ein: Mit Nanoteilchen verfolgen sie über den Fettstoffwechsel promoviert. den Weg der Fette im Körper. Die erste entscheidende Erkenntnis für die Live-Einblicke in den Körper Forschung ist der Beleg, dass es zwei Arten Die Forscher blicken mithilfe der Bildgebung von Fett gibt: zum einen das weiße Fett, den und der Möglichkeiten der Nanotechnologie Energiespeicher für schlechte Zeiten mit den live in den Körper hinein. „Wir setzen spezi- verhängnisvollen Nebenwirkungen. Und zum elle Nanoteilchen ein und markieren Lipo- anderen braunes Fett, der wohltätige Ver- proteine, um die Aktivität des braunen Fett- wandte, der sich in Energie zur Wärmepro- gewebes zu bestimmen“, erläutert Dr. Harald duktion umwandeln lässt und so den Körper Ittrich, Oberarzt der Klinik für Diagnostische vor Kälte schützt. und Interventionelle Radiologie. Die Nano- Die Existenz des braunen Fetts war von partikel auf Eisenoxidbasis dienen dabei als Nagetieren und Kleinkindern bereits be- Kontrastmittel. Mithilfe der Magnetreso- kannt. Jetzt weiß man, dass auch Erwachse- nanztomografie lassen sich dann die Stoff- ne diese Fettart besitzen. „Die Zellen sind wechselprozesse darstellen. „Wir wollten ge- ein wahres schwarzes Loch für Kalorien“, nau untersuchen, welche Moleküle für den sagt Priv.-Doz. Dr. Jörg Heeren, Leiter der Fettstoffwechsel verantwortlich sind“, erläu- UKE-Forschungsgruppe. „Schon 50 Gramm tert Dr. Heeren die Vorgehensweise des For- 32 Wissen und Forschen
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