Wissenschaft erleben - Thünen-Institut
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Wissenschaft erleben Was die Wälder uns wert sind Q Check: Tierwohl mit System Der Duft des Holzes Alles fließt – auch in der Bioökonomie »Mit klassischen Kennzahlen kommen wir nicht weiter« Dreimal 9 km2 Laborfläche »…zuverlässige Datenreihen, um neue Umweltphänomene zu verstehen« 2020 /2
Inhalt Ausgabe 2020/2 STANDPUNKT Strukturwandel in der Küstenfischerei aktiv gestalten Von Gerd Kraus und Christopher Zimmermann 1 INFO-SPLITTER Ź Hoffnung Heimkehrer Ź In deutsche Agrarböden blicken Ź In der Falle Ź Aufklärung über Palmöl nötig Ź Vom Apfeltrester zur Fumarsäure Ź Verschwendung von Lebensmitteln 2–3 FORSCHUNG Was die Wälder uns wert sind Alles fließt – auch in der Bioökonomie Ökosystemleistungen von Deutschlands Monitoring der biobasierten Stoffströme in Wäldern erstmals flächendeckend Deutschland 4 monetär bewertet 10 Der Duft des Holzes Q Check: Tierwohl mit System Welchen Einfluss Baustoffe aus Holz Von der betrieblichen Eigenkontrolle zum auf die Luftqualität von Wohnräumen nationalen Monitoring 6 haben 12 MENSCHEN & MEINUNGEN »Mit klassischen Kennzahlen ThünenIntern kommen wir nicht weiter« Meldungen aus dem Hause Ein Gespräch über nachhaltige 8 Milchproduktion 17 »…zuverlässige Datenreihen, um neue Umweltphänomene zu verstehen« Ein Gespräch über internationales 14 Waldmonitoring PORTRAIT Dreimal 9 km2 Laborfläche Transdisziplinäre Forschung im Projekt FInAL 16 RÜCKBLICK & AUSBLICK Ź Miombo – Afrikas Trockenwälder Ź Baum App – ja bitte! Ź Digitalisierung von Null auf Hundert Ź Spurensuche im Meer Ź Musterlandwirtschaft Tellow Ź 400.000-mal ländliche Räume 18 – 20
Wissenschaft erleben 2020 /2 STANDPUNKT 1 Strukturwandel in der Küstenfischerei aktiv gestalten Von Gerd Kraus und Christopher Zimmermann Die Küstenfischerei an Nord- und Ostsee steckt tief verschwinden. Denn sie können von den Neben- in der Krise, und das obwohl die Überfischung seit erwerbsbetrieben, die überwiegend auf Direkt- der Jahrtausendwende drastisch zurückgegangen vermarktung setzen, nicht ausreichend finanziert ist. Es gibt vielfältige Faktoren, die diese für die werden. Die indirekten Folgen reichen weit über den ganze Küstenregion identitätsstiftende Fischerei- Sektor Fischerei hinaus. Die handwerkliche Küsten form in ihrer Existenz bedrohen: Auswirkungen des fischerei ist prägend für die Kultur und Lebensweise Klimawandels beeinträchtigen die Produktivität ein- an der Küste und hat allein schon deshalb eine erheb- zelner, besonders wichtiger Arten. Hinzu kommen liche regionalwirtschaftliche Bedeutung. zunehmende Fanggebietsverluste, verschärfte Die Fortsetzung dieser Trends wird auch die gesetzliche Auflagen für die häufig überalterten Fischereipolitik vor neue Herausforderungen stel- Fahrzeuge, die entsprechend schwierige Suche len: Die Fortführung der Fischerei in der Fläche nach Betriebsnachfolgern und das schlechte öffent- durch Nebenerwerbsbetriebe stärkt den Tourismus, liche Image der Fischerei. An der Ostseeküste macht doch ist diese Fischereiform schwer zu überwachen. die Rückkehr der Kegelrobben die Stellnetzfischerei Dadurch steigt die Gefahr, dass die Fischbestände zunehmend schwierig. nicht nachhaltig genutzt werden – ein Zustand, der Die drastischen Quoteneinschnitte 2020 und vom Mittelmeer gut bekannt ist. Das erhöht den 2021 bei Ostseehering, Dorsch und Nordseekabel- Druck auf die Regierung, die Regeln auch für die jau, die extremen Fangmengenschwankungen bei Nebenerwerbs- und Freizeitfischerei zu verschärfen, der Nordseegarnele und Corona-bedingte Absatz- und endet absehbar im politischen Dauerstreit. probleme haben dazu geführt, dass sich die Situa- Ist das die Zukunft, die wir uns wünschen? Das tion nochmals massiv verschärft hat. Weder für den hängt von den Alternativen ab. Daher ist es sinnvoll, Hering der westlichen Ostsee noch für den Kabel- verschiedene Politikoptionen auszuarbeiten und jau der südlichen Nordsee ist zu erwarten, dass die zu untersuchen, wie sich diese auf die Zukunft der Fangmengen wieder in die Nähe der Höchstwerte Küstenfischerei und der Küstenregionen auswirken. vergangener Jahrzehnte steigen. Im Endeffekt müsste daraus ein Konzept entste- Die kleinen Küstenfischereien sind in der Regel hen, das eine bessere Langfristperspektive für die nicht in der Lage, in andere Regionen oder auf andere Küstenfischerei und die Nutzung der Fischbestände Zielarten auszuweichen. Inzwischen stehen staatli- aufzeigt und sowohl finanziell als auch administrativ che Überbrückungshilfen und Stilllegungsprämien umsetzbar ist. zur Verfügung. Das kann den Betroffenen helfen, Dauert das nicht viel zu lange? Keine Frage, doch beschleunigt es auch den Niedergang der der Strukturwandel ist in vollem Gange, und die Haupterwerbsfischerei: Immer mehr Betriebe geben Politik kann nicht immer warten, bis sorgfältig aus- auf oder wechseln in den Nebenerwerb, wie derzeit gearbeitete Zukunftskonzepte vorliegen. Anderer- insbesondere an der Ostsee zu beobachten ist. seits werden die Grundsatzfragen zur Zukunft der Wenn nun das mittlere Segment der haupter- Küstenfischerei dauerhaft auf der Tagesordnung werblichen Familienbetriebe zunehmend wegbricht, bleiben, denn allein mit Notmaßnahmen lässt sich bleiben einige große, effizient arbeitende Unterneh- keine überzeugende Perspektive entwickeln. Des- men übrig, außerdem zahlreiche Nebenerwerbs halb wollen wir unsere Forschung verstärkt auf die fischer mit ihren weit weniger strengen Auflagen Entwicklung von Lösungsoptionen ausrichten. Hier- und Kontrollen. Das wirkt sich auf die Landstrukturen für benötigen wir die Kompetenzen verschiedener aus: Die Fischerei konzentriert sich auf wenige Häfen, Forschungsdisziplinen, außerdem das Fachwissen und Erzeugerorganisationen, die bisher Transport, und die Kreativität der Wirtschaftsunternehmen Kisten, Eis und Buchführung zur Verfügung stellen, und der Verwaltung vor Ort.
2 INFO-SPLITTER InfoSplitter Hoffnung Heimkehrer In der Falle Vom Apfeltrester zur Fumarsäure In öffentlichen Debatten wird oft die Hoffnung In Deutschland gibt es derzeit etwa eine Million geäußert, dass die Rückkehr von Personen, die Wildschweine (Schwarzwild). Trotz intensiver Be- Fumarsäure wird derzeit in Polymeren, Pharma zuvor abgewandert waren, zu einer Stabilisie- jagung werden es immer mehr, unter anderem zeutika sowie Lebens- und Futtermitteln verwen- rung der demografischen Situation ländlicher wegen milder Winter und des reichlichen Futter- det und gilt als eine der potenziell wichtigsten Räume beitragen kann. Das wäre insbesondere angebots. Wildschweine sind Überträger der biobasierten Chemikalien. Eine Fumarsäurepro für jene ostdeutschen Regionen wichtig, die seit Afrikanischen Schweinepest (ASP), die eine er duktion mit Pilzen wurde schon in den 1940er der Wiedervereinigung lange eine Nettoabwan- hebliche Gefahr für die landwirtschaftliche Jahren durch geführt, aber durch die aufkom- derung verzeichneten und es teilweise auch Schwei nehaltung und die Volkswirtschaft ist. mende Petrochemie verdrängt. Heute wird Fu- heute noch tun. Deshalb sollen Schwarzwild-Populationen deut- marsäure ausschließlich petrochemisch aus fossi- Das Thünen-Institut und das Institut für Ar lich reduziert werden. len Rohstoffen hergestellt. beitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben Insbesondere dort, wo die ASP ausgebrochen Eine Rückumstellung auf erneuerbare Roh- sich in einem Projekt, das durch das Bundes ist oder das Schwarzwild nur schwer bejagt wer- stoffe als Ausgangssubstanz für diese Chemikalie programm Ländliche Entwicklung (BULE) geför- den kann, sind Lebendfallen eine effektive Er- würde die verbleibenden fossilen Rohstoffe scho- dert wird, mit diesem Thema befasst. Es zeigte gänzung zu anderen Jagdmethoden, die noch nen und den CO₂-Ausstoß verringern. So kann die sich, dass Rückwanderungen tatsächlich einen zu wenig genutzt wird. Ihr Einsatz erfordert aktuelle Klimabilanz verbessert und ein Beitrag bedeutenden Anteil der Binnenwanderung aus- jedoch spezifische Sachkenntnisse sowie eine in- zum Übergang zu einer biobasierten Kreislauf- machen: Im Zeitraum 2014 bis 2017 war mehr als tensive Betreuung. Welche Potenziale Schwarz- wirtschaft geleistet werden. Zum Erreichen die- jeder vierte Umzug einer Arbeitskraft in eine an- wildfänge haben, zeigt Belgien, wo im APS- ses Zieles ist die direkte biotechnologische Fu- dere (Kreis-)Region eine Rückkehr in eine frühere Gebiet im Jahr 2019 ca. 25 % der Wildschweine marsäureherstellung von besonderem Interesse. Wohnortregion. In ländlichen Regionen mit ge- in Fanganlagen erlegt wurden. In einem europäischen Verbundprojekt ist es ringen Zuzugsraten lag der Anteil der Rück Das Thünen-Institut für Waldökosysteme tes- Forschern des Thünen-Instituts für Agrartechno- wanderungen an den gesamten Zuzügen von tet deshalb verschiedene Methoden und veran- logie gelungen, Grundlagen für einen effizienten Arbeitskräften teilweise über 40 Prozent. Den- staltet einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch Biokonversionsprozess für Fumarsäure zu legen. noch muss die hohe Erwartung, dass Rückwan- zu diesem emotionsbeladenen Thema. Größte Als Rohstoff dient Apfeltrester, der als Reststoff derungen von Arbeitskräften die demografische Bedeutung hat die Vermeidung von Stress für bei der Apfelsaftherstellung anfällt. In einem Fer- Situation ländlicher Regionen stabilisieren, relati- die gefangenen Tiere und letztlich die tierschutz- mentationsverfahren mit dem Pilz Rhizopus viert werden. Die Rückkehr früherer Abwanderer gerechte und sichere Tötung. Dabei helfen Sicht- arrhizus wurde aus dem Trester nach erneuter kann aktuelle Fortzüge nur in wenigen Fällen schutz an der Falle und die Verwendung von Pressung und Reinigung des zuckerreichen kompensieren. Außerdem geht die Rückwande- Schalldämpfern. Es werden auch technische Fra- Saftes Fumarsäure bis zu einer Endkonzentration rung in eine ländliche Region überwiegend zu- gen zu Größe und Beschaffenheit der Fanganla- von 80 g/L gebildet. Im internationalen Vergleich lasten anderer ländlicher Regionen. In diesen Fäl- ge, Auslösemechanismus, Vermeidung von Fehl- der Fumarsäureherstellung aus Reststoffen len ziehen Arbeitskräfte aus ländlichen Räumen, fängen und Verletzungen betrachtet, ebenso die konnte die Fumarsäurebildung damit rund ver- in die sie zwischenzeitlich abgewandert waren, Sicherheit von unbeteiligten Personen wie Spa- doppelt werden. in ihre frühere Wohnortregion zurück. ziergängern oder Pilzsammlern. Der neue Biokonversionsprozess stellt somit Nähere Einblicke gibt das Thünen Working Das Institut hat dazu einen Methodenüber- einen vielversprechenden Ansatz dar, zukünftig Paper 144. FI blick veröffentlicht: www.thuenen.de/schwarz- effizient biobasierte Fumarsäure zu produzie- wildfaenge. HP ren. UP KONTAKT: cornelius.peters@thuenen.de KONTAKT: matthias.neumann@thuenen.de KONTAKT: anja.kuenz@thuenen.de
Wissenschaft erleben 2020 /2 INFO-SPLITTER 3 In deutsche Agrarböden Aufklärung über Palmöl Verschwendung von blicken nötig Lebensmitteln Die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft Palmöl ist überall: in verarbeiteten Lebensmit- Bis 2030 soll die Menge der weggeworfenen Le- (BZE-LW), in den Jahren 2012 bis 2018 vom Thü- teln, Kosmetik, Reinigungsmitteln, Biodiesel. Das bensmittel halbiert werden. Die meisten Verluste nen-Institut für Agrarklimaschutz durchgeführt, vielseitig einsetzbare Öl wird kritisiert, weil für fallen in den Privathaushalten an. Um hier nähe- ist die erste umfassende und einheitliche Inven- den Anbau weiterhin Regenwaldflächen abge- re Einblicke zu bekommen, wurde am Thünen- tur landwirtschaftlich genutzter Böden in holzt werden. Immer mehr Produkte in Super- Institut für Marktanalyse eine Tagebuch Deutschland. An 3.104 über das gesamte Bun- märkten werden daher als »palmölfrei« bewor- erhebung ausgewertet, an der fast 7.000 desgebiet verteilten Probenahmestellen wurden ben. Auf der anderen Seite setzen viele große repräsentativ ausgewählte Haushalte teilge- die Vorräte an organischem Kohlenstoff bis in Unternehmen auf Palmöl, das nach bestimmten nommen haben. eine Tiefe von einem Meter erfasst und Einflüsse Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert wurde. Ent- Nach dieser Erhebung entfallen jeweils 17 % von Standort- und Nutzungsfaktoren auf die scheiden sich Verbraucher eher für Produkte mit der entsorgten Produkte auf frisches Obst und Kohlenstoffvorräte analysiert. (zertifiziertem) Palmöl oder eher für palmölfreie Gemüse. Etwas geringere Entsorgungsraten In der Bodenkunde spielt die visuelle Wahrneh- Produkte? Und welche Faktoren beeinflussen wurden für gekochte Speisen und Brot ermittelt. mung von Bodenmerkmalen eine zentrale Rolle. diese Entscheidungen? Die weggeworfenen Lebensmittel landen zu je Deshalb hat das Thünen-Institut eine WebGIS-An- Um diese Fragen zu beantworten, haben einem Drittel im Restmüll, im Biomüll und in an- wendung veröffentlicht, in der alle 3.104 Boden- Wissenschaftlerinnen des Thünen-Instituts für deren Entsorgungswegen. Hauptgrund für die profile zusammen mit einigen wesentlichen Kenn- Marktanalyse Gruppendiskussionen und eine Entsorgung (58 % der Nennungen) ist die man- werten in ihrer Verteilung in Deutschland darge- bundesweite Online-Befragung am Beispiel von gelhaft empfundene Haltbarkeit. Allerdings wird stellt sind. Die Vielfalt unserer landwirtschaftlichen Nuss-Nougat-Creme und Schokokeksen durch- nur in 6 % der Fälle auf das abgelaufene Mindest- Böden wird somit auch visuell erlebbar. geführt. haltbarkeitsdatum verwiesen. Die verschiedenen Bodenprofile können Die Ergebnisse zeigen, dass Verbraucher Haushalte in kleineren Orten sowie Haushalte unter www.thuenen.de/bodenprofil-viewer/ mehrheitlich für palmölfreie Produkte votieren, mit älteren Personen entsorgen mehr Lebens- eingesehen werden. Aus Datenschutzgründen wobei sich verschiedene Gruppen hinsichtlich mittel als andere Gruppen. Auch in größeren wurde die geographische Lage der einzelnen ihrer Präferenzen gegenüber Palmöl unterschei- Haushalten mit Kindern werden besonders viele Bepro bungs punkte verschleiert; sie liegt in den. Informationen zum Palmölanbau und den Lebensmittel weggeworfen, vor allem weil zu einem Umkreis von 4 km um den auf den Karten Nachhaltigkeitsstandards beeinflussen die Prä- große Portionen gekocht wurden. Bei kleineren abgebildeten Beprobungspunkt. Der Kern ferenzen für zertifiziertes Palmöl positiv, wobei Haushalten besteht hingegen das Hauptprob- datensatz mit den wichtigsten Daten aus Labor palmölfreie Produkte weiterhin bevorzugt wer- lem darin, passende Packungsgrößen für einen und Feld steht auf dem Publikationsserver den. Das lässt sich unter anderem damit erklä- bedarfsgerechten Einkauf zu finden. OpenAgrar als Download-Angebot bereit. ren, dass der Wissensstand in der Bevölkerung Es zeigte sich, dass die Haushalte nur rund die Die Ergebnisse der Bodenzustandserhebung (noch) gering ist. So ist beispielsweise kaum be- Hälfte der Lebensmittel, die sie tatsächlich weg- sind im Thünen Report 64 und als Kurzfassung in kannt, dass Palmöl im Vergleich zu anderen werfen (85 kg pro Kopf ), im Tagebuch aufzeich- einer gemeinsam mit dem BMEL herausgegebe- Pflanzenölen am wenigsten Anbaufläche benö- nen. Die Tagebucherhebung eignet sich deshalb nen Broschüre veröffentlicht worden. Auch in tigt und »palmölfrei« daher nicht zwangsläufig nicht für die absolute Mengenbestimmung, lie- dem Fachbuch »Unsere Böden entdecken« finden besser ist. Gezielte Aufklärung interessierter Ver- fert aber wertvolle Informationen zur Abfallzu- sich viele Bilder von Bodenprofilen, die im Zuge braucher zum Thema Palmöl kann so einen sammensetzung, über Entsorgungswege und der BZE-LW aufgenommen wurden. MW nachhaltigen Konsum fördern. FI die Ursachen für die Entsorgung. FI KONTAKT: christopher.poeplau@thuenen.de KONTAKT: cordula.hinkes@thuenen.de KONTAKT: felicitas.schneider@thuenen.de
4 FORSCHUNG Was die Wälder uns wert sind Ökosystemleistungen von Deutschlands Wäldern erstmals flächendeckend monetär bewertet Wälder sind Rohstofflieferanten, Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Klima- schützer und Erholungsorte. So vielseitig ihre Ökosystemleistungen sind, so unterschiedlich sind die Ansprüche der Gesellschaft an Deutschlands Wälder. Die ökonomische Bewertung von Waldleistungen kann beim Interessenausgleich helfen – besonders dann, wenn sie regionale Unterschiede beachtet. Das Thünen-Institut hat ermittelt, welche ökonomi- Nordosten dagegen ist das Erlöspotenzial geringer, schen Werte wesentliche Ökosystemleistungen des obwohl das Gebiet waldreich ist. Denn im Vergleich Waldes in Deutschland haben, und ein Modell ent- zu Fichte und Eiche liegt der Holzpreis der Kiefer wickelt, mit dem sich die regionale Verteilung dieser deutlich niedriger. Werte darstellen lässt. Im Einzelnen sind das: • Leistungen für die Rohholzproduktion, Klimaschutzleistungen • Leistungen für den globalen Klimaschutz, Die Bewertung der globalen Klimaschutzleistung • Leistungen für die Erholung der Bevölkerung im erfolgt anhand der jährlichen Einbindung von Koh- Alltag sowie lenstoff. Diese Leistung wird ebenfalls über den • Leistungen für Naturschutz und Landespflege. nachhaltig nutzbaren Zuwachs quantifiziert, aus dem mit verschiedenen Modellen der Zuwachs an Rohholzproduktion oberirdischer Baum-Biomasse hochgerechnet und Die Bewertung der Rohholzproduktion hat das die Speicherung in Holzprodukten sowie die Substi- Ziel, den Nutzen der Wälder als Holzlieferanten tutionspotenziale abgeschätzt werden. Bewertet mit aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive abzubil- aktuellen Preisen aus dem Emissionshandel beträgt den. Daher wird die Holzproduktion anhand ihres der jährliche Nutzen der Klimaschutzleistung der Erlöspotenzials bewertet. Dieses errechnet sich aus deutschen Wälder auf Basis des Netto-Zuwachses dem nachhaltig nutzbaren Zuwachs und betrug 2,1 Milliarden Euro. Anders als bei der Rohholzpro- im Jahr 2016 für ganz Deutschland ca. 7,1 Milli- duktion zeigt sich bei der Klimaschutzleistung der arden Euro brutto, das heißt ohne Abzug von Wälder eine gleichmäßigere Verteilung über ganz Erntekosten. Deutschland (Abbildung 2). In die regionale Verteilung geht nicht nur ein, wie hoch der Waldanteil in den jeweiligen Land- Erholungsleistungen kreisen ist. Auch der Anteil der verschiedenen Den monetären Nutzen der Bevölkerung für Nah- Baumarten, ihr Zuwachs und ihre jeweiligen Holz- erholung im Wald haben die Wissenschaftler des preise werden berücksichtigt. Abbildung 1 zeigt, Thünen-Instituts auf Basis einer repräsentativen dass etwa im Südosten der Bayerische Wald, im Bevölkerungsbefragung ermittelt. Aus ihr ergibt sich Südwesten der Schwarzwald, in der Mitte Spessart im Mittel eine hypothetische Zahlungsbereitschaft und Sauerland und weiter östlich das Erzgebirge von knapp 30 Euro pro Person im Jahr. Die durch- mit besonders hohen Erlöspotenzialen hervor schnittliche Zahlungsbereitschaft in den Gemeinden stechen, da diese Gebiete dicht bewaldet sind und wird über das Verhältnis von lokalen Waldbesuchern einen großen Anteil ertragreicher Baumarten wie zu Nicht-Besuchern und deren jeweilige Zahlungs Fichte und Eiche beheimaten. Im kieferngeprägten bereitschaften bestimmt, Waldbesucheranteile der
Wissenschaft erleben 2020 /2 FORSCHUNG 5 Abbildung 1: Rohholzproduktion Abbildung 2: Klimaschutzleistung Abbildung 3: Erholungsleistung 100 km 100 km 100 km Gemeinden werden statistisch geschätzt. Hoch zwischen 0 und über 6 Millionen Euro pro Jahr; dies Abbildungen 1-3: Regionale gerechnet auf die Gesamtbevölkerung (alle Einwoh- summiert sich auf etwa 1 Milliarde Euro pro Jahr für Verteilung in 1.000 Euro pro Quadratkilometer Landkreis ner) beträgt der Erholungswert 2,4 Milliarden Euro Deutschland insgesamt. fläche und Jahr pro Jahr. Anschließend wird berechnet, wie stark Ähnliche Auswahlexperimente wurden auch ≤ 6 Besuchsraten mit zunehmender Entfernung zurück- durchgeführt, um die Zahlungsbereitschaft für > 6 bis 12 gehen. Anhand dieser Entfernungsfunktion werden unterschiedliche Laub-, Nadel- und Mischwald > 12 bis 18 die Besuche aus den einzelnen Gemeinden über die anteile sowie für die Einrichtung von Naturschutz > 18 bis 24 umliegenden Wälder verteilt. gebieten im Wald zu ermitteln. > 24 bis 30 Im Ergebnis zeigt sich ein regionales Ver- > 30 teilungsmuster, das sich deutlich von dem der Nutzen für die Politik Rohholzproduktion und der Klimaschutzleistung Mit dem Modell des Thünen-Instituts lässt sich der unterscheidet (Abbildung 3). Die Zahlungsbereit- Wert der verschiedenen Ökosystemleistungen von schaft für Waldbesuche wird vor allem von der Deutschlands Wäldern nicht nur beziffern, sondern Bevölkerungsdichte beeinflusst, weniger von der auch systematisch vergleichen. Darüber hinaus Waldverteilung. Das Ruhrgebiet und das Umland lassen sich auch Szenarien unterschiedlicher Wald- größerer Städte, in denen die Nachfrage wegen der behandlungen und ihre regionalen Auswirkungen hohen Bevölkerungsdichte besonders groß ist, zeich- simulieren. Auf dieser Grundlage kann die Bundes- nen sich durch entsprechend hohe Zahlungsbereit- regierung beispielsweise die Rechtsetzung und die Regionalisierte Bewertung der schaften für Waldbesuche aus. öffentliche Förderung an den regional unterschied- Waldleistungen in Deutschland lich nachgefragten Ökosystemleistungen ausrich- Naturschutzleistungen ten, so dass die Leistungspotenziale der Wälder Peter Elsasser, Kerstin Altenbrunn, Zur Bewertung der Naturschutzleistungen wurden besser ausgeschöpft werden. Um dies zu unterstüt- Margret Köthke, Martin Lorenz, Jürgen Meyerhoff mehrere Indikatoren herangezogen, die den Zustand zen, enthält der Projektbericht (Thünen Report 79) Thünen Report 79 der Natur und ihre Veränderungen beschreiben. auch einen konkret ausgearbeiteten Organisa- Mit einem Auswahlexperiment, an dem ein tionsvorschlag, wie die unterschiedlichen Öko repräsentativer Bevölkerungsquerschnitt teilnahm, systemleistungen des Waldes durch Märkte, private Peter Elsasser, Kerstin Altenbrunn, Margret Köthke, konnten die Wissenschaftler unter anderem die Nachfrager und staatliche Zahlungen gemeinsam Martin Lorenz, Jürgen Meyer Zahlungsbereitschaft für eine Wiederherstellung honoriert werden könnten. UH hoff (2020): Regionalisierte der ursprünglichen Artenvielfalt in den Regionen Bewertung der Waldleistungen ermitteln. Sie schwankt in den einzelnen Kreisen KONTAKT: peter.elsasser@thuenen.de in Deutschland.
6 FORSCHUNG Der Duft des Holzes Welchen Einfluss Baustoffe aus Holz auf die Luftqualität von Wohnräumen haben Ende 2019 sind in Deutschland Bauvorschriften eingeführt worden, nach denen bestimmte Holzprodukte Emissionswerte einhalten müssen. Neben Formalde- hyd werden vor allem flüchtige organische Verbindungen geprüft. Holz ist ein organisches Material mit organischen Verbindungen, die bereits unter normalen Bedingungen flüchtig sind. Daher können wir Holz nicht nur gut riechen – die Substanzen sind auch messbar. Für einige Holzprodukte kann die Emissionsbewer- Holz- und Holzbau-Verbände) untersucht, wie tung zu einer kritischen Einstufung führen, da flüch- der Zusammenhang zwischen der individuellen tige organische Verbindungen (VOC; engl. Volatile Produkt-Emissionsprüfung und der tatsächlichen Organic Compounds) in höheren Konzentrationen Raumluftkonzentration ist. Dazu wurden am Thü- als potenziell gesundheitlich bedenklich gelten. nen-Standort Bergedorf vier Modellhäuser mit Die Emissionsbewertung von Baustoffen soll den unterschiedlichen und typischerweise verwende- Bauherren bzw. den Verbraucherinnen und Ver- ten Wandaufbauten in Holzbauweise errichtet. In brauchern Sicherheit geben, dass die Bauprodukte ihnen wurde zwei Jahre lang einmal wöchentlich die im Hinblick auf die Raumluftqualität unproblema- Qualität der Raumluft gemessen. Die Modellhäuser tisch sind. Daher werden die Prüfungen möglichst unterschieden sich hinsichtlich Materialauswahl und praxisnah durchgeführt: Unter Laborbedingungen Bauweise (siehe Grafiken). wird das Produkt in einer Prüfkammer getestet und Für diese Untersuchung wurden nur die Emis- dabei z. B. der Beladungsfaktor, also die Proben- sionen aus den Wänden betrachtet; der Fußbo- oberfläche im Verhältnis zum Raumvolumen, anhand den und die Decke blieben unberücksichtigt und eines Modellraums (mit 30 m3 Volumen) berücksich- wurden mit diffusionsdichter Folie vom Innen- tigt. Fachleute sprechen hier von dem Szenario der raum isoliert. Parallel dazu wurde für alle verwen- beabsichtigten Verwendung, dabei werden die Pro- deten Baustoffe normgerecht die Emissionsrate dukte allerdings nur einzeln und nicht als Kombina- ermittelt. tion miteinander (z. B. als Wandaufbau) betrachtet. In der Praxis führt das zu einer erheblichen Verun Stoffe verhalten sich unterschiedlich sicherung, da nicht sicher abgeschätzt werden kann, Um die jeweiligen Produktemissionen ins Verhält- Vier Modellhäuser welche tatsächlichen Auswirkungen auf die Raum- nis mit der Raumluftqualität zu setzen, wurden für unterschiedlicher Bauweise auf dem Gelände des luft von der Materialkombination ausgeht. jedes Modellhaus die Emissionsraten der in der Thünen-Instituts in Aus diesem Grund hat das Thünen-Institut Wand verbauten Konstruktionsmaterialien aufsum- Hamburg-Bergedorf. zusammen mit Partnern (Fraunhofer WKI sowie miert und mit den Raumkonzentrationen vergli- chen. Dabei wurde für flächig verbaute Produkte ihr Beladungsfaktor berücksichtigt. Für Baumaterialien, die nicht vollflächig verbaut waren, konnte die rele- vante Oberfläche nicht eindeutig bestimmt werden, sodass verschiedene Szenarien für die Berechnung des Beladungsfaktors angenommen wurden. So ergaben sich für jeden Haustyp insgesamt drei theo- retische Raumluftkonzentrationen, die im Anschluss mit dem Mittelwert der tatsächlich gemessenen Konzentration verglichen wurden.
Wissenschaft erleben 2020 /2 FORSCHUNG 7 1. 2. 3. 4. Keine der Berechnungsweisen ergab Übereinstim- beeinflussen: Begonnen wurde mit den Raum- Konstruktionszeichnungen der mungen für alle VOC-Stoffgruppen: Während die luftmessungen im Sommer. Zu diesem Zeitpunkt Wände in den vier Modell- wurden die höchsten VOC-Konzentrationen gemes- häusern: Berechnung für die Stoffgruppe Terpene durchaus 1. diffusionsoffener moderner gelingen kann, werden die Konzentrationen der sen, mit fortschreitender Zeit nahmen sie bis zum Brettsperrholz-Aufbau, Aldehyde durch die Modellierung um ein Vielfaches Winter hin ab, stiegen dann aber im Verlauf der 2. diffusionsoffener klassischer überschätzt. Ursache dafür sind Unterschiede dieser Frühlings- und Sommermonate wieder an. Im Folge- Holzrahmenbau mit Stän- Stoffgruppen in den bauphysikalischen Prozessen jahr wiederholten sich diese Änderungen in abge- derwerk in Fichte, schwächter Weise. Ursache für die Schwankungen: 3. diffusionsoffener klassischer (Adsorption, Desorption und Diffusion). Es lässt sich Holzrahmenbau mit Stän- schlussfolgern, dass mit dem aktuell bestehenden Mit höherer Temperatur steigt der Dampfdruck der derwerk in Kiefer, Verfahren der Produktprüfung keine realistischen flüchtigen Verbindungen; damit sind sie in höheren 4. diffusionsbremsende oder realitätsnahen Werte der Raumluftkonzentra- Konzentrationen messbar. Für das Verständnis der Holzrahmenbauweise mit tion abgeleitet werden können. Raumluftkonzentrationen ist nun entscheidend, an Ständerwerk in Kiefer. Für einige Holzprodukte (z. B. Spanplatten oder welcher Position im Bauwerk die Temperatur beson- OSB) ist dies bedeutsam, da sie insbesondere Alde- ders relevant ist: im Rauminneren oder in der Wand? hyde in nennenswerten Mengen emittieren, was zu Aus der bisherigen Datenanalyse ließ sich dies nicht einer Abwertung führen kann. Diese Stoffe können klar erkennen, da sich die Werte über die Jahreszei- aber aus den untersuchten Konstruktionen nicht in ten in gleicher Richtung ändern. Weil aber dieser relevanten Mengen in den Innenraum gelangen, Parameter für technische Optimierungsstrategien sodass das Szenario der beabsichtigten Verwendung eine zentrale Rolle einnimmt, soll dies in einem der Produkte auch im Hinblick auf die emittierten zukünftigen Projekt näher untersucht werden. Stoffe berücksichtigt werden sollte. Ein weiterer Faktor bei der Emissionsbewertung ist der Summenwert für Fazit alle detektierten Stoffe. Die Erkenntnisse aus dieser Wenn die Statik und die Standsicherheit eines Untersuchung zeigen allerdings, dass von dieser Gebäudes bemessen werden soll, sind die Material- Betrachtung für Holzprodukte Abstand genommen kennwerte eine gute und verlässliche Berechnungs- werden sollte – gerade weil sich die unterschiedli- grundlage. Anders hingegen bei der Beurteilung von chen Stoffgruppen nicht gleich verhalten, ist eine Emissionen in die Luft von Innenräumen – hierfür gleichwertige Bewertung nicht zielführend. Stattdes- sind die Materialkennwerte allein kein guter Indikator, sen wäre es sinnvoll, auf Basis der Produktprüfung da viele der derzeit noch unberücksichtigten Parame- auch eine Bauteilprüfung durchzuführen, um so den ter Einfluss auf die Luftkonzentration haben. Eine zu tatsächlichen Einfluss auf die Luftqualität im Innen- starke Vereinfachung dieser Zusammenhänge führt raum sicherer abschätzen zu können. zu einer Benachteiligung von einigen Holzprodukten, da die Emissionen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Einflussfaktor Temperatur Raumluftkonzentration überbewertet werden. MO Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Tem- peraturen die Raumluftkonzentrationen sehr stark KONTAKT: martin.ohlmeyer@thuenen.de
8 MENSCHEN & MEINUNGEN »Mit klassischen Kennzahlen kommen wir nicht weiter« Ein Gespräch über nachhaltige Milchproduktion Das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft hat großen Anteil an der Entwick- lung des »QM-Nachhaltigkeitsmoduls Milch«. Institutsleiterin Hiltrud Nieberg, die das Projekt vor acht Jahren initiiert hat, und Projektleiterin Tomke Lindena erläutern, welche Vorteile es für die Milchbranche und die Politik bringt. Der Projekttitel QM-Nachhaltigkeitsmoduls Milch sich 29 Molkereiunternehmen, mit zigtausenden ist nicht selbsterklärend. Können Sie unseren Milcherzeugern. Die mitwirkenden Molkereien ver- Lesern kurz erläutern, worum es in dem Projekt arbeiten mehr als die Hälfte der gesamten Milch geht? anlieferung Deutschlands. TL: Mit dem Nachhaltigkeitsmodul will die deutsche Milchbranche Stärken und Schwächen im Hinblick auf Warum machen so viele Molkereien mit – und nachhaltige Milcherzeugung erkennen und Verbes- bezahlen das Projekt auch noch? serungen anstoßen. Die Landwirte füllen einen Fra- HN: Viele Molkereien kümmern sich schon lange gebogen aus, der 86 Kriterien erfasst, und dieser wird um ihre Nachhaltigkeit und berichten hierüber auch dann vom Thünen-Institut ausgewertet. Für jedes Kri- öffentlich. Sie haben dabei festgestellt, dass sie zur terium wird bewertet, wo der Betrieb auf einer Skala Frage, wie nachhaltig die Milcherzeugung bei ihren von »besonders gut« bis »ungünstig« steht. Die Krite- Lieferanten ist, keine qualifizierten Auskünfte geben rien decken vier Säulen der Nachhaltigkeit ab: Ökolo- können. Ihr Fazit war eindeutig: Mit klassischen gie, Ökonomie, Soziales und Tierwohl. Kennzahlen wie Milchleistung je Kuh oder Zellzahl je Milliliter Milch kommen wir hier nicht weiter. Vier Säulen der Nachhaltigkeit? Normalerweise TL: Für einige Molkereien ist vielleicht auch der gibt es doch nur drei. Druck der abnehmenden Hand maßgeblich. Große HN: Wir haben uns die Kriterien und deren Bewer- Lebensmittelkonzerne drängen darauf, belastbare tung nicht einfach ausgedacht, sondern in einem Informationen entlang der gesamten Kette zu erhal- mehrstufigen Prozess entwickelt. Ausgehend vom ten. Wer die nicht liefern kann, wird früher oder aktuellen Stand der Wissenschaft haben wir in später wichtige Abnehmer verlieren. Insofern ist das einem Multistakeholder-Prozess mit Akteuren aus Ganze auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft den Kriterienkatalog erarbeitet. Dabei sollten alle Punkte Kann die Milchbranche die benötigten Daten berücksichtigt werden, die für die Gesellschaft wich- nicht einfach aus der Agrarstatistik entnehmen, tig sind. Hier wurde schnell klar: Eine Milchbranche, oder aus dem BMEL-Testbetriebsnetz? die das Tierwohl nicht beachtet, hätte langfristig HN: Schön wär´s. Leider bilden diese Statistiken nur keine Zukunft und wäre somit nicht nachhaltig. einige Teilaspekte der Nachhaltigkeit ab. Deshalb gibt es zu unserer Erhebung von Originaldaten Wie viele Milchviehbetriebe sollen in die Erhe- keine Alternative. Wir haben aber bei unserem Kon- bung einbezogen werden? zept sehr darauf geachtet, dass wir mit vorhandenen TL: In der dreijährigen Pilothase, in der wir das Kon- Dokumentationen, z. B. der Milchleistungsprüfung, zept deutschlandweit auf Herz und Nieren geprüft kompatibel sind. Gut organisierte Landwirte haben haben, waren zum Schluss rund 8.000 landwirt- somit die meisten Daten schnell zur Hand. Dennoch: schaftliche Betriebe beteiligt. Jetzt wird das überar- Im Durchschnitt sind drei Stunden für das Ausfüllen beitete Konzept weiter verbreitet. Bisher beteiligen des Fragebogens zu veranschlagen.
Wissenschaft erleben 2020 /2 MENSCHEN & MEINUNGEN 9 Tomke Lindena (o. li.) und Hiltrud Nieberg (o. re.) mit dem Thünen-Team des Projekts »QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch« in einer Videokonferenz. Das Projekt wird gemeinsam mit dem QM-Milch e. V. durch- geführt. Was sagen die Landwirte, wenn sie schon wieder Was haben das Thünen-Institut und das BMEL von einen Fragebogen ausfüllen müssen? diesem Projekt? HN: Anfangs ist es tatsächlich so, dass die meisten HN: Zunächst einmal freut es uns, dass hier eine Landwirte über die zusätzliche Belastung stöhnen. Gemeinschaftsaktivität entstanden ist, die zu einer Manche können auch nicht nachvollziehen, weshalb Verbesserung der Nachhaltigkeit führt, ohne dass so persönliche Aspekte wie Ehrenamt oder Urlaub der Staat die Landwirte mit neuen Auflagen trak- abgefragt werden, und manche sind einfach nur tieren muss. Zugleich entsteht durch unsere zent- in Sorge, dass ihre Daten in falsche Hände geraten. rale Auswertung ein aussagekräftiges Monitoring, Wir haben aber festgestellt, dass sich bei vielen das sich bestens für den Dialog mit der Gesell- Landwirten irgendwann eine andere Optik einstellt: schaft eignet. Auf dieser breiten Datengrundlage Schon beim Ausfüllen des Fragebogens werden sie kann die Politik viel besser beurteilen, welche angeregt, verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit Defizite die Branche selbst in den Begriff bekommt in ihrem Betrieb neu »zusammenzudenken«. und wo sie gegebenfalls ergänzend steuern TL: Wenn die Landwirte die Ergebnisse erhalten muss. und darin ihren Betrieb mit anderen vergleichen können, gibt ihnen das viel Futter für neue Gedan- Wie passt dieses Projekt zum Projekt Q Check, ken und betriebliche Veränderungen. Auch nach über das wir in dieser Ausgabe ebenfalls außen kommt die Bereitschaft, sich einer quantitati- berichten? ven Analyse zu stellen, gut an. Manche nehmen die TL: Wir haben uns intensiv mit dem Projekt Q Check Zahlen mit, wenn sie eine Investition mit ihrer Bank ausgetauscht. Deren Ergebnisse sind in das Nachhal- besprechen wollen. tigkeitsmodul eingeflossen. Q Check unterstützt die Landwirte bei ihrer Verpflichtung zur Eigenkontrolle Müssen Landwirte befürchten, dass sie bei nach dem Tierschutzgesetz. Mit dem Nachhaltig- schlechten Indikatorwerten sanktioniert werden? keitsmodul kann die Milchbranche ihre Nachhal- HN: Nein! Das ist vertraglich vereinbart. Das Projekt tigkeit in den Dimensionen Ökonomie, Ökologie, kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn die Land- Soziales und Tierwohl verbessern und dies auch wirte ehrlich antworten. Würden die Angaben der öffentlich dokumentieren. Drittens ist auch noch Landwirte zu deutlichen wirtschaftlichen Vor- oder das Nationale Tierwohlmonitoring zu nennen, an Nachteilen für den Einzelnen führen, wären durch- dem ebenfalls gerade gearbeitet wird. Alle drei aus Falschmeldungen zu befürchten. Jeder weiß Entwicklungen sind sinnvoll, um die Tierhaltung in doch, dass etliche Kriterien kaum justiziabel kont- eine gute Zukunft zu führen. rolliert werden können. Um die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse zu verbessern, haben einige Molkereien Frau Nieberg, Frau Lindena, vielen Dank für das allerdings Stichprobenkontrollen bei den Milcher- Gespräch. FI zeugern angekündigt.
10 FORSCHUNG Alles fließt – auch in der Bioökonomie Monitoring der biobasierten Stoffströme in Deutschland Die Politik strebt an, den Verbrauch fossiler Rohstoffe immer weiter zu reduzieren und eine kreislauforientierte Wirtschaft zu schaffen. Hierbei sollen auch die Po- tenziale der Bioökonomie genutzt werden. Das Thünen-Institut hat ein Konzept für ein systematisches Bioökonomie-Monitoring entwickelt. Der Begriff Bioökonomie oder »biobasierte Wirt- tise zugute, die die Bereiche Landwirtschaft, schaft« bezeichnet zweierlei: zum einen jenen Forstwirtschaft und Fischerei überspannt. Der Teil der Wirtschaft, der nachwachsende Rohstoffe Schwerpunkt der bisherigen Arbeiten lag auf der erzeugt oder verwendet, zum anderen die Nut- Analyse der Stoffflüsse sowie auf der Entwick- zung biologischen Wissens im Wirtschaftsleben. Die lung einer Methode, Nachhaltigkeitseffekte zu Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft ist Teil der erfassen. Bioökonomie. Ein ständiges Wachstum der Bioökonomie Stoffströme grafisch zusammengefasst ist nicht automatisch »gut«. Das gilt auch für die Die Abbildung stellt den Stofffluss des biobasierten Substitution fossiler Rohstoffe. Diese wird nur Ressourceneinsatzes in Deutschland dar. Die bio- dann zu einer nachhaltigen Wirtschaft führen, basierten Ressourcen sind in landwirtschaftliche wenn bei der Erzeugung und Verarbeitung der (orange), forstliche (grün) und aquatische (blau) biobasierten Rohstoffe die Prinzipien der Nach- Stoffströme untergliedert. Jeder Stoffstrom beginnt haltigkeit erfüllt sind. Hierbei sind auch mögliche mit der inländischen Produktion. Die weitere Verar- Nebenwirkungen zu beachten, beispielsweise beitung der Ressourcen wird von oben nach unten die Ausbeutung endlicher Lagerstätten für Phos- abgebildet, ab der ersten Verarbeitungsstufe in hel- phatdüngemittel oder die Entwaldung in den lerer Farbgebung. Von links fließen Importe in den Tropen. inländischen Stoffstrom. Exporte verlassen das Land Um beurteilen zu können, wie sich die Bio- nach rechts. ökonomie in Deutschland entwickelt und wie Als wichtige Zwischenstufen sind das Gesamtauf- diese Entwicklung zu bewerten ist, benötigt man kommen aller Rohstoffe sowie das Gesamtauf- ein aussagekräftiges Monitoring. Dieses sollte im kommen aller verarbeiteten Waren dargestellt. Die Idealfall aus zwei Bereichen bestehen. Zunächst Verarbeitung der Biomasse ist in dem Bild sehr stark einmal muss eine konsistente, zeitreihenfähige zusammengefasst. Einzelne Zwischenschritte in der Datenlage darüber geschaffen werden, wie viel Verarbeitung (z. B. vom Rohholz zum Schnittholz biobasierte Rohstoffe und Produkte erzeugt, zum Möbel) werden nicht gezeigt. Die Verwendung im- und exportiert, verarbeitet, konsumiert, im Inland ist unterteilt in stoffliche Nutzung, ener- wiederverwertet und entsorgt werden. Darauf getische Nutzung, Futtermittel und Nahrungsmit- aufbauend müssen dann weiterführende Analyse- tel. Alle Werte sind in der Einheit 1.000 Tonnen atro werkzeuge entwickelt werden, um die Nachhaltig- (= absolut trocken, also nur die Biomasse ohne keitswirkungen der Bioökonomie abschätzen zu Wasser) dargestellt. können. Die gesamte Rohstoffproduktion beträgt Das Thünen-Institut hat nun im Auftrag des 185 Mio. Tonnen. Fast drei Viertel hiervon sind BMEL und der Fachagentur Nachwachsende Roh- landwirtschaftliche Ressourcen, gut ein Viertel stoffe (FNR) ein Konzept für den Aufbau eines ist forstliche Biomasse. Zu beachten ist hier, dass systematischen Monitorings der Bioökonomie die inländische Produktion von Recyclingstof- entwickelt. Hierbei kam ihm seine breite Exper- fen wie Altpapier und Altholz mit eingerechnet
Wissenschaft erleben 2020 /2 FORSCHUNG 11 Inlandsproduktion Import 15.063 136.646 Export 68 33.115 Rohstoffe 20.114 80 6.937 Aufkommen Rohstoffe Rohstoffe 14.509 78 56.628 3.779 142.252 71 Verarbeitete Waren 18.817 527 25.485 Aufkommen verarbeitete Waren Verarbeitete 338 Waren 23.076 22.861 21.362 25.277 88.941 0,4 259 33.976 4.330 23.213 0,02 Stoffströme der Bioökonomie in Deutschland: Stoffliche Energetische Futtermittel Nahrungs- grün = forstlich Nutzung Nutzung mittel orange = landwirtschaftlich Inlandsverwendung blau = aquatisch (alle Werte in 1.000 t Trocken- masse) ist (grün schraffiert). Aquatische Biomasse macht Biobasiert = nachhaltig? nur einen sehr kleinen Teil aus. Die Import- und Aufbauend auf der Analyse der Stoffflüsse kann Exportanteile sind bei der landwirtschaftlichen auch untersucht werden, ob Produkte der Bioöko- Biomasse besonders niedrig: Nur gut ein Fünf- nomie im Vergleich zu anderen Produkten nachhal- tel der Gesamtmasse wird ein- bzw. ausgeführt. tiger sind und wie nachhaltig die Bioökonomie als Forstbasierte Biomasse wird zu etwa 40 % der Ganzes ist. Das lässt sich nicht pauschal mit ja oder gesamten Masse importiert, aber ein Drittel in nein beantworten. Es hängt zum einen von den Form von Holzwaren auch wieder exportiert. Bei jeweiligen Produktions- und Verarbeitungsstruktu- aquatischen Ressourcen ist der Außenhandel von ren ab, zum anderen davon, wie stark die Expansion besonders großer Relevanz. 85 % der Gesamt- der Bioökonomie die natürlichen Ressourcen unse- masse werden eingeführt, knapp 60 % wieder res Planeten beansprucht. Mehr Informationen und ausgeführt. Ergebnisse hierzu sind im Thünen Working Paper Der weitaus größte Teil der landwirtschaftlichen Nr. 149 nachzulesen. Biomasse (138 Mio. t) wird als Futtermittel verwendet Derzeit gestattet die Datengrundlage ein Setting up a bioeconomy monitoring: (89 Mio. t). Die aus diesen Futtermitteln erzeugten umfassendes Monitoring nur bis zur ersten Verar- Resource base and sustainability tierischen Nahrungsmittel (7 Mio. t) sind in der Abbil- beitungsstufe. Rest- und Abfallströme lassen sich dung bereits im Nahrungsmittel-Strom (insgesamt nur ansatzweise einbinden. Die Voraussetzungen 21 Mio. t) enthalten. zur Abschätzung von Nachhaltigkeitseffekten sind Susanne Iost, Natalia Geng, Jörg Schweinle, Martin Banse, Simone Brüning, Dominik Jochem, Andrea Machmüller, Holger Weimar Die vermeintlich ‚schlechte‘ Futterverwertung ist gegeben, bedürfen aber der weiteren Konkretisie- dadurch begründet, dass hier alle Größen in Trocken- rung. Die Datengrundlage wird sich nicht von selbst Thünen Working Paper 149 masse beschrieben werden. Dadurch fällt die Menge verbessern. Hier wären z. B. zusätzliche Berichts- erzeugter tierischer Nahrungsmittel vergleichsweise pflichten für die Wirtschaft nötig, was aber dem Susanne Iost, Natalia Geng, niedrig aus. Bedeutsam ist weiterhin die Biomasse- Politikziel des Bürokratieabbaus zuwiderliefe. Somit Jörg Schweinle, Martin Banse, verwendung zur Energieerzeugung, die sich zu fast wird letztlich politisch zu entscheiden sein, wie aus- Simone Brüning, Dominik Jochem, Andrea Machmüller, gleichen Teilen auf forstliche und landwirtschaftliche sagekräftig das Monitoring der Bioökonomie künf- Holger Weimar (2020): Biomasse aufteilt. Bei der stofflichen Nutzung domi- tig ausfallen kann. FI Setting up a bioeconomy niert dagegen die forstliche Biomasse mit fast 90 % monitoring: Resource base and Nutzungsanteil. KONTAKT: joerg.schweinle@thuenen.de sustainability.
12 FORSCHUNG Q Check: Tierwohl mit System Von der betrieblichen Eigenkontrolle zum nationalen Monitoring Wer Milchkühe hält, muss das Wohlergehen seiner Tiere anhand aussagefähiger Indikatoren bewerten. So will es das Tierschutzgesetz, ohne allerdings konkrete Vorgaben dazu zu machen. In dem Verbundprojekt Q Check wurden Indikatoren identifiziert, mit denen sich die Tiergesundheit in der Milchviehhaltung messen lässt. Mit ihnen wird nicht nur die Eigenkontrolle in den Betrieben möglich, ge- bündelt können sie auch einen Überblick über die Tiergesundheitssituation im Land geben. Seit Februar 2014 schreibt das Tierschutzgesetz für geeignet? Dieser Frage ging das Team aus Vertre- alle Halterinnen und Halter von Nutztieren eine terinnen und Vertretern der landwirtschaftlichen betriebliche Eigenkontrolle vor. So muss auch in Praxis, der Veterinärmedizin und der Agrar- und Milchviehbetrieben das Tierwohl anhand tierbezo- Sozialwissenschaften im Rahmen des dreijährigen gener Merkmale (Tierschutzindikatoren) beurteilt Forschungsvorhabens nach. werden. Zugleich gibt es die politische Forderung Der deutsche Milchviehsektor verfügt seit nach einem nationalen Tierwohlmonitoring, für das Jahren über vier etablierte Erfassungs- und Analy- ein indikatorengestütztes Monitoring und eine regel- sesysteme, die kontinuierlich und deutschlandweit mäßige Berichterstattung zentrale Elemente sind. Daten verarbeiten: die Milchkontrolle, die HIT- In dem Anfang 2017 am Thünen-Institut für Datenbank, die Milchgüteprüfung und das QM- Ökologischen Landbau gestarteten Verbundpro- Milch-System. Diese bestehenden Systeme dienen jekt Q Check wurde ein System aufgebaut, das Tier als Datengrundlage für Q Check. gesundheit in Milchviehbetrieben messbar macht Die Auswahl der Indikatoren erfolgte in einem – und zwar mithilfe von Daten bereits bestehender mehrstufigen Verfahren, in dem aus insgesamt Analyse- und Datenerfassungssysteme. Das System 53 Indikatoren 12 Indikatoren ausgewählt wurden, die kann den Einzelbetrieb bei der Eigenkontrolle der sich als besonders geeignet erwiesen (siehe Grafik). Herde und dem darauf aufbauenden Gesundheits- Für diese Indikatoren wurden zudem Ziel- und management unterstützen. Darüber hinaus lassen Warnwerte ermittelt, die es den Milchviehhalte- Q Check wurde im Rahmen des Programms zur Innovationsför- sich die Daten auch für ein nationales Monitoring rinnen und -haltern erleichtern, vor Ort mögliche derung der BLE durchgeführt. nutzen, das Aussagen über den Status quo von Tier- Handlungsfelder zur Stärkung des Tierwohls zu gesundheit bzw. Tierwohl in der Milchviehhaltung erkennen. Merkblätter mit Hintergrundinforma- Projektpartner waren die Hoch- in Deutschland ermöglicht. Je nach Auswertungs tionen zu den einzelnen Indikatoren sowie den schule Osnabrück, das Landes- tiefe werden 88 bis 100 % aller bundesdeutschen jeweiligen Ziel- und Warnwerten stehen unter kuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Milchkühe erfasst. Diese Reichweite unterscheidet https://infothek.q-check.org/ zum Download zur Bayern, die Ludwig-Maximi- das Vorhaben von allen vergleichbaren Projekten im Verfügung. lians-Universität München, Milchviehbereich in Deutschland. das Thünen-Institut und die Q Check-Report Vereinigte Informations- 12 Indikatoren Q Check schafft mit dem kostenlosen Q Check- systeme Tierhaltung (vit). Der Deutsche Verband für Leis- Welche Indikatoren der bestehenden Erfassungs- Report die Möglichkeit, das Potenzial der bereits tungs- und Qualitätsprüfungen und Analysesysteme sind für die betriebliche Eigen- verfügbaren Indikatoren auszuschöpfen. Der Report koordinierte das Projekt. kontrolle und ein nationales Tierwohl-Monitoring wird den teilnehmenden Betrieben quartalsweise
Wissenschaft erleben 2020 /2 FORSCHUNG 13 Die zwölf Tierwohl- Indikatoren im Q Check-System. von ihrem Landeskontrollverband übermittelt. Mit- zeit gemeinsam mit Partnern Vorschläge für die hilfe eines Benchmarking-Systems haben sie die betriebliche Eigenkontrolle anhand von Indikato- Möglichkeit, die Entwicklung ihrer Herde zu verfol- ren, die direkt an den Tieren und im Stall zu erhe- gen. So lassen sich Problembereiche schnell erken- ben sind. In dem noch laufenden Projekt EiKoTiGer nen, und Maßnahmen zu Verbesserung können (Eigenkontrolle Tiergerechtheit) wurden diese Tier- unmittelbar eingeleitet werden. Zusätzlich ermög- schutzindikatoren, die 2016 als Leitfäden für die licht der Report Vergleiche mit anderen Betrieben Praxis veröffentlicht wurden, für Rind, Schwein und der gleichen Betriebsstruktur. Das hilft dabei, das Geflügel in rund 120 Betrieben einem Praxistest eigene Tun und Wirken einzuordnen. Die flächen- unterzogen. Dazu wurde ein Orientierungsrahmen deckende Erhebung der Tierwohldaten mit den veröffentlicht (http://bit.ly/projekt_eigenkontrolle). bestehenden Erfassungssystemen gewährleistet Daneben koordiniert das Thünen-Institut eine neutrale und objektive Beurteilung des Wohl- das Verbundvorhaben NaTiMon (Nationales Tier- ergehens von Milchkühen. wohl-Monitoring), in dem die Grundlagen für ein Auch für den Aufbau eines nationalen Tierwohl- regelmäßiges, indikatorengestütztes Tierwohl- monitorings bietet Q Check einen ersten Lösungs- Monitoring für Rinder, Schweine, Geflügel, kleine ansatz: Anonymisiert können die Ergebnisse des Wiederkäuer sowie Forellen und Karpfen aus Aqua- Indikatorensets auch überregional für die Beurtei- kultur entwickelt werden. Ziel ist eine regelmäßige lung des Status quo herangezogen werden und so Berichterstattung über das Tierwohl in der deut- ein sachlich fundiertes Bild der Tierwohlsituation in schen Nutztierhaltung – zur objektiven Information Deutschland liefern. aller interessierten Bürgerinnen und Bürger sowie der Branche selbst und insbesondere der Politik Den Horizont weiten (www.nationales-tierwohl-monitoring.de). MW Nicht nur für Milchkühe, auch für Mastrinder und Aufzuchtkälber sowie die Nutztierarten Schwein KONTAKT: jan.brinkmann@thuenen.de und Geflügel erarbeitet das Thünen-Institut der- solveig.march@thuenen.de
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