Wissenschaft erleben - Thünen-Institut

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Wissenschaft erleben - Thünen-Institut
Wissenschaft erleben
 Was die Wälder uns wert sind  Q Check: Tierwohl mit System  Der Duft des Holzes  Alles fließt –
auch in der Bioökonomie  »Mit klassischen Kennzahlen kommen wir nicht weiter«  Dreimal 9 km2
Laborfläche  »…zuverlässige Datenreihen, um neue Umweltphänomene zu verstehen«

2020 /2
Wissenschaft erleben - Thünen-Institut
Inhalt
                            Ausgabe 2020/2

STANDPUNKT                          Strukturwandel in der Küstenfischerei aktiv gestalten
                                    Von Gerd Kraus und Christopher Zimmermann

                       1

INFO-SPLITTER                        Ź Hoffnung Heimkehrer                         Ź In deutsche Agrarböden blicken
                                     Ź In der Falle                                Ź Aufklärung über Palmöl nötig
                                     Ź Vom Apfeltrester zur Fumarsäure             Ź Verschwendung von Lebensmitteln
                  2–3

FORSCHUNG                           Was die Wälder uns wert sind                                  Alles fließt – auch in der Bioökonomie
                                    Ökosystemleistungen von Deutschlands                          Monitoring der biobasierten Stoffströme in
                                    Wäldern erstmals flächendeckend                               Deutschland
                       4            monetär bewertet                         10
                                    Der Duft des Holzes                                           Q Check: Tierwohl mit System
                                    Welchen Einfluss Baustoffe aus Holz                           Von der betrieblichen Eigenkontrolle zum
                                    auf die Luftqualität von Wohnräumen                           nationalen Monitoring
                       6            haben                                    12

MENSCHEN & MEINUNGEN                »Mit klassischen Kennzahlen                                   ThünenIntern
                                    kommen wir nicht weiter«                                      Meldungen aus dem Hause
                                    Ein Gespräch über nachhaltige
                       8            Milchproduktion                          17
                                    »…zuverlässige Datenreihen, um neue
                                    Umweltphänomene zu verstehen«
                                    Ein Gespräch über internationales
                       14           Waldmonitoring

PORTRAIT                            Dreimal 9 km2 Laborfläche
                                    Transdisziplinäre Forschung im Projekt FInAL

                       16

RÜCKBLICK & AUSBLICK                Ź Miombo – Afrikas Trockenwälder               Ź Baum App – ja bitte!
                                    Ź Digitalisierung von Null auf Hundert         Ź Spurensuche im Meer
                                    Ź Musterlandwirtschaft Tellow                  Ź 400.000-mal ländliche Räume
                18 – 20
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Wissenschaft erleben 2020 /2                                                                                     STANDPUNKT   1

Strukturwandel in
der Küstenfischerei
aktiv gestalten
Von Gerd Kraus und Christopher Zimmermann

Die Küstenfischerei an Nord- und Ostsee steckt tief      verschwinden. Denn sie können von den Neben-
in der Krise, und das obwohl die Überfischung seit       erwerbsbetrieben, die überwiegend auf Direkt-
der Jahrtausendwende drastisch zurückgegangen            vermarktung setzen, nicht ausreichend finanziert
ist. Es gibt vielfältige Faktoren, die diese für die     werden. Die indirekten Folgen reichen weit über den
ganze Küstenregion identitätsstiftende Fischerei-        Sektor Fischerei hinaus. Die handwerkliche Küsten­
form in ihrer Existenz bedrohen: Auswirkungen des        fischerei ist prägend für die Kultur und Lebensweise
Klimawandels beeinträchtigen die Produktivität ein-      an der Küste und hat allein schon deshalb eine erheb-
zelner, besonders wichtiger Arten. Hinzu kommen          liche regionalwirtschaftliche Bedeutung.
zunehmende Fanggebietsverluste, verschärfte                  Die Fortsetzung dieser Trends wird auch die
gesetzliche Auflagen für die häufig überalterten         Fischereipolitik vor neue Herausforderungen stel-
Fahrzeuge, die entsprechend schwierige Suche             len: Die Fortführung der Fischerei in der Fläche
nach Betriebsnachfolgern und das schlechte öffent-       durch Nebenerwerbsbetriebe stärkt den Tourismus,
liche Image der Fischerei. An der Ostseeküste macht      doch ist diese Fischereiform schwer zu überwachen.
die Rückkehr der Kegelrobben die Stellnetzfischerei      Dadurch steigt die Gefahr, dass die Fischbestände
zunehmend schwierig.                                     nicht nachhaltig genutzt werden – ein Zustand, der
     Die drastischen Quoteneinschnitte 2020 und          vom Mittelmeer gut bekannt ist. Das erhöht den
2021 bei Ostseehering, Dorsch und Nordseekabel-          Druck auf die Regierung, die Regeln auch für die
jau, die extremen Fangmengenschwankungen bei             Nebenerwerbs- und Freizeitfischerei zu verschärfen,
der Nordseegarnele und Corona-bedingte Absatz-           und endet absehbar im politischen Dauerstreit.
probleme haben dazu geführt, dass sich die Situa-            Ist das die Zukunft, die wir uns wünschen? Das
tion nochmals massiv verschärft hat. Weder für den       hängt von den Alternativen ab. Daher ist es sinnvoll,
Hering der westlichen Ostsee noch für den Kabel-         verschiedene Politikoptionen auszuarbeiten und
jau der südlichen Nordsee ist zu erwarten, dass die      zu untersuchen, wie sich diese auf die Zukunft der
Fangmengen wieder in die Nähe der Höchstwerte            Küstenfischerei und der Küstenregionen auswirken.
vergangener Jahrzehnte steigen.                          Im Endeffekt müsste daraus ein Konzept entste-
     Die kleinen Küstenfischereien sind in der Regel     hen, das eine bessere Langfristperspektive für die
nicht in der Lage, in andere Regionen oder auf andere    Küstenfischerei und die Nutzung der Fischbestände
Zielarten auszuweichen. Inzwischen stehen staatli-       aufzeigt und sowohl finanziell als auch administrativ
che Überbrückungshilfen und Stilllegungsprämien          umsetzbar ist.
zur Verfügung. Das kann den Betroffenen helfen,              Dauert das nicht viel zu lange? Keine Frage,
doch beschleunigt es auch den Niedergang der             der Strukturwandel ist in vollem Gange, und die
Haupt­erwerbsfischerei: Immer mehr Betriebe geben        Politik kann nicht immer warten, bis sorgfältig aus-
auf oder wechseln in den Nebenerwerb, wie derzeit        gearbeitete Zukunftskonzepte vorliegen. Anderer-
insbesondere an der Ostsee zu beobachten ist.            seits werden die Grundsatzfragen zur Zukunft der
     Wenn nun das mittlere Segment der haupter-          Küstenfischerei dauerhaft auf der Tagesordnung
werblichen Familienbetriebe zunehmend wegbricht,         bleiben, denn allein mit Notmaßnahmen lässt sich
bleiben einige große, effizient arbeitende Unterneh-     keine überzeugende Perspektive entwickeln. Des-
men übrig, außerdem zahlreiche Nebenerwerbs­             halb wollen wir unsere Forschung verstärkt auf die
fischer mit ihren weit weniger strengen Auflagen         Entwicklung von Lösungsoptionen ausrichten. Hier-
und Kontrollen. Das wirkt sich auf die Landstrukturen    für benötigen wir die Kompetenzen verschiedener
aus: Die Fischerei konzentriert sich auf wenige Häfen,   Forschungsdisziplinen, außerdem das Fachwissen
und Erzeugerorganisationen, die bisher Transport,        und die Kreativität der Wirtschaftsunternehmen
Kisten, Eis und Buchführung zur Verfügung stellen,       und der Verwaltung vor Ort.                        
Wissenschaft erleben - Thünen-Institut
2   INFO-SPLITTER

InfoSplitter

Hoffnung Heimkehrer                                    In der Falle                                         Vom Apfeltrester zur
                                                                                                            Fumarsäure
In öffentlichen Debatten wird oft die Hoffnung         In Deutschland gibt es derzeit etwa eine Million
geäußert, dass die Rückkehr von Personen, die          Wildschweine (Schwarzwild). Trotz intensiver Be-     Fumarsäure wird derzeit in Polymeren, Pharma­
zuvor abgewandert waren, zu einer Stabilisie-          jagung werden es immer mehr, unter anderem           zeu­tika sowie Lebens- und Futtermitteln verwen-
rung der demografischen Situation ländlicher           wegen milder Winter und des reichlichen Futter-      det und gilt als eine der potenziell ­wichtigsten
Räume beitragen kann. Das wäre insbesondere            angebots. Wildschweine sind Überträger der           biobasierten Chemikalien. Eine Fumar­säure­pro­
für jene ostdeutschen Regionen wichtig, die seit       Afrikanischen Schweinepest (ASP), die eine er­       duktion mit Pilzen wurde schon in den 1940er
der Wiedervereinigung lange eine Nettoabwan-           hebliche Gefahr für die landwirtschaftliche          Jahren durch­  geführt, aber durch die aufkom-
derung verzeichneten und es teilweise auch             Schwei­ ne­haltung und die Volkswirtschaft ist.      mende Petrochemie verdrängt. Heute wird Fu-
heute noch tun.                                        Deshalb sollen Schwarzwild-Populationen deut-        marsäure ausschließlich petrochemisch aus fossi-
    Das Thünen-Institut und das Institut für Ar­       lich reduziert werden.                               len Rohstoffen hergestellt.
beits­markt- und Berufsforschung (IAB) haben               Insbesondere dort, wo die ASP ausgebrochen            Eine Rückumstellung auf erneuerbare Roh-
sich in einem Projekt, das durch das Bundes­           ist oder das Schwarzwild nur schwer bejagt wer-      stoffe als Ausgangssubstanz für diese Chemikalie
programm Ländliche Entwicklung (BULE) geför-           den kann, sind Lebendfallen eine effektive Er-       würde die verbleibenden fossilen Rohstoffe scho-
dert wird, mit diesem Thema befasst. Es zeigte         gänzung zu anderen Jagdmethoden, die noch            nen und den CO₂-Ausstoß verringern. So kann die
sich, dass Rückwanderungen tatsächlich einen           zu wenig genutzt wird. Ihr Einsatz erfordert         aktuelle Klimabilanz verbessert und ein Beitrag
bedeutenden Anteil der Binnenwanderung aus-            jedoch spezifische Sachkenntnisse sowie eine in-     zum Übergang zu einer biobasierten Kreislauf-
machen: Im Zeitraum 2014 bis 2017 war mehr als         tensive Betreuung. Welche Potenziale Schwarz-        wirtschaft geleistet werden. Zum Erreichen die-
jeder vierte Umzug einer Arbeitskraft in eine an-      wildfänge haben, zeigt Belgien, wo im APS-­          ses Zieles ist die direkte biotechnologische Fu-
dere (Kreis-)Region eine Rückkehr in eine frühere      Gebiet im Jahr 2019 ca. 25 % der Wild­schweine       marsäureherstellung von besonderem Interesse.
Wohnortregion. In ländlichen Regionen mit ge-          in Fang­anlagen erlegt wurden.                            In einem europäischen Verbundprojekt ist es
ringen Zuzugsraten lag der Anteil der Rück­                Das Thünen-Institut für Waldökosysteme tes-      Forschern des Thünen-Instituts für Agrartechno-
wanderungen an den gesamten Zuzügen von                tet deshalb verschiedene Methoden und veran-         logie gelungen, Grundlagen für einen effizienten
Arbeitskräften teilweise über 40 Prozent. Den-         staltet einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch       Biokonversionsprozess für Fumarsäure zu legen.
noch muss die hohe Erwartung, dass Rückwan-            zu diesem emotionsbeladenen Thema. Größte            Als Rohstoff dient Apfeltrester, der als Reststoff
derungen von Arbeitskräften die demografische          Bedeutung hat die Vermeidung von Stress für          bei der Apfelsaftherstellung anfällt. In einem Fer-
Situation ländlicher Regionen stabilisieren, relati-   die gefangenen Tiere und letztlich die tierschutz-   mentationsverfahren mit dem Pilz Rhizopus
viert werden. Die Rückkehr früherer Abwanderer         gerechte und sichere Tötung. Dabei helfen Sicht-     ­arrhizus wurde aus dem Trester nach erneuter
kann aktuelle Fortzüge nur in wenigen Fällen           schutz an der Falle und die Verwendung von            Pressung und Reinigung des zuckerreichen
kompensieren. Außerdem geht die Rückwande-             Schalldämpfern. Es werden auch technische Fra-        S­aftes Fumarsäure bis zu einer Endkonzentration
rung in eine ländliche Region überwiegend zu-          gen zu Größe und Beschaffenheit der Fanganla-         von 80 g/L gebildet. Im internationalen Vergleich
lasten anderer ländlicher Regionen. In diesen Fäl-     ge, Auslösemechanismus, Vermeidung von Fehl-          der Fumarsäureherstellung aus Reststoffen
len ziehen Arbeitskräfte aus ländlichen Räumen,        fängen und Verletzungen betrachtet, ebenso die        konnte die Fumarsäurebildung damit rund ver-
in die sie zwischenzeitlich abgewandert waren,         Sicherheit von unbeteiligten Personen wie Spa-        doppelt werden.
in ihre frühere Wohnortregion zurück.                  ziergängern oder Pilzsammlern.                            Der neue Biokonversionsprozess stellt somit
    Nähere Einblicke gibt das Thünen Working               Das Institut hat dazu einen Methodenüber-         einen vielversprechenden Ansatz dar, zukünftig
Paper 144.                                     FI     blick veröffentlicht: www.thuenen.de/schwarz-         effizient biobasierte Fumarsäure zu produzie-
                                                       wildfaenge.                                  HP      ren.                                         UP 
KONTAKT: cornelius.peters@thuenen.de
                                                       KONTAKT: matthias.neumann@thuenen.de                 KONTAKT: anja.kuenz@thuenen.de
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Wissenschaft erleben 2020 /2                                                                                                                 INFO-SPLITTER     3

In deutsche Agrarböden                                   Aufklärung über Palmöl                                Verschwendung von
blicken                                                  nötig                                                 Lebensmitteln
Die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft                 Palmöl ist überall: in verarbeiteten Lebensmit-       Bis 2030 soll die Menge der weggeworfenen Le-
(BZE-LW), in den Jahren 2012 bis 2018 vom Thü-           teln, Kosmetik, Reinigungsmitteln, Biodiesel. Das     bensmittel halbiert werden. Die meisten Verluste
nen-Institut für Agrarklimaschutz durchgeführt,          vielseitig einsetzbare Öl wird kritisiert, weil für   fallen in den Privathaushalten an. Um hier nähe-
ist die erste umfassende und einheitliche Inven-         den Anbau weiterhin Regenwaldflächen abge-            re Einblicke zu bekommen, wurde am Thünen-
tur landwirtschaftlich genutzter Böden in                holzt werden. Immer mehr Produkte in Super-           Institut für Marktanalyse eine Tagebuch­
Deutschland. An 3.104 über das gesamte Bun-              märkten werden daher als »palmölfrei« bewor-          erhebung ausgewertet, an der fast 7.000
desgebiet verteilten Probenahmestellen wurden            ben. Auf der anderen Seite setzen viele große         repräsentativ ausgewählte Haushalte teilge-
die Vorräte an organischem Kohlenstoff bis in            Unternehmen auf Palmöl, das nach bestimmten           nommen haben.
eine Tiefe von einem Meter erfasst und Einflüsse         Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert wurde. Ent-         Nach dieser Erhebung entfallen jeweils 17 %
von Standort- und Nutzungsfaktoren auf die               scheiden sich Verbraucher eher für Produkte mit       der entsorgten Produkte auf frisches Obst und
Kohlenstoffvorräte analysiert.                           (zertifiziertem) Palmöl oder eher für palmölfreie     Gemüse. Etwas geringere Entsorgungsraten
    In der Bodenkunde spielt die visuelle Wahrneh-       Produkte? Und welche Faktoren beeinflussen            wurden für gekochte Speisen und Brot ermittelt.
mung von Bodenmerkmalen eine zentrale Rolle.             diese Entscheidungen?                                 Die weggeworfenen Lebensmittel landen zu je
Deshalb hat das Thünen-Institut eine WebGIS-An-             Um diese Fragen zu beantworten, haben              einem Drittel im Restmüll, im Biomüll und in an-
wendung veröffentlicht, in der alle 3.104 Boden-         Wissenschaftlerinnen des Thünen-Instituts für         deren Entsorgungswegen. Hauptgrund für die
profile zusammen mit einigen wesentlichen Kenn-          Marktanalyse Gruppendiskussionen und eine             Entsorgung (58 % der Nennungen) ist die man-
werten in ihrer Verteilung in Deutschland darge-         bundesweite Online-Befragung am Beispiel von          gelhaft empfundene Haltbarkeit. Allerdings wird
stellt sind. Die Vielfalt unserer landwirtschaftlichen   Nuss-Nougat-Creme und Schokokeksen durch-             nur in 6 % der Fälle auf das abgelaufene Mindest-
Böden wird somit auch visuell erlebbar.                  geführt.                                              haltbarkeitsdatum verwiesen.
    Die verschiedenen Bodenprofile können                   Die Ergebnisse zeigen, dass Verbraucher                Haushalte in kleineren Orten sowie Haushalte
unter        www.thuenen.de/bodenprofil-viewer/          mehrheitlich für palmölfreie Produkte votieren,       mit älteren Personen entsorgen mehr Lebens-
ein­gesehen werden. Aus Datenschutzgründen               wobei sich verschiedene Gruppen hinsichtlich          mittel als andere Gruppen. Auch in größeren
wurde die geographische Lage der einzelnen               ihrer Präferenzen gegenüber Palmöl unterschei-        Haushalten mit Kindern werden besonders viele
Bepro­  bungs­ punkte verschleiert; sie liegt in         den. Informationen zum Palmölanbau und den            Lebensmittel weggeworfen, vor allem weil zu
einem Umkreis von 4 km um den auf den Karten             Nachhaltigkeitsstandards beeinflussen die Prä-        große Portionen gekocht wurden. Bei kleineren
abgebildeten Beprobungspunkt. Der Kern­                  ferenzen für zertifiziertes Palmöl positiv, wobei     Haushalten besteht hingegen das Hauptprob-
datensatz mit den wichtigsten Daten aus Labor            palmölfreie Produkte weiterhin bevorzugt wer-         lem darin, passende Packungsgrößen für einen
und Feld steht auf dem Publikationsserver                den. Das lässt sich unter anderem damit erklä-        bedarfsgerechten Einkauf zu finden.
OpenAgrar als Download-Angebot bereit.                   ren, dass der Wissensstand in der Bevölkerung             Es zeigte sich, dass die Haushalte nur rund die
    Die Ergebnisse der Bodenzustandserhebung             (noch) gering ist. So ist beispielsweise kaum be-     Hälfte der Lebensmittel, die sie tatsächlich weg-
sind im Thünen Report 64 und als Kurzfassung in          kannt, dass Palmöl im Vergleich zu anderen            werfen (85 kg pro Kopf ), im Tagebuch aufzeich-
einer gemeinsam mit dem BMEL herausgegebe-               Pflanzenölen am wenigsten Anbaufläche benö-           nen. Die Tagebucherhebung eignet sich deshalb
nen Broschüre veröffentlicht worden. Auch in             tigt und »palmölfrei« daher nicht zwangsläufig        nicht für die absolute Mengenbestimmung, lie-
dem Fachbuch »Unsere Böden entdecken« finden             besser ist. Gezielte Aufklärung interessierter Ver-   fert aber wertvolle Informationen zur Abfallzu-
sich viele Bilder von Bodenprofilen, die im Zuge         braucher zum Thema Palmöl kann so einen               sammensetzung, über Entsorgungswege und
der BZE-LW aufgenommen wurden.                  MW      nachhaltigen Konsum fördern.                   FI    die Ursachen für die Entsorgung.               FI 

KONTAKT: christopher.poeplau@thuenen.de                  KONTAKT: cordula.hinkes@thuenen.de                    KONTAKT: felicitas.schneider@thuenen.de
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4   FORSCHUNG

                Was die Wälder uns wert sind
                Ökosystemleistungen von Deutschlands Wäldern erstmals
                flächendeckend monetär bewertet
                Wälder sind Rohstofflieferanten, Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Klima-
                schützer und Erholungsorte. So vielseitig ihre Ökosystemleistungen sind, so
                unterschiedlich sind die Ansprüche der Gesellschaft an Deutschlands Wälder. Die
                ökonomische Bewertung von Waldleistungen kann beim Interessenausgleich
                helfen – besonders dann, wenn sie regionale Unterschiede beachtet.

                Das Thünen-Institut hat ermittelt, welche ökonomi-      Nordosten dagegen ist das Erlöspotenzial geringer,
                schen Werte wesentliche Ökosystemleistungen des         obwohl das Gebiet waldreich ist. Denn im Vergleich
                Waldes in Deutschland haben, und ein Modell ent-        zu Fichte und Eiche liegt der Holzpreis der Kiefer
                wickelt, mit dem sich die regionale Verteilung dieser   deutlich niedriger.
                Werte darstellen lässt. Im Einzelnen sind das:
                • Leistungen für die Rohholzproduktion,                 Klimaschutzleistungen
                • Leistungen für den globalen Klimaschutz,              Die Bewertung der globalen Klimaschutzleistung
                • Leistungen für die Erholung der Bevölkerung im        erfolgt anhand der jährlichen Einbindung von Koh-
                   Alltag sowie                                         lenstoff. Diese Leistung wird ebenfalls über den
                • Leistungen für Naturschutz und Landespflege.          nachhaltig nutzbaren Zuwachs quantifiziert, aus
                                                                        dem mit verschiedenen Modellen der Zuwachs an
                Rohholzproduktion                                       oberirdischer Baum-Biomasse hochgerechnet und
                Die Bewertung der Rohholzproduktion hat das             die Speicherung in Holzprodukten sowie die Substi-
                Ziel, den Nutzen der Wälder als Holzlieferanten         tutionspotenziale abgeschätzt werden. Bewertet mit
                aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive abzubil-       aktuellen Preisen aus dem Emissionshandel beträgt
                den. Daher wird die Holzproduktion anhand ihres         der jährliche Nutzen der Klimaschutz­leistung der
                Erlöspotenzials bewertet. Dieses errechnet sich aus     deutschen Wälder auf Basis des Netto-Zuwachses
                dem nachhaltig nutzbaren Zuwachs und betrug             2,1 Milliarden Euro. Anders als bei der Rohholzpro-
                im Jahr 2016 für ganz Deutschland ca. 7,1 Milli-        duktion zeigt sich bei der Klimaschutzleistung der
                arden Euro brutto, das heißt ohne Abzug von             Wälder eine gleichmäßigere Verteilung über ganz
                Erntekosten.                                            Deutschland (Abbildung 2).
                    In die regionale Verteilung geht nicht nur ein,
                wie hoch der Waldanteil in den jeweiligen Land-         Erholungsleistungen
                kreisen ist. Auch der Anteil der verschiedenen          Den monetären Nutzen der Bevölkerung für Nah-
                Baumarten, ihr Zuwachs und ihre jeweiligen Holz-        erholung im Wald haben die Wissenschaftler des
                preise werden berücksichtigt. Abbildung 1 zeigt,        Thünen-Instituts auf Basis einer repräsentativen
                dass etwa im Südosten der Bayerische Wald, im           Bevölkerungsbefragung ermittelt. Aus ihr ergibt sich
                Südwesten der Schwarzwald, in der Mitte Spessart        im Mittel eine hypothetische Zahlungsbereitschaft
                und Sauerland und weiter östlich das Erzgebirge         von knapp 30 Euro pro Person im Jahr. Die durch-
                mit besonders hohen Erlöspotenzialen hervor­            schnittliche Zahlungsbereitschaft in den Gemeinden
                stechen, da diese Gebiete dicht bewaldet sind und       wird über das Verhältnis von lokalen Waldbesuchern
                einen großen Anteil ertragreicher Baumarten wie         zu Nicht-Besuchern und deren jeweilige Zahlungs­
                Fichte und Eiche beheimaten. Im kieferngeprägten        bereitschaften bestimmt, Waldbesucheranteile der
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Wissenschaft erleben 2020 /2                                                                                                                     FORSCHUNG   5

Abbildung 1: Rohholzproduktion              Abbildung 2: Klimaschutzleistung                Abbildung 3: Erholungsleistung

 100 km                                      100 km                                          100 km

Gemeinden werden statistisch geschätzt. Hoch­          zwischen 0 und über 6 Millionen Euro pro Jahr; dies         Abbildungen 1-3: Regionale
gerechnet auf die Gesamtbevölkerung (alle Einwoh-      summiert sich auf etwa 1 Milliarde Euro pro Jahr für        Verteilung in 1.000 Euro pro
                                                                                                                   Quadratkilometer Landkreis­
ner) beträgt der Erholungswert 2,4 Milliarden Euro     Deutschland insgesamt.
                                                                                                                   fläche und Jahr
pro Jahr. Anschließend wird berechnet, wie stark          Ähnliche Auswahlexperimente wurden auch
                                                                                                                          ≤ 6
Besuchsraten mit zunehmender Entfernung zurück-        durchgeführt, um die Zahlungsbereitschaft für
                                                                                                                          > 6 bis 12
gehen. Anhand dieser Entfernungsfunktion werden        unterschiedliche Laub-, Nadel- und Mischwald­                      > 12 bis 18
die Besuche aus den einzelnen Gemeinden über die       anteile sowie für die Einrichtung von Naturschutz­                 > 18 bis 24
umliegenden Wälder verteilt.                           gebieten im Wald zu ermitteln.                                     > 24 bis 30
     Im Ergebnis zeigt sich ein regionales Ver-                                                                           > 30

teilungsmuster, das sich deutlich von dem der          Nutzen für die Politik
Rohholz­produktion und der Klimaschutzleistung         Mit dem Modell des Thünen-Instituts lässt sich der
unterscheidet (Abbildung 3). Die Zahlungsbereit-       Wert der verschiedenen Ökosystemleistungen von
schaft für Waldbesuche wird vor allem von der          Deutschlands Wäldern nicht nur beziffern, sondern
Bevölkerungsdichte beeinflusst, weniger von der        auch systematisch vergleichen. Darüber hinaus
Waldverteilung. Das Ruhrgebiet und das Umland          lassen sich auch Szenarien unterschiedlicher Wald-
größerer Städte, in denen die Nachfrage wegen der      behandlungen und ihre regionalen Auswirkungen
hohen Bevölkerungsdichte besonders groß ist, zeich-    simulieren. Auf dieser Grundlage kann die Bundes-
nen sich durch entsprechend hohe Zahlungsbereit-       regierung beispielsweise die Rechtsetzung und die              Regionalisierte
                                                                                                                      Bewertung der

schaften für Waldbesuche aus.                          öffentliche Förderung an den regional unterschied-             Waldleistungen in
                                                                                                                      Deutschland

                                                       lich nachgefragten Ökosystemleistungen ausrich-
Naturschutzleistungen                                  ten, so dass die Leistungspotenziale der Wälder                Peter Elsasser, Kerstin Altenbrunn,

Zur Bewertung der Naturschutzleistungen wurden         besser ausgeschöpft werden. Um dies zu unterstüt-
                                                                                                                      Margret Köthke, Martin Lorenz,
                                                                                                                      Jürgen Meyerhoff

mehrere Indikatoren herangezogen, die den Zustand      zen, enthält der Projektbericht (Thünen Report 79)
                                                                                                                      Thünen Report 79
der Natur und ihre Veränderungen beschreiben.          auch einen konkret ausgearbeiteten Organisa-
    Mit einem Auswahlexperiment, an dem ein            tionsvorschlag, wie die unterschiedlichen Öko­
repräsentativer Bevölkerungsquerschnitt teilnahm,      systemleistungen des Waldes durch Märkte, private           Peter Elsasser, Kerstin
                                                                                                                   Alten­brunn, Margret Köthke,
konnten die Wissenschaftler unter anderem die          Nachfrager und staatliche Zahlungen gemeinsam
                                                                                                                   Martin Lorenz, Jürgen Meyer­
Zahlungsbereitschaft für eine Wiederherstellung        honoriert werden könnten.                    UH 
                                                                                                                   hoff (2020): Regionalisierte
der ursprünglichen Artenvielfalt in den Regionen                                                                   Bewertung der Wald­leistungen
ermitteln. Sie schwankt in den einzelnen Kreisen       KONTAKT: peter.elsasser@thuenen.de                          in Deutschland.
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6   FORSCHUNG

                                  Der Duft des Holzes
                                  Welchen Einfluss Baustoffe aus Holz auf die Luftqualität von
                                  Wohnräumen haben
                                  Ende 2019 sind in Deutschland Bauvorschriften eingeführt worden, nach denen
                                  bestimmte Holzprodukte Emissionswerte einhalten müssen. Neben Formalde-
                                  hyd werden vor allem flüchtige organische Verbindungen geprüft. Holz ist ein
                                  organisches Material mit organischen Verbindungen, die bereits unter normalen
                                  Bedingungen flüchtig sind. Daher können wir Holz nicht nur gut riechen – die
                                  Substanzen sind auch messbar.

                                  Für einige Holzprodukte kann die Emissionsbewer-        Holz- und Holzbau-Verbände) untersucht, wie
                                  tung zu einer kritischen Einstufung führen, da flüch-   der Zusammenhang zwischen der individuellen
                                  tige organische Verbindungen (VOC; engl. Volatile       Produkt-Emissionsprüfung und der tatsächlichen
                                  Organic Compounds) in höheren Konzentrationen           Raumluftkonzentration ist. Dazu wurden am Thü-
                                  als potenziell gesundheitlich bedenklich gelten.        nen-Standort Bergedorf vier Modellhäuser mit
                                  Die Emissionsbewertung von Baustoffen soll den          unterschiedlichen und typischerweise verwende-
                                  Bauherren bzw. den Verbraucherinnen und Ver-            ten Wandaufbauten in Holzbauweise errichtet. In
                                  brauchern Sicherheit geben, dass die Bauprodukte        ihnen wurde zwei Jahre lang einmal wöchentlich die
                                  im Hinblick auf die Raumluftqualität unproblema-        Qualität der Raumluft gemessen. Die Modellhäuser
                                  tisch sind. Daher werden die Prüfungen möglichst        unterschieden sich hinsichtlich Materialauswahl und
                                  praxisnah durchgeführt: Unter Laborbedingungen          Bauweise (siehe Grafiken).
                                  wird das Produkt in einer Prüfkammer getestet und           Für diese Untersuchung wurden nur die Emis-
                                  dabei z. B. der Beladungsfaktor, also die Proben-       sionen aus den Wänden betrachtet; der Fußbo-
                                  ­ober­fläche im Verhältnis zum Raumvolumen, anhand      den und die Decke blieben unberücksichtigt und
                                   eines Modellraums (mit 30 m3 Volumen) berücksich-      wurden mit diffusionsdichter Folie vom Innen-
                                   tigt. Fachleute sprechen hier von dem Szenario der     raum isoliert. Parallel dazu wurde für alle verwen-
                                   beabsichtigten Verwendung, dabei werden die Pro-       deten Baustoffe normgerecht die Emissionsrate
                                   dukte allerdings nur einzeln und nicht als Kombina-    ermittelt.
                                   tion miteinander (z. B. als Wandaufbau) betrachtet.
                                   In der Praxis führt das zu einer erheblichen Verun­    Stoffe verhalten sich unterschiedlich
                                   sicherung, da nicht sicher abgeschätzt werden kann,    Um die jeweiligen Produktemissionen ins Verhält-
             Vier Modellhäuser
                                   welche tatsächlichen Auswirkungen auf die Raum-        nis mit der Raumluftqualität zu setzen, wurden für
    unterschiedlicher Bauweise
          auf dem Gelände des
                                   luft von der Materialkombination ausgeht.              jedes Modellhaus die Emissionsraten der in der
            Thünen-Instituts in         Aus diesem Grund hat das Thünen-Institut          Wand verbauten Konstruktionsmaterialien aufsum-
          Hamburg-Bergedorf.       zusammen mit Partnern (Fraunhofer WKI sowie            miert und mit den Raumkonzentrationen vergli-
                                                                                          chen. Dabei wurde für flächig verbaute Produkte ihr
                                                                                          Beladungsfaktor berücksichtigt. Für Baumaterialien,
                                                                                          die nicht vollflächig verbaut waren, konnte die rele-
                                                                                          vante Oberfläche nicht eindeutig bestimmt werden,
                                                                                          sodass verschiedene Szenarien für die Berechnung
                                                                                          des Beladungsfaktors angenommen wurden. So
                                                                                          ergaben sich für jeden Haustyp insgesamt drei theo-
                                                                                          retische Raumluftkonzentrationen, die im Anschluss
                                                                                          mit dem Mittelwert der tatsächlich gemessenen
                                                                                          Konzentration verglichen wurden.
Wissenschaft erleben - Thünen-Institut
Wissenschaft erleben 2020 /2                                                                                                                                                                                                                             FORSCHUNG        7

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       
                                                                                                                                                             
    

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       


                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       
                                                                                                                                                                                                                                             
                                                                                                                                                                                                                                                                                                  
                                                                                                                                                                                                                            
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          
                                                                                                                                                                                                                                                                       
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             
                                                                                                                                                                                                                                                   
                                                                                                                                                                                                                                                          
                                                                                                                                                                                                                                                                                          
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 
                                                                                                                                                                                                                                    
                                                                                                                                                      
                                                                                                                                                                                                                                        

                                                                                                                                                1.                                                                    2.                                                                             3.                                                             4.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              
                                                                                                                                                                                   
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         
                                                                                                                                                                               

                                                                                                                                                                                                                                   

                                                                                                                                                Keine der Berechnungsweisen ergab   
                                                                                                                                                                                                   Übereinstim-
                                                                                                                                                                                                                                                 beeinflussen: Begonnen                            wurde mit den Raum- Konstruktionszeichnungen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 
                                                                                                                                                mungen für alle VOC-Stoffgruppen: Während die
                                                                                                                                                                                    
                                                                                                                                                                                                                                                                          luftmessungen im Sommer. Zu diesem Zeitpunkt                                               Wände           in den vier Modell-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      
                                                                                                                                                                                                                                                                          wurden die höchsten VOC-Konzentrationen gemes- häusern:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            

                                                                                                                                                Berechnung für die Stoffgruppe Terpene durchaus                                                      

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                1. diffusionsoffener moderner
                                                                                                                                         gelingen     kann, werden die Konzentrationen der                                                      sen, mit fortschreitender Zeit nahmen sie bis zum 
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Brettsperrholz-Aufbau,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   

                                                                                                                                                                                                      
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            
                                                                                                                                       Aldehyde durch die Modellierung um ein Vielfaches                                                     Winter hin ab, stiegen dann aber im Verlauf der 2. diffusionsoffener klassischer
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          
                                                                                                                                                                                                                                                     
                                                                                                                                                                                                                                    
                                                                                                                                                überschätzt. Ursache dafür sind Unterschiede dieser                       
                                                                                                                                                                                                                                                       
                                                                                                                                                                                                                                                                          Frühlings- und Sommermonate wieder                           
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           an. Im Folge-                  Holzrahmenbau           
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      mit Stän-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              

                                                                                                                                                Stoffgruppen in den bauphysikalischen Prozessen                          
                                                                                                                                                                                                                             
                                                                                                                                                                                                                                                     
                                                                                                                                                                                                                                                                          jahr wiederholten sich diese Änderungen in abge-                                      derwerk            in  Fichte,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           

                                                                                                                                                                                                                                                                          schwächter Weise. Ursache für die Schwankungen: 3. diffusionsoffener                                                       klassischer
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               
                                                                                                                                                (Adsorption, Desorption und Diffusion). Es lässt sich                                                                                                                                                                                   
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Holzrahmenbau mit Stän-
                                                                                                                                                schlussfolgern, dass mit dem aktuell bestehenden                                                                          Mit höherer Temperatur steigt der Dampfdruck der                                                derwerk in Kiefer,
                                                                                                                                                Verfahren der Produktprüfung keine realistischen                                                                          flüchtigen Verbindungen; damit sind sie in höheren 4. diffusionsbremsende
                                                                                                                                                oder realitätsnahen Werte der Raumluftkonzentra-                                                                          Konzentrationen messbar. Für das Verständnis der                                                Holzrahmenbauweise mit
                                                                                                                                                tion abgeleitet werden können.                                                                                            Raumluftkonzentrationen ist nun entscheidend, an                                                Ständerwerk in Kiefer.

                                                                                                                                                    Für einige Holzprodukte (z. B. Spanplatten oder                                                                       welcher Position im Bauwerk die Temperatur beson-
                                                                                                                                                OSB) ist dies bedeutsam, da sie insbesondere Alde-                                                                        ders relevant ist: im Rauminneren oder in der Wand?
                                                                                                                                                hyde in nennenswerten Mengen emittieren, was zu                                                                           Aus der bisherigen Datenanalyse ließ sich dies nicht
                                                                                                                                                einer Abwertung führen kann. Diese Stoffe können                                                                          klar erkennen, da sich die Werte über die Jahreszei-
                                                                                                                                                aber aus den untersuchten Konstruktionen nicht in                                                                         ten in gleicher Richtung ändern. Weil aber dieser
                                                                                                                                                relevanten Mengen in den Innenraum gelangen,                                                                              Parameter für technische Optimierungsstrategien
                                                                                                                                                sodass das Szenario der beabsichtigten Verwendung                                                                         eine zentrale Rolle einnimmt, soll dies in einem
                                                                                                                                                der Produkte auch im Hinblick auf die emittierten                                                                         zukünftigen Projekt näher untersucht werden.
                                                                                                                                                Stoffe berücksichtigt werden sollte. Ein weiterer Faktor
                                                                                                                                                bei der Emissionsbewertung ist der Summenwert für                                                                         Fazit
                                                                                                                                                alle detektierten Stoffe. Die Erkenntnisse aus dieser                                                                     Wenn die Statik und die Standsicherheit eines
                                                                                                                                                Untersuchung zeigen allerdings, dass von dieser                                                                           Gebäudes bemessen werden soll, sind die Material-
                                                                                                                                                Betrachtung für Holzprodukte Abstand genommen                                                                             kennwerte eine gute und verlässliche Berechnungs-
                                                                                                                                                werden sollte – gerade weil sich die unterschiedli-                                                                       grundlage. Anders hingegen bei der Beurteilung von
                                                                                                                                                chen Stoffgruppen nicht gleich verhalten, ist eine                                                                        Emissionen in die Luft von Innenräumen – hierfür
                                                                                                                                                gleichwertige Bewertung nicht zielführend. Stattdes-                                                                      sind die Materialkennwerte allein kein guter Indikator,
                                                                                                                                                sen wäre es sinnvoll, auf Basis der Produktprüfung                                                                        da viele der derzeit noch unberücksichtigten Parame-
                                                                                                                                                auch eine Bauteilprüfung durchzuführen, um so den                                                                         ter Einfluss auf die Luftkonzentration haben. Eine zu
                                                                                                                                                tatsächlichen Einfluss auf die Luftqualität im Innen-                                                                     starke Vereinfachung dieser Zusammenhänge führt
                                                                                                                                                raum sicherer abschätzen zu können.                                                                                       zu einer Benachteiligung von einigen Holzprodukten,
                                                                                                                                                                                                                                                                          da die Emissionen hinsichtlich ihres Einflusses auf die
                                                                                                                                                Einflussfaktor Temperatur                                                                                                 Raumluftkonzentration über­bewertet werden. MO 
                                                                                                                                                Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Tem-
                                                                                                                                                peraturen die Raumluftkonzentrationen sehr stark                                                                          KONTAKT: martin.ohlmeyer@thuenen.de
Wissenschaft erleben - Thünen-Institut
8   MENSCHEN & MEINUNGEN

                           »Mit klassischen Kennzahlen
                           kommen wir nicht weiter«
                           Ein Gespräch über nachhaltige Milchproduktion
                           Das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft hat großen Anteil an der Entwick-­
                           lung des »QM-Nachhaltigkeitsmoduls Milch«. Institutsleiterin Hiltrud Nieberg,
                           die das Projekt vor acht Jahren initiiert hat, und Projektleiterin Tomke Lindena
                           erläutern, welche Vorteile es für die Milchbranche und die Politik bringt.

                           Der Projekttitel QM-Nachhaltigkeitsmoduls Milch          sich 29 Molkereiunternehmen, mit zigtausenden
                           ist nicht selbsterklärend. Können Sie unseren            Milch­erzeugern. Die mitwirkenden Molkereien ver-
                           Lesern kurz erläutern, worum es in dem Projekt           arbeiten mehr als die Hälfte der gesamten Milch­
                           geht?                                                    anlieferung Deutschlands.
                           TL: Mit dem Nachhaltigkeitsmodul will die deutsche
                           Milchbranche Stärken und Schwächen im Hinblick auf       Warum machen so viele Molkereien mit – und
                           nachhaltige Milcherzeugung erkennen und Verbes-          bezahlen das Projekt auch noch?
                           serungen anstoßen. Die Landwirte füllen einen Fra-       HN: Viele Molkereien kümmern sich schon lange
                           gebogen aus, der 86 Kriterien erfasst, und dieser wird   um ihre Nachhaltigkeit und berichten hierüber auch
                           dann vom Thünen-Institut ausgewertet. Für jedes Kri-     öffentlich. Sie haben dabei festgestellt, dass sie zur
                           terium wird bewertet, wo der Betrieb auf einer Skala     Frage, wie nachhaltig die Milcherzeugung bei ihren
                           von »besonders gut« bis »ungünstig« steht. Die Krite-    Lieferanten ist, keine qualifizierten Auskünfte geben
                           rien decken vier Säulen der Nachhaltigkeit ab: Ökolo-    können. Ihr Fazit war eindeutig: Mit klassischen
                           gie, Ökonomie, Soziales und Tierwohl.                    Kennzahlen wie Milchleistung je Kuh oder Zellzahl
                                                                                    je Milliliter Milch kommen wir hier nicht weiter.
                           Vier Säulen der Nachhaltigkeit? Normalerweise            TL: Für einige Molkereien ist vielleicht auch der
                           gibt es doch nur drei.                                   Druck der abnehmenden Hand maßgeblich. Große
                           HN: Wir haben uns die Kriterien und deren Bewer-         Lebensmittelkonzerne drängen darauf, belastbare
                           tung nicht einfach ausgedacht, sondern in einem          Informationen entlang der gesamten Kette zu erhal-
                           mehrstufigen Prozess entwickelt. Ausgehend vom           ten. Wer die nicht liefern kann, wird früher oder
                           aktuellen Stand der Wissenschaft haben wir in            später wichtige Abnehmer verlieren. Insofern ist das
                           einem Multistakeholder-Prozess mit Akteuren aus          Ganze auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit.
                           Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft den
                           Kriterienkatalog erarbeitet. Dabei sollten alle Punkte   Kann die Milchbranche die benötigten Daten
                           berücksichtigt werden, die für die Gesellschaft wich-    nicht einfach aus der Agrarstatistik entnehmen,
                           tig sind. Hier wurde schnell klar: Eine Milchbranche,    oder aus dem BMEL-Testbetriebsnetz?
                           die das Tierwohl nicht beachtet, hätte langfristig       HN: Schön wär´s. Leider bilden diese Statistiken nur
                           keine Zukunft und wäre somit nicht nachhaltig.           einige Teilaspekte der Nachhaltigkeit ab. Deshalb
                                                                                    gibt es zu unserer Erhebung von Originaldaten
                           Wie viele Milchviehbetriebe sollen in die Erhe-          keine Alternative. Wir haben aber bei unserem Kon-
                           bung einbezogen werden?                                  zept sehr darauf geachtet, dass wir mit vorhandenen
                           TL: In der dreijährigen Pilothase, in der wir das Kon-   Dokumentationen, z. B. der Milchleistungsprüfung,
                           zept deutschlandweit auf Herz und Nieren geprüft         kompatibel sind. Gut organisierte Landwirte haben
                           haben, waren zum Schluss rund 8.000 landwirt-            somit die meisten Daten schnell zur Hand. Dennoch:
                           schaftliche Betriebe beteiligt. Jetzt wird das überar-   Im Durchschnitt sind drei Stunden für das Ausfüllen
                           beitete Konzept weiter verbreitet. Bisher beteiligen     des Fragebogens zu veranschlagen.
Wissenschaft erleben 2020 /2                                                                                   MENSCHEN & MEINUNGEN           9

                                                                                                                 Tomke Lindena (o. li.) und
                                                                                                                 Hiltrud Nieberg (o. re.) mit dem
                                                                                                                 Thünen-Team des Projekts
                                                                                                                 »QM-Nachhaltigkeitsmodul
                                                                                                                 Milch« in einer Videokonferenz.
                                                                                                                 Das Projekt wird gemeinsam
                                                                                                                 mit dem QM-Milch e. V. durch-
                                                                                                                 geführt.

Was sagen die Landwirte, wenn sie schon wieder          Was haben das Thünen-Institut und das BMEL von
einen Fragebogen ausfüllen müssen?                      diesem Projekt?
HN: Anfangs ist es tatsächlich so, dass die meisten     HN: Zunächst einmal freut es uns, dass hier eine
Landwirte über die zusätzliche Belastung stöhnen.       Gemeinschaftsaktivität entstanden ist, die zu einer
Manche können auch nicht nachvollziehen, weshalb        Verbesserung der Nachhaltigkeit führt, ohne dass
so persönliche Aspekte wie Ehrenamt oder Urlaub         der Staat die Landwirte mit neuen Auflagen trak-
abgefragt werden, und manche sind einfach nur           tieren muss. Zugleich entsteht durch unsere zent-
in Sorge, dass ihre Daten in falsche Hände geraten.     rale Auswertung ein aussagekräftiges Monitoring,
Wir haben aber festgestellt, dass sich bei vielen       das sich bestens für den Dialog mit der Gesell-
Land­wirten irgendwann eine andere Optik einstellt:     schaft eignet. Auf dieser breiten Datengrundlage
Schon beim Ausfüllen des Fragebogens werden sie         kann die Politik viel besser beurteilen, welche
angeregt, verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit       Defizite die Branche selbst in den Begriff bekommt
in ihrem Betrieb neu »zusammenzudenken«.                und wo sie gegebenfalls ergänzend steuern
TL: Wenn die Landwirte die Ergebnisse erhalten          muss.
und darin ihren Betrieb mit anderen vergleichen
können, gibt ihnen das viel Futter für neue Gedan-      Wie passt dieses Projekt zum Projekt Q Check,
ken und betriebliche Veränderungen. Auch nach           über das wir in dieser Ausgabe ebenfalls
außen kommt die Bereitschaft, sich einer quantitati-    berichten?
ven Analyse zu stellen, gut an. Manche nehmen die       TL: Wir haben uns intensiv mit dem Projekt Q Check
Zahlen mit, wenn sie eine Investition mit ihrer Bank    ausgetauscht. Deren Ergebnisse sind in das Nachhal-
besprechen wollen.                                      tigkeitsmodul eingeflossen. Q Check unterstützt die
                                                        Landwirte bei ihrer Verpflichtung zur Eigenkontrolle
Müssen Landwirte befürchten, dass sie bei               nach dem Tierschutzgesetz. Mit dem Nachhaltig-
schlechten Indikatorwerten sanktioniert werden?         keitsmodul kann die Milchbranche ihre Nachhal-
HN: Nein! Das ist vertraglich vereinbart. Das Projekt   tigkeit in den Dimensionen Ökonomie, Ökologie,
kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn die Land-          Soziales und Tierwohl verbessern und dies auch
wirte ehrlich antworten. Würden die Angaben der         öffentlich dokumentieren. Drittens ist auch noch
Landwirte zu deutlichen wirtschaftlichen Vor- oder      das Nationale Tierwohlmonitoring zu nennen, an
Nachteilen für den Einzelnen führen, wären durch-       dem ebenfalls gerade gearbeitet wird. Alle drei
aus Falschmeldungen zu befürchten. Jeder weiß           ­Entwicklungen sind sinnvoll, um die Tierhaltung in
doch, dass etliche Kriterien kaum justiziabel kont-      eine gute Zukunft zu führen.
rolliert werden können. Um die Glaubwürdigkeit der
Ergebnisse zu verbessern, haben einige Molkereien       Frau Nieberg, Frau Lindena, vielen Dank für das
allerdings Stichprobenkontrollen bei den Milcher-       Gespräch.                                   FI 
zeugern angekündigt.
10   FORSCHUNG

                 Alles fließt – auch in der Bioökonomie
                 Monitoring der biobasierten Stoffströme in Deutschland
                 Die Politik strebt an, den Verbrauch fossiler Rohstoffe immer weiter zu reduzieren
                 und eine kreislauforientierte Wirtschaft zu schaffen. Hierbei sollen auch die Po-
                 tenziale der Bioökonomie genutzt werden. Das Thünen-Institut hat ein Konzept
                 für ein systematisches Bioökonomie-Monitoring entwickelt.

                 Der Begriff Bioökonomie oder »biobasierte Wirt-       tise zugute, die die Bereiche Landwirtschaft,
                 schaft« bezeichnet zweierlei: zum einen jenen         Forstwirtschaft und Fischerei überspannt. Der
                 Teil der Wirtschaft, der nachwachsende Rohstoffe      Schwerpunkt der bisherigen Arbeiten lag auf der
                 erzeugt oder verwendet, zum anderen die Nut-          Analyse der Stoffflüsse sowie auf der Entwick-
                 zung biologischen Wissens im Wirtschaftsleben. Die    lung einer Methode, Nachhaltigkeitseffekte zu
                 Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft ist Teil der   erfassen.
                 Bioökonomie.
                     Ein ständiges Wachstum der Bioökonomie            Stoffströme grafisch zusammengefasst
                 ist nicht automatisch »gut«. Das gilt auch für die    Die Abbildung stellt den Stofffluss des biobasierten
                 Substitution fossiler Rohstoffe. Diese wird nur       Ressourceneinsatzes in Deutschland dar. Die bio-
                 dann zu einer nachhaltigen Wirtschaft führen,         basierten Ressourcen sind in landwirtschaftliche
                 wenn bei der Erzeugung und Verarbeitung der           (orange), forstliche (grün) und aquatische (blau)
                 biobasierten Rohstoffe die Prinzipien der Nach-       Stoffströme untergliedert. Jeder Stoffstrom beginnt
                 haltigkeit erfüllt sind. Hierbei sind auch mögliche   mit der inländischen Produktion. Die weitere Verar-
                 Nebenwirkungen zu beachten, beispielsweise            beitung der Ressourcen wird von oben nach unten
                 die Ausbeutung endlicher Lagerstätten für Phos-       abgebildet, ab der ersten Verarbeitungsstufe in hel-
                 phatdüngemittel oder die Entwaldung in den            lerer Farbgebung. Von links fließen Importe in den
                 Tropen.                                               inländischen Stoffstrom. Exporte verlassen das Land
                     Um beurteilen zu können, wie sich die Bio-        nach rechts.
                 ökonomie in Deutschland entwickelt und wie                 Als wichtige Zwischenstufen sind das Gesamtauf-
                 diese Entwicklung zu bewerten ist, benötigt man       kommen aller Rohstoffe sowie das Gesamtauf-
                 ein aussagekräftiges Monitoring. Dieses sollte im     kommen aller verarbeiteten Waren dargestellt. Die
                 Idealfall aus zwei Bereichen bestehen. Zunächst       Verarbeitung der Biomasse ist in dem Bild sehr stark
                 einmal muss eine konsistente, zeitreihenfähige        zusammengefasst. Einzelne Zwischenschritte in der
                 Datenlage darüber geschaffen werden, wie viel         Verarbeitung (z. B. vom Rohholz zum Schnittholz
                 biobasierte Rohstoffe und Produkte erzeugt,           zum Möbel) werden nicht gezeigt. Die Verwendung
                 im- und exportiert, verarbeitet, konsumiert,          im Inland ist unterteilt in stoffliche Nutzung, ener-
                 wiederverwertet und entsorgt werden. Darauf           getische Nutzung, Futtermittel und Nahrungsmit-
                 aufbauend müssen dann weiterführende Analyse-         tel. Alle Werte sind in der Einheit 1.000 Tonnen atro
                 werkzeuge entwickelt werden, um die Nachhaltig-       (= absolut trocken, also nur die Biomasse ohne
                 keitswirkungen der Bioökonomie abschätzen zu          Wasser) dargestellt.
                 können.                                                    Die gesamte Rohstoffproduktion beträgt
                     Das Thünen-Institut hat nun im Auftrag des        185 Mio. Tonnen. Fast drei Viertel hiervon sind
                 BMEL und der Fachagentur Nachwachsende Roh-           landwirtschaftliche Ressourcen, gut ein Viertel
                 stoffe (FNR) ein Konzept für den Aufbau eines         ist forstliche Biomasse. Zu beachten ist hier, dass
                 systematischen Monitorings der Bioökonomie            die inländische Produktion von Recyclingstof-
                 entwickelt. Hierbei kam ihm seine breite Exper-       fen wie Altpapier und Altholz mit eingerechnet
Wissenschaft erleben 2020 /2                                                                                                                                                 FORSCHUNG                                       11

                                                                          Inlandsproduktion

 Import                                                     15.063                  136.646                                                Export
                                                                                                              68
                                                            33.115
        Rohstoffe

                                                            20.114                                            80
                    6.937

                                                                         Aufkommen Rohstoffe

                                                                                                                                           Rohstoffe
                                                                                                             14.509                   78
                                     56.628                 3.779

                                                                                142.252                                        71
  Verarbeitete
     Waren

                                                            18.817                                            527
                            25.485

                                                                     Aufkommen verarbeitete Waren

                                                                                                                                           Verarbeitete
                                                                                                                                    338

                                                                                                                                              Waren
                                                                                                             23.076
                                                            22.861
                                                                                                             21.362

                                                            25.277                     88.941
                                                                                                                      0,4           259
                               33.976
                                                   4.330
                                                                             23.213
                                                     0,02

                                                                                                                                                          Stoffströme der Bioökonomie
                                                                                                                                                          in Deutschland:
                                      Stoffliche                     Energetische             Futtermittel                  Nahrungs-                     grün = forstlich
                                      Nutzung                          Nutzung                                                mittel                      orange = landwirtschaftlich
                                                                         Inlandsverwendung                                                                blau = aquatisch
                                                                                                                                                          (alle Werte in 1.000 t Trocken-
                                                                                                                                                          masse)

ist (grün schraffiert). Aquatische Biomasse macht                                         Biobasiert = nachhaltig?
nur einen sehr kleinen Teil aus. Die Import- und                                          Aufbauend auf der Analyse der Stoffflüsse kann
Exportanteile sind bei der landwirtschaftlichen                                           auch untersucht werden, ob Produkte der Bioöko-
Biomasse besonders niedrig: Nur gut ein Fünf-                                             nomie im Vergleich zu anderen Produkten nachhal-
tel der Gesamtmasse wird ein- bzw. ausgeführt.                                            tiger sind und wie nachhaltig die Bioökonomie als
Forstbasierte Biomasse wird zu etwa 40 % der                                              Ganzes ist. Das lässt sich nicht pauschal mit ja oder
gesamten Masse importiert, aber ein Drittel in                                            nein beantworten. Es hängt zum einen von den
Form von Holzwaren auch wieder exportiert. Bei                                            jeweiligen Produktions- und Verarbeitungsstruktu-
aquatischen Ressourcen ist der Außenhandel von                                            ren ab, zum anderen davon, wie stark die Expansion
besonders großer Relevanz. 85 % der Gesamt-                                               der Bioökonomie die natürlichen Ressourcen unse-
masse werden eingeführt, knapp 60 % wieder                                                res Planeten beansprucht. Mehr Informationen und
ausgeführt.                                                                               Ergebnisse hierzu sind im Thünen Working Paper
     Der weitaus größte Teil der landwirtschaftlichen                                     Nr. 149 nachzulesen.
Biomasse (138 Mio. t) wird als Futtermittel verwendet                                          Derzeit gestattet die Datengrundlage ein                     Setting up a bioeconomy monitoring:

(89 Mio. t). Die aus diesen Futtermitteln erzeugten                                       umfassendes Monitoring nur bis zur ersten Verar-                  Resource base and sustainability

tierischen Nahrungsmittel (7 Mio. t) sind in der Abbil-                                   beitungsstufe. Rest- und Abfallströme lassen sich
dung bereits im Nahrungsmittel-Strom (insgesamt                                           nur ansatzweise einbinden. Die Voraussetzungen
21 Mio. t) enthalten.                                                                     zur Abschätzung von Nachhaltigkeitseffekten sind                  Susanne Iost, Natalia Geng, Jörg Schweinle, Martin Banse, Simone Brüning,
                                                                                                                                                            Dominik Jochem, Andrea Machmüller, Holger Weimar

     Die vermeintlich ‚schlechte‘ Futterverwertung ist                                    gegeben, bedürfen aber der weiteren Konkretisie-
dadurch begründet, dass hier alle Größen in Trocken-                                      rung. Die Datengrundlage wird sich nicht von selbst               Thünen Working Paper 149

masse beschrieben werden. Dadurch fällt die Menge                                         verbessern. Hier wären z. B. zusätzliche Berichts-
erzeugter tierischer Nahrungsmittel vergleichsweise                                       pflichten für die Wirtschaft nötig, was aber dem                Susanne Iost, Natalia Geng,
niedrig aus. Bedeutsam ist weiterhin die Biomasse-                                        Politikziel des Bürokratieabbaus zuwiderliefe. Somit            Jörg Schweinle, Martin Banse,
verwendung zur Energieerzeugung, die sich zu fast                                         wird letztlich politisch zu entscheiden sein, wie aus-          Simone Brüning, Dominik
                                                                                                                                                          Jochem, Andrea Machmüller,
gleichen Teilen auf forstliche und landwirtschaftliche                                    sagekräftig das Monitoring der Bioökonomie künf-
                                                                                                                                                          Holger Weimar (2020):
Biomasse aufteilt. Bei der stofflichen Nutzung domi-                                      tig ausfallen kann.                               FI 
                                                                                                                                                          Setting up a bioeconomy
niert dagegen die forstliche Biomasse mit fast 90 %                                                                                                       monitoring: Resource base and
Nutzungsanteil.                                                                           KONTAKT: joerg.schweinle@thuenen.de                             sustainability.
12     FORSCHUNG

                                    Q Check: Tierwohl mit System
                                    Von der betrieblichen Eigenkontrolle zum nationalen Monitoring
                                    Wer Milchkühe hält, muss das Wohlergehen seiner Tiere anhand aussagefähiger
                                    Indikatoren bewerten. So will es das Tierschutzgesetz, ohne allerdings konkrete
                                    Vorgaben dazu zu machen. In dem Verbundprojekt Q Check wurden Indikatoren
                                    identifiziert, mit denen sich die Tiergesundheit in der Milchviehhaltung messen
                                    lässt. Mit ihnen wird nicht nur die Eigenkontrolle in den Betrieben möglich, ge-
                                    bündelt können sie auch einen Überblick über die Tiergesundheitssituation im
                                    Land geben.

                                    Seit Februar 2014 schreibt das Tierschutzgesetz für    geeignet? Dieser Frage ging das Team aus Vertre-
                                    alle Halterinnen und Halter von Nutztieren eine        terinnen und Vertretern der landwirtschaftlichen
                                    betriebliche Eigenkontrolle vor. So muss auch in       Praxis, der Veterinärmedizin und der Agrar- und
                                    Milchviehbetrieben das Tierwohl anhand tierbezo-       Sozialwissenschaften im Rahmen des dreijährigen
                                    gener Merkmale (Tierschutzindikatoren) beurteilt       Forschungsvorhabens nach.
                                    werden. Zugleich gibt es die politische Forderung          Der deutsche Milchviehsektor verfügt seit
                                    nach einem nationalen Tierwohlmonitoring, für das      Jahren über vier etablierte Erfassungs- und Analy-
                                    ein indikatorengestütztes Monitoring und eine regel-   sesysteme, die kontinuierlich und deutschlandweit
                                    mäßige Berichterstattung zentrale Elemente sind.       Daten verarbeiten: die Milchkontrolle, die HIT-
                                         In dem Anfang 2017 am Thünen-Institut für         Datenbank, die Milchgüteprüfung und das QM-
                                    Ökologischen Landbau gestarteten Verbundpro-           Milch-System. Diese bestehenden Systeme dienen
                                    jekt Q Check wurde ein System aufgebaut, das Tier­     als Datengrundlage für Q Check.
                                    gesundheit in Milchviehbetrieben messbar macht             Die Auswahl der Indikatoren erfolgte in einem
                                    – und zwar mithilfe von Daten bereits bestehender      mehrstufigen Verfahren, in dem aus insgesamt
                                    Analyse- und Datenerfassungssysteme. Das System        53 In­dikatoren 12 Indikatoren ausgewählt wurden, die
                                    kann den Einzelbetrieb bei der Eigenkontrolle der      sich als besonders geeignet erwiesen (siehe Grafik).
                                    Herde und dem darauf aufbauenden Gesundheits-              Für diese Indikatoren wurden zudem Ziel- und
                                    management unterstützen. Darüber hinaus lassen         Warnwerte ermittelt, die es den Milchviehhalte-
Q Check wurde im Rahmen des
Programms zur Innovationsför-
                                    sich die Daten auch für ein nationales Monitoring      rinnen und -haltern erleichtern, vor Ort mögliche
 derung der BLE durchgeführt.       nutzen, das Aussagen über den Status quo von Tier-     Handlungsfelder zur Stärkung des Tierwohls zu
                                    gesundheit bzw. Tierwohl in der Milchviehhaltung       erkennen. Merkblätter mit Hintergrundinforma-
Projektpartner waren die Hoch-      in Deutschland ermöglicht. Je nach Auswertungs­        tionen zu den einzelnen Indikatoren sowie den
 schule Osnabrück, das Landes-
                                    tiefe werden 88 bis 100 % aller bundesdeutschen        jeweiligen Ziel- und Warnwerten stehen unter
  kuratorium der Erzeugerringe
      für tierische Veredelung in
                                    Milchkühe erfasst. Diese Reichweite unterscheidet      https://infothek.q-check.org/ zum Download zur
    Bayern, die Ludwig-Maximi-      das Vorhaben von allen vergleichbaren Projekten im     Verfügung.
     lians-Universität München,     Milchviehbereich in Deutschland.
    das Thünen-Institut und die                                                            Q Check-Report
        Vereinigte Informations-
                                    12 Indikatoren                                         Q Check schafft mit dem kostenlosen Q Check-
       systeme Tierhaltung (vit).
Der Deutsche Verband für Leis-
                                    Welche Indikatoren der bestehenden Erfassungs-         Report die Möglichkeit, das Potenzial der bereits
tungs- und Qualitätsprüfungen       und Analysesysteme sind für die betriebliche Eigen-    verfügbaren Indikatoren auszuschöpfen. Der Report
        koordinierte das Projekt.   kontrolle und ein nationales Tierwohl-Monitoring       wird den teilnehmenden Betrieben quartalsweise
Wissenschaft erleben 2020 /2                                                                                              FORSCHUNG    13

                                                                                                                 Die zwölf Tierwohl-
                                                                                                                 Indikatoren im
                                                                                                                 Q Check-System.

von ihrem Landeskontrollverband übermittelt. Mit-       zeit gemeinsam mit Partnern Vorschläge für die
hilfe eines Benchmarking-Systems haben sie die          betriebliche Eigenkontrolle anhand von Indikato-
Möglichkeit, die Entwicklung ihrer Herde zu verfol-     ren, die direkt an den Tieren und im Stall zu erhe-
gen. So lassen sich Problembereiche schnell erken-      ben sind. In dem noch laufenden Projekt EiKoTiGer
nen, und Maßnahmen zu Verbesserung können               (Eigenkontrolle Tiergerechtheit) wurden diese Tier-
unmittelbar eingeleitet werden. Zusätzlich ermög-       schutzindikatoren, die 2016 als Leitfäden für die
licht der Report Vergleiche mit anderen Betrieben       Praxis veröffentlicht wurden, für Rind, Schwein und
der gleichen Betriebsstruktur. Das hilft dabei, das     Geflügel in rund 120 Betrieben einem Praxistest
eigene Tun und Wirken einzuordnen. Die flächen-         unterzogen. Dazu wurde ein Orientierungsrahmen
deckende Erhebung der Tierwohldaten mit den             veröffentlicht (http://bit.ly/projekt_eigenkontrolle).
bestehenden Erfassungssystemen gewährleistet                Daneben koordiniert das Thünen-Institut
eine neutrale und objektive Beurteilung des Wohl-       das Verbundvorhaben NaTiMon (Nationales Tier-
ergehens von Milchkühen.                                wohl-Monitoring), in dem die Grundlagen für ein
    Auch für den Aufbau eines nationalen Tierwohl-      regelmäßiges, indikatorengestütztes Tierwohl-
monitorings bietet Q Check einen ersten Lösungs-        Monitoring für Rinder, Schweine, Geflügel, kleine
ansatz: Anonymisiert können die Ergebnisse des          Wiederkäuer sowie Forellen und Karpfen aus Aqua-
Indikatorensets auch überregional für die Beurtei-      kultur entwickelt werden. Ziel ist eine regelmäßige
lung des Status quo herangezogen werden und so          Berichterstattung über das Tierwohl in der deut-
ein sachlich fundiertes Bild der Tierwohlsituation in   schen Nutztierhaltung – zur objektiven Information
Deutschland liefern.                                    aller interessierten Bürgerinnen und Bürger sowie
                                                        der Branche selbst und insbesondere der Politik
Den Horizont weiten                                     (www.nationales-tierwohl-monitoring.de).        MW 
Nicht nur für Milchkühe, auch für Mastrinder und
Aufzuchtkälber sowie die Nutztierarten Schwein          KONTAKT: jan.brinkmann@thuenen.de
und Geflügel erarbeitet das Thünen-Institut der-                 solveig.march@thuenen.de
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