Evangelische Verantwortung - Evangelischer Arbeitskreis
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F 5931 E Juli/August 7/8/1997 Evangelische Verantwortung „Medienbotschaft“ Chancen und Risiken Aber im Grundsatz ändert das nichts: Das „Medium“ Fernsehen ist Unterhal- der Mediengesellschaft tung und sonst nichts (Neil Postman). Es läuft nach eigenen Gesetzen, und aller Stoff muß sich ihm unterwerfen - nicht umgekehrt. Und das hat Folgen, Folgen Peter Steinacker für die politische Kultur und Demokra- tie, für das Verhalten der Erwachsenen Der geniale Theoretiker der elektroni- und noch mehr der Kinder, für das Ver- schen Medien, Marshall McLuhan, hat hältnis der ärmeren Länder gegenüber 1964 die neuen Medien mit der Eu- den reicheren, Folgen für die Welt- phorie begrüßt, daß mit ihnen „das wahrnehmung überhaupt, die die ele- Pfingstwunder weltweiter Verständi- mentare Voraussetzung ist für alles, gung und Einheit“ anbrechen würde. was Menschen tun. Immerhin, wenn man sich die welt- weite Verbreitung der „Satelliten- Das Gefühl ist weit verbreitet: Wenn es schüssel“ vor Augen führt, so schei- uns nicht gelingt, die modernen elektro- nen wir von der Verwirklichung der nischen Medien unter Kontrolle zu brin- friedensstiftenden Vision, daß alle gen, dann droht, wenn schon nicht der Menschen über ein universales Medi- Untergang der Welt, so doch zumindest um miteinander kommunizieren kön- der Untergang der Kultur. Mit anderen nen statt gegeneinander Krieg zu Worten: Vor allem die stürmische Ent- führen, nicht weit entfernt zu sein. Die wicklung auf dem zentralen Feld der elektronische Medienrevolution läßt elektronischen Medien ist Grund und die Welt auf ein „global village“ zu- Anlaß - auch für die Kirchen -, sich mit Prof. Dr. Peter Steinacker: sammenschrumpfen. den „Chancen und Risiken der Medien- Warnung vor einer zunehmenden Mo- gesellschaft“ auseinanderzusetzen. nopolisierung der Medienwelt Doch die überschwengliche Freude über dieses „Pfingstwunder“ will sich Fernsehen, bringen nicht wie früher nicht so recht einstellen. Eher verhält es Nachrichten oder Botschaften rüber, sich so, wie bei dem biblischen Urereig- nis, das hier Pate gestanden hat. „Sie wobei sie selber bloß das Mittel, das „Medium“ wären. Sie machen etwas Themen: entsetzten sich aber alle und wurden ganz anderes und haben im Grunde bestürzt und sprachen einer zu dem an- aufgehört, „Medien“ zu sein: Sie erzeu- Medien deren: Was will das werden?“ (Apostel- gen eine neue Welt und benutzen das, Anton Pfeifer 3 geschichte 2,12). Deshalb ist ein ganz was früher einmal das berichtenswerte anderer Ausspruch von McLuhan viel wirkliche Ereignis war, als Material und Kirche in der EU berühmter geworden: „the medium is Baustein, um ihr neues Produkt herzu- the message“. Heidrun Tempel 8 stellen. Zwar gibt man sich bei uns in der „Tagesschau“ und in der „heute“-Sen- Ein kleines Sätzchen bringt die weltum- dung noch Mühe, diese Sendungen im Rückblick Kirchentag 12 stürzende Dramatik auf den Punkt: Die Stil von anderen Shows ein wenig zu elektronischen Medien, allen voran das unterscheiden.
Medien Unter diesem Titel haben die Deutsche ziehungswesen. Wir werden das, was Intimität der einzelnen Menschen und Bischofskonferenz und der Rat der wir sind, durch die Beziehung zu Gott, die Überforderung der Zwei-Drittel- Evangelischen Kirche in Deutschland in durch die Beziehung zum Mitmenschen, Welt durch den internationalen Markt. diesem Jahr eine gemeinsame Erklärung durch die Beziehung zur Mitwelt. herausgegeben. Die Kirchen folgen da- Die konkreten Handlungsempfehlun- mit genauso wie beim gemeinsamen Risiken und Gefährdungen vermindern gen, die den ethischen Orientierungen Wort zur wirtschaftlichen und sozialen auf dem Fuße folgen, beziehen sich vor Lage („Für eine Zukunft in Solidarität Auf dieser Grundlage, die im Zentrum allem auf solche Risiken. Einige seien und Gerechtigkeit“) ihrer eigenen Ver- der Schrift im zweiten und dritten Teil hier genannt: Der Komplexität der Me- pflichtung, sich in die Meinungsbildung unter den Überschriften „Medien im dienwelten muß eine entsprechende der wichtigen gesamtgesellschaftlichen Spannungsfeld von Werten und Zie- Bildung zum Umgang mit ihnen ge- Fragen einzumischen. len“ und „Medien und Kommunikation genüberstehen, damit Selbständigkeit in anthropologischer Perspektive“ of- und Eigenverantwortung gestärkt wer- Die Entwicklung und Gestaltung der Me- fengelegt und erläutert wird, beruht den. Monopolbildungen müssen ver- dienlandschaft berührt den Verantwor- der gut 80seitige Text, der mit einem hindert werden, Steuerung und Kon- tungsbereich der Kirche in besonderer Teil zur – vermutlichen – „Entwicklung trolle muß so greifen, daß in Bezug auf Weise, weil es um die eingangs ange- der Medien“ beginnt und dem vierten Sexualität und Gewalt Würde und Inti- deuteten Fragen menschlicher Existenz Teil „Handlungsempfehlungen“ schließt. mität der Menschen respektiert wird geht: um das Gelingen von Kommunika- Man kann die Erklärung auch so sehen: und die Länder der Zwei-Drittel-Welt tion, ohne die niemand leben kann, und Sie nimmt zum Teil vorweg und leistet Rechte und Chancen auf eine eigene um die Wahrnehmung von Wirklichkeit, ein wenig von dem, was sie von Bund Medienentwicklung erhalten. die immer perfekter künstlich hergestellt und Ländern fordert: einen kritischen wird. Mediale Sekundärerfahrung macht Bericht über die Entwicklungen der Me- Damit die Ziele erreicht werden, sind der unmittelbaren Primärerfahrung von diengesellschaft, der alle zwei Jahre vor- u.a. Medienbildung vom Kindergarten Mitmensch und Mitwelt den Rang strei- gelegt werden soll. Mit anderen Worten: an sowie öffentliche Zugänge zu mo- tig. Das kann die Kirchen mit ihrem En- eine Art Technikfolgenabschätzung, die dernen elektronischen Medien, Festle- gagement für ein gutes Zusammenleben nicht nur Daten zur wirtschaftlichen, gung und Grenzwerten bei Marktantei- aller Menschen nicht kalt lassen. technischen und rechtlichen Entwick- len, Werbemarktanteilen oder Umsatz- lung enthält, sondern auch Sozialver- anteilen und deren Durchsetzung, Gestaltung der Mediengesellschaft träglichkeit, Meinungsvielfalt und Ver- Kennzeichnungspflicht bei künstlichen antwortlichkeit der Medien. Bildern, Sicherung des öffentlich-recht- Die beiden großen Kirchen müssen sich lichen Rundfunks und ein verbessertes auch deshalb zu diesem Thema äußern, Es liegt in der Natur der Sache, daß bei Gegendarstellungsrecht anzustreben. weil sie die einzigen gesellschaftlichen einer kritischen Untersuchung einer ge- Institutionen sind, die die Medienent- sellschaftlichen und technologischen Verantwortung von Kirche und Politik wicklung noch einigermaßen systema- Entwicklung das Augenmerk sich vor al- tisch beobachten und einen größeren lem auf die Risiken und Bedrohungen Organe der externen und der Selbst- gesellschaftlichen Zusammenhang im und nicht so sehr auf unproblematische kontrolle bedürfen der Sicherung und Auge haben. Fast alle anderen - seien es Chancen richtet. Stärkung. Die Kirchen selbst müssen Regierungen, Enquetekommissionen sich vor allem qualifiziert in den existie- oder Parteien - betrachten auch dieses Es steckt weder pauschale Technik- Feld nur noch durch die Technologie- feindlichkeit noch ein traditioneller Kon- und Standortbrille. Mit der gemeinsa- servatismus dahinter. Manche Dinge men Erklärung dagegen geht der Blick Das Bildungszentrum sind einfach mit einer gewissen Skepsis über den kurzfristigen ökonomischen zu betrachten. Dazu gehören z.B. die Schloß Eichholz lädt ein: Tellerrand hinaus. Tendenz zur immer größeren Medien- konzentration, zur Monopol- und Oli- 12.-14. September 1997, Es werden die wirklich nachhaltig wirk- gopolbildung, die Zersplitterung in Spe- Fachtagung samen Maßstäbe der Sozialverträglich- cial-Interest-Blätter, das Verschwim- keit, der Humanverträglichkeit und der men der Grenze zwischen Tatsachenbe- „Die Frau in Judentum und Verträglichkeit im internationalen Zu- richt und erfundenem Kunstprodukt in Christentum – Beiträge sammenhang bei der Gestaltung der der Bilderwelt, die Aufspaltung der Ge- und Begegnungen im Mediengesellschaft angelegt. Die Krite- sellschaft in Informationsbesitzer und rien basieren auf dem christlichen Men- Informationshabenichtse, die Gefähr- Jüdisch-Christlichen Dialog“ schenbild, das Freiheit, Würde und dung von Kindern und Jugendlichen Selbstbestimmung ins Zentrum rückt, durch zu leichten Zugang zu unpassen- Weitere Inf. unter Tel.: die allesamt davon abhängig sind, daß den Angeboten, die Steigerung der Ver- 02236/707-230 eine gute Kommunikation gelingt. Denn schuldungsgefahr durch Teleshopping, der Mensch ist durch und durch ein Be- Respektlosigkeit gegenüber Würde und 2 Evangelische Verantwortung 7/8/97
Medien renden Medienwelten bewegen und die neuen Öffentlichkeiten suchen - wobei eigene Spartenprogramme (Radio Campanile, Radio Paradiso) das Risiko Wandel zu einer eines Rückzugs ins Ghetto in sich ber- gen - und darüber hinaus Medieninfor- Informationsgesellschaft mation und -kritik verstärken. Insbesondere die deutliche Warnung Anton Pfeifer vor der Tendenz zur Monopolisierung der Medienwelt erhält in diesen Tagen mehr Aktualität, als einem lieb sein In den vergangenen Jahren sind die kann. Es scheint ausgemacht, daß der zahlreichen technischen Neuerungen großen TV-Allianz von Kirch und Ber- in den Bereichen der Telekommunikati- telsmann für den Zukunftsmarkt Digi- on und Informationstechnik aus den talfernsehen auch aus Brüssel keine Fachkreisen heraus in das Interesse der Steine mehr in den Weg gelegt werden. breiten Öffentlichkeit gerückt. „Inter- Dann können nur noch die Bundeslän- net“, „Video on demand“, „Multime- der als Gesetzgeber in Sachen Medien diadienste“ oder „Online-Dienste“ dafür sorgen, daß aus dieser Allianz sind nur einige Beispiele für Themen, nicht ein umfassendes Kartell wird, das mit denen sich mittlerweile die Medien Zuschauer zum Bezahlen zwingt und die in Berichten und Veröffentlichungen Meinungsvielfalt erstickt. tagtäglich befassen und die von den Menschen auf zahlreichen Veranstal- tungen diskutiert werden. Wachstum und neue Arbeits- und Aus- Die Verantwortung für eine gute Ent- bildungsplätze in großer Zahl liegen, die wicklung darf nicht von denen wegde- Dies bewerte ich sehr positiv. Denn eine möglichst umfassend genutzt werden legiert werden, die sie in Wirklichkeit zu breite öffentliche Diskussion über die müssen, daß es andererseits aber ge- tragen haben. Die Kirche - die evangeli- technisch-wirtschaftliche und kulturell- nauso wichtig ist, dabei die kulturellen sche erst recht - kann nicht stellvertre- gesellschaftliche Entwicklung zur Infor- und gesellschaftlichen Auswirkungen tend für ihre Mitglieder wie für die Men- mationsgesellschaft ist wegen der damit sorgfältig zu bedenken, wird vom Bun- schen überhaupt die ethische Urteilsbil- einhergehenden großen Herausforde- desfachausschuß Medienpolitik der dung vollziehen. Die Kirche ist ihre Mit- rung und weitreichenden Konsequen- CDU geteilt. Daher sind vor allem die in glieder. Wenn diese die Urteilsbildung zen notwendig. der Erklärung formulierten ethischen nicht für sich selbst vollziehen und dann Orientierungspunkte von großer Be- in ihrem Verantwortungsbereich in der Position der Kirchen deutung, welche die Bewahrung der Politik und der Medienwelt umsetzen, Würde des Menschen bei der künftigen dann nützen die angestellten ethischen Medien- und Kommunikationsentwick- Überlegungen recht wenig. Einen substantiellen Beitrag zu dieser lung zum Ziel haben. Diskussion haben jetzt die Deutsche Bi- Schon jetzt zeichnet sich ein frappieren- schofskonferenz und der Rat der Evan- der Unterschied zwischen dieser ge- gelischen Kirche mit ihrer gemeinsamen Wir wissen heute, daß der Wandel zu meinsamen Erklärung der Kirchen zur Erklärung, „Chancen und Risiken der einer Informationsgesellschaft in vol- Medienentwicklung und der zur wirt- Mediengesellschaft“, die Ende April ver- lem Gange ist. Er läßt sich nicht aufhal- schaftlichen und sozialen Lage in öffentlicht wurde, geleistet. Darin wird ten, und ich bin der Ansicht, daß man Deutschland ab. Die ältere Stellungnah- eine abgewogene Einschätzung der dies auch nicht versuchen sollte. Unsere me konnte und kann sich vor öffentli- Chancen und Risiken, die sich aus dem Aufgabe ist es vielmehr, dafür Sorge zu cher Aufmerksamkeit kaum retten, die technischen Wandel für unsere von den tragen, daß diese Entwicklung nicht ein- neuere hat Schwierigkeiten, überhaupt Medien mitgeprägte Gesellschaft erge- fach über uns kommt, sondern daß wir registriert zu werden. Das muß vor allem ben, vorgenommen. Sie ist eine wertvol- die damit verbundenen tiefgreifenden den Kirchen selbst zu denken geben. Es le Grundsatzerklärung, die es verdient, gesellschaftlichen, kulturellen, wirt- könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, daß ihre Empfehlungen sorgfältig über- schaftlichen und politischen Verände- daß die Medien nicht so erpicht darauf legt und in der weiteren medienpoliti- rungen positiv gestalten. sind, mit den Kirchen in einen kritischen schen Diskussion beachtet werden. Dialog über sich selbst zu treten. Wir müssen vor allem immer wieder Die in der Erklärung zum Ausdruck ge- deutlich machen, daß in dieser Entwick- Anm.: brachte Position beider Kirchen, daß ei- lung ein erhebliches Wachstums- und Prof. Dr. Peter Steinacker ist nerseits in der künftigen Entwicklung Beschäftigungspotential liegt. Es gibt Kirchenpräsident der Evangelischen der modernen Medien- und Kommuni- keinen Zweifel, daß der Markt für Mul- Kirche in Hessen und Nassau. kationstechnologien große Chancen für timedia, Telekommunikation und Infor- Evangelische Verantwortung 7/8/97 3
Medien mationstechnologie besonders stark Gegenwart: Neue Erfindungen und Voraussetzung für Wohlstand, Ar- wachsen wird. Es werden neue Ge- Entwicklungen machen etablierte beitsplätze und soziale Sicherheit. schäftsfelder, neue Berufe, neue Tech- Strukturen überflüssig und erzwingen nologien und Werkzeuge entstehen. Als einen permanenten Anpassungspro- Völlig zu Recht spricht die gemeinsame rohstoffarmes Land ist Deutschland be- zeß. Märkte wandeln sich, entstehen Erklärung der beiden Kirchen aber sonders auf die Innovationsfähigkeit der neu und verschwinden gänzlich. Teile auch davon, daß Informationen und Wirtschaft angewiesen, die gerade auch der Bevölkerung werden gezwungen, Kommunikation mehr sind als eine in den genannten Bereichen zum Ein- flexibel zu reagieren und neue Chancen Handelsware oder Dienstleistung. Und satz kommen muß. zu nutzen. Dies tat auch der Tauben- wir müssen auch die mit der Entwick- posthalter Julius Reuter, der damals lung einhergehenden Gefahren im Au- Tiefgreifende Auswirkungen nach London ging und ein Depeschen- ge behalten und ihnen mit politischen Vermittlungsbüro eröffnete - Grund- Konzepten begegnen. Die technischen Es wird sich allerdings nicht verhindern stein der gleichnamigen Nachrichtena- Möglichkeiten der Multimedia-An- lassen, daß durch den Einsatz der neuen gentur, die noch heute führend auf wendungen bringen es mit sich, daß Technologien auch Arbeitsplätze verlo- dem Nachrichtensektor tätig ist.“ die beteiligten Unternehmen zu- ren gehen werden. Eben darin kommt nehmend weltweit handeln. Auch sind ein Wandel zum Ausdruck, der in seiner Gefahren für Kinder und Jugendliche die Kommunikationsnetze – im Kabel- Dramatik allenfalls mit der industriellen und Satellitenbereich – international Revolution des 19. Jahrhunderts und In anderen Regionen Europas und der angelegt. ihren tiefgreifenden Auswirkungen zu Welt werden die beschriebenen Berei- vergleichen ist. che und der damit einhergehende Die Möglichkeiten des nationalen Ge- technische Fortschritt längst als Motor setzgebers stoßen an Grenzen, wo es CDU Generalsekretär Peter Hintze hat für die wirtschaftliche Entwicklung um grenzüberschreitende Techniken in diesem Zusammenhang ein sehr ein- betrachtet, und wir müssen uns um so geht. Dies gilt beispielsweise für den leuchtendes Beispiel beschrieben: „Als dringlicher dafür einsetzen, daß sich Mißbrauch im Internet, der eine Ge- Werner von Siemens 1848 den elektri- Deutschland dieser Konkurrenz stellen fahr für Kinder und Jugendliche und schen Telegrafenverkehr zwischen kann und neue Arbeitsplätze hier ge- selbst für Erwachsene darstellen kann. Deutschland und Belgien aufbaute, schaffen werden. Nur durch eine Ver- Die Bundesregierung hat mit ihrem brach ein neues Zeitalter der Nachrich- besserung unserer wirtschaftlichen jetzt im Bundestag verabschiedeten In- tenübermittlung an. Als die Telegrafen- Konkurrenz- und Leistungsfähigkeit formations- und Kommunikations- linie fertig war, brach damals das Ge- können wir für die soziale Sicherheit dienstegesetz u.a. die geltenden Ju- schäft eines gewissen Julius Reuter voll- und die Lebensgrundlage künftiger gendschutzbestimmungen mit auf die ständig zusammen. Er betrieb nämlich Generationen nachhaltig sorgen. Mo- neuen Bereiche übertragen bzw. den bis dahin eine Taubenpostlinie zwi- derne Technologien von heute sind die Anforderungen weitestgehend ange- schen Köln und Brüssel. Dieser histori- marktgängigen Produkte und Produk- paßt. Auch die Bundesländer haben sche Vorgang ist beispielhaft für die tionsverfahren von morgen - sie sind dieses mit ihrem Mediendienste- Staatsvertrag in die Wege geleitet. Doch kann damit nicht der lückenlose Schutz geboten werden, den wir uns gerne wünschen. Der EAK-Bezirksverband Mittelrhein und die EAK-Kreisverbände Rhein-Sieg und Bonn laden ein: Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt Die globale Struktur des Internets erfor- am Donnerstag, 18. September 1997, 19 Uhr dert eine grenzüberschreitende, letzt- Kleiner Saal, Konrad-Adenauer-Haus, 53113 Bonn lich globale Verständigung über ver- bindliche und gemeinsame Grundsätze zum Umgang mit den Inhalten. Denn Zum „Kirchenpapier“ der Evgl. Kirche im Rheinland diskutieren: mit deutschem und selbst europäischem Recht allein kann z.B. die Einspeisung Prof. Dr. Horst Seebass, Evgl. Theol. Fakultät, Bonn von menschenverachtenden Inhalten in Superintendent Dr. Rainer Stuhlmann, St. Augustin das Netz vom Ausland aus nicht verhin- Moderation: Dieter Hackler, Bonn dert werden. Und nicht übersehen wer- den darf, daß schon auf europäischer Weitere Inf. bei: Karsten Matthis, Tel.: 02 28/5 44-3 60 Ebene unterschiedliche Kulturen häufig zu unterschiedlichen Rechtsvorstellun- gen führen. Das darf uns gleichwohl nicht davon abhalten, alles zu versu- 4 Evangelische Verantwortung 7/8/97
Medien chen, um dennoch zu abgestimmten in- schon aufgedruckt. Ein Technikstudium Presserates und in den Richtlinien der ternationalen Regeln zu kommen. ist heute durchschnittlich drei Jahre Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen haltbar. Wenn Ihr innerhalb dieser Zeit e.V. enthaltenen ethischen Normen Damit wird aber auch deutlich, daß die nicht Euer gesamtes Wissen auf den und Verhaltensregeln stets auf’s Neue gesellschaftlichen und kulturellen Her- neusten Stand gebracht habt, wird Eure zu berücksichtigen und als wesentli- ausforderungen, die eine Informations- Karriere bald sauer.“ chen Handlungsparameter vor Augen gesellschaft an uns stellt, zu haben. Zur Freiheit und nicht allein durch staatliche Unabhängigkeit der Medien Maßnahmen geleistet wer- gehört die Verantwortung - den können. die Wahrung des Persönlich- keitsschutzes, die Rücksicht- Auch der einzelnen Bürger ist nahme auf sittliche, religiöse gefordert, sich auf den Wan- und weltanschauliche Über- del einzustellen: Schon jetzt zeugungen - untrennbar da- ist absehbar, daß neben Le- zu. Das gilt für die neuen sen, Rechnen und Schreiben Medien ebenso wie für die der Umgang mit Informati- klassischen. ons- und Kommunikations- techniken zu einer Schlüssel- qualifikation geworden ist, Daß wir es auch im klassi- auf die zunehmend mehr schen Bereich immer wieder Bürger zur Bewältigung ihrer mit Mißbrauch von Verant- Aufgaben - insbesondere am wortung zu tun haben, zei- Arbeitsplatz - angewiesen gen jedoch die wiederholten sind. Um die nachfolgenden beschämenden Angriffe auf Generationen auf diese An- die religiösen Überzeugun- forderungen vorzubereiten, gen gläubiger Menschen vor aber auch die älteren Gene- allem katholischer und evan- rationen nicht von den Ent- gelischer Konfession, die von wicklungen auszuschließen, einigen Fernsehsendern und ist eine Intensivierung der Printmedien unter dem Medienkompetenz durch Deckmantel der Satire vor- Aus- und Weiterbildung gebracht werden, und mit ebenso notwendig wie ein denen die Grenzen der Ge- benutzerfreundlicher An- schmacklosigkeit oftmals wendungszugang. weit überschritten werden. Medienkompetenz sollte jedoch nicht Die Bildungseinrichtungen werden sich Kritische Reflexion allein mit Blick auf den technischen Um- auf diese Anforderungen einstellen gang mit den neuen Medien verstanden müssen und dabei die Förderung der Deshalb kann die Diskussion über die werden. Vielmehr geht es auch um den Medienkompetenz - wie von den Kir- Gestaltung der Medienlandschaft nicht verantwortungsbewußten Umgang mit chen richtigerweise gefordert - als ei- allein auf die neuen Medien begrenzt den angebotenen Inhalten. Sie sinnvoll nen integrierten Bestandteil ihrer Arbeit werden. Dabei sind, wie es die Kirchen zu nutzen, muß das Ziel einer erweiter- verstehen. gefordert haben, sämtliche gesell- ten Medienerziehung vom Kindergar- schaftliche Kräfte gefordert, in einen tenalter an sein. Dieses gehört zu den Aufgabe der Medienverantwortlichen Dialog einzutreten und eine kritische zentralen Grundanliegen der CDU-Me- aber konstruktive Reflexion über die dienpolitik. Neben den Einrichtungen des Bil- Gestaltung der Mediengesellschaft zu dungswesens kommt dabei in ganz be- fördern. Die katholische und die evan- In der Erklärung der Kirchen ist in die- sonderer Weise den Eltern und Familien gelische Kirche sind bereits mit einem sem Zusammenhang von der Bedeu- entscheidende Bedeutung und Verant- beeindruckenden Beispiel vorangegan- tung lebenslangen Lernens die Rede. wortung zu. Deshalb ist die Stärkung gen. Der amerikanische Medienwissen- der Erziehungskraft der Familien auch in schaftler Don Tapscott beschreibt dazu diesem Bereich ein vorrangiges politi- ein passendes Beispiel: Louis Ross, sches Ziel unserer Partei. Anm.: Cheftechniker bei Ford-Motors, erklär- Anton Pfeifer, MdB, ist Staatsminister te gegenüber einer Gruppe von Tech- In erster Linie jedoch ist es Aufgabe der im Bundeskanzleramt und Vorsitzender nikstudenten: „In Eurer Karriere ist Wis- Medienverantwortlichen selbst, u.a. des Bundesfachausschusses sen wie Milch. Das Ablaufdatum ist die im Pressecodex des Deutschen Medienpolitik der CDU. Evangelische Verantwortung 7/8/97 5
Kinderstaatsangehörigkeit Integration hat viele Facetten und findet auf den unterschiedlichsten Ebenen Zur Notwendigkeit eines erneuerten statt. Ohne jeden Zweifel bildet ein er- neuertes Staatsangehörigkeitsrecht ei- Staatsangehörigkeitsrechts nen unerläßlichen Schritt auf dem Weg der Integration der dauerhaft und recht- mäßig in Deutschland lebenden Auslän- der in unsere Gesellschaft. Darum war es wichtig, daß sich CDU/CSU und Norbert Röttgen F.D.P. in ihrer Koalitionsvereinbarung auf eine umfassende Reform des gel- Globalisierung und Weltorientierung tenden Staatsangehörigkeitsrechts in sind die neuen Rahmengrößen, in de- dieser Legislaturperiode verständigt ha- nen sich das Leben abspielt. Eine neue ben. Im vergangenen Jahr haben 150 Wirklichkeit ungekannter Komplexität Repräsentantinnen und Repräsentan- und mit ungeheurer Veränderungsdy- ten der CDU konkrete Vorschläge für namik trifft auf die Menschen und die ein zeitgemäßes Staatsangehörigkeits- Ordnungen, in denen sie leben. Der recht vorgelegt. Bedeutungsverlust des Nationalstaa- tes wie der Nationalökonomie mar- kiert den fundamentalen Charakter Kinder für unsere Gesellschaft der Veränderungen und verdeutlicht gewinnen zugleich die bislang im Vordergrund stehenden Themen der politischen Re- Den Kernpunkt des Reformvorschlages zeption und Reaktion. bildet die sog. Kinderstaatsangehörig- keit. Danach sollen die Kinder derjeni- Doch nicht nur Staat und Wirtschaft, gen Eltern, die dauerhaft und recht- auch die Gesellschaften verändern sich. mäßig in Deutschland leben, mit ihrer Wenn die Europäische Union Freizügig- Geburt neben der Staatsangehörigkeit keit verspricht, machen ihre Bürger da- der Eltern die deutsche Staatsan- Norbert Röttgen: von Gebrauch. Wenn Grenzen fallen, gehörigkeit erwerben, falls dem nicht Die Entscheidung junger Ausländer für wächst die Welt zusammen. Die einen von den Eltern widersprochen wird. unsere Gesellschaft erleichtern werden aus ihrer Heimat gerufen, um durch ihre Arbeit Wohlstand und In einem Zeitraum nach Erreichen der Wachstum in anderen Ländern zu si- Fakten ergeben noch keine Gesell- Volljährigkeit muß sich der dann Er- chern; die anderen verlassen die Not ih- schaftsnorm, aber sie sind ihr Befund. wachsene für eine seiner beiden Staats- rer Heimat, um andernorts ein besseres Wer sie ignoriert, verweigert die Wahr- angehörigkeiten entscheiden. Wenn er Leben zu suchen. Unter diesen Kondi- nehmung der Wirklichkeit und wird da- sich nicht unter Aufgabe der ausländi- tionen ist das Bild einer homogenen Ge- mit unfähig, der gesellschaftlichen Ver- schen Staatsbürgerschaft für die deut- sellschaft eine Illusion. änderung eine Perspektive zu geben. sche Staatsangehörigkeit entscheidet, Bei der Entwicklung einer gesellschafts- führt dies nach dem Vorschlag zum ge- Bewahrung des politischen Konzeption, die dieser neu- setzlichen Verlust der deutschen Staats- gesellschaftlichen Friedens en Realität gerecht wird, geht es um angehörigkeit. nichts weniger als um die Bewahrung Es gilt also, sich auch gesellschaftspoli- des gesellschaftlichen Friedens. Dieser Die Zielgruppe des dargestellten Vor- tisch auf eine neue Realität einzustellen, ist bedroht, wenn ein beachtlicher Teil schlages bilden die in unsere Gesell- die sich für unser Land in Zahlen aus- der dauerhaften Bevölkerung nicht schaft hineinwachsenden Kinder und drücken läßt: Über 7 Millionen Men- wirklich dazugehört. Jugendlichen, deren Eltern ihrerseits schen anderer Nationalität leben derzeit nicht nur einen vorübergehenden Auf- in Deutschland, 13 % der Neugebore- enthaltsstatus in Deutschland besitzen, nen haben ausländische Eltern. In Abkapselung und Ausgrenzung führen sondern rechtmäßig und dauerhaft bei Frankfurt am Main sind annähernd 50 zu fehlender Kenntnis und zu mangeln- uns leben. Die durch den Reformvor- % der bis 20jährigen Kinder und Ju- dem gegenseitigen Verständnis und bil- schlag angesprochenen Kinder auslän- gendlichen Ausländer. Die allermeisten den damit den Nährboden für Vorurteile, discher Eltern werden in ihrer ganz dieser Jugendlichen werden nicht in das Ängste und Aggressionen. Integration großen Mehrheit ihr Leben in Deutsch- Herkunftsland ihrer Vorfahren auswan- ist deshalb nicht Barmherzigkeit, son- land verbringen. Es ist deshalb das urei- dern; sie fühlen sich in Deutschland, dern Notwendigkeit für all diejeni- gene Interesse unserer Gesellschaft, dem Land, in dem die meisten von ihnen gen, denen an einer friedlichen Gesell- diese Kinder für unsere Gesellschaft geboren sind, zu Hause. schaft liegt. zu gewinnen. 6 Evangelische Verantwortung 7/8/97
Kinderstaatsangehörigkeit Unbestritten besteht hier dringender aus dem deutschen Boot, in dem sie sit- kommen ist. Es sollte also auf die Ideo- Handlungsbedarf. Denn es gibt alarmie- zen, wieder aussteigen wollen. Insbe- logisierung der doppelten Staatsbür- rende Anzeichen dafür, daß die Integra- sondere in psychologischer Hinsicht be- gerschaft verzichtet und den bei uns in tion gerade der in Deutschland gebore- deutete dies eine erhebliche Verbesse- der zweiten oder dritten Generation nen ausländischen Kinder und Jugendli- rung gegenüber dem jetzigen Staatsan- geborenen jungen Ausländern die Ein- chen rückläufig ist. In zunehmendem gehörigkeitsrecht. Dieses verweigert es bürgerung unter zeitweiliger Hinnah- Maße ist zu beobachten, daß sich gerade den Kindern ausländischer Eltern, als me doppelter Staatsbürgerschaft er- dieser Teil der ausländischen Bevölke- Deutsche in unserer Gesellschaft aufzu- möglicht werden. rung von der deutschen Gesellschaft wachsen. Das deutsche Reichs- und zurückzieht. Staatsangehörigkeitsgesetz aus dem Die Bewältigung der Integrationspro- Jahr 1913 hat sich damit zum Hemm- bleme ist für unsere Gesellschaft von Es kommt deshalb entscheidend darauf schuh auf dem Weg der Integration enormer Bedeutung. Wir wissen, daß an, die Integrationschancen der hier ge- entwickelt. bei vielen Menschen Ängste mit diesem borenen und bei uns aufwachsenden Thema verbunden sind. Die Aufgabe Kinder ausländischer Eltern zu verbes- Keine grundlegende Änderung – verantwortungsvoller Politik ist es, den sern. Gleichzeitig sind die Integrations- nur zeitgemäße Anpassung Ängsten entgegenzuwirken, die Frage chancen für diesen Personenkreis am der besseren Integration von Auslän- größten: Die Kinder wachsen von An- dern sachlich anzugehen und Lösungen Das geltende Staatsangehörigkeits- fang an in unserer Staats- und Gesell- zu finden. Hierbei sind gerade Politiker recht muß indessen nicht grundlegend schaftsordnung auf. Sie besuchen den mit christlichem Verantwortungsbe- geändert, sondern nur zeitgemäß an- Kindergarten und absolvieren ihre wußtsein gefordert. gepaßt werden. Grundlegende Beden- Schulzeit. Im Anschluß machen sie eine ken gegen die befürwortete Einführung Ausbildung oder studieren. Viele gesellschaftliche Kräfte unterstüt- einer Kinderstaatsangehörigkeit beste- hen nicht. zen mittlerweile die Forderung nach ei- Der Lebensweg des ausländischen Kin- ner zeitgemäßen Reform des Staatsan- des unterscheidet sich in dieser Hinsicht Auch nach diesem Konzept bleibt das gehörigkeitsrechts. So haben sich der nicht grundsätzlich von dem eines deut- Prinzip der Vermeidung von Mehrstaa- Deutsche Städtetag, die Deutsche schen Kindes. Wir wollen diesen Kin- tigkeit Grundsatz des deutschen Staats- Sportjugend, die Katholische Arbeit- dern die Chance geben, von Anfang an angehörigkeitsrechts. Dieser Grundsatz nehmerbewegung und das Landesko- als Deutsche in unsere Gesellschaft hin- findet lediglich durch die Einführung mitee der Katholiken in Bayern bereits einzuwachsen. Wir können damit deut- der Kinderstaatsangehörigkeit eine be- eindeutig für die Einführung der Kinder- lich machen, daß wir sie als Teil unserer fristete und begrenzte Ergänzung, die staatsangehörigkeit ausgesprochen. Gesellschaft ansehen und willkommen in ihrem Gewicht nicht überschätzt heißen und ihnen somit die letztendli- werden sollte. Die Rechte und Pflich- Gemeinsames Wort der Kirchen che Entscheidung für unsere Gesell- ten, die mit einer Staatsbürgerschaft schaft erleichtern. verknüpft sind, erstarken zum großen Von großer, nicht hoch genug einzu- Teil erst mit der Volljährigkeit (z.B. schätzender Bedeutung ist die Unter- Vorteile der neuen Regelung Wehrpflicht, Wahlrecht). stützung, die die Reformvorschläge in jüngster Zeit gefunden haben: Anfang Diese Entscheidung wird nach dem Darüber hinaus gibt es bereits jetzt in Juli wurde das Gemeinsame Wort der Vorschlag der Einführung einer Kinder- Deutschland knapp 2 Millionen Deut- Kirchen zu den Herausforderungen staatsangehörigkeit ja auch verlangt, sche mit einer weiteren Staatsbürger- durch Migration und Flucht mit dem Ti- allerdings sinnvollerweise nicht von schaft, ohne daß es dadurch zu den tel „... und der Fremdling, der in deinen Kindern, sondern von Erwachsenen. häufig beschworenen Interessenkon- Toren ist“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Durch die Regelung, daß diejenigen, flikten oder Loyalitätsproblemen ge- Darin beurteilen die beiden großen die mit ihrer Geburt in Deutschland zu- sätzlich die deutsche Staatsangehörig- keit erhalten haben, sich als junge Er- wachsene für die deutsche Staatsan- gehörigkeit entscheiden müssen, um sie Ca. 20 % aller Ausländer sind bereits hier geboren, bei den behalten zu können, wird das Staatsan- gehörigkeitsrecht in den Dienst der In- Ausländern unter 18 Jahren liegt der Anteil bei ca. 66 %. tegration gestellt. Die wenigsten werden jemals wieder in die Heimat Ihrer Eltern oder Großeltern zurückkehren. Der deutsche Staat geht auf die Kinder und Jugendlichen einen Schritt zu durch (aus: Grundsätze zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts) die Verleihung der deutschen Staatsan- gehörigkeit; diese müssen sich dann als junge Erwachsene entscheiden, ob sie Evangelische Verantwortung 7/8/97 7
Kirchenklausel christlichen Kirchen die Integration der dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer nicht nur als gesellschafts- Erklärung zu Kirchen und politische Notwendigkeit, sondern be- kräftigen die Integration zugleich und Religionsgemeinschaften im vor allem als ethisches Postulat. Die ge- meinsame Erklärung der katholischen Vertrag von Amsterdam und der evangelischen Kirche in Deutschland macht deutlich, daß die In- tegration der Fremden einen elementa- Heidrun Tempel ren Bestandteil des Gesellschafts- und Menschenbildes der Bibel, des Alten Mit der Revision des Vertragswerks und des Neuen Testamentes, darstellt. von Maastricht, die anläßlich der Ta- Das göttliche Gebot der Nächstenliebe gung des Europäischen Rates Mitte Ju- gilt universal, es unterscheidet nicht ni in Amsterdam abgeschlossen wor- nach Nationen oder Staaten. den ist, haben die Kirchen ein besonde- res Anliegen verbunden: die Veranke- rung eines Artikels im Vertrag über die Forderungen der Kirchen Europäische Union, der die Achtung der besonderen Rechtsstrukturen von Die Kirchen folgern aus den christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften Geboten zugleich einen Handlungsauf- als Teil des gemeinsamen kulturellen trag: Wirkliche soziale Integration kön- Erbes sichern soll. Die beiden großen ne nur durch die gleichzeitige rechtliche Kirchen in Deutschland verfolgen mit Integration erreicht werden (vgl. Ziffer ihrer Initiative eine mehrfache Zielset- 187). Aus diesem Grund fordern die ka- zung: nämlich die Mitwirkung der Kir- tholische und die evangelische Kirche chen und Religionsgemeinschaften bei eine umfassende Reform des Staatsan- der Entwicklung Europas im Vertrag zu gehörigkeitsrechts (vgl. Ziffer 174, Heidrun Tempel: dokumentieren sowie die bestehenden 183f). Deutlich wird auch die Unter- Der Vertrag soll im Oktober von den staatskirchenrechtlichen Systeme in stützung der Kirchen bei der Einführung Regierungen unterzeichnet werden den Mitgliedstaaten zu sichern. der Kinderstaatsangehörigkeit unter Hinnahme von zeitweiliger Mehrstaa- In der Märzausgabe 1997 der „Evange- rung für das kirchliche Anliegen tigkeit (vgl. Ziffer 174, 185). Gleichzei- lischen Verantwortung“ hat Frau Mini- während der Dauer der Regierungskon- tig offenbart die Analyse der Kirchen - sterin Lieberknecht bereits ausführlich ferenz zu danken. Sie wäre jedoch nicht daß die soziale Integration der Auslän- zu dem von den Kirchen unterbreiteten möglich gewesen, ohne das beständige der ohne die gleichzeitige rechtliche In- Vorschlag für einen Vertragsartikel Stel- Werben der Kirchen für einen Religi- tegration ins Stocken gerät - die Not- lung genommen. Mit ihrer Prognose, onsartikel im Vertrag bei den europäi- wendigkeit zügigen gesetzgeberischen daß der Vorschlag trotz der sich ab- schen Schwesterkirchen. Ungezählte Handelns. zeichnenden schwierigen Verhand- Gespräche wurden geführt, bilaterale lungslage nicht unter den Tisch fallen Konsultationen wurden genutzt, Semi- Das gemeinsame Wort der christlichen werde, hat sie Recht behalten. nare und Symposien im europäischen Kirchen beinhaltet die rational, ethisch Kontext veranstaltet, um dem Verhält- und religiös begründete Forderung, das Der als Ergebnis des Gipfeltreffens der nis der Kirchen zur Europäischen Union geltende Reichs- und Staatsangehörig- Staats- und Regierungschefs erzielte Struktur zu geben und für ein gemeinsa- keitsrecht von 1913 zu reformieren und Entwurf des neuen Vertrages von Am- mes kirchliches Engagement für den leistet dadurch selbst einen Beitrag zu sterdam enthält in seiner Schlußakte fol- vorgeschlagenen Artikel zu werben. gesellschaftlichem Konsens und Ver- gende Erklärung: „Die Union achtet den nunft in der politischen Gestaltung. Nun Status, den Kirchen und religiöse Verei- Eine große Mehrheit der Kirchen in den liegt es an den politisch Handelnden, nigungen oder Gemeinschaften in den Ländern der Europäischen Union - un- diesen Weg zu beschreiten und zu Ende Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvor- geachtet ihrer Mitgliederzahl und ihres zu gehen. schriften genießen, und läßt ihn unan- jeweiligen Verhältnisses zum Staat - getastet. Ebenso achtet die Union den hat den Vorschlag der deutschen Kir- Anm.: Status von weltanschaulichen und chen begrüßt, viele haben ihn aufge- Norbert Röttgen ist nichtkonfessionellen Organisationen.“ griffen und aktiv gegenüber ihren Re- Bundestagsabgeordneter der CDU und gierungen vertreten. Gemeinsam ha- gehört zu den Initiatoren des Daß diese Erklärung Aufnahme in das ben die europäischen ökumenischen Reform-Aufrufs, die für ein zeitgemäßes neue Vertragswerk gefunden hat, ist Organisationen Europäische Öku- Staatsangehörigkeitsrecht plädieren. vor allem dem Einsatz der Bundesregie- menische Kommission für Kirche und 8 Evangelische Verantwortung 7/8/97
Kirchenklausel Gesellschaft (EECCS) und die Kommis- Der zweite Satz der Erklärung, der welt- bringen. Hier käme für den zweiten Satz sion der Bischofskonferenzen in der anschaulichen und nichtkonfessionellen der Erklärung folgende Formulierung in Europäischen Gemeinschaft (COME- Organisationen den gleichen Schutz ihres Betracht: „Ebenso achtet die Europäi- CE) das Anliegen bei Begegnungen mit Status zusichert, ist auf nachdrücklichen sche Union den Status von weltan- der irischen und niederländischen Rats- Wunsch der belgischen Regierung mit schaulichen Gemeinschaften.“ präsidentschaft gegenüber den Ver- Hinweis auf die belgische Verfassungsla- handlungsführern der Regierungskon- ge in Amsterdam gebilligt worden. Die Die Überarbeitung des Gesamttextes ferenz vorgetragen. belgische Verfassung enthält seit ihrer wird in diesen Wochen abgeschlossen, Änderung im Jahre 1994 hinsichtlich der der Vertrag soll dann im Oktober von Ergebnis der Verhandlungen vom Staat gewährten Zahlung der Gehäl- den Regierungen unterzeichnet und ter und Pensionen von Pastoren und Prie- den nationalen Ratifizierungsverfahren Allerdings ist die vorgeschlagene For- stern eine Gleichstellung von Personen, zugeleitet werden. mulierung in der ökumenischen Debat- die gemäß einer philosophisch nichtkon- te nicht ohne Widerspruch geblieben. fessionellen Anschauung eine moralische Rechtliche Wirkung der Erklärung? So war insbesondere die vorgeschla- Unterweisung (z.B. im Ethikunterricht an gene Verankerung des verfassungs- öffentlichen Schulen) erteilen. Dem ent- Letztlich bleibt die Frage, welche Wir- rechtlichen Status von Kirchen und Reli- spricht die verfassungsrechtlich garantier- kung die Erklärung zu Kirchen und Welt- gionsgemeinschaften für viele Kirchen te Achtung vor den philosophischen, anschauungsgemeinschaften nach Rati- ein sensibler Punkt, sei es, daß in zahlrei- ideologischen oder religiösen Auffassun- fizierung und dem Inkrafttreten des Ver- chen nationalen Verfassungen Kirchen gen der Eltern im Unterrichtswesen. trages von Amsterdam entfalten wird. und Religionsgemeinschaften keinen Das ursprüngliche Ziel, einen rechtsver- dem Grundgesetz vergleichbaren ga- Belgischen Kirchenrechtlern zufolge ste- bindlichen Artikel in den Vertragstext rantierten Status genießen, oder aber hen diese beiden Verfassungsnormen selbst einzufügen, war angesichts der die Sorge bestand, präferierende Ver- zueinander in einem Spannungsverhält- teilweise erheblichen Widerstände ein- fassungsmodelle könnten durch einen nis, dem ein unterschiedliches Neutra- zelner Regierungen bei dieser Revisions- so gefaßten Artikel perpetuiert werden. litätsverhältnis zugrunde liegt. Die konferenz nicht zu erreichen. Die Er- Gleichstellung von Weltanschauungsge- klärung wird in der Schlußakte des Ver- So verständigten sich die Kirchen im meinschaften ist dem deutschen Verfas- tragswerks bei den Erklärungen über die ökumenischen Zusammenwirken auf sungsrecht nicht fremd; Artikel 137 Abs. Europäische Union eingefügt werden. eine dem ersten Satz der verabschiede- 7 sieht eine solche Regelung ebenso vor. ten Erklärung nahekommende Formel, Nach Einschätzung von Kirchenrechtlern Unbestritten handelt es sich innerhalb der die nunmehr keinen Bezug zum Verfas- hat sie ihren Sinn darin, Definitions- und Vertragsstruktur bei Erklärungen dieser sungsrecht mehr enthielt. Damit konnte Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Be- Art um politische Erklärungen, die eine in einer späten Phase der Regierungs- handlung religiöser Vereinigungen durch entsprechende politische Selbstbindung konferenz ein Weg eröffnet werden, staatliche Stellen zu verhindern. zur Folgen haben. Zur Zeit ist noch offen, grundlegende Widerstände in den Staa- ob und gegebenenfalls in welcher Weise ten mit laizistischer Verfassungsstruktur Gleichwohl wurden Vorbehalte gegen der Europäische Gerichtshof Erklärungen zu überwinden. Gerade diese Länder Terminologie und sprachliche Fassung zu den Verträgen eine rechtliche Wir- haben auch die im ursprünglichen Vor- des zweiten Satzes geäußert. Da die kung beimessen wird. Nach herrschender schlag enthaltene Verbindung zu den sprachjuristische Überprüfung des in Ansicht von Europarechtsexperten wird europäischen Kulturen sowie zum kul- Amsterdam erzielten Entwurfs zur Zeit man jedoch davon ausgehen können, turellen Erbe nicht mittragen wollen, so noch andauert, bestehen noch Aussich- daß die von der Regierungskonferenz an- daß dieser Teil der Formel sich im Ver- ten, in die deutsche Fassung noch ein- genommenen Erklärungen bei der Ausle- tragsentwurf nicht wiederfindet. zelne redaktionelle Änderungen einzu- gung der jeweiligen Bestimmungen des Vertrages Beachtung finden. In der Praxis wird die Erklärung künftig ein wichtiges Hilfsmittel im Dialog mit Die Entscheidung über die Zukunftsfähigkeit unserer den europäischen Institutionen sowie Gesellschaft fällt nicht allein auf der politischen, den nationalen Regierungen als Gesetz- wirtschaftlichen und sozialen, sondern vor allem auf der geber im Ministerrat sein, insbesondere, wenn es darum gehen wird, Nebenef- kulturellen Ebene. fekte rechtlicher Regelungen, die die kirchlichen Rechtsstrukturen in spezifi- (Der EKD-Ratvorsitzende, Landesbischof Prof. Dr. Klaus Engelhardt, auf scher Weise treffen, auszuschließen. Es dem diesjährigen Johannisempfang der EKD in Bonn) geht also um Wirkungen kompetenz- gemäßer allgemeiner Gemeinschaftsre- gelungen auf den religiös/kirchlichen Bereich. Erfahrungsgemäß kommen hier Evangelische Verantwortung 7/8/97 9
Kinder in der Welt vor allem Bereiche binnenmarktrelevan- welches Kirchen und Religionsgemein- die Erklärung zu nutzen und mit Leben ter Bestimmungen zum Arbeits- und So- schaften innerhalb der europäischen Ge- zu füllen sowie durch ihren Beitrag, den zialrecht, zu Medien, Freizügigkeit, Bil- sellschaften und der Rechtsstrukturen sie in den europäischen Integrations- dung und Kultur in Betracht, aber auch darstellen, im Vertrag sichtbar. Damit ist prozeß einbringen, auf längere Sicht für Wettbewerbsregelungen, beispielswei- die besondere, unverwechselbare Rolle eine Aufnahme einer Bestimmung im se im Verhältnis zur Gemeinnützigkeit, von Kirchen, Religionsgemeinschaften Vertragstext selbst zu werben. können nicht ausgeschlossen werden. und - ihnen gleichgestellt - von Weltan- schauungsgemeinschaften als Teil des öf- Anm.: Mehr Transparenz im fentlichen Lebens und als Akteure inner- Oberkirchenrätin Heidrun Tempel ist Gesetzgebungsverfahren halb der Europäischen Union gewürdigt. Leiterin der Außenstelle des Büros des Bevollmächtigen des Rates bei der Im Zusammenwirken mit der Erklärung Letztlich bleibt es nunmehr Aufgabe Bundesrepublik Deutschland und der kann sich künftig weiter günstig auswir- und Herausforderung an die Kirchen, Europäischen Gemeinschaft in Brüssel. ken, daß die Regierungskonferenz ein ausführliches Protokoll zur Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit beschlossen hat. Hierin ist als eine Handlungsmaxime für Gemeinschaftshandeln im Bereich nicht Dem Leid der Kinder ausschließlicher Gemeinschaftszustän- digkeit festgelegt, daß Art und Umfang von Maßnahmen der Gemeinschaft so- nicht tatenlos zusehen viel Raum für nationale Entscheidungen belassen sollten, wie dies im Einklang mit dem Ziel der Maßnahme und den Anfor- Ute-Henriette Ohoven Aber unabhängig von dieser grauenvol- derungen des Vertrages möglich ist. Un- len Vision muß man feststellen, daß ter Einhaltung der gemeinschaftlichen Für eine Frau gibt es keine schönere Deutschland, die Handelszentrale Euro- Rechtsvorschriften sollten bewährte na- Aufgabe, als sich für Kinder einzuset- pas, auch künftig dringend Märkte tionale Regelungen sowie Struktur und zen. Deshalb empfinde ich die Tatsa- braucht. Wo sollen diese entstehen, Funktionsweise der Rechtssysteme der che, daß die UNESCO mir, der Deut- wenn die Länder auf der Südhalbkugel Mitgliedstaaten geachtet werden. schen, die Verantwortung für ihr welt- chancenlos bleiben? weites Programm „UNESCO - Kinder in Das Protokoll verpflichtet die Kommissi- Not“ übertragen hat, als Herausforde- Hilfe zur Selbsthilfe on künftig außerdem, unabhängig von rung und große Chance. Dieser Aufga- ihrem Initiativrecht vor der Unterbreitung be stelle ich mich in der festen Überzeu- Auch deshalb hat sich „UNESCO - Kin- von Vorschlägen für Rechtsvorschriften gung, in Deutschland die Mitstreiter zu der in Not“ der „Hilfe zur Selbsthilfe“ im Regelfall umfassende Anhörungen finden, die unsere Kinder so dringend verschrieben. Nach dem Motto: „Wer durchzuführen und Konsultationsunter- brauchen. Ich schreibe bewußt „unsere einem Hungernden einen Fisch reicht, lagen zu veröffentlichen. Diese Verfah- Kinder“. Denn wir dürfen Zuwendung stillt seinen Hunger. Wer ihn fischen rensregeln, die mehr Transparenz und und Verantwortung nicht nach „eigen“ lehrt, rettet sein Leben.“ Für UNESCO Öffentlichkeit im gemeinschaftlichen Ge- und „fremd“ klassifizieren. heißt die Hilfe zur Selbsthilfe: Bildung, setzgebungsverfahren schaffen, können Erziehung, Ausbildung. Die jungen eine Entwicklung geregelter Anhörungs- Derjenige, den das Schicksal der Kinder Menschen sollen durch Schul- und Be- verfahren einleiten, in denen auf der und Jugendlichen in Kriegs- und Krisen- rufsausbildung dazu kommen, im eige- Grundlage der Erklärung zum Status der regionen kalt läßt, gefährdet die Zu- nen Land ein selbstbestimmtes Leben Kirchen und Religionsgemeinschaften kunft der eigenen Kinder. Denn wenn zu führen. Es verstößt gegen die Men- auch kirchliche Anliegen systematisch wir uns nicht heute aktiv darum schenwürde, ganze Regionen und Na- und frühzeitig im Gesetzgebungsverfah- bemühen, den jungen Menschen tionen dazu zu verdammen, lebens- ren eingebracht werden können. „draußen“ die Chance für eine men- länglich am Almosentropf zu hängen! schenwürdige Zukunft einzuräumen, Die Elendswanderungen von Süd nach Die Erklärung mit Leben füllen werden wir erleben, daß diese Men- Nord können nicht an Europas Gren- schen sich morgen bei uns das mit Ge- zen gestoppt werden. Man muß vor Trotz der im Verhältnis zu einer Bestim- walt holen, was ihnen verweigert wur- Ort Bedingungen schaffen, die eine mung im Vertrag selbst beschränkten de. In einem Zeitalter, und dem jeder Zukunft in der eigenen Heimat möglich rechtlichen Verbindlichkeit ist mit der Halbgebildete imstande ist, sich chemi- machen. Aufnahme der Erklärung in das Vertrags- sche und bakteriologische Waffen zu werk angesichts der aufgezeigten positi- basteln, reicht die menschliche Phanta- Das heißt auch, Position zu beziehen ven Entwicklungen eine wichtige Etappe sie nicht aus, sich vorzustellen, was und nicht durch eine als Toleranz ge- erreicht. Erstmalig ist das Spezifikum, dann los sein wird. tarnte Prinzipienlosigkeit die eigene 10 Evangelische Verantwortung 7/8/97
Kinder in der Welt Heimat mit ihrer gewachsenen Kultur 4 bis 5 Millionen Kinder wurden zu aufzugeben. Charles de Gaulle stellte Krüppeln. vor Jahrzehnten fest: „Wer sein eigenes von 23 Millionen Kriegsflüchtlingen Volk nicht liebt, kann seine Nachbarn sind über die Hälfte unter 18 Jahre alt. Der EAK-Landesverband NRW nicht respektieren.“ Deshalb führt der 12 Millionen Kinder verloren Familie und der EAK-Bezirksverband Weg nicht nach Europa, auf dem Min- und Heimat. Bergisches Land laden ein: derheitenschutz so verstanden wird, daß die Mehrheit anfängt, sich in der Nicht nur Krieg ist ein Todfeind der Kin- Heimat fremd zu fühlen. Das uralte Prag der, sie müssen sich auch gegen Ge- zum z.B. erlebte seine Blüte, als Tschechen, walt, Unterdrückung, wirtschaftliche 13. Schloß-Burger-Gespräch: Juden und Deutsche miteinander leb- Not und seelische und körperliche Aus- ten, ohne daß die einen den anderen ih- beutung wehren. re Kultur überstülpten oder daraus kul- Mittwoch, 5. 11. 1997, 20 Uhr turellen Eintopf machten. Allein in Indien wird die Zahl der Kinder- im Engelbert-Saal, Schloß Burg Arbeiter auf 102 Millionen Kinder ge- 42659 Solingen-Burg Respekt vor Andersdenkenden schätzt. Sie müssen Teppiche knüpfen, auf Kaffee- und Teeplantagen unter er- zum Vortrag von Respekt vor Andersdenkenden ist ein bärmlichen Bedingungen arbeiten. Ministerin Christine Lieberknecht, Fundament der Bildungsarbeit der UNESCO. Dieser Respekt kann jedoch MdL, Erfurt In Afrika sind mindestens 20 % aller nur da sich entwickeln, wo Menschen Kinder Schwerstarbeiter, müssen Stei- Achtung vor sich selbst haben. Wie ne schleppen und in der Landwirtschaft Weitere Inf. bei Dr. Hans Horn, MdL aber soll Selbstachtung entstehen, arbeiten. Tel.: 0 22 91/41 44 oder wenn täglich 40.000 Kinder an Hunger, 02 11/8 84-29 18 Not, Krankheit und Krieg sterben? In Lateinamerika liegen die Quote der Wenn 25.000 Kinder auf den „Smoky Kinderarbeit bei 25 Prozent. Das Leben Mountains“ in Manila auf und vom dieser Kinder gleicht dem ihrer Altersge- Müll leben? nossen in Indien und Afrika. Gottes, ja sogar als Gottes Ebenbilder. Wie krank müssen wir doch sein, daß wir es hinnehmen, daß wir ihn durch das himmelschreiende Leid der Kinder täg- lich demütigen. In den Kindern wird Gott mißhandelt. Ausblick Es macht Mut zu erleben, daß die An- zahl derer, die das Schicksal der Kinder nicht kalt läßt, täglich wächst. In den vier Jahren, in denen ich für die UNES- CO arbeite, haben mir die Menschen in Deutschland rund 20 Millionen DM an- vertraut. Diese Tatsache macht deut- lich, wie töricht es ist, vom „Tropfen auf dem heißen Stein“ zu reden. Aus diesen Tropfen werden Seen, in denen Inseln Ute-Henriette Ohoven ist für die weltweite Aktion „UNESCO – Kinder in Not“ der Hoffnung und des Friedens für die verantwortlich. Kinder entstehen. Auf dieser Erde kämpfen täglich 100 Eines der grausamsten Kapitel ist jedoch Spendenkonto: Millionen Kinder unter unsäglichen Be- die Kinderprostitution. Millionen Kinder Deutsche Bank, Bonn, Konto 49 49, dingungen ums nackte Überleben. Es werden aus blanker Not oder unter bru- Bankleitzahl 380 700 59. gibt noch unendlich viel zu tun: talem Zwang zu Opfern triebhafter Er- 28 Millionen Kinder sind vom Krieg wachsener. Unvorstellbar, welch un- Anm.: betroffen. heilbare seelische und körperliche Schä- Ute-Henriette Ohoven 2 Millionen Kinder verloren durch den diese Kinder erleiden. Wir Men- ist Sonderbotschafterin Kriege ihr Leben. schen verstehen uns als Geschöpfe der UNESCO. Evangelische Verantwortung 7/8/97 11
Kirchentag die „sozialistische Gesellschaft“ stets als die gerechteste bezeichnet hat, und in eine sozialistische Richtung gingen denn 3 Stimmen zum Kirchentag auch eine ganze Menge Präsentationen und Argumentationen auf dem Leipzi- ger Kirchentag. So vor allem von Leuten wie Pfarrer Schorlemmer, Propst i.R. Falcke und dem ehemaligen Leipziger SED-Bezirkssekretär Wötzel. Beim Leipziger Kirchentag hatte schon Dietmar Franke, MdL, Dresden bei der Wahl des Mottos „Auf dem Weg Es wundert deshalb nicht, daß auch der Gerechtigkeit ist Leben“ das Kir- deutliche Stimmen gegen diese vom „Der 27. Deutsche Evangelische Kir- chentagspräsidium einer Verbiegung Präsidium beabsichtigte Ausrichtung chentag ist vorbei. Sollte es nun heißen: der biblischen Botschaft die Tür geöff- des Kirchentages laut wurden. „Vorwärts zum 28. Evangelischen Kir- net. Frau Annemarie Schönherr und an- chentag!“, und das ohne Wenn So hat der Ring Christlich-Demo- und Aber? kratischer Studenten (RCDS) auf Freiheit bedeutet für mich: *) dem Markt der Möglichkeiten Die durch das Kirchentagspräsidi- Unterschriften für eine Resolution um ganz offensichtlich von Anfang an Kirchentagspräsidium und an betriebene und gewollte Politi- ... daß jeder akzeptiert wird – EKD gesammelt. Unter der Über- sierung dieses 1. Kirchentages nach unabhängig von seiner Religion, schrift „Von den Opfern lernen - der Wiedervereinigung Deutsch- seiner politischen Einstellung, seinem statt Täter hofieren“ lautete die lands in einer ostdeutschen Stadt Äußeren etc. berechtigte Forderung, daß sich hat den Kirchentag belastet und der Kirchentag deutlicher mit den vor allem viele Christen aus der Opfern solidarisieren müsse. Eine näheren und weiteren Umgebung Verharmlosung des SED-Un- Leipzigs von der Teilnahme abgehalten. dere hatten das für die ersten Kommen- rechtsregimes entspricht nicht dem tare dazu auch bereitwillig aufgenom- Weg der Gerechtigkeit. Beim Kirchentag 1982, einem der letz- men und dieses Motto als Forderung an ten großen Kirchentage in der DDR, wa- den Staat dargestellt. Der Eindruck, daß in Leipzig ein von ren in Dresden allein aus der DDR über ‘68ern’ organisierter, an sich westdeut- 100.000 Christen beim Abschlußgot- Der vollständige Vers aus den Sprüchen scher Kirchentag mit nur mäßiger ost- tesdienst auf der Drachenwiese im Salomo „Auf dem Weg der Gerechtigkeit deutscher Beteiligung stattfand, auf Großen Garten. Damals hieß das Motto: ist Leben; aber böser Weg führt zum To- dem aber sozialistische Gruppen auch „Vertrauen wagen, damit wir leben de“, wäre dagegen doch nur als Auffor- aus dem Osten den Organisatoren können“, und das meinte zuerst das derung zu verstehen, sich auf den Weg zu durchaus willkommen waren, wurde be- Vertrauen auf Gott. machen, um ein „Gerechter“ im bibli- stätigt durch die Präsenz von Gruppen schen Sinne zu werden. wie „ChristInnen bei der PDS“, „Bund Der Vers wendet sich der Antifaschisten“ (VVN) Berlin, Bund damit ganz deutlich an der religiösen Sozialisten/innen Frie- die Menschen, die auf drichroda, ChristInnen für den Sozialis- den Wegen Gottes ge- mus, Initiative Christliche Linke (ICL) hen. Jeder solle sich Leipzig, Leipziger Komitee für Gerech- mühen, gerecht zu tigkeit e.V., Rosa-Luxemburg-Verein werden, meint der alt- e.V. Leipzig und andere auf dem Markt testamentliche Text. der Möglichkeiten. Ihnen allen wurde auf dem Markt ein Podium eingeräumt. Es ist nicht denkbar, daß dies das Kirchen- Die wirkliche Widerspiegelung des tagspräsidium nicht kirchlichen Lebens in Ostdeutschland auch erkannt hat. Trotz- und besonders auch in Sachsen ist der dem haben die Kir- Leipziger Kirchentag leider weitgehend chentagsorganisatoren schuldig geblieben. Der Kirchentag be- offenbar ganz bewußt schäftigte sich dort, wo er thematisch eine Forderung an den wurde, mehr mit dem Bauch statt mit Staat postuliert. Ost- der Seele. Er wollte nach außen, aus den deutschen fällt hier Kirchen heraus, wirken und Belehrer für Jochen Borchert im Gespräch mit einer Besucherin natürlich ein, daß sich das Volk sein. Er wollte offenbar nicht in 12 Evangelische Verantwortung 7/8/97
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