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SMF – FMS Schweizerisches Medizin-Forum – Forum Médical Suisse – Forum Medico Svizzero – Forum Medical Svizzer jo u r n al Swiss Peer re d vie we Medical Forum 6 Angiologie 19 N eonatologie 29 Pathologie 10 Hepatologie 22 Neuropädiatrie 31 P rävention und 13 Infektiologie 26 N euroradiologie und G esundheitswesen 16 M edizinische Genetik Neurochirurgie 1–2 3. 1. 2018 With extended abstracts from “Swiss Medical Weekly” Schlaglichter 2017 Teil 2 Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Organe officiel de la FMH pour la formation continue Bollettino ufficiale per la formazione della FMH Organ da perfecziunament uffizial da la FMH www.medicalforum.ch Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 1 Redaktion Beratende Redaktoren Prof. Dr. Nicolas Rodondi, Bern (Chefredaktor); Prof. Dr. Stefano Bassetti, Dr. Pierre Périat, Basel; Prof. Dr. Rolf A. Streuli, Langenthal Basel; Dr. Ana M. Cettuzzi-Grozaj, Basel (Managing editor); Advisory Board Prof. Dr. Reto Krapf, Luzern; Prof. Dr. Martin Krause, Münsterlingen; PD Dr. Daniel Franzen, Zürich; Jérôme Gauthey, dipl. Arzt, Biel; Prof. Dr. Klaus Neftel, Bern; Prof. Dr. Gérard Waeber, Lausanne; Dr. Francine Glassey Perrenoud, La Chaux-de-Fonds; PD Dr. Maria Monika Wertli, Bern Dr. Markus Gnädinger, Steinach; Dr. Matteo Monti, Lausanne; Dr. Daniel Portmann, Winterthur; Dr. Sven Streit, Bern Kurz und bündig R. Krapf 3 Perkutane koronare Interventionen nicht besser als Plazebo bei schwerer KHK Editorial N. Rodondi 5 Qualität und Unabhängigkeit von medizinischen Fachzeitschriften stehen hoch im Kurs Schlaglichter 2017 E. Groechenig, T. Grumann, A. Kieback, N. Kucher, M. Righini 6 Angiologie Panta rhei N. Goossens 10 Hepatologie Nichtalkoholische Fettlebererkrankung: Schluss mit der Banalisierung! S. Kuster, A. Wolfensberger, P. Schreiber, L. Clack, H. Sax 13 Infektiologie Infektionsprävention ist «Change Management» R. Bachmann-Gagescu 16 Medizinische Genetik Konsequenzen der «next generation» genetischen Diagnostik T. M. Berger, M. Mönkhoff, M. Roth-Kleiner 19 Neonatologie Unterstützung für humanitäre Neonatologie-Projekte J. Lütschg 22 Neuropädiatrie Muskeldystrophie Duchenne: Licht am Ende eines dunklen Tunnels! A. El Mekabaty, J. Gralla, N. Meier, M. Abegg, A. Raabe, P. Mordasini 26 Neuroradiologie und Neurochirurgie Sinus-Stenting der idiopathischen intrakraniellen Hypertension K. D. Mertz, S. Savic, J. Diebold, L. Bubendorf 29 Pathologie «Liquid biopsy» – auf der Jagd nach Mutationen im Blut Mit der Schweizerischen Ärztezeitung finden Sie rasch Ihre Wunsch * WA N T E D * stelle oder die Wunschbesetzung für Ihr Stellenangebot: Die zentrale Stellenplattform der Schweizerischen Ärztezeitung veröffentlicht jede Woche die aktuellen Vakanzen in der Schweiz, Ärztin oder Arzt gedruckt und online auf www.saez.ch. Kontakt: EMH Schweizerischer Ärzteverlag zum baldigen Stellenantritt. Herr Matteo Domeniconi, Koordination Stellenmarkt Farnsburgerstrasse 8, CH4132 Muttenz Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse Tel. 061 467without 86 08,permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html EMail stellenmarkt@emh.ch, www.saez.ch
INHALTSVERZEICHNIS 2 Schlaglichter 2017 J. Dratva, C. Meier 31 Prävention und Gesundheitswesen Digitale Epidemiologie – eine neue Zeit ist angebrochen! Leserbriefe A. Krebs, L. Wildi 34 Eine intraartikuläre Steroidinfiltration kann durchaus sinnvoll sein N. Hoyer 34 Steroide sparsam einsetzen R. Krapf 34 Replik Swiss Medical Weekly Editorial Board: Prof. Adriano Aguzzi, Zurich (ed. in chief); Prof. Manuel Battegay, Basel; Dr. Katharina Blatter, Basel (Managing editor); Prof. Jean-Michel Dayer, Geneva; Prof. Douglas Hanahan, Lausanne; Dr. Natalie Marty, Basel (Managing editor); Prof. André P. Perruchoud, Basel (senior editor); Prof. Christian Seiler, Berne; Prof. Peter Suter, Geneva (senior editor) The “Swiss Medical Weekly“ is the official scientific publication of the Swiss Society of Internal Medicine, Swiss Society of Infectiology, Swiss Society of Rheumatology and Swiss Society of Pulmonary Hypertension. The journal is supported by the Swiss Academy of Medical Sciences (SAM) and the Swiss Medical Association (FMH). Abstracts of new articles from www.smw.ch are presented at the end of this issue. Das Werk von Henri Matisse im Licht seiner Krankheiten Mit bisher unveröffentlichten Dokumenten zu seiner Darmoperation Ernst Gemsenjäger-Mercier Krankheiten spielten im Leben von Henri Matisse eine Die Krankheiten und Operationen von Henri Matisse / Henri Matisse – bedeutende Rolle. Doch Matisse’ Krankengeschichte ses maladies, ses opérations / Henri Matisse’s medical biography bedarf einer Klarstellung früherer Missverständnisse und Irrtümer. Dies leistet Ernst Mit einem Vorwort von Daniel Oertli Gemsenjäger mit profundem medizinischem Fachwissen und unter Berücksichti- und Felix Harder. 2017. 84 Seiten, 3-sprachig, 11 Abb., gung bisher unveröffentlichter Dokumente der «Archives Matisse». Das Buch ist eine z. T. farbig, broschiert. spannende, lehrreiche medizinische Fallbesprechung und zugleich eine medizin- sFr. 24.50 / € 24.50 ISBN 978-3-03754-098-5 und kunsthistorische Abhandlung. EMH Schweizerischer Ärzteverlag Ihre Bestellmöglichkeiten: T +41 (0)61 467 85 55, F +41 (0)61 467 85 56, Weitere Informationen finden Sie unter www.emh.ch auslieferung@emh.ch, www.emh.ch, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, in der Rubrik «Bücher und mehr». Farnsburgerstrasse 8, CH-4132 Muttenz Impressum Swiss Medical Forum – Marketing EMH / Inserate: ISSN: Printversion: 1424-3784 / Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift Schweizerisches Medizin-Forum Dr. phil. II Karin Würz, Leiterin elektronische Ausgabe: 1424-4020 publizierten Angaben wurden mit der Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Marketing und Kommunikation, Erscheint jeden Mittwoch grössten Sorgfalt überprüft. Die mit und der Schweizerischen Gesellschaft Tel. +41 (0)61 467 85 49, Fax +41 Verfassernamen gezeichneten Ver für Innere Medizin (0)61 467 85 56, kwuerz@emh.ch © EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG öffentlichungen geben in erster Linie (EMH), 2018. Das Swiss Medical Forum die Auffassung der Autoren und nicht Redaktionsadresse: Eveline Maegli, Abonnemente FMH-Mitglieder: ist eine Open-Access-Publikation zwangsläufig die Meinung der SMF- Redaktionsassistentin SMF, FMH Verbindung der Schweizer von EMH. Entsprechend gewährt EMH Redaktion wieder. Die angegebenen EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, allen Nutzern auf der Basis der Creative- Dosierungen, Indikationen und Appli- Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Commons-Lizenz «Namensnennung – kationsformen, vor allem von Neuzu- Tel. +41 (0)61 467 85 58, Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch Nicht kommerziell – Keine Bearbei lassungen, sollten in jedem Fall mit Fax +41 (0)61 467 85 56, Andere Abonnemente: EMH Schweize- tungen 4.0 International» das zeitlich den Fachinformationen der verwende- office@medicalforum.ch, rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente, unbeschränkte Recht, das Werk zu ver ten Medikamente verglichen werden. www.medicalforum.ch Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, vielfältigen, zu verbreiten und öffentlich Tel. +41 (0)61 467 85 75, zugänglich zu machen unter den Bedin- Herstellung: Schwabe AG, Muttenz, Manuskripteinreichung online: Fax +41 (0)61 467 85 76, abo@emh.ch gungen, dass (1) der Name des Autors www.schwabe.ch http://www.edmgr.com/smf Abonnementspreise: zusammen genannt wird, (2) das Werk nicht für mit der Schweizerischen Ärzte- kommerzielle Zwecke verwendet wird Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte zeitung 1 Jahr CHF 395.– / Studenten und (3) das Werk in keiner Weise bear- verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, CHF 198.– zzgl. Porto; ohne Schweize- beitet oder in anderer Weise verändert 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, rische Ärztezeitung 1 Jahr CHF 175.– / wird. Die kommerzielle Nutzung ist nur Fax +41 (0)61 467 85 56, www.emh.ch Studenten CHF 88.– zzgl. Porto mit ausdrücklicher vorgängiger Erlaub- Titelbild: (kürzere Abonnementsdauern: siehe nis von EMH und auf der Basis einer © Keelinakilina | Dreamstime.com www.medicalforum.ch) schriftlichen Vereinbarung zulässig. Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
KURZ UND BÜNDIG 3 Kurz und bündig Prof. Dr. med. Reto Krapf resistenz, intermittierenden Hypoxämien sen, obwohl die Effekte des Ultraschalls – bei Praxisrelevant vermutet. Die Beatmung mit «positive airway grösser Zielgenauigkeit zwar – etwas schwä- pressure» (PAP) führte in der Tat zu einer cher als elektromagnetische Impulse wirken. Perkutane koronare Interventionen nicht bescheidenen Reduktion des Blutdruckes. Es Fokussierter Ultraschall kann anscheinend besser als Plazebo bei schwerer KHK gibt bereits Fachempfehlungen zur Anwen- auch Medikamenten-beladene Nanopartikel Die sogenannte «COURAGE»-Studie [1] und dung von PAP, zum Beispiel zur Verhinderung genau am gewünschten intrazerebralen Ziel- Metaanalysen zeigten, dass eine koronare von Rezidiven bei einem Schlaganfall oder ort so verändern, dass das Medikament dort Intervention bei stabiler koronarer Herz- einer transient ischämischen Attacke («Ame- freigesetzt wird. Eine spannende Geschichte, krankheit (KHK) nicht zu einer Reduktion der rican Heart Association» [AHA]/ «American mit möglichem Abususpotential … Mortalität oder von Myokardinfarkten führt. Stroke Association» [ASA]). Eine Metaanalyse Nature. 2017;551(7679):257–9. Invasive koronare Interventionen bei stabiler von 10 diesbezüglich kontrollierten und ran- doi: 10.1038/d41586-017-05479-7. KHK sollten also nach wie vor der Kontrolle domisierten Studien zeigt nun, dass eine PAP Verfasst am 28.11.2017. von medikamentös nicht adäquat beherrsch- ohne Einfluss auf die gewählten Endpunkte baren Symptomen dienen. (akute Koronarsyndrome, Schlaganfälle oder Die nun publizierte «ORBITA»-Studie [2] wurde kardiovaskuläre bedingte Todesfälle) bleibt. Immer noch lesenswert sensationellerweise doppelblind randomisiert JAMA. 2017;318(2):156–66. durchgeführt ( Patienten sediert und bezüglich doi: 10.1001/jama.2017.7967, Klonalität von Kröpfen Gehör isoliert, nachbetreuende Teams nach Verfasst am 27.11.2017. Prof. Hugo Studer war langjähriger Ordina- dem Verlassen des Katheterraums ver- rius/Chefarzt für Innere Medizin am blindet darüber, ob eine Koronardila- Inselspital und zusammen mit sei- tation stattgefunden hatte oder nicht). nem Kollegen Prof. Werner Straub Die Resultate zeigen, dass bei schwerer Fokus auf … Kupfermangel Förderer sehr vieler internistischer koronarer Atheromatose (Stenosegrad Kaderärzte. Ganz in der Berner Tradi- >70%) ein invasives Vorgehen keinen – Kupfermangel ist meist Folge einer gastrointestinalen Malab- tion war die Entstehung der vormals besseren Effekt auf die ergometrische sorption, z.B. Sprue, oder exzessiver Zinkzufuhr (Resorption endemischen Kröpfe in der Schweiz Belastbarkeit als die Plazebointerven- von Zink in Konkurrenz zu Kupfer), selten angeboren (M. Menke). eines seiner wichtigeren Forschungs- tion (Herzkatheterlabor und diagnosti- – Da Kupfer im Duodenum resorbiert wird, ist heute die Magen- interessen. 1994 berichteten er und sche Koronarangiographie) ausübte. bypass-Operation (Roux-en-Y) die wichtigste Ursache ge seine Mitarbeiter, dass Kröpfe tumor- Verständlich, dass ein solches Resul- worden. genetisch heterogen sind, dass zum tat eine heisse Proponenten- und Op- – Weitere Ursachen: Valproat (Mechanismus unbekannt) und Beispiel polyklonale und monoklonale ponentendiskussion auslöst. Für ethi- dentale Adhäsiva (Komplexierung). Knoten nebeneinander exisitieren sche Kommissionen ist die Tatsache, – Klinische Manifestationen: komplexe Neurologie (Myelopathie, und dass monoklonale Knoten sich dass eine solche invasive Therapie Polyneuropathie, Myopathie, Optikusneuropahtie), Anämie aus polyklonalen entwickeln können. doppelblind untersucht werden kann, (normochrom, normozytär, seltener sideroblastär), allenfalls J Clin Endocrinol Metab. 1994;79(1):134–9. ebenfalls ein wichtiger Hinweis. An- Leuko- und Thrombopenie. DOI: 10.1210/jcem.79.1.7517946. geblich gibt es weltweit über 500 000 – Diagnostik: Kupfer und Coeruloplasmin (letzteres wird in Ab- Verfasst am 27.11.2017. solcher Eingriffe bei dieser Patienten- wesenheit von Kupfer schnell degradiert) im Serum tief. gruppe. «Choosing (more) wisely» – Akute Therapie: Kupferchlorid intravenös (fallweise herzustellen). also auch hier? – Wichtigste Nahrungsquellen: schwarze Schokolade, Leber, Das hat uns gefreut 1 N Engl J Med. 2007;356(15):1503–16. Mandeln. DOI: 10.1056/NEJMoa070829. Willkommen im Club: Smarter 2 Lancet. 2017 Nov 1. pii: S0140- N Engl J Med. 2017;377(20):1977–84. Medicine in der Gastroenterologie doi: 10.1056/NEJMcpc1710564. 6736(17)32714-9. doi: 10.1016/ Trotz ökonomisch wahrscheinlich Verfasst am 29.11.2017. S0140-6736(17)32714-9. schmerzhafter Zurückstufung endo [Epub ahead of print]. skopischer Abklärungen hat sich die Verfasst am 28.11.2017, auf Hinweis von Neues aus der Biologie Schweizerische Gesellschaft für Gastroentero- Prof. Peter Rickenbacher (Basel/Bruderholz). logie im Rahmen der «Smarter Medicine»-Ini- Neuromodulation mit Ultraschall titative mit fachlich gut begründeten und le- Beatmung ohne messbaren Einfluss auf Was hat es mit den angeblichen Ultraschall senswerten Einsparungsvorschlägen kardiovaskuläre Endpunkte beim OSAS attacken auf US-amerikanische Diplomaten geäussert. Zum Beispiel wird eine Kolonosko- Verschiedene Studien haben eine Assoziation in Havanna (Kuba) auf sich? James Bond oder pie – bei qualitativ hochstehender Erstunter- zwischen kardiovaskulären Erkrankungen doch etwas Reales? Könnte die Verhandlungs- suchung – bei fehlendem Neoplasienachweis und dem Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) – auch delegation der Schweiz in Brüssel so (endlich?) nur noch alle 10 Jahre empfohlen. Bei Nach- nach Korrektur für Komorbiditäten wie Adi- gefügig gemacht werden? Möglich erscheint weis von Polypen ohne höhergradige Dyspla- positas – gezeigt. Als pathophysiologisch rele- es, denn MRI-gesteuerte Ultrasonifikation sie sind es 5 Jahre. vante Mechanismen werden unter anderem zum Beispiel des extrapyramidalen Systems www.smartermedicine.ch und www.sggssg.ch erhöhte katecholaminerge Aktivität, Insulin- kann Bewegungsstörungen positiv beeinflus- SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):3– 4 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. 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KURZ UND BÜNDIG 4 Aus Schweizer Feder Eisen einmal und nur jeden zweiten Tag ist besser! Nachdem ab Januar 2018 für die parenterale Eisenzufuhr eine Kostengutsprache einiger Krankenkassen erforderlich wird, ist es gut, sich über die optimale perorale Eisenzufuhr zu (re-)informieren. In vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Studien unter- suchten M. Zimmermann und MitarbeiterIn- nen (ETH Zürich) den Effekt des Dosisinter valles eines oralen Eisenpräparates auf die Eisenresorption. Mittels sorgfältiger eisen kinetischer Untersuchungen konnte nachge- wiesen werden, dass mit einer Einmaldosis (nüchtern/morgens) – nur jeden zweiten Tag appliziert – eine signifikant höhere kumula- tive Eisenresorption von plus 34% erreicht wurde (getestet für 60 mg Eisensulfat). Der Grund dafür liegt in der Tatsache begründet, dass zu häufige Eisenapplikationen in der Le- ber die Synthese des sogenannten Hepcidin Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Gruppe von Erythrozyten stimulieren. Hepcidin ist ein negativer Re (© CDC/ Janice Haney Carr (2005), Nachdruck mit freundlicher Genehmigung). gulator (Hemmer) der duodenalen Eisenauf- nahme und der Eisenfreisetzung aus den den TRANSFUSE-Studie (knapp 5000 PatientIn- Insbesondere die Zirkuläratmung ist muskulär eisenspeichernden Zellen. «Choosing wisely nen, 59 Zentren, 5 Länder) nun als Beruhigung, anspruchsvoll. Durch Kräftigung der pharyn (and cost-effectively)», auch hier! denn die 90-Tage-Mortalität intensivmedizini- gealen Muskulatur wird deren Stabilität verbes- Lancet Haematol. 2017 Nov;4(11):e524–e533. scher («critically ill») PatientInnen unterschied sert und damit die Kollapsneigung im Schlaf re- doi: 10.1016/S2352-3026(17)30182-5. sich nicht, wenn Konzentrate mit einer Lage- duziert. Die Effizienz ist belegt. Falls weiterhin Verfasst am 27.11.2017, auf Hinweis von rungsdauer von knapp 12 Tagen mit solchen Schlafapnoe und/oder Schnarchprobleme vor- Prof. Michael Brändle (St.Gallen). von gut 22 Tagen verglichen wurden. liegen, wäre der nächste sinnvolle Schritt, die N Engl J Med. 2017;377(19):1858–67. Weichteile der Nase, also die Nasenseitenwände, doi: 10.1056/NEJMoa1707572. zu erweitern und zu stabilisieren. Dies kann Für ÄrztInnen am Spital Verfasst am 29.11.2017. zum Beispiel mit dem Titaniumimplantat «Breathe-Implant» erreicht werden. Es hält die Wie alt dürfen Erythrozyten sein? engste Stelle des gesamten Atemwegs, die inne- Erythrozyten (Abb. 1) können bis zu 49 Tage Die Leserecke ren Nasenklappe, offen. Damit wird auch die oft (4 °C) aufbewahrt werden (www.blutspende. notwendige CPAP-Maske signifikant besser ch), aber die Mortalität und Morbidität von In der Besprechung der Resultate des Didgeri- toleriert, weil die Druckeinstellungen des CPAP- intensivmedi zinischen, chirurgischen und doo-Spiels auf das Schlafapnoe-Syndrom hat- Geräts wesentlich tiefer und damit angenehmer traumatologischen PatientInnen korrellierte ten wir uns ignorant über den Mechanismus eingestellt werden können.» positiv mit der zunehmenden Lagerungsdauer gezeigt [1]. Erfreulicherweise teilt uns Prof. Herzlichen Dank! der Erythrozytenkonzentrate. Dabei wurden Daniel F. à Wengen (Binningen) den plausib- unter anderem negative Folgen der Konservie- len Grund für die Wirkung mit: rungstechnik inkriminiert. Darum kommen «Das regelmässige Spielen eines Didgeridoo 1 Krapf R. Kurz und bündig. Schweiz Med die Resultate der randomisierten, doppelblin- fordert und fördert die Muskulatur des Pharynx. Forum. 2017;17(48):1058. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):3– 4 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
EDITORIAL 5 Leserumfrage «Medizinische Fachpresse 2017» Qualität und Unabhängigkeit von medizinischen Fachzeitschriften stehen hoch im Kurs Prof. Dr. med. Nicolas Rodondi, Chefredaktor Swiss Medical Forum Die kürzlich veröffentlichte Leserumfrage «Medizinische Fachpresse 2017» des Markt- und Sozialforschungsinstituts gfs-zürich bestätigt erneut den Spitzenplatz des «Swiss Medical Forum» unter den medizinischen Fortbildungszeitschriften in der Schweiz. Wie bereits in der im Jahr 2010 ähnlich durchgeführ- die Befragten von grosser Wichtigkeit (Mittelwert 4,3 ten Umfrage hat das «Swiss Medical Forum» (SMF) in von 5 Punkten). der Leserumfrage 2017 sowohl in der Gesamtgruppe Fachzeitschriften (4,3) sind zusammen mit dem Inter- Nicolas Rodondi der Befragten als auch in den untersuchten Subgrup- net (4,4) immer noch die wichtigste Informations- pen exzellente Reichweiten erzielt. quelle für die Ärztinnen und Ärzte, deutlich mehr als In der Frage nach dem «weitesten Leserkreis» (WLK: die Kongresse (4,1). Die Umfrage zeigt aber auch einen «Zeitschrift in den letzten sechs Monaten mindestens Einfluss des Alters der Befragten bei dieser Antwort: einmal in der Hand gehabt, um darin zu blättern oder Während die Zeitschriften bei den älteren Leserinnen zu lesen») liegt das SMF nach der «Schweizerischen Ärzte- und Lesern höhere Punktwerte erzielen, verhält es sich zeitung» (SÄZ) an zweiter Stelle unter 48 evaluierten beim Internet genau umgekehrt. Zeitschriften: Der WLK des SMF umfasst 92% der Auf die Frage «Was gefällt Ihnen am Swiss Medical Schweizer Ärztinnen und Ärzte (SÄZ: 94%). Auch in der Forum?» wurden folgende Stichworte spontan am häu- etwas spezifischeren Frage nach der Reichweite («Wie figsten genannt: Qualität, Inhalt / übersichtlich, kom- viele von 6 aufeinanderfolgenden Ausgaben der unten- pakt / Zusammenfassungen, Reviews, Überblick / Viel- stehenden Zeitschriften lesen oder blättern Sie norma- falt, breite Information / neutral, sachlich, praxisnah, lerweise durch?») nimmt das SMF den zweiten Platz relevant. nach der SÄZ ein, und zwar sowohl in der Deutsch- Ihre Antworten im Rahmen dieser Leserumfrage ha- schweiz mit 69% als auch in der Romandie mit 59%. ben uns in der Redaktion natürlich sehr gefreut und Besonders gefreut hat uns, dass die Reichweitenwerte angespornt. Sie bestärken uns darin, unser redaktio- nicht nur im Gesamtdurchschnitt, sondern auch inner- nelles Konzept weiter zu verfolgen. Wir werden auch in halb der ausgewerteten Fachgruppen hoch sind. Denn Zukunft der Vielfalt, Praxisrelevanz, Qualität und Un- das Konzept des SMF ist ja gerade, für alle Ärztinnen abhängigkeit höchste Priorität einräumen und parallel und Ärzte interessante Weiter- und Fortbildung anzu- zur Printausgabe unseren Internet-Auftritt weiterent- bieten, mit aktuellen Übersichtsartikeln zu Themen, die wickeln. Wir freuen uns, wenn wir Sie auch im 2018 zu über das jeweils eigene Fachgebiet hinausgehen. Die unseren Leserinnen und Lesern zählen dürfen. Reichweite des SMF beträgt in der Gruppe «Allgemeine Auch ausserhalb von Befragungen sind uns Ihre direk- Innere Medizin» 74%, in der Gruppe «Neurologie und ten Rückmeldungen immer willkommen: Ihr Feedback Psychiatrie» 60%, in der Gruppe «Kardiologie und An- zu Artikeln, Ihre Ideen und Vorschläge ebenso wie Ihre giologie» und bei den Onkologen je 65%. kritischen Kommentare, die oft punktgenau auf ein Sehr interessant sind auch die Resultate der anderen Detail hinweisen, das wir noch verbessern können. gestellten Fragen. Die redaktionelle Unabhängigkeit Sie erreichen uns unter office[at]medicalforum.ch. von medizinischen Fachzeitschriften ist für 73% der Befragten sehr wichtig, mit einem ausserordentlich Eine Beschreibung von Studienorganisation und - inhalt der Um- hohen Mittelwert (4,7 von 5 Punkten). Auch dass die Ar- frage von gfs-zürich und zahlreiche detaillierte Grafiken zu den tikel einem Peer reviewing unterzogen werden, ist für Resultaten finden sie online unter www.emh.ch/leserumfrage. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):5 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
SCHL AGLICHTER 2017 6 Angiologie Panta rhei Dr. med. Ernst Groechenig a , Dr. med. Thorsten Grumann a , Dr. med. Arne Kieback a , Prof. Dr. med. Nils Kucher b , Dr. med. Marc Righini c a Abteilung Angiologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Kantonsspital Aarau; b Schweizer Herz- und Gefässzentrum Bern, Universitätsklinik für Angiologie, Inselspital Bern; c Division of Angiology and Hemostasis, Department of Medical Specialties, Geneva University Hospital and Faculty of Medicine Panta rhei – alles fliesst. Wir Angiologen setzen alles daran, das Blut in Arterien, Venen und die Lymphe in den Lymphgefässen im Fluss zu halten. Dieses Jahr standen vor allem die Venen im Fokus: Einfache Scores ermöglichen es, die Wahrschein lichkeit einer venösen Thromboembolie zusammen mit schnell bestimmbaren Laborparametern sicher und effizient zu bestimmen. Hintergrund in die Studie eingeschlossen, bei 33 lag ein postthrom botisches Syndrom, bei 20 eine akute Thrombose und Für die Therapie der venösen Thromboembolie (VTE) bei 9 ein nichtthrombotischer Verschluss der Vena cava beantworten die Guidelines aber leider nicht alle Fragen: inferior vor. Bei 98% war die Intervention primär er Was tun bei einer isolierten Muskelvenenthrombose? folgreich. Während der Beobachtungszeit von durch Was tun bei einer oberflächlichen Venenthrombose schnittlich 21 Monaten musste bei 37% der Patienten oder wenn nur eine Unterschenkelvenenthrombose eine Reintervention wegen einer symptomatischen vorliegt? Antikoagulieren in prophylaktischer oder gar Stentthrombose und bei 23% wegen eines kompletten in therapeutischer Dosierung? Bei zu niedriger Do Stentverschlusses durchgeführt werden. sierung ein Fortschreiten der Thrombose oder gar eine Nach 24 Monaten betrug die primäre Offenheitsrate Lungenembolie riskieren oder eine Blutungskomplika 57%, die primär assistierte Offenheitsrate 76% und die tion? Wie kann man ein postthrombotisches Syndrom sekundäre Offenheitsrate 87%. Keiner der Patienten als potentiell invalidisierende Spätfolge am besten ver entwickelte eine neues Ulcus cruris, bei allen acht Pa hindern? Lokale oder systemische Lyse? Katheterinter tienten mit einem Ulcus cruris zeigte sich eine voll vention? Operatives Vorgehen? ständige Abheilung. Eine signifikante Verbesserung Innovative Ansätze kommen aus der Schweiz, die nicht der klinischen Beschwerden fand sich bei 50% der Pa nur national, sondern auch international Aufsehen tienten und 40% zeigten keinerlei Symptome einer ve erregt haben. Wieder eröffnete Gefässe über längere nösen Hypertonie. Zeit offen zu halten, ist eine grosse Herausforderung. Bei den Arterien rückt das Risikofaktorenmanagement sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprophy HERDOO2-Score laxe in den Vordergrund. Neue Hoffnungen gibt es bei Die im vergangenen Jahr publizierten Guidelines des der Behandlung der schweren Dyslipidämie mit der «American College of Chest Physicians» (ACCP) haben Einführung der PCSK9-Inhibitoren, auf die wir hier aber zwar die meisten, aber noch lange nicht alle Fragen noch nicht eingehen wollen. Bei der therapierefraktä beantwortet. So ist die optimale Therapiedauer bei Pa ren Hypertonie scheint wieder ein Licht am Horizont tienten mit einer idiopathischen venösen Thrombo aufzugehen. embolie noch nicht klar. Bei einigen Subgruppen, wie zum Beispiel bei Patienten mit postoperativer Throm bose, findet sich ein jährliches Rezidivrisiko von weniger «Bern Venous Stent Registry» als 1% pro Jahr, sodass eine dreimonatige Antikoagu Eine besonders schwierige Situation findet sich bei lation ausreichend ist. Bei Patienten mit einer nicht Patienten mit einem chronischen Verschluss der Vena provozierten (idiopathischen) Thrombose beträgt das cava inferior. Im «Bern Venous Stent Registry» wurden Rezidivrisiko innerhalb von sechs Monaten je nach technischer Erfolg, Offenheitsrate und klinisches Er Studie 5–27% im ersten Jahr, gefolgt von 5% im darauf gebnis nach komplexer endovaskulärer Rekonstruktion folgenden und 2–3% in den folgenden Jahren. Mit einer Ernst Groechenig der Vena cava inferior untersucht. 62 Patienten wurden Antikoagulation erreicht man eine relative Reduktion SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):6 –8 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Schlaglichter 2017 7 des Rezidivrisikos von 90%, allerdings erkauft man sich Dies kann durchaus zu Verwirrung und Fehlinterpre diesen Erfolg mit einem Risiko für eine Major-Blutung tationen Anlass geben. von 0,9–3% pro Jahr [1]. In der COMPASS-PAD-Substudie wurden 7470 Patientin Der kürzlich publizierter HERDOO2-Score («men conti nen und Patienten, die entweder eine koronare Herz nue and her do too») soll zur Entscheidungsfindung krankheit und einen pathologischen «ankle-brachial- beitragen und jene weiblichen Patienten identifizieren, index» (ABI), eine symptomatische peripher-arterielle bei denen die Antikoagulation mit akzeptabler Sicher Verschlusskrankheit (PAVK) der unteren Extremitäten heit beendet werden kann [2]. oder eine Karotisstenose >50% beziehungsweise einen Gemäss diesem Score wird die orale Antikoagulation Status nach Karotis-Revaskularisation aufwiesen, ana bei allen Männern und bei Frauen, die mehr als zwei lysiert. Die Ergebnisse stimmten im Wesentlichen mit der folgenden Risikofaktoren nach 5–12 Monaten auf der Hauptstudie überein. Bei jeweils ca. 2500 Patientin weisen, weitergeführt: nen und Patienten in jeder Gruppe zeigten sich unter – postthrombotische Zeichen (HER: Hyperpigmenta der Kombination Rivaroxaban/ASS nur 5, unter ASS 17 tion, Edema, Rötung) in einem Bein; Amputationen. – D-Dimer ≥250 mg; Erfreulich ist aus angiologischer Sicht, dass der End – Adipositas: BMI ≥30 kg/m2; punkt «MALE» («major adverse limb event») zunehmend – Alter ≥65. Beachtung findet. Während die positiven Ergebnisse bei Patientinnen und Patienten mit stabiler atherosklerotischer vaskulärer Risikofaktorenmanagement mit Erkrankung nicht unbedingt zu erwarten waren, bleibt R ivaroxaban/Acetylsalicylsäure aus angiologischer Perspektive spannend, welche Ergeb In die COMPASS-Studie [3] wurden 27 395 Patientinnen nisse die Voyager-PAD-Studie (ASS versus ASS + Rivaro und Patienten mit stabiler atherosklerotischer vasku xaban periinterventionell oder perioperativ bei PAVK lärer Erkrankung eingeschlossen. Es wurde unter der unteren Extremitäten) bringen wird. sucht, ob eine niedrig dosierte Antikoagulation mit dem Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban alternativ oder Renale Denervation zusätzlich zu Acetylsalicylsäure (ASS) 100 mg/Tag den kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Die Hypertonie ist einer der wichtigsten Risikofaktoren Schlaganfall und Myokardinfarkt signifikant reduziert. bei der Genese einer Atherosklerose. Für die Behand Verglichen wurden drei Therapieregimes (2 × 2,5 mg Ri lung von Patienten mit therapieresistenter Hypertonie varoxaban plus 100 mg ASS/Tag, versus 2 × 5 mg Riva werden seit mehreren Jahren verschiedene interven roxaban/Tag versus 100 mg ASS/Tag). Nach einem tionelle, kathetergestützte Verfahren eingesetzt. Mit mittleren Follow-up von 23 Monaten wurde die Studie Abstand das bekannteste ist die renale Denervation wegen Überlegenheit der Rivaroxaban/ASS-Kombina (RDN), bei der mittels Radiofrequenzablation die re tion vorzeitig beendet. Unter 2 × 2,5 mg Rivaroxaban nale Sympathikusaktivität durch Verödung der sym plus 100 mg ASS/Tag erreichten 4,1%, unter ASS 100 mg/ pathischen Nervenfasern in der Gefässwand der Nieren Tag 5,4% den primären Endpunkt. Unter 2 × 5 mg Riva arterien zu einer Blutdrucksenkung führen soll. roxaban/Tag zeigte sich ein positiver Trend, aber kein Aufgrund der einfachen Durchführbarkeit und den signifikanter Unterschied im Vergleich zu ASS 100 mg/ vielversprechenden Ergebnissen aus den ersten Stu Tag. Die Gesamtmortalität – einer der sekundären End dien folgte, nach anfänglicher Euphorie über einen punkte – war unter der Rivaroxaban/ASS-Kombination vermeintlichen «Therapiedurchbruch», tiefe Ernüchte ebenfalls signifikant reduziert. rung. Wider Erwarten blieb die RDN in der bis dato Major-Blutungen traten in den Rivaroxaban-Gruppen grössten kontrollierten Studie (Symplicity-HTN3) [4] signifikant häufiger auf. Als Major-Blutung wurde auf gegenüber einer Schein(«Sham»)-Population den Nach Behördenwunsch in dieser Studie auch jede Blutung, weis schuldig, den Blutdruck signifikant senken zu die zumindest zu einer ambulanten Vorstellung im können. Spital führte, gewertet (aber auch nach der klassischen Um sich Klarheit über die Bedeutung der RDN als anti Definition der «International Society on Thrombosis hypertensive Therapie zu verschaffen, wurden die SPY and Haemostasis» [ISTH] traten Major-Blutungen in RAL-HTN-Studien als «proof of concept» konzipiert. den Rivaroxaban-Gruppen signifikant häufiger auf). Kürzlich wurden nun Interimsdaten der OFF-MED- Andererseits wurden für die Analyse des positiven Gruppe publiziert [5]. Darin wurden Patienten mit un Netto-Benefits nur tödliche Blutungen und symptoma behandeltem Blutdruck eingeschlossen, die entweder tische Blutungen in ein kritisches Organ einbezogen. noch nie Blutdruckmedikamente eingenommen oder SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):6 –8 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Schlaglichter 2017 8 spätestens vier Wochen vor Studienbeginn abgesetzt Frauen mit einer idiopathischen Venenthrombose hatten. «Unbehandelter Bluthochdruck» wurde als sicher abschätzen zu können und bei der Sekundärpro Praxisblutdruck systolisch zwischen 150–180 mm Hg phylaxe arterieller Probleme hat ein aussergewöhn und diastolisch >90 mm Hg und ein durchschnitt liches Therapiekonzept für einige Aufmerksamkeit licher systolischer Wert von 140–170 mm Hg bei einer gesorgt. Last but not least zeichnen sich bei der thera 24-Stunden-Messung definiert. Die Einteilung der pierefraktären Hypertonie als einem der gefährlichs Patienten erfolgte in zwei Gruppen, bei einer wurde ten Risikofaktoren wieder neue Entwicklungen ab. die RND durchgeführt, bei der zweiten eine «Sham»- Es bleibt spannend und mit grosser Freude sehen wir Prozedur. den Schlaglichtern des kommenden Jahres entgegen. Nach drei Monaten kam es in der RND-Gruppe (n = 38) Disclosure statement zu einer Reduktion des Praxisblutdruckes um AK hat Vortragshonorare von der Firma Bayer deklariert. Die anderen 10 mm Hg (systolisch) und 5,3 mm Hg (diastolisch). In Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. der Kontrollgruppe (n = 42) waren die entsprechenden Werte –2,3 und –0,3 mm Hg. In der ambulanten Literatur 24-Stunden-Messung war bei den RDN-Patienten eine 1 Agnelli G, Prandoni P, Becattini C, et al. Extended oral anticoagu lant therapy after a first episode of pulmonary embolism. Ann Reduktion des systolischen und diastolischen Blut Intern Med 2003;139:19–25. druckwertes um 5,5 mm Hg respektive 4,8 mm Hg zu 2 Rodger MA, Le Gal G, Anderson DR, et al. Validating the HERDOO2 beobachten, in der Kontrollgruppe betrugen diese rule to guide treatment duration for women with unprovoked venous thrombosis: multinational prospective cohort management Werte nur 0,5 und 0,4 mm Hg. Alle Blutdruckverände study. Bmj 2017;356:j1065. rungen erwiesen sich als signifikant. 3 Eikelboom JW, Connolly SJ, Bosch J, Dagenais GR, Hart RG, Shestakovska O, et al; COMPASS Investigators. Rivaroxaban with or Korrespondenz without Aspirin in Stable Cardiovascular Disease. N Engl J Med. Dr. med. Ernst Groechenig 2017;377(14):1319–30. Chefarzt Angiologie Diskussion 4 Bhatt DL, et al. A controlled trial of renal denervation for resistant Abteilung Angiologie hypertension. N Engl J Med 2014;370:1293–401. Medizinische Universitäts Neue, innovative Techniken zur Behandlung von chro 5 Townsend RR, et al. Catheter-based renal denervation in patients klinik Aarau nischen oder akuten Verschlüssen der Vena cava in with uncontrolled hypertension in the absence of antihypertensive Tellstrasse 1 medications (SPYRAL HTN-OFF MED): a randomised sham- CH-5000 Aarau ferior wurden entwickelt, ein neuer Score soll zuver controlled, proof-of-concept trial. Lancet. 2017 Aug 25. ernst.groechenig[at]ksa.ch lässig dazu beitragen, die Antikoagulationsdauer bei pii: S0140-6736(17)32281-X. [Epub ahead of print]. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):6 –8 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
SCHL AGLICHTER 2017 10 Hepatologie Nichtalkoholische Fettleber erkrankung: Schluss mit der Banalisierung! Dr. med. Nicolas Goossens Service de Gastroentérologie et Hépatologie, Hôpitaux Universitaires de Genève, Genève Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung ist eine Hepatopathie, deren Häufigkeit stetig zunimmt, die jedoch den ärztlichen Grundversorgern und der Bevölkerung zu wenig bekannt ist. Hintergrund NAFLD: Neuigkeiten zur Epidemiologie und Diagnose Die nichtalkoholische (metabolische) Fettlebererkran- kung («non-alcoholic fatty liver disease» [NAFLD]) ist Eine aktuelle Metaanalyse von 86 Studien aus 22 Län- eine nicht übertragbare Krankheit, deren Häufigkeit dern zeigt, dass die Gesamtprävalenz der NAFLD bei zunimmt und die in den westlichen Ländern zwischen 25% liegt (24% in den europäischen Studien), bei einem 25 und 30% der Bevölkerung betrifft. Unter dem Begriff Anteil an Adipositas- und Diabetespatienten von 51 re- NAFLD wird ein ganzes Spektrum von Lebererkran- spektive 23% [2]. Die adjustierte leberbedingte Mortali- kungen zusammengefasst: Die harmloseste Form ist tät und die Gesamtmortalität sind bei NAFLD- und die «einfache» Fettleber (einfache Steatose), die sich NASH-Patienten im Vergleich zu einer Kontrollpopula- jedoch zu einer nichtalkoholischen Steatohepatitis tion erhöht. (NASH), Leberfibrose und schliesslich zu fortgeschrit- Diese beunruhigenden epidemiologischen Daten ver- tenen Stadien wie Zirrhose und hepatozellulärem Kar anlassten die internationalen Fachgesellschaften dazu, zinom entwickeln kann. Aufgrund der häufigen Empfehlungen zur Diagnose und Behandlung der Assoziation mit Typ-2-Diabetes (T2D), Adipositas und NAFLD auszuarbeiten. Die europäischen Diabetologie-, anderen Faktoren des metabolischen Syndroms geht Adipositas- und Hepatologie-Gesellschaften veröffent- die NAFLD mit einer erhöhten Mortalität einher. Die lichten daraufhin gemeinsam – ein seltener Vorgang – NASH ist darüber hinaus – besonders im Zusammen- einschlägige Diagnose- und Behandlungsempfehlungen hang mit einer Leberfibrose oder -zirrhose – mit einer [3]. Demnach sollten alle Patienten mit metabolischem erhöhten Mortalität aufgrund von Leberkrankheiten Syndrom auf eine allfällige NAFLD untersucht werden, und hepatozellulärem Karzinom verbunden. und zwar mithilfe der Messung der Leberwerte und Ungeachtet dieser beunruhigenden epidemiologi- einer Lebersonografie (Abb. 1). Ein metabolisches schen Daten bleibt die NAFLD eine von den ärztlichen Syndrom wird dabei definiert als das Vorliegen von Grundversorgerinnen und Grundversorgern ver- mindestens drei der folgenden fünf Faktoren: Nüch- kannte Pathologie, möglicherweise aufgrund des Man- ternblutzucker erhöht oder T2D, Hypertriglyzeridämie, gels an zuverlässigen epidemiologischen Daten und HDL-Cholesterin erniedrigt, Bauchumfang erhöht und eindeutigen Diagnose- und Behandlungsempfehlun- arterieller Bluthochdruck. Bei abnormen Leberwerten gen [1]. Wie im Folgenden dargelegt, stehen nunmehr oder falls die Abdomensonografie auf eine Fettleber aktuelle epidemiologische Studien und Empfehlungen hinweist, muss mithilfe nichtinvasiver Methoden zur Verfügung, mithilfe derer das Risiko der Patienten, untersucht werden, ob eine Leberfibrose zugrunde eine fortgeschrittene NAFLD zu entwickeln, besser ein- liegt. Den ärztlichen Grundversorgern stehen nichtin- geschätzt werden kann. Darin werden auch Strategien vasive, auf klinischen Routinemarkern beruhende beschrieben, um diese Patientinnen und Patienten Tests zur Verfügung, etwa der NAFLD-Fibrose-Score Nicolas Goossens besser zu identifizieren und zu behandeln. (http://nafldscore.com/), der das Alter, den BMI, eine SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):10–12 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Schlaglichter 2017 11 Metabolisches Syndrom Abdomensonografie und Leberwerte (ASAT, ALAT und GGT) Bild einer Steatose Keine Steatose Leberwerte normal Leberwerte abnorm Leberwerte normal Nichtinvasive Bewertung Fibrose Risiko gering Risiko mässig/hoch Facharzt: Bewertung Kontrolle alle 2 Jahre der Untersuchungen Kontrolle alle 3–5 Jahre und Leberbiopsie Abbildung 1: Diagnosealgorithmus bei Verdacht auf NAFLD (modifiziert nach [3]). ALAT = Alanin-Aminotransferase; ASAT = Aspartat-Aminotransferase; GGT = Gamma-Glutamyltransferase. allfällige Insulinresistenz, die Blutkonzentration der tersuchung bleibt diesbezüglich der Goldstandard, Transaminasen, die Thrombozyten-Konzentration und trotz des Risikos von Komplikationen, das allerdings das Serumalbumin berücksichtigt, oder der FIB-4-Score, gering ist. der aufgrund des Alters, der Transaminasen und der Die starke epidemiologische Assoziation von T2D und Thrombozyten-Konzentration berechnet wird. Auch NAFLD wurde ebenfalls geklärt. Die genannte Metaana- wenn diese Scores nicht perfekt sind, ermöglichen sie lyse bestätigte die enge Assoziation zwischen T2D und doch die unmittelbare Stratifizierung des Risikos einer NAFLD: Die Prävalenz von T2D betrug 23% bei NAFLD-Pa- fortgeschrittenen Lebererkrankung. Falls bei einem tienten und 44% bei NASH-Patienten [2]. Umgekehrt wei- Patienten ein Score berechnet wird, der auf ein nicht sen rund 60% der Diabetikespatienten eine NAFLD auf. vernachlässigbares Fibroserisiko hindeutet, sollte er Vor diesem Hintergrund untersuchten Kwok et al. etwa an die Fachärztin respektive den Facharzt überwiesen 2000 Patienten mit Diabetik mittels Elastografie auf eine werden, damit eine transiente Elastografie (beispiels- signifikante Fibrose und stellten fest, dass 18% der T2D- weise mittels Fibroscan®) vorgenommen und eine He- Patienten daran litten; bei 12% der Diabetikespatienten patopathie anderer Ursache ausgeschlossen werden mit normalem Transaminasenwert wies die Elastomet- kann. Wenn sich der Verdacht auf signifikante Fibrose rie auf eine signifikante Fibrose hin [4]. Diese Ergebnisse aufgrund der Elastografie bestätigt, muss zur endgül unterstreichen, dass die Früherkennung einer NAFLD bei tigen Diagnose eine Leberbiopsie erfolgen. Diese Un- Diabetikespatienten besonders wichtig ist (auch im Falle SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):10–12 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Schlaglichter 2017 12 normaler Leberwerte), ebenso wie die Früherkennung Diskussion von Insulinresistenz oder T2D bei NAFLD-Patienten. Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung ist eine häufige Hepatopathie. Sie betrifft ein Viertel der Welt- NAFLD: Neuigkeiten zur Behandlung bevölkerung und geht mit beträchtlichen Komplikatio- nen einher. Angesichts der starken Assoziation mit den Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen den diversen Faktoren des metabolischen Syndroms wird Lebensgewohnheiten, dem metabolischen Syndrom die Diagnose und Behandlung dieser Patientinnen und und der NAFLD schlagen alle internationalen Empfeh- Patienten zu sehr hohen Kosten für das Gesundheits- lungen als Mittel erster Wahl zur Behandlung der system führen. Nur durch einen multidisziplinären An- NAFLD die Umstellung der Ernährungs- und Lebensge- satz können jene Patientinnen und Patienten frühzeitig wohnheiten vor. Der genaue Nutzen und die Umsetz- erkannt werden, für die das Risiko einer ungünstigen barkeit dieser Massnahmen im Rahmen einer NAFLD Entwicklung besteht und die deshalb überwacht und waren jedoch nicht vollständig geklärt. Eine prospektive fachärztlich behandelt werden müssen. Studie von Vilar-Gomez et al. mit 293 NASH-Patienten [5] zeigte allerdings den Nutzen und die Grenzen dieses Disclosure statement Ansatzes: Die durchschnittliche Gewichtsabnahme be- Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. trug 4,6 kg, und lediglich 30% der Patienten hatte am Ende des 52-wöchigen Beobachtungszeitraums abge- Literatur nommen. Zudem musste eine Gewichtsabnahme von 1 Blais P, Husain N, Kramer JR, Kowalkowski M, El-Serag H, Kanwal F. 7% erreicht werden, um einen Rückgang der NASH zu Nonalcoholic fatty liver disease is underrecognized in the primary care setting. Am J Gastroenterol. 2015;110:10–4. erreichen; um die Fibrose signifikant zu verringern, 2 Younossi ZM, Koenig AB, Abdelatif D, Fazel Y, Henry L, Wymer M. war eine Gewichtsabnahme von mindestens 10% nötig. Global epidemiology of nonalcoholic fatty liver disease-Meta-ana- lytic assessment of prevalence, incidence, and outcomes. Hepatol Vor diesem Hintergrund besteht ein grosses Interesse Baltim Md. 2016;64:73–84. an der Entwicklung neuer Therapien; mehrere Wirk- 3 European Association for the Study of the Liver (EASL), European Association for the Study of Diabetes (EASD), European Association stoffe werden derzeit in klinischen Phase-II- oder Phase- for the Study of Obesity (EASO). EASL-EASD-EASO Clinical Practice III-Studien getestet. Aber auch bereits zugelassene Arz- Guidelines for the management of non-alcoholic fatty liver neistoffe zeigen bei NAFLD eine positive Wirkung: disease. J Hepatol. 2016;64:1388–1402. 4 Kwok R, Choi KC, Wong GLH, Zhang Y, Chan HLY, Luk AOY, et al. Beispielsweise wurde für Pioglitazon ein histologischer Screening diabetic patients for non-alcoholic fatty liver disease Nutzen bei nichtdiabetischen NAFLD-Patienten nach- with controlled attenuation parameter and liver stiffness measurements: a prospective cohort study. Gut. 2016;65:1359–68. gewiesen, jüngst wurde für diesen Wirkstoff auch eine Korrespondenz: 5 Vilar-Gomez E, Martinez-Perez Y, Calzadilla-Bertot L, Torres- Dr. med. Nicolas Goossens Verringerung der Leberfibrose bei Patienten mit NASH Gonzalez A, Gra-Oramas B, Gonzalez-Fabian L, et al. Weight loss Service de Gastroentérologie und Diabetes gezeigt, auch wenn diese Ergebnisse through lifestyle modification significantly reduces features of & Hépatologie nonalcoholic steatohepatitis. Gastroenterology. 2015;149:367–78.e5; Hôpitaux Universitaires noch bestätigt werden müssen [6]. Da der Einsatz von quiz e14–15. de Genève Pioglitazon jedoch durch die Nebenwirkungen einge- 6 Cusi K, Orsak B, Bril F, Lomonaco R, Hecht J, Ortiz-Lopez C, et al. 4, rue Gabrielle-Perret-Gentil Long-term pioglitazone treatment for patients with nonalcoholic CH-1211 Geneva 4 schränkt ist, werden zurzeit zahlreiche andere Wirk- steatohepatitis and prediabetes or type 2 diabetes mellitus: a nicolas.goossens[at]hcuge.ch stoffe getestet. randomized trial. Ann Intern Med. 2016;165:305–15. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):10–12 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
SCHL AGLICHTER 2017 13 Infektiologie Infektionsprävention ist «Change Management» PD Dr. med. Stefan Kuster; Dr. med. Aline Wolfensberger; Dr. med. Peter Schreiber; Lauren Clack, MSc; Prof. Dr. med. Hugo Sax Universität und UniversitätsSpital Zürich, Zürich Effiziente Infektionsprävention ist mehr als «Spitalhygiene». Zur Reduktion von nosokomialen Infektionen und von Übertragungen resistenter Pathogene braucht es eine lebendige Sicherheitskultur, ein Verständnis für unerwünschte Verhaltens- weisen und die Bereitschaft zum institutionellen Wandel. Hintergrund Wichtigkeit in der Verhinderung der Übertragung von Keimen durch diese sogenannt «horizontalen» Mass- Nosokomiale Infektionen sind häufig. Etwas mehr als 7% nahmen lag der Fokus in den letzten Jahren zuneh- aller hospitalisierten Patienten in der Schweiz erleiden mend auf der zielgerichteten Prävention von nosoko- während einem Spitalaufenthalt eine infektiöse Kompli- mialen Infektionen durch die Implementierung von kation, die direkt mit der Hospitalisation assoziiert ist. evidenzbasierten Massnahmenpaketen («bundles», Zahlreiche Interventionen wie operative Eingriffe, die sog. «vertikale» Massnahmen). Einlage von Gefäss- oder Urinkathetern oder künstliche Beatmung sind mit einem relevanten Infektionsrisiko Kernkomponenten für effektive Infektions verbunden. Aber auch ohne spezifische Interventionen prävention sind Pneumonien und Harnwegsinfektionen bei hospi- Die WHO hat 2017 in evidenzbasierten Empfehlungen talisierten Patienten gehäuft. Antibiotikatherapien, ob die 8 Kernkomponenten für effektive Infektionsprä- indiziert oder nicht, sind die wichtigsten Risikofaktoren vention beschrieben (Tab. 1) [1]. Auf einen ersten, ober- für Clostridium difficile-assoziierte Diarrhoe und zahlrei- flächlichen Blick scheint die WHO dabei den Schwer- che Patienten werden in jeder Grippesaison im Spital mit punkt vor allem auf die Strukturqualität zu setzen, respiratorischen Viren – Influenza oder anderen – ange- welche in entwickelten Ländern bereits etabliert sein steckt. Nosokomiale Infektionen sind mit einer signifi- sollte. Kein Interventionsbedarf für die Schweiz also? kanten Morbidität und Mortalität assoziiert und führen Mitnichten. Die reine Strukturqualität ist zwar eine über die Verlängerung der Hospitalisationsdauer und notwendige Grundvoraussetzung, reicht aber für die die Notwendigkeit von zusätzlichen Interventionen zu Zielerreichung in Bezug auf die Reduktion der Infekti- erhöhten direkten und indirekten Kosten für das Spital onsraten nicht mehr aus. Einige Teilzeit-Stellenpro- und den Patienten. Aus verschiedenen Studien ist be- zente, die durch eine/n Fachexperten/Fachexpertin kannt, dass 30–50% der nosokomialen Infektionen ver- für Infektionsprävention mit halbherziger Unterstüt- hinderbar sind, auch in Ländern mit hochentwickelten zung der Spitaldirektion abgedeckt werden und Hygi- Gesundheitssystemen wie der Schweiz. enerichtlinien, die unauffindbar im spitaleigenen Int- Doch wie funktioniert effiziente Infektionsprävention ranet darben, sind eine reine Alibiübung. Dies im 21. Jahrhundert? implizieren auch die WHO-Richtlinien, die bei genau- erer Durchsicht neben der vordergründigen Struktur- qualität in hohem Masse auch auf Prozessqualität set- Moderne Infektionsprävention zen. Denn damit Strukturqualität sich in messbare Die moderne Infektionsprävention zielt weit über den Ergebnisse umsetzt, ist es notwendig, die Prozesse so verstaubten Begriff der «Spitalhygiene» hinaus, wel- anzupassen, dass Infektionsprävention im Alltag auch cher traditionell geprägt ist von Händehygiene, Reini- gelebt werden kann oder – noch besser – gelebt wer- Stefan Kuster gung, Desinfektion und Sterilisation. Ungeachtet der den muss. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):13–15 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Schlaglichter 2017 14 Tabelle 1: WHO-Kernkomponenten von effektiven Infektionspräventionsprogrammen (adaptiert nach [1]). Kernkomponente Wichtigste Empfehlungen Infektionspräventionsprogramme Lokal: Infektionspräventionsprogramm mit spezialisiertem Team. Konkrete Zielsetzungen gemäss lokaler Epidemiologie und Prioritätensetzung gemäss lokaler Risikoanalyse. Hauptfokus ist die Prävention nosokomialer Infektionen und die Verhinderung der Verbreitung von resistenten Keimen. National: Eigenständiges nationales Infektionspräventionsprogramm zur Prävention nosokomialer Infektionen und zur Verhinderung der Verbreitung von resistenten Keimen mit definierten Zielen und Aktivitäten. Richtlinien Entwicklung und Implementierung von evidenzbasierten Guidelines zur Infektions reduktion und Verhinderung der Verbreitung resistenter Keime. Umfasst auch gezielte Ausbildung und Training und die Überprüfung der Adhärenz mit den Richtlinien. Ausbildung und Training Ausbildung aller Spitalangestellten, einschliesslich Bedside- und Simulationstrainings. Überprüfung der Effektivität dieser Ausbildungsprogramme. Ausbildung und Training soll von nationalen Programmen als eine der Kernfunktionen unterstützt werden; umfasst auch Ausbildungsprogramme für Spezialisten für Infektionsprävention auf Seiten von Pflegefachpersonen und Ärzteschaft. Surveillance Lokale Überwachung von Infektionsraten, um gezielte Interventionen zu entwickeln und Ausbrüche rechtzeitig zu erkennen. Schliesst auch die Überwachung von A ntibiotikaresistenz mit ein. National: Programme und Netzwerke zur Überwachung von nosokomialen Infektionen und Antibiotikaresistenz mit rechtzeitigen Feedback der Zahlen zum Benchmarking Multimodale Strategien Implementierung von multimodalen Programmen zur Infektionsprävention und Verhinderung der Ausbreitung von Antibiotikaresistenz. Monitoring/Audits und Feedback Lokal: Regelmässige Audits und Monitoring von Prozessen zur Infektionsprävention, der Massnahmen zur Infektions inkl. Feedback der Resultate. prävention National: Nationales Programm zur Evaluation der Standards in Infektionsprävention. Arbeitsbelastung, Staffing und Personalschlüssel soll der Arbeitsbelastung angepasst werden und Bettenauslastung Bettenauslastung soll nicht überschritten werden. Infrastruktur, Materialien und Aus Infrastruktur und Materialien sollen effektive Infektionsprävention ermöglichen und rüstung für Infektionsprävention unterstützen. Doch was braucht es für den Schritt von der Spitalhy bezeichnet. Verschiedene Autoren beschreiben die für giene zur gelebten Infektionsprävention? einen effektiven institutionellen Wandel notwendigen Massnahmen, die hauptsächlich auf den Pfeilern Das Fundament: Auseinandersetzung «Teamwork» und «Kommunikation» aufbauen. Kotters mit der Sicherheitskultur «Eight Steps of Change» umfassen im Wesentlichen Zusätzlich zur Fachexpertise und zu gezielten Mass- (1.) die Erzeugung eines Gefühls von Vordringlichkeit nahmenpaketen braucht es eine institutionelle Ausein- («sense of urgency»), (2.) die Zusammenstellung einer andersetzung mit der Sicherheitskultur, um effiziente führenden Koalition unter Einbezug einflussreicher Rahmenbedingungen zu schaffen [2]. Dazu sind Kennt- Persönlichkeiten, (3.) die Entwicklung einer gemeinsa- nisse über das Sicherheitsklima an der Institution in men Vision und Strategie, (4.) die Kommunikation die- Bezug auf Infektionsprävention notwendig. Sicher- ser Vision und Strategie innerhalb der Institution, (5.) heitslücken müssen im Austausch mit allen Mitarbei- die Ermächtigung von Mitarbeitenden, Verantwortung tenden erkannt und mittels gezielter Interventionen zu übernehmen und Änderungen in Bezug auf die geschlossen werden. Deren hohe Priorität wird durch Zielerreichung umzusetzen («empowerment»), (6.) die den Einbezug von hochrangigen Spitalleitungsmitglie- Definition von erreich- und messbaren Zwischenzielen dern und Meinungsbildnern signalisiert. Hier ist nicht («short-term wins»), (7.) die Konsolidierung dieser Er- ausschliesslich die hierarchische Stellung, sondern folge und, darauf aufbauend, die konsequente Weiter- vielmehr der Einfluss dieser Personen auf das Verhal- verfolgung der Strategie und (8.) die Verankerung die- ten der Mitarbeitenden wichtig. Auch dieser Aspekt ser neuen Ansätze in der Unternehmenskultur [3]. wurde in den WHO-Richtlinien berücksichtigt. «Change Management» auf individueller Ebene: «Change Management» auf institutioneller Ebene Verhaltensänderungen Die Erarbeitung und Implementierung solcher Inter- Für die Implementierung von infektpräventiven Mass- ventionen und der damit verbundene institutionelle nahmen auf individueller Ebene sind meist Verhal- Wandel wird im Englischen als «Change Management» tensänderungen notwendig. Somit braucht es zusätz- SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(1–2):13–15 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
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