PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen

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PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
AUF DEN
 PUNKT.
Das Servicemagazin für unsere Mitglieder Nr. 6  /  Dez. 2020

     Schadenfrei durch das
     ­Labyrinth der Verordnungen
     Seite 14

Wie viel Corona verträgt
die Substitution?
Seite 7

info.service
Offizielle Bekanntmachungen
Seite 22
PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
INHALT

             STANDPUNKT
             Winter is coming                                                            3

             AKTUELLES
             Vertreterversammlung geht auf Abstand                                       4
             Wie viel Corona verträgt die Substitution?                                  7
             Grippesymptome? Immer zuerst die 116117 anrufen                            12
             Pandemieplanung in der Arztpraxis                                          13
             TITELTHEMA
             Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen                           14
             2022 kommt das E-Rezept!                                                   16
             Auffrischung oder Basiswissen für Mediziner                                18
             Weniger Bürokratie mit der neuen Heilmittel-Richtlinie                     19
             Sicherheitscheck bei Praxisbesonderheiten und Impfungen                    22
             Über das Rezeptformular den Sprechstundenbedarf bestellen                  23
             Tipps, um Rezepte richtig auszufüllen                                      24
             Frühe Nutzenbewertung unter www.kvhaktuell.de oder in der Praxissoftware   26
             Experten für Ihre Fragen zu Verordnungen                                   27
             Das Labyrinth der drei Regressarten entwirren                              28

             GUT INFORMIERT
             Blaupause erstellen für eigene Praxis mit der App PRAXISRAUM               30
             Cyberkriminalität – eine zweite Pandemie?                                  32
             Praxishacking: Bedrohung ernst nehmen                                      36

             QUALITÄT
             Qualitätsmanagement hat hohen Stellenwert                                  38

             PRAXISTIPPS
             Karte zu Impfstoffen                                                       40
             Wie war das? Fragen aus der Praxis                                         41

             VERANSTALTUNGEN
             Fortbildungen buchen für 2021                                              42

             SERVICE
             Ihr Kontakt zu uns/Impressum                                               43

2            AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
STANDPUNKT

Winter is coming
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

nein, überrascht von der zweiten Welle der Corona-­
Pandemie konnte niemand sein. So sicher wie im
Blockbuster „Game of Thrones“ musste auch allen Po-
litikern bewusst sein, dass etwas auf uns zukommen
würde. Dass diese Verschärfung so schnell und mit so
hoher Dynamik bereits im Oktober/November sicht-
bar wurde, hat trotzdem manchen überrascht. Wäh-
rend wir diese Zeilen schreiben, befinden wir uns in
der ersten Hälfte des November-Lockdowns und na-          rapeuten nur bedingt Einfluss haben. Wie sagte Bun-
türlich wissen wir nicht, was sich in den nächsten Wo-    desgesundheitsminister Jens Spahn so hellsichtig wie
chen ereignen wird, bis diese Ausgabe von Auf den         salopp vor einigen Monaten: „Wir werden uns nach
PUNKT. in den Praxen ankommt.                             dieser Krise viel zu verzeihen haben.“

Was wir aber wissen, ist, was für eine riesige Heraus-    Und damit haben wir eine perfekte Überleitung zu
forderung das Jahr 2020, das so normal angefangen         Weihnachten. Auch wenn wir im Moment wenig da-
hatte, am Ende war und noch ist: verängstigte Pati-       rüber wissen, wie Weihnachten 2020 tatsächlich aus-
enten, medialer Dauerdruck, Angst vor Ansteckung,         sehen wird, wünschen wir Ihnen so viel Normalität
Lockdowns und fehlende Schutzkleidung. Diese Auf-         wie möglich, so viel Erholung wie nötig, so viel Ge-
zählung reicht, um 2020 zu einem „Annus horribi-          sundheit wie irgend denkbar und so viel Zuversicht,
lis“ zu machen. Und obwohl sich in der Pandemie mit       wie wir sie alle für ein besseres 2021 dringend brau-
den sehr ermutigenden Nachrichten rund um den im          chen.
hessischen Randgebiet von der Firma Biontech ent-
wickelten Impfstoff Licht am Horizont abzeichnet, ist     Beschließen möchten wir dieses letzte Editorial im
der Himmel doch überwiegend noch dunkel. Uns ste-         Jahr 2020 mit unserem Dank an Sie: Trotz allem ha-
hen viel Arbeit und Belastung bevor, bis es hoffentlich   ben Sie es geschafft, die ambulante Versorgung in
ab dem Frühjahr wieder heller wird und wir Stück für      Hessen aufrechtzuerhalten und dafür gebührt Ihnen
Stück die Pandemie bewältigen können.                     unser Respekt und unsere Anerkennung!

Wir hoffen, dass Sie in dieser Pandemie spüren, wie       Mit besten kollegialen Grüßen, Ihre
sehr wir als KV versuchen, Sie in dieser schwierigen
Zeit zu begleiten und bestmöglich zu unterstützen.
Dass uns dies vielleicht nicht immer gelungen ist, be-
dauern wir, liegt aber leider in der Natur der Sache
und hat in dem einen oder anderen Fall mit Faktoren       Frank Dastych		               Dr. Eckhard Starke
zu tun, auf die wir als Vertragsärzte und -psychothe-     Vorstandsvorsitzender stv. Vorstandsvorsitzender

                                                                                 AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020         3
PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
AKTUELLES

                Vertreterversammlung geht
                auf Abstand
                Corona sorgt auch bei den Sitzungen der Vertreterversammlung für Premieren.
                Fand die Juni-Sitzung noch in einem großen Saal eines Frankfurter Hotels statt,
                wurde der Abstand am 31.10.2020 richtig groß: Die Vertreter trafen sich zu ihrer
                ersten rein digitalen Sitzung. Wichtigster Tagesordnungspunkt: die Verabschie-
                dung des Haushaltsvoranschlags für das Jahr 2021.

                Die wichtigste Nachricht zu Beginn: Nach knapp          Meinung: „Schaut man sich die vergangenen Jah-
                zehn Jahren Beitragssatzstabilität steigt die Verwal-   re an, sieht man, dass wir in den letzten Jahren im-
                tungskostenumlage, die die KV von ihren Mitglie-        mer mehr von der Substanz gelebt haben. Das geht
                dern erhebt, erstmals wieder an. Ab dem 1. Okto-        nicht unbegrenzt, zumal die KV Hessen natürlich
                ber 2020 gilt damit eine Verwaltungskostenumlage        auch unter der Entwicklung auf dem Finanzmarkt lei-
                von 2,64 Prozent, sie steigt moderat um 0,15 Pro-       det. Während wir bis vor ein paar Jahren beträchtli-
                zent. Sowohl Vorstand als auch die Vorsitzen-           che Einnahmen aus Zinsen hatten, ist das nun kaum
                den der Vertreterversammlung bedauerten diesen          möglich.“ Dastych lenkte den Blick auch auf die
                Schritt, doch gebe es dazu keine vernünftige Alter-     „Kostentreiber“ im KV-Geschäft. „Wir können noch
                native: „Ich war dabei, als wir im Jahr 2008 die Re-    so seriös wirtschaften: Wenn man uns permanent
                strukturierung der KV Hessen und die Verwaltungs-       neue Aufgaben ohne zusätzliche Finanzierung auf-
                umlage beschlossen haben, die ab dem Jahr 2011          bürdet, ist irgendwann das Ende der Fahnenstan-
                galt“, erklärte Dr. Klaus-Wolfgang Richter, der Vor-    ge erreicht. Das ist jetzt der Fall. Als Beispiel sei nur
                sitzende der Vertreterversammlung. „Und ich hatte       die Terminservicestelle genannt, die in kleinem Um-
                gehofft, dass wir diesen Satz noch viele Jahre bei-     fang gestartet ist, auf deren Aufgaben aber in den
                behalten können. Aber angesichts steigender Kos-        letzten Jahren immer mehr zusätzliche Aufgaben ge-
                ten, die vor allem durch neue, gesetzlich verordne-     sattelt wurden. Wir haben außerdem einen weite-
                te Aufgaben nach oben getrieben werden, mussten         ren Kostentreiber identifiziert: die Weiterbildung, die
                wir diese Entscheidung nun treffen.“ Frank Dastych,     bei einer Beispielpraxis bei einer Honorarsumme von
                Vorstandsvorsitzender der KVH, vertrat die gleiche      120.000 Euro für rund zwei Drittel der Steigerung

                   Verwaltungshaushalt
                   Seit dem Quartal IV/2020 hat sich der Verwaltungskostensatz verändert:
                   Neu ab IV/20 = 2,64 Prozent
                   Zudem sind die folgenden Sonderumlagen vorgesehen:
                   • Sonderumlage Arzt in Weiterbildung 0,51 Prozent (vorher 0,31 Prozent)
                   • Fördermittel Sicherstellung 0,20 Prozent (Strukturfonds)
                   •	Ärztlicher Bereitschaftsdienst 0,765 Prozent (0,288 Prozent reduziert), maximal 1.500 Euro
                     pro ­Mitglied/Quartal gemäß Bereitschaftsdienstordnung (BDO)

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AKTUELLES

                                                                                                               In der KV zusammen vor
                                                                                                               einem großen Screen:
                                                                                                               die Vorsitzenden der
                                                                                                               Vertreterversammlung,
                                                                                                               die Vorstände, der
                                                                                                               Geschäftsführer und die
                                                                                                               Geschäftsbereichsleiter.

verantwortlich ist. Dieser Befund ist besorgniser­      der Sitzung der VV begann. Das Positionspapier der
regend und auch, wenn wir die Weiterbildung nicht       KBV wurde von KV-Chef Frank Dastych als „wichtige
zur Dis­position stellen können oder wollen: Die fi-    Ergänzung“ eingeordnet, wenn er auch die mangel-
nanzielle Belastung durch die Weiterbildung ist nicht   hafte Kommunikation der KBV im Vorfeld kritisierte:
mehr zu stemmen.“ Die Vertreter, die im Oktober         „Ich hätte mir an dieser Stelle ein anderes Vorgehen
bereits im Rahmen ausführlicher Informationsaben-       der KBV gewünscht und dies auch erwartet. Trotz-
de mit dem Haushaltsvoranschlag vertraut gemacht        dem kann ich die viel behauptete Kontraposition zur
worden waren, folgten den Argumenten von Vor-           Regierung oder zu Herrn Drosten in dem Papier nicht
stand und VV-Spitze und stimmten dem Voranschlag        erkennen. Wir sind aus dem Frühjahr nach der ers-
einstimmig zu.                                          ten Welle der Pandemie ohne ein funktionsfähiges
                                                        Langzeitkonzept herausgegangen. Das rächt sich
CORONA UND KEIN ENDE                                    nun und umso wichtiger ist nun, diese Diskussion
                                                        nachzuholen. In diesem Kontext ist das Papier wert-
Die Corona-Pandemie bestimmt derzeit das gesell-        voll.“ (Siehe Seite 13.) Sehr kritisch nahm Dastych
schaftliche Leben und viele Abläufe in den Praxen       auch aktuelle Pläne von Bundesgesundheitsminis-
und nahm natürlich auch in den Diskussionen der         ter Jens Spahn ins Visier, über gesetzliche Änderun-
Vertreter breiten Raum ein. Das nur zwei Tage vor-      gen im so genannten „Bevölkerungsschutzgesetz“
her unter anderem von der KBV vorgestellte Positi-      KVen und ihre Mitglieder im Kontext von Impfungen
onspapier mit der Forderung nach einer langlebigen      und der Durchführung von Testungen zwangszuver-
Pandemiestrategie, gab dabei den Diskussionen eine      pflichten. „Wir sehen das außerordentlich kritisch:
besondere Aktualität. Gleiches galt für die Regelun-    Zum einen ist Zwang immer ein schlechter Antrieb
gen zum „Lockdown light“, der nur zwei Tage nach        und verträgt sich nicht mit unserem freien Beruf.

                                                                              AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020                     5
PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
AKTUELLES

                Zum anderen lehnen wir Staatsmedizin ab. Und zu-        Ende die Vertreter mit großer Mehrheit eine Resolu-
                letzt zeigt das Beispiel aus Bayern im Frühjahr, dass   tion – „Für bürokratischen Mehraufwand bleibt kei-
                durch eine zentralistische Gesundheitsversorgung        ne Zeit mehr!“ – verabschiedeten und mit ihr Bun-
                nichts, aber auch gar nichts besser wird.“              desgesundheitsminister Jens Spahn aufforderten, in
                                                                        Sachen Bürokratie auf die Bremse zu treten.
                NOCH MEHR BÜROKRATIE GEFÄHRDET DIE
                PATIENTENVERSORGUNG                                     CORONA-SCHUTZSCHIRM MILDERT GRÖBSTE
                                                                        VERWERFUNGEN IM 1. QUARTAL AB
                Lebhaft diskutierten die Vertreter über aktuelle Re-
                gelungen, die die Bürokratie in den Praxen weiter zu-   Der Vorstandsvorsitzende informierte die Vertre-
                nehmen lassen. Dabei besonders im Fokus: eine ak-       ter auch über die Zahl der Praxen, die im ersten
                tuelle Gesetzesänderung, die zu Diagnoseangaben         Quartal Honorarmittel über die Schutzschirmrege-
                auch auf einem Rezept verpflichtet und als zusätz-      lung erhalten haben. Insgesamt erhielten 1.163
                licher „Zeitfresser“ empfunden wird. Und die aktuell    Praxen eine Ausgleichszahlung. In Summe wurden
                allein 20 Pseudoziffern, die für die Kennzeichnung      11.155.053,55 Euro Ausgleichszahlung ge­leistet.
                von sieben Fallgestaltungen bei der Testung asymp-      Die Berechnung der Ausgleichszahlungen Corona-­
                tomatischer Personen von der Kassenärztlichen Bun-      Schutzschirm für das 2. Quartal 2020 werde aktuell
                desvereinigung geschaffen wurden, um die neue           durchgeführt und die Beträge werden voraussichtlich
                Testverordnung aus dem Bundesgesundheitsministe-        noch vor Weihnachten ausgezahlt. Eine erste Ab-
                rium umzusetzen. „Ein solcher bürokratischer Over-      schätzung anhand der Leistungsanforderung zeige,
                kill ist den Praxen nicht mehr vermittelbar“, „man      dass diese im Vergleich zum Vorjahresquartal deut-
                erreicht damit genau das Gegenteil von dem, was         lich stärker sinke als in 1/2020. n
                man will“ – dies waren nur zwei beispielhafte Wort-                                          Karl M. Roth
                meldungen einer emotionalen Debatte, an deren

                    RESOLUTION DER VV IM WORTLAUT
                    Die VV der KVH appelliert an Gesundheitsminister Spahn:
                    „Für bürokratischen Mehraufwand bleibt keine Zeit mehr!“
                    „Die neue, nationale Teststrategie ist grundsätzlich der richtige Weg. Es besteht aber im Moment die
                    Gefahr, die Niedergelassenen im Kampf gegen das Coronavirus durch zusätzliche Bürokratisierung zu
                    verlieren. Die Umsetzung der verschiedenen Testvarianten sind kaum mehr vermittelbar, geschweige
                    denn umzusetzen. Auch führen aktuelle Gesetzesänderungen, die sich beispielsweise rund um Dosie-
                    rungsangaben auf Rezepten drehen, zu zusätzlichen Aufwänden in den Praxen. Ihnen, Herr Minister
                    Spahn, muss klar sein, dass die Zeit, die dafür aufgewendet wird, in der Patientenversorgung fehlt,
                    obwohl sie im Moment dringender denn je gebraucht wird. Das Gegenteil ist deshalb das Gebot der
                    Stunde: Wir brauchen – wie im Frühjahr – eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten. Die
                    Bewältigung der ersten Welle war nur deshalb möglich, weil sich die Niedergelassenen allen Widrig­
                    keiten zum Trotz über die Maßen engagiert haben. Als Vertreter der niedergelassenen Ärzte und Psy-
                    chotherapeuten in Hessen appellieren wir an Sie: Lassen Sie uns ohne immer neuere Rege­lungen die
                    aktuelle gesundheitliche Notlage bekämpfen, Herr Minister! Wir haben alle Hände voll damit zu tun,
                    die Normalversorgung zu sichern. Die Covid-Versorgung und zusätzlich die notwendige Unterstüt-
                    zung des öffentlichen Gesundheitsdienstes sind herausfordernd genug, mehr Bürokratie ist deshalb
                    kontraproduktiv. Unterstützen Sie die Kolleginnen und Kollegen stattdessen in den Praxen, wo Sie nur
                    können. Denken Sie dabei auch an unsere medizinischen Fachangestellten in unseren Praxen und sor-
                    gen Sie bitte an dieser Stelle für die längst überfällige wertschätzende und finanzielle Anerkennung,
                    die Sie anderen, vergleichbaren Berufsgruppen längst gewährt haben.“

6               AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
AKTUELLES

Wie viel Corona verträgt die
Substitution?
Das Coronavirus hält die Welt auf Trab und stellt das Gesundheitswesen vor
enorme Herausforderungen. Nichtsdestotrotz muss die Routine­    versorgung
weiterhin aufrechterhalten werden. Wie funktioniert das in einem Bereich, in
dem die Patienten so sehr auf ihre Routineversorgung angewiesen sind wie in
der Substitution?

Wir haben einen Blick in die Praxen geworfen und        die neuen Regeln schnell eingesehen und aktiv mit-
wollten von Substitutionsärzten aus unterschied­        gemacht. Natürlich haben sich dadurch die Abläu-
lichen Regionen und verschiedenen Praxiskonstella­      fe verlangsamt, aber die Patienten haben die län-
tionen erfahren, wie sie und ihre Patienten die letz-   geren Wartezeiten erstaunlich gut akzeptiert. Die
ten Monate erlebt haben.                                angebotenen Erleichterungen wie zum Beispiel das
                                                        Verschicken von BtM-Rezepten haben wir gar nicht
Wie haben Sie die Substitutionsversorgung               erst eingeführt, da das Zurückfahren solcher Er-
während des Lockdowns erlebt? Was lief gut,             leichterungen später erhebliches Konfliktpotenzial
was nicht?                                              in sich birgt. Die im Vorfeld mit der BtMVV-Novel-
Dr. Bernd Weber, Patrick Haan, Dr. Achim Wie-           lierung eingeführten Verbesserungen, zum Beispiel
felspütz, Dr. Astrid Haan: Es gab in wenig Zeit         die 14-Tage-Rezepte, reichten vollkommen aus, um
viel umzustellen und anzupassen, zwei der wichtigs-     die Lage zu beherrschen.
ten Ziele waren der Schutz unseres Teams, der Pra-
xis und der Patienten sowie die Aufrechterhaltung       Wolfgang Barth: Wir konnten ab dem 15. März
unserer Behandlungsqualität. Das war eine zeitliche     2020 eine erstaunliche Entwicklung im Auftreten
und logistische Herausforderung zugleich. Das Er-       unserer Patienten erfahren, dieses war geprägt von
gebnis dieser Umstellungen und Anpassungen hat          Disziplin und einer Akzeptanz gegenüber den er-
uns sehr zufriedengestellt. Die Patienten haben gut     folgten Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Es kam in
mitgemacht.                                             dem Zeitraum bis zu den ersten offiziellen Locke-
                                                        rungen zu keinen besonderen Zwischenfällen. Wir
Dr. Abdolhamid Zokai: Zunächst gab es eine gro-         haben in der Zeit des Lockdowns die Substitutions-
ße Verunsicherung und Orientierungslosigkeit. Am        versorgung ohne nennenswerte Probleme aufrecht-
wichtigsten war es, den Patienten Zuversicht und        erhalten können.
Sicherheit zu vermitteln. In dieser Krise wurde mir
noch deutlicher, dass die Patienten wegen der Kon-      Gab es zu Beginn des Lockdowns Probleme mit
taktsperren und ihrer dadurch fehlenden psychoso-       der Ausstattung Ihrer Praxis/Ambulanz bezüg-
zialen Ansprechpartner emotional sehr verunsichert      lich des Hygienekonzepts und des Infektions-
waren und viele Fragen hatten.                          schutzes?
                                                        Andrea Szilagyi: Anfangs gab es große Probleme
Dr. Christian Schmidt-Hestermann: Wir haben             mit der Bestellung von persönlicher Schutzausrüs-
frühzeitig im Februar unseren Pandemieplan akti-        tung und Desinfektionsmitteln. Einiges musste ich
viert und eine Mund-Nasen-Schutz-Pflicht sowie          auf meine Kosten in Apotheken vor Ort kaufen, bis
Abstandsregeln eingeführt. Die Patienten haben          die Versorgung richtig rund lief.

                                                                              AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020               7
PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
AKTUELLES

                Dr. Christian Schmidt-Hestermann
                stellvertretender Vorsitzender der Qualitätssicherungs-
                kommission Substitution, Facharzt für Allgemeinmedizin
                Die Methadonambulanz Marburg versorgt in der Universitätsstadt 140 Sub-
                stitutionspatienten durch eine Allgemeinärztin und einen Allgemeinarzt. Er-
                gänzt wird das Angebot durch eine angestellte Ärztin mit einer integrierten
                Psychosozialen Beratung des sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheits­
                amtes Marburg.
                                                                            Marburg

Wolfgang Barth
Diplom-Pädagoge
Der Drogennotdienst befindet sich als Krisenzen-
trum für Drogenabhängige im Frankfurter Bahn-
hofsviertel in der Elbestraße 38. Medizinische
Grundversorgung, Notschlafbetten für wohnsitz­
lose Drogenkonsumenten, eine Substitutionsfachambu-
lanz für 110 Patienten, Konsumräume, Tagesruhe­betten,
Straßensozialarbeit und Beratung und Vermittlung in wei-
terführende Hilfeangebote gehören zur Aufgabe einer sze-
nenahen Überlebenshilfe.
                                          Frankfurt

                      Andrea Szilagyi
                      Fachärztin für Allgemeinmedizin
                      Seit Oktober 2019 substituiert Andrea Szilagyi als ermächtigte Ärz-
                      tin in eigener Praxis in einem sozialen Brennpunkt in Darmstadt.
                      Mit der Drogenhilfe „Scentral“ besteht eine Kooperationsverein-
                      barung.
                                                                    Darmstadt

8               AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
AKTUELLES

                                Dr. Bernd Weber
                                Facharzt für Allgemeinmedizin
                                Patrick Haan
                                Facharzt für Psychiatrie und
                                Psychotherapie
                                Dr. Achim Wiefelspütz
                                Facharzt für Psychiatrie,
                                Psychotherapie und Neurologie
                                Dr. Astrid Haan
                                Fachärztin für Psychiatrie und
                                Psychotherapie
                                In der Stadtmitte von Kassel arbeiten eine Ärztin und drei
                                Ärzte aus den Fachrichtungen Allgemeinmedizin, Psychia-
                                trie, Psychotherapie und Neurologie sowie eine qualifizier-
                                ten Drogenberatungsstelle, Quit – Suchtberatung und Prä-
                                vention e. V., unter der Leitung von Geschäftsführerin Iris
                                Weilmünster unter einem Dach. Es werden ca. 360 Patien-
                                ten behandelt, davon bekommen etwa 60 Prozent eine so-
                                genannte „Take-Home-Verordnung“.
                                                                                 Kassel

Dr. Abdolhamid Zokai
Vorsitzender der Qualitätssicherungskommission
Substitution, Facharzt für Psychiatrie
In der seit 2018 bestehenden Institutsambulanz in Offenbach behandelt ein
Team, bestehend aus einem Facharzt für Psychiatrie, einer Dipl. Sozialarbeite-
rin mit langjähriger Erfahrung und einer erfahrenen Substitutionsassistentin.
Die Mitarbeiter verfügen über fundierte Erfahrungen in der Behandlung von
Menschen mit multiplen Abhängigkeitserkrankungen sowie den meist be-
gleitend bestehenden psychiatrischen Diagnosebildern. Darüber hinaus wird
eine große Zahl abhängiger Menschen mit Migrationshintergrund behandelt.
Das Einzugsgebiet erstreckt sich von Fulda über Würzburg bis Biblis.

                                                         Offenbach

                                                                            AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020               9
PUNKT. Schadenfrei durch das Labyrinth der Verordnungen - KV Hessen
AKTUELLES

                 Wolfgang Barth: Die Engpässe bei den Lieferun-          Wie haben die Patienten die erweiterte Take-­
                 gen von Masken und Desinfektionsmitteln kann            Home-Regelung angenommen?
                 ich bestätigen. Durch rasche Intervention der Stadt     Dr. Christian Schmidt-Hestermann: Eine erwei-
                 Frankfurt konnten diese allerdings sehr gut aufge-      terte Take-Home-Regelung kam bei uns nicht zur
                 fangen werden.                                          Anwendung, weil dies aus unserer Sicht mit zu vie-
                                                                         len Risiken verbunden ist.
                Dr. Abdolhamid Zokai: Zu Beginn gab es viele Pro-
                bleme, denn es waren praktisch keine Alkohollösun-       Dr. Bernd Weber, Patrick Haan, Dr. Achim Wie-
                gen und Hygieneartikel oder Masken zu bekommen.          felspütz, Dr. Astrid Haan: Da wir die ganze Zeit,
                Wir hatten glücklicherweise erfinderische Patien-        selbst in den Ferien, erweiterte Ausgabezeiten hat-
                ten, die selbst improvisierend erste selbst gemach-      ten, haben wir die erweiterte Take-Home-Regelung
                te Masken herstellten und auch den anderen Pati-         nur in Ausnahmefällen nutzen müssen.
                                             enten zur Verfügung
                                             stellten. Was mich sehr     Wolfgang Barth: Patienten in der erweiterten

  -32 %
                                             stolz machte, war, dass     Take-­Home-Regelung nahmen diese dankend an,
                                             die Patienten von An-       wir konnten teilweise eine deutlich unterstützende
                                             fang an sehr diszipli-      Wirkung im Prozess der Stabilisierung beobachten.
                                             niert waren und sich
  so hoch war der Rückgang der den Hygieneregeln an-                     Andrea Szilagyi: Die Patienten haben die neu-
  Ab­rechnungshäufigkeit der sub- gepasst haben. Auch                    en Regelungen sehr gut angenommen, fühlten sich
  stitutionsgestützten Behandlung untereinander waren                    gesehen und unterstützt. Besonders Patienten mit
  Opiat­abhängiger im 2. Quartal Patienten hilfsbereiter                 schweren Vorerkrankungen hatten viele Ängste und
  2020 gegenüber dem Vorjahres- als zuvor.                               ich war froh, dass ich ihnen eine Entlastung anbie-
  quartal. Die Behandlung im Rah-                                        ten konnte.
  men der Take-­Home-Vergabe stieg           Dr. Christian Schmidt-
  hingegen um 6 Prozent.                     Hestermann: Wir dan­-       Gab es Patienten, die durch den Wegfall der
                                             ken der KV Hessen           täglichen Vergabe besonders aufgefangen
                                             für die schnelle Ver-       werden mussten?
                 sorgung mit FFP2-Masken und Schutzkitteln. Dies         Andrea Szilagyi: Es gab einige Patienten, denen
                 hat uns sehr geholfen. Ebenso gilt unser Dank der       durch die wöchentliche Take-Home-Vergabe ihre ge-
                 Ärzte­genossenschaft Prima, die den Praxen Desin-       wohnte Tagesstruktur fehlte.
                 fektionsmittel zur Verfügung stellte, das in der Che-
                 mischen Fakultät der Uni Marburg hergestellt und        Dr. Abdolhamid Zokai: Viele
                 abgefüllt wurde. Die Spuckschutzwände haben wir         gerieten durch entstehende Ver-
                 selber gebaut.                                          lustängste und die sowieso man-

                 Krisen erfordern besondere Lösungsansätze
Infobox

                 Anlässlich der Infektionen entstand zu Beginn der Pandemie in Frankfurt die Sorge
                 um die drogenabhängigen Menschen, die aufgrund ihrer erheblichen Komorbiditä-
                                                                                                           Dietmar Paul
                 ten eine Hochrisikogruppe darstellen. Diese Menschen verfügen in der Regel nicht
                 über einen geeigneten Wohnraum, in dem eine eventuell notwendige Quarantäne-
                 maßnahme umgesetzt werden könnte. Die Stadt Frankfurt mietete im Gallusviertel ein Hotel
                 an, um Räume vorsorglich bereithalten zu können. In Kooperation mit der Stadt Frankfurt, den
                 Frankfurter Suchthilfeeinrichtungen sowie dem ASB Frankfurt richtete der Bürgerhospital Frank-
                 furt am Main e. V. in den dortigen Räumen eine Substitutionsambulanz ein. Geleitet wird sie von
                 Dietmar Paul, Chef­arzt der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen am Bürgerhospital, und der
                 Substitutionsambulanz „Grüne Straße“.

 10              AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
AKTUELLES

gelnden sozialen Kontakte
in Angst oder sogar in Pa-
nik, insbesondere Patienten,
                                  33 %
                                mehr therapeutische Gespräche wur-
                                                                                   Dr. Bernd Weber, Pa-
                                                                                   trick Haan, Dr. Achim
                                                                                   Wiefelspütz, Dr. Astrid
                                den durch die substituierenden Ärz-
die zuvor schon unter Ängs-                                                        Haan: Wir konnten ein
                                te im 2. Quartal 2020 gegenüber dem
ten und Phobien litten. Die-                                                       wenig mehr Erfahrungen
                                Vorjahresquartal durchgeführt.
se Gruppe der Patienten war                                                        machen mit erweiterten
                                Die pandemiebedingte Anhebung von
sogar bereit, regelmäßiger                                                         Regelungen, ausgewei-
                                vier auf acht anrechenbare Gespräche
als erforderlich in die Praxis                                                     teten Vergabezeiten und
                                findet Anklang.
zu kommen, um dadurch ihr                                                          individuellen Lösungen,
persönliches Sicherheitsge-                                                        diese Erfahrungen waren
fühl zu erhöhen.                                      hilfreich. Insgesamt sind unsere Patienten flexibler
                                                      und antizipationswilliger, als vielleicht erwartet.
Dr. Bernd Weber, Patrick Haan, Dr. Achim Wie-
felspütz, Dr. Astrid Haan: Durch ein ausgeklügel-     Andrea Szilagyi: Einige Veränderungen durch die
tes Zeit- und Teammanagement gab es bei uns kei-      Pandemie sehe ich durchaus positiv, zum Beispiel die
nen Wegfall der täglichen Vergabe.                    Möglichkeit, mehrfach in der Woche Z-Rezepte oder
                                                      auch längere Take-Home-Rezepte ausstellen zu kön-
Wolfgang Barth: Nein, abgesehen vom individuel-       nen. Hier wären durchaus Reformen wünschenswert
len Bedürfnis nach Gesprächen und dem Austausch       und denkbar. Auch die Apotheken unbürokratisch
über die weitere Entwicklung der Pandemie und ih-     mehr einbeziehen zu können wäre hilfreich.
ren gesellschaftlichen Auswirkungen.
                                                      Dr. Christian Schmidt-Hestermann: Die Pande-
Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Sehen          mie hat einen Digitalisierungsschub ausgelöst, der
Sie die Corona-Pandemie als Türöffner für Re-         einerseits Fahrtwege und damit auch Zeit spart,
formen?                                               zum Beispiel bei Videokonferenzen, der aber an-
Dr. Abdolhamid Zokai: Erst die Ausweitung der         dererseits kein voller Ersatz für die persönliche Be-
Regelungen hat es uns ermöglicht, die Patienten       gegnung und Erörterung von diffizilen Sachverhal-
flächendeckend zu versorgen. Viele Patienten, die     ten sein kann. Wir konnten erleben, wie wichtig der
durch diese Sonderregelung die Möglichkeit der        persönliche Kontakt und das motivierende ärztliche
Take-­Home-Vergabe bekamen, zeigten sich sehr ver-    Gespräch besonders in Krisenzeiten ist. Das Zuge-
antwortungsvoll und pflichtbewusst. Es zeigt sich,    stehen von mehr abrechenbaren Gesprächszeiten ist
dass die Berücksichtigung der individuellen Situation ein Schritt in die richtige Richtung, der beibehalten
des Einzelnen sehr wichtig ist.                       werden sollte. n
                                                                                          Die Fragen stellten
                                                                              Nicole Spur und Sabine Kühn

    Erleichterungen für die Substitutionstherapie
                                                                                                                      Infobox
    Mit Inkrafttreten des erweiterten Infektionsschutzgesetzes haben sich relevante Änderungen
    durch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung des Bundesministeriums für Ge-
    sundheit für die Substitutionsbehandlung Opioidabhängiger ergeben. Substituierende Ärzte
    haben seitdem die Möglichkeit, bei der Behandlung von Opioidabhängigen von den Vorgaben
    der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung abzuweichen. So dürfen beispielsweise Fol-
    gerezepte auch ohne persönliche Konsultation ausgestellt werden. Im Rahmen der Konsiliar-
    regelung darf ein suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt nun mehr als zehn Substitutions-
    patienten versorgen. Das Therapiegespräch kann auch im Rahmen einer Videosprechstunde
    durchgeführt werden.

                                                                                AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020          11
AKTUELLES

             Grippesymptome?
             Immer zuerst die 116117 anrufen
             Pünktlich zur Grippesaison hat die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) eine
             hessenweite Kampagne gestartet. Die Botschaft: Patienten mit Erkältungssympto-
             men sollen bei Husten, Schnupfen oder Fieber immer zuerst die 116117 anrufen.

                                                                       werden, denn in den ÄBD-Zentralen gibt es bestimm-
                                                                       te Zeitfenster, in die Patienten mit entsprechenden
                                                                       Symptomen von den Disponenten der 116117 gelotst
                                                                       werden. „Um Neuinfektionen mit dem Corona­virus zu
                                                                       vermeiden, müssen wir potenziell infizierte Patienten
                                                                       aus dem Normalbetrieb der Bereitschaftsdienstzentra-
                                                                       len heraushalten. Das gelingt nur, wenn wir die Men-
                                                                       schen sensibilisieren und ihnen erklären, was sie tun
                                                                       sollen. Aus diesem Grund haben wir unsere Kampa-
                                                                       gne gestartet und wir hoffen, dass diese so wichti-
                                                                       ge Botschaft bei möglichst vielen Menschen in Hessen
                                                                       ankommt“, so die Vorstandsvorsitzenden der KVH,
                                                                       Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke.

                                                                       Ergänzend zu den Plakaten und Postern hat die KVH
             Kaum ist der Winter und mit ihm das nasskalte Wet-        50.000 Postkarten an hessische Städte und Gemein-
             ter da, wimmelt es in den Arztpraxen von Patienten        den geschickt. Die Karten liegen dort in den Bürger­
             mit Erkältungssymptomen. Auch in den Bereitschafts-       ämtern zur Mitnahme bereit. Auch in vielen Arztpra-
             dienstzentralen haben laufende Nasen und kratzende        xen ist die Kampagne zu sehen: So hat die KVH mehr
             Hälse Hochkonjunktur. Mit Blick auf die Ausbreitung       als 3.200 Hausärzte, Kinderärzte, Pneumologen und
             von SARS-CoV-2 ist es daher eine der wichtigsten          Hals-Nasen-Ohren-Ärzte mit Postern versorgt und da-
             Aufgaben, die Versorgung „normaler“ Patienten von         rum gebeten, diese in den Wartezimmern aufzuhän-
             der Versorgung derjenigen zu trennen, die Symptome        gen und die Kampagne zu unterstützen. n
             wie Husten, Schnupfen oder Fieber haben und mögli-                                        Alexander Kowalski
             cherweise mit dem Coronavirus infiziert sind. Das Risi-
             ko, dass sich Patienten in den Wartebereichen gegen-
             seitig anstecken, ist – trotz aller Hygienemaßnahmen
             – schlichtweg zu groß. Das gilt nicht nur in den Pra-
             xen, sondern auch in den ÄBD-Zentralen.

             Die KVH hat daher zu Beginn der Erkältungszeit eine
             Kampagne gestartet. Mit mehr als 400 aufmerksam-
             keitsstarken Plakaten in ganz Hessen und 220 Pos-
             tern an Frankfurter U- und S-Bahn-Stationen weist sie
             die Menschen darauf hin, mit Erkältungssymptomen
             immer zuerst die 116117 anzurufen. So soll verhin-
             dert werden, dass ÄBD-Zentralen zu Corona-Hotspots

12           AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
AKTUELLES

                   Pandemieplanung
                   in der ­Arztpraxis
                   Die neue Broschüre „Pandemieplanung in der Arzt-
                   praxis. Eine Anleitung zum Umgang mit Corona“ des
                   Kompetenzzentrums Hygiene und Medizinprodukte
                   der KVen und der KBV (COC) greift die Maßnahmen
                   auf, die während einer Pandemie in den Arztpraxen
                   besonders wichtig sind. Auf Basis verlässlicher Infor-
                   mationsquellen werden mögliche oder erforderliche
                   organisatorische Maßnahmen rund um das Corona­
                   virus strukturiert dargestellt.

                                                                                                                                  Das Werk ist eine Sammlung von Checklisten und
                           FRAGEN?                                                                                                Mustervorlagen sowie Hinweisen zum Einsatz und zur
                                                                                                                                  Bedarfsermittlung von persönlicher Schutzausrüstung.
                           Zum Thema Hygiene steht Ihnen Dr. med. Norbert                                                         Die einzelnen Dokumente können sowohl ausge-
                           Weykunat, Facharzt für Hygiene und Umwelt­                                                             druckt als auch in digitaler Form verwendet werden. n
                           medizin, gerne zur Verfügung.                                                                                                              Norbert Weykunat

                           T.                            069 24741-6527
                           F.                            069 24741-68527                                                            Weitere Informationen unter:
                           E.                            norbert.weykunat@kvhessen.de                                               www.hygiene-medizinprodukte.de/download

                                                                                                                                                                       3. AUSGABE    DAS MAGAZIN DER

                                                                                                                                                                      2020           KASSENÄRZTLICHEN
                                                                                                                                                                                     BUNDESVEREINIGUNG

                                                                                       GEMEINSAME
                                                                                       POSITION VON
                                                                                       WISSENSCHAFT      Im November hat die                 Das gesundheitspo­
                                                                                       UND ÄRZTESCHAFT
                                                                                                         KBV dieses Positions-            litische Magazin Klar-
                EVIDENZ- UND                                                                             papier veröffentlicht.             text der KBV 3/2020
                ERFAHRUNGSGEWINN IM                                                                      Die Ausgabe findet
                WEITEREN MANAGEMENT
                                                                                                                                       beschäftigt sich mit dem
                DER COVID-19-PANDEMIE                                                                    sich kostenfrei unter          Pandemie-­Management
                BERÜCKSICHTIGEN                                                                          www.kbv.de/html/                   für ­Europa. Die Aus-      Pandemie-Management
                                                                                                         48910.php                                 gabe findet sich    für Europa
                                                                                                                                                  ­kostenfrei unter    Wege und Lehren aus der Corona-Krise

                                                                                                                                              www.kbv.de/html/
Seite 1 von 7 / Gemeinsames Positionspapier zur COVID-19-Pandemie / 2. November 2020                                                                  klartext.php        EU-Ratspräsidentschaft
                                                                                                                                                                       Politologe Prof. Roland
                                                                                                                                                                       Czada im Interview
                                                                                                                                                                                                       Versichertenbefragung
                                                                                                                                                                                                    Großes Vertrauen in Ärzte
                                                                                                                                                                                                    und Psychotherapeuten
                                                                                                                                                                                                                                  Gesundheit anderswo
                                                                                                                                                                                                                                Spanien: Kollaps durch
                                                                                                                                                                                                                                Sparmaßnahmen?

                                                                                                                                                         AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020                                               13
TITELTHEMA

14        AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
TITELTHEMA

Schadenfrei durch das
­Labyrinth der Verordnungen
Geht es in den Medien um die kontinuierlich stei-     takt als erfüllend wahrnehmen. Wären da nur nicht
genden Ausgaben im Gesundheitswesen, ist immer        das böse Wort mit dem „R“ und die Bürokratie. Die
auch die Rede von den Ausgaben für Arzneimittel.      Bürokratie zu verschlanken steht nicht allein in un-
Die Berichte über die steigenden Verordnungskos-      serer Macht. Was wir aber tun können, ist, Ihnen
ten und die damit verbundene Bürokratie verunsi-      die Angst vor einem Regress zu nehmen, indem wir
chern niedergelassene Ärzte und Nachwuchsmedi-        Sie fitmachen in diesem Thema. Sie finden auf den
ziner massiv. Zum Teil so stark, dass sie aus Angst   nächsten Seiten alle wichtigen Infos und Kontakt-
vor finanziellen Repressalien und Gängelungen eine    wege zu uns. So wissen Sie jederzeit, an wen Sie
Niederlassung im ambulanten Bereich nicht wirklich    sich in der KV Hessen wenden müssen, wenn Sie in
in Betracht ziehen. Dem wollen wir als KV Hessen      Ihrem Praxisalltag Fragen haben zu Durchschnitts-
entschieden entgegenwirken. Aus regelmäßigen          werten, Heilmittelverordnungen, Sprechstunden-
Umfragen wissen wir ganz genau, dass sich ambu-       bedarfen, Verordnungsausschlüssen, Ausnahmelis-
lant tätige Mediziner wirklich zum Arztsein beru-     ten oder Off-Label-Use. n
fen fühlen und ihren Beruf und den Patientenkon-                             Dr. Wolfgang LangHeinrich

                                                                            AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020       15
TITELTHEMA

            2022 kommt das E-Rezept!
            Das E-Rezept soll helfen, Zeit und Wege zu sparen, besonderes bei Videosprech-
            stunden. Im besten Fall könnten den Patienten die Arzneimittel per Boten zuge-
            stellt werden.

            Die Einführung des E-Rezepts zum 1.  Januar 2022       In Großbritannien, in den Niederlanden, in Schwe-
            ist festgeschrieben im „Gesetz für mehr Sicherheit     den, in der Schweiz sowie in neun weiteren europäi-
            in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“. Es ist am 16.   schen Ländern haben sich E-Rezepte schon etabliert.
            August 2019 in Kraft getreten. Geplant ist, dass zum   In Deutschland gibt es bisher diverse regionale Mo-
            Start verschreibungspflichtige Arzneimittel verord-    dellprojekte. Dazu zählt unter anderem auch Hes-
            net werden können. Später folgen dann auch Be-         sen. Gerade junge Leute dürften davon begeistert
            täubungsmittel, Gesundheits-Apps, Heilmittel, Hilfs-   sein, wenn sie beispielsweise erleben, wie einfach es
            mittel oder häusliche Krankenpflege. Damit die
            E-Rezepte der Patienten auch an die Apotheken wei-
            tergeleitet werden können, soll zudem die gematik
            eine entsprechende E-Rezept-App für Patienten ent-
            wickeln. Zudem soll es eine Kompatibilität mit der
            elektronischen Patientenakte geben.

                 „MORE – Mein Online-Rezept“
Infobox

                 im ÄBD ausgezeichnet

                 Im ÄBD bekommen Patienten im Anschluss
                 an ihre Videosprechstunde ein E-Rezept.
                 Dieses können sie online verwalten und di-
                 gital bei einer teilnehmenden Apotheke in
                 ihrer Nähe einlösen – schnell und unkom-
                 pliziert. Der Branchendienst für das Gesund-
                 heitswesen (dfg) zeichnete das Projekt mit
                 dem dfg Award in der Kategorie „Heraus-
                 ragende digitale Anwendungen im Gesund-
                 heitswesen“ aus. Mit dem Projekt haben
                 die KV Hessen, der Hessische Apothekerver-
                 band, die AOK Hessen, die DAK Gesundheit
                 und die TK sowie der Abrechnungsdienst-
                 leister Optica eine digitale Infrastruktur für    hung fand am 2. Oktober in Hamburg statt.
                 die papierlose Übermittlung von Rezepten          Mit dabei war KV-Vorstand Dr. Eckhard Star-
                 von Ärzten über Apotheken bis hin zu den          ke, der die Auszeichnung entgegennahm. n
                 Krankenkassen entwickelt. Die Preisverlei-                               Alexander Kowalski

 16         AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
TITELTHEMA

                                Die zukünftigen drei Varianten des Rezepts

                                                                              Das „klassische
      Das E-Rezept                      Der Tokenausdruck
                                                                             ­Papierrezept“
   1 Standardweg für die Übermitt-      Zugriffsinformation zur Nutzung      In bestimmten Fallkonstellatio-
     lung von Rezepten (klar lesbar,    des E-Rezepts für Versicherte        nen (Notfallversorgung, Haus-
     können nur einmal eingelöst        ohne Smartphone                      und Heimbesuche etc.) auch
     werden)                                                                 künftig erforderlich
   2 Keine Medienbrüche                 Weniger Medienbrüche                 Bekannte Medienbrüche

   3 Keine „Zettelwirtschaft“           Neue „Zettelwirtschaft“              Bekannte „Zettelwirtschaft“

   4 Mehrwert für den Patienten in      Evtl. Mehrwerte für Patienten in     Keine Mehrwerte für Patienten
     der Verwaltung des E-Rezepts       der Verwaltung des E-Rezepts         in der Verwaltung des E-Rezepts
   5 Einfachere Verarbeitung durch      Einfachere Verarbeitung durch        Komplexe Verarbeitung durch
     Krankenkassen und Apotheken        Krankenkassen und Apotheken          Kassen und Apotheken

ist, nach einer Videosprechstunde in eine nahe ge-
legene Apotheke zu gehen, um sich dort die Ver-
ordnung abzuholen, die der Arzt zuvor elektronisch
der Apotheke mitgeteilt hat oder sie die Verordnung
sogar zugestellt bekommen oder aber ein E-Rezept
auf ihrem Handy empfangen für eine Apotheke in
der Nähe.

Ab 2022 werden über das E-Rezept zudem weitere
neue digitale Anwendungen möglich: eine Medika-
tionserinnerung oder auch der Medikationsplan mit
eingebautem Wechselwirkungscheck. Von dieser
angestrebten höheren Sicherheit rund um die Arz-
neimitteltherapie sollen insbesondere multimorbide
Patienten profitieren. Gerade bei Wiederholungsver-
ordnungen könnten E-Rezepte, die in Videosprech-
stunden verordnet werden, Prozesse vereinfachen.

Es ist davon auszugehen, dass die Ärzteschaft ab
2022 mit drei Varianten des Rezepts konfrontiert
sein wird: dem E-Rezept, dem Tokenausdruck und
dem klassischen Papierrezept. Selbstverständlich
setzt sich die KV Hessen zusammen mit den ande-
ren KVen dafür ein, dass die entstehenden Mehrauf-
wände in den Arztpraxen finanziert werden. Weitere
­Informationen folgen zu gegebener Zeit. n
                                                            Die gematik hat einen Entwurf des E-Rezepts
                                     Petra Bendrich        und der dazugehörigen App veröffentlicht.
                                                            Über den Barcode werden künftig Arzneimittel
                                                            verordnet.

                                                                                 AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020        17
TITELTHEMA

          Auffrischung oder Basiswissen
          für Mediziner
          Ärzte sorgen sich um Prüfungen im Arzneimittelbereich oder um Einzelregresse.
          Solche Sorgen sind unbegründet, wenn man einige Aspekte berücksichtigt.

          Kaum ein Thema verunsichert Niedergelassene so sehr             gelten. Welche Medikamente das sind, können Sie in
          wie die Arznei- und Heilmittelausgaben mit den zahlrei-         der Anlage I der OTC-Ausnahmeliste nachlesen. Das
          chen Regelungen und gesetzlichen Vorschriften. Damit            können beispielsweise Abführmittel nur zur Behand-
          bei Ihren Verordnungen von Medikamenten alles rund              lung von Erkrankungen im Zusammenhang mit Tu-
          läuft, ist es wichtig, dass Ihnen die Arzneimittel-Richtlinie   morleiden sein oder Calciumverbindungen und Vita-
          (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses ­(G-BA)               min D nur bei einer manifesten Osteoporose.
          bekannt ist. Sie hilft beim einwandfreien Verordnen von         https://www.g-ba.de/richtlinien/anlage/17/
          Medikamenten und bei der Auswahl von therapie- und
          preisgerechten Arzneimitteln. Hier wird geregelt, welche        Anlage III: Verordnungseinschränkungen und
          Ansprüche Patienten haben. Sie berücksichtigt allge-            -ausschlüsse, verschreibungspflichtige Arznei-
          mein anerkannte Standards der medizinischen Erkennt-            mittel für alle Patientengruppen
          nisse und das Prinzip einer humanen Krankenbehand-              Die Übersicht zu den Verordnungseinschränkungen lis-
          lung. Die Richtlinie hat Rechtscharakter. Verstoßen Ärzte       tet über 50 Arzneimittel oder Produkte auf, die auf-
          gegen diese Richtlinie, ergeben sich daraus Prüfmöglich-        grund des Wirtschaftlichkeitsgebots entweder ganz
          keiten für die Krankenkassen. Zum Start in die eigene           von der Versorgung der Versicherten ausgeschlos-
          Praxis sollten Sie daher von diesen Anlagen unbedingt           sen oder nur eingeschränkt verordnungsfähig sind. So
          schon gehört haben: Anlage I, III und V.                        gibt es beispielsweise bei Erwachsenen einen Verord-
                                                                          nungsausschluss bei Aggrenox®/Dipyridamol in Kom-
          Anlage I: OTC-Ausnahmeliste, apotheken-                         bination mit Acetylsalicylsäure. In der tabellarischen
          pflichtige Arzneimittel für Erwachsene                          Übersicht der Anlage III kann man die Bestimmungen
          OTC steht für „over the counter“ und bezeichnet                 inklusive aller Ausnahmen nachschlagen.
          Medikamente, die apothekenpflichtig, aber für Er-               https://www.g-ba.de/richtlinien/anlage/16/
          wachsene nicht verordnungsfähig sind. Aber aufge-
          passt: OTC-Medikamente sind sehr wohl für Kinder                Anlage V: Verordnungsfähige Medizinprodukte
          bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und Jugendliche              Den verordnungsfähigen Medizinprodukten, die ei-
          mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18.               nen Arzneimittelcharakter haben, widmet sich die An-
          Lebensjahr verordnungsfähig. Die zweite Ausnahme                lage V der AM-RL. In tabellarischer Form werden alle
          gilt für jene OTC-Arzneimittel, die bei der Behandlung          arzneimittelähnlichen Medizinprodukte mit dem Hin-
          schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard               weis aufgelistet, wann eine medizinische Notwendig-
                                                                          keit besteht, sie zu verordnen.
                                                                          https://www.g-ba.de/richtlinien/anlage/120/ n
              FRAGEN?                                                                                              Team AHH
              Bei Fragen zu Verordnungen oder Impfungen steht
              Ihnen das Team Arznei-, Heil- und Hilfsmittel gerne            Weitere Informationen unter:
              zur Verfügung.                                                 www.kvhaktuell.de
              T.      069 24741-7333                                         (inkl. Hinweisen zu Fortbildungen)
              E.      verordnungsanfragen@kvhessen.de                        www.g-ba.de/richtlinien/3/

18        AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
TITELTHEMA

Weniger Bürokratie mit der
neuen Heilmittel-Richtlinie
 Durch die neue Heilmittel-Richtlinie sollen die Verordnungen von Krankengym-
 nastik oder Logopädie vereinfacht werden. Zum Start der Richtlinie gibt es
­attraktive Serviceangebote.

Der G-BA hat die Vorgaben zur ärzt-                                     Der komplette Heilmittelkatalog ist
lichen Verordnung von Heilmitteln                                       ferner ab dem 1. Januar 2021 mobil
komplett überarbeitet. Dies war er-                                     abrufbar in der App KBV2GO!. Dazu
forderlich, denn die Regelungen                                         müssen die App herunterge­laden
sind im Laufe der Jahre immer kom-                                      und der „Heilmittelkatalog“ geöff-
plexer und unübersichtlicher gewor-                                     net werden. Die App bietet auch
den. Die wichtigste Vereinfachung                                       eine komfortable Suchfunktion.
für die Praxen ist, dass es ab Janu-                                    Mehr dazu unter www.kbv.de/
ar 2021 nur noch ein neues Mus-                                         Mediathek/Apps & Tools
ter 13 für die Verordnung sämtlicher Heilmittel gibt.
Das sind: Physiotherapie, Ergotherapie, Podologie,      Zudem gibt es Online-Fortbildungen im KBV-Fort-
Stimm-, Sprech-, Sprach- sowie Schlucktherapie und      bildungsportal. In Form von zwei Modulen werden
Ernährungstherapie. 28 Tage hat der Patient dann        Grundsätze und Rahmenbedingungen der Heilmit-
Zeit, das Verordnungsblatt einzulösen. Das alte Mus-    telverordnung vermittelt. Bei erfolgreicher Teilnah-
ter 13 sowie die Muster 14 und 18 sind ab dem 1. Ja-    me erhalten Ärzte bis je drei CME-Punkte. Und zu
nuar 2021 ungültig. Darüber hinaus entfällt die Un-     guter Letzt: Für den 24. Februar 2021 ist von 15-18
terscheidung zwischen Erst- und Folgeverordnung         Uhr eine Schulung der KV Hessen zur neuen Richt­
sowie die Verordnung außerhalb des Regelfalls und       linie in Frankfurt geplant. Für die Teilnahme erhalten
deren Begründungspflicht. Stattdessen werden der        Ärzte vier Qualifizierungspunkte. Weitere Infos auch
Verordnungsfall und die orientierende Behandlungs-      unter www.kvhaktuell.de n
menge eingeführt, von denen im Einzelfall abgewi-                             Klaus Hollmann, Petra Bendrich
chen werden darf. Dies alles dürfte auch zu spürbar
weniger Abstimmungen zwischen Heilmittelerbrin-
gern und Arztpraxen führen.
                                                            Ab dem 1. Januar 2021 können Psycho-
                                                                                                                 Infobox

Zum Start der neuen Heilmittel-Richtlinie am 1. Ja-         logische Psychotherapeuten sowie Kin-
nuar gab es bereits mehrere Serviceangebote für             der- und Jugendlichenpsychotherapeuten
Praxen. Die 24-seitige Broschüre „Heilmittel“ wurde         auch Ergotherapie verordnen – allerdings
per Post an die entsprechenden Praxen verschickt,           nur bei psychischen Erkrankungen sowie
und sie lag am 11. Dezember 2020 dem Deutschen              bei bestimmten Erkrankungen des zen­
Ärzteblatt bei. Die Broschüre ist zudem in der KBV-­        tralen Nervensystems und Entwicklungs­
Mediathek kostenfrei downzuloaden:                          störungen.
www.kbv.de/Mediathek/PraxisWissen

                                                                               AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020              19
TITELTHEMA

            Für die Verordnung
         aller Heilmittel gilt ab
          dem 1. Januar 2021                                                       1
                     Muster 13.

                                    2

                                    3                          4

                                    5
                                                                                                         6

                                    8            9                                                       7

                                    12

                                    11

                                                                              13

                                    12

           AUSFÜLLHILFE ZUM MUSTER 13                               3 Diagnosegruppe
                                                                   Diagnosegruppe auswählen – als Orientierung die-
            1 Heilmittelbereich, zum Beispiel Physio-              nen die im Heilmittelkatalog aufgeführten Beispiel­
           therapie oder Stimm-, Sprech-, Sprach- und              diagnosen.
           Schluck­therapie
           Hier den Heilmittelbereich ankreuzen – alternativ er-    4 Leitsymptomatik gemäß Heilmittelkatalog
           folgt die Auswahl anhand der angegebenen Diagnose-      oder patientenindividuelle Leitsymptomatik
           gruppe automatisch durch die Verordnungssoftware.       Entweder den Buchstaben ankreuzen oder den Klar-
                                                                   text eintragen, beides ist im Katalog unter Leitsympto-
            2 Konkrete behandlungsrelevante Diagnose               matik angegeben – es können auch mehrere Leitsym-
           oder auch Diagnosen                                     ptomatiken auf dem Formular angegeben werden.
           ICD-10-Code angeben – der durch die Software hin-
           zugefügte ICD-10-Klartext kann ergänzt oder durch       Patientenindividuelle Leitsymptomatik
           einen Freitext ersetzt werden.                          Hier alternativ eine patientenindividuelle Leitsympto-
                                                                   matik als Freitext angeben – diese muss mit dem Heil-
                                                                   mittelkatalog vergleichbar sein.

20         AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
TITELTHEMA

  5 	Heilmittel nach Maßgabe des Katalogs                ergänzend verordnet wurde. Für Verordnungen auf-
Je nach ausgewählter Diagnosegruppe die verord-           grund eines langfristigen Heilmittelbedarfs oder eines
nungsfähigen Heilmittel auswählen. Bei Physiothera-       besonderen Verordnungsbedarfs kann die Höchst-
pie und Ergotherapie können bis zu drei unterschied-      menge je Verordnung in Abhängigkeit von der The-
liche vorrangige Heilmittel verordnet werden, soweit      rapiefrequenz auf eine Behandlungsdauer von bis zu
der Heilmittelkatalog in der Diagnosegruppe mehre-        zwölf Wochen bemessen werden.
re vorrangige Heilmittel vorsieht. Bei Stimm-, Sprech-,
Sprach- und Schlucktherapie können bis zu drei ver-         7 	Therapiefrequenz
schiedene Behandlungstermine oder Einzel- und Grup-       Sie kann als Frequenz, zum Beispiel „1 x täglich“, oder
penbehandlungen miteinander kombiniert werden.            als Frequenzspanne, zum Beispiel „1–3 x wöchent-
                                                          lich“, angegeben werden.
Ergänzendes Heilmittel gemäß
Heilmittelkatalog                                         Die Frequenzempfehlung des Heilmittelkatalogs
Soweit medizinisch erforderlich, kann ein „ergänzen-      dient der Orientierung. In medizinisch begründe-
des Heilmittel“ verordnet werden. Hinweis: Ergänzen-      ten Fällen ist es möglich, davon abzuweichen. In der
de Heilmittel werden bei der Zählung der Behand-          Software sind mehrere Optionen hinterlegt und kön-
lungsmenge (orientierende Behandlungsmenge und            nen ausgewählt werden.
Höchstmenge je Verordnung) nicht mitgezählt. Im
Heilmittelbereich Physiotherapie können Elektrothera-      8 	Therapiebericht
pie, Elektrostimulation oder Ultraschall-Wärmethera-      Ankreuzen, wenn ein Therapiebericht angefordert
pie auch isoliert verordnet werden (ohne Verordnung       wird.
eines vorrangigen Heilmittels), soweit der Heilmittel-
katalog diese Maßnahmen als ergänzende Heilmittel          9 Hausbesuch JA oder NEIN
vorsieht.                                                 Ist ein Hausbesuch aus medizinischen Gründen zwin-
                                                          gend notwendig, so kann er verordnet werden.
Gegebenenfalls ergänzende Angaben zum
Heilmittel                                                10 Dringlicher Behandlungsbedarf
Doppelbehandlung: In medizinisch begründeten Aus-         Ankreuzen, wenn die Behandlung aus medizinischen
nahmefällen kann dasselbe Heilmittel auch als zusam-      Gründen spätestens innerhalb von 14 Kalendertagen
menhängende Doppelbehandlung verordnet werden,            beginnen muss. Ansonsten muss die Behandlung in-
indem zum Beispiel der Text „als Doppelbehandlung“        nerhalb von 28 Tagen nach Verordnung beginnen,
hinter dem Heilmittel ergänzt wird.                       sonst verliert sie ihre Gültigkeit.

 6 	Behandlungseinheiten                                  11 Befunde, die für die Heilmitteltherapie
Die Anzahl der Behandlungseinheiten je Verordnung         ­relevant sind
ist begrenzt – die konkrete Anzahl steht im Heilmit-       Wenn weitere medizinische Befunde an den Thera-
telkatalog. Bei der Verordnung mehrerer vorrangiger        peuten übermittelt werden sollen, können diese hier
Heilmittel sind die Einheiten entsprechend aufzutei-      abgebildet oder per Beiblatt beigefügt werden (zum
len, damit die Höchstmenge pro Verordnung nicht           Beispiel Tonaudiogramme).
überschritten wird – nur ergänzende Heilmittel wer-
den nicht mitgezählt, denn die Höchstmenge wird           12 IK des Leistungserbringers
nur aus den vorrangigen Heilmitteln errechnet.            Es ist vom Therapeuten einzutragen.

Beispiel: Werden dreimal manuelle ­Lymphdrainage          13 Stempel/Unterschrift
(vorrangig), dreimal Krankengymnastik (vorrangig)         Vertragsarztstempel einfügen oder die Software lie-
und dreimal Wärmetherapie (ergänzend) verordnet,          fert einen Stempeleindruck, zudem ist jede Verord-
ergibt das zusammen sechs verordnete Einheiten.           nung persönlich durch den verordnenden Arzt zu un-
Die Wärmetherapie wird nicht mitgerechnet, da sie         terzeichnen.

                                                                                  AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020       21
TITELTHEMA

                   Sicherheitscheck bei Praxis­
                   besonderheiten und Impfungen
                   Schonen Sie Ihre Verordnungsausgaben anhand der Listen für Praxisbesonder­
                   heiten oder Impfungen.

                   PRAXISBESONDERHEITEN                                     sen. Dies sind in der Allgemeinmedizin/Inneren Medizin
                                                                            beispielsweise erheblich über dem Fachgruppendurch-
                   Bei den Arzneimittelverordnungen gibt es in Hessen       schnitt liegende Schmerztherapie, Herzinsuffizienz, Di-
                   mit den Krankenkassen vereinbarte Praxisbesonderhei-     abetes mellitus oder orthopädische Krankheitsbilder.
                   ten/Krankheiten nach den Gebührenordnungspositio-        Auch die Betreuung von Patienten in Pflegeeinrichtun-
                   nen (GOP) 98502 bis 98522, deren Kosten in einem         gen kann eine weitere Praxisbesonderheit darstellen.
                   Prüfverfahren in dem Umfang aus den Verordnungs-
                   kosten herausgerechnet werden, in dem sie den Fach-      Eine aktuelle Übersicht aller bundesweiten Praxisbe-
                   gruppendurchschnitt überschreiten. Voraussetzung ist     sonderheiten finden Sie hier: kvh.link/vkvh001
                   natürlich, dass diese Krankheitsbilder in der Abrech-
                   nung codiert worden sind.                                SCHUTZIMPFUNGS-RICHTLINIE

                   Weitere Praxisbesonderheiten sind die Therapien von      Empfehlungen zu Schutzimpfungen gehen zunächst
                   Krankheitsbildern, bei denen der G-BA in der frühen      immer von der Ständigen Impfkommission, einem un-
                   Nutzenbewertung einen Zusatznutzen festgestellt hat      abhängigen Expertengremium, aus. Dann entschei-
                   und die Krankenkassen diese Therapien zur Praxisbeson-   det der G-BA über die Aufnahme in den Leistungska-
                   derheit erklärt haben. Diese Verordnungskosten werden    talog der gesetzlichen Krankenkassen und lässt seine
                   in einem Prüfverfahren zu 100 Prozent oder 1:1 aus dem   Entscheidung vom Bundesministerium für Gesundheit
                   Verordnungsvolumen der Praxis herausgerechnet.           ebenfalls prüfen und bestätigen. Als Nächstes müs-
                                                                            sen dann bei neuen Impfungen auf Länderebene die
                   Weitere nicht vereinbarte Praxisbesonderheiten sind      Details, wie der Bezug des Impfstoffs und das Hono-
                   ein besonderes Patientenklientel oder Behandlungs-       rar, mit den Krankenkassen verhandelt werden, damit
                   schwerpunkte einer Praxis, die in einem Prüfverfah-      die Impfungen auch zulasten der GKV durchgeführt
                   ren der Prüfungsstelle gegenüber belegt werden müs-      werden können. In Hessen regeln die Schutzimp-
                                                                            fungs-Richtlinie und der Impfvertrag, welche Imp-
                                                                            fungen von den Krankenkassen bezahlt werden. Von
           Impfleistungen für „Japanische
Infobox

                                                                            wenigen Ausnahmen abgesehen, werden Impfstoffe
          ­Enze­phalitis“ und „Typhus oral“                                 über den Sprechstundenbedarf bezogen.

          Bei berufsbedingten Impfungen können in Hessen über
                                                                            Impfungen dienen sowohl dem Individual- als auch
          den Weg der Kostenerstattung Impfleistungen für „Japani-
                                                                            dem Gemeinschaftsschutz und zeichnen sich durch
          sche Enzephalitis“ und „Typhus oral“ verabreicht werden.
                                                                            eine gute Verträglichkeit aus.
          Ein Bezug über den Sprechstundenbedarf ist daher noch
          nicht möglich. Diese Impfungen werden aber in die Hessi-          Informationen zu Impfstoffen wie auch die Schutz­
          sche Impfvereinbarung aufgenommen, sobald die laufen-             impfungs-Richtlinie und die hessischen Gebührenord-
          den Verhandlungen mit den Krankenkassen abgeschlos-               nungspositionen finden Sie hier:
          sen sind. Informationen dazu folgen zu gegebener Zeit.            kvh.link/vkvh002 n
                                                                                                                    Team AHH

  22               AUF DEN PUNKT NR. 6 / DEZ 2020
Nr. 6 – Dezember 2020

info.service
Offizielle Bekanntmachungen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen

                                   EBM aktuell
Abrechnung
                              2    EBM-Änderungen seit 1. Juli 2020
                              2    EBM-Änderungen seit 1. Oktober 2020

Qualität                           Organisierte Krebsfrüherkennung (oKFE)
                              10   Fragen und Antworten zum Start der Dokumentationspflicht am
                                   1. Oktober 2020

                                   Honorarverteilungsmaßstab (HVM)
Honorar
                              12   Änderung des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) gem. § 87b Abs. 1 S. 2 SGB V
                                   der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen

                                   Allgemeine Erläuterungen zum Haushaltsplan
Sonstiges
                              17   Verwaltungshaushalt

                                   Ärztlicher Bereitschaftsdienst (ÄBD)
                              17   Besetzung „zwischen den Jahren“ und Brückentage 2021

                                   Sitzungstermine
                              18   Zulassungsausschuss 2021

                                   Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
                              19   Zulassung zum Durchgangsarztverfahren
ABRECHNUNG

           EBM aktuell

           EBM-Änderungen seit 1. Juli 2020
           Die EBM-Änderungen zum 01.07.2020 sind bereits in       Ferner beschloss der BA:
           den Ausgaben Nr. 4/August 2020 und Nr. 5/Oktober
           2020 veröffentlicht.                                    • Auch für Pathologen und Anästhesisten mit
                                                                     Schmerztherapie werden Höchstwerte zum
           eArztbrief, Porto und Faxe angepasst                      01.10.2021 eingeführt.

           Für Sie als Arzt und Psychotherapeut ist die Vergü-     • Für Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit
           tung für Porto und Faxe seit dem 01.07.2020 um-           Schwerpunkt oder Zusatzweiterbildung, die in
           gestellt: Seitdem gibt es nur eine Kostenpauscha-         mindestens 50 Prozent ihrer Arztfälle im Quartal
           le für Porto (GOP 40110) und eine Kostenpauschale         im fachärztlichen Versorgungsbereich tätig sind,
           für Faxe (GOP 40111) im EBM. Der Bewertungsaus-           gilt zum 01.10.2021 der Höchstwert gemäß dem
           schuss (BA) hat nun rückwirkend in der 513. Sitzung       Schwerpunkt der Inneren Medizin.
           im September 2020 beschlossen, dass die ebenfalls
           zum 01.07.2020 eingeführten Höchstwerte für die         • Klarstellung: Fachärzte für Laboratoriumsmedizin,
           GOP 40110 und 40111 bis zum 30.09.2021 ausge-             Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Trans-
           setzt werden.                                             fusionsmedizin und ermächtigte Fachwissenschaft-
                                                                     ler der Medizin können die Kostenpauschalen nach
                                                                     den GOP 40110 und 40111 nicht abrechnen. Sie er-
                                                                     halten Zuschläge nach den GOP 01699 und 12230.

           EBM-Änderungen seit 1. Oktober 2020

           Die weiteren EBM-Änderungen zum 01.10.2020 sind         Mayzent® verabreichen: Beobachtung und Be-
           bereits in der Ausgabe Nr. 5/Oktober 2020 veröffent-    treuung abrechnen
           licht.
                                                                   Seit dem 01.10.2020 können Sie eine neue Leistung
           Ersatzverfahren für Kinder ohne eGK                     abrechnen, wenn Sie Patienten mit Multipler Sklerose
                                                                   nach oraler Gabe von Siponimod (Mayzent®) mehr als
           Sie wenden bei Kindern, bei denen bis zum vollen-       sechs Stunden betreuen und beobachten. Hierfür wur-
           deten dritten Lebensmonat noch keine eigene elekt-      de die neue GOP 01517 in den EBM aufgenommen.
           ronische Gesundheitskarte (eGK) vorliegt, das Ersatz-
           verfahren an.                                           Die GOP 01517 für die Beobachtung und Betreuung
                                                                   ist 142,72 Euro (1299 Punkte) wert; bundeseinheitli-
           Wichtig: Die Regelung gilt sowohl für Früherken-        cher Punktwert 2020 ist 10,9871 Cent. Als Arzt der
           nungsuntersuchungen (U-Untersuchungen) als auch         Neurologie und Nervenheilkunde können Sie die neue
           für kurative Leistungen. Zum Beispiel bei der ersten    GOP 01517 abrechnen.
           und zweiten Früherkennungsuntersuchung (U1 und
           U2) nach der Kinder-Richtlinie des Gemeinsamen          Zum 01.10.2022 soll die GOP 01517 in den Leistungs-
           Bundesausschusses (G-BA).                               katalog nach den GOP 01510 bis 01512 (Zusatzpau-
                                                                   schalen für Beobachtung und Betreuung) überführt
           Seit dem 01.10.2020 wird die bisherige Anwen-           werden.
           dung einer elterlichen eGK, die im EBM (Abschnitt
           1.7.1) geregelt war, gestrichen. Im Bundesmantelver-    Telekonsilien abrechnen
           trag-Ärzte (BMV-Ä) werden die Regelungen zur eGK
           in dem § 19 und §  22 erweitert.                        Seit dem 01.10.2020 können Sie als Arzt und Psycho-
                                                                   therapeut die neuen GOP 01670, 01671 und 01672

2          AUF DEN PUNKT INFO.SERVICE NR. 6 / DEZ 2020
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