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SMF – FMS Schweizerisches Medizin-Forum – Forum Médical Suisse – Forum Medico Svizzero – Forum Medical Svizzer jo u r n al Swiss Peer re d vie we Medical Forum 145 N. Roos, S. Weiler 154 A. Schneider, E. Moschouri, 159 D. Burger, S. Reck Hemiballismus unter M. Fraga Christinet, et al. Pankreas anulare Cinnarizin Pruritus – eine interdiszipli- bei Z willingen im näre Herausforderung E rwachsenenalter 7 14. 2. 2018 With extended abstracts from “Swiss Medical Weekly” 147 R. Kaelin, B. Christen, S. Eggli, et al. Behandlung degenerativer M eniskusläsionen Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Organe officiel de la FMH pour la formation continue Bollettino ufficiale per la formazione della FMH Organ da perfecziunament uffizial da la FMH www.medicalforum.ch Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 141 Redaktion Beratende Redaktoren Prof. Dr. Nicolas Rodondi, Bern (Chefredaktor); Prof. Dr. Stefano Bassetti, Dr. Pierre Périat, Basel; Prof. Dr. Rolf A. Streuli, Langenthal Basel; Dr. Ana M. Cettuzzi-Grozaj, Basel (Managing editor); Advisory Board Prof. Dr. Reto Krapf, Luzern; Prof. Dr. Martin Krause, Münsterlingen; PD Dr. Daniel Franzen, Zürich; Jérôme Gauthey, dipl. Arzt, Biel; Prof. Dr. Klaus Neftel, Bern; Prof. Dr. Gérard Waeber, Lausanne; Dr. Francine Glassey Perrenoud, La Chaux-de-Fonds; PD Dr. Maria Monika Wertli, Bern Dr. Markus Gnädinger, Steinach; Dr. Matteo Monti, Lausanne; Dr. Daniel Portmann, Winterthur; Dr. Sven Streit, Bern Kurz und bündig R. Krapf 143 Wie definieren Sie 2018 «Hypertonie» und welches sind Ihre therapeutischen Ziele? Aktuell N. Roos, S. Weiler 145 Hemiballismus unter Cinnarizin Ein aktueller Fall aus den Regionalen Pharmacovigilance-Zentren und Tox Info Suisse. Übersichtsartikel R. Kaelin, B. Christen, S. Eggli, H. Miozzari, M. P. Arnold a r tic le 147 Behandlung degenerativer Meniskusläsionen Peer re v ie we Während bei traumatischen Meniskusläsionen beim jüngeren Patienten ein operatives d Vorgehen meist unbestritten ist, so stellt sich bei degenerativen Meniskusläsionen in mittlerem und höherem Lebensalter die Frage: Ab wann gilt, dass die konservative Therapie versagt hat und ein operatives Vorgehen indiziert ist? Was ist Ihre Diagnose? A. Schneider, E. Moschouri, M. Fraga Christinet, A. Sciarra,C. Sempoux, G. Papadakis, a r tic le G. Sykiotis,C. Sartori, F.-R. Duss Peer re v ie we Pruritus – eine interdisziplinäre Herausforderung d 154 Eine 28-jährige Patientin kommt aufgrund eines generalisierten Pruritus, der seit mehreren Tagen zunimmt, in Ihre Konsultation. • Redaktionelle Zusammenfassungen aus •• Redaktionelle Redaktionelle Zusammenfassungen Zusammenfassungen ausaus compendium.ch compendium.ch compendium.ch • Identa-Abbildungen fester Arzneiformen •• Identa-Abbildungen fester Identa-Abbildungen fester Arzneiformen Arzneiformen • Therapeutisches Register •• Therapeutisches Register Therapeutisches Register Kurz gefasstes Fachbuch zu Arzneimitteln • Stärkt Ihre Beratungskompetenz compendium COMPACT – Weitere Informationen und Bestelloptionen finden •• Stärkt Ihre Stärkt Ihre Beratungskompetenz Beratungskompetenz • Redaktionelle Zusammenfassungen aus compendium.ch • Identa-Abbildungen fester Arzneiformen Weitere Informationen Informationen und und Bestelloptionen Bestelloptionen finden finden jetzt bestellen Weitere Sie auf: www.hcisolutions.ch/order Sie Sie auf: auf: www.hcisolutions.ch/order www.hcisolutions.ch/order • Therapeutisches Register • Stärkt Ihre Beratungskompetenz Weitere Informationen und Bestelloptionen finden Sie auf: Hardcover, ca. 1000 Seiten www.hcisolutions.ch/order Hardcover, ca. 1000 Seiten Hardcover, Neues, handliches ca. 15 Format: 1000 Seiten × 21,5 cm compendium COMPACT, ein Produkt der HCI Solutions AG Neues, Neues, handliches Format: handliches Format: 15 × 21,5 15 × 21,5 cm cm compendium compendium COMPACT, COMPACT, ein ein Produkt Produkt der der HCI HCI Solutions Solutions AG AG Hardcover, ca. 1000 Seiten, neues, handliches Format: 15 × 21,5 cm sFr. 145.– / € (D) 145.–, zzgl. Versandkosten compendium COMPACT, ein Produkt der HCI Solutions AG Ihre Bestellmöglichkeit Ihre Bestellmöglichkeit Ihre Bestellmöglichkeit Ja, ich bestelle Anzahl Ex. compendium COMPACT, deutsche Ausgabe, ISBN 978-3-906819-01-3, sFr. 145.– / € (D) 145.–, zzgl. Versandkosten Ja, ich Ja, ich bestelle bestelle Anzahl Anzahl Ex. Ex. compendium compendium COMPACT, COMPACT, deutsche deutsche Ausgabe, Ausgabe, ISBN ISBN 978-3-906819-01-3, 978-3-906819-01-3, sFr. sFr. 145.– /€ 145.– / € (D) (D) 145.–, 145.–, zzgl. zzgl. Versandkosten Versandkosten EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, CH-4132 Muttenz EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 8, CH-4132 Muttenz TEMH +41Schweizerischer (0)61 467under Published theÄrzteverlag 85 75, Fcopyright +41 (0)61 AG, Farnsburgerstrasse 467“Attribution license CH-4132 85 56, auslieferung@emh.ch, – Non-Commercial Muttenz4.0”. No commercial reuse without permission. www.emh.ch – NoDerivatives See: http://emh.ch/en/services/permissions.html TT +41 +41 (0)61 (0)61 467 467 85 85 75, 75, F F +41 +41 (0)61 (0)61 467 467 85 85 56, 56, auslieferung@emh.ch, auslieferung@emh.ch, www.emh.ch www.emh.ch
INHALTSVERZEICHNIS 142 Fallbericht D. Burger, S. Reck a r tic le 159 Pankreas anulare bei Zwillingen im Erwachsenenalter Peer re v ie we d Der 36-jährige Indexpatient stellte sich wegen rund 2 Tage zuvor erstmalig aufge tretener Bauchschmerzen, die initial im Epigastrium begannen und sich im Verlauf in den rechten Unterbauch verlagerten, auf der Notfallstation vor. Swiss Medical Weekly Editorial Board: Prof. Adriano Aguzzi, Zurich (ed. in chief); Prof. Manuel Battegay, Basel; Dr. Katharina Blatter, Basel (Managing editor); Prof. Jean-Michel Dayer, Geneva; Prof. Douglas Hanahan, Lausanne; Dr. Natalie Marty, Basel (Managing editor); Prof. André P. Perruchoud, Basel (senior editor); Prof. Christian Seiler, Berne; Prof. Peter Suter, Geneva (senior editor) The “Swiss Medical Weekly“ is the official scientific publication of the Swiss Society of Internal Medicine, Swiss Society of Infectiology, Swiss Society of Rheumatology and Swiss Society of Pulmonary Hypertension. The journal is supported by the Swiss Academy of Medical Sciences (SAM) and the Swiss Medical Association (FMH). Abstracts of new articles from www.smw.ch are presented at the end of this issue. Künzle Marianne Der legendäre Pfarrer und seine Kräuter UNS MENSCHEN Johann Künzle gehört zu den Wegbereitern der modernen Pflanzenheilkunde. International be- IN DEN WEG GESTREUT kannt wurde er spätestens 1919, als in der Schweiz Tausende, weltweit Millionen von Menschen Kräuterpfarrer Johann Künzle an der Spanischen Grippe starben – nur in der Sankt Gallischen Pfarrgemeinde Wangs starb (1857–1945) niemand, denn hier tranken alle eine von Künzle angefertigte Teemischung. Erstausgabe April 2017 Marianne Künzle widmet sich in ihrem sorgfältig recherchierten historischen Roman den bedeut- Geb., mit Schutzumschlag, 13 × 21 cm, samen Jahren von Künzle und zeichnet ein vielschichtiges Bild des umtriebigen Pfarrers, der poli- 351 Seiten tischen Debatte, die sein Schaffen auslöst und einer bewegten Epoche. CHF 36.– (inkl. Versand) ISBN 978-3-7296-0952-5 Profitieren Sie von exklusiven 10% Rabatt auf Uns Menschen in den Weg gestreut. Bestellung unter info@zytglogge.ch mit dem Gutscheincode «Pfarrer» (Angebot nur gültig in der Schweiz). Zytglogge Verlag | www.zytglogge.ch | info@zytglogge.ch Kuenzle_Weggestreut_210x064.indd 1 09.01.18 14:40 Impressum Swiss Medical Forum – Marketing EMH / Inserate: ISSN: Printversion: 1424-3784 / Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift Schweizerisches Medizin-Forum Dr. phil. II Karin Würz, Leiterin elektronische Ausgabe: 1424-4020 publizierten Angaben wurden mit der Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Marketing und Kommunikation, Erscheint jeden Mittwoch grössten Sorgfalt überprüft. Die mit und der Schweizerischen Gesellschaft Tel. +41 (0)61 467 85 49, Fax +41 Verfassernamen gezeichneten Ver für Innere Medizin (0)61 467 85 56, kwuerz@emh.ch © EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG öffentlichungen geben in erster Linie (EMH), 2018. Das Swiss Medical Forum die Auffassung der Autoren und nicht Redaktionsadresse: Eveline Maegli, Abonnemente FMH-Mitglieder: ist eine Open-Access-Publikation zwangsläufig die Meinung der SMF- Redaktionsassistentin SMF, FMH Verbindung der Schweizer von EMH. Entsprechend gewährt EMH Redaktion wieder. Die angegebenen EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, allen Nutzern auf der Basis der Creative- Dosierungen, Indikationen und Appli- Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Commons-Lizenz «Namensnennung – kationsformen, vor allem von Neuzu- Tel. +41 (0)61 467 85 58, Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch Nicht kommerziell – Keine Bearbei lassungen, sollten in jedem Fall mit Fax +41 (0)61 467 85 56, Andere Abonnemente: EMH Schweize- tungen 4.0 International» das zeitlich den Fachinformationen der verwende- office@medicalforum.ch, rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente, unbeschränkte Recht, das Werk zu ver ten Medikamente verglichen werden. www.medicalforum.ch Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, vielfältigen, zu verbreiten und öffentlich Tel. +41 (0)61 467 85 75, zugänglich zu machen unter den Bedin- Herstellung: Schwabe AG, Muttenz, Manuskripteinreichung online: Fax +41 (0)61 467 85 76, abo@emh.ch gungen, dass (1) der Name des Autors www.schwabe.ch http://www.edmgr.com/smf Abonnementspreise: zusammen genannt wird, (2) das Werk nicht für mit der Schweizerischen Ärzte- kommerzielle Zwecke verwendet wird Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte zeitung 1 Jahr CHF 395.– / Studenten und (3) das Werk in keiner Weise bear- verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, CHF 198.– zzgl. Porto; ohne Schweize- beitet oder in anderer Weise verändert 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, rische Ärztezeitung 1 Jahr CHF 175.– / wird. Die kommerzielle Nutzung ist nur Fax +41 (0)61 467 85 56, www.emh.ch Studenten CHF 88.– zzgl. Porto mit ausdrücklicher vorgängiger Erlaub- (kürzere Abonnementsdauern: siehe nis von EMH und auf der Basis einer www.medicalforum.ch) schriftlichen Vereinbarung zulässig. Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
KURZ UND BÜNDIG 143 Kurz und bündig Prof. Dr. med. Reto Krapf ren Datums, also ohne das Label «MRI-safe», deutlich geringer ausfällt, wenn sich die inter- Praxisrelevant sind. Bei 1509 Patienten mit Herzschrittma- ventionellen Kardiologen in der Akutsituation cher/Kardioverter-Defibrillator wurden total auf die Wiedereröffnung des Infarktgefässes Wie definieren Sie 2018 «Hypertonie» und 2103 MRI-Untersuchungen mittels eines (Angehen nur der sog. «culprit lesion») be- welches sind Ihre therapeutischen Ziele? 1,5 Tesla-Gerätes durchgeführt, ohne klinisch schränken (SHOCK-Studie 1999). Bei 706 Pa Die soeben publizierten neuen Richtlinien des signifikante, negative Langzeitfolgen auf die tientInnen mit Mehrgefässerkrankung, aku- «American College of Cardiology» und der Funktionsweisen der Implantate. Allerdings tem Herzinfarkt und kardiogenem Schock «American Heart Association» (ACC/AHA, [1]) wurden die diskreten, als klinisch insignifi- führte die alleinige Intervention am Infarktge- bringen gegenüber den letzten Richtlinien kant beurteilen elektrophysiologischen Alte- fäss zu einem besseren Überleben und weniger (JNC7) aus dem Jahre 2003 [2] wesentliche Ver- rationen nur bei 63% der PatientInnen auch grossem Risiko, eine N ierenersatztherapie zu schärfungen. Neu ist eine Hypertonie in der wirklich gemessen. Ein darin ausgebildeter benötigen. Die kombinierten Endpunkte (Tod Allgemeinbevölkerung definiert als Werte Kardiologe muss die Geräte vor und nach der oder Nierenersatztherapie) bleiben insgesamt von >130/>80 mm Hg, wobei eine antihyper- MRI-Untersuchung reprogrammieren. Die hoch, aber bei der «culprit only»-Strategie tensive Medikation (also nicht nur Lebenssti- Untersuchungen fanden in Anwesenheit ei- deutlich und klinisch signifikant tiefer als länderungen) bei Werten von >140/>90 mm ner diplomierten Pflegeperson statt, welche beim Angehen noch anderer Stenosen wäh- Hg empfohlen werden. Bei PatientInnen mit ebenfalls im Notfall hätte reprogrammieren rend der gleichen Intervention: 45,9 versus hohem kardiovaskulären Risiko (u.a. Diabe- und reanimieren können. 55,4%, p = 0,01). tes, chronische Nierenerkrankung, vorbeste- N Engl J Med. 2017;377:2555–64. N Engl J Med. 2017;377;2419–32. hende kardiovaskuläre Erkrankung) und jenen doi: 10:1056/NEJMoa1604267. doi: 10:1056/NEJMoa1710261. über 65 Jahren sogar schon bei Werten von Verfasst am 11.01.2018. Verfasst am 09.01.2017. >130/>80 mm Hg. Diese Werte sind gleichzeitig die neu anzustrebenden therapeutischen Ziele. Die Anwendung Neues aus der Biologie dieser Werte bedeutet für eine US-Po- Fokus auf ... Hepatozellulärem Karzinom pulation eine Hypertonie-Prävalenz Sind Osteozyten Regulatoren von knapp der Hälfte (!), eine Popula- – Die Inzidenz von 10 Fällen pro 100 000 Patienten-Jahre (= 6. häu- der Fettgewebsmasse? tion, die mit reiner Lebensstiländerung figster Tumor) variiert geographisch stark, je nach Ätiologie Leptin, gebildet in Adipozyten, ist das behandelt werden kann von knapp der vorherrschenden Lebererkrankung. wichtigste Feedback-Signal an das Ge- 10%, aber eine Population, die mit min- – Nicht alkoholische Fettleber und Hepatitis C sind die häufigs- hirn und führt zu einer verminderten destens einem Antihypertensivum be- ten Ursachen in der Westlichen Welt, aktuell auf Plafond oder Nahrungsaufnahme und Abnahme handelt werden muss von mindestens gar leicht abnehmend. der Fettzellmasse. In Mäusen mit und einem Drittel (!) der Gesamtbevölke- – In Afrika: Chronische Hepatitis B und Aflatoxin-B-Exposition. ohne Leptin (sog. ob/ob-Mäuse) führt rung [3]. So unangenehm diese Zahlen – Alpha-1-Fetoprotein (wie andere Tumormarker bei dieser Neo- aber Belastung durch exogen appli- (und die sie verursachenden Empfeh- plasie) weist eine klinisch nicht praktikable, zu tiefe Sensitivi- ziertes Gewicht in gleicher Weise zu ei- lungen) sein mögen, sie sind Folge guter tät (ca. 60%) und Spezifizität (ca. 80%) auf. – Ultraschall ist die wichtigste Verlaufsbildgebung bei Leber- ner Abnahme der Fettzellmasse (und «Outcome»-Daten und differenzierter herden
KURZ UND BÜNDIG 144 wichtigen und multiplen systemischen Rollen Heilung von Hämophilie A und B? der lange Zeit «vernachlässigten» Osteozyten. Was auch noch aufgefallen ist … Ein Transfer mittels Adeno-Virus-assoziier- Proc Nat Acad Sci (USA). 2018;115(2):427–32. tem Vektor (AAV) einer Faktor-IX-Variante (Pa- doi/10.1073/pnas.1715687114. Ibuprofen als Ursache eines männlichen dua) zusammen mit der Genpromotor-Region http://www.pnas.org/content/115/2/427.full Hypogonadismus? führte bei 10 Patienten mit Hämophilie B Verfasst am 12.01.2018, auf Hinweis von 2 × 600 mg Ibuprofen pro Tag für 6 Wochen zu einer anhaltenden Faktor-IX-Produktion Prof. G. Waeber (Lausanne). führt bei gesunden Männern zu einem Testo- (weitgehender Verzicht auf Faktor IX und steron-Abfall und Anstieg des luteotropen massive Reduktion der Blutungen, [1]). Hormones (kompensierter Hypogonadismus). Eine ähnliche gentechnologische Methode Proc Nat Acad Sci (USA). 2018; führte bei schwerer Hämophilie A in 6 von doi: 10.1073/pnas.1715035115. 7 Fällen zu einer anhaltenden Normalisierung Verfasst am 10.01.2018. der Faktor-VIII-Konzentrationen (Follow-up: 1 Jahr!, [2]). 1 N Engl J Med. 2017;377:2215–27. doi: 10.1056/NEJMoa1708538. 2 N Engl J Med. 2017;377:2519–30. doi: 10.1056/NEJMoa1708483. Verfasst am 10.01.2018. Tabelle 1: Synopsis: Technik der Blutdruckmessung vor Diagnose einer Hypertonie (adaptiert nach [1]). Schritt 1: Vorbereitung Patient sitzt möglichst entspannt für mindestens 5 Minuten des Patienten (Stuhl mit Rückenlehne) >30 Minuten vor Messung kein Koffein, kein Nikotin, keine körperliche A nstrengung Harnblase entleert Kein Gespräch während Ruhephase und Messungen Der Messarm ist unbekleidet Schritt 2: Korrekte Blutdruckapparat validiert und regelmässig kalibriert Technik Der Messarm der PatienInnen ist entlastet (z.B. auf Tisch) Manschette liegt auf Vorhofshöhe (etwa Mitte des Brustbeins) Korrekte Manschettengrösse verwenden* Schritt 3: Verwendung Bei der ersten Visite, Messung des Blutdruckes an beiden Armen! Verwen- der Messdaten zur dung des höheren Wertes, bei grossen Differenzen weitere Abklärungen Diagnostik Mindestens 2 Messungen in 1–2 Minuten Abstand Manschettendruck 20–30 mm Hg über dem systolischen Wert, Deflationsgeschwindigkeit: ca. 2 mm Hg pro Sekunde 1. Korotkoff-Ton (Auftreten) = systolischer Blutdruck, Verschwinden aller Korotkoff-Töne = diastolischer Blutdruck Schritt 4: Verwendung Die Mittelwerte von ≥2 Werten (systolisch und diastolisch) gemessen unter der Mittelwerte ≥2 verschiedenen Gelegenheiten, werden verwendet, notiert und dem Patienten mitgeteilt Der «Kurz und Bündige» empfiehlt zusätzlich dringend die Messung der Blutdruckwerte im Stehen, als Screening-Test für die Diagnose einer orthostatischen Dysregulation (autonome Dysfunktion bei Älteren, Diabetikern)! * Unter 26 cm Oberarmumfang: 10 × 18 cm; 27–34 cm Oberarmumfang: 12–13 × 24 cm («normal»); 35–44 cm Oberarmumfang: 15 × 30 cm; Über 45 cm Oberarmumfang: 18 × 36 cm (Oberschenkelmanschette) SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(7):143–144 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
AK TUELL 145 Aktuelles aus den Regionalen Pharmacovigilance-Zentren und Tox Info Suisse Hemiballismus unter Cinnarizin Noëmi Roos*, eidg. dipl. Apothekerin; PD Dr. med. Stefan Weiler* Regionales Pharmacovigilance-Zentrum Zürich, Klinik für Klinische Pharmakologie & Toxikologie, UniversitätsSpital Zürich und Universität Zürich * Die beiden Autoren haben zu gleichen Teilen zum Manuskript beigetragen. Weitere Komorbiditäten bestanden in einer genera Folgen der UAW: Hospitalisation Verlauf: Erholt lisierten Arteriosklerose und arteriellen Hypertonie. Kausalitätsbeurteilung: Wahrscheinlich Der Kreatininwert war bei Eintritt erhöht (120 µmol/l, eGFR 40 ml/min/1,73m2 nach BIS1). Der klinische Fall Der 90-jährige Patient mit langjährigem Schwindel Klinisch-pharmakologische Beurteilung und einem lumbospondylogenen Schmerzsyndrom Der Wirkstoff Cinnarizin ist ein selektiver Kalzium nahm zusätzlich zu Arlevert® (Cinnarizin/Dimenhy kanalblocker, der bei cochleären und vestibulären drinat) täglich eine Kapsel Cinnageron® (75 mg Cinna- Störungen wie Tinnitus, Schwindel, Nystagmus und rizin) und bei Schmerzen 50 mg Palexia® (Tapentadol) Morbus Ménière eingesetzt wird [1, 2]. Cinnarizin hat ein. Arlevert® und Cinnageron®, beides Präparate mit antihistaminerge Eigenschaften und hemmt die pe demselben Inhaltsstoff Cinnarizin, wurden zur Behand- riphere Vasokonstriktion durch selektive Blockade lung der Schwindelzustände angewendet. Nachdem des Kalziumeinstroms in depolarisierte Muskelzellen. die Tagesdosis von Cinnageron® verdoppelt wurde, Ausserdem reduziert Cinnarizin den vasokonstriktiven entwickelte der Patient einen plötzlichen Kontrollver- Effekt von Dopamin und anderen vasoaktiven Hormo- lust der linken Extremitäten mit unkoordinierten, aus- nen wie Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin und An- fallenden Bewegungen sowie Sprechschwierigkeiten. giotensin. Der antivertiginöse Effekt soll durch die Die Bewegungen waren so ausgeprägt, dass sich der Hemmung der Stimulation des Vestibularapparates Patient am linken Arm und Bein wiederholt prellte zustande kommen. Die Tagesmaximaldosis von Cin und sich Schürfungen sowie Hämatome zuzog. Der nageron® beträgt 150 mg (2× tgl. 1 Kapsel zu 75 mg). Patient wurde aufgrund des linksseitigen Hemiballis- Zusammen mit Arlevert®, das ebenfalls Cinnarizin mus mit Selbstverletzungsgefahr hospitalisiert. Medi- enthält, wurde beim beschriebenen Patienten diese kamente bei Eintritt sind in Tabelle 1 aufgeführt. empfohlene Dosis überschritten. Eine Hirnblutung oder zerebrale Ischämie konnten Gemäss den Schweizer Arzneimittelinformationen radiologisch ausgeschlossen werden. Cinnageron® und von Cinnageron® und Arlevert® ist Cinnarizin bei Pa Arlevert® sowie Palexia® wurden abgesetzt. Es erfolgte tienten mit extrapyramidalen Symptomen oder Par- eine probatorische Therapie mit 5 mg Akineton® (Bipe- kinsonismus kontraindiziert und sollte besonders bei riden), was die Beschwerden nur sehr gering verbesserte. älteren Patienten zurückhaltend angewendet werden Am darauf folgenden Tag waren die choreatischen [1]. Cinnarizin unterliegt einem ausgeprägten hepa Bewegungen verschwunden. tischen Metabolismus, woran vor allem das Cyto- chrom-P450-Isoenyzm 2D6 beteiligt ist. Rund ein Drittel Tabelle 1: Eintrittsmedikation. des Cinnarizins wird renal in Form von Metaboliten ausgeschieden. Seine durchschnittliche Plasmahalb- Cinnageron® (Cinnarizin) 75 mg 1-0-1 Noëmi Roos wertszeit beträgt 4–6 Stunden, wonach nach etwa Arlevert ® (Cinnarizin/Dimenhydrinat) 20/40 mg 1-1-1 Betaserc ® (Betahistin) 24 mg 1-0-0 einem Tag über 90% der Substanz aus dem Körper aus- ® Symfona (Ginkgo-biloba-Blätter Trocken 1-0-0 geschieden sind. Beim beschriebenen Patienten waren extrakt) 120 mg ein Tag nach Absetzen der Präparate die Symptome Relaxane® (Trockenextrakt aus Pestwurz-Wurzeln, 1-1-1 nicht mehr vorhanden, was gut mit der Eliminations- Baldrianwurzeln, Passionsblumenkraut und Melissenblättern) kinetik übereinstimmt. Aspirin Cardio ® (Acetylsalicylsäure) 100 mg 1-0-0 Bei einer Cinnarizin-Überdosierung werden am häu- Amlodipin Sandoz ® (Amlodipin) 5 mg 1-0-0 figsten extrapyramidale Symptome, Bewusstseins Coversum N combi® (Perindopril/Indapamid) 1-0-0 veränderungen, Erbrechen und Hypotonie beobachtet. 5/1,25 mg Dyskinesien, extrapyramidale Störungen, Parkinsonis- Palexia® (Tapentadol) 50 mg Bei Bedarf mus und Tremor sind unter therapeutischen Dosierun- Mephadolor ® (Mefenaminsäure) 500 mg Bei Bedarf Stefan Weiler gen von Cinnageron® mit einer Häufigkeit von
Aktuell 146 Zwischen der Dosissteigerung von Cinnageron® und Tabelle 2: Substanzen, die choreatische Bewegungen auslösen können dem Auftreten der oben beschriebenen Symptome mit (adaptiert nach [3]). linksseitigem Hemiballismus besteht neben der Ein- Kalziumkanalblocker Cinnarizin, Flunarizin, Verapamil nahme von Arlevert® und Palexia® ein enger zeitlicher Dopaminerge Substanzen Catechol-O-Methyltransferase (COMT) Zusammenhang. Bei Besserung im weiteren Verlauf Inhibitoren, Dopaminagonisten, Levodopa nach Absetzen der genannten Substanzen kann das Dopamin blockierende Substanzen Anticholinergika, Neuroleptika Dopamin depletierende Substanzen Reserpin Abklingen der Symptome als positive Dechallenge be- Antikonvulsiva Carbamazepin, Gabapentin, Lamotrigin, wertet werden. Differentialdiagnostisch konnten bei Phenytoin, Valproat diesem Patienten ischämische oder hämorrhagische Stimulanzien des zentralen Nervensystems Kokain, Amphetamin, Methylphenidat Läsionen ausgeschlossen werden. Andere Opiate, Antihistaminika Bei verschiedenen Präparaten mit gleichem Inhalts- stoff, wie in diesem Fall Cinnarizin in Cinnageron® und Arlevert®, ist Vorsicht geboten bezüglich Überschrei- beschrieben. Jedoch sind extrapyramidale Symptome tung der maximalen Tagesdosis und somit dosisab- wie Tremor, Rigor und Hypokinesie unter Cinnarizin hängigen Wirkungen. Prinzipiell sollte vor Hinzufügen bei älteren Patienten und bei Tagesdosen über 150 mg neuer Medikamente ein Abgleich mit der bestehenden wahrscheinlicher. In der Schweiz zugelassene Präparate, Medikation durchgeführt werden mit Prüfung auf red- die Cinnarizin enthalten, sind Cinnageron®, Arlevert® undante Wirkstoffe sowie gleiche Substanzklassen. und Stugeron®. Der prolongierte Einsatz von Medikamenten sollte bei Eine Auswahl klassischer Substanzen, die choreatische älteren Patienten auch regelmässig einer Risiko-Nutzen- Bewegungen auslösen können, ist in Tabelle 2 aufge- Abwägung unterzogen werden. führt [3]. Cinnarizin war eine der häufigsten Ursachen für me In Anbetracht des zeitlichen Zusammenhangs, der vor- dikamentös induzierten Parkinsonismus in Ländern, handenen Dokumentation in den jeweiligen Arznei- in denen diese Substanz intensiv verschrieben wurde, mittelinformationen und der Fachliteratur, auch in wie zum Beispiel Spanien [4, 5]. Extrapyramidale Stö- Hinblick auf Risikofaktoren (überschrittene empfohlene rungen wurden bereits 1988 von einem spanischen Tagesdosis, Alter, Langzeittherapie, Einnahme mehrerer Pharmakovigilanzzentrum beschrieben [6]. Parkinso- Chorea-auslösender Substanzen) sowie ausschliess nismus trat bereits bei Tagesdosen unterhalb von barer alternativer Ursachen wurde die Kausalität zwi- 150 mg auf. Der extrapyramidale Effekt von Cinnarizin schen dem Auftreten der UAW und Cinnageron® (Cin- wird unter anderem auf dessen strukturelle Ähnlich- narizin), Arlevert® (Cinnarizin/Dimenhydrinat) sowie keit mit einigen antidopaminerg wirkenden Neurolep- Palexia® (Tapentadol) gemäss den Kriterien der «World tika zurückgeführt. In den meisten Fällen gingen die Health Organization» (WHO) und des «Council for In- Symptome nach Absetzen der Substanz innerhalb ternational Organizations of Medical Sciences» (CIOMS) weniger Tage zurück [7]. insgesamt als wahrscheinlich beurteilt. Der Opioidrezeptor-Agonist sowie Noradrenalin-Wie- deraufnahme-Hemmer Tapentadol (in Palexia®) kann Disclosure statement Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen ebenso gelegentlich zu unwillkürlichen Muskelkon- im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. traktionen und Ataxie führen. Antihistaminika wie Dimenhydrinat, enthalten im Kombinationspräparat Literatur Arlevert®, können auch Dyskinesien verursachen. Ein 1 Arzneimittelinformation Swissmedic Cinnageron® und Arlevert® (www.swissmedicinfo.ch) (Zugriff 1. April 2017). additiver Effekt der unterschiedlichen Substanzen mit 2 Micromedex® 2,0, (electronic version). Truven Health Analytics, resultierender dopaminerger Dysbalance ist ebenfalls Greenwood Village, Colorado, USA. Available at: http://www.micromedexsolutions.com (Zugriff 1. April 2017). vorstellbar. Aufgrund der Pathophysiologie mit Dopa- 3 Cardoso F, Seppi K, Mair KJ, Wenning GK, Poewe W. Seminar on minblockierung oder -depletion (Tab. 2) ist bei Bewe- choreas. Lancet Neurol. 2006;5:589–602. 4 Micheli FE, Pardal MM, Giannaula R, Gatto M, Parera I, Paradiso G, gungsstörungen als unerwünschte Arzneimittelwir- Korrespondenz: et al. Movement disorders and depression due to flunarizine and PD Dr. med. Stefan Weiler, kung (UAW) unter bestimmten Substanzen am ehesten cinnarizine. Mov Disord. 1989;4:139–46. PhD, MHBA von einer dosis- respektive konzentrationsabhängigen 5 Martí-Massó JF, Poza JJ. Cinnarizine-induced parkinsonism: Klinik für Klinische Pharma- ten years later. Mov Disord. 1998;13:453–6. kologie und Toxikologie Wirkung auszugehen. Bei interindividuellen Grenz- 6 Capellà D, Laporte JR, Castel JM, Tristán C, Cos A, Morales-Olivas FJ. UniversitätsSpital Zürich schwellen abhängig von nichtmedikamentösen Risiko- Parkinsonism, tremor, and depression induced by cinnarizine and Rämistrasse 100 flunarizine. BMJ. 1988;297:722–23. CH-8091 Zürich faktoren und Reserven ist aber das Auftreten auch in- 7 Daniel JR, Mauro VF. Extrapyramidal symptoms associated with stefan.weiler[at]usz.ch nerhalb des therapeutischen Bereichs plausibel. calcium-channel blockers. Ann Pharmacother. 1995;29:73–5. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(7):145–146 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
ÜBERSICHTSARTIKEL 147 Ein Statementpaper der Expertengruppe Knie von Swiss Orthopaedics Behandlung degenerativer Meniskusläsionen Dr. med. Raphael Kaelin a ; Dr. med. Bernhard Christen b , MHA; Prof. Dr. med. Stefan Eggli c ; Dr. med. Hermes Miozzari d ; Prof. Dr. med. Markus P. Arnold, PhD a a LEONARDO – Ärzte für Orthopädie und Traumatologie, Hirslanden Klinik Birshof, Münchenstein; b Christenortho, Orthopädische Klinik Bern, Bern; c Orthopädie Sonnenhof, Bern; d Service de chirurgie orthopédique et traumatologie de l’appareil moteur, Hôpitaux Universitaires de Genève, Genève Knieschmerzen aufgrund einer Meniskusläsion zählen zu den häufigsten Konsul tationsgründen in der orthopädischen Praxis. Während bei traumatischen Meniskus a r tic le Peer läsionen beim jüngeren Patienten ein operatives Vorgehen meist unbestritten ist, re v ie we so stellt sich bei degenerativen Meniskusläsionen in mittlerem und höherem Lebens d alter die Frage: Ab wann gilt, dass die konservative Therapie versagt hat und ein operatives Vorgehen indiziert ist? Im Folgenden soll diese Fragestellung differenziert betrachtet werden. Einleitung dabei auf aktuelle Richtlinien, Reviews und Meta analysen. Gemäss medizinischer Statistik der Krankenhäuser ist die arthroskopische Teilmeniskektomie (TME) mit 16 871 Eingriffen im Jahr 2015 der am häufigsten durch Anatomie und Funktion des Meniskus geführte stationäre orthopädische Eingriff in der Schweiz, wobei rund zwei Drittel der TME unter statio Der Meniskus spielt eine Schlüsselrolle für die Integri nären Bedingungen erfolgen [1]. Etwa ein Drittel der tät und den Erhalt des Kniegelenkes [4, 5]. Er gleicht die Meniskusläsionen sind unfallbedingt beziehungsweise Inkongruenz zwischen der runden Femurkondyle und wird über die Unfallversicherung vergütet [1]. Bei den dem relativ flachen Tibiaplateau aus und ermöglicht im Rahmen degenerativer Meniskusläsionen durch somit eine bessere Krafteinleitung, -aufnahme und geführten Arthroskopien zeigen rund drei Viertel der -verteilung [6, 7]. Er dient zudem der Stabilisierung des Patienten Knorpelschäden im entsprechenden Gelenk Gelenks, der Propriozeption sowie der Lubrikation und abschnitt und knapp die Hälfte der Patienten weisen Ernährung des Gelenkknorpels [8]. radiologische Zeichen einer Gonarthrose auf [2, 3]. Die Menisken liegen dem Tibiakopf in Form von C- Die Kniearthroskopie bei degenerativen Meniskuslä förmigen, im Querschnitt dreieckigen Halbringen auf sionen hat in letzter Zeit eine schlechte Presse. Es sind (Abb. 1). Der mediale und laterale Meniskus sind mit der undifferenzierte und verallgemeinernde Schlussfolge Gelenkkapsel, die vorderen und hinteren Meniskus rungen wie «unnötige Eingriffe» (Basler Zeitung vom wurzeln mit dem Tibiaplateau verbunden [7]. Der me 08.07.2017) oder «Aufhören mit Knieoperationen!» (Wis- diale Meniskus zeigt zusätzlich eine Verbindung zum senschaftsmagazin SRF 2 vom 03.06.2017) zu lesen und Innenband. Er hat einen grösseren Radius, ist weniger zu hören. Anstatt den Patienten seriös aufzuklären, mobil und deckt relativ weniger Knorpelfläche des be führt diese Polemik zu einer zunehmenden Verunsiche wegten Gelenkes ab als der Aussenmeniskus, was die rung, was die Wahl der angemessenen Therapie betrifft – unterschiedliche knöcherne Geometrie und die Kine sei diese nun operativ oder konservativ. matik der beiden Kompartimente widerspiegelt [7, 9]. Im Mit unserer Publikation wollen wir dazu beitragen, lateralen Kompartiment werden ca. 70%, im medialen dass die Indikation für oder gegen eine TME bei dege ca. 50% der Last über die Menisken übertragen. Auf nerativen Meniskusläsionen auch im Klima der aktu grund des sich in unterschiedlichen Flexionsgraden ellen gesundheitspolitischen Diskussionen weiterhin ändernden Radius der Femurkondyle wird der Meniskus Raphael Kaelin differenziert gestellt werden kann. Wir stützen uns insbesondere in Flexion zunehmend belastet [9]. Die SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(7):147–153 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Übersichtsartikel 148 Kollagenfaserbündel sind überwiegend in Längsrich rung des Meniskus kann die sogenannte Ringspannung tung, also zirkumferent und parallel angeordnet. Durch aufrechterhalten werden. Diese ermöglicht es, die den die Faseranordnung sowie durch die tibiale Veranke Meniskus nach aussen verdrängenden Druckkräfte in Zugkräfte umzuwandeln. Bei Verlust von Meniskusgewebe kommt es zu einer deutlichen Veränderung der Kniekinematik und Last verteilung im Gelenk [4]. Dies ist vor allem auf den Ver lust der oben beschriebenen Ringspannung sowie die verminderte Abdeckung des Tibiaplateaus durch das Meniskusgewebe zurückzuführen. Die Resektion von Meniskusgewebe führt zu eine deutlichen Mehrbelas tung auf den Gelenkknorpel und ist deshalb ein Risiko faktor für die Arthroseentstehung [10–12]. Je weiter der Riss respektive die Resektion an die Meniskusbasis reicht, desto grösser ist der Funktionsverlust. Der ver bliebene Meniskus wird aus dem Gelenk gedrückt und wird weitgehend wirkungslos, es kommt zu einer funktionellen Meniskektomie [13]. Dies erklärt auch, wieso gewisse Rissformen biomechanisch ungünstiger sind als andere (Abb. 2). Das relative Risiko, nach einer Meniskektomie an einer Gonarthrose zu erkranken, ist 21 Jahre postoperativ im Abbildung 1: Aufsicht auf ein Tibiaplateau mit dem medialen und lateralen Meniskus Vergleich zu gepaarten Kontrollen rund 14-fach erhöht (aus [16]: Kopf S, Stärke C, Gwinner C, Becker R. Meniscus insertion. Arthroskopie. [14]. Nach durchgeführter TME entwickeln nahezu drei 2014;28(1):13–7. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Springer Medizin Verlages). Viertel aller Patienten innerhalb der folgenden 20– 30 Jahre radiologische Zeichen einer Gonarthrose [15]. Die Risikofaktoren für die Arthroseentstehung nach Meniskektomie sind in Tabelle 1 aufgelistet. Beim jünge ren Patienten kann der Meniskusverlust zur Arthrose entstehung beitragen. Beim älteren Patienten kann die Meniskusverletzung als natürlicher Teil der Arthrose entwicklung gesehen werden [6]. Ätiologie und Klassifikation der Meniskusläsionen Es existieren mehrere Klassifikationen, am gebräuch lichsten sind die Einteilungen nach dem Risstyp und nach der Lokalisation. Die verschiedenen Risstypen sind in Abbildung 3 dargestellt. Tabelle 1: Risikofaktoren für die Entwicklung einer Gonarthrose nach Meniskektomie (nach [12] und [49]). Laterale Teilmeniskektomie > mediale Teilmeniskektomie Resektion grösserer Anteile von Meniskusgewebe Bis zur Basis reichende Radiärrisse (= funktionelle Meniskektomie) Vorbestehende Knorpelschäden Abbildung 2: V erschiedene Rissformen mit entsprechender Meniskusresektion (gestri- Ligamentäre Instabilität chelte Linie). Biomechanisch relevant ist, wie weit die Resektion nach peripher reicht. Achsabweichungen (varus medial, valgus lateral) In diesem Sinne sind die Fälle A und C relativ unproblematisch, während eine weitge- Adipositas (bzw. höherer Body-Mass-Index) hende Durchtrennung des Querschnittes wie in B und D zu einem starken Funktions Alter >40 Jahre verlust führt. Aus [5]: Stärke C, Kopf S, Becker R. Partial meniscectomy. Arthroskopie. Niedriges präoperatives Aktivitätslevel 2015;8–12. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Springer Medizin Verlages. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(7):147–153 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Übersichtsartikel 149 Degenerative Meniskusläsionen treten nichttrauma tisch auf und entwickeln sich oft über Jahre bei Per sonen im mittleren oder höheren Lebensalter [6, 17]. Typischerweise handelt es sich um Horizontalrisse, die wahrscheinlich sukzessive aus intrameniskalen Verän derungen entstehen, wobei die Pathogenese noch nicht vollständig verstanden wird [6, 18]. Durch die Ma zeration/Degeneration des Meniskusgewebes kommt es in der Folge auch häufig zur Ausbildung von Kom plex- und Lappenrissen. Diese machen bei radiologisch manifester Arthrose ca. 40% der Meniskusläsionen aus [2]. Die Prävalenz von Meniskusveränderungen in der Gesamtbevölkerung ist hoch und wird in Tabelle 2 dar gestellt. Rund zwei Drittel der Personen im mittleren bis höheren Lebensalter mit magnetresonanztomo graphisch nachgewiesener Meniskusläsion sind asym ptomatisch [17]. Bei fortgeschrittener Gonarthrose sind Meniskusläsionen sehr häufig zu finden und sind ein Bestandteil der Erkrankung [6]. Die Prävalenz in diesem Kollektiv beträgt 70–95% [17, 18]! Anamnese und klinische Untersuchung Bei akuten Meniskusverletzungen handelt es sich meis tens um ein Rotationstrauma bei flektiertem und be lastetem Kniegelenk. Klinisch eindeutige und für den Patienten sehr störende Symptome sind neben den Schmerzen mechanische Phänomene wie Schnappen, Blockaden, eine plötzlich eingeschränkte Beweglichkeit wie ein Extensionsdefizit. Rein belastungsabhängige Schmerzen und Rotationsschmerzen sind typisch für Abbildung 3: Typische Rissformen des Meniskus (aus [50]: Müller-Rath R, Ingenhoven E. Meniskusläsionen, während ein Anlaufschmerz sowie Partial meniscus resection. Arthroskopie. 2010;24(1):15–21. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Springer Medizin Verlages). Nacht- und Ruheschmerzen eher auf Arthrosebeschwer den hindeuten. Eine Ergussbildung kann sowohl bei Meniskusläsionen wie bei Kniegelenken mit arthrose Insbesondere bei arthrotischen Veränderungen kommt bedingten Schäden vorliegen. es aufgrund des degenerativ veränderten Meniskus Die klinische Untersuchung beginnt mit der Inspektion gewebes oft zu Mischformen zwischen den einzelnen und Beurteilung des Gangbildes: Zeigt sich ein Entlas Risstypen. Hinsichtlich Lokalisation unterscheidet man tungshinken oder ein bereits sichtbares Extensions neben der Seite (medial vs. lateral), ob das Meniskus defizit? Besteht eine gerade Beinachse oder ein O- oder vorderhorn, der Meniskuskorpus oder das Meniskus X-Bein (Varus/Valgus)? Ist eine dynamische Verstär hinterhorn betroffen sind. Als Sonderform, welche auch kung der Fehlstellung beim Gehen (Varus- oder Valgus- degenerativ bedingt auftreten kann, ist die Wurzelläsion Thrust) sichtbar? Zeigt sich eine Schwellung? zu nennen, da diese in der Bildgebung gelegentlich In der Palpation zeigt sich bei Meniskusläsionen typi übersehen wird und mit einer rasch zunehmenden scherweise eine Druckdolenz über dem entsprechenden Arthrosebildung assoziiert ist [16]. Grundsätzlich wird zwischen den traumatischen, auf ein akutes Unfallereignis zurückzuführenden und den Tabelle 2: Prävalenz von Meniskusläsionen in der Gesamt bevölkerung (nach [17]). degenerativen, ohne klares auslösendes Ereignis auf tretenden Meniskusläsionen unterschieden. Dies ist Alter Prävalenz im klinischen Alltag nicht immer einfach und führt in 50–59-Jährige rund 25% der Schweiz deswegen immer wieder zu Diskussionen 60–69-Jährige rund 35% 70–79-Jährige rund 45% mit den Unfallversicherern. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(7):147–153 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Übersichtsartikel 150 Gelenkspalt. Ebenfalls sollte evaluiert werden, ob ein Ist ein operatives Vorgehen aufgrund der klinischen Erguss vorliegt. Untersuchung vorgesehen, empfehlen wir eine MRT Die Diagnose einer Meniskusläsion kann meist klinisch durchzuführen, um solche strukturellen Pathologien gestellt werden. Es existiert eine Vielzahl klinischer zu erfassen oder auszuschliessen. Die MRT-Diagnostik Tests, die sämtlich auf dem Prinzip basieren, das Me weist, was die Meniskusläsionen betrifft, eine hohe dia niskusgewebe durch bestimmte Kniegelenkpositionen gnostische Treffsicherheit von rund 90% aus [23]. unter Stress zu bringen und den entsprechenden Schmerz auszulösen [19]. Klassischerweise handelt es Therapie degenerativer Meniskusläsionen sich um einen Rotationsschmerz in unterschiedlichen Beugegraden, wobei gelegentlich ein Schnappen pro Die Prävalenz von Meniskusläsionen bei Patienten voziert werden kann. Typisch ist auch ein Schmerz bei mittleren und höheren Alters ist hoch und steigt bei endgradiger Streckung des Kniegelenkes. Durch die konventionell radiologisch manifester Arthrose weiter Kombination von verschiedenen klinischen Tests und an (Tab. 2) [17, 24]. Es besteht eine klare Verbindung zwi der Anamnese kann die korrekte Diagnose einer Me schen der Meniskusläsion/-degeneration und der Gon niskusläsion in rund 90% der Fälle klinisch gestellt arthrose. Eine genaue Trennung dieser beiden Entitäten werden [20]. ist häufig nicht möglich [6]. Aufgrund dessen liegt die In der Untersuchung sollten folgende Begleitpatholo Herausforderung für den Kliniker darin zu unterschei gien und -verletzungen berücksichtigt werden [21]: den, ob die vom Patienten geschilderten Beschwerden – muskuläre Veränderungen und Pathologien angren und die Untersuchungsbefunde auf die beginnende zender Gelenke (insbesondere des Hüftgelenkes und Arthrose oder die Meniskusläsion zurückzuführen des Fusses); sind [25]. Einschiessende und rein belastungsabhängige – Instabilitäten des Bandapparates (Seiten- und Kreuz Schmerzen, Blockaden, ein akut aufgetretenes Exten bänder); sionsdefizit mit positiven Meniskuszeichen sprechen – Pathologien des Patellofemoralgelenkes; bei korrelierendem MRT-Befund meist für eine gute – weitere intraartikuläre Pathologien (Knorpel, Plica, tionsindikation. Gerade aufgrund der hohen Opera Synovitis); Prävalenz degenerativer Meniskusläsionen muss sich – periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität. die Operationsindikation primär auf die Anamnese und Klinik und nur sekundär auf die in der MRT dia gnostizierte Meniskusläsion stützen. Bildgebung Die TME war für Jahrzehnte die Therapie der Wahl bei Eine gut durchgeführte ap-Aufnahme unter Belastung degenerativen Meniskusläsionen und deren Erfolg (Einbeinstand) sowie eine seitliche Aufnahme und konnte in verschiedenen Kohortenstudien gezeigt wer axiale Patellaaufnahme sollten bei jedem Patienten den [12, 26–28]. Mit der Publikation der sogenannten durchgeführt werden. Die Gelenkspaltverschmälerung «Moseley-Studie», einer der ersten und deshalb vielbe kann nur auf Röntgenbildern beurteilt werden, die achteten randomisiert-kontrollierten Studien («rando unter Belastung aufgenommen wurden. In der ortho mized clinical trial» [RCT]) zu diesem Thema im Jahr pädischen Praxis wird häufig zusätzlich eine Rosen 2002 wurde der Nutzen der Kniearthroskopie im Rah berg-Aufnahme (ap-Aufnahme in 45° Beugung unter men der Gonarthrose infrage gestellt [29]. Die arthro Belastung) durchgeführt, da so die ansonsten verbor skopische Gelenklavage bei fortgeschrittener Gonar gen bleibende Gelenkspaltverschmälerung dargestellt throse sollte aufgrund des fehlenden Nutzens nicht werden kann [22]. Bei Achsabweichungen wird zusätz mehr durchgeführt werden [18, 30–32]. So wird die Ar lich eine Ganzbeinaufnahme (Orthoradiogramm) throskopie bei vorliegender Gonarthrose beispiels durchgeführt. weise in Deutschland seit dem 01.04.2016 durch die Die Magnetresonanztomographie (MRT) sollte beim Krankenversicherer nicht mehr vergütet. Patienten im mittleren und höheren Lebensalter nicht Seit 2002 erschienen weitere RCT, welche die Behand als primäres Abklärungsmittel verwendet werden. Zeigt lung degenerativer Meniskusläsionen untersuchten sich im konventionellen Röntgenbild bereits eine fort und keinen Nutzen der TME bei degenerativen Menis geschrittene Arthrose bleibt die MRT nur speziellen kusläsionen gegenüber der nichtoperativen Therapie Fragestellungen vorbehalten (Knochenmarködem, Osteo oder einer Scheinoperation («sham surgery») nachwei nekrose, freie Gelenkkörper, instabile Meniskusan sen konnten [33–38]. Einzig die RCT von Gauffin et al. teile, Zustand des Gelenkknorpels im nicht betroffenen konnte im kurzfristigen Verlauf eine klinische Verbes Gelenkabschnitt) und ist beim Patienten im mittleren serung zeigen, wobei sich diese Unterschiede nach drei und höheren Lebensalter primär nicht indiziert [18]. Jahren nicht mehr nachweisen liessen [39, 40]. Diese SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(7):147–153 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. 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Übersichtsartikel 151 Arbeiten erhielten viel Aufmerksamkeit und es wurden [35] und Herrlin et al. [33] die Patienten in der Arthro grundsätzliche Zweifel an der Effektivität der TME bei skopiegruppe signifikant häufiger erfolgreich behan degenerativen Meniskusläsionen geäussert. In der Tat delt werden konnten, obwohl in der ursprünglichen In zeigt sich eine gewisse Diskrepanz zwischen dem klini tention-to-treat-Analyse keine Gruppenunterschiede schen Alltag und den Ergebnissen dieser Studien. In nachgewiesen wurden [42]. der Schweiz und anderen europäischen Ländern ist die Liebs und Berger [44] bestätigen in ihrer Analyse die Zahl durchgeführter Kniearthroskopien in den letzten wesentlichen und teils schweren methodischen Schwä Jahren nicht rückläufig [1, 41]. chen der Studien von Mosley at al. [29], Kirkley et al. Trotz des randomisierten und prospektiven Studiende [38] und Katz et al. [35] und sprechen dem Entscheid des signs dieser Arbeiten ist das Risiko von Bias in diesem Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), ab dem komplexen Patientengut nicht unerheblich und alle 01.04.2016 die Arthroskopie bei Gonarthrose nicht diese Studien weisen teilweise erhebliche Schwächen auf mehr zu vergüten, die notwendige wissenschaftliche [30, 42, 43]. Kritisch bei allen Studien war die Einschluss Grundlage ab. Sie weisen darauf hin, dass mit Wegfall rate, die bei Sihvonen et al. nur 15% betrug («selection der Arthroskopie als Therapieoption die Gefahr besteht, bias») [36]. Ein weiteres Problem sind die sogenannten dass die Indikation für eine Gelenkprothese frühzeitiger «Crossovers», jene Patienten, die während der Follow-up- gestellt werden könnte. Tatsächlich nahm die Zahl der Periode die Behandlungsgruppe wechseln («transfer Knieprothesenimplantationen in Deutschland nach bias») [18, 30, 42]. In den durchgeführten Intention-to- rückläufiger Entwicklung in den letzten Jahren seit treat-Analysen sind diese Crossovers ein relevanter Con 2016 wieder zu. founder und können Unterschiede in den Outcomes der Die Rissform wurde in den meisten Studien nicht ge untersuchten Gruppen verschleiern [42]. Beispielsweise nau erfasst. Reine Horizontalrisse führen in der Regel wechselten in der Arbeit von Herrlin et al. 27,7% der kon nicht zu mechanischen Phänomenen und sprechen servativ therapierten Patienten bei fehlender Beschwer dementsprechend nur schlecht auf eine TME an [37]. Es debesserung in die Kniearthroskopiegruppe, wobei sich gibt jedoch klare Hinweise darauf, dass instabile Me anschliessend eine klinische Verbesserung zeigte [34]. niskusläsionen wie zum Beispiel Lappenrisse gut auf Die Charakteristika solcher Patientengruppen gilt es in eine TME ansprechen (Abb. 4) [30, 33]. Zukunft genauer zu analysieren. Es gibt nur wenige Studien, welche die sozioökonomi In den durchgeführten RCT spielen das «performance schen Aspekte der TME bei degenerativen Meniskus bias» und das «detecion bias» ebenfalls eine Rolle [42]. läsionen bei Gonarthrose untersucht haben. Eine reine Eine sekundäre Analyse des Behandlungserfolges dieser Analyse der Behandlungskosten spricht sicher für die RCT konnte zeigen, dass in den Studien von Katz et al. konservative Therapie. Jedoch sind die Kosten für die Abbildung 4: S ymptomatische, degenerative mediale Meniskusläsion bei einer 68-jährigen Patientin. A) Arthroskopie: L appenriss des medialen Meniskus, gut sichtbare Knorpelschäden tibial und femoral. B) Konventionell-radio- logisch mediale Gelenkspaltverschmälerung, vermehrte subchondrale Sklerosierung und beginnende Osteophytenbildung. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(7):147–153 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Übersichtsartikel 152 ambulante Physiotherapie nicht unerheblich. Gesamt Aufgrund der kontroversen Datenlage, die eine abschlies haft sind diese in der Schweiz im Zeitraum 2010–2015 sende Empfehlung zur Behandlung degenerativer um über 40% von 891 auf 1275 Millionen Schweizer Fran Meniskusläsionen nicht erlaubt, hat sich die «European ken angestiegen [45]. Eine amerikanische Arbeitsgruppe Society of Sports Traumatology, Knee Surgery & Ar konnte keinen wesentlichen Unterschied in der Kosten throscopy» (ESSKA) entschieden, das europäische Me wirksamkeit zwischen operativem oder konservativem niskus-Konsensusprojekt ins Leben zu rufen. Der erste Vorgehen zeigen und widerspricht dem Dogma, dass ein Teil beschäftigt sich mit den degenerativen Meniskus operatives Vorgehen zu Mehrkosten gegenüber dem läsionen und wurde 2017 publiziert [18]. Der komplette konservativen Vorgehen führt, wenn Faktoren wie Ver Bericht ist online zu finden (https://c.ymcdn.com/ sicherungs- und Taggeldleistungen in die finanziellen sites/www.esska.org/resource/resmgr/Docs/meniscus- Berechungen einbezogen werden [46]. Degenerative consensus-project-p.pdf). Er soll keine strikte Leitlinie Meniskusläsionen betreffen oft Patienten im Berufsle darstellen, jedoch einen groben Rahmen für die Be ben und ein konservatives Vorgehen kann vor allem bei handlung degenerativer Meniskusläsionen geben. Eine körperlichen Tätigkeiten zu einer längeren Arbeitsun Übersicht über den Behandlungsalgorithmus gibt Ab fähigkeit führen. Arbeitsmedizinische Gesichtspunkte bildung 5. sowie auch Ansprüche des Patienten müssen bei der In Nach Ansicht der Autoren und aufgrund der aktuellen dikationsstellung ebenfalls berücksichtig werden. Datenlage stellt sich in folgenden Situationen primär Blockadefreies, schmerzhaftes Knie ≥1 Monat, Alter > 35 Jahre, Anamnese und Befund entsprechend einer degenerativen Meniskusläsion Röntgen Stehend ap + seitlich + ggf. Rosenberg-Aufnahme MRT bei bestimmten Indikationen Ausschluss zusätzlicher Erkrankungen ohne Meniskusbeteiligung .RQVHUYDWLYH%HKDQGOXQJ±LQWUDDUWLNXOlUH,QILOWUDWLRQ )UPLQGHVWHQV0RQDWH QDFK(LQVHW]HQGHU6\PSWRPDWLN $XVQDKPHHUKHEOLFKHPHFKDQLVFKH6\PSWRPH Kein Therapieerfolg Therapieerfolg MRT, falls noch nicht vorhanden Kein Nachweis einer Nachweis einer fortgeschrittenen Gonarthrose fortgeschrittenen Gonarthrose im Röntgen / MRT im Röntgen / MRT Arthroskopische Therapie der frühen Gonarthrose, ohne Meniskusteilresektion arthroskopisches Débridement (Ausnahme: erhebliche mechanische Symptome) Abbildung 5: Behandlungsalgorithmus degenerativer Meniskusläsionen (modizifiert aus [18]). ap = anterior-posterior; MRT = Magnetresonanztomographie. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(7):147–153 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
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