Momentum - Schwerpunktthema Ressourcen - N 1/2019 - Anton Proksch Institut
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N° 1/2019 Momentum Das österreichische Journal für positive Suchttherapie Herausgegeben vom Anton Proksch Institut Schwerpunktthema Ressourcen 1
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser! U m das Leben von chronisch suchtkranken Menschen nachhaltig zu verändern, müssen verschiedenste Faktoren zusammenwirken – Wissen, Zuwendung, der passende Rah- men, um nur einige zu nennen. Und dann braucht es etwas, das auch wir als Expertinnen und Experten nur bedingt steuern können: Es braucht ein Momentum. Diesen Punkt in einer Lebensgeschichte, an dem Veränderung zum Positiven möglich ist. Als Österreichs größte Einrichtung für Suchtkranke ist es uns in den mehr als sechs Jahr- zehnten seit der Gründung gelungen, viele Lebensgeschichten zum Positiven zu verändern. Ein wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte des Anton Proksch Instituts ist die kontinuierliche Weiter- entwicklung der medizinisch-therapeutisch-psychosozialen Behandlung im stationären und ambulanten Bereich unter Berücksichtigung neuer Suchtformen. Aber auch die Entwicklung neuer Angebote, welche die individuellen Lebenslagen der Betroffenen berücksichtigen, steht im Fokus der täglichen Arbeit. In den letzten Jahrzehnten fand diese kontinuierliche Weiterentwicklung im so genann- ten Orpheus-Programm ihren Niederschlag. So wie es in der griechischen Mythologie dem Sänger und Dichter Orpheus gelang, dem Ruf der Sirenen zu widerstehen, soll es auch unseren Patientinnen und Patienten gelingen, für sich selbst ein selbstbestimmtes und damit schöneres Leben zu finden, in dem Suchtmittel (oder ein süchtig machendes Verhalten) ihre Verlockungen verlieren. Damit sind wir auch schon mittendrin in der Publikation, die Sie erstmals in Händen halten. Wir sind stolz darauf, Ihnen Momentum 4 „Wir leben, weil es so schön ist“ Interview mit vorstellen zu können, das Österreichische Journal für positive Sucht- therapie. Mit diesem Heft möchten wir Ihnen in Zukunft mehrmals pro Michael Musalek Jahr Einblick geben in aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen. Wir möchten Menschen zu Wort kommen lassen, die das Thema Sucht 10 Ressourcen nutzen, Leben verändern Ute Andorfer aus unterschiedlichsten Perspektiven kennen. Wir betrachten aktuelle theoretische Strömungen in der Therapie und ihre Implementierung in der Praxis. Und im besten Fall schaffen wir damit ein Momentum, einen Aha-Effekt, eine neue Erkenntnis oder einen Denkanstoß für Sie. 14 Wie Glücksspiel, Internet oder Kaufen süchtig machen Die erste Ausgabe von Momentum erscheint anlässlich des Kongresses des Anton Proksch Instituts Ende Jänner 2019 und ist – wie Roland Mader auch der Kongress – dem Thema Ressourcen gewidmet. Auch in den künftigen Ausgaben des Heftes werden wir uns ganz auf die Aspekte 18 Der individuelle Weg in ein „gutes Leben“ Oliver Scheibenbogen der positiven, humanbasierten Behandlung konzentrieren. Ganz im Sinne unseres Leitbildes, das sich an den individuellen Fähigkeiten und Stärken der Menschen orientiert und ein selbstbestimmtes und freud- volles Leben für alle in den Mittelpunkt rücken soll. Wir freuen uns, dass Sie unser Journal in Händen halten. Bitte bestellen Sie es, damit Sie es in Zukunft regelmäßig lesen können – und sagen Sie es gern auch weiter, wenn es Ihnen gefällt. Abo-Bestellungen sind unter abo@api.or.at jederzeit kostenlos möglich. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre! DSA Gabriele Gottwald-Nathaniel, MAS Mag. Christian Breitfuß Geschäftsführerin Geschäftsführer 3
„Wir leben, weil es so schön ist“ Ein ausführliches Gespräch an einem strahlenden Für mich ist Philosophie nichts Ab- gehobenes, für den Normalverbrau- Wintermorgen im Café Sperl. Michael Musalek, Ärztlicher cher Unerreichbares, sondern es Leiter des Anton Proksch Instituts, unternimmt eine geht darum zu reflektieren, was wir gedankliche Reise durch die Philosophiegeschichte und Tag für Tag machen. Ich sehe mich ja nicht als Philosophen, sondern gibt Einblicke in ein Konzept, das ihn umtreibt: die positive, als jemanden, der gerne hinterfragt, ressourcenorientierte Therapie. was er tut. Die Philosophen haben INTERVIEW: ANDREA HEIGL zum schönen und zum guten Leben extrem viel beigetragen, von ihnen kann man viel lernen. Für mich ist Herr Professor Musalek, das Café Sperl in Wien-Maria- die Beschäftigung damit eigentlich alternativlos. hilf ist sozusagen Ihr zweites Wohnzimmer. Wenn Sie sich eine historische Figur aussuchen könnten: Mit wem Welche Denkerinnen und Denker haben Sie außer würden Sie denn hier gern mal eine Melange trinken? Nietzsche noch beeinflusst? Mit Friedrich Nietzsche. Ganz eindeutig. Nietzsche ist Derzeit beschäftige ich mich sehr mit Martha Nussbaum, mein großer Denk-Heroe, hat viel in meinem Leben einer zeitgenössischen amerikanischen Philosophin, die verändert und hat letztlich auch sehr viel zu unserem sich vor allem mit Emotionen auseinandersetzt. Sie sagt Therapieprogramm beigetragen. Obwohl er natürlich völlig zu Recht, dass Emotionen nicht der Gegenpol zu nichts davon wissen kann (lacht). den Kognitionen sind, sondern dass wir Emotionen sehr wohl auch kognitiv reflektieren können. Das ist insofern Was würden Sie ihn denn fragen wollen? wichtig, weil die landläufige Meinung immer noch ist, Ich hätte die Frage, wie er das Konzept der „Amor fati“ dass Emotionen der tierische Anteil in uns sind, den (Anm.: Liebe zum Schicksal) wirklich entwickelt hat. Das wir in den Griff kriegen müssen, den wir unterdrücken ist das Konzept, das wir im Anton Proksch Institut um- müssen. Ich denke, wir haben uns viel zu lang nur mit setzen. Dabei geht es darum, das Faktische – also das, den Kognitionen beschäftigt. Seit der Aufklärung geht was wir erleben – als solches zu akzeptieren. Und noch es mehr oder weniger die ganze Zeit darum: Wir sind viel mehr: Es lieben zu lernen und das Beste daraus zu denkende Wesen, deshalb sind wir etwas Besonderes, machen. Mich würde sehr interessieren, wie Nietzsche etwas Besseres. Ich bin hingegen der festen Überzeu- dazu gekommen ist. Ich vermute, aus der ganz persön- gung, dass Emotionen die Welt bewegen. lichen Erfahrung heraus. Nietzsche hatte ja sehr schwere Kopfschmerzen, hat dauernd gelitten und trotzdem ganz Für viele Ihrer Patientinnen und Patienten ist die Be- lebensbejahend gelebt. Das ist wirklich faszinierend. schäftigung mit Philosophie Neuland. Wie übersetzen Sie die theoretischen Konzepte in die tägliche Arbeit? Und das würden Sie gerne bei einer Melange Karl Popper hat gesagt, dass jeder Mensch ein Philo- besprechen. soph oder eine Philosophin ist. Und das stimmt. Jeder Genau. Wir würden aber zwei oder drei brauchen. und jede von uns stellt sich schon als Kind die Frage: Warum bin ich da? Was soll aus mir werden? Wie soll In Ihrer Arbeit gibt es die zwei großen wissenschaft- ich mein Leben gestalten? Das sind zutiefst philo- lichen Lieben: Philosophie und Psychiatrie. Wie sind sophische Fragen. Wir sehen, dass viele Patientinnen diese Disziplinen miteinander verbunden? und Patienten fasziniert davon sind, über die Welt 4
nachzudenken. In unseren philosophischen Gruppen werden oft hochkomplexe Fragen beantwortet. Philo- sophie ist nicht etwas Abgehobenes aus irgendwelchen akademischen Schlössern, sie ist tagtäglich da. Der diesjährige Kongress des Anton Proksch Instituts widmet sich der ressourcenorientierten Behandlung. Wie sind die Ressourcen in den Mittelpunkt Ihres Arbeitens gerückt? Ich bin aufgewachsen in einer Medizin, die ganz auf Defekte ausgerichtet ist. Mit der Zeit kommt man ganz unweigerlich drauf, dass der Mensch, der einem in der Philosophie ist nicht etwas Abgehobenes aus akademischen Schlössern, sie ist tagtäglich da. Therapie gegenübersitzt, auch viele gesunde Anteile hat. Alle Menschen bestehen aus Stärken und aus Schwächen. Eine Diagnostik, die den ganzen Menschen umfasst, muss sich daher auch mit diesen Facetten beschäftigen. Das ist das Wesen der humanbasierten Medizin. Gleichzeitig ist unsere Arbeit vom Zeitgeist geprägt. Der amerikanische Psychologe Martin Selig- mann hat um die Jahrtausendwende das Zeitalter der positiven Psychologie ausgerufen. Sie orientiert sich am gesunden Menschen. Eine Suchterkrankung oder eine Ja. Aber sie sind oft verschüttet. Denken Sie zum Bei- Psychose ist ja in der Regel eine chronische Krankheit, spiel an interaktionelle Ressourcen: Es gibt Menschen, sie verschwindet nie ganz, auch wenn sie manchmal kei- die wirken auf alle angenehm und sympathisch und ne Symptome mehr zeigt. Der Verlauf hängt wesentlich können diese Eigenschaft gut für sich nutzen. Aber sie davon ab, welche Ressourcen die Betroffenen einsetzen sind sich dieser Ressource vielleicht gar nicht bewusst. können. So beginnt man zu schauen, welche Ressour- Sie existiert ja auch nicht per se, sie muss auf etwas Be- cen es gibt, welche mehr oder weniger wirksam sind. stimmtes ausgerichtet sein – zum Beispiel darauf, sich ein besseres Familienleben zu schaffen. Sie sind also der Überzeugung, dass jeder Mensch Ressourcen hat? Ihre Arbeit ist, diese Ressourcen zu identifizieren? Es ist eine ganz wesentliche Funktion des Therapeuten oder der Therapeutin, Ressourcen freizulegen. Zum Beispiel die so genannten estimativen Ressourcen, das, was wir landläufig als Wert- Zur Person: Michael Musalek schätzung bezeichnen. Wenn wir etwas wertschätzen, dann gibt es Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek, Jahr- Wien tätig und ist Vorstand des Instituts uns Kraft und die Möglichkeit, es gang 1955, studierte in seiner Heimatstadt „Sozialästhetik und psychische Gesundheit“ besser durchzuführen. Besonders Wien Medizin und absolvierte anschließend der Sigmund Freud Universität. Der Schwer- deutlich sieht man das dort, wo die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie punkt seiner zahllosen Publikationen und die Wertschätzung fehlt. Wenn und Neurologie. Er ist seit 2001 im Anton Vorträge liegt auf den Themenbereichen ich meine Beziehung nicht wert- Proksch Institut tätig, seit 2004 als dessen Psychopathologie, Ideengeschichte der schätze, dann werde ich aus ihr nie ärztlicher Leiter, und prägte die „Or- Medizin und Psychiatrie sowie auf Philoso- Kraft schöpfen können. Und die pheus-Methode“ maßgeblich mit. phie und Psychiatrie, insbesondere Ästhetik Selbstwertschätzung, sich selbst als Musalek ist zudem als außerordentli- in der Medizin. wertvoll zu erleben, ist wesentlich. cher Universitätsprofessor für Psychiatrie an Musalek ist verheiratet und hat zwei Gerade Suchtpatientinnen und -pa- der Medizinischen Fakultät der Universität erwachsene Kinder. tienten sehen sich überhaupt nicht als wertvoll. Das ist ein besonderes 6
Michael Musalek beim Gespräch in seinem Wiener Stammcafè, dem „Sperl“. Dort würde er gern mit Friedrich Nietzsche eine Melange trinken. Oder zwei oder drei. Fotos: Felicitas Matern Thema unserer Zeit. Es gibt viele Menschen, die sich Welche Ressourcen sind darüber hinaus noch wichtig? selbst überschätzen, die haben aber trotzdem keine Da gibt es die sozialen Ressourcen, den Stand in der Wertschätzung sich selbst gegenüber. Die überhöhen Gesellschaft. Dann die spirituellen Ressourcen. Die um- sich, aber das ist leer und oberflächlich. schiffen wir in der Therapie gern, weil wir in der Regel zu wenig davon zu verstehen. Aber an etwas zu glau- Müssen estimative Ressourcen von innen kommen? ben – ob das nun Gott ist oder die Familie –, das gibt Die Schwierigkeit ist, dass viele Menschen gar nicht unglaublich viel Kraft. Ganz wichtig ist es auch, etwas für ein Lob offen sind, es ist ihnen eher peinlich. Wenn zu wünschen und zu wollen. Der Satz „Ich bin wunschlos man es aber schafft, für Lob offen zu sein, dann hat das glücklich“ – der ist furchtbar! Da hört das Leben auf. eine unglaubliche Wirkung. Jeder weiß: Wenn dir ein anderer ehrlich sagt „Das hast du toll gemacht!“, dann Wie wichtig ist die Hoffnung als Ressource? geht beim nächsten Mal alles viel leichter. Dann läuft‘s Wir machen oft den Fehler, dass wir Hoffen und Erwarten einfach. Bruno Kreisky hatte schon recht, als er sagte: fast wortident verwenden. Dabei sind das substanziell „Sie glauben gar nicht, wie viel Lob ich ertragen kann.“ unterschiedliche Dinge. Nehmen wir an, Sie spielen Lotto: Sie füllen den Schein aus und erwarten, dass Sie Messen wir dem Lob zu wenig Bedeutung bei? gewinnen. Dann ist Sonntag, Sie warten bei der Ziehung Ganz sicher. Auch ich muss mich immer wieder selbst auf den Gewinn – und Sie sagen dann folgerichtig: „Ich daran erinnern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe verloren“, weil Sie den Gewinn erwartet haben. Man zu loben. Selbstwert hängt ja auch mit Optimismus kann nur etwas verlieren, das man bereits gehabt hat. Im zusammen. Der ist wiederum die Bedingung für die Falle der Erwartung ist es der fiktive Gewinn. Ganz anders fiktionalen Ressourcen, die Ressourcen des Möglichen. ist es, wenn Sie auf einen Gewinn hoffen, dann können Ein Optimist oder eine Optimistin hält natürlich mehr sie nichts verlieren und haben im schlimmsten Fall nicht für möglich als ein Pessimist oder eine Pessimistin. gewonnen. Verlieren oder Nicht-Gewinnen fühlen sich Dabei ist es ja heutzutage fast schon peinlich, optimis- völlig anders an. Wir Menschen sind per se schlechte tisch zu sein. Es gehört zum guten Ton, dass man einen Verlierer. Darum sind jene, die immer etwas erwarten, gewissen Kulturpessimismus an den Tag legt. viel schlechter dran. Sie werden ständig im wahrsten Sinn des Wortes ent-täuscht. Oder Optimismus und Naivität werden überhaupt wortident verwendet. Sind wir nicht so gestrickt: Man setzt Schritt A, B, C – Genau. Und mit naiv meint man eigentlich dumm. und etwas hat gefälligst einzutreten? 7
Wir sind definitiv eine Erwartungsgesellschaft. Als müsste man sich etwas nur noch „abholen“, weil man es in der Fiktion schon längst hat. Es ist entscheidend, das zu durchschauen, und zwar kognitiv und emotional. Ihre „Lieblingsressourcen“ sind die ästhetischen Ressourcen … Es sind jedenfalls die wirkkräftigsten. Wenn wir etwas Schönes tun, dann gibt uns das Kraft. Wenn ich im Som- mer in der südlichen Toskana bin, gehe ich stundenlang durch die Wälder und werde nicht müde. Dann komme ich zurück nach Wien, geh‘ ins Fitnessstudio, bin zehn Minuten auf dem Stepper und habe überhaupt keine Kraft mehr. Das Gerät ist gegen mich, ich bin gegen mich – alles furchtbar. Da sieht man so deutlich, was das Schöne ausmacht. Es ist wirklich eine Urkraft. Deshalb haben die beiden 2017 erschienenen Bücher von mir auch den Titel „Der Wille zum Schönen“. Ich bin über- zeugt, dass wir nicht nur leben, um zu überleben. Wir leben auch nicht nur, um mehr zu werden. Wir leben vor allem, weil es so schön ist. Spaß, Freude, Genuss – für Fehlt uns für dieses Schöne im Alltag oft der Blick? Michael Musalek Ja, deshalb sprechen wir eben von verschütteten sind das die Stei- gerungsstufen des Ressourcen. Gerade beim Alkoholkranken finden wir schönen Lebens. häufig solch verschüttete Ressourcen. Jedes Suchtmit- tel, auch Alkohol, wirkt anästhetisch. Alkohol führt schon in mittlerer Menge zu sich genommen dazu, dass man weniger spürt und empfindet – auch sich selbst. Damit werden viele Ressourcen, gerade die im emotionalen Bereich, verschüttet. Den lustigen Säufer oder die lustige Säuferin gibt es nicht, die Lebensgeschichten Wie arbeiten Sie an dieser Wahrnehmung? haben immer eine desaströse Komponente. Den Es braucht Aufmerksamkeit, um die sinnliche Wahr- Menschen kommt das Hoffen abhanden, sie haben kein nehmung zu kultivieren. Wir haben zum Beispiel zwei Selbstwertgefühl, sie können sich gar nicht mehr vor- Laufgruppen: Eine läuft von A nach B, möglichst rasch. stellen, was sie sich wünschen können. Die Ressource Und dann gibt es eine Orpheus-Laufgruppe, die hat des Schönen wirkt nur dann, wenn ich das Schöne auch die Aufgabe, sich selbst in der Bewegung, in der Natur wirklich spüren kann. zu erleben. Die einen bewegen sich wie die „Dampf- walzen“, die anderen sind wie „Vogerl“, sie haben eine Haben wir diese Fähigkeit, das Schöne wahrzunehmen, Leichtigkeit, die man schon von weitem sieht. Jede und verloren? jeder kann das selbst versuchen. Ich habe noch keinen Menschen erlebt, der das Schöne nicht möchte. Aber es gibt viele, die glauben, es gibt Hat der Genuss etwas mit Schönheit zu tun? Und wie für sie nichts Schönes mehr. Es ist auch ein mediales verhält er sich zur Sucht? Wir sprechen von verschiedenen Stadien des Schön- heitserlebens. Die niederste Stufe ist das bloße Schön- heitsurteil, also einfach zu sagen: Das ist schön, ich Ich habe noch keinen erlebe das als angenehm. Dann gibt es die nächste Menschen erlebt, der das Schöne Stufe, das ist die Freude. Erich Fromm hat zu Recht zwischen Spaß und Freude unterschieden. Es ist schwer nicht möchte. geworden, über Freude zu sprechen, weil wir in einer Spaßgesellschaft leben und uns die Freude weitgehend abhandengekommen ist. Problem: Bad News sind Good News. Es werden nur die Scheußlichkeiten unserer Welt gezeigt, nicht die Wie würden Sie Spaß und Freude differenzieren? Schönheiten. Wenn ich sage, dass die Welt schön Spaß ist ein Gipfelerlebnis, das heißt, man hat einen ist, dann denken viele in einem ersten Schritt: Ist der raschen Anstieg, man erreicht einen Peak, und dann blöd? Ist das ein naiver Gutmensch? Oder überhaupt folgt die post-koitale Tristesse. Jedes Suchtmittel ein Dummerl? Wenn man dann aber konkret einzelne verursacht einen Kick, und je höher und rascher der schöne Dinge erwähnt, dann sagen die meisten: Ja, das erreicht ist, desto höher ist das Suchtpotenzial. Dann ist eigentlich wahr. Aber da schaue ich nie hin. ist der Peak vorbei, und weil man in die post-koitale 8
Woraus wir Kraft schöpfen: Zwölf (plus eine) Ressourcen 1. Kognitive Ressourcen 10. Volitionale Ressourcen Intelligenzleistungen, Wille, Wollen, Vorsatz, Wissensstand, analytisches, Motivation logisches und assoziatives Denken, Orientierungs- 11. Estimative Ressourcen fähigkeit, Merkfähigkeit Wertschätzung, Hochach- und Gedächtnisleistungen, tung, Anerkennung, Selbst- Konzentrationsfähigkeit und vertrauen, Selbstliebe Aufmerksamkeitsfunktionen, auch Achtsamkeit 12. Ästhetische Ressourcen Das (apollinisch bzw. diony- 2. Emotionale Ressourcen sisch) Schöne, Attraktivität, Fühlen, Spüren, Emotionen, Faszination, Begeisterung, affektive Reagibilität, emo- Spaß und Freude, Liebe, tionale Agilität und Stabili- Genussfähigkeit, „ästheti- tät, „emotionale Intelligenz“, sche Existenz“; der Wille Vitalität, Lebenskraft zum Schönen als Naturkraft Foto: Felicitas Matern und kulturelles Geschehen, 3. Körperliche Ressourcen Kosmopoesie Größe, Kraft, Beweglichkeit, Bewegungskoordination, Zusätzlich: Rekreative Fitness, Schnelligkeit, Aus- Ressourcen dauer, Belastbarkeit Ressourcen der Ruhe, der Erholung, des Pausierens 4. Interaktionelle und Müßiggangs, der Rück- Ressourcen gewinnung verbrauchter Tristesse schlittert, muss man schauen, möglichst rasch Verbale und paraverbale Kräfte und Wiederherstel- wieder den Peak zu erreichen. Die Freude hingegen Kommunikation, Empathie, lung von Leistungs- und ist charakterisiert durch einen langsamen Anstieg zu Resonanz, „Gruppentaug- Genussfähigkeit. einem Plateau, auf dem man dann lange Zeit verharren lichkeit“ Diese Ressourcen kann. Das ist erstens viel wertvoller, und man hat keine nehmen insofern eine Suchtentwicklung. Fromm vergleicht den Unterschied 5. Soziale Ressourcen Sonderstellung ein, als sie zwischen Spaß und Freude mit dem Unterschied Soziale Stellung, Netzwerke, für sich selbst allein nicht zwischen lieblosem Sex und sexuell erfüllter Liebe. soziale Sicherheit, „Gesell- wirksam sind, sondern ihre schaft“/„Sozialstaat“ Wirkungen und gesund- Und die höchste Form der Freude ist der Genuss? heitsförderlichen Effekte Genuss ist etwas Hochkomplexes. Er beginnt mit der 6. Possessionale erst dann in vollem Ausmaß Öffnung dem Schönen gegenüber, dazu braucht es Ressourcen entwickeln, wenn sie im Achtsamkeit. Dann muss man zulassen, die Kontrolle zu Einkommen, Besitzung, Ver- Wechselspiel mit Erschöp- verlieren. Es gibt kein Genießen im kontrollierten Zu- mögen, Bargeld, Schmuck, fung bzw. Nutzung anderer stand, das ist nicht möglich. Aber Kontrollverlust macht Versicherungen Ressourcen stehen. Wenn vielen Menschen extrem Angst. Denken Sie nur an das es nichts gibt, wovon man Wort Hingabe, da läuft es vielen schon kalt über den 7. Spirituelle Ressourcen sich erholen kann, können Rücken. Bedingung für den Genuss ist der „kontrollierte Religion, Spiritualität, Glaube Ruhe und Müßiggang in Kontrollverlust“, also ein Kontrollverlust in gesicherter Stillstand, Trägheit und Umgebung. Und jetzt kommt das Wesentlichste und 8. Fiktionale (optative) Langeweile umschlagen, die Schwierigste: Man muss sich beschenken lassen Ressourcen ihrerseits wieder zu Ent- können. Mit anderen Worten: Man muss viel dazu tun, Das (prinzipiell bzw. konkret) kräftung führen. Auf diese um zu genießen, aber der Genuss-Akt selbst passiert Mögliche, Vorstellungen, Weise können Ressourcen einfach. Wenn man erlernt hat zu genießen, dann kann Utopien, Fantasien, Träume der Ruhe und der „Erho- man alles genießen. Jeden einzelnen Moment. Und das lung“ zu „Anti-Ressourcen“ kostet oft auch nichts. Da kann es reichen, auf einem 9. Expektative (kupidale) werden – im Gegensatz zu Bankerl zu sitzen und jemandem die Hand zu halten. Ressourcen den Hauptressourcen, die Man ist dann völlig offen für das Schöne, die Welt rund- Erwarten, Begehren, Hoffen, immer mehr oder weniger herum existiert nicht, und man wird von diesem Moment Wünschen wirksame Kraftquellen sind. beschenkt – einfach himmlisch: Hiersein ist herrlich! 9
Ressourcen nutzen, Leben verändern Die Aktivierung von Ressourcen ist von zentraler Bedeutung in der Psychotherapie. Wenn Patienten und Patientinnen den Mut dazu finden, neue Ideen für ihr Leben zu entwickeln, ist nachhaltige Veränderung möglich. UTE ANDORFER Ü ber eine Psychotherapie nachzudenken oder sich sche Behandlung gebracht haben. Gleichzeitig sind sie tatsächlich in psychotherapeutische Behandlung aber erleichtert, endlich bei jemandem angekommen zu begeben: Das sind in unserem Kulturkreis zu sein, der ihnen nicht nur empathisch und wertschät- nach wie vor zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ers- zend zuhört, sondern sich auch tatsächlich für ihr Leid teres geschieht wahrscheinlich öfter, wenn Menschen interessiert. Und oft glauben diese Hilfesuchenden zu unter problematischen „Rahmenbedingungen“ ihres Beginn auch, dass, wenn sie nur lange und ausführlich Lebens leiden, keine Lösungsmöglichkeiten sehen und genug über ihre problematischen Lebensbedingungen schleichend seelisch oder vielleicht auch körperlich sprechen, sie dadurch allein schon Linderung erfahren krank werden. Zweiteres – also eine Psychotherapie zu könnten. Im Sinne von „geteiltes Leid ist halbes Leid“ beginnen – ist immer noch nicht so selbstverständlich, trifft dies zu Beginn zwar zu, aber es ist nicht einmal die wie mit körperlichen Problemen zum Arzt zu gehen. halbe Miete auf dem Weg zur gelungenen Therapie. Psychotherapie ist für manche Menschen nach wie Je schwerer das Leiden, desto weniger hilft es MAG. DR. UTE vor etwas, wofür man sich schämt, weil andere einen dem Patienten oder der Patientin, dass da ein freund- ANDORFER als schwach abstempeln könnten, als nicht dazu fähig, licher Therapeut oder eine freundliche Therapeutin sitzt, studierte Psychologie selbst mit sich und seinem Leben klarzukommen. der/die ihm aufmerksam zuhört. Das tröstet vielleicht, an der Universität Ich gehe davon aus, dass Menschen, die sich reicht aber nicht. Zwar ist dieser Effekt in Psychothera- Wien und an der letztlich für eine Psychotherapie entscheiden, schon pien sehr stark, es wurde aber lange Zeit unterschätzt, Humanwissenschaft- länger unter etwas leiden, was so für sie nicht mehr zu dass es ein Placeboeffekt ist. Dieser sehr wirkmächtige lichen Universität ertragen ist – seien es nun unterschiedliche Lebens- Effekt entbindet den Psychotherapeuten oder die Liechtenstein. Sie probleme oder tatsächlich krankheitswertige Störun- -therapeutin nicht davon, zusätzlich evidenzbasierte, ist Klinische und Gesundheitspsycho- gen, etwa Depressionen oder Angststörungen. Der störungsspezifische Methoden anzuwenden. login sowie Verhal- Mensch an sich hält lange Zeit ein gewisses Maß an tenstherapeutin. Seit Leid aus, aber irgendwann geht es dann einfach nicht Kein Millimeter Fortschritt 2000 ist sie am Anton mehr. Wahrscheinlich haben manche Betroffene lange Sich ständig mit Dingen zu beschäftigen, die sich nicht Proksch Institut tätig versucht, selbst an ihren Problemen „herumzudoktern“, ändern lassen und die sich auch in absehbarer Zeit nicht und betreut dort u.a. vielleicht auch die eine oder andere Form der vermeint- ändern werden, sich andauernd Sorgen zu machen die Schwerpunkte lichen Selbstmedikation ausprobiert, also Alkohol oder über zukünftige Ereignisse, das gibt dem Menschen Psychotraumatologie andere kompensatorische Verhaltensweisen eingesetzt, zwar eine Beschäftigung, aber es bringt ihn zumeist und Gender und um sich Linderung zu verschaffen. Das Scheitern im nicht weiter. Das ist so ähnlich wie das Schaukeln mit Diversity. Neben Rahmen dieser „Selbstheilungsversuche“ macht viel- einem Schaukelstuhl: Man ist zwar beschäftigt, kommt anderen Engage- leicht den Schritt in eine Psychotherapie erst möglich. aber keinen Millimeter voran. Und wie aus der Stress- ments ist sie u.a. Vor- standsmitglied der verarbeitungsforschung hinlänglich bekannt, ist die ge- Österreichischen Das „Rocking-Chair“-Phänomen dankliche Weiterbeschäftigung, das Grübeln über die Gesellschaft für Als Psychotherapeutin treffe ich zu Beginn einer Thera- immer selben Probleme, keine gute Strategie im Abbau Arbeitsqualität und pie oft auf Menschen, die erschöpft sind aufgrund der von Stress, ganz im Gegenteil: Sie hält das emotionale Burnout (Burn Aut). Lebensbedingungen, die sie in eine psychotherapeuti- Gestresstsein nur noch mehr aufrecht. 10
Wer im sprichwörtlichen Schaukelstuhl sitzt, wiegt sich zwar in seinen Problemen – kommt dabei aber nicht voran. Foto: Getty Images 11
Was macht nun aber tatsächlich Psychotherapie 5. Problembewältigung: Die Behandlung unter- zu einer erfolgreichen Therapie? Nach Klaus Grawe, stützt den Patienten oder die Patientin mit bewährten dem bereits verstorbenen deutschen Psychotherapeu- problemspezifischen Maßnahmen darin, positive ten und Hochschullehrer mit dem Tätigkeitsschwer- Bewältigungserfahrungen im Umgang mit seinen/ihren punkt „Therapieforschung“, lassen sich folgende grund- Problemen zu machen. legende Wirkfaktoren von Psychotherapie nachweisen: Plausibel und hinlänglich bekannt ist, dass es 1. Therapeutische Beziehung: Die Qualität der einen Therapeuten oder eine Therapeutin braucht, dem Beziehung zwischen dem Psychotherapeuten oder der Patient oder die Patientin vertrauen kann. So wird der Psychotherapeutin und dem Patienten oder der das Sprechen über schambesetzte Inhalte möglich, Patientin trägt signifikant zu einem besseren (oder auch gleichzeitig entsteht Hoffnung auf Veränderung und schlechteren) Therapieergebnis bei. der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeitserwartung beim Meistern zukünftiger Herausforderungen. Als zweiten Faktor listet Grawe jedoch gleich Durch Vertrauen entsteht die die Ressourcenaktivierung. Ohne eine intensive Er- forschung und Stabilisierung bestehender Ressourcen Hoffnung auf Veränderung. oder auch das Entwickeln ganz neuer Ressourcen macht es keinen Sinn, sich auf den Weg in die Problemaktua- lisierung, die motivationale Klärung und die Problem- 2. Ressourcenaktivierung: Die Eigenarten, die bewältigung zu machen. der Patient oder die Patientin in die Therapie mitbringt, werden als positive Ressource für das therapeutische Ressourcen bewusst machen Vorgehen genutzt. Das betrifft vorhandene motivationa- Viele Menschen haben die Angewohnheit, besonders le Bereitschaften, Fähigkeiten und Interessen. gut über das sprechen zu können, was ihnen im Leben 3. Problemaktualisierung: Die Probleme, die in Probleme bereitet, worunter sie leiden. Viel schwerer der Therapie verändert werden sollen, werden unmittel- fällt es ihnen, von all dem Schönen, das es in ihrem Le- bar erfahrbar. Das kann zum Beispiel dadurch ge- ben auch gibt, zu erzählen. Menschen, die sich für eine schehen, dass Therapeut oder Therapeutin und Patient Psychotherapie entscheiden, sind sich ihrer Ressourcen oder Patientin reale Situationen aufsuchen, in denen gar nicht mehr bewusst. Eine Psychotherapie wirkt vor die Probleme auftreten, oder dass sie durch intensives allem dann, wenn es gelingt, diese wieder zu aktivieren. Erzählen, Imaginationsübungen oder Rollenspiele die Eine Psychotherapie beforscht die personellen Probleme erlebnismäßig aktualisieren. Ressourcen des Patienten oder der Patientin, sie interes- 4. Motivationale Klärung: Die Therapie fördert siert sich für individuelle Fähigkeiten und Kompetenzen, mit geeigneten Maßnahmen, dass der Patient oder die günstige Lebenseinstellungen, emotionale Kompeten- Patientin ein klareres Bewusstsein über die Ursprünge, zen und natürlich Persönlichkeitseigenschaften wie Zu- Hintergründe und aufrechterhaltenden Faktoren seines versicht, emotionale Ausgeglichenheit, Humor, Optimis- problematischen Erlebens und Verhaltens gewinnt. mus, Selbstwertschätzung, aktive Auseinandersetzung Ressourcenorientierte Psychotherapie Psychotherapie bezeichnet allgemein die „gezielte professionelle Behandlung psychischer Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen mit psychologischen Mitteln“. Die dabei angewandten Verfahren, Methoden und Konzepte sind durch verschiedene Psychotherapieschulen geprägt. Nach einer bis heute oft zitier- tion) meist verbal, aber auch aver- eines Menschen und betreffen zum ten methodenübergreifenden bal, in Richtung auf ein definiertes, Beispiel Fähigkeiten, Fertigkeiten, Definition von Hans Strotzka ist nach Möglichkeit gemeinsam Kenntnisse, Geschicke, Erfahrun- Psychotherapie „ein bewusster und erarbeitetes Ziel (Symptommini- gen, Talente, Neigungen und Stär- geplanter interaktionaler Prozess malisierung und/oder Strukturän- ken, die oftmals gar nicht bewusst zur Beeinflussung von Verhaltens- derung der Persönlichkeit) mittels sind. Eine weitere Ressource ist störungen und Leidenszuständen, lehrbarer Techniken auf der Basis Sinnerfüllung sowie Sinnfindung die in einem Konsensus (möglichst einer Theorie des normalen und nach Sinnverlust. Innerhalb einer zwischen Patient/Patientin, The- pathologischen Verhaltens. In der Psychotherapie können Res- rapeut/Therapeutin und Bezugs- Regel ist dazu eine tragfähige sourcen als Kraftquellen genutzt gruppe) für behandlungsbedürftig emotionale Bindung notwendig.“ werden. Von Klaus Grawe wird die gehalten werden, mit psychologi- Ressourcen in der Psycho- Arbeit mit Ressourcen als zentraler schen Mitteln (durch Kommunika- therapie sind innere Potentiale Wirkfaktor nachgewiesen. 12
mit Anforderungen und Selbstwirksamkeitsüberzeu- der Patient oder die Patientin auch die LITERATUR ZUM THEMA: gungen. Zudem ist es innerhalb des therapeutischen Begleitung beim Fehlermachen. Es gilt Klaus Grawe: Neuropsychotherapie. Prozesses wichtig herauszufinden, inwiefern ein Mensch dabei zu lernen, hin und wieder die Hogrefe, Göttingen 2004. sozial-interaktionelle Kompetenzen nutzen kann. Angst abzulegen, falsch zu liegen oder Klaus Grawe: Empirisch validierte Wirk- Natürlich geht es auch um zwischenmenschliche eben auch wirklich Fehler zu machen. faktoren statt Therapiemethoden. In: Ressourcen, etwa um die soziale Einbindung eines Denn das heißt nichts anderes, als dass Report Psychologie. 7/8 2005. S. 311. Menschen und wie er auf Zuwendung, Anerkennung wir leben und Dinge ausprobieren, dass Hans Strotzka: Psychotherapie und und Wertschätzung zurückgreifen kann. Das Bewusst- Leben also stattfindet und wir am Tun soziale Sicherheit. Verlag Hans machen oder auch das Schaffen sozialer Unterstützung sind und nicht warten, bis sich vielleicht Huber, Bern 1969, zit. nach Hans-Ulrich in Familie, Partnerschaft, Freundschaften und anderen hoffentlich irgendetwas eines Tages Wittchen, Jürgen Hoyer: Klinische Beziehungen ist ein ganz wesentlicher Teil der thera- verändern wird. Wenn Patienten und Psychologie & Psychotherapie. Springer peutischen Auseinandersetzung. Patientinnen einmal lernen, ihr Gefühls- 2011. leben zu regulieren, erwerben sie damit Das Hilfreiche verstärken und implementieren eine Fähigkeit, die ihnen später in allen Bei der therapeutischen Ressourcenaktivierung geht es Lebenslagen nützlich sein kann. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: immer darum, all das Hilfreiche zu beforschen, zu ver- Jeder und jede von uns hat die Ann Elisabeth Auhagen (Hrsg.): Positive stärken oder auch neu zu erschaffen und zu implemen- Wahl: Wir können unglücklich sein Psychologie. Anleitung zum „besseren“ tieren, das der Mensch produktiv zu nutzen vermag. und unglücklich bleiben oder uns aber Ressourcen werden nicht durchgängig von motivieren und nach anderen Möglichkeiten suchen. jedem Menschen und in jeder Situation oder Lebens- Das mag für den Therapeuten oder die Therapeutin klar phase als solche aufgefasst. Dies variiert je nach dem sein, nicht aber für Patienten oder Patientinnen, die oft Kontext, in dem ein Mensch sich befindet: nach Alter, in der eigenen Lebenssituation „betriebsblind“ sind. Geschlecht, Entwicklungsstadium, Stimmungslage oder Wertesystem. Zudem ist die Ressourcenwahrnehmung Der Therapeut/die Therapeutin als Ressource abhängig von den anstehenden Anforderungen, von Der Therapeut oder die Therapeutin ist immer auch den aktuellen oder langfristigen Zielsetzungen eines Modell. Ich erlebe es als entlastend für meine Patien- Menschen und vom Verständnis der individuellen ten und Patientinnen, wenn ihnen bewusst wird, dass Lebenssituation. Die Dienlichkeit von Ressourcen ent- sie mit einer schwierigen Lebenssituation nicht alleine steht erst, wenn sie von der Person oder von relevanten sind. Denn es hat doch jeder und jede von uns seine/ Bezugspersonen für die angestrebten Ziele bzw. die ihre Ängste oder auch Verluste, mit denen es im Leben Problemlösung als sinnvoll, brauchbar und nützlich klarzukommen gilt. bewertet werden und sie zudem auch in das emotio- Und: Wir haben auch alle unsere „real wants“, all nal-kognitive Bewertungssystem der Person passen. das, was wir wirklich haben wollen, was wir lieben, was Oft gilt es in der Psychotherapie, ruhende, nicht-ge- wir wirklich erreichen wollen im Leben! In zielorientier- nutzte, potenzielle Ressourcen zu aktiven Ressourcen ten Dialogen gilt es gemeinsam mit dem Patienten oder zu machen, zur Zielerreichung in einem bestimmten der Patientin herauszufinden, wohin die Reise wirklich Kontext als brauchbar erkennbar zu machen, damit sie gehen soll, wofür es sich auch anzustrengen lohnt. entsprechend eingesetzt werden können. Es ist oft erstaunlich, auf welche Herausforde- Wenn also ein Patient vor mir sitzt, stelle ich mir rungen der Mensch sich einlassen kann und welche immer wieder Fragen wie: Kann er ausdrücken, was er Herausforderungen er auch meistert. Aber neben dem braucht? Oder auch: Weiß mein Patient vielleicht noch Vertrauen in sich selbst braucht er dazu auch jemanden, nicht einmal, was er braucht? Ist er einsam? Möchte er der an ihn glaubt, der ihn zum Ausprobieren begeistert dies ändern? Und wenn ja, welche Gedanken helfen und ermutigt, denn nichts kann Erfahrung ersetzen. ihm dabei? Auf welche Erfahrungen, die er bisher ge- In einer Psychotherapie geht es immer wieder darum, macht hat, kann er zurückgreifen? Und wer könnte ihm tapfer zu sein und Risiken einzugehen, aber mit Mut dabei vielleicht noch hilfreich sein? beginnen oft die schönsten Geschichten. Man kann lernen, andere um Hilfe zu bitten. Man Gelingt eine Therapie, gehen Symptome zurück kann lernen, Worte zu finden, um seine Bedürfnisse zu und die Patienten und Patientinnen können wieder artikulieren. Ein Schlüssel zum Erfolg ist schließlich, dass für sich sorgen und ihr Leben gestalten, so wie sie der Patient oder die Patientin seine/ihre Erwartungen es möchten. Oft zeigen sich positive Begleiteffekte, an die Zukunft ändert und auch zuversichtlich wird, statt etwa dass Beziehungen besser werden, Patienten und davon auszugehen, dass ihn sein altes Leben sowieso Patientinnen insgesamt selbstfürsorglicher mit sich wieder einholen wird. umgehen können oder auch entscheidungsfreudiger Ganz wesentlich ist es im Rahmen einer gelunge- im Sinne von Veränderung werden. Im Rahmen ressour- nen Therapie, dass der Patient oder die Patientin – auf- cenorientierter Psychotherapie geht es also nicht nur bauend und mithilfe seiner/ihrer Ressourcen – Entschei- um das Verschwinden von Symptomen, die das Leben dungen trifft, Chancen wahrnimmt und Veränderungen einschränken, sondern vielmehr um das Entwickeln von umsetzt. Dazu kann aber hin und wieder auch gehören, Ideen und Visionen, die es von Seiten der Patienten und dass er oder sie falsche oder zumindest noch nicht ganz Patientinnen in die Tat umzusetzen gilt, um diese auch richtige Entscheidungen trifft oder auch Fehler macht. wirklich zu erleben. Ganz nach dem Motto: Die Steige- Um ein gelungenes Leben führen zu können, braucht rung von Leben ist Erleben! 13
Wie Glücksspiel, Internet oder Kaufen süchtig machen Stoffungebundene Süchte werden immer häufiger. Abstinenz ist dabei meistens keine Lösung – die Herausforderung in der Therapie ist es also, den Betroffenen einen sinnvollen Umgang mit ihrem Suchtmedium zu ermöglichen. ROLAND MADER B ei stoffungebundenen Suchtformen handelt es pathologischem Spielen, Kaufen oder pathologischem sich um Abhängigkeiten von besonderen Ver- Internetsurfen nicht um einfache Impulskontrollstörun- haltensweisen wie z.B. intensives Kaufen, Spielen gen handelt, sondern um komplexe Abhängigkeitsstö- oder im Internet surfen, wobei die typischen sucht- rungen, sodass die Berücksichtigung suchtspezifischer spezifischen Kriterien erfüllt sein müssen, nämlich Kriterien notwendig ist. Der DSM-5 (Diagnostischer und PRIM. DR. ROLAND Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, Verschlechterung statistischer Leitfaden psychischer Störungen) wurde MADER studierte des psychophysischen Zustandes bei Verzicht (Entzugs- dem insofern bereits gerecht, als hier zumindest die Medizin an der Uni- symptomatik) und in weiterer Folge das Zentrieren des Glücksspielsucht und ein Teilbereich der Internetsucht, versität Wien und ist Lebens auf die jeweilige Verhaltensweise. Substanzun- nämlich „Online-Gaming“, den Suchterkrankungen zu- Facharzt für Psychiatrie abhängige Suchtformen wurden im ICD 10, dem Klassi- geordnet werden. und Neurologie bzw. für Psychiatrie und fikationssystem der Krankheiten der WHO, dem Bereich Da potenziell zu Sucht führende Angebote psychotherapeutische der Impulskontrollstörungen diagnostisch zugeordnet. dramatisch zunehmen, erleben wir auch eine deutliche Medizin. Seit 1991 ist Diese Einordnung ist allerdings aus klinischer Sicht Zunahme von Patientinnen und Patienten mit stoffun- er am Anton Proksch keineswegs ausreichend, da es sich in der Regel bei gebundenen Abhängigkeiten. Institut tätig, zusätzlich absolvierte er seine Ausbildung in unter- schiedlichen Kliniken in Wien und Graz. Glücksspielsucht: Das vermeintlich schnelle Geld Mader ist Koordinator des Schwerpunkt- Eine 2011 in Österreich durchgeführte Befragung er- pathologische Glücksspieler und -spielerinnen. Hier hat bereiches Alkohol- und gab bei 0,4 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ein die Glücksspielsucht ein Ausmaß erreicht, wo der Spie- Medikamentenab- problematisches Glücksspielverhalten, d.h. sie spielen ler oder die Spielerin vollends die Kontrolle über sein/ hängigkeit am Anton Proksch Institut und regelmäßig, verspielen auch wiederholt größere Sum- ihr Spielverhalten verloren hat und in aller Regel eine seit 2011 Primarius men, können aber das Ausmaß ihres Spielens, zumin- spezifische therapeutische Unterstützung benötigt, um der Abteilung III. dest meistens, kontrollieren. Weitere 0,7 Prozent waren aus dem Suchtverhalten aussteigen zu können. 14
Foto: Getty Images Kaufen um des Kaufens Willen: Bei Suchtkranken steht oft nicht der Wunsch, ewas zu besitzen, im Vordergrund, sondern bloß der Akt des Kaufens selbst. 9 von 10 Spielsüchtigen sind Männer Ein typisches Merkmal von pathologischen Spie- Die Glücksspielsucht tritt typischerweise bei Männern lern und Spielerinnen ist das so genannte „Magische schon in der Adoleszenz, bei Frauen in der Regel erst im Denken“. Dabei handelt es sich um eine fast unkorrigier- mittleren Lebensabschnitt auf. 90 Prozent aller patho- bare Überzeugung, im nächsten Spiel zu gewinnen bzw. logischen Spielerinnen und Spieler sind Männer, der die Gewinnzahlen „spüren zu können“. Gerade dieses Anteil der Frauen hat jedoch zuletzt stetig zugenom- „Magische Denken“ stellt oftmals eine große Hürde men. Nahezu die Hälfte aller pathologischen Spielerin- dar, wenn sich die Spielsuchterkrankten in Behandlung nen und Spieler ist jünger als 18 Jahre. Bei 70 Prozent begeben. sind gewerbliche Geldspielautomaten (auch bekannt als „Kleines Glücksspiel“) das vorwiegende Glücksspiel- Depressionen besonders häufig medium. Affektive Störungen, besonders Depressionen, finden Je schneller ein Spiel abläuft, desto sucht- sich bei rund der Hälfte der Spieler und Spielerinnen. gefährdender ist es. Es sind also vor allem die Ereig- Nahezu jeder vierte pathologische Spieler bzw. jede nisfrequenz und das Auszahlungsintervall, die das vierte pathologische Spielerin berichtet über einen Suchtpotenzial des jeweiligen Spiels bestimmen. oder mehrere Suizidversuche. Nur Persönlichkeitsstö- Weiters entscheidend sind gewisse Kompetenzanteile rungen (bei über 60 Prozent – Petry et al 2005) sind eine des Spielers oder der Spielerin: Wird er oder sie aktiv noch häufigere Komorbidität. (Drücken der Start/Stop-Taste oder Risiko-Taste) in das Typische Folgen der Spielsucht sind auch Verschuldung Spiel miteinbezogen? Wird ihm/ihr das Gefühl vermit- und Delinquenz: 89 Prozent der Spieler und Spiele- telt, das Glückspiel in besonderer Weise beeinflussen rinnen, die in eine Spielerberatung kommen, sind mit zu können? Diese Faktoren steigern die Spielmotivation. durchschnittlich einem Betrag von 40.000 Euro ver- Spielautomaten haben einen überdurchschnittlich schuldet. An delinquenten Verhaltensweisen stehen hohen Anteil an so genannten Fast-Gewinnen, die dem Betrug, Unterschlagung und Diebstahl zur Geldbeschaf- Spieler oder der Spielerin suggerieren, dass er oder sie fung im Vordergrund, Gewalttaten treten bei Spielsüch- jeweils nur knapp den Gewinn verpasst hat. tigen nur selten auf. 15
Therapeutische und sozialarbeiterische Hilfe Schwerpunkt stellt aufgrund der häufig vorhandenen Die Behandlung der Spielsucht kann ambulant oder sozialen Problematik die sozialarbeiterische Beratung stationär durchgeführt werden. In einem Erstgespräch und Betreuung dar, und zwar in erster Linie im Hinblick ist nach genauer psychiatrischer Anamnese und psycho- auf Schuldenregelung, Geldmanagement und das pathologischem Status ein individueller Therapieplan zu Erstellen eines individuellen Finanzplans. In den meisten erstellen. Eine stationäre Behandlung ist bei bisherigen Fällen ist es auch erforderlich, die Angehörigen in das erfolglos verlaufenen ambulanten Therapieverläufen Behandlungskonzept mit einzubeziehen. bzw. bei massiv ausgeprägter Suchtproblematik oder Die psychopharmakologische Behandlung schwerwiegenden komorbiden Störungen empfehlens- bezieht sich zum einen auf die Behandlung der komor- wert. Die häufigsten Probleme in der Behandlung von biden psychischen Störungen, hier insbesondere der Spielsuchterkrankten sind suchttypische Abwehr- und häufig vorhandenen Depressionen bzw. Angststörungen, Verleugnungsmechanismen, eine pathologische bzw. und zum anderen auf die Verringerung des Suchtverlan- pathogene Familiendynamik und komorbide Störungen. gens mit sogenannten „Anti-Craving-Substanzen“, wie Die psychotherapeutische Behandlung erfolgt z. B. dem Opiat-Antagonisten Naltrexon, der auch bei in Einzel- und Gruppensitzungen. Einen besonderen der Spielsucht gut wirksam zu sein scheint (Grant, 2008). Kaufsucht: Angebot bestimmt das Suchtrisiko Die ersten Untersuchungen zur Prävalenz der Kaufsucht hauptsächlich auf technische Artikel bzw. Sportartikel („Compulsive Buying“) wurden Ende der 1980er Jahre konzentrieren. von amerikanischen (Faber et al.) und kanadischen (Valence et al.) Forschern durchgeführt. Sie berechneten Persönlichkeitsstörung als Komorbidität eine Prävalenz zwischen 1,8 und 8 Prozent. Kaufsucht ist ebenso wie andere Suchterkrankungen Wie Scherhorn et al. 1991 bzw. 2001 feststellten, sehr häufig mit anderen psychischen Störungen bzw. nahm die Tendenz zum suchtgetriebenen Kaufen in Erkrankungen vergesellschaftet. In einer Studie von Deutschland in den letzten zehn Jahren deutlich zu. Christenson et al. (1994) konnte nachgewiesen werden, Während der Anteil der Kaufsuchtgefährdeten in den dass Kaufsüchtige eine erhöhte Lebenszeitprävalenz so genannten alten Bundesländern (Ex-BRD) von 5 auf für Impulskontrollstörungen, Essstörungen, Substanz- 7 Prozent stieg, hat er sich in den so genannten neuen missbrauch und Angststörungen aufweisen. Black Bundesländern (Ex-DDR) sogar versechsfacht und liegt et al. (1998) beschrieben ein erhöhtes Auftreten von nunmehr mit 6 Prozent mehr oder weniger gleichauf affektiven Störungen und anderen psychiatrischen Er- mit den alten Ländern. Daraus ist, wie auch bei anderen krankungen. Schlosser et al. (1994) beschreiben, dass Suchtformen, ein direkter Zusammenhang zwischen 60 Prozent der von ihnen untersuchten Stichprobe Angebot des Suchtmittels bzw. bestimmten Verhaltens- die Kriterien mindestens einer Persönlichkeitsstörung weisen und Suchtentwicklungen ersichtlich. erfüllen. Als häufigste fanden sich neben zwanghaften Persönlichkeitsstörungen auch eine Borderline- bzw. Sinnlose Dinge horten vermeidende Persönlichkeitsstörungen. Ähnlich wie bei der Alkoholkrankheit kann sich die Kaufsucht für den Betroffenen chronisch manifestieren Individuelle Strategien finden (tägliches Kaufen unnötiger Waren) bzw. phasenhaft in Verlässliche Studienergebnisse zu einer spezifischen Erscheinung treten (Kaufattacken). psychopharmakologischen Therapie bei Kaufsucht lie- Typisch sind multiple Einkäufe der gleichen Ware gen nicht vor. Die wenigen Studien, die mit so genann- bzw. sinnloser Dinge sowie der Kauf von Geschenken ten Serotoninwiederaufnahmehemmern (bestimmte für andere Personen. Das Gekaufte wird in der Regel Antidepressiva wie die SSRIs Fluvoxamin, Citalopram) gehortet, oft gar nicht ausgepackt, in nur seltenen Fällen durchgeführt wurden, konnten keine unmittelbare Wir- auch wirklich verwendet. Die Patienten und Patientinnen kung dieser Substanzen auf die Kaufsucht nachweisen, berichten, dass die Ware selbst nicht das Entscheidende obgleich Begleiterkrankungen wie depressive Störun- ist, sondern das Einkaufen und manchmal auch der gen bzw. Angststörungen damit verbessert werden entstandene soziale Kontakt mit dem Verkaufspersonal. konnten. Erstmaßnahmen zum Aufbau eines kontrollier- Nach dem übermäßigen Einkauf werden dann Schuld- ten Kaufverhaltens bzw. die Rückgabe von Kunden- und und Schamgefühle beschrieben, die Einkäufe werden Kreditkarten, die Meidung von saisonalem Hochkonsum verheimlicht, die Waren versteckt, gehortet, verschenkt wie z.B. Einkaufen in der Vorweihnachtszeit, im Ausver- bzw. vergessen. kauf etc. erwiesen sich ebenfalls als zumindest beglei- Jede Ware kann exzessiv gekauft werden, tend wirkungsvoll. Das therapeutische Hauptaugenmerk wobei Frauen Einkäufe bevorzugen, die das äußere sollte aber auf die individuelle Analyse des Kaufver- Erscheinungsbild betreffen, wie Kleidungsstücke, haltens sowie auf Interaktionsstrategien mit der Umwelt Schuhe, Kosmetik und Schmuck, während Männer sich gelegt werden. 16
Online-Sucht: Flucht in virtuelle Welten Der Begriff „Internet Addiction Disorder“ wurde erst- über soziale Medien. DER MEDurch NSCH das ständige Mitsichtragen IM MITTELPU mals 1995 vom amerikanischen Psychiater Ivan Gold- von Smartphone und Co. ist auch kein Rückzug in eine NKT KOMMEN SIE Das Anton Proks ZU UNS stationäre Einric ch Institut (API) ist Österreichs Treffpunkt ONLINE-SUCHT htung für Such größte Radetzkystraße IST KEIN SPIEL berg in die Fachsprache eingebracht, wobei er damals gesicherte Umgebung mehr möglich. Eine Social-Me- 60 Jahren Erfah tkranke – mit 31 rung. Es betre mehr als 1030 Wien Wien-Liesing ibt neben dem Ambulatorien Haus in T: 01/88 010- Das API betre in Wien und Niede 3200 ut und begleitet rösterreich. E: treffpunkt@ap Angehörige in Suchtkranke und i.or.at folgenden Bere deren (in Anlehnung an das DSM-IV) den pathologischen Inter- dia-Sucht zeichnet sich durch Kontrollverlust aus, wenn ichen: Ambulanz Gräfi • Alkoholsucht n Zichy Straß • Glücksspielsuch 1230 Wien, Gräfi e t n-Zichy-Straße • Medikamentens T: 01/88 010- 6 604 ucht netgebrauch meinte. Zentrales Merkmal dieser Störung digitale Medien immer häufiger genützt werden und • Abhängigkeit E: info@api.or.at von illegalen Subs • Onlinesucht tanzen Ambulatorium bzw. Online-Ga • Kaufsucht ming-Sucht Wiedner Haup 1050 Wien, Wied tstraße • Arbeitssucht ner Hauptstra ße 105 ist ein exzessiver, unkontrollierter Internetgebrauch, der wenn sich die Nutzung negativ auf schulische oder T: 01/88 010- 1480 Eigentümer des E: wieden@api.or. API at Anton Proksch-In sind die VAMED und die Stiftu stitut Wien, die ng Suchtberatung Hauses obliegt ärztliche Leitu Mödling Prim. Univ.-Prof ng des 2340 Mödling, zum wesentlichen Lebensinhalt der Betroffenen wird berufliche Leistungen auswirkt. Oft findet auch ein Für ihn steht die . Dr. Michael Musa Sr.-Maria-Resti Orientierung an lek. T: 01/88 010- tuta-Gasse 33 Ressourcen im den individuel 1360 Zentrum jeder len E: sbmoedling@ap schöne Ziele hat Suchtbehandlun i.or.at und diese auch g: „Wer den wird ein erfül erreichen kann Suchtberatung und in weiterer Folge einen massiven Leidensdruck bei sozialer Rückzug statt, die Nutzung wird verheimlicht ltes Leben mögl , für Baden die Betroffenen ich. Wir unterstütz 2500 Baden, Helen dabei, ihren indiv en enstraße 40/ in ein gelungene iduellen Weg zurüc T: 01/88 010- 4. Stock s (Sozial-)Leben k 1370 Suchtmittel daue zu finden. So könn E: baden@api.or.a rhaft ihren Reiz en t Betroffenen und deren Angehörigen auslöst. und es kann zu Konflikten mit primären Bezugspersonen Etwa eine von verlieren.“ zehn Personen Suchtberatung von Sucht betro ist im Lauf ihres Wiener Neustadt ffen. Gerade die Lebens 2700 Wr. Neus und rechtzeitig frühzeitige Erken tadt, Lange Gass e Behandlung nung T: 01/88 010- e 18 Erkrankung ermö dieser chronische 1380 glicht eine gute n kommen. Die Nutzung » Wer schöne wird auch als immer weniger Betroffenen. Zöge Prognose für E: wr.neustad rn Sie nicht, uns die t@api.or.at zu kontaktiere n! Suchtberatung Neunkirchen 2620 Neunkirch en, Anton-Aign Ziele hat und Kaum repräsentative Studien befriedigend erlebt den wirund Versuche, sie einzuschränken, T: 01/88 010- er-Gasse 8 1390 diese auch err E: neunkirchen@a eic hen kann, für pi.or.at d ein erfülltes möglich. « Leben Für die Gesamtbevölkerung eines Landes repräsentative scheitern häufig. Prim. Univ-Prof. Dr. Michael Musa lek epidemiologische Studien fehlen derzeit noch weitge- hend. Vielmehr konzentrieren sich Forschungsarbeiten Häufig: Soziale Phobien API_Hilfefolde r_L2.indd 1 www.api.or.at primär auf Onlinebefragungen, die den Bevölkerungs- Rezente Studien weisen deutlich darauf hin, dass ein 09.10.18 10:10 teil, der das Internet nicht nutzt, automatisch ausschlie- Großteil der Internetabhängigen auch Kriterien für eine Seit Herbst 2018 bietet ßen und somit keinen Anspruch auf Repräsentativität andere psychische Störung erfüllt. Besonders häufig das API erstmals eine für die Gesamtbevölkerung haben können. Ein anderes scheinen hierbei affektive Störungen, Angsterkrankun- eigene Therapiegruppe für Selektionsproblem stellt die Beschränkung von Studien gen – vor allem Sozialphobien – sowie Persönlichkeits- Online-Gaming-Süchtige auf bestimmte Altersgruppen (wie zum Beispiel Jugend- störungen aufzutreten. Weiters finden sich häufig auch an. Weitere Informationen: liche) dar. Die letzte Studie zur Internetsucht in Öster- stoffgebundene Abhängigkeiten, hier vor allem Alkohol- www.api.or.at reich stammt aus dem Jahr 2013. Damals galten vier abhängigkeit oder Nikotinabhängigkeit (vlg. Black et al Prozent der 15- bis 18-Jährigen als suchtkrank, sechs 1998; Orzack/Orzack 1999; Shapira et al 2000). Prozent als gefährdet. Abstinenz ist kein Ziel Das Spiel mit der eigenen Identität Wichtig ist, dass eine Abstinenz bei der Internetsucht Virtuelle Lebenswelten stellen für die Menschen unter- kein Ziel sein kann, da ein Leben in unserer Gesellschaft schiedliche Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten dar. ohne das Medium Internet kaum vorstellbar ist. In der Dem Wunsch nach Kommunikation/Zugehörigkeit Behandlung bewährt hat sich das sogenannte „Ampel- (Chat, Online-Spiele, E-Mail, Social Networks etc.), nach modell“. Wesentlicher Bestandteil der Therapie ist auch Befriedigung des Spieltriebes (Glückspiel, Online-Spiele die Vermittlung eines für den Betroffenen plausiblen aller Art etc.), nach Spiel mit der eigenen Identität (On- Störungsmodells sowie auch soziale Ängste, Einsam- line-Rollenspiele, Chat etc.), nach Ausleben sexueller keit und soziale Konflikte bzw. Interaktionsstörungen Fantasien (Online-Erotik etc.) und vielem mehr kann on- in den Therapieplan miteinzubeziehen. In keinem Fall line unter dem scheinbaren Deckmantel der Anonymität genügt es, den Patienten oder die Patientin nur auf der ohne wesentliche Zugangseinschränkungen nachge- Symptomebene zu behandeln. Es gilt, auch hier die gangen werden. Bei Risikopersonen steigert sich dieser gesunden Anteile der Betroffenen zu stärken, um ihnen virtuelle Medienkonsum in weiterer Folge immer mehr einen Ausstieg aus dem Suchtverhalten zu ermöglichen. zu exzessivem bis hin zu pathologischem Verhalten. Gleichzeitig sollen im Sinne einer ressourcen-orientier- Die eigene Identifikation und Steigerung des ten Behandlung all jene Kräfte mobilisiert werden, die es Selbstwertgefühls wird zunehmend online erlebt, was dem/der Betroffenen in Hinkunft auch möglich machen, wiederum einen vermehrten Einstieg in die virtuellen wieder einen ausgewogenen Umgang mit dem Medium Welten begünstigt. Das ideale virtuelle Alter-Ego ersetzt Internet zu pflegen (Musalek 2008). Seit Herbst 2018 immer mehr das reale Selbst. gibt es im Anton Proksch Institut eine eigene Therapie- Die Bereiche Online-Gaming sowie Kontakt- gruppe für Online-Gaming- bzw. Internet-Süchtige. börsen dominieren bei der Nutzung auch heute noch, jedoch haben sich die Relationen etwas verschoben, da Angebote wie Online-Pornographie, Online-Auktions- häuser und vor allem soziale Netzwerke ein großes Zusammenfassung Feld der aktuellen Internetnutzung darstellen. Vor Stoffungebundene Suchtformen sind ebenso wie stoffgebundene als allem Social Media werden intensiv genützt. Durch die hochkomplexe psychische Störungen anzusehen und es braucht daher flächendeckende Verbreitung des mobilen Internets ist auch komplexe und vielfältige Behandlungsangebote, um ihrer Herr zu mit einer Ausweitung des Phänomens zu rechnen. werden. Völlige Abstinenz ist nicht bei allen Verhaltenssuchtformen als Generell sagt die Nutzungsdauer digitaler Therapieziel möglich. Vor allem bei der Online-Sucht kann eine völlige Medien nichts über eine eventuelle Gefährdung aus, Abstinenz zusätzliche Probleme mit sich bringen. Es braucht daher die allerdings können bestehende psychische oder soziale Entwicklung von Therapieformen, die über die klassische Orientierung Probleme durch eine intensive Mediennutzung ver- an der Abstinenz hinausgehen. Nur diese ermöglichen den Betroffenen stärkt werden. Ein Phänomen unserer Zeit ist auch einen mäßigen und kompetenten Umgang mit dem Suchtmedium. „Cybermobbing“, also das Denunzieren anderer User 17
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