Woanders sein - Nr. 45 Dezember 2012 die hallische Studierendenschaftszeitschrift - hastuzeit
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Liebe Leserinnen und Leser, Erasmus – wer kennt es nicht, das beliebte europäische ebenso wichtig ist die unspektakuläre Überzeugungsar- Zuschussprogramm für ein Austauschsemester in spa- beit, in vielen persönlichen Gesprächen an der Uni, im nischen Herbergen oder auf englischen Fußballplätzen? Rathaus und in Magdeburg. Doch demnächst könnte das Füllhorn versiegen, warnt Max Weber charakterisierte Politik als das »langsame EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou. Dann Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augen- nämlich, wenn sich Europaparlament und Mitgliedsstaa- maß zugleich« – dieses Zitat haben wir wohl alle schon ten nicht bald auf einen Haushaltsplan fürs kommende einmal aufgeschnappt. Nicht ganz so viele dürf ten außer- Jahr einigen. Erasmus müsste dann mit 110 Millionen Euro halb des politikwissenschaftlichen Großbetriebes schon weniger auskommen und würde entsprechend zusammen- einmal von Antonio Gramsci gehört haben, dessen Geist gestrichen. Schachzug oder Sachzwang, könnte man da kürzlich durch die erste öffentliche Veranstaltung der In- fragen. stitutsgruppe Politologie wehte. Auch davon wollen wir Einige Nummern kleiner stellt sich so eine Frage auch Euch berichten. an der Martin-Luther-Universität: Führt tatsächlich kein Doch um den Bogen zu Erasmus zu schließen, weiten Weg daran vorbei, dem »strukturellen Defizit« von 6,5 wir unseren Horizont: nach Newcastle, wo unsere Eng- Millionen mit einer »Profilbildung« zu begegnen und da- land-Korrespondentin mit freundlicher Unterstützung der bei noch einmal 100 Stellen abzubauen? EU weilt, nach Ahmedabad (powered by AIESEC) und Wenn Ihr das Heft in Händen haltet, ist die Demo am nach China. Von dort hat ein Ortskundiger den Weg nach 12. Dezember schon gelaufen – doch dass sie alleine schon Halle auf sich genommen und hilft uns nun, eine Schneise die Unileitung oder gar die Landesregierung umstimmen durch das Dickicht der Klischees zu schlagen, in denen wir wird, damit rechnet wohl auch im Aktionsbündnis nie- uns hoffentlich nie verheddert haben. mand. Öffentliche Proteste sind zweifellos wichtig, weil Frohe Festtage wünschen Euch die gesamte hastuzeit- sie dafür sorgen, dass die Lage der Universität auch au- Redaktion und namentlich ßerhalb der Campusgrenzen wahrgenommen wird. Doch Konrad und Chris Impressum hastuzeit, die hallische Studierendenschaftszeitschrift, Website: www.hastuzeit.de wird herausgegeben von der Studierendenschaft der Druck: Druckerei & DTP-Studio H. Berthold, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Äußere Hordorfer Straße 1, 06114 Halle (Saale) erscheint in der Regel dreimal im Semester während Der Umwelt zuliebe gedruckt auf Recyclingpapier. der Vorlesungszeit. Auflage: 4000 Stück Chefredaktion: Konrad Dieterich (verantwortlich), Redaktionsschluss: 16.12.2012 Christian Schoen hastuzeit versteht sich als Mitmachmedium. Redaktion: Ricarda Baer, Caroline Bünning, Alisha Über Leserbriefe, Anregungen und Beiträge freuen wir Führer, Christine Klose, Johanna Sommer uns sehr. Bei Leserbriefen behalten wir uns sinnwah freie Mitarbeit: Hannah Stoll, Tobias Schulz, rende Kürzungen vor. Anonyme Einsendungen werden Kristina Wilke nicht ernst genommen. Für unverlangt eingesandte Layout: Konrad Dieterich, Christian Schoen Manuskripte übernimmt hastuzeit keine Haftung. Titelbild und Rückseite: Christian Schoen Neue Mitglieder sind der Redaktion herzlich Lektorat: Konrad Dieterich, Christian Schoen, willkommen. Sitzungen finden in der Regel Christine Klose mittwochs um 18.00 Uhr im Gebäude des Stura Anschrift: hastuzeit, c/o Studierendenrat der MLU, (Anschrift siehe oben) statt und sind öffentlich. Universitätsplatz 7, 06108 Halle Während der vorlesungsfreien Zeit finden die E-Mail: Sitzungen unregelmäßig statt. 2 hastuzeit 45
Interesse Inhaltsverzeichnis Pause 2 Editorial – Das Wort zum Heft Uni uni 4 Floorball im Mel – Sportstudenten protestieren 5 Proteste vor der Weihnachtspause – Neues von den Stellenstreichungen 7 Der Kapitalismus und die Krise – Podiumsdiskussion der IG Politikwissenschaften 9 WTF – Ein Comic von Justin Guenet Interesse Pause 10 Baked Beans und Doppeldeckerbusse – Typisch englisch Uni 12 Die schönsten China-Klischees – aus Sicht eines chinesischen Studenten 14 Freundschaft, Kulturschock und Kühe – Praktikum in Ahmedabad 16 AIESEC?! – Eine internationale Studentenorganisation 17 »Lichterglanz«: Beschäftigung für lange Winterabende – EVH beleuchtet Bäume Interesse Pause 18 60 Künstler auf 1500m² – Eine Ausstellung zum Mitmachen Uni 20 Wenn der Freund und Helfer überreagiert – Kennzeichnungspflicht bei der Polizei 22 Ein Buch alleine auf Reisen – Bookcrossing in Halle 23 Pinnwand hastuzeit 45 3
uni Uni Interesse Floorball im Mel Pause Fünf freiwerdende Stellen in der PhilFak II sollen vorerst nicht wiederbesetzt werden – drei davon bei den Sportwissenschaften. Das treibt die Studierenden auf den Uniplatz. Knapp 200 Sportstudenten haben sich am 3. Dezem- ihren Bachelor hier beenden. Sie meinen aber auch, dass ber um 13.30 Uhr vor dem Melanchthonianum versam- Studenten, die jetzt gerade erst angefangen haben, lieber melt. Vier davon verschwinden mit einem riesigen Schild weg ziehen sollten, noch sei Zeit dazu. »Halle sollte sei- im Gebäude. Andere halten ein Plakat mit der Aufschrift: nen guten Ruf nicht verlieren und die guten Professoren »Die Sportseite berichtet über das, was die Menschen nicht rauskicken. Kaum dass es den Bachelor gibt, wird er erreicht haben; die Titelseite der Zeitung hingegen ver- wieder abgeschafft. Es wurde sogar ein neues Gebäude für zeichnet nur die Fehlschläge des Menschen.« Zu ihnen die Sportwissenschaften gebaut, das war ja völlig sinnlos. gesellen sich vier andere Sportwissenschaftler mit einem Wir geben uns wahnsinnig viel Mühe und sind im Hoch- anderen Schild: »Vor allem wegen der Seele ist es nötig, schulranking sehr weit oben angesiedelt. Biedermann den Körper zu üben, und gerade das ist es, was unsere wurde doch ebenfalls hier in Halle ausgebildet, und die Klugschwätzer nicht einsehen wollen.« steht dort zu lesen. Stadt baut durch ihn ihr Image auf.« Sie recken ihr Schild Mit mehreren Transparenten weisen sie darauf hin, (»Halle muss sexy bleiben«) in die Höhe. dass die deutschen Kinder immer fetter werden und die 14 Uhr, drei Studenten pfeifen und rufen von der Hallenser ohne Sportwissenschaftler erst recht. Aber im Treppe, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Alle heben Kern geht es um Stellenstreichungen des Dekanats der ihre Hände und Schilder in die Höhe und rufen im Chor: Philosophischen Fakultät II und die Befürchtung, dass die »Wir sehen gut aus. Wir trinken viel und gewinnen jedes Sportwissenschaften in Zukunft nur noch Lehrer ausbil- Spiel. Wir sind die Meister aller Klassen, und wir studieren den werden. Die Bachelor- und Masterstudenten dürfen in alle Sport, in Halle!« Dann strömen sie ins Melanchtho- eine andere Stadt ziehen, um weiterzustudieren. Da könn- nianum. Im Erdgeschoss versperren sie die Wege und fan- ten sich die Lehrämtler doch entspannen? Kai, und Ste- gen unter Gejohle an, Floorball zu spielen. In Zweierteams fan, fünftes und siebtes Semester Lehramt, sehen das ganz treten sie gegeneinander an. Die Wände schmücken Pla- anders: »Die Vorlesungen werden voller werden. Das Ni- kate wie »Floorball statt Flurball!« oder »Kein Sport ist veau wird ebenfalls sinken, da Vorlesungen wegfallen, die Mord!« Wenn ein Team verliert, wird es von zwei anderen Grundlagen vermitteln und parallel für die Bachelorstu- Sportstudenten ersetzt. diengänge waren. Das ist eine Abwertung für unser Stu- Alle hoffen, dass die Aktion Dekan Antos und Rektor dium.« – »Außerdem«, wirft ihr Kommilitone Florian Sträter beeindruckt hat. Denn um 14 Uhr hat im Melanch- ein, »sollte Halle die Artenvielfalt gewährleisten und die thonianum die Personalversammlung der Uni-Beschäftig- Kürzungen gerecht verteilen.« ten begonnen, auf der das Rektorat zu seinen Strukturplä- Einige Bachelorstudierende wollen auf jeden Fall hier nen Stellung nehmen soll. bleiben, komme, was da wolle. Kathrin Hofmann und Kat- rin Wenken sind im fünften Semester und wollen ebenfalls Text und Foto: Johanna Sommer 4 hastuzeit 45
uni Uni Interesse Pause 3. Dezember 2012: Sportstudierende demonstrieren für den Erhalt ihres Faches. Proteste vor der Weihnachtspause Konkrete Pläne zur Stellenstreichung an der Uni sollen noch in diesem Jahr vorliegen. Unterdessen wirbt das »Aktionsbündnis MLU« um Unterstützung in der Kommunal- und Landespolitik Nach Stand des Redaktionsschlusses plant das Rektorat, Lange sitzt heute für die Linke im Magdeburger Landtag dem Senat auf einer Sondersitzung am 19. Dezember kon- und im hallischen Stadtrat; in beiden Gremien hat er die krete Kürzungspläne vorzustellen. Bis 2019 sollen über 100 Situation an der MLU thematisiert. Stellen abgebaut werden, über etwa die Hälfte soll die Uni- Seit einer Plenardebatte am 19. Oktober hat sich im versität sich schon jetzt einig werden. Wie in hastuzeit Nr. Landesparlament nicht viel bewegt. Nach einem Be- 44 (»Vorauseilende Kürzungen«) berichtet, hat die Uni- schluss des Landtags soll sich die Regierung für eine Auf- versität ein jährliches Haushaltsdefizit von gut 6 Millionen hebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Euro identifiziert und will Handlungsfähigkeit beweisen. Ländern im Hochschulbereich einsetzen. Dann könnten Aus Sicht des Rektorats ist diese Liste der vorläufig mehr Bundesmittel in die sachsen-anhaltischen Hoch- nicht wiederzubesetzenden Stellen keineswegs als Kür- schulen fließen. Außerdem sollte die Landesregierung den zungsvorschlag, sondern als »Worst-Case-Szenario« zu Wissenschafts- und den Finanzausschuss »zeitnah« über betrachten, gar als mögliches Druckmittel bei Verhand- die Situation an der MLU unterrichten – dort haben aber lungen mit dem Land Sachsen-Anhalt um die neuen Ziel- bislang keine weiteren Gespräche stattgefunden. vereinbarungen. Doch Studierende und Personal inner- Zeigte sich der Stadtrat in Halle zunächst ähnlich halb wie außerhalb des Senats teilen diese Hoffnung nicht; schwerfällig, ist inzwischen Bewegung in die Debatte ge- auch unter den Professoren macht sich Skepsis breit, ob kommen. Am 24. Oktober hatten Oliver Paulsen (Grüne) diese Strategie wirklich sinnvoll ist – am lautesten freilich und Hendrik Lange jeweils Anträge zur Unterstützung der unter denjenigen, deren Fakultäten oder Institute gerüch- MLU eingereicht. Diese wurden zur weiteren Beratung in teweise vom Stellenabbau betroffen sein könnten. den Hauptausschuss verwiesen – so weit ein übliches Vor- gehen. Dort allerdings, drei Wochen später, stimmten CDU In den Mühlen der Politik und SPD für eine weitere Vertagung auf unbestimmte Zeit In diesem Zweifel sind sich selbst vormalige Kontrahen- – sehr zum Ärger der Studierenden und Angestellten im ten einig, etwa Hendrik Lange, der vor einem Jahrzehnt als »Aktionsbündnis MLU – Perspektiven gestalten«, unter Stura- und Senatsmitglied ähnliche Kürzungsdiskussionen denen viele SPD-Mitglieder zu finden sind. erlebt hat, und Professor Wilfried Grecksch, der seinerzeit Auch wenn auf Landes- und Stadtebene zunächst vor Rektor der Uni war. Grecksch sieht dennoch keine Alter- allem die Linken und Grünen aktiv wurden, strebt das Ak- native zu erneuten Kürzungen: der Martin-Luther-Univer- tionsbündnis MLU eine möglichst breite politische Un- sität fehle es an Rückhalt in der Landespolitik, meint er. terstützung an. In einem offenen Brief an den Rektor hatte hastuzeit 45 5
uni Uni Interesse Pause das Bündnis noch einmal seine Forderungen vorgetragen: Nach der Demo ist vor der Demo Die Leitung der Martin-Luther-Universität solle keine Zeitgleich tritt der Senat der Universität zusammen, aber weiteren Kürzungspläne erarbeiten und statt dessen eine dennoch kommt das Signal von der Stadt nicht zu spät. ergebnisoffene, inhaltsorientierte Profildiskussion auf den Die Vorstellung seiner Kürzungsvorschläge hat das Rek- Weg bringen – und zwar ohne Zeitdruck und unter Einbe- torat nämlich auf eine Sondersitzung am 19. Dezem- ziehung aller Statusgruppen (also auch der Angestellten ber verschoben, offiziell aus organisatorischen Gründen, und Studierenden). Zur Information leitete das Bündnis denn am Abend des 12. Dezembers nimmt der Rektor an seinen Brief unter anderem an die Landtagsfraktionen so- einem Festakt zur Gründung des Zentrums für Polenstu- wie an die Fraktionssprecher des Stadtrats weiter. Die Ad- dien teil. Gleichwohl werden die Kürzungspläne bereits ressaten zeigten sich interessiert und gesprächsbereit. Zu- auf der regulären Sitzung zur Sprache kommen: Die stu- gleich bemühte sich die Juso-Hochschulgruppe, die unter dentischen Senatoren wollen beantragen, dass die Sonder- anderem mit dem vorsitzenden Stura-Sprecher Clemens sitzung abgesagt wird und das Rektorat sich vorerst nicht Wagner auch im Aktionsbündnis vertreten ist, die SPD- mehr um konkrete Stellenstreichungen kümmert. Beglei- Fraktion umzustimmen. Auch aus der CDU-Fraktion sind tend hat das Aktionsbündnis zu einer Demonstration auf positive Signale gekommen. dem Universitätsplatz aufgerufen, zu der bei Redaktions- Somit wird der Stadtrat wohl am 12. Dezember, nach schluss schon über 500 Zusagen auf Facebook eingegan- Redaktionsschluss dieses Hefts, eine Erklärung zur Un- gen waren. terstützung der Universität verabschieden, in der er aus- Aber auch die Protestierenden rechnen nicht da- drücklich weitere Budgetkürzungen ablehnt und das Land mit, dass die Sondersitzung vom 19. Dezember abgesagt zu einer angemessenen Finanzierung auffordert. Unklar wird. Schließlich hatte der Senat im Oktober das Rek- ist, ob auch ein lokales oder regionales Dialogforum zur torat noch mehrheitlich zur Erarbeitung konkreter Kür- Zukunft der hallischen Hochschulen eingerichtet wird wie zungsvorschläge aufgefordert. Und so werden nach Lage Paulsen und Lange es in ihren Anträgen fordern. Dieses der Dinge am Mittwoch vor Weihnachten weitere Proteste Forum soll regelmäßig tagen und Hochschulen, Studieren- stattfinden. den- und Personalvertretungen, Forschungseinrichtun- Text: Konrad Dieterich gen, Stadt und Saalekreis sowie eventuell auch die regio- Fotos: Johanna Sommer, Johannes Klemt nale Wirtschaft und die Landesregierung mit einbeziehen. • Aktionsbündnis MLU – Perspektiven gestalten Am 12. Dezember demonstrierten Studierende auf dem Uniplatz für www.stura.uni-halle.de/aktionsbuendnis eine gute Bildung. Hier ein Archivbild vom 17. Juni 2009. 6 hastuzeit 45
uni Uni Interesse Pause Der Kapitalismus und die Krise Die neugegründete Institutsgruppe Politikwissenschaften lud zu ihrer ersten Veranstaltung ein. Der kleine Raum war schon vor Beginn der Diskussion sich Methmanns Ausführungen um die problematischen gut gefüllt. Das Publikum verteilte sich auf Sofas und Folgen der Green Economy und wie diese sich in Zukunft rasch herbeigeholte Sitzkissen. Die erste von der Insti- weiter entwickeln solle. tutsgruppe der Politikwissenschaften organisierte Ver- Vieles, was den Zuhörern geboten wurde, verschwand anstaltung fand als Podiumsdiskussion zu dem Thema schnell im Dickicht der verschiedenen Schulen und Theo- »Wege des Kapitalismus aus der Krise« am 27. Novem- rien der Politik, was es für einige aus dem Publikum sehr ber im Café Somkys statt. Als Teilnehmer waren an die- anstrengend machte, den Faden nicht zu verlieren. So kam sem Abend Benjamin von Opratko von der Universität sehr schnell, auch bei den Fragen einiger engagierter Dis- Wien und Chris Methmann von der Universität Hamburg kussionsteilnehmer, eine Fachsimpelei über Politik, de- erschienen. Methmann hatte kurzfristig zugesagt, anstelle ren Begrifflichkeiten und Definitionen auf. Was sicher- der erkrankten Professorin Angela Oels, die den Vertre- lich auch daraus resultierte, dass, wie einige Zuhörer an ein tungslehrstuhl der Internationalen Beziehungen an der paar Stellen anmerkten, die Fragestellung nicht ganz klar Uni Halle innehat. Henriette Kühnl von der IG Powi über- war, da sich Methmann und Opratko weniger ein Rededu- nahm die Moderation. ell lieferten, sondern vielmehr einander ergänzten und im Opratko, selbst ein Vertreter des Neogramscianismus, Grunde ihrer Aussagen übereinstimmen. sprach zunächst über die kulturelle Hegemonietheorie von Das Publikum stellte viele Fragen, die meist sehr aus- Antonio Gramsci. Hierbei stieg er mit einem Zitat von An- führlich mit eigenen Gedanken unterlegt waren und sich ton Čechov ein: »Eine Krise kann jeder Idiot haben. Was darum drehten, ob denn beides, Wachstum und die »öko- uns zu schaffen macht, ist der Alltag.« So sei in den letz- logische Rettung» möglich sei oder wieso der Neolibe- ten Jahren ein Dauerzustand von Krisen geschaffen wor- ralismus in den letzten Jahrzehnten so erfolgreich ist. So den wie die Finanz-, Wirtschafts- oder Klimakrise. Durch hatte man den Eindruck, dass das Thema auch hätte lau- den Neoliberalismus verschiebe sich das Kräfteverhältnis ten können: »Wege des Kapitalismus in die Krise«. Trotz zwischen Lohn und Arbeit, was dazu führe, dass die Nach- dieser Situation schaffte es Henriette, die Moderatorin, die frage nach Konsumgütern sinkt. Auf dem Kapital- und Fi- Diskussion in interessante Bahnen zu lenken, so dass jeder nanzmarkt hingegen hält die Suche nach hohen Renditen zu Wort kommen konnte. an, jedoch wird das Kapital nicht produktiv angelegt. Als Fazit lässt sich die Podiumsdiskussion als eine Danach äußerte sich Methmann zu diesem Thema. Er sehr interessante, jedoch für diejenigen mit weniger fach- sprach die Entwicklung der Green Economy an, die sich lichem Vorwissen eher anstrengende Veranstaltung seit den letzten Jahren immer mehr zu einem Erfolgsmo- zusammenfassen. dell entwickelt habe. Das sei ein Zeichen, dass auch Be- wegungen, die anfangs nicht Text: Kristina Wilke, Foto: unbekannt (gemeinfrei) zum Mainstream gehörten, ebenfalls die Chance hät- • Antonio Gramscis »Gefängnishefte« entstanden wäh- ten, Gehör zu finden. Ein rend seiner Haftzeit im faschistischen Italien. Der marxis Beispiel für die Green Eco- tische Theoretiker prägte den Begriff der »kulturellen nomy ist der Emissionshan- Hegemonie«, des herrschenden ideologischen Konsenses, del. Der Markt soll eingesetzt um den in der Zivilgesellschaft unblutig gerungen wird. werden, um die Umwelt zu retten. Durch solche Inves- • Institutsgruppen sind fachspezifische Interessenvertre- titionen soll gleichzeitig für tungen von Studierenden. Besonders zahlreich sind sie Wachstum und damit auch in der Philosophischen Fakultät I zu finden, wo der Fach- Schuldenreduktion gesorgt schaftsrat bei den vielen Instituten und Studiengängen werden. Weiterhin drehten Antonio Gramsci (1891–1937) kaum den Überblick behalten kann. hastuzeit 45 7
uni Uni Interesse Pause … zum Texten, Knipsen, Zeichnen? Hast Du Spaß am journalistischen Schreiben oder bist ein kreativer Kopf ? Dann bist Du bei der Studierendenschaftszeitschrift hastuzeit genau richtig. Wir treffen uns mittwochs um 18.oo Uhr im Sturagebäude (Uniplatz 7) und freuen uns über interessierte Studierende aus allen Fachrichtungen. 8 hastuzeit 45
uni Uni Interesse Pause Baked Beans und Doppeldeckerbusse Passend zum Heftthema prüft unsere Außenreporterin Caro an der Erasmus-Partneruni in Newcastle diesmal kontinentaleuropäische Vorstellungen von »den Engländern« auf ihren Wahrheitsgehalt. Bedankt man sich in Deutschland beim Busfahrer für die sen kann, erfolgt auch der Ausstieg aus dem Bus im Gän- Fahrt, wird man bestenfalls angegrummelt und vielleicht semarsch. Und das bereits erwähnte Bedanken beim Bus- noch angeguckt, als käme man vom Mars. Ganz so weit fahrer gehört auch dazu. muss man allerdings tatsächlich nicht reisen, um dies als Das Schlangensystem an Supermarktkassen hingegen gängige Alltagspraxis zu erleben. Was gilt sonst noch als habe ich noch überhaupt nicht durchstiegen. Das wirkt typisch englisch? Und was ist es wirklich? eher baumkronenartig mit vielen Verästelungen. Oder so ähnlich. Man stellt sich irgendwo an und ist dann irgend- Klischee 1: Engländer sind sehr höflich. wann dran. Stimmt. Drei Floskeln der Entschuldigung oder der Bitte innerhalb eines Satzes sind quasi Standard. Und das oft Klischee 3: Die Einrichtung englischer Häuser und gern. So entschuldigen sich die Engländer auch dann, ist ziemlich bunt zusammengewürfelt. wenn sie angerempelt werden. An den Dank an die Kun- Teilweise. In studentischen Haushalten ist die Einrich- den hängen Kassiererinnen gern noch eine Floskel der tung auch manchmal eher gar nicht vorhanden. Dafür liegt Liebkosung wie »Darling« oder »Love«. im Durchschnitt ziemlich viel Zeug auf Fußböden herum. Darüber hinaus neigen sie zum exzessiven Relativieren, Vielleicht ist das dann ja die englisch-studentische Defini- was für deutsche Ohren durchaus verwirrend sein kann. tion von Einrichtung. So schrieb mir meine Fußballmannschaftskapitänin am Was die Ausstattung angeht, ist Einfachverglasung Sonntag vor unserem ersten Auswärtsspiel: »Kannst du noch weit verbreitet. So sind die Backsteinbauten zwar Mittwoch in Leeds spielen? Ist nicht schlimm, wenn hübsch anzuschauen, aber im Winter nicht unbedingt nicht.« Auf meine Antwort, dass ich noch mit einer Do- übermäßig komfortabel. zentin sprechen müsste und ihr das dann Montag definitiv sagen könnte, schrieb sie zurück: »Lass dir alle Zeit, die du brauchst. Ich will unbedingt, dass du spielst!« Ja, was denn nun? Apropos Fußball: Die Höflichkeit kennt auch Ausnah- men. Auf dem Platz hört man durchaus einmal wüste Be- schimpfungen, die in Deutschland garantiert mit einem Platzverweis geahndet würden. Fußballplätze sind aber nicht die einzige Ausnahme der Höflichkeit: Sogar in der Uni kommt es vor, dass Dozen- ten ihre Studenten – wenn auch im Scherz – als »brutale Schlampen« bezeichnen. Und die Höflichkeit im Nachtleben – na ja, die ist wohl ein Kapitel für sich. Klischee 2: Engländer stehen gern Schlange. Teilweise. Eigentlich vor allem an der Bushaltestelle. Ganz geordnet betritt einer nach dem anderen den Bus und zeigt seine Fahrkarte oder kauft diese beim Fahrer. Dass viele der Busse hier tatsächlich Doppeldeckerbusse sind, macht einem zusätzlich deutlich, dass man in England ist. Da man die Busse auch nur durch die eine Tür vorn verlas- Hier stehr Caro im englischen Regen. 10 hastuzeit 45
uni Uni Interesse Pause Schön anzusehen, aber im Winter eher kalt: Backsteinhäuser in Newcastle Klischee 4: Engländer lieben ihren Regen. schen ist es zu unserem eigenen morbiden Scherz gewor- Falsch. Zu meinem großen Entsetzen fielen mehrere Fuß- den; wir haben uns gut angepasst. ballspiele und -trainings dem Regen zum Opfer. Als Nicht- Engländer sollte man zwar nichts gegen das englische Wet- Klischee 7: Engländer sind kulinarisch ter sagen, aber die Einheimischen tun das doch durchaus nicht besonders bewandert. gern. Wenn das Wetter mal wieder so richtig schön »eng- Ansichtssache. Das typisch englische Essen ist in jedem lisch« ist, bin ich mit meiner Begeisterung meist in der Fall durchaus deftig und fettig. In den Supermärkten sind Minderheit. Obst und Gemüse eigentlich nie im Angebot, Süß- und Knabberkram dafür immer. Fish’n’Chips finde ich persön- Klischee 5: Engländer sind trinkfest. lich ab und zu lecker – aber eben auch mächtig und somit Na ja. Fakt ist: Newcastle ist Party-Hochburg. Fakt ist nicht für den täglichen Verzehr zu empfehlen. auch: Es wird viel getrunken, erschreckend viel. So richtig Das stereotypische Frühstück mit Bohnen, Würstchen, gut klar kommen damit aber nicht alle. Dass Leute wegen Tomaten, Speck, Spiegeleiern, Kartoffeln und Champig- fragwürdigen Benehmens aus den Klubs geschickt wer- nons nehmen im Alltag die wenigsten zu sich. Viel verbrei- den, von Freunden nicht nur gestützt, sondern vielmehr teter, vor allem unter Studenten, ist ein Coffee-to-go und getragen werden müssen oder gar im Gefängnis landen, ist ein Muffin. Apropos Kaffee: Diesen im Supermarkt frisch leider auch unter der Woche keine Seltenheit. selbst zu mahlen, ist absolut nicht verbreitet, und über- Das Nachtleben setzt, wie bereits erwähnt, die sonst haupt die Möglichkeit, guten Kaffee zu halbwegs akzepta- allgegenwärtige Höflichkeit außer Kraft: Es wird gedrän- blen Preisen zu bekommen, ist gering. Notgedrungen habe gelt, geschubst, gewürgt, geprügelt. ich mich hier zum Teetrinker entwickelt. Klischee 6: Engländer haben einen schwarzen Humor. Klischee 8: Engländer messen Ampeln Tendenziell schon. In meinem Umfeld haben sie zumin- nicht übermäßig viel Bedeutung bei. dest einen sehr trockenen Humor. Und sie nehmen sich, Stimmt. Eine Ampel macht auf eine Straße aufmerksam. auch in Büchern, gern selbst aufs Korn. So wird in »100 Der durchschnittliche Engländer guckt zuerst, ob ein Auto englische Dinge, die man getan haben sollte« auch aufge- kommt, betritt dann die Straße und guckt dann (viel- führt, dass man die Kleidung eines Verstorbenen tragen leicht), welche Farbe an der Ampel gerade leuchtet. Die soll. Etwas morbid ist der Humor also schon. Autos werden gegebenenfalls schon hupen. So fragten meine Mitbewohnerin und ich uns dann Darüber hinaus gibt es, zumindest in Newcastle, fast auch, ob es sich nur um einen »englischen« Scherz han- nirgendwo Radwege, so dass die Radler dann irgendwo delte, als in der ersten Woche im Wohnheim eine Leiche mit auf der Straße fahren. vor unserem Fenster lag. Das war es zwar nicht, aber inzwi- Text und Fotos: Caroline Bünning hastuzeit 45 11
uni Uni Interesse Pause Die schönsten China-Klischees Vorurteile beeinflussen viele Menschen in ihrer Meinung zu fremden Ländern. hastuzeit-Redakteurin Alisha will den Mythen zu China auf den Grund gehen. Sun Qi (25) studiert seit 2010 an der MLU Medien- und alle. Auch hier essen nur die Menschen aus dem Süden Kommunikationswissenschaften und Wirtschaftswissen- täglich Reis. Trotzdem existiert dieses Bild hartnäckig, schaften. Ursprünglich stammt er aus der Provinz Shan- vergleichbar mit dem Vorurteil, dass wir Deutschen alle dong im Nordosten von China, gut 7800 km von Halle nur Brezeln und Sauerkraut essen. entfernt. Vor unserer Unterhaltung habe ich die besten Vorurteile über China aus dem Internet notiert. Diese lege Chinesen arbeiten fleißig und viel, ich Qi vor, mit der Bitte, diese zu verifizieren oder auch zu verdienen aber wenig Geld. falsifizieren. »Wir in China haben genug Geld, um uns einen angeneh- men Lebensstandard leisten zu können«, behauptet Qi, Alle Chinesen essen Hunde und Katzen als er dieses Vorurteil hört. In China wird mit Yuan gezahlt »Nein, das stimmt nur zum Teil«, klärt Qi mich sofort (1 Yuan = 10 bis 12 Cent). Die Lebenskosten sind im All- auf. Nicht alle Chinesen verspeisen süße Haustiere zum gemeinen nicht so hoch wie in Deutschland. Ein Arbeiter, Abendbrot. Nur in Südchina gibt es eine Provinz namens der ca. 25 Tage im Monat arbeitet, verdient 3000 bis 4000 Guangdong, in der Katzen und Hunde tatsächlich geges- Yuan; das Geld reicht für ein gutes Leben. Für eine schi- sen werden. Generell verspeist die Bevölkerung dort alle cke Stadtwohnung muss ein Arbeiter schon rund 1 000 000 Tiere, deren Rücken zur Sonne gewandt sind. Das Prob- Yuan aufbringen. lem dabei ist, dass genau diese Menschen als erste Chine- sen in das Ausland gereist sind. Sie sind also das Aushän- Chinesen dürfen alle nur ein Kind haben. geschild für alle anderen Chinesen gewesen, und genau »Ja, das stimmt. In den 1970ern wurde die Ein-Kind-Poli- deshalb denken wir, dass Asiaten Hunde und Katzen tik in China eingeführt. Wir wollen dadurch ein weltweit essen. Und falls ihr gerade drüber nachdenkt, ob Chine- positives Ziel erreichen, denn es gibt mittlerweile zu viele sen jeden Tag Reis essen, kann ich euch sagen – nein, nicht Menschen auf der Erde.« verteidigt Qi das politische 12 hastuzeit 45
uni Uni Interesse Pause Vorgehen. In der Zeit Mao Zedongs waren Kinder sogar erwünscht. In den Jahren zwischen 1949 und 1971 ist dann die Bevölkerung Chinas von 542 Millionen auf 852 Millio- nen Bürger gestiegen. »China wurde sich dieses Problems bewusst, und als Land mit der größten Bevölkerung über- nehmen wir nun die Verantwortung.« Auch Qi selbst hat keine Geschwister. »Für uns selbst ist die Ein-Kind-Politik nicht immer gut, wir sind allein, und die Gesellschaft wird immer älter.« Trotz allem sollte man sich bei einer Missachtung der Ein-Kind-Politik darauf ein- stellen, viel Geld bezahlen zu müssen. Chinesen sehen alle gleich aus und tragen alle den gleichen Mao-Anzug »Ja, wir haben alle braune Augen und in der Regel auch schwarze Haare«, stimmt Qi zu. Dennoch kann er von ein paar wenigen Jugendlichen erzählen, die ihre Haare auch mal grün, rot, oder auch gelb färbten. Doch diese seien eher die Ausnahme. »Wir tragen nicht alle die gleiche Kleidung, vor allem keinen Mao-Anzug«, dementiert Qi. Der sogenannte Mao- Anzug ist meistens grau und wurde von Mao Zedong be- rühmt gemacht. Deshalb steht er auch für die Revolution. Die zwei Brusttaschen des Anzuges stehen für die Gewal- tenteilung. Doch nur die wenigsten wissen, dass der Anzug eigentlich von einem gewissen Sun Zhongshan erfunden wurde. Mittlerweile ist der Anzug außer Mode gekommen. Chinesen behandeln Ausländer wie Könige »Ja, wir in China sind sehr freundlich, auch zu Auslän- dern. Aber die Freundlichkeit ist unsere Natur, wir sind nicht nur zu den Ausländern höflich. Wir sind es immer, auch untereinander«, erklärt mir Qi. Tja, so besonders sind wir Europäer dann also doch nicht. Chinesen sind einfach ein lächelndes Volk und lassen jedem gleicherma- ßen ihre Freundlichkeit zuteilwerden. Chinesisch ist eine schwere Sprache »Ja, auch das stimmt. Die Wörter im Chinesischen haben einfach zu viele Bedeutungen.« versucht Qi mir die Schwierigkeiten mit der Sprache näher zu bringen. Das Wort 表 wird »Biao« gelesen und kann einerseits Formu- lar, Liste und Tabelle bedeuten, andererseits auch Uhr und Thermometer. »Die Bedeutung ergibt sich erst durch den Kontext«, erklärt Qi. Mir wurden sechs große Vorurteile zu China von ei- Der »Mao-Anzug« ist wirklich aus der Mode gekommen. nem echten Kenner erklärt. Am Ende muss man feststel- 1984 (hier eine Straßenszene aus Peking) war das noch anders. len, dass man über ein fremdes Land doch nicht alles weiß, auch wenn man es vielleicht glauben mochte. Mein Tipp: lieber das Land selbst entdecken und weniger auf andere Text: Alisha Führer hören! Fotos: Privat, kattebelletje (Flickr, CC BY-NC 2.0) hastuzeit 45 13
uni Uni Interesse Pause Freundschaft, Kulturschock und Kühe Markus, 25, studiert International Area Studies an der MLU und ist seit 2008 Mitglied bei AIESEC. Im Sommer 2011 hat er für anderthalb Monate in Ahmedabad, der viertgrößten Stadt Indiens, ein Praktikum absolviert. Wie bist du darauf gekommen, in Indien ein Praktikum zu machen? Hast du schnell Anschluss gefunden? Mit AIESEC haben wir einige Praktikanten aus Ahme- Ich hatte ja schon ein paar Freunde dort, aber auch sonst dabad betreut. Mit zwei von ihnen habe ich mich sehr gut habe ich schnell Leute kennengelernt. Inder sind im Allge- verstanden. Wir sind zusammen durch Europa gereist, und meinen sehr offen und gastfreundlich. Auch untereinan- sie haben mir sehr viel über Indien, ihre Kultur und Religion der reden sie viel öfter als Europäer. Anschluss zu finden ist erzählt. Das hat mich neugierig gemacht. Da hat es sich an- somit sehr leicht, weil man ganz oft von neugierigen Men- geboten, nach Indien zu gehen. schen auf der Straße angesprochen wird. Auch die Kinder winken einem immer interessiert zu. Hat sich dein Bild von Indien während des Aufenthalts verändert? Mein Bild hat sich vor allem aus dem zusammengesetzt, Hattest du den berüchtigten »Kulturschock«? was mir meine Freunde berichtet haben. Ich erwartete eine Ja, ich würde sagen, am A nfang war es schwierig, und reiche Kultur, in der der Hinduismus eine große Rolle spielt ich hatte schon einen Kulturschock. Meine Unterkunft und in der viele Feste gefeiert werden. Auch auf viel Armut war nämlich sehr indisch. Ich hatte eine indische Toilet- und dreckige Städte machte ich mich gefasst. te, also eine Toilette, wo man hocken muss und ohne To- Vieles hat sich bestätigt: ich kam zur Monsunzeit an. ilettenpapier. Es existieren eben andere Hygienevorstel- Ganz stereotypisch herrschte total viel Verkehr, und überall lungen. Es hat etwas gedauert, bis ich mich getraut habe, waren Kühe auf den Straßen. nach Toilettenpapier zu fragen. Wie hast du dort gelebt? Wie hat dir Indien gefallen? Ich habe bei meinem Chef in einem seiner Gästezimmer Großartig. Zu der Zeit wurden viele Feste gefeiert, wie gewohnt. Da es ein unbezahltes Entwicklungspraktikum zum Beispiel das Ende des Ramadan oder der Geburtstag war, hat er auch für mein Essen gesorgt. von Krishna. Bei Festen wird viel getanzt, und das Essen spielt eine große Rolle in der Kultur. In der Region um Ah- Wie sah deine Aufgabe dort aus? medabad ist das Essen streng vegetarisch, und es schmeckt Mein Praktikum habe ich bei der NGO »Society for sehr gut. Ich habe fünf Kilo zugenommen …(lacht) Promoting Rationality« (SPRAT) gemacht. Diese wurde Es ist auch sehr viel Leben in den Straßen. In Deutsch- 2002 gegründet, als Unruhen zwischen Muslimen und Hin- land stagniert alles, aber in Indien merkt man, dass die Leu- di in einem Anschlag und angezündeten Häusern endeten. te sehr motiviert sind und viel erreichen wollen. Sie haben SPRAT setzt sich für rationales Denken ein, indem sie alle einen Plan, was sie mit ihrem Leben machen wollen, Bildung und Wissen fördert. Ihr Ziel ist es, dass die Men- und verfolgen ihn fleißig. Das hat mich begeistert. schen nicht »blind der Religion folgen«, sondern friedlich zusammenleben. Verschiedene Projekte sollen dies fördern. Hast du auch negative Erfahrungen gemacht? So baute die NGO zum Beispiel einen riesengroßen Spiel- Am Anfang war es schwierig einzuschätzen, inwiefern platz zwischen muslimischen und hinduistischen Slums, auf sich die Höf lichkeit im Vergleich zu der deutschen unter- dem sie sich friedlich begegnen können. scheidet. Ich denke, mein Chef fand mein Verhalten etwas Meine Aufgabe im Praktikum war, mich um die Websi- flegelhaft, weil ich beispielsweise seine Tasche nicht reinge- te der NGO zu kümmern. Ich habe am PC gearbeitet, Netz- tragen habe. Man muss dort viel höf licher und zuvorkom- werke geknüpft und dafür gesorgt, dass die Website leicht mender sein. über Suchmaschinen zu finden ist. Inder sind generell sehr hilfsbereit, aber es kommt leider nicht immer etwas Gutes dabei heraus. Einmal musste mei- 14 hastuzeit 45
uni Uni Interesse Pause Markus mittendrin beim Fest der Farben (Holi) ne Kamera repariert werden, und Kollegen haben ihre Hilfe wieder hier bin, besuche ich meine Familie zuhause öfter. angeboten. Nach zwei Wochen, in denen sie kaputt im Büro Das ist mir wichtiger geworden. Außerdem habe ich viel ge- herumlag, hat sie dann mal jemand zur Reparatur gebracht. lernt von Indien. Inder lächeln viel mehr. Das versuche ich Dort wurde dann auch festgestellt, dass sie wirklich beschä- in meinen Alltag einzubauen, aber es klappt noch nicht im- digt war. Das war nicht ganz so hilfreich. mer so. (lacht) Gab es auch Missverständnisse? Wie bist du mit der Betreuung durch AIESEC zurechtgekommen? Ja, wenn Inder etwas nicht verstehen, fangen sie an zu la- Die Kommunikation mit AIESEC in Deutschland hat chen. Ich habe eher verwirrt geguckt, was sie als unfreund- sehr geholfen. Mit dem indischen AIESEC-Team hat es lei- liches Gesicht gedeutet haben. Auch Rikschas haben mich der nicht so gut funktioniert. Sie waren zwar sehr hilfsbe- permanent an die falschen Orte gebracht, weil sie nicht ver- reit, aber es gibt dort sehr viel Bürokratie, und sie hatten viel standen haben, wo ich hinwollte. zu tun. Ich hätte gerne beim lokalen AIESEC-Team mitge- arbeitet, aber ich hatte kaum Kontakt zu ihnen. Ich möchte Hat sich seit dem Praktikum viel für dich verändert? aber sehr gern noch einmal ein Praktikum mit AIESEC ma- Ich hatte einen Kulturschock, als ich wieder nach Hau- chen. Dann auch ein längeres, professionelleres und bezahl- se kam. Meine Freunde in Deutschland hatten nur wenig tes. Ich weiß noch nicht, wo und was, aber definitiv ja! Zeit, weil sie für die Uni lernen mussten. In Indien versuch- ten meine Freunde sich immer Zeit zu nehmen, obwohl sie Interview: Hannah Stoll, Foto: Privat den ganzen Tag arbeiten müssen oder eine Familie haben. Ich wurde auch oft zu den Familien eingeladen. Seitdem ich hastuzeit 45 15
uni Uni Interesse Pause AIESEC?! Die größte internationale Studentenorganisation vermittelt betreute Auslandspraktika in mehr als 100 Ländern. Seit rund 60 Jahren sind sie in Deutschland tätig und haben mittlerweile 47 Standorte; der in Halle existiert seit 2005. Ziel von AIESEC ist es, Studierenden zu ermöglichen, ter und welche Fachrichtung – ein Profil bei AIESEC er- fremde Kulturen kennenzulernen und ihr interkulturelles stellen und sich in die Datenbank eintragen lassen. Bei Verständnis zu fördern. Für diesen Zweck bietet die Orga- 10 000 Stellen ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr hoch, nisation zwei Arten von Praktika an. einen passenden Platz zu finden. »Global Internship«-Programme sind fachbezogene Vor dem Reiseantritt muss noch ein interkulturelles Se- Praktika, die bezahlt werden und eine Zeitspanne von drei minar besucht werden, um einen möglichen »Kultur- Monaten bis zu anderthalb Jahren umfassen. Die Aufga- schock« zu vermeiden. Für die Bürokratie, Profilerstel- benfelder konzentrieren sich auf den IT-Bereich, BWL/ lung, Datenbankeintrag und das Vorbereitungsseminar VWL, Ingenieurwesen und Marketing. berechnet AIESEC Kosten von 350 Euro – inklusive 50 Darüber hinaus gibt es die »Global Community Euro Kaution. Development«-Programme. Diese sozial ausgerichteten Über neue Mitglieder würde sich AIESEC dennoch Praktika sind bis auf ein Taschengeld meist unbezahlt, freuen. Sechs verschiedene Teams kümmern sich um Auf- dauern in der Regel aber auch nur sechs bis acht Wochen. gabenbereichen wie den »Incoming Exchange«, »Outgo- Sie dienen der Sozialentwicklung im jeweiligen Land und ing Exchange« oder die Finanzen. Die Mitarbeiter be- sind darauf ausgerichtet, die Kultur kennenzulernen. treuen ausländische Praktikanten in Halle oder bereiten Oft besteht der falsche Eindruck, man müsse Mitglied deutsche Studierende auf einen Auslandsaufenthalt vor. bei AIESEC sein, um über die Organisation ins Ausland zu gehen. Generell kann jeder Student – egal welches Semes- Text: Hannah Stoll, Foto: Privat 16 hastuzeit 45
Uni Interesse Pause »Lichterglanz«: Beschäftigung für lange Winterabende Bis Ende Februar lässt die EVH die Ziegelwiese im Weihnachtslook erstrahlen. Es ist Nacht, und die Tiere sind noch wach. Schuld sind die die Bäume. Mein neuer Freund und ich erfreuen uns noch Studenten, die mit Glühwein in der Hand vor fünf leucht- eine Weile an dem Anblick und gehen auf den Weihnachts- enden Bäumen stehen und die Lämpchen zählen. »44, 45, markt einen Glühwein trinken. Denn der mitgebrachte 46 … hmm, bei welcher Zahl war ich noch gleich?« Ein Glühwein der Studenten ist bereits alle, und sie nüchtern Schwan schnattert wütend zurück, dass es die 46 war. Für schon wieder aus. die zehn besten Schätzungen, so erklärt mir ein Passant, verschenkt die EVH GmbH zehn wärmende Kuscheleis- »Wir haben die Ziegelwiese ausgewählt, weil die bären. Deswegen stehen nun nachts Studenten um die Innenstadt durch die Händler bereits weihnachtlich Lämpchen und zählen. beleuchtet und dekoriert wird.« – Martin Schmitz, Bei näherer Betrachtung entdecke ich, dass die fünf Bereichsleiter Marketing und Vertrieb der EVH GmbH. Bäumchen mit jeweils einem Lichterschlauch umrankt sind. Was sind das nur für Schläuche? Der Passant meint, Am nächsten Tag, dem 8. Dezember, veranstalten dass das LED-Lampen sind, die mit Plaste umhüllt wur- die fünf leuchtenden Bäume eine Einweihungsparty. Per den. So langsam kommen wir ins Gespräch, mir fällt ein, Werbung locken die Bäume mich zu diesem »Überra- dass die Lampen sehr gut für die Umwelt sind und 90 Pro- schungsevent«, wie sie es selber nennen. Ab 15 Uhr be- zent weniger an Energie verschwenden als eine herkömm- mühe ich mich überrascht zu wirken und darf ganze zwei liche Glühbirne. Der Passant stimmt mir zu: »Aber nun Stunden herrliche Adventsmusik hören. Ich drehe an ei- kann sich keiner mehr an den Lämpchen aufwärmen, da nem Glücksrad und erhalte leider was zum Naschen und sie weniger Wärme abstrahlen. Deshalb wird ein Glühwein kein tolles Werbegeschenk. Andere Besucher geben bis 17 nach dem anderen getrunken.« So ein Lichterschlauch, Uhr ihr Geld für einen Glühwein, Kakao oder Plätzchen meint er, sei irgendwie einer Kondomwerbung gleichzu- aus. An der Feuerschale wärme ich mich auf und darf mir setzen: Es wird keine Lichterkette verwendet, denn diese nach der Adventsmusik auch noch das Jugendblasorches- hält dem harten europäischen Winter nicht stand. Die ter Halle anhören. Danach laufen alle Eltern mit ihren Kin- Plaste schützt die Lampe vor jedem falschen Eindringling. dern und diese wiederum mit Lampions in einem Umzug »Erstaunlich, und wie viel bezahl ich für den Spaß?« an den fünf leuchtenden Bäumen vorbei. Die Einnah- Er winkt ab und verdreht leicht die Augen. Fünf Euro pro men teilten sich das Jugendblasorchester Halle für ihren Nacht gibt die EVH aus. Dass sich der Strompreis bald von Auftritt und die Kita Froschkönig für die Ausbildung ih- 23,63 Cent brutto auf 26,25 Cent erhöht, hängt also nicht res Therapiehundes. An jenem Tag bemühen sich die fünf mit den fünf beleuchteten Bäumen zusammen. Bäume und das Team der Stadtwerke, besonders weih- Wir schwelgen in Erinnerungen an den Sommer. Wie nachtlich auszusehen. schön war das, als die Hunde an die Bäume gepinkelt ha- ben und das Grünflächenamt die Bäume heimlich gepflegt Text: Johanna Sommer, Foto: Christian Schoen hat, ohne dass man es bemerkte. Jetzt pinkeln andere an hastuzeit 45 17
Uni Interesse Pause 60 Künstler auf 1500 m² Zwei Initiatoren wagten das Experiment, einen Kunstraum zu eröffnen, und setzen die Serie fort. In der Großen Ulrichstraße 19–21 findet bis zum 22. Im Sommer 2011 fing die Ausstellung der beiden Künst- Dezember 2012 die fünfte Ausstellung der Initiatoren ler im Kleinformat an. »Es waren fast 25 Exponate beim Rebekka Rauschhardt und Björn Hermann statt. »Eine ersten Mal, und tatsächlich hat die Vielfalt und die Unter- Verkaufsausstellung und Werkschau von knapp 60 Künst- schiedlichkeit der Arbeiten das Publikum sofort begeis- lern, wo wir Malerei, Bildhauerei, Fotografie, Schmuck tert.« Als es Winter wurde, verlagerten sie die Ausstel- und Textilbuchkunst zeigen. Der Kunstraum wird beglei- lung von der Leipziger Straße in die Große Ulrichstraße. tet von Kulturveranstaltungen, Lesungen und Auftritte Doch diesen Winter gab es, statt einer Rede wie im ersten von Musikern.« Kunstraum, einen Auftritt der Sopranistin Julia Preußler. Die Idee für die Ausstellung kam den beiden Künst- »Diesmal dachten wir, wir wollten es dramatisch haben, lern, da sie keinen Ausstellungsraum für ihre Arbeiten ge- und da fiel uns ein, dass die Künstlernamen gesungen wer- funden hatten. Wenn man doch das Glück hat, einen zu den könnten. Sie hat innerhalb von zwei Wochen knapp finden, muss man Transportkosten bezahlen. Oftmals gibt 60 Künstlernamen auswendig gelernt und diese unglaub- es nicht genügend Platz für alle Werke, und man verkauft lich dramatisch klassisch gesungen, wie eine Arie.»Für nicht sehr viel, wie mir Rebekka berichtet. »Da haben wir Rebekka und Björn war das »der Hammer«. einfach gedacht: Wir machen jetzt selber eine. Es wäre Für die Eröffnung gestalteten sie den Kunstraum sel- aber vielleicht zu langweilig, wenn wir unsere eigenen Sa- ber. Sie hängten nicht nur Gemälde von Künstlern auf, chen ausstellen. Also fragen wir alle, die wir kennen, ob sie sondern auch von Studenten, Anfängern oder freischaf- auch Lust haben mitzumachen.« fenden Künstlern. Schließlich darf jeder mitmachen, da Beide Künstler haben zusammen an der Burg Gie- es keine Kriterien gibt. Die Initiatoren entwickelten auch bichenstein studiert. Björn hat sich als jetziger Student Sympathien für bestimmte Werke. Einer Meinung sind sie auf Malerei und Textile Künste spezialisiert. Rebekka ist zu den Bildern von Christine Bergmann: »Die Bilder sind schon seit zwei Jahren mit ihrem Diplom fertig. malerisch wahrscheinlich sehr einfach, aber wenn man es versuchen würde nach- zumachen, würde man mit sich ganz schön ins Hadern kommen. Es ist ein ganz leich- ter Pinselstrich, der sitzt dann auch, und das ist das Schöne an ihren Werken.« Auch zu den anderen Ge- mälden hat Rebekka viel zu erzählen: »Die Grafiken von Bar- bara Wege sind Zeich- nungen mit leichter Farbe, und die von Un- dine Hannemann sind recht wilde Bilder, wo es ganz schön drunter und drüber geht. Ein sehr freier Strich, aber 18 hastuzeit 45
Uni Interesse Pause am Ende funktioniert es wie eine Geschichte.« Björn fas- ums der Kunststiftung Sachsen-Anhalt ihr Projekt zum ziniert aber noch mehr, wie die vielen unterschiedlichen Thema »Die Wäsche meiner Nachbarn« im Kunstraum Stile der Bilder in Kombination mit den Plastiken sich ge- Rauschickermann. genseitig bereichern und zusammenspielen. Auch die bei- In der Zukunft sieht sich Rebekka immer noch mit ih- den haben für die Ausstellung an einigen Werken gearbei- rem Pinselstiel in der Hand. »Ich brauche nur die Kunst, tet. Björn bezeichnet sich selber als abstrakter Maler und um glücklich zu sein.« Dann erzählt sie noch, dass im Mo- bevorzugt Haut-, Rot- und Orangetöne. »Es sind keine ment ein kleines Kunstprojekt ihre eigene Vita ist. »Ich konstruierten Flächen in den Bildern zu sehen, und sie selber langweile mich total, wenn ich die Viten anderer vermitteln eine Unendlichkeit.« Doch da seine Bilder sehr Leute lesen muss oder lesen möchte. Da habe ich gedacht, großformatig sind, hat er sehr wenig ausgestellt. Rebekka ich drehe an der Form, so dass es interessanter wird. Aber hat dagegen sehr viel an Platz gefüllt. Sie bevorzugt Voll- ich gehe sogar die Gefahr ein, dass es lächerlich wird.« Da- farben und malt sehr gerne Portraits. Ihre gemalten Ge- bei fällt ihr ein: »Ach, Björn müsste demnächst auch mal sichter sind abstrahiert, aber noch leicht naturalistisch. Diplom anmelden.« Doch er meint nur: »Die nächsten Ein Ausstellungsstück von Rebekka ist mit einem kräf- Ziele sind unter Umständen das Diplom zu machen. Was tigen, strahlenden Gelb gemalt worden und trägt den Titel natürlich schön ist, wenn man mit dem Kunstschaffen all- »Gelbverbot«. In ihrer Studienzeit hatte sie in einem ein- gemein in all seinen Facetten, so wie wir es hier betreiben, stimmigen Urteil von ihrem Professor und ihrer damaligen leben und überleben kann.« Klasse ein Gelbverbot erhalten. Auch in Björns Studium Rebekka Rauschhardt und Björn Hermann sind mit ist nicht alles glattgegangen. »Also, es passieren schon ein- der jetzigen Ausstellung zufrieden und wollen 2013, im mal Missgeschicke, wenn man übermüdet ist. Dass einem Zeitraum der Händelfestspiele, wieder einen Kunstraum möglicherweise der komplette Farbeimer umkippt, die rie- eröffnen. sige Farblache irgendwo landet, wo sie nicht landen soll. In dem Moment ist das natürlich nicht ganz so lustig, und Text: Johanna Sommer, Fotos: Christian Schoen es wird trotzdem irgendwie mit hysterischem Lachen be- gleitet, weil es einfach so unbegreiflich ist.« Nun brechen • Sa, 15. Dezember, 19.00 Uhr : Gedichtvortrag von beide in Gelächter aus. Margarete Wein zusammen mit Simone Juppe (Percus- Auf die Frage, ob man denn von der Kunst leben sion) und Gerlinde Poldrack (Saxophon) könne, fängt Björn wieder an zu lachen. Beide tätigen viele künstlerische Nebenjobs. Er selber hat durch eine Initia- • Di, 18. Dezember, 19.00 Uhr tive der Bürgerstiftung mit vielen anderen Künstlern oder Improvisationstheater »BilderReise« Kunstpädagogen Kindern aus Halle-Neustadt Kunst und Kultur nähergebracht. Ab und zu erhalten sie auch Auf- • Sa, 22. Dezember, 19.00 Uhr träge für Kunst am Bau. Am 3. Dezember war Björn in Finissage mit Untermalung der Trommelgruppe Weißenfels und half dort der Burgabsolventin Christine »Takt!Los!« Bergmann den Bahnhof zu verschönern. Rebekka prä- sentierte am selben Abend im Rahmen eines Stipendi- • http://www.rauschickermann.blogspot.de/ hastuzeit 45 19
Uni Interesse Pause Wenn der Freund und »Halle gegen rechts« fordert eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, Das Gewaltmonopol des Staates ist ein scharfes Schwert. Am Tag des Benefizkonzertes machte das Bündnis im Wasserwerfer, Pistolen, Schlagstöcke, Pfefferspray, die Rahmen einer Demonstration auf seine Forderungen auf- Polizeien sind dazu ausgerüstet und legitimiert, zum merksam. Die Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt Wohle der Sicherheit auch einmal härter durchzugrei- lehnt eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten derzeit ab, fen. Gesetze regeln, wann und wie das Schwert zum Ein- doch eine erneute Anhörung zu diesem Thema ist am 12. satz kommt. Doch was passiert, wenn Polizisten über die Dezember im Innenausschuss geplant. Die Fraktion Bünd- Stränge schlagen? nis 90 / Die Grünen hatte einen entsprechenden Antrag Zu einem solchen Vorfall kam es in diesem Jahr auch in eingebracht. Halle. Bis zu 150 Menschen demonstrierten am 7. August gegen die Sommertour der rechtsextremen Partei NPD. »Die derzeitigen Möglichkeiten sind ausreichend« Bei der Räumung einer Straße gingen die eingesetzten Be- Eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Beamte, ins- amten so rabiat vor, dass zwei der Demonstrationsteilneh- besondere in sogenannten geschlossenen Einheiten, leh- mer in der Folge des Einsatzes verletzt wurden. Einer der nen auch die Polizeigewerkschaften ab. Nach Erfahrung beiden, ein 24-jähriger Student, trug schwere innere Ver- der Gewerkschaft der Polizei Sachsen-Anhalt ist es immer letzungen davon, die in einer Notoperation behandelt wer- möglich, alle Beamten, gegen die Vorwürfe unrechtmäßi- den mussten, wie Florian Weineck, Pressesprecher von gen Handelns erhoben werden, zu ermitteln. Darüber hin- »Halle gegen Rechts« berichtet. aus werde konkret befürchtet, dass die eingesetzten Beam- ten durch Beschwerden und Strafanzeigen, insbesondere Anzeige gegen Unbekannt aus politisch extremen Szenen unter Druck gesetzt wür- Um dem Opfer des Übergriffs zu helfen, veranstal- den. Dieser Druck geht nach Ansicht von Jürgen Naatz, tete das Bündnis am 1. Dezember eine Benefizparty. Mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbandes, dem Erlös der Party sollen Krankenhaus- und mögliche auch jetzt schon bis in den privaten Bereich der Polizisten Gerichtskosten gedeckt werden. Denn im Nachlauf wird als latent bestehende Gefahr. Zwar kann er keine genauen die Maßnahme vor einem Verwaltungsgericht überprüft. Zahlen dazu nennen, verweist aber auch auf die präventive Außerdem erstattete die Anmelderin der Demonstration Arbeit als Gewerkschaft, so dass ein Fall hier schon zu viel Anzeige wegen Körperverletzung im Amt. Diese laufen wäre. derzeit noch gegen Unbekannt, ein mutmaßlicher Täter in Tatsächlich sei es schon jetzt möglich, die Namen von den Reihen der Polizei konnte nicht konkret ausgemacht Polizisten herauszufinden, um mögliches Fehlverhalten werden. Es sei daher nicht absehbar, wie schnell es zu ers- zur Anzeige zu bringen. »Die derzeitigen Möglichkeiten ten Ergebnissen komme, beurteilt Weineck den Stand der sind ausreichend«, betont Naatz. Er räumt jedoch auch Ermittlungen. ein, dass dies in unübersichtlichen Situationen oft schwie- Zwar trugen die eingesetzten Beamten an diesem som- riger sei. Hier seien jedoch zumindest Kennzeichnungen merlichen Tag keine Helme, doch dies ist selten der Fall. bis auf Gruppenstärke gegeben. Doch gerade in diesen Zu- Eine konkrete Zuordnung von möglichem Fehlverhalten sammenhängen kommt es oft zu fragwürdigen Handlun- auf einzelne Beamte ist so oft nicht möglich. gen seitens der Polizei. Beispielsweise bei Massenveran- Deswegen setzt sich »Halle gegen Rechts« für die Ein- staltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen, bei führung einer individuellen Kennzeichnungspflicht für denen geschlossenen Einheiten zum Einsatz kommen. Polizeibeamte ein. Diese könnte in Form von Nummern oder Namensschildern eine eindeutige Identifizierung von Kein grundsätzliches Problem möglicherweise unrechtmäßig gewalttätigen Polizeibeam- Zwar besteht auch nach Ansicht der Menschenrechts- ten gewährleisten. Damit unterstützt das Bündnis eine seit gruppe Amnesty International kein grundsätzliches Pro- langem bestehende Forderung, die bisher erst in zwei Bun- blem mit unrechtmäßiger Polizeigewalt in Deutschland. desländern umgesetzt wurde. Dennoch machten Einzelfälle immer wieder deutlich, dass Reformbedarf bestehe. 20 hastuzeit 45
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