Wundbehandlung ohne kurative Zielsetzung: Ein Positionspapier der Initiative Chronische Wunden (ICW) e. V.
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Der Hautarzt Übersichten Hautarzt https://doi.org/10.1007/s00105-022-04973-y Angenommen: 14. Februar 2022 Wundbehandlung ohne kurative © Der/die Autor(en) 2022 Zielsetzung: Ein Positionspapier der Initiative Chronische Wunden (ICW) e. V. Joachim Dissemond1 · Kerstin Protz2 · Cornelia Erfurt-Berge3 · Knut Kröger4 · Jan Kottner5 1 Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland 2 CompetenzzentrumVersorgungsforschung in der Dermatologie (CVderm), Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg, Deutschland 3 Hautklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland 4 Klinik für Angiologie, Helios Klinikum, Krefeld, Deutschland 5 Centrum für Human- und Gesundheitswissenschaften – Einheit Klinische Pflegewissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland Zusammenfassung Patienten mit chronischen Wunden werden heute in vielen unterschiedlichen Bereichen der Medizin behandelt. Trotz dieser großen interdisziplinären und interprofessionellen Bedeutung, fehlt es weiterhin an einheitlich akzeptierten Definitionen und Einteilungen. Eine Expertengruppe der Fachgesellschaft Initiative Chronische Wunden (ICW) e. V. hat daher auf der Basis international publizierter Literatur eine Einteilung chronischer Wunden in heilende, schwer heilende und nicht heilbare Wunden vorgenommen. Hieraus ergeben sich für den klinischen Alltag sehr wichtigen übergeordneten Ziele einer kurativen, bedingt bzw. nicht kurativen oder palliativen Wundversorgung. Es wird somit deutlich, dass der vollständige Wundverschluss nicht immer das zentral wichtige Ziel der Wundbehandlung ist. Bei vielen Patienten mit chronischen Wunden stehen daher andere Aspekte wie beispielsweise die bestmögliche Lebensqualität und die Förderung des gesundheitsbezogenen Selbstmanagements sowie die Vermeidung von Komplikationen im Vordergrund der Behandlungskonzepte. Diese Therapieziele sollten möglichst frühzeitig gemeinsam mit den Patienten differenziert und individuell festgelegt werden. Schlüsselwörter Chronische Wunden · Schwer heilende Wunden · Nicht heilbare Wunden · Kurative Wundversorgung · Palliative Wundversorgung Patienten mit chronischen Wunden wer- der Barriereverlust zwischen dem Körper den heute in vielen unterschiedlichen Be- und der Umgebung durch Zerstörung von reichen der Medizin behandelt. Trotz dieser Gewebe an äußeren oder inneren Körper- großen interdisziplinären und interprofes- oberflächen als Wunde bezeichnet [11]. Es sionellen Bedeutung, fehlt es weiterhin an handelt sich hierbei um die Beschreibung einheitlich akzeptierten Definitionen und eines Symptoms, dem sehr viele verschie- Einteilungen. Daher hat die Fachgesell- dene Ursachen zugrunde liegen können. schaft Initiative Chronische Wunden (ICW) Im klinischen Alltag werden diese Wun- e. V. in den letzten Jahren wiederholt Stan- den heute meist in akute und chronische dards für diese Themenbereiche entwi- Wunden eingeteilt. Als chronisch wird ei- ckelt [10]. So wird beispielsweise entspre- ne Wunde bezeichnet, die nach 8 Wochen QR-Code scannen & Beitrag online lesen chend den aktuellen Definitionen der ICW nicht abgeheilt ist. Unabhängig von dieser Der Hautarzt 1
Übersichten Tab. 1 Einteilung von Wunden Beispiele für Wunden ohne spielsweise geschlossene Gipsverbände Akute Wunden kurative Zielstellung („total contact cast“) oder Filzdistanzpols- Chronische Wunden terungen, sind effektive Maßnahmen, um – heilend Es gibt zahlreiche Patienten mit verschie- die Wundheilung bei Patienten mit DFU zu – schwer heilend denen Arten von Wunden, bei denen der ermöglichen [25]. Werden diese Therapi- – nicht heilbar vollständige Wundverschluss nicht das pri- en nicht konsequent durchgeführt, kann märe Ziel des Behandlungskonzepts ist durch eine Wundbehandlung lediglich zeitlichorientiertenDefinitiongibtes Wun- (. Tab. 3). versucht werden weitere Komplikationen den, die von Beginn an als chronisch anzu- Wenn beispielsweise eine fortgeschrit- und insbesondere Superinfektionen zu sehen sind, da die Behandlung eine The- tene chronische venöse Insuffizienz (CVI) verhindern. In solchen Situationen ist es rapie der weiterhin bestehenden Ursache über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte un- wichtig, durch gemeinsame Gespräche erfordert. Hierzu gehören beispielsweise zureichend therapiert wird, kommt es zu- herauszufinden, was die Ursachen da- das diabetische Fußulkus (DFU), Wunden nehmend zu einer Dermatolipofaszioskle- für sind, dass Therapien nicht akzeptiert bei peripherer arterieller Verschlusskrank- rose. Dieses bradytrophe Gewebe ist mit oder durchgeführt werden können. Durch heit (pAVK), Ulcus cruris venosum oder konservativer Therapie nicht ausreichend Veränderungen der Behandlungsprozesse Dekubitus [11]. zu behandeln, sodass dann beispielsweise und Edukation kann dann oft doch eine Oft wird angenommen, dass die über- eine radikale großflächige operative Abtra- bessere Adhärenz und in der Folge eine geordnete Zielstellung jeder Wundbe- gung („Shave-Therapie“), ggf. mit Fasziek- Wundheilung erzielt werden [28]. handlung, also auch bei chronischen Wun- tomie und anschließender Spalthaut- oder Vergleichbar mit dem DFU führen feh- den, der vollständige Wundverschluss ist. plastisch-chirurgischer Deckung empfoh- lende Druckentlastungen sowie systemi- Eine akzeptierte Ausnahme ist in diesem len wird [21]. Hierbei kann die interdiszipli- sche Faktoren und dauerhafte funktionelle Kontext die palliative Wundversorgung näre Planung der Therapieoptionen sinn- Einschränkungen wie beispielsweise aus- von Patienten mit Malignom-assoziierten voll sein. Diese größeren operativen Ein- geprägte Pflegebedürftigkeit oder die Zeit Wunden bei nicht heilbaren Erkrankun- griffe werden meist in Vollnarkose durch- am Ende des Lebens auch bei einem De- gen, deren Hauptziele die Verbesserung geführt und von vielen älteren oder auch kubitus zu nicht heilbaren Wunden [22]. der Symptomkontrolle und -linderung multimorbiden Patienten abgelehnt, so- International hat sich dafür der Begriff „skin sind [1]. International werden jedoch dass die Patienten oft über viele Jahre oder failure“ etabliert [32]. Auch wenn die kom- weitere Begriffe wie beispielsweise „non- sogar Jahrzehnte symptomatisch betreut plexe Pathophysiologie noch nicht voll- healable“ oder „maintenance wounds“ werden, ohne dass ein dauerhafter Wund- ständig geklärt wurde, handelt sich im- unterschieden, bei denen die Betroffenen verschluss erzielt werden kann. mer um druckbedingte Haut- und Gewe- ebenfalls einer dauerhaften Wundversor- Wenn es zu Wunden bei einer fort- beschäden [2, 23]. Insofern wird auch hier gung bedürfen [3, 32]. Auch hier steht geschrittenen pAVK kommt, ist die wich- ohne adäquate Therapie der Ursachen kei- ein kurativer Therapieansatz somit nicht tigste therapeutische Maßnahme die Re- ne dauerhafte Abheilung der chronischen im Vordergrund der Behandlung. Bis- vaskularisation. Diese Interventionen sind Wunden zu erzielen sein. lang gibt es für diese Bezeichnungen aber nicht bei allen Patienten mit kriti- Wenn es mehrere Jahre nach einer im deutschsprachigen Raum keine eta- scher Ischämie möglich oder von den Pa- Strahlentherapie in dem bradytrophen blierten Übersetzungen. Es war daher die tienten erwünscht, sodass hier ggf. auch Gewebe des Radioderms zu dem Auftre- Intention des Vorstandes der ICW, dass Amputationen empfohlen werden müs- ten von Wunden kommt, gestaltet sich eine Expertengruppe auf der Basis interna- sen. Die Amputation führt aber nicht zu die konservative Wundtherapie oft sehr tional publizierter Literatur eine Einteilung einer Wundheilung, sondern trennt ledig- schwierig. Hier ist es zudem sehr wichtig, chronischer Wunden vornimmt, um hei- lich physikalisch die nicht heilenden Wun- durch Biopsien eine maligne Transformati- lende, schwer heilende und nicht heilbare den vom Patienten. Hier besteht immer die on auszuschließen [19]. Insbesondere bei Wunden zukünftig besser zu differen- Gefahr, dass es auch zu neuen chronischen kleineren Arealen wäre die vollständige zieren (. Tab. 1). Durch diese heute im Wunden an den Amputationsgrenzberei- Exzision mit plastischer Deckung ggf. eine deutschsprachigen Raum noch nicht gän- chen kommt. Wird auch dieser operative Alternative. Diese Wunden werden meist gige Einteilung chronischer Wunden wird Eingriff abgelehnt, ist es ein wesentliches mit dem Fokus auf eine Schmerztherapie deutlich, dass es sehr unterschiedliche Ziel der Wundversorgung, das Risiko von und Infektionsvermeidung behandelt. realistische Zielsetzungen bei der Wund- Komplikationen zu verringern [5]. Neben den zugrunde liegenden pri- behandlung geben kann, die möglichst Wenn Patienten mit DFU keine Druck- mären Ursachen für die Wundheilungs- frühzeitig erkannt und mit den Patien- entlastung bzw. -reduzierung umsetzen, störungen, gibt es auch zahlreiche Kofak- ten bzw. den Angehörigen besprochen werden solche Wunden nicht abheilen. Ein toren oder Komorbiditäten, die die Wund- werden sollten (. Tab. 2). wichtiger pathophysiologischer Aspekt ist heilung teils erheblich beeinflussen kön- hierbei neben der arteriellen Makroangio- nen (. Tab. 4). Einige dieser Aspekte kön- pathie und der Polyneuropathie der re- nen im Rahmen des Behandlungsprozes- sultierende sog. Leibesinselschwund [27]. ses beispielsweise durch interdisziplinäre Nichtabnehmbare Versorgungen, bei- und interprofessionelle Interventionen zu- 2 Der Hautarzt
Tab. 2 Klassifikation chronischer Wunden anhand der therapeutischen Möglichkeiten und Zielstellungen Heilende Wunden Schwer heilende Wunden Nicht heilbare Wunden Englische Bezeichnung Healable wounds Maintenance wounds Nonhealable wounds Ursache der Wunde Wird behandelt Kann potenziell behandelt werden Kann nicht behandelt werden Übergeordnete Zielstellung Kurativ Bedingt bzw. nicht kurativ Palliativ Tab. 3 Beispiele für chronische Wunden, lung der Wunden aufgrund verschiede- die nicht kurativ behandelt werden können Wundtherapie bei nicht kurativem ner Gründe dauerhaft nicht erzielt werden Behandlungsansatz Ulcus cruris venosum mit Dermatolipofas- ziosklerose ohne Möglichkeiten zur operati- können. Es kann somit wiederholt zu Rezi- ven Intervention diven kommen. Beispielsweise können es Grundsätzlich sollte die Entscheidung, was Wunden bei kritischer Ischämie ohne Mög- persönliche Aspekte oder Umgebungsfak- das übergeordnete Ziel der Wundversor- lichkeit einer Revaskularisation toren sowie fortschreitende und nicht be- gung ist, so frühzeitig wie möglich gemein- Diabetische Fußulzera ohne Möglichkeit handelbare Grunderkrankungen sein, die sam mit den Patienten und ggf. Angehö- bzw. Fähigkeit zur Druckentlastung hierfür verantwortlich sind. Somit stehen rigen getroffenen werden [3]. Die Grund- Wunden am Ende des Lebens, z. B. Dekubi- bei diesen Patienten andere Behandlungs- prinzipien der modernen feuchten Wund- tus im Sterbeprozess ansätze im Vordergrund und zielen meist versorgung kommen auch bei vielen Pati- Chronische ulzerierte Radioderme auf die bestmögliche Lebensqualität sowie enten mit nicht kurativem Behandlungsan- Malignom-assoziierte Wunden die Förderung des gesundheitsbezogenen satz zur Anwendung [14]. Allerdings kön- Selbstmanagements der Betroffenen ab nen gerade bei der palliativen Wundver- [15]. sorgungauchindividuelleEntscheidungen mindest verbessert werden. Ein Beispiel wie beispielsweise der Verzicht auf die Ab- hierfür istder Protein- und Spurenelement- Palliative Wundversorgung tragung von trockenen Nekrosen getrof- mangel infolge langzeitiger Wundexsuda- fen werden. Bei Patienten mit nicht kurati- tion und ggf. Malnutrition [16]. Daher ist Die Situation von Patienten mit nicht heil- vem Behandlungsansatz ist der vollständi- es unbedingt notwendig, zuerst alle Mög- baren chronischen Wunden entspricht in ge Wundverschluss nicht das übergeord- lichkeiten, durch die eine Verbesserung vielen Teilaspekten der WHO (World Health nete Ziel der Bemühungen. Stattdessen erzielt werden kann, auszuschöpfen, be- Organization) Definition Palliative Care von sind hier verschiedene andere Aspekte zu vor Patienten als nicht heilbar eingestuft 2002. Hier werden progrediente, weit fort- beachten, die im Folgenden kurz darge- werden. geschrittene Erkrankungen beschrieben, stellt werden. die nicht mehr auf eine kurative Behand- Übergeordnete Behandlungsziele lung ansprechen. Die höchste Priorität be- Schmerzfreiheit sitzt dabei die Beherrschung von Schmer- Bei der Behandlung der Patienten mit zen und anderen Krankheitsbeschwerden Schmerz ist die häufigste und meist auch chronischen Wunden können grundsätz- sowie sozialen und spirituellen Problemen. unangenehmste Einschränkung von Pa- lich drei übergeordnete Behandlungsziele Die Wünsche und Ziele der Patienten ste- tienten mit chronischen Wunden. Neben unterschieden werden: hen dabei im Fokus aller weiteren thera- der negativen Sinneserfahrung führen – kurativ, peutischen Maßnahmen. Ein Unterschied Schmerzen oft zu gravierenden Folgen – bedingt bzw. nicht kurativ, ist allerdings, dass sich nicht alle Patienten für die Betroffenen wie Schonhaltun- – palliativ. mit nicht heilbaren Wunden in der Phase gen bis hin zu Schlafstörungen und am Ende des Lebens befinden. Kontrakturen. Zudem haben Menschen Kurative Wundversorgung Zentrale Aspekte der palliativen Wund- grundsätzlich ein Schmerzgedächtnis, versorgung sind Kontrolle und Linderung das zu Schmerzerwartungen führt und Das Ziel der kurativen Wundversorgung von Symptomen, beispielsweise Schmer- bewirkt, dass sie gegenüber therapeu- ist die vollständige Abheilung der Wunde. zen, Gerüchen, Exsudation und Körperbild- tischen Maßnahmen Ängste aufbauen. Hierfür werden kausale Behandlungsan- störungen. Hinzu kommen die Förderung Nicht vermeidbarer Schmerz bei Pati- sätze auf Basis einer adäquaten Diagnos- der psychosozialen Kompetenz sowie die enten mit chronischen Wunden sollte tik mit der entsprechenden begleitenden Begleitung der Patienten und ihrer An- durch eine systemische Schmerztherapie lokalen Wundtherapie kombiniert geplant gehörigen [7, 29]. Auch hier ist eine gute entsprechend dem WHO-Stufenschema und durchgeführt. Wundversorgung oder die Vermeidung der behandelt werden [26]. Darüber hinaus Neuentstehung bzw. eines Rezidivs von gibt es auch zahlreiche weitere schmerz- Bedingt bzw. nicht kurative Wunden und entsprechender Komplikati- lindernde oder -vorbeugende Aspekte, die Wundversorgung onen sehr wichtig [8, 20]. bei der Wundversorgung dieser Patienten beachtet werden sollten [4]. Verband- Bei der bedingt bzw. nicht kurativen Wund- wechsel stellen für die Patienten eine versorgung wird die vollständige Abhei- Stresssituation dar, die oft mit Schmerzen Der Hautarzt 3
Übersichten Tab. 4 Beispiele für patientenspezifische Tab. 5 Beispiele vonAspekten,die beiderDurchführungvonWundverbändenbeachtetwerden Aspekte, warum Wunden schwer oder sogar sollten, um Schmerzen zu vermeiden bzw. zu reduzieren nicht abheilen Bequeme Positionierung, Pausen und Ablenkung für Patienten einplanen Artifizielle Wunden Lokalanästhetika z. B. vor Débridement anwenden und hierbei den Wirkeintritt von mindestens Depression 30–60 min beachten Intelligenzminderung, Demenz Regelmäßig Hautschutz in der Wundumgebung anwenden Interventionelle Maßnahmen, z. B. Operatio- Reizarme Umgebung schaffen, Fenster schließen, Unruhe-/Lärmquellen beseitigen nen, werden abgelehnt Schonendes Ablösen der Verbandmittel, z. B. durch Anfeuchten mit Ringer-Lösung ggf. mit Pflas- Körperliche Behinderung, Immobilität terlöser; Folienverbände durch Überdehnen der Folie parallel zur Haut ablösen Malnutrition Systemische Analgetika rechtzeitig verabreichen und den Wirkeintritt abwarten Mangelnde Edukation Unnötige Reize wie Berührung von Wunde und Wundrand oder Druck vermeiden Sekundärer Krankheitsgewinn Verbände ohne Kleberand bevorzugen; ggf. Einsatz speziell beschichteter Verbandmittel, z. B. Soziale Isolation, unzureichende Versor- mit Silikon, die ein schmerzarmes, atraumatisches Ablösen unterstützen gungssituation, mangelnde Hygiene Wunde nach Verbandwechsel zügig neu verbinden Suchterkrankung Wundpräparationen für die topische analgetische Therapie, z. B. Morphin-Wundgel Magistralre- Unzureichende Adhärenz/Compliance zeptur oder Wundauflagen mit Ibuprofen, nutzen Wirtschaftliche Belastung, Armut, fehlende Wundspüllösung anwärmen und mit wenig Druck einsetzen Kostenübernahme Score eingesetzt werden [9]. Für die Objek- wird mehr pflegerische Unterstützung not- Tab. 6 Beispiele von Versorgungsoptio- nen chronischer Wunden zur Geruchsver- tivierung, ob bereits eine lokale Wundin- wendig, und es erhöhen sich die Kosten meidung bzw. -minderung fektion vorliegt, kann der TILI-Score (The- der Wundversorgung. Auch sehr exsuda- Antimikrobielle Therapie bei Geruch durch rapeutischer Index für Lokale Infektionen) tive Wunden sollte vorrangig kausal the- Bakterien, z. B. Fäkalkeime als Hilfe genutzt werden [13]. rapiert werden, wie beispielsweise mittels Kleidung regelmäßig wechseln und wa- Infektsanierung oder sachgerechter Kom- schen pressionstherapie bei Ödemen [12]. Die Vermeidung von unangenehmen Regelmäßige Verbandwechsel Gerüchen Auswahl der Verbandmittel und Wechsel- Wunden regelmäßig debridieren bzw. säu- intervalle orientieren sich dabei an dem bern Eine weitere wund- und therapiebedingte Aufkommen von Exsudat und individuel- Wundprodukte mit Aktivkohle in Kombina- Einschränkung, die von Patienten oft als len Faktoren der Patienten (. Tab. 7). tion mit Silber und/oder Superabsorbern gravierende Minderung ihrer Lebensquali- tät empfunden wird, ist der Geruch, der von Mobilität Wunden ausgehen kann. Insbesondere in- verbunden ist. Neben den physischen fizierte und Malignom-assoziierte Wunden Die Erhaltung oder Wiederherstellung der Auswirkungen kommt es auch zu einer gehen häufig mit einer erheblichen unan- Mobilität ist für viele Patienten mit chroni- ausgeprägten psychischen Belastung und genehmen Geruchsbelästigung einher. In schen Wunden nicht nur sehr wichtig für somit zu der erheblichen Einschränkung der Folge kommt es zu Körperbildstörun- deren Lebensqualität, sondern oft auch der Lebensqualität. Verschiedene Stra- gen, es mindern sich die sozialen Kontakte, für die Effektivität der Behandlung wie tegien können dem Betroffenen Ängste und es resultiert eine ausgeprägte psychi- beispielsweise bei der Kompressionsthe- nehmen und Schmerzen bei der Wund- sche Belastung bis hin zum Ekel vor sich rapie [12]. Bei der Auswahl der Verband- versorgung vermeiden oder zumindest selbst. Die adäquate Bekämpfung, Däm- und Hilfsmittel sollte immer berücksichtigt lindern (. Tab. 5). mung und Beseitigung des Wundgeruchs werden, dass die Patienten möglichst ih- ist somit grundlegend für das Wohlbefin- re gewünschte Kleidung und insbesonde- Vermeidung von Infektions- den der Patienten. Im Vordergrund der Ge- re ein entsprechendes Schuhwerk tragen krankheiten ruchsbekämpfung steht, falls möglich, die können (. Tab. 8). kausale Behandlung beispielsweise durch Im Rahmen moderner Wundbehandlungs- Infektsanierung (. Tab. 6). Kontrolle von Blutungen strategien ist der gezielte frühzeitige Ein- satz von antimikrobiell wirksamen Ver- Exsudatmanagement Beispielsweise nach chirurgischem Débri- bandmitteln beispielsweise mit Polihexa- dement oder spontan bei progredienten nid (PHMB) oder Silber sehr wichtig, insbe- Wunden mit erheblicher Exsudation be- Malignom-assoziierten Wunden kommt es sondere um die Entwicklung systemischer deuten für Patienten ebenfalls eine gravie- oft zu Blutungen. Hier können bei kleine- Infektionskrankheiten bis hin zur Sepsis zu rende Minderung der Lebensqualität. Die ren Blutungen hämostyptische Verband- vermeiden [24]. Um das individuelle In- Kleidungswahl wird eingeschränkt, sozia- mittel wie beispielsweise Alginate oder fektionsrisiko besser einzuschätzen, kann le Kontakte werden erschwert und psy- Kollagen eingesetzt werden [14]. In der beispielsweise der W.A.R.(Wounds at Risk)- chische Belastung wird verstärkt. Zudem palliativen Wundversorgung kommen in 4 Der Hautarzt
Tab. 7 Beispiele von Versorgungsoptionen chronischer Wunden bei hohen Exsudatmengen Einhaltung ethischer Richtlinien Antimikrobielle Lokaltherapie bei infizierten Wunden Interessenkonflikt. J. Dissemond, K. Protz, C. Erfurt- Einsatz von Vakuumtherapiesystemen erwägen Berge, K. Kröger und J. Kottner geben an, dass kein Hautschutz und -pflege der umgebenden Haut Interessenkonflikt besteht. Regelmäßige Verbandwechsel – so häufig wie nötig, so selten wie möglich Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Sachgerechte Kompressionstherapie bei Ödemen Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Wundauflagen mit Superabsorbern, die größere Mengen von Exsudat aufnehmen und halten Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. können Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz Tab. 8 Beispiele, um die Mobilität der Patienten mit chronischen Wunden zu verbessern veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Geschlossenes Schuhwerk nutzen, da sonst Sturzpotenzial besteht Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jegli- Hilfsmittel nutzen, wie z. B. Rollstuhl, Rollator, Griffe anbringen chem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsge- Ödemreduktion durch sachgerechte Kompressionstherapie mäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz Physiotherapie, Gefäßsport, Motivation ggf. durch Fitnesstracker steigern beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenom- men wurden. Stolperfallen beseitigen, wie z. B. lose Teppiche Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbil- der Off-label-Anwendung auch Produkte lung unterstützt und oft sogar verbessert dungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das be- wie beispielsweise Xylometazolin-Nasen- werden [30]. treffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung tropfen zum Einsatz. nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für Fazit für die Praxis die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Ma- Weitere Aspekte terials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers 4 Chronische Wunden können in heilende, einzuholen. schwer heilende und nicht heilbare Wun- Ein wichtiger, derzeit oft noch wenig den unterteilt werden. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der beachteter Aspekt in den Behandlungs- 4 Eine Wundversorgung kann kurativ, be- Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ dingt bzw. nicht kurativ oder palliativ licenses/by/4.0/deed.de. konzepten von Patienten mit chronischen ausgerichtet sein. Wunden ist die partizipative Entschei- 4 Die nicht kurative Wundversorgung be- dungsfindung („shared decision making“), schreibt die Versorgung von Patienten Literatur bei der Ärzte mit den Betroffenen und den ohne das primäre Ziel des vollständigen Angehörigen gemeinsam Entscheidungen Wundverschlusses. 1. AWMF S3 Leitlinie (2019) Erweiterte S3 Leitlinie 4 Zentral wichtige Ziele der Wundversor- Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heil- treffen [6]. Hier sollte jeder Behandlungs- baren Krebserkrankung. AWMF-Registernummer: gung sind die bestmögliche Lebensquali- plan mit den Werten, Überzeugungen, tät und Förderung des gesundheitsbezo- 128/001 Möglichkeiten und Zielen der Patienten 2. Beers EH (2019) Palliative wound care: less is more. genen Selbstmanagements der Patienten Surg Clin North Am 99:899–919 übereinstimmen [18]. Die Unterstützung sowie Vermeidung von Komplikationen. 3. Boersema GC, Smart H, Giaquinto-Cilliers MGC, des gesundheitsbezogenen Selbstma- 4 Bei der Planung der Behandlungskonzep- Mulder M, Weir GR, Bruwer FA, Idensohn PJ, nagements der Betroffenen ist dabei te von Patienten mit chronischen Wunden Sander JE, Stavast A, Swart M, Thiart S, van der müssen die Therapieziele differenziert Merwe Z (2021) Management of nonhealable and ebenfalls essenziell [23]. Dies kann durch und individuell mit den Patienten und maintenance wounds: a systematic integrative die Auswahl spezieller Wundbehandlungs- ggf. Angehörigen festgelegt werden. review and referral pathway. Adv Skin Wound Care produkte oder Hilfsmittel wie sog. „do-it- 34:11–22 4. Briggs M, Nelson EA, Martyn-St James M (2012) yourself devices“ unterstützt werden [17]. Topical agents or dressings for pain in venous leg Beispiele sind An- und Ausziehhilfen für Korrespondenzadresse ulcers. Cochrane Database Syst Rev 11:CD1177 medizinische Kompressionsstrümpfe oder 5. Broderick C, Pagnamenta F, Forster R (2020) Prof. Dr. med. Joachim Dissemond Dressings and topical agents for arterial leg ulcers. medizinische adaptive Kompressionsban- Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venero- Cochrane Database Syst Rev 1:CD1836 dagen, die über Klettverschlüsse durch logie und Allergologie, Universitätsklinikum 6. Brown A (2013) Implications of patient shared Patienten oder Angehörige oft selber an- Essen decision-making on wound care. Br J Community Hufelandstr. 55, 45122 Essen, Deutschland Nurs 2013(Suppl):26–32 gelegt werden können [12]. Es sollte dann 7. Chatland LE, Harvey C, Kelly K, Paradine S, joachim.dissemond@uk-essen.de aber immer darauf geachtet werden, dass BhagatM,HudsonBF(2021)Researchparticipation auch eine adäquate Edukation erfolgt ist in palliative medicine-benefits and barriers for patients and families: rapid review and thematic [28]. Diese ermöglicht es den Betroffenen, synthesis. BMJ Support Palliat. https://doi.org/10. ein Verständnis für die Notwendigkeit von Funding. Open Access funding enabled and organi- 1136/bmjspcare-2021-003093 zed by Projekt DEAL. 8. Cornish L (2021) Preventing and managing therapeutischen Maßnahmen zu entwi- pressure ulcers in patients receiving palliative care. ckeln und die Adhärenz zu verbessern [31]. Nurs Older People. https://doi.org/10.7748/nop. Auch durch den zusätzlichen Einsatz der 2021.e1299 Telemedizin kann, eingebunden in eine 9. Dissemond J, Assadian O, Gerber V, Kingsley A, Kramer A, Leaper DJ, Mosti G, Piatkowski de Grzy- gute Versorgungsstruktur, die Wundhei- Der Hautarzt 5
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Dissemond J, Strohal R, Mastronicola D, Senne- management as well as the avoidance of complications are important for treatment ville E, Moisan C, Edwards-Jones V, Mahoney K, concepts. These therapy intentions should be differentiated and individually discussed Junka A, Bartoszewicz M, Verdú-Soriano J (2020) Validation of the TILI (Therapeutic Index for Local with patients in order to facilitate shared decision making. Infections) score for the diagnosis of local wound infections: results of a retrospective European Keywords analysis. J Wound Care 29:726–734 Chronic wounds · Maintenance wounds · Nonhealable wounds · Curative wound care · Palliative 14. Dissemond J (2021) Modernes Wundmanagement wound care chronischer Wunden. Hautarzt 72:733–744 15. Erfurt-Berge C, Renner R (2020) Lebensqualität bei Patienten mit chronischen Wunden. Hautarzt 71:863–869 25. Lewis J, Lipp A (2013) Pressure-relieving interven- 16. 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