ZIEL ERREICHT? ERGEBNISSE EINER ONLINE-UMFRAGE ZU EFFEKTEN DER PFLEGEPERSONALUNTERGRENZEN IM KRANKENHAUS - DBFK
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Ziel erreicht? Ergebnisse einer Online-Umfrage zu Effekten der Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus Inhalt Einführung 02 Pflegepersonalbemessung als Spielball ... 02 Pflegepersonalbemessung u. Patientenoutcomes 03 Die PpUGV 04 Hintergrund der Umfrage 05 Die Meinungsumfrage 07 Ergebnisse 08 Diskussion und Fazit 15 Ein Wort zum Schluss 16 Quellen 19
Ziel erreicht? Ergebnisse einer Online- Umfrage zu Effekten der Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus Am 1. Januar 2019 traten in vier ausgewählten betten- führenden Bereichen der Krankenhäuser Pflegeperso- naluntergrenzen in Kraft. Mit einer Umfrage im Herbst des Jahres haben wir bei professionell Pflegenden er- fragt, welche Auswirkungen dies hat.
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus Einführung „Immer mehr Intensivstationen überlastet“. Auf diese den und Versorgungsengpässe entstehen“, sagt Kurzform brachte das Magazin Panorama 3 im NDR Georg, Baum, Geschäftsführer der DKG.“ Fernsehen am Abend des 11. Februar 2020 - einige Die Politik lässt sich die Schuld nicht zuschieben. „Das Wochen vor Beginn der Corona-Krise - seinen Beitrag Bundesgesundheitsministerium weist die Kritik an den über abgemeldete Intensiv-Behandlungsplätze in gro- Personaluntergrenzen zurück. Diese „stellten ein Min- ßen Krankenhäusern des Sendegebiets. Die Zahlen destmaß dar, um die Sicherheit der Patientinnen und basieren auf Daten, die 2019 über einen Zeitraum von Patienten nicht zu gefährden“, heißt es aus dem Minis- 4 Monaten erfasst wurden, und können einer ver- terium. Die Krankenhäuser seien selber in der Pflicht, gleichbaren Analyse aus 2018 gegenübergestellt wer- „für eine gute Personalausstattung müssen die Kran- den. kenhäuser eigenverantwortlich sorgen. Dazu gehört „Intensivstationen erreichen zunehmend ihre Belas- auch, dass sie organisatorische Spielräume nutzen, tungsgrenze und melden sich dauerhaft aus der Not- bevor Betten stillgelegt oder komplette Stationen ge- fallversorgung ab. Besonders in Bremen und Nieder- schlossen werden.“ 1 sachsen verschärft sich die Lage. (…) Die sieben Kli- niken der Stadt Bremen zusammengenommen haben Pflegepersonalbemessung als demnach eine Abmeldequote für die Intensivstationen von mittlerweile 66% (2018: knapp 50%). (…) Auch in Spielball der Krankenhauspolitik der Region Hannover hat sich die Situation ver- Nachdem sich Ende der achtziger Jahre in West- schlechtert: So lag hier die Abmeldequote für die chi- deutschland ein gravierender Pflegepersonalmangel rurgischen Intensivbetten bei inzwischen 32% (2018: entwickelt hatte und die Pflegenden in Scharen auf die 25%), im Bereich der internistischen Intensivbetten bei Straßen gingen, um für bessere Arbeitsbedingungen zusammengerechnet 53% der Gesamtzeit (2018: zu demonstrieren, reagierte die Politik. Mit dem 40%). „Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der Auch die Dauer der einzelnen Abmeldungen hat im gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheits- Vergleich zu damals deutlich zugenommen. Standen strukturgesetz)“ trat ab 1993 der Artikel 13 dieses Ge- Intensivstationen Ende 2018 längstens 2 bis 3 Tage setzes mit der „Regelung über Maßstäbe und Grund- am Stück auf rot, sind es nun bis zu 8 Tage am sätze für den Personalbedarf in der stationären Kran- Stück.“ kenpflege (PflPersRgl)“ in Kraft, die kurz PPR genannt Die Ursache dieser Entwicklung hatten die Redaktion wurde und bis heute klinikintern noch genutzt wird. auch gefunden: Fehlendes Personal. „Ein Grund für Der damit beabsichtigte und eintretende Pflegeperso- die zunehmenden Engpässe ist offenbar die Personal- nalaufwuchs wurde allerdings bereits zwei Jahre spä- not. Fehlt Personal, werden Betten dauerhaft gesperrt. ter durch Außerkraftsetzen der PPR beendet. Seit Nach Panorama 3 Recherchen können in manchen 1996 gelten keine verpflichtenden Vorgaben mehr für Krankenhäusern bis zu einem Drittel der vorhandenen das Vorhalten von Pflegepersonal in deutschen Kran- Intensivkapazitäten nicht genutzt werden, da die not- kenhäusern. Der unmittelbar einsetzende massive wendigen Intensivpflegekräfte fehlen. Bettensperrun- Abbau von Pflegepersonalstellen verschärfte sich ab gen in der Intensivmedizin sind nach Angaben der 2001 weiter, weil die Änderung der Krankenhausfinan- Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ein bun- zierung hin zu DRGs andere Anreize setzte und Pfle- desweites Problem. ge seitdem vor allem als Kosten– statt als Erlösfaktor galt. Offenbar haben die seit Januar 2019 geltenden Perso- naluntergrenzen das Problem an einigen Häusern Von Jahr zu Jahr verschlechterten sich die Arbeitsbe- noch verschärft. Die DKG bewertet die neuen Grenzen dingungen des Pflegepersonals im Krankenhaus angesichts von 17.000 unbesetzten Stellen „hoch mehr, parallel entwickelten sich zunehmende Versor- problematisch“. Die Untergrenzen führten dazu, dass gungsmängel, Sicherheitsrisiken für Patient/innen, „zusätzliche Versorgungskapazitäten abgemeldet wer- Hygienefehler, zudem steigen von Jahr zu Jahr die Krankheitsausfälle bei Pflegepersonal an. Besorgnis- 02
erregend hier sind vor allem die Steigerungsraten der wurde und die Folgen immer deutlicher zutage traten, (stressbedingten) psychischen Erkrankungen. fehlte es offenbar am politischen Willen für eine Re- Internationale Studien haben seit langem einen unmit- form. Grundsätzlich war man sich zwar einig, dass telbaren Zusammenhang zwischen quantitativer und etwas getan werden müsse, dennoch reagierte die qualitativer Pflegepersonalbemessung und zeitglei- Politik erst spät und lediglich mit zwei halbherzigen chen Patienten-Outcomes bewiesen.2 In Deutschland Förderprogrammen für mehr Pflege im Krankenhaus. hält sich die „Nurse-patient-ratio“ in den Krankenhäu- Positiv verändert hat sich für die Pflegenden dadurch sern im Vergleich der Industrienationen seit Jahren auf nichts. Sie fühlen sich bis heute von der Politik im beschämend niedrigem Niveau. OECD-Daten bele- Stich gelassen! gen, dass in Deutschland zwar viel Geld für Gesund- Erst Mitte 2017 beschloss die damalige große Koaliti- heitsversorgung ausgegeben wird, die damit erzielten on die Einführung sogenannter Pflegepersonalun- Gesundheitsergebnisse aber bestenfalls im Mittelfeld tergrenzen (PpUG) zum 1. Januar 2019. Im Juli liegen. 2017 erhielten der GKV-Spitzenverband und die Deut- sche Krankenhausgesellschaft (DKG) den Auftrag, bis Die Krankenhauspflege zum 30.06.2018 Pflegepersonaluntergrenzen für 4 pflegesensitive Bereiche in Krankenhäusern festzule- wurde von der Politik im gen sowie Nachweis- und Vergütungsregelungen zu vereinbaren (§ 137i SGB V), die ab dem 01.01.2019 Stich gelassen! für Krankenhäuser verbindlich gelten. Die Verhandlungen führten zunächst zu einem ge- Den zunehmenden Problemen in der Krankenhaus- meinsamen Vereinbarungsentwurf, letztlich war aber pflege wurde von der Bundespolitik über mehrere Le- eine Einigung nicht möglich und die für 2019 gelten- gislaturperioden hinweg nahezu tatenlos zugesehen. den PpUG wurden durch Ersatzvornahme des Bun- Viele Jahre wurde akzeptiert und zugelassen, dass für desgesundheitsministers definiert. Pflege vorgesehene Anteile der Erlöse in großem Aus- maß für andere Zwecke verwendet wurden: einen enormen Aufwuchs an zusätzlichen Arztstellen, insbe- sondere aber Modernisierung der Infrastruktur und sonstige Investitionen. Obwohl seit mehr als 10 Jahren über eine chronische Unterbesetzung und Arbeitsüber- lastung im Pflegedienst der Krankenhäuser diskutiert Pflegepersonalausstattung von weniger als 75% erhöht sich das Sterberisiko um über 2%. Das entspricht rund 243 Todesfällen pro Jahr. und Patienten-Outcomes: Für physiologische/metabolische Entgleisungen ist die- Ein Forscherteam um den Pflegewissenschaftler Prof. ser Zusammenhang noch stärker ausgeprägt und trägt Dr. Michael Simon, Universität Basel & Inselspital Bern, zu 4649 Fällen pro Jahr bei. Je geringer der Anteil dip- und den Ökonomen Prof. Dr. Michael Gerfin, Universi- lomierter Pflegefachpersonen ist, umso länger wird die tät Bern, konnte mit Daten des Bundesamts für Statistik Liegedauer. Weniger als 10.0 qualifizierte Pflegestun- der Schweiz den Zusammenhang zwischen der Pflege- den/Bettentag und weniger als 88% diplomierte Pflege- personalausstattung und unerwünschten Ereignissen, stunden führen zu 223’020 zusätzlichen Pflegetagen im sowie der Sterblichkeit in Schweizer Akutspitälern auf- Spital, und damit zu zusätzlichen Kosten von 357 Mio. zeigen. Auch die Kostenfolgen wurden berechnet. CHF pro Jahr. Ergebnisse: Je weniger qualifizierte Pflegestunden Link zur ausführlichen Dokumentation: https:// zur Verfügung stehen, umso höher ist die Wahr- www.sbk.ch/files/sbk/politik/Volksinitiative/Facts- scheinlichkeit für unerwünschte Ereignisse. So nimmt heets/2020_01_13__V2__Pubvers_Datenanalyse_Pfle mit jeder weniger geleisteten qualifizierten Pfle- geinitiative_SBK_01.pdf gestunde pro Tag die Sterblichkeit zu. In Spitälern mit Veröffentlicht am 13.01.2020 weniger als ca. 9.5 zur Verfügung stehenden qualifizier- ten Pflegestunden/Tag und einem Anteil Diplomierter 03
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus Die PpUGV PpUGV ist die Verordnung zur Festlegung von Pflege- § 6 (5) besagt: „Die Krankenhäuser stellen die Einhal- personaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in tung der Pflegepersonaluntergrenzen anhand monatli- Krankenhäusern - Pflegepersonaluntergrenzenverord- cher Durchschnittswerte fest.“ Und im § 7 (1) heißt es: nung, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht am 10. Ok- „Die Krankenhäuser teilen den jeweiligen Vertragspar- tober 2018. teien nach § 11 des Krankenhausentgeltgesetzes und Zum Jahreswechsel 2018/19 kündigte das Bundesge- dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus sundheitsministerium die neuen Regelungen wie folgt einmal je Quartal die Anzahl der Schichten mit, in de- an: „Zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung nen die Pflegepersonaluntergrenzen nach § 6 nicht müssen Krankenhäuser Pflegepersonaluntergrenzen eingehalten worden sind. Die Mitteilung muss spätes- einhalten. Durch Rechtsverordnung wurden diese Min- tens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beginn destgrenzen zunächst für vier pflegesensitive Bereiche des folgenden Quartals und aufgeschlüsselt nach Mo- festgelegt: Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie, naten und nach der Art der Schicht erfolgen.“ Unfallchirurgie. Die Selbstverwaltungspartner er- Von Anfang an sind die Krankenhausträger, insbeson- halten den gesetzlichen Auftrag, die Pflegepersonal- dere die DKG, Sturm gelaufen gegen die Einführung untergrenzen weiterzuentwickeln.“ 3 von Pflegepersonaluntergrenzen. Man fühlt sich Die PpUGV regelt detailliert „reguliert, drangsaliert und stranguliert“ durch die Krankenhauspolitik der Bundesregierung. „Mit unrea- wie die pflegesensitiven Bereiche zu ermitteln listischen Personal- und Strukturvorgaben, unzu- sind, reichender Finanzierung und ungezügelter Kontrollwut wie der Pflegeaufwand zur Festlegung risikoad- der Krankenkassen werden die Krankenhäuser in ei- justierter Pflegepersonaluntergrenzen definiert nem existenzgefährdenden Ausmaß belastet.“ 4 Der werden muss, zu leistende Bürokratieaufwand sei eine zusätzliche die Festlegung der Pflegepersonaluntergrenzen Belastung für die ohnehin strapazierten Kliniken, so in der Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie die allgemeine Einschätzung. und Kardiologie (für jeden Bereich jeweils in der Tag– und der Nachtschicht), die Mitteilungspflicht bei Nichteinhaltung, sowie Ausnahmetatbestände und Übergangsregelun- gen. 04
Hintergrund der Umfrage Nachdem die politische Ankündigung von Pflegeperso- ausrief: schnellstmöglich mehr Patientensicherheit. naluntergrenzen 2017 zunächst durchaus überra- Das Ministerium ist offenbar vor dem Widerstand der schend kam und mit Hoffnung von den Pflegenden Krankenhausträger eingeknickt – und weicht die ge- wahrgenommen wurde, gaben die zähen Koalitions- planten Vorgaben gleich an mehreren Stellen auf“, verhandlungen zur Regierungsbildung und der 2018 sagt DBfK-Präsidentin Prof. Christel Bienstein. veröffentlichte Koalitionsvertrag bereits Anlass zur „Ausgerechnet im Hochrisikobereich Intensivstation Skepsis. Als sich konkreter abzeichnete, wie mit den werden eine lange Übergangszeit und für Geschäfts- Pflegepersonaluntergrenzen verfahren werden sollte führer bequeme Nurse-Patient-Quoten zugelassen. und GKV – SV und DKG mit ihrem Auftrag gescheitert Als gäbe es gerade dort nicht ganz besonderen An- waren, hat der DBfK im Juli 2018 deutlich kritisiert: lass, die Patientensituation zu verbessern und abzusi- „Ausgerechnet die Selbstverwalter Pflegepersonalun- chern. Mit so wenig Druck wird auch in Kliniken mit tergrenzen erarbeiten zu lassen, ließ nichts Gutes er- etwas besserer Pflegepersonalbesetzung das Niveau warten. Gerade die Krankenhäuser haben seit Jahren nach unten reguliert werden.“ bewiesen, dass sie trotz ihrer Verantwortung für eine Die Kritik an der Regelung der PpUG machte sich von gute Versorgung kein Interesse daran haben, sich in Anfang an vor allem an folgenden Aspekten fest: Fragen der Bemessung des Pflegepersonals und der Die vorgegebene Pflegekraft-Patienten-Relation Mittelverwendung Vorgaben setzen zu lassen. ist zu niedrig, um eine bedarfsgerechte Pflege- Die Personalbemessung nur an Untergrenzen festzu- personalausstattung zu gewährleisten. machen unterhöhlt das Recht von Patienten auf ange- Grundlage dafür waren die Daten der 25% am messene Versorgung und Sicherheit. schlechtesten ausgestatteten Krankenhäuser Vorgaben zur Personalbemessung auf nur wenige gewesen. (pflegesensitive) Bereiche zu begrenzen hätte zu kei- Die PpUGV enthält kein Verfahren zur Ermitt- nem Personalzuwachs geführt, sondern zu Verschie- lung des Pflege– und Personalbedarfs, sondern bungen von Personal innerhalb der Kliniken. Von der legt nur Minimalstandards fest. Regelung ausgeklammerte Bereiche hätten noch schlechter dagestanden als heute. Im Übrigen gibt es Untergrenzen werden nicht als absolute „rote in Krankenhäusern keine bettenführenden Bereiche, Linie“ verstanden, sondern sehr schnell zur Nor- die nicht pflegesensitiv sind. malität gemacht werden. Die Personalbemessung an einer in hohem Maße un- Die Begrenzung auf nur 4 Bereiche führt zu zuverlässigen und dafür nicht geeigneten Datenbasis ständigen Verschiebungen von Patient/innen auszurichten wäre fatal und durch nichts zu rechtferti- und Personal und setzt völlig falsche Anreize. gen.“ In seinem Positionspapier „Zur geplanten Entwicklung Leider schwächte der Bundesgesundheitsminister sei- eines neuen Instrumentes für die Personalbedarfser- ne ursprünglich festgelegten PpUG-Zahlen im Verlauf mittlung im Pflegedienst der Krankenhäuser“ hat Prof. des Verfahrens noch einmal deutlich ab. Die zwangs- Michael Simon aus Hannover eine Beispielrechnung läufig zu erwartenden Konsequenzen haben viele Kriti- durchgeführt: ker klar benannt, so auch der DBfK in seiner Presse- „Rechnet man die in der PpUGV vorgegebenen Pfle- meldung vom 08.10.2018: gekraft-Patienten-Verhältniszahlen in Minuten pro Pati- „Der DBfK kritisiert scharf die heute bekannt geworde- ent und Tagschicht um, so ergibt dies für die Geriatrie nen Anpassungen für die ab 2019 geltenden Pflege- und Unfallchirurgie bei einer Vorgabe von einer Pfle- personaluntergrenzen in Krankenhäusern. „Die Anpas- gekraft je 10 Patienten lediglich 96 Minuten pro Patient sungen des Verordnungsentwurfs zu Pflegepersonal- und Tagschicht und für die Kardiologie (1:12) lediglich untergrenzen bedeuten das Gegenteil dessen, was 80 Minuten pro Patient und Tagschicht. Die PpUGV Bundesgesundheitsminister Spahn eigentlich als Ziel bleibt somit nicht nur weit unter den Anforderungen der PPR (Pflege-Personalregelung), sondern liegt so- 05
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus gar noch unter den Werten der Anhaltszahlen von kurzfristige Änderungen von Dienstplänen, 1969, die auf arbeitsanalytischen Erhebungen von Aufbau von Mehrarbeitsstunden, Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre basier- mehr Abrufe aus dem Frei, ten.“ 5 Änderungen der Schichteinteilung, „Zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung müs- Verlagerung von Personal aus anderen Abtei- sen Krankenhäuser Pflegepersonaluntergrenzen ein- lungen, halten“, so das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Änderungen der Dienst-/Schichtzeiten, Anfang 2019. Aber konnte unter solchen Bedingungen Einführung/Ausbau von Rufdiensten. eine Verbesserung überhaupt eintreten? Vor diesem Hintergrund hat der DBfK vom 1. Oktober In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel vom bis 30. November 2019 eine Online-Umfrage zur 13.01.2020 blickt Bundesgesundheitsminister Spahn Umsetzung von Pflegepersonaluntergrenzen in den zurück. Frage: „Thema Pflegenotstand. 95% der gro- Krankenhäusern durchgeführt. ßen Kliniken schaffen es nicht mehr, ihre Vakanzen zu besetzen - in jedem dritten Haus mussten wegen feh- lender Pflegekräfte schon Betten gesperrt werden. Ist die Patientensicherheit in Gefahr?“ Darauf Jens Spahn: „Umgekehrt wird ein Schuh dar- aus. Wir haben jetzt erstmals Mindestvorgaben für die Pflegepersonal-Besetzung in den Krankenhäusern. Damit schützen wir Patienten. Die Frage ist doch: Wie Währenddessen wurde im BMG die nächste Stufe der ging es vorher auf den Stationen zu? Es gibt Studien, PpUG-Regelung vorbereitet und die PpUGV neu ge- die zeigen, dass ab einer bestimmten Unterbesetzung fasst. Am 31. Oktober 2019 erschien sie im Bundesge- - etwa in der Kardiologie - die Sterblichkeit massiv setzblatt und definiert - erneut per Ersatzvornahme, da zunimmt. Die Sicherheit der Patienten wäre also vor es unter den Beteiligten wie schon im Vorjahr keine allem gefährdet, wenn in unterbesetzten Stationen Einigung gab - ab 2020 auch Grenzwerte für die als einfach weiter behandelt würde.“ 6 pflegeintensiv festgelegten Bereiche Herzchirurgie, Neurologie, Stroke-Units und Neurologische Frühreha- Bereits im September 2019 wurden Zwischenergeb- bilitation. Zudem erklärt es das Ministerium für nisse der Auswertung des Krankenhaus Barometers „unzulässig“ dass die Kliniken Pflegepersonal aus Ab- 2019 bekannt. Das Krankenhaus Barometer ist eine teilungen ohne PpUG abziehen und in den geregelten jährlich durchgeführte Repräsentativbefragung deut- Bereichen einsetzen. scher Krankenhäuser zu aktuellen gesundheits- und krankenhauspolitischen Themen. Herausgeber ist das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI). Die jüngste Um- frage ist eine repräsentative Stichprobe, die von Mitte April bis Mitte Juli 2019 durchgeführt worden ist und an der sich 268 Krankenhäuser beteiligt haben. Der Befragungszeitraum ist insofern interessant, als die PpUG da bereits im 2. Quartal verpflichtend galten und ab 1. April 2019 Verstöße auch mit Sanktionen belegt waren. Die Abfrage des Erfüllungsgrads der PpUG bezog sich ausdrücklich aber retrospektiv auf das 1. Quartal mit noch allgemeinen Fragen nach Ein- haltung der Untergrenzen und jeweiligen Strategien für eine erfolgreiche Umsetzung. Die Angaben zu Änderungen in der Organisation des Pflegedienstes in pflegesensitiven Bereichen waren alarmierend: tagesaktuelle Steuerung der Personalbeset- zung, 06
Die Meinungsumfrage Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Januar 2019 gelten in ersten „pflegesensitiven“ Mit dieser Präambel ging die Meinungsumfrage im Bereichen der Krankenhäuser Pflegepersonalunter- vergangenen Herbst an den Start und wurde über Mel- grenzen (PpUG) und werden bei Nichteinhalten auch dungen an die Fachpresse, die Webseite und den mit Sanktionen belegt. Sie sorgen für erhebliche Tur- Newsletter des DBfK, die sozialen Medien sowie das bulenzen und heftige Widerstände von vielen Seiten. DBfK-Verbandsmagazin beworben. Für die Fortführung in 2020 wird das Bundesgesund- Mit insgesamt 19 Fragen war die Umfrage durchaus heitsministerium in Kürze Vorgaben festlegen. anspruchsvoll und erforderte von den Teilnehmenden Nach Auffassung des DBfK sind die Untergrenzen in Zeit. Bei 3 Fragen konnte zur Ergänzung auch eine der momentanen Form und Höhe kein Instrument, um Freitextoption genutzt werden, von der ausgiebig Ge- Pflegequalität in den Krankenhäusern zu sichern, ganz brauch gemacht worden ist. Die Gesamtzahl der ein- im Gegenteil. Es muss schnellstens ein angemesse- gegangenen Antworten: 1069. In 858 Fällen wurden nes Pflegepersonalbemessungstool entwickelt und zur alle 19 Fragen vollständig bearbeitet. verpflichtenden Anwendung gebracht werden, um die In der Auswertung haben wir zum einen alle 858 voll- Sicherheit von Patientinnen und Patienten zu gewähr- ständigen Antworten ausgewertet, separat aber auch leisten. noch einmal die 612 (71,3%), die aus Bereichen ge- Vom 1. Oktober bis 30. November führen wir wieder kommen waren, für die im laufenden Jahr Pflegeper- eine Online-Meinungsumfrage durch. Sie richtet sich sonaluntergrenzen verpflichtend galten. Dabei stellte ausschließlich an Pflegefachpersonen in Krankenhäu- sich heraus, dass die jeweiligen prozentualen Anteile sern (mit mind. 3-jähriger Pflegeausbildung), die in bei den Antwortoptionen sich grundsätzlich kaum un- bettenführenden Bereichen tätig oder für diese verant- terschieden. Das bestätigt, was wir bereits vermutet wortlich sind. Wir wollen wissen, welche Auswirkungen hatten: Von den Effekten der Pflegepersonaluntergren- die Umsetzung der Pflegepersonaluntergrenzen für die zen waren über die 4 Bereiche Intensivmedizin, Geri- Pflegenden hat. Welche Folgen beobachten Sie in atrie, Unfallchirurgie und Kardiologie hinaus alle ande- Ihrer Einrichtung, wie wird mit den Pflegepersonalun- ren Bereiche ebenfalls sehr stark betroffen. tergrenzen umgegangen? Daher beziehen sich die im Folgenden dargestellten Nehmen Sie teil an der Umfrage und liefern Sie uns – Ergebnisse der Umfrage mit wenigen Ausnahmen auf anonym natürlich – Ihre Erfahrungen für die pflegepoli- die 858 vollständig beantworteten Fragen aus allen tische Argumentation… Bereichen. 07
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus Ergebnisse Die Herkunft der Antworten verteilte sich nach Grö- Werden die Pflegepersonaluntergren- ßenklassen der Kliniken wie folgt: zen auf Ihrer Station eingehalten? Bettenkapazität Ihres Krankenhauses? Hier wurden selbstverständlich nur die 612 aus den PpUG-Bereichen eingegangenen Antworten gewertet. Das Ergebnis: Angaben in % 2,9% 7,7% · bis 99 Betten · 100 bis 299 Betten 28,9% 31,7% · 300 bis 599 Betten · 600 Betten und mehr · nicht bekannt 28,8% Die Verteilung der Antworten nach Bundesländern · immer zeigte eine Parallele zu den auch statistisch standort- · meistens (zu 90 % und mehr) · häufig (zu 75 % bis 90 %) stärksten Bundesländern: · weniger häufig (zu weniger als 75 %) · nicht bekannt % Baden-Württemberg 10,7 Wurden in Ihrem Arbeitsbereich wegen Bayern 14,9 der Einführung der Pflegepersonalun- Berlin 8,7 tergrenzen Stellen … Brandenburg 1,3 Bremen 1,7 Alle Nur PpUG Hamburg 4,1 % % Hessen 5,6 … aufgebaut? 23,8 26,5 Mecklenburg-Vorpommern 1,0 … abgebaut? 10,3 9,2 Niedersachsen 6,4 Nordrhein-Westfalen 32,9 … unverändert belassen? 55,4 56,5 Rheinland-Pfalz 3,8 … nicht bekannt. 10,5 7,8 Saarland 1,2 Summe: 100,0 100,0 Sachsen 2,7 Diese Ergebnisse sind bemerkenswert, denn sie zei- Sachsen-Anhalt 1,4 gen, dass in einigen Krankenhäusern, deren Personal- Schleswig-Holstein 2,7 ausstattung mit Beginn der PpUG noch oberhalb der Thüringen 0,9 Grenzwerte lag, dieses Niveau offenbar nach unten angepasst wurde. Das bestätigen auch Berichte, dass Von den insgesamt 858 vollständigen Antworten ka- sich Pflegeleitungen und Betriebsräte seit Anfang men 38,3 % von Pflegefachpersonen mit leitender Po- 2019 noch versuchten, gegen diese Form der sition, dazu gehören auch stellvertretende Leitungen „Bereinigung“ zu wehren, leider meist erfolglos. aller Ebenen. 08
chen, ihre Motivation, die zurückbleibenden erheblich Wurde der Zuschnitt von betroffenen geschwächten Teams und die Qualität der Patienten- Fachbereichen verändert? versorgung hat. Diese Frage wurde von mehr als der Hälfte (52,5%) aller Antwortenden verneint, 31.4% gaben an, dass Wurden - wegen der Pflegepersonalun- eine Änderung des Zuschnitts vorgenommen worden tergrenzen - Pflegefachpersonen mit sei. 16,1% der Umfrageteilnehmer/innen hatten dazu anderen patientenfernen Aufgaben keine Informationen. Diese Anteile bei den Antwortop- (z.B. Praxisanleiter, Codierer) auf den tionen unterscheiden sich nur marginal zwischen Be- Stellenplan angerechnet? reichen mit und ohne geltende Untergrenzen. Auch hier zeigen sich Strategien im Personalmanage- Die Personaluntergrenzen haben also, wie es erwartet ment, die zur Umsetzung der PpUG herangezogen worden war, in vielen Krankenhäusern zu Umstruktu- werden. Eine knappe Mehrheit von 39,2% aller Ant- rierungen in den Fachbereichen und Abteilungszuord- wortenden hat diese Frage bejaht, 38,7% sagten Nein nungen geführt. Wie meist in solchen Fällen ist anzu- und eine große Zahl der Antwortenden (22,1%) hatte nehmen, dass dadurch viel Unruhe und Verunsiche- zu diesem Thema nicht die erforderlichen Informatio- rung ausgelöst worden ist, die für alle Beteiligten, vor nen zur Verfügung. allem aber Patientinnen und Patienten, eine große Belastung und ein nicht zu unterschätzendes Sicher- Wurden pflegeferne Aufgaben von Ser- heitsrisiko darstellen. vicepersonal an das Pflegepersonal Werden Patienten wegen der Pflege- zurückverlagert? personaluntergrenzen vermehrt auf an- Im Herbst 2019 war dies nach Meinung von 60% der dere Stationen ohne Personalunter- Antwortenden in Ihrer Einrichtung nicht der Fall, ein grenzen verlegt? Drittel antwortete aber durchaus mit Ja. Hintergrund dieser Frage war, dass die PpUGV nur einen eng be- 58,4% aller Antwortenden haben diese Frage mit Nein grenzten Spielraum lässt für die Anrechnung von Hilfs- beantwortet, mehr als ein Viertel (26,9%) allerdings mit kräften auf die PpUG und sich die Krankenhäuser hier- Ja. Auch hier unterscheiden sich Bereiche mit und über von Beginn an vehement beklagen und Änderun- ohne geltende PpUG kaum voneinander. Die bei an- gen fordern. deren Fragen mitgeteilten Freitexte lassen allerdings vermuten, dass es sehr häufig vorzeitige (und damit Werden Entlassungen von Patienten riskante) Verlegungen aus Intensivbereichen auf Stati- zeitlich so gestaltet, dass die Statistik onen ohne PpUG und ohne für dieses Klientel erfor- derliche personelle und technische Ausstattung gibt. zu den Pflegepersonaluntergrenzen stimmt? Wurde/wird Personal auf Stationen mit Die PpUGV gibt Untergrenzen für die Tagschicht Pflegepersonaluntergrenzen versetzt? (zwischen 6:00 und 22:00 Uhr) und die Nachtschicht Der Anteil der Antwortenden, die diese Frage mit Nein (22:00 bis 06:00 Uhr) vor. Für die Erhebung der Daten beantworten, beträgt immerhin 45,7%. Dass wie im zu Patientenzahl, Pflegeaufwand und Personalausstat- Vorfeld der PpUG-Einführung befürchtet aber Perso- tung wird u.a. auf den sog. „Mitternachtsbestand“ zu- nalverschiebungen in beträchtlichem Umfang stattfin- rückgegriffen. Es gab 2019 Berichte, wonach Entlas- den, bestätigen 40,7% der Antworten mit Ja. 13,6% sungen in den PpUG-Bereichen auf den späten Abend sagen, darüber keine Informationen zu haben. verlagert und einrichtungsinterne Verlegungen, z.B. aus Normalstationen auf die Intensivstation, auf die Der Systematik der PpUG folgend werden solche Ein- Stunden nach Mitternacht datiert worden seien. satzverschiebungen in aller Regel kurzfristig und nicht selten sogar nur für Teilschichten vorgenommen. Vie- Hierzu sind natürlich die Antworten aus den Bereichen le Freitexte beschreiben, wie die Pflegefachpersonen relevant, in denen PpUG eingehalten werden müssen. dies erleben und welche Auswirkungen solches Vorge- Die Mehrheit der Antwortenden (56,7%) erklärte, dass hen auf ihre Einsatzfähigkeit in (fach)fremden Berei- die Entlassung von Patient/innen nicht an den PpUG 09
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus ausgerichtet wird. Immerhin 24.7% bestätigten aber, Frage mit Ja beantwortet, 17.5% sind in ihrem Ar- dass dies durchaus eine Rolle spielt. 18.6% konnten beitsbereich keine solchen Vorgaben bekannt. dazu keine fundierte Aussage treffen. Zu dieser Frage gab es die Option, Freitext zu formu- lieren, und sie wurde rege genutzt. Zu den 612 Ant- Gibt es Verhaltensvorschriften beim worten aus PpUG-Bereichen gingen ergänzend 154 kurzfristigen Ausfall von Pflegeperso- Freitext-Antworten ein. Sie wurden inhaltlich geclustert nal, falls das die Einhaltung der Pflege- und die Häufigkeit der Nennungen ergibt ein eindrück- personaluntergrenzen gefährdet? liches Bild, wie die Krankenhäuser mit kurzfristigem Pflegepersonalausfall in den PpUG-Bereichen umge- Eine spannende Frage, denn kurzfristiger Personal- hen. ausfall kommt immer wieder vor und bei ohnehin stark Neben den häufigen Nennungen wie in der Tabelle dezimierten Teams ist eine Kompensation „aus dem gelistet gab es vereinzelt Berichte, dass Aufgaben an Bestand“ oft kaum möglich. Die Einhaltung der Unter- die folgende Schicht verlagert, Überstunden bzw. so- grenzen muss aber dennoch sichergestellt und auch gar Doppelschichten verlangt und Pflegeschüler/innen nachgewiesen werden. Wie gehen die Krankenhäuser bzw. Praktikanten zum selbstständigen Arbeiten ohne damit um? Aufsicht herangezogen wurden. Hier sind natürlich die Berichte aus den PpUG- In Bezug auf eine Nachbesetzung aus dem Personal- Bereichen relevant. Mehr als die Hälfte der Antworten pool wurde häufig angemerkt, dass es den Pool zwar (53,4%) besagt, dass es keine Verhaltensvorgaben zu formal gäbe, er aber nicht verlässlich sei und häufig dieser Problematik gibt. 29,1% dagegen haben die keine Nachbesetzung ermöglichen könne. Vorgaben zum Verhalten bei kurzfristigem Pflegepersonalausfall Anzahl Nennungen in PpUG-Bereichen Bettensperrung/Aufnahmestopp/Verlegung/Reduzieren der Patientenzahl 44 Nachbesetzung aus dem Team, Holen aus dem Frei ohne Rufbereitschaft 28 Einspringen/Personalversetzung aus anderen Bereichen 25 Nachbesetzung aus bestehendem Personalpool 22 Priorisierung/Rationierung pflegerischer Aufgaben 13 Ausfallkonzept, Stufenplan/Checkliste bei Personalausfall 11 Definierte Rufbereitschaft im Team/Stand-by-Dienst 10 Nachbesetzung durch Personal-Leasing 9 Überlastungs– bzw. Gefährdungsanzeige 6 Wie unzufrieden die professionell Pflegenden mit dieser “Es wurde eine Liste erstellt mit Pflegetätigkeiten, Situation aber sind und wie unzureichend so manche die weggelassen, verschoben oder bei Unterbesetzung schnelle „Lösung“ tatsächlich ist, haben etliche Kolle- “planbar” werden sollen; z.B. darf im Frühdienst die ginnen und Kollegen beschrieben: Körperpflege wegfallen. Es hat sich jedoch in den fol- 10
genden Schichten herausgestellt, dass die Pflegequal- ität massiv leidet und es im Grunde keine Entlastung bringt, wenn man das Abendessenstablett z.B. nicht abräumen muss. Steht dann ja in den Zimmern rum.” “Statt Bettensperrung oder Verlegung warden In- tensivpatienten einfach zu “Überwachungspatienten” erklärt und weiter betreut - in den gleichen Räumlich- keiten. Dann passt es eben wieder.” “Aus 2 Stationen mit je 30 Betten wird eine große Organisationseinheit gemacht, damit auf dem Papier die Grenzen eingehalten warden.” “Es wird mit einem anderen Bereich Personal getauscht: Pflegeassistent gegen Pflegefachperson.” bereich nicht in erster Linie ein Bett, sondern vor allem genügend qualifiziertes Pflegepersonal braucht, um In den folgenden drei Fragen aus der Meinungsum- seine Erkrankung zu überleben, muss Vorrang haben. frage konnten die Angaben zu Kompensationsstrate- „Die Vorschrift ist: Es werden keine Betten gesperrt. gien noch einmal bestätigt werden. Die Schichten müssen besetzt werden, ganz egal wie!“ Eine solche Haltung der Verantwortlichen darf einfach Haben seit Inkrafttreten der Pflegeper- nicht länger hingenommen werden! sonaluntergrenzen kurzfristige Dienst- Kritik an den Pflegepersonaluntergrenzen machte sich planänderungen zugenommen? von Anfang an auch an dem zu erwartenden bürokrati- schen Aufwand fest. Die Krankenhäuser hatten gefor- 54,9% aller Antwortenden bestätigen dies ganz ein- dert, lediglich Durchschnittswerte, errechnet aus lan- deutig, 36.1 % antworteten mit Nein. 9% gaben an, gen Erhebungszeiträumen, melden zu müssen. Damit dies nicht zu wissen. Und die prozentuale Verteilung wäre allerdings für mehr Patientensicherheit nichts war bei Bereichen mit und denen ohne PpUG nahezu erreicht. Um den Meldeaufwand im Rahmen zu halten, identisch. ließ sich die Politik seinerzeit auf die Regelung ein, die Sehr ähnlich fielen die Antworten auf die nächste Fra- im § 6(5) der PpUGV beschrieben ist (siehe S. 4 die- ge aus: ser Broschüre). Unsere nächste Frage lautete daher: Wird seit Inkrafttreten der Pflegeperso- Hat der bürokratische Aufwand wegen naluntergrenzen vermehrt kurzfristig des Inkrafttretens der Pflegepersonal- aus dem Frei geholt? untergrenzen zugenommen? Auch hierauf hat die Hälfte der Befragten (49,9%) mit Der Aufwand auf der Leitungsebene wurde nicht expli- Ja geantwortet, 39,1% mit Nein. Das bestätigt die zit erfragt. Aus den PpUG-Bereichen wurde geantwor- Ergebnisse des Krankenhaus-Barometers, das bereits tet: im April 2019 für das erste Quartal der PpUG diese Ja: 40,7% Entwicklung gezeigt hatte. Nein: 27,6% Werden seit Inkrafttreten der Pflege- Nicht bekannt: 31,7% personaluntergrenzen mehr (bzw. häu- Bei dieser Frage konnten zusätzliche Angaben ge- figer) Betten gesperrt als vorher? macht werden. „Falls ja - in welchem Umfang in Minu- ten pro Tag?“ Insgesamt 153 Freitextantworten gin- 50,6% der Antworten aus den PpUG-Bereichen ant- gen hierzu aus den PpUG-Bereichen ein und zeigen worten mit Nein, 45,8% sagen dagegen Ja. Dass Bet- eine große Bandbreite des zusätzlichen zeitlichen Auf- tensperrungen - insbesondere in Intensivbereichen, in wands, der für die Dokumentation und Regelung an- denen mit jedem belegten Bett viel Geld verdient wird fällt. Der genannte Aufwand lässt sich offenbar bis auf - als ultima ratio gelten, ist zwar nachvollziehbar. Dass 5 Minuten/Tag begrenzen, wenn ein gut eingeführtes, ein Patient aber gerade in einem solchen Hochrisiko- durchdachtes und integriertes EDV-Programm dafür 11
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus genutzt werden kann. Wo dies nicht der Fall ist, rei- “Dienstplanänderungen, aufwändige Suche von chen die genannten Zeitwerte bis zu mehr als 2 Stun- Personal aus dem Frei” den/Tag. “Mehr telefonieren, mehr Anträge ausfüllen, mehr Mehr Zeitaufwand als für die geforderten Daten zu den E-Mails mit Bettenschließungsbegründung” PpUG scheint allerdings für deren Umsetzung aufge- “Kommunikation mit Ärzten im Durchschnitt ca. 30 bracht werden zu müssen, so jedenfalls wird es von - 60 Minuten pro Tag, nur auf Leitungsebene” vielen Antwortenden beschrieben. Einige Beispiele: “Dienstbereitschaften werden gesucht, aber teil- “Bettensuche gestaltet sich zunehmend schwierig, weise auch Personal abbestellt bei geringer Belegung deshalb lange Telefonate mit verschiedensten Krank- oder Rufbereitschaft” enhäusern - auch deutschlandweit. Zudem schriftliche Rechtfertigung wegen Bettensperrung.” “Es werden mehr Überlastungsanzeigen geschrieben.” Es tauchen auch Hinweise auf, dass bei der Doku- „Es werden nach Abrechnung des Dienstplans zu- mentation und Meldung der Tatbestände zu den sätzliche Pflegefachpersonen dokumentiert, die aber PpUG nicht immer ganz seriös verfahren wird: nicht gearbeitet haben. Nur damit die Personalunter- „Nachträgliche Manipulation der Dienstpläne, um die grenzen nicht unterschritten werden.“ Untergrenze einzuhalten.“ „Patienten werden nicht als Intensiv-, sondern als IMC „60 Minuten täglich, um Personal zu verteilen und -Patienten (Intermediate Care) klassifiziert und so wer- Nachbarbereiche anzupassen, damit der Betrug im den die Grenzen ausgehebelt.“ Monatsmittel stimmt.!“ „Gezielte Misch-Belegung in früheren Fachbereichen, „Scheindokumentation, doppelte Dienstpläne. Gerä- damit die PpUG nicht zum Einsatz kommt.“ temanager, Hygienepfleger, Case-Manager - alles „Statistiken werden geschönt.“ was Examen hat, aber nie auf Station mitarbeitet, wird „Mogelpackung! Jede examinierte Kraft wird ange- gezählt.“ rechnet, ob am Patienten tätig oder nicht.“ „Diagnosen werden angepasst, so dass viel abrechen- bar ist ohne Personaluntergrenzen. Die lukrativste Es ist anzunehmen bzw. zu hoffen, dass es sich hier- Nebendiagnose wird behandelt.“ bei um extreme Einzelfälle handelt. „Vorgesetzte berechnen die Patienten/Pflegekräfte- Statistik. Dies wird danach vom Verwaltungscontrol- ling kontrolliert und verändert.“ Erleben Sie sonstige Folgen der Pflege- „Diskussion um Personalbesetzung hat einge- personaluntergrenzen? setzt.“ Diese Frage haben insgesamt 826 Personen beantwor- „Endlich wird auf Pflegeausfall reagiert!“ tet, die meisten (44,4%) mit Ja. 34,7% antworteten mit „Für mich als Arbeitnehmer ist die Situation viel Nein, 20,8 % gaben an, dass ihnen keine sonstigen besser geworden; muss statt vorher 16 jetzt nur Auswirkungen der PpUG bekannt seien. noch 10 Patienten versorgen.“ Wer bei dieser Frage Ja geantwortet hatte, konnte sei- „Dienste sind wesentlich entspannter, jedes Mal ne Eindrücke mithilfe von Freitext konkretisieren und ist das Einhalten der Pause möglich.“ beschreiben. Diese Gelegenheit haben viele (n = 331) der Pflegefachpersonen gerne wahrgenommen. „Die Besetzung von Pflegekräften ist als größe- res Thema als bisher in den Krankenhausalltag gebracht worden. Andere Professionen müssen Die Pflegepersonaluntergrenzen erhielten ihr Vorgehen anders planen und können nicht dabei durchaus eine Reihe von Pluspunk- alles auf den Schultern der Pflege abstreifen.“ ten: „Mehr Gehör und Hilfe durch übergeordnete Ebe- 12
nen (Bereichs-, Pflegedienstleitung)“ „Widerwillige Auseinandersetzung mit dem The- „Positiv: gleiche Anzahl an Mitarbeitenden am ma Pflege, das sonst noch Jahre als Einsparpo- Wochenende wie in der Woche bei gleicher Pati- tenzial gesehen worden wäre.“ entenzahl.“ „Führungskräfte müssen sich für die Bettensper- „Es ist durch Reduzieren der Betten erheblich rung nicht mehr rechtfertigen.“ ruhiger auf der Station geworden.“ „Weniger Stress im Nachtdienst, da 2 Fachkräfte „Bewusstsein ist gestärkt, dass gute Pflege nur für 36 Patienten.“ bis zu einem bestimmten Maß geleistet werden kann, v.a. bei den Ärzten.“ Allerdings: Die Antworten auf die vorangegangenen Fragen lie- Verärgerte Ärzte und Krankenhausmanager ßen bei der Mehrheit der Befragungsteilnehmer/innen Sanktionen bei Nichteinhalten der PpUG wer- eher eine negative Einschätzung erwarten, dies hat den in Kauf genommen, sie tun nicht genug sich in den Freitexten zur Frage nach den „sonstigen „weh“ Folgen der Plflegepersonaluntergrenzen“ auch klar Abwanderung von Mitarbeiter/innen in die Leih- bestätigt. arbeit Die Antworten wurden inhaltlich sortiert und nach we- sentlichen Stichworten geclustert. Das Ergebnis se- Ständige Angst, versetzt zu werden hen Sie in der Tabelle, sortiert nach Häufigkeit der Wegfall von Pausen wegen der Mindestbeset- Nennungen. zung Über die dort aufgeführten am häufigsten genannten Arbeit wird nur noch an der Besetzung der Stel- Beobachtungen und Eindrücke hinaus wurde noch len gemessen, nicht mehr an der Qualität. vereinzelt benannt: Auflösung von Angeboten für Patient/innen Die Minuspunkte überwiegen mehr als Holen der eigenen Mitarbeiter aus dem Frei für deutlich und werden nachvollziehbar den Einsatz auf anderen Stationen beschrieben. Druck zum Verändern der Stationsabläufe Sonstige Folgen der Pflegepersonaluntergrenzen Anzahl Nennungen Umverteilung des Pflegepersonals, meist sehr kurzfristig, oft auch stundenweise 46 Unzufriedenheit der Mitarbeiter/innen, mehr Burnout, mehr Überlastung 36 Untergrenze wird als Obergrenze (Normalität) angesehen; Personalabbau 36 Häufige Konflikte in/zwischen Teams und interprofessionell, Spannungen, mehr 31 Stress, viel Unruhe Zunahme von Fehlern, drastische Qualitätseinbußen, schlechte Arbeit wird hinge- 31 nommen Neid und Unzufriedenheit der Stationen ohne PpUG, Störungen des Betriebsfriedens 23 Zunahme von Leiharbeit 21 Viel Umschieben/Umverteilen von Patient/innen 16 Zunahme der Krankheitsausfälle beim Pflegepersonal 13 Vorher an Helfer delegierte Aufgaben werden rückübertragen (Zeitdruck steigt) 11 Kaum noch Flexibilität in der Dienstplanung 9 Zunehmende Kündigungen von Pflegefachpersonen 8 Hoher Druck wird ausgeübt, vor allem auf pflegerische Leitungen 6 13
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus Zum Abschluss der Meinungsumfrage wollten wir wis- enten, Es wäre interessant, diesen und ihren An– und sen: Zugehörigen dieselbe Frage auch zu stellen In Bezug auf den eigenen Arbeitsalltag erleben die professionell Pflegenden in den Krankenhäusern aber eine ganz erhebliche Verschlechterung. Das gilt nahe- Das Urteil lässt keine Fragen offen und war auch in zu gleichermaßen für Bereiche mit und solche ohne dieser Eindeutigkeit zu erwarten. Die Pflegefachper- geltende Untergrenzen. sonen gestehen den Untergrenzen zwar einige positi- ve Effekte zu, insbesondere für Patientinnen und Pati- Die Liste der von den professionell Pflegenden in den Allerdings haben die Pflegefachpersonen all dies auch Krankenhäusern geschilderten negativen Auswirkun- hingenommen, ohne sich wirksam auf ihre vertragli- gen, die sie wegen der Pflegepersonaluntergrenzen chen Rechte zu berufen und frühzeitig Rückendeckung Tag für Tag erleben, ist lang und gravierend. Es sind zu holen. Allein kann man gegen schlechte Arbeitsbe- keine „Peanuts“, die hier aufgeführt sind, sondern dingungen wenig ausrichten, in einer starken Gemein- handfeste Defizite im Umgang mit wertvollen Mitarbei- schaft - z.B. als Mitglied eines Berufsverbands - lässt terinnen und Mitarbeitern, in der Qualität der Versor- sich dagegen viel erreichen. gung, in der Gestaltung von guten Prozessen, in der Bei den beruflich Pflegenden jedenfalls hat Vertrauensbildung für Patientinnen und Patienten, in sich offenbar im Jahr 1 der PpUG die Unzufrie- der Imagegestaltung von Unternehmen, die eigent- denheit und Frustration mit ihrer Arbeitssituati- lich händeringend nach neuen qualifizierten Fach- on noch verstärkt. In die Untergrenzen hatte kräften suchen und mehr als je zuvor auf sie ange- man die große Hoffnung gesetzt, dass nun endlich wiesen sind. eine rote Linie gezogen würde, die das Schlimmste Die Liste der negativen Effekte zeigt ein Versagen des verhindert und die Grundlage für einen schrittweisen Krankenhausmanagements, ein Zusammentreffen dra- Aufbau von mehr Pflegekapazität in den Krankenhäu- matischer Führungsfehler, den Verdacht, dass zuguns- sern legt. Das Gegenteil ist eingetreten, der Stress hat ten der Ökonomie nicht nur zu Beginn der Einführung noch mehr zugenommen, Fehler häufen sich, zusätzli- der PpUG, sondern im gesamten Jahresverlauf ele- cher Zündstoff für Konflikte ist entstanden und die so mentare Faktoren guter und nachhaltiger Betriebssteu- gebeutelten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagie- erung vollständig ignoriert und missachtet worden ren: mit Resignation, vermehrtem Krankheitsausfall sind. Wie dies möglich war, werden die Verantwortli- und sogar Kündigungen. Eigentlich kann das kein Ar- chen in der Politik sowie vor allem in den Trägerver- beitgeber wollen. bänden erklären müssen. 14
Diskussion und Fazit Eine Pressemitteilung des Bundesgesundheitsmi- mit Versorgungsqualität und Patientensicherheit zu tun nisteriums vom 07. März 2017: hat und ganz dringend verstärkt werden muss, zeigen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat ge- ihre konkreten Vorbereitungen auf die Ausgliederung meinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern der der Pflegekosten aus den DRGs. Sehr eifrig war man Koalitionsfraktionen und der Länder die Schlussfolge- gleich dabei, so viele Beschäftigte wie irgend möglich rungen aus den Beratungen der Expertenkommission im Pflegebudget unterzubringen – unabhängig davon, „Pflegepersonal im Krankenhaus" vorgelegt. (…) In welche Tätigkeiten innerhalb des Unternehmens sie Krankenhausbereichen, in denen dies aus Gründen ausüben. Physician Assistants, patientenferne Stabs- der Patientensicherheit besonders notwendig ist, sol- stellen, Hygieneexperten, Kodierer usw. – wer immer len künftig Pflegepersonaluntergrenzen festgelegt wer- irgendwann in seinem Leben eine Pflegeausbildung den, die nicht unterschritten werden dürfen. absolviert hat, wird nun buchhalterisch der Pflege zu- geschlagen. Bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: die Finanzierung der Krankenhauspflege gegen diese Form des Missbrauchs und weitere Begehrlichkeiten „Eine gute Versorgung im Krankenhaus setzt eine des Krankenhaus-Managements absichert. angemessene Personalausstattung voraus. Ge- meinsam ist uns eine weitere wichtige Weichen- Für eine erfolgreiche und nachhaltige Strategie zur stellung gelungen, um die Pflege am Krankenbett Lösung der Probleme in den Krankenhäusern reichen zu stärken. Jetzt muss es darum gehen, dass die umfangreiche Maßnahmenkataloge oder das Drehen Regelungen, die wir nun auf den Weg bringen an einzelnen Stellschrauben bei weitem nicht mehr werden, fristgerecht von den Krankenhäusern aus. Zu lange hat man in der Politik der Negativ- und Krankenkassen mit Leben gefüllt werden." 7 Entwicklung nur zugesehen und einflussreichen Öko- nomen nahezu das Feld allein überlassen. Jetzt wird nicht weniger als ein vollständiger Paradigmen- und Was die Ergebnisse der DBfK-Meinungsumfrage ge- Systemwechsel erforderlich sein, um die Kranken- zeigt haben - und ähnliches hört man aus beinahe häuser auf die Spur in eine bessere Zukunft zu setzen. allen Krankenhäusern - besagt bestenfalls: Mitarbeiterorientierung und Mitarbeiterbindung haben in der Krankenhauspflege lange kaum eine Rol- „Gut gemeint, schlecht le gespielt. Das fatale Ergebnis dieser Personalpolitik bekamen alle zu spüren. Es wird nicht reichen, die gemacht!“. Zahl der Ausbildungsplätze zu steigern in der Erwar- tung, damit den Berufsnachwuchs auf Jahrzehnte hin- Wie die Politik die Vorgaben in der PpUGV ausgestal- aus zu sichern. Solange die praktische Ausbildung in tete und wie die Krankenhäuser sie begannen umzu- den Kliniken unverändert schlecht und geringschät- setzen, konnte nichts Gutes hervorbringen. Von stän- zend bleibt, werden junge Menschen frühzeitig das dig wechselnden, fach– und stationsfremden und zah- Handtuch werfen und sich beruflich anders orientieren. lenmäßig immer zu wenig Pflegefachpersonen betreut zu werden, kann weder dem Wohlbefinden noch der Die Krankenhausträger ebenso wie der Verband der Versorgungsqualität noch der Sicherheit von Patient/ Krankenhausdirektoren (VKD) erwarten und hoffen, innen dienen. Welche Arbeitsbedingungen den Be- dass mit Einführung des von ihnen mitentwickelten schäftigten zugemutet werden und dass man leis- Bemessungsinstruments PPR 2.0 sehr bald die unge- tungsfähige, stabile Teams nach Belieben auseinan- liebten PpUGs der Vergangenheit angehören und sie derreißt, um heute hier und morgen da vorhersehbare wieder ungehindert das Pflegepersonalmanagement Löcher zu stopfen, spricht von gravierender Missach- ihrer Häuser frei gestalten dürfen. Sehr gern im ge- tung der Ressource professionelle Pflege. wohnten Stil, die Krankenhausgesellschaften werden Wie wenig viele Krankenhäuser verstanden haben, nicht müde, „hohe Autonomie zur Allokation des Pfle- dass die Kapazität an fachlich guter Pflege unmittelbar gepersonals“ einzufordern. Der VKD seinerseits for- 15
Ziel erreicht? Effekte der PpUG im Krankenhaus dert, dass „dem Management die Möglichkeit zu geben Er argumentiert, dass wegen des fehlenden Fachkräf- ist, eigenständig und nach den Erfordernissen jedes teangebots auf dem Arbeitsmarkt zwangsläufig einzelnen Krankenhauses das Personal einsetzen zu „weniger pflegeintensive Krankenhausbetten angebo- können.“ (VKD-PM vom 15.1. 2020) Dass sie alle über ten werden können.“ Durch die Umsetzung der PpUGV Jahrzehnte hinlänglich bewiesen haben, wie wenig sie entstehe eine „massive Versorgungskrise“, weil immer dazu in der Lage sind und wie sie an dieser Stelle ihre der „für eine optimale Pflege als Untergrenze ange- Verantwortung Beschäftigten gegenüber ignoriert ha- setzte Wert erreicht werden muss und nicht eine aus- ben, sollte der Gesetzgeber nicht übersehen! reichende Pflege in bestimmten Situationen akzeptiert werden kann.“ Vor diesem Hintergrund müssen Ansätze der PPR 2.0 vor Umsetzung noch einmal überdacht werden: „Optimale Pflege“ auf einer Intensivstation - mit einer Besetzung von 2,5 zu 1 in der Tagschicht und 3,5 zu 1 Der „Ganzhausansatz“. Eine Ermittlung und im Nachtdienst, wie es die Personaluntergrenzen vor- Definition des Pflegepersonalbedarfs pro Stati- geben? Wer dies für eine optimale Pflegepersonalbe- on und pro Schicht lehnt die DKG grundsätzlich messung hält, hat nicht verstanden, was Pflege leistet ab und hat dies auch bei der Verordnung der und welche Bedeutung sie für die Chance auf Gene- Pflegepersonaluntergrenzen erfolgreich verhin- sung und die Sicherheit von Intensivpatient/innen hat. dert. Aus gutem Grund haben allerdings Län- Und was man seinen Mitarbeiter/innen schuldig ist. Mit der, die nurse-to-patient ratios eingeführt haben, solchen Quoten liegt die deutsche Intensivpflege im um dem Sparen am Pflegepersonal Grenzen zu internationalen Vergleich am untersten Level. setzen, dies schichtbezogen getan. „Immer mehr Intensivstationen überlastet!“ Die am An- Die Letztentscheidung für den Stellenplan der fang dieser Broschüre erwähnte Panorama 3 Sendung Geschäftsführung zu übertragen. Es ist zu be- des NDR berichtete über die vielen gesperrten Inten- fürchten, dass damit weiterhin ökonomische In- sivbetten, die zunehmend eine Versorgung von teressen höhere Priorität behalten als eine am Schwerkranken zum Problem machen. Überlastet wa- individuellen Pflegebedarf ausgerichtete Perso- ren die Intensivstationen - vor allem deren Fachkräfte nalbemessung. - allerdings schon seit vielen Jahren und lange vor Ein- Nicht zuletzt müssen die Krankenhäuser endlich zur führung der Pflegepersonaluntergrenzen, nur hat das Kenntnis nehmen, dass die Ressource Pflegefachper- niemanden interessiert. Jetzt wird das Ausmaß der sonen endlich ist und gut behandelt werden muss. Misere erkennbar und hoffentlich endlich die Ursache Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben inzwischen wirksam angegangen! verstanden, dass mit ihnen die Gesundheitsversor- gung im Land steht und fällt. Und dass es sich nicht Ein Wort zum Schluss lohnt, die eigene Gesundheit und das persönliche Wohlbefinden - auch im Berufsleben - aufs Spiel zu Pflegepersonaluntergrenzen und die Corona- setzen. Pandemie - Bundesgesundheitsminister Spahn hat dies gleich zu Beginn der Krise für nicht vereinbar ge- Auch und gerade die Krankenhäuser beklagen sich halten und am 4. März 2020 die Untergrenzen vorläu- seit langem darüber, dass ihnen die Fachkräfte davon- fig ausgesetzt: „Die Krankenhäuser müssen bei der laufen und sie sie - zum doppelten Preis und mehr - Personalplanung flexibel auf die Ausbreitung des anschließend wieder bei der Zeitarbeit buchen müs- Coronavirus reagieren können. Deshalb entlasten wir sen. Wer aber so wie in dieser Umfrage belegt mit Mit- sie in dieser Lage von Dokumentationsaufwand und arbeiter/innen umgeht, treibt sie in die Teilzeit, aus Auflagen in der Pflege.“ Auch der Gemeinsame Bun- dem Beruf und der Zeitarbeit direkt in die Arme. desausschuss genehmigte kurz darauf Abweichungs- In einem kürzlich erschienenen Gastbeitrag von Prof. möglichkeiten von der Mindestausstattung mit Intensiv- Hans Martin Hoffmeister, Präsident des Berufsver- pflegepersonal bei bestimmten komplexen Behandlun- bands Deutscher Internisten und Chefarzt im Städti- gen. schen Klinikum Solingen, bewertet auch er die Effekte Anfang Mai 2020 nahmen immer mehr Kliniken die der Personaluntergrenzen8. Sein Fokus liegt vor allem Regelversorgung wieder auf und erhielten dafür auch auf den durch die Pflegepersonaluntergrenzen ausge- grünes Licht aus dem BMG. Von einer Rückkehr zu lösten Engpässen in der Intensivmedizin. 16
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