Digitaler Wandel Das Magazin der GIZ - Mobile Kommunikation verändert weltweit das Miteinander.
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Ausgabe 02/14 Das Magazin der GIZ Digitaler Wandel Mobile Kommunikation verändert weltweit das Miteinander. Weitere Themen: Georgien: Weinbau und Tourismus Griechenland: Die Strukturreformen nehmen Fahrt auf.
inhalt digitaler wandel: Die Informations- und Kommunikationstechnik verändert weltweit, wie wir leben und arbeiten und wie sich die Gesellschaft organisiert. 32 georgien: Winzer profitieren von Tourismus und Qualitätsoffensive. e xpo n i e rt Sp e zi a l 8 Gut für alle Seiten 26 „Afrika ist ein Chancenkontinent“ Junge Ingenieure aus Tunesien sammeln Entwicklungsminister Gerd Müller in Deutschland Berufspraxis – und im Gespräch über Zukunfts- und lindern hier den Fachkräftemangel. Friedenspolitik FOTOs: Benoist/Boissonnet/avenue images (2 oben links); Thomas Imo/photothek.net (2 oben rechts); Benoist/Boissonnet/avenue images (3 oben links); GIZ/Karsten thormaehlen (3 oben rechts) a kz e n tu ie rt e n ga gi e rt 12 Digitaler Wandel 29 In Europa für Europa In Griechenland nimmt die Umsetzung Die Kluft wird kleiner wichtiger Strukturreformen Fahrt auf. unternehmensprofil Im Fokus: Die Informations- und Kommu- nikationstechnik verändert weltweit, wie 32 Gute Tropfen vom Kaukasus Die Deutsche Gesellschaft für wir leben und arbeiten und wie sich die Tourismusangebote und Qualitätsoffensi- Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Gesellschaft organisiert. ven sollen Georgiens Winzern helfen. GmbH bietet nachhaltige und wirk- Im Überblick: Projektbeispiele aus der same Lösungen für politische, Arbeit der GIZ 34 Neue Verantwortung wirtschaftliche und soziale Verände- In Zahlen: Wer online ist und was die Professor Klaus Töpfer und GIZ-Vorstands- rungsprozesse. Das Bundesunter Menschen in der Zukunft erwarten sprecherin Tanja Gönner im Gespräch nehmen hat über 16.000 Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter und ist in 37 Klare Grenzen bringen Frieden mehr als 130 Ländern aktiv. In Afrika tragen Grenzvereinbarungen und soziale Projekte zur Aussöhnung bei. www.giz.de 2 akzente 02/2014
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, unser Leben wird mittlerweile umfassend von Internet, Mobiltelefon und den Möglichkeiten fast grenzenloser Kommunikation und Vernetzung bestimmt. Fast vergessen die Zeiten, als wir noch von der Hand ausgefüllte Überweisungsträger zur Bank tragen muss- ten, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Heute können wir unkompliziert mit Menschen in allen Teilen der Welt kommunizieren, am heimischen Computer ein- kaufen, Aktien an Börsen in entlegenen Teilen der Welt handeln und uns im Auto vom Navigationssystem zur nächsten Tankstelle leiten lassen. Unser Artikel „Die Kluft wird kleiner“ zeigt auf, wie sich der digitale Wandel deutlich auch auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit 40 bemerkbar macht und in welchem Umfang Informations- und Kommunikationstechniken afghanistan: Ausbildung von sowie neue und soziale Medien bereits für eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Ent- zivilen Fluglotsen wicklung eingesetzt werden: von der standortübergreifenden Steuerung von Produktions- prozessen über Wetter- und Marktinformationen für die Landwirtschaft bis hin zu Onlinedienstleistungen von Kommunalverwaltungen. Nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auch und gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern. Unsere Reportagen aus dem Ausland führen Sie diesmal unter anderem nach Mali, Burkina 40 Durchstarten! Faso sowie Georgien. Zwischen Mali und Burkina Faso will die Afrikanische Union Grenz- In Afghanistan werden wieder zivile konflikte beilegen und setzt auf länderübergreifende gemeinsame Projekte mit Einwohnern Fluglotsen ausgebildet. beiderseits der Grenze. Georgien braucht für sein Wirtschaftswachstum dringend mehr Ex- porte und will seine jahrtausendealte Tradition des Weinbaus an die Qualitätsstandards westlicher Märkte heranführen. er klär t 42 Sprungbrett Stipendium Welche Schwerpunkte im Mittelpunkt seines Amtes stehen, darüber sprachen wir mit dem Ein Heinz Nixdorf Programm fördert die neuen Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Asienkompetenzen von bis zu 50 Nach- Müller. Lesen Sie im Interview über seine Ziele, aber auch über die Frage, wer 2014 Fußball- wuchskräften pro Jahr. weltmeister wird. Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen wie immer vo r ge s t e llt 46 Temby Mary Caprio, Bildungsexpertin Ihre W eit e r e Ru b rik e n 4 informiert: Nachrichten, nachgehalten 24 fotografiert: Boxen für den Frieden 44 Service: Medien- und Veranstaltungstipps Dorothee Hutter 47 Autoren und Fotografen dieser Ausgabe, Leiterin Unternehmenskommunikation Impressum, Vorschau akzente 02/2014 3
informiert Saudi-Arabien wirbt für Lebensmittel aus Ökolandbau KAMPAGNE Bereits im Jahr 2011 wurde sich an alle Verbraucher richtet, insbe- in Saudi-Arabien ein nationales Öko- sondere aber an Familien in größeren siegel vorgestellt. Seither wird ein Teil Städten wie R iad, Dschidda und Dam- der landwirtschaftlichen Produktion mam. Ökologisch erzeugte Lebensmit- und Vermarktung nach internationalen tel sollen als Teil eines gesunden und Standards zertifiziert. Ein nationaler natürlichen Lebensstils bekannt ge- Verband für organische Landwirtschaft macht werden. Meinungsmacher und ist entstanden, ein verbindlicher recht- Trendsetter werden gezielt in die Kam- licher Rahmen für Produzenten und pagne einbezogen. Soziale Medien wie den Handel wurde geschaffen (siehe Facebook, YouTube und Twitter wer- auch den Artikel „Mit Ökolandbau in den gezielt als Informationskanäle ge- die Zukunft“ in akzente 03/2011). nutzt, Ideenwettbewerbe sollen weitere 2014 können Verbraucher bereits in Aufmerksamkeit erzeugen. Die GIZ zahlreichen Supermärkten landesweit bereitet aktuell im Auftrag des saudi- sowie in 40 spezialisierten Geschäften schen Agrarministeriums einen Fünf- Lebensmittel mit dem saudischen Jahres-Aktionsplan („Organic Policy Ökosiegel kaufen. Um die Nachfrage Action Plan“) zur nachhaltigen Förde- noch weiter zu steigern, startet das sau- rung ökologischer Landwirtschaft in dische Agrarministerium in Koopera- Saudi-Arabien vor. tion mit der GIZ Mitte 2014 eine um- fangreiche Aufklärungskampagne, die www.saudi-organic.org.sa Organisch erzeugte Lebensmittel sollen in Saudi-Arabien mehr Abnehmer finden. Überweisungspreise im Web vergleichen 700 Zusammenarbeit mit der Wirtschaft Preisvergleich Jährlich überweisen mehr als 16,3 Millionen Menschen mit ausländi- schen Wurzeln 12 Milliarden Euro aus Deutschland in Entwicklungs- und Schwel- Ein Projekt mit Bionorica, einem führenden lenländer. Das Geld wird dort von den Emp- Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln, fängern direkt in Essen, Kleidung, Bildung ist die insgesamt bereits 700. Entwicklungs- und Gesundheit investiert und trägt auch indirekt zum wirtschaftlichen Wachstum der Länder partnerschaft, die vom BMZ aus seinem bei. Durch hohe Kosten geht bisher oft ein Teil des Geldes verloren. Um den Preisvergleich für Programm develoPPP.de über die Überweisungsdienstleistungen zu erleichtern, hat das Centrum für internationale Migration GIZ gefördert wird. und Entwicklung (CIM) im Auftrag des BMZ die Initiative www.geldtransFAIR.de ins Leben gerufen. Seit März 2014 ermöglicht eine neue, benutzerfreundliche und jetzt auch weltbankzer- Mit develoPPP.de fördert das BMZ das Enga- tifizierte Version des Vergleichsportals einen noch besseren und ständig aktualisierten Über- gement der Privatwirtschaft dort, wo unter- blick über Konditionen für Überweisungen in mehr als 20 Länder. nehmerische Chancen und entwicklungspoliti- scher Handlungsbedarf zusammentreffen. www.geldtransfair.de 4 akzente 02/2014
> Neue Projekte > Serbien Urbane Armutsgebiete EU-Beitritt ÄGYPTEN Das von der GIZ durchge- führte BMZ-Programm zur Aufwer- tung städtischer Armutsgebiete in Kai- ro hat erneut eine Kofinanzierung in Höhe von 20 Millionen Euro von der EU Serbien macht sich bereit für einen Beitritt zur Europäischen Union (EU). erhalten. Ziel des Programms ist es, Die offiziellen Beitrittsverhandlungen laufen. die Lebensbedingungen der Bewohner durch Kleinmaßnahmen in den Berei- DIE HERAUSForderung In allen Bereichen müssen serbische Gesetze mit europarechtli- chen Infrastruktur, Gesundheit, Bildung chen Vorschriften harmonisiert werden – vom Zoll über die Wettbewerbsaufsicht bis hin und Umwelt zu verbessern. Zudem sol- zur Lebensmittelkontrolle. Wie viel Zeit Serbien dafür von der EU bekommt, ist Gegenstand len die Mitsprachemöglichkeiten der der Verhandlungen. Dabei sitzen Vertreter von 19 serbischen Ministerien in 35 Verhand- Bewohner bei der Entwicklung ihrer lungsgruppen an den Brüsseler Tischen. Insgesamt sind über 70 Prozent der öffentlichen Siedlungen verbessert werden. Verwaltung in die Verhandlungen eingebunden. KOORDINATION ALLER BETEILIGTEN Im Auftrag des BMZ unterstützt die GIZ die Regie- rung Serbiens dabei, den aufwendigen Abstimmungsprozess zwischen den verschiedenen Öko-Städte serbischen Ministerien und der Vielzahl von serbischen und EU-Verhandlungsgruppen zu koordinieren. Denn damit das Land seine Interessen wirksam vertreten kann, muss Serbien CHINA Für eine nachhaltige und CO2- in Brüssel mit einer Stimme sprechen. Bei den Beratungen profitiert die GIZ von ihrer arme Urbanisierung hat China konkrete langjährigen Arbeit in Serbien, ihrem EU-weiten Netzwerk und den Erfahrungen aus den Ziele in seinem zwölften Fünfjahresplan 2004 beziehungsweise 2013 der EU beigetretenen Staaten Slowenien und Kroatien. verankert. Hierfür ist die EU ein wichti- ger Partner. Das Programm „Eco-Cities- Link“ vernetzt europäische mit chine- sischen Städten, die ihr Know-how zu nachhaltiger Stadtentwicklung teilen. GIZ International Services wurde von Auszeichnung für Open-Source-Software der EU gemeinsam mit den Städtenetz- werken EUROCITIES und Climate Alli- klimadaten Im Auftrag des Bundesum- ance sowie der Beratungsfirma Gront- weltministeriums unterstützte die GIZ im mij mit der Durchführung beauftragt. Projekt „Daten- und Informationsmanage- ment zur Anpassung an den Klimawandel“ den indonesischen Wetterdienst bei der Er- fassung und Bereitstellung von Klimadaten. Entwicklungspartner Auf der CeBIT 2014 in Hannover wurde FOTO: JAN BRAUN/BRAUN MEDIA GMBH (4 OBEN) das internetbasierte Informationssystem MADAGASKAR Unilever, Symrise und „Open Climability Suite“ des Projektes mit die GIZ haben eine Initiative ins Leben dem Open Source Sustainability Award gerufen, die Vanillebauern in Madagas- 2014 ausgezeichnet. Das System wurde kar bessere Lebensbedingungen brin- komplett auf Basis von Open-Source-Soft- gen soll. Die Entwicklungspartnerschaft ware programmiert. Der Quelltext ist frei läuft über drei Jahre, 24.000 Menschen verfügbar und kann flexibel an die Bedürf- sollen davon profitieren. Die Partner- nisse der Nutzer angepasst und weiterent- http://climability.org schaft wird im Rahmen des Programms wickelt werden. www.giz.de/de/weltweit/16743.html develoPPP.de des BMZ gefördert. akzente 02/2014 5
informiert Neues Domizil in Bonn Richtfest Am 28. März feierte die GIZ Richt- fest für ein neues Bürogebäude an ihrem Unter- nehmenssitz in Bonn, das im Sommer 2015 bezugsfertig sein und dann Raum für 500 Arbeits- plätze bieten wird. Vorstandssprecherin Tanja Gönner begrüßte zu der Feier Staatssekretär Friedrich Kitschelt (BMZ) als Vorsitzenden des des GIZ-Aufsichtsrates sowie den Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch. GIZ- Vorstandsmitglied Hans-Joachim Preuß stellte das Gebäudekonzept vor, das sich an moderns- ten ökologischen Standards orientiert. Russische Praktikanten vor den Hamburger Landungsbrücken Partnerschaft Hamburg – St. Petersburg PRAKTIKA Drei Monate deutsche Kultur und ment-Unternehmen, und beim Germanischen Arbeitswelt: Das erlebten auch in diesem Jahr Lloyd zu Gast. Das Besuchsprogramm wurde wieder acht junge Fach- und Nachwuchs- 1992 vom Senat der Stadt und der Handels- kräfte aus Hamburgs Partnerstadt St. Peters- kammer Hamburg ins Leben gerufen. Seit burg sowie aus Kaliningrad und dem russi- 2007 hat die Handelskammer die GIZ mit der schen Nordwesten. Sie absolvierten ein Prak- Programmorganisation beauftragt. Der Prak- tikum in Unternehmen der Hansestadt, um tikantenjahrgang 2014 war bereits der achte, neue berufliche Erfahrungen zu sammeln. Sie der von der GIZ betreut wurde. Sie wählt die Richtfest für das GIZ-Gebäude in Bonn fördern damit auch die wirtschaftliche und Teilnehmer aus, sucht geeignete Praktikums- institutionelle Zusammenarbeit zwischen den plätze und Gastfamilien und organisiert das beiden Städten. 2014 kamen Praktikanten aus begleitende Seminarprogramm. Mit Erfolg: den Fachgebieten erneuerbare Energien, Häufig erwachsen aus den Praktika längerfris- Mobilitätspartnerschaft Schiffbau und Logistik. Sie waren unter ande- tige Kooperationen zwischen russischen und rem bei Envidatec, einem Energiemanage- hanseatischen Unternehmen. GEORGIEN Jeder vierte Georgier lebt im Ausland, ein Großteil möchte dort temporär Berufserfah- rung sammeln – das verbessert die Chancen auf dem heimischen Arbeitsmarkt. Auch Georgien Globaler Wissenstransfer profitiert: Neues Wissen und Geschäftsideen för- dern die Wirtschaft. 2009 sind Georgien und die NACHHALTIGE STADTENTWICKLUNG Deut- internationalen Memorandums „Städtische EU eine Mobilitätspartnerschaft eingegangen. sche Städte sind fortschrittlich beim Thema Energien – Zukunftsaufgaben der Städte“. Der Seit 2013 gestaltet das Centrum für internatio- Energieeffizienz, südafrikanische Städte bei E- Austausch zwischen derzeit deutschen, südafri- nale Migration und Entwicklung (CIM) diese im Governance, US-amerikanische Städte beim kanischen und US-amerikanischen Partnern auf Auftrag der EU und des BMZ mit und setzt pri- Bürgerengagement. Wie können Städte von die- kommunaler und nationaler Ebene soll Impulse mär auf zirkuläre Migration: CIM vermittelt sem lokalen Wissen global profitieren? Zum für Strategien zur Stadtentwicklung in einer glo- Georgier zur Weiterbildung in den deutschen Beispiel durch Dialogforen oder ein Austausch- balisierten Welt liefern. Das Projekt ist über das Pflege- sowie Hotel- und Gastronomiebereich programm für Bürger und Entscheidungsträger Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor- und unterstützt sie, anschließend in der Heimat von Gemeinden. Die GIZ unterstützt das Bun- schung beauftragt und wird gemeinsam mit dem eine Anstellung zu finden oder sich selbstständig desministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau German Marshall Fund of the United States zu machen. Staatliche georgische Stellen berät und Reaktorsicherheit bei der Umsetzung des umgesetzt. CIM zu Migrationsfragen. 6 akzente 02/2014
German Food Partnership ERNÄHRUNGSSICHERUNG Die Weltbevölke- rung wächst, nicht überall jedoch die landwirt- schaftlichen Erträge. Die Folge: Lebensmittel werden teurer und arme Menschen können sie sich nicht mehr leisten. Zugleich bietet die wach- sende Nachfrage Chancen für kleinbäuerliche Betriebe. Um diese zu unterstützen, haben etwa 40 kleine und mittelständische sowie multinatio- nale Unternehmen, darunter Bayer CropScience, BASF und Grimme, unter der Schirmherrschaft NACHGEHALTEN des BMZ die German Food Partnership gegrün- det. Die Initiative führt Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern durch, um die Ernährungs- VON NASA UND situation zu verbessern. Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet: Konsumenten, UNESCO AUSGEZEICHNET Handel, Weiterverarbeitung und bäuerliche Betriebe. So werden die Produzenten – vielfach Ein brauner Stoff aus Baumrinde Frauen – in die Lage versetzt, höhere und qualita- tiv bessere Erträge zu erzielen und ihre Einkom- • P rojekt: Unterstützung des Engagements von Unternehmen in men zu steigern. Entwicklungs- und Schwellenländern, Programm develoPPP.de • Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit www.germanfoodpartnership.org und Entwicklung • Partner: Bark Cloth Europe • Laufzeit: 2001 bis 2005 In eigener Sache Damals Mit Mitteln des Programms develoPPP.de wurde die Idee eines deut- Fotos: Detlef Pietz (6 oben); Jörn Wolter (6 Rechts); privat (7 unten), Fa. Bark Cloth (7 oben) schen Unternehmens gefördert, die traditionelle handwerkliche Herstellung eines JAN RÜBEL ist 1. Preisträger des Journalisten- vielfältig verwendbaren Gewebes aus Baumrinde marktfähig zu machen. Dadurch preises „Weltbevölkerung“ der Stiftung Weltbe- sollten Arbeitsplätze geschaffen und ein innovatives, dabei auch ökologisch ver- völkerung für das Jahr 2014. Im April erhielt er antwortlich und nachhaltig erzeugtes Produkt über die Landesgrenzen hinaus in Berlin die Auszeichnung für seinen Leitarti- angeboten werden. kel „Megafaktor Demografie“ in akzente, Heft 01/2013. Heute Aus einem kleinen Start-up mit einer ambitionierten Idee ist das Unter- nehmen Bark Cloth Europe entstanden. In Uganda leben 600 Bauern mit ihren www.weltbevoelkerung.de Familien davon, das Rohmaterial für das traditionelle Rindentuch auf ökologisch zertifizierten Plantagen zu gewinnen. Zu Teppichen, Möbelfronten oder Lampen- schirmen weiterverarbeitet wird es ebenfalls in Uganda, Marketing und Vertrieb der Endprodukte sind inzwischen international. 2013 zeichnete die NASA Bark Cloth mit einem Preis für innovative Ideen und seinen Beitrag für eine nachhal- tige Zukunft aus. Die UNESCO hat das Rindentuch und seinen Herstellungspro- zess in die Liste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes aufgenommen. www.develoPPP.de www.barkcloth.de Jan Rübel akzente 02/2014 7
exponiert Gut für alle seiteN Tunesien bildet hoch qualifizierte Ingenieure aus, doch Arbeitsplätze sind Mangelware. Das Auswärtige Amt und die Regierung Tunesiens riefen ein Programm ins Leben, das den jungen Leuten Berufspraxis eröffnet – und den Fachkräftemangel in Deutschland lindern hilft. Text Rolf Obertreis E mna Boujelben ist zufrieden. Die 29-Jähri- ge ist seit Januar dieses Jahres als Software- Entwicklerin in Frankfurt am Main fest angestellt, 2.000 Kilometer entfernt von ihrer Heimat, der tunesischen Küstenstadt Sfax. „Mir gefällt es sehr gut, ich habe nette Kontakte zu den Kollegen. Aber ich vermisse trotzdem meine Familie“, sagt sie in sehr gutem Deutsch. Vor eineinhalb Jahren konnte die junge Frau von solch einem gut bezahlten Job im Ausland nur träumen. In Tunesien, das war ihr am Ende ihres Studiums und der erfolgreichen Prüfung als Software-Diplom-Ingenieurin 2011 klar, würde sie kaum eine Stelle finden. Das Land steckt nach der Revolution im Umbruch, die Wirtschaft liegt weitgehend am Boden. „Fast 40 Prozent der Akademiker sind arbeitslos, auch viele meiner Freunde“, sagt Emna. Die tunesische Arbeitsagentur, bei der sie sich hatte registrieren lassen, machte sie im Fotos: GIZ (8); Mea Gruppe (9);Illustrationen: Denise Graetz (8–11) Herbst 2012 auf ein interessantes Projekt ltstitel Aufentha der GIZ zur Förderung der legalen Mobili- tät von hoch qualifizierten Fachkräften aus Name: Boujelben Tunesien aufmerksam. Emna Auftraggeber und Finanzier ist das Beruf: rin Auswärtige Amt, Partner ist die Zentrale Entwickle Software- Auslands- und Fachvermittlung der Bun- nd: Herkunftsla desagentur für Arbeit. Die mit der tune- Tunesien sischen Regierung vereinbarten Ziele onen: Qualifikati sind, jungen Akademikerinnen und genieurin; Diplom-In h, Französisc Akademikern aus Tunesien durch Wei- Arabisch, ts c h terbildung und Arbeit in Deutschland nd Deu Englisch u Berufserfahrung zu verschaffen und akzente 02/2014
Tunesie n deutschen Firmen zu helfen, den Fachkräfte- » Interview mangel zumindest zum Teil zu beheben. Einer Studie des Instituts der deutschen „Wir hoffen, dass er lange bleibt“ Wirtschaft zufolge kamen zwischen September 2011 und August 2013 auf 100 Stellengesuche Patrice Pélissier ist für die MINT-Berufe Mathematik, Informatik, Vorstandsvorsitzender Naturwissenschaften und Technik je nach Spar- der MEA AG, Aichach te nur 50 bis 60 arbeitslose Akademiker. Die Bundesregierung will deshalb nicht nur inländi- sche Potenziale besser erschließen und beispiels- weise die Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer fördern, sondern auch die qualifizierte Zuwande- rung, etwa durch den Abbau bürokratischer Herr Pélissier, seit Anfang Februar vertrauen Hachem Chaabene kam im Sommer 2013 Hürden. Ausländische Fachkräfte mit einem Sie auf die Dienste von Hachem Chaabene, als Praktikant zu uns, seit 1. Februar die- Hochschulabschluss, die eine Stelle in Deutsch- einem jungen Bauingenieur aus Tunesien. Wie sen Jahres ist er fest angestellt. Für mich land finden und mindestens 47.600 Euro jähr- sind Sie auf ihn aufmerksam geworden? gab es nicht den geringsten Zweifel, dass lich verdienen, erhalten die sogenannte „Blaue Wir sind über die Industrie- und Handels- wir den jungen Tunesier unbefristet über- Karte EU“, die Aufenthalts- und Arbeitserlaub- kammer in Augsburg Ende 2012 auf das nehmen – zu den Konditionen und dem nis kombiniert. Für Fachkräfte aus dem MINT- Programm des Auswärtigen Amtes gesto- Gehalt, die bei uns für alle Mitarbeiter in Bereich und aus anderen Berufsgruppen, in de- ßen und haben uns sofort gemeldet. entsprechenden Positionen gelten. nen spürbare Engpässe auf dem deutschen Ar- beitsmarkt bestehen, wurden die Hürden Was war Ihre Motivation? Welche Aufgaben hat Herr Chaabene? nochmals gesenkt. Sie müssen ein vergleichba- Für MEA und unsere Entwässerungs- und Er wird auf Baustellen etwa in Saudi-Ara- res Gehalt wie deutsche Arbeitnehmerinnen Bausysteme sind die arabischen Länder bien, Dubai oder Ägypten die Beratung für und Arbeitnehmer verdienen, das mindestens wichtige Märkte. Wir haben schon lange den Einsatz unserer Produkte übernehmen. 37.128 Euro jährlich beträgt. einen Experten gesucht, der nicht nur das Daher wird er von Aichach aus viel unter- notwendige Fachwissen mitbringt, sondern wegs sein. Wir hoffen, dass er lange bei auch eine hohe kulturelle Affinität zur uns bleibt. 100 Teilnehmer aus 700 Bewerbern Region besitzt. Allerdings hatten wir kei- Als Emna Boujelben den Hinweis der tunesi- nen Erfolg und haben lange keinen geeig- Könnten Sie sich ähnliche Projekte für schen Arbeitsagentur auf das Programm erhielt, neten Bewerber gefunden. Fachkräfte aus anderen Ländern vorstellen? reagierte sie sofort. Sie bewarb sich und wurde Auf jeden Fall. Es wäre gut, wenn Bun- mit rund 100 anderen jungen Frauen und Män- Hachem Chaabene bringt diese Eigenschaf- desregierung, GIZ und Arbeitsagentur in nern aus einem Kreis von mehr als 700 Bewer- ten mit? diesem Feld weiter aktiv blieben und bern ausgewählt. Absolut. Er ist als Bauingenieur fachlich ähnliche Programme etwa auch mit Blick „Am Anfang stand ein zweimonatiger hervorragend ausgebildet. Er kommt aus auf Zentralamerika auflegen würden. Wir Deutsch-Intensivkurs in Tunis. Das war an- Tunesien, seine Muttersprache ist also würden jederzeit wieder junge Fachkräfte strengend“, erinnert sie sich. Im März flog sie Arabisch. Er spricht hervorragend Franzö- aus anderen Ländern engagieren, wenn nach Deutschland und begann bei der Soft- sisch und Englisch und mittlerweile auch sie zu unserem Unternehmen passen. warefirma. „Es war meine erste Auslandsreise. sehr gut Deutsch. Es ist unglaublich, wie Nach Deutschland zu kommen war ein Traum.“ schnell er die Sprache in nur einem Jahr Interview: Rolf Obertreis Boujelben büffelte zunächst weiter Deutsch, gelernt hat. Darüber hinaus passt er her- lernte, ein Bankkonto zu eröffnen, sich auf dem vorragend in unser Team, seine Kollegen Wohnungsmarkt umzutun und worauf deut- schätzen ihn sehr. sche Unternehmen Wert legen. Ortswechsel in die bayerische Kreisstadt Wann stand für Sie fest, dass Sie ihn ein- Aichach, 25 Kilometer nordöstlich von Augs- stellen werden? burg. Hier hat Hachem Chaabene seinen » akzente 02/2014 9
exponiert ko Thailan Marok Traumjob gefunden. Der 25-jährige Bauingeni- Für Chaabene ging es bei MEA zunächst da- Ausrichtung erleichterte Boujelben den Ein- eur aus der tunesischen Kleinstadt El Kef arbei- rum, die Produkte und Angebote kennenzuler- stieg. Die Arbeit gefällt ihr – und sie konnte zei- tet beim Familienunternehmen MEA. Es hat nen, die Marktstellung der Firma im In- und vor gen, dass die Ausbildung in Tunesien sehr gut sich auf Entwässerungssysteme und Stahlteile allem im Ausland in Erfahrung zu bringen und ist. Im Alltag kommt sie gut zurecht, ist nur er- für die Baubranche spezialisiert. 650 Menschen sich im Exportteam des Unternehmens einzuar- staunt, „wie viel Steuern ich in Deutschland beschäftigt MEA weltweit, rund 120 am beiten. „Die Kollegen sind sehr nett, sie haben zahlen muss“. Anfang Februar hat sie eine Woh- Stammsitz in Aichach. Seit 1. Juli 2013 ist mich gut aufgenommen“, sagt Chaabene. nung gefunden, zuvor war sie in einem Apparte- Chaabene einer von ihnen, zunächst als Prakti- Emna Boujelben, die für zunächst ein Jahr ment ihres Arbeitgebers untergebracht. kant, seit 1. Februar 2014 ist er fest angestellt – fest angestellt ist, schätzt die flexible Arbeitszeit Auch Chaabene hat sich schnell eingelebt. unbefristet. „MEA war meine Wunschfirma. und den kollegialen Umgang, auch mit den Er wohnt in Augsburg in einer Wohngemein- Ich bin sehr zufrieden“, sagt Chaabene lächelnd. Chefs. „In Tunesien ist das anders, dort sind die schaft mit einem deutschen Studenten. MEA- „Ich wollte immer nach Deutschland“, sagt er. Hierarchien viel stärker ausgeprägt.“ Für das Unternehmenschef Patrice Pélissier sagt, der Tu- Sein Deutsch ist hervorragend, obwohl er erst Unternehmen entwickelt sie Datenbanklösun- nesier sei genau die Person, die man gesucht habe. im Januar 2013 den ersten Kurs belegt hat, in gen für Banken und Finanzdienstleister und „Wir wollten einen Ingenieur mit kultureller Affi- dem auch Emna Boujelben die Sprache und viel prüft Softwareprogramme. 80 Mitarbeiter aus nität zum arabischen Raum, weil das für uns ein über die Alltagskultur lernte. 29 Nationen hat die Firma: Die internationale wichtiger Markt ist. Einen Ingenieur, der nicht > Migration fördern, Fachkräfte sichern Willkommen in Deutschland Nachwuchsprobleme in Deutschland, Ar- Vietnamesen machen Altenpflegeausbildung: J anuar 2013 hat sie dort über 12.000 beitslosigkeit unter Hochqualifizierten in Für das Bundeswirtschaftsministerium Fachkräfte aus dem Gesundheitsbereich anderen Teilen der Welt: Im Auftrag der hat die GIZ bislang 100 junge Vietnamesen sowie aus Mathematik, Informatik, Natur- Bundesregierung erkundet die GIZ Wege, mit Vorkenntnissen in Gesundheitsberufen wissenschaften und Technik erreicht. Deutschlands Fachkräftemangel zu beheben, in eine Altenpflegeausbildung in Deutsch- ohne dass dies zu dem entwicklungspoli- land gebracht. Das soll ihnen langfristig Make it in Hamburg: Unternehmen in Hamburg tisch gefürchteten Braindrain in den Partner- eine Berufsperspektive in Deutschland oder vermittelt die GIZ ausländische Fachkräfte im ländern führt. Wichtiger Kooperationspartner Vietnam eröffnen. Die vietnamesische Re- Projekt „Make it in Hamburg“. Es wird zu ist die Zentrale Auslands- und Fachvermitt- gierung sieht durch den Know-how-Trans- gleichen Teilen von der Stadt Hamburg und lung der Bundesagentur für Arbeit. Einige fer einen Nutzen für das eigene Land. 2014 dem Europäischen Sozialfonds finanziert. Beispiele für dieses Engagement: sollen weitere 100 Vietnamesen ausgebil- det werden. Hochqualifizierte fördern: Die legale Mobili- Triple Win: Im Projekt „Triple Win“ wollen GIZ tät Hochqualifizierter aus Tunesien zu för- und Bundesagentur Pflegekräfte aus Ländern, www.make-it-in-germany.com: Das Portal dern, war Ziel des Projekts, das die GIZ im in denen ein Überangebot an Pflegekräften „Make it in Germany“ ist ein Kernelement Auftrag des Auswärtigen Amts 2012 bis besteht, für eine Arbeit in Deutschland ge- der Fachkräfte-Offensive der Bundesregie- 2013 verwirklichte (siehe dieser Beitrag). winnen, sie darauf vorbereiten und sie bei rung mit Informationen rund um Leben und Durch die Vermittlung wird der Fachkräfte- ihrer Integration begleiten. Es profitieren die Karriere in Deutschland. Im Auftrag des mangel in deutschen Software- und Ma- Fachkräfte, die deutschen Krankenhäuser und Bundeswirtschaftsministeriums und in Ko- schinenbauunternehmen etwas gemildert. die Herkunftsländer: Der dortige Arbeitsmarkt operation mit der Zentralen Auslands- und Zudem gibt es für Fachkräfte in Tunesien wird entlastet und die Pflegekräfte überwei- Fachvermittlung der Bundesagentur für Ar- oft keine Stellen. Von 100 Ingenieuren, die Fotos: Tristan Vostry (11) sen Geld in die Heimat. 500 Gesundheitsfach- beit unterstützt die GIZ die „Make it in teilnahmen, erhielten 70 im Anschluss ei- kräfte wurden auf eine Tätigkeit in Deutsch- Germany“-Initiative in den drei Pilotländern nen festen Arbeitsvertrag (Stand: Februar land vorbereitet, 250 davon haben bereits Indien, Indonesien und Vietnam mit Bera- 2014). Einige von ihnen arbeiten für deut- einen Job. tungs- und Informationsangeboten. Seit sche Unternehmen in Tunesien. 10 akzente 02/2014
nd Vietnam nur fachlich gut ausgebildet ist, sondern auch begrüßt das Programm und die Entsendung der Deutsch, Englisch und vor allem Arabisch spricht Akademiker nach Deutschland ausdrücklich. und auf Baustellen in Ägypten, Abu Dhabi oder „Von Tunesien kam ganz klar die Rückmel- Katar zeigt, was unsere Produkte leisten und wie dung: Wir wünschen uns, dass unsere Fachkräf- sie eingebaut werden müssen.“ Ohne das Pro- te im Ausland eine Chance haben. Denn wir gramm des Auswärtigen Amts, über das er durch können im Moment die Perspektive nicht bie- die IHK in Augsburg erfahren habe, hätte er ei- ten“, sagt Wittenborg. Außerdem überweisen nen solchen Spezialisten nicht gefunden. Pélissier die jungen Tunesier einen Teil ihres Gehaltes an lobt den 25-Jährigen in höchsten Tönen. Chaabe- ihre Familien in der Heimat. Fünfzehn Pro- ne, der von 2007 bis 2012 in Tunis studierte, sei grammteilnehmer arbeiten in tunesischen De- hervorragend ausgebildet. „In welch einem Tem- pendancen deutscher Unternehmen. Das könn- po er Deutsch gelernt hat, ist unfassbar!“ te in einigen Jahren auch Chaabene passieren. Sollte das Unternehmen eine Niederlassung in Polen Tunesien eröffnen, wäre der junge Ingenieur der Auch Tunesien profitiert richtige Mann, sagt MEA-Chef Pélissier. Chaabene, Sohn eines Schuldirektors und einer Lehrerin, dessen beide Geschwister ebenfalls > Ansprechpartnerin studieren, kann sich gut vorstellen, einige Jahre Anna Wittenborg > in Deutschland zu bleiben. Über 70 der 100 tu- Anna.wittenborg@giz.de nesischen Akademiker haben nach dem Ende Süd der Projektzeit eine feste Stelle gefunden, knapp 60 von ihnen in Deutschland. Die GIZ geht da- von aus, dass sie zumindest einige Jahre bleiben. Damit sei kein Abzug von Know-how aus Tu- nesien verbunden, sagt GIZ-Projektleiterin Anna Wittenborg. Die tunesische Regierung ltstitel Aufentha Name: Chaabene Hachem Beruf: u r Bauingenie : Herkunftsland Tunesien onen: eres Qualifikati ; v e rh a n dlungssich Studium rabisch nglisch, A Deutsch, E ch ösis und Franz akzente 02/2014
akzentuiert
Digitaler Wandel Themen dieses Im Fokus: Die Informations- und Kommunikationstechnik verändert weltweit, Schwerpunkts wie wir leben und arbeiten und wie sich die Gesellschaft organisiert. Im Überblick: Projektbeispiele aus der Arbeit der GIZ In zahlen: Wer online ist und was die Menschen in der Zukunft erwarten
akzentuiert Die Kluft wird kleiner Die Informations- und Kommunikationstechnik verändert weltweit, wie wir leben und arbeiten, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft organisieren. Text Petra Hannen Illustration Denise Graetz Fotos: NASA/Roger Ressmeyer/CORBIS (Hintergrund 12/13); ImagineChina, Sven Torfinn/laif, Benoist/Boissonnet/avenue images (12/13) Sven Torfinn/laif (15) A m 21. November 2013 folgten sie lediglich ei- folgten Aktivisten in anderen nordafrikanischen Ländern nem einzelnen Aufruf auf Facebook: Weil der mit ähnlichen politischen Verhältnissen, die sogenannte damalige ukrainische Präsident ein über Jahre Arabellion brachte Regierungen ins Wanken und teilweise ausgehandeltes Assoziierungsabkommen mit sogar zum Sturz. der EU nicht unterzeichnet hatte, trafen sich einige Hundert junge Ukrainer im Zentrum von Kiew – der Beginn der Pro- Mehr Teilhabe durch Vernetzung teste auf dem Maidan. Am gleichen Tag kreierten Studenten den Hashtag #Euromaidan und legten unter diesem Namen Weitere Revolutionen könnten folgen. „Das Internet und Profile bei Facebook und Twitter an. Die Entwicklung der die digitalen sozialen Netzwerke geben Menschen, die in ge- folgenden Monate hat das Labor für Social Media und poli- schlossenen, autoritären Systemen leben, neue Hoffnung“, tische Teilhabe der New York University untersucht. Bereits sagt Nazir Peroz, Leiter des Zentrums für internationale und im Dezember diente der virtuelle Maidan der Protestbewe- interkulturelle Kommunikation an der Fakultät Elektro- gung als zentrale Plattform für die Organisation vor Ort, technik und Informatik der TU Berlin. Grundsätzlich kön- aber auch für die Mobilisierung weiterer Anhänger und die nen Informations- und Kommunikationstechnologien Kommunikation der Geschehnisse über die Landesgrenzen (IKT) seiner Meinung nach für die Entwicklung von Demo- hinaus. Ende Februar zählte das New Yorker Labor über kratie und Partizipation nützlich sein, da sie den Austausch 30.000 Tweets pro Stunde; und je länger die Demonstratio- zwischen Menschen innerhalb einer Gesellschaft fördern nen auf dem Maidan andauerten, desto mehr neue Nutzer und damit politische Teilhabe und Einflussnahme erhöhen. verzeichneten Facebook, Twitter und andere soziale Netz- Allerdings hänge der Zugang zur digitalen Welt von sozia- werke in der Ukraine. Letztlich trifft zwar die Internetge- len, wirtschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und meinde in der Ukraine keine politischen Entscheidungen. technischen Faktoren ab – Medienkompetenz, funktionie- Den New Yorker Forschern zufolge hat die digitale Vernet- rende und bezahlbare IT-Strukturen, Stromversorgung. Au- zung jedoch der Protestbewegung die entscheidende Dyna- ßerdem, warnt Peroz, hätten vor allem in Afrika, Südameri- mik gegeben. Gleiches gilt für das Ende des Ben-Ali-Re ka und Asien viele Menschen aufgrund ihrer sozioökonomi- gimes in Tunesien: 1984 und 2008 scheiterten zwei große schen Situation, ihres Bildungsabschlusses, Alters oder Protestbewegungen, Ende 2010 kanalisierten und bündel- Geschlechts keinen Zugang zur digitalen Welt. ten digitale Plattformen die politische und soziale Unzufrie- Diese digitale Kluft, die sich nicht nur zwischen Indus denheit, was zu einer Massenmobilisierung gegen die Regie- trie- und Entwicklungsländern findet, sondern auch zwischen rung führte. Dem Beispiel der tunesischen Protestbewegung Bevölkerungsgruppen innerhalb einer Gesellschaft, war » 14 akzente 02/2014
Mobile tion Kommunika nicht nur in A fr ika – aber ion Vor alle m Kommunikat - er m ög li cht mobile ne Tr an s dort rn ei und Händle die Produzenten ise und die Nachfrage, üb er P re h rt zu parenz Das fü cht hätten. n sie sonst ni eidungen und bessere E nt sc h n besseren beispielswei se vo Einkommen Landwirten, die d Fischern un len. re W ar e ve rkaufen wol ih
in in Telemediz n Südostasie ele land sind Zi si a, S in ga pur und Thai in Thailand Malay Allein tourismus. nds des Medizin nd 2,5 Millionen Ausla arden 20 12 ru vi er M illi sorgten fast en fü r E in nahmen von medizin starke patient as gibt der Tele ungs US-Dollar. D überbrücken Übertrag die se . D ab ei ik at io n Impul mmun ch ni ke n au s der Teleko d Th er ap euten te Patienten un zw is ch en si en st eht Distanz üdosta er z w is ch en Ärzten. S edizin, die od der Telem beim Einsatz ion zwischen den Kommun ik at ermöglicht, Medizinern der Spitze. weltweit an
akzentuiert schon 2003 und 2005 Anlass für den zweiteiligen UN-Welt- Im Zentrum der digitalen Möglichkeiten steht in allen Be- gipfel zur Informationsgesellschaft in Genf und Tunis. Die reichen eine veränderte Kommunikationsstruktur. Der Aus- Teilnehmer verständigten sich auf das Ziel, eine am Menschen tausch von Informationen wird nicht nur einfacher, schnel- orientierte, alle Beteiligten einbeziehende und entwicklungs- ler und direkter, sondern auch vielstimmiger. Denn während orientierte Informationsgesellschaft aufzubauen, in der die die Menschen bei der One-to-Many-Kommunikation der Menschenrechte gewahrt werden. Zudem kamen sie überein, klassischen Massenmedien passiv bleiben, können sie bei der digitale Technologien als Instrumente zur sozialen und wirt- Many-to-Many-Kommunikation der digitalen Welt mitre- schaftlichen Entwicklung und zur Verwirklichung der Millen- den. „In immer mehr Ländern fordert die Bevölkerung, vor niumsziele zu nutzen. Bereits in den 2000 verabschiedeten allem die junge Generation, diese Möglichkeit aktiv ein“, Millenniumszielen selbst wurden Informations- und Kom- sagt Astrid Kohl, in der GIZ zuständig für die Themen Me- munikationstechnologien direkt erwähnt: Sie sollen in Zu- dien, Kommunikation, E-Governance. Die Digitalisierung sammenarbeit mit Unternehmen allen Menschen zugänglich lasse die Erwartungen der Menschen, was mehr Transpa- gemacht werden. Und aus der Nachfolgeagenda, die sich die renz, Verlässlichkeit, Mitsprache und Service in allen Berei- globale Gemeinschaft für die Zeit ab 2015 geben will, werden chen des öffentlichen Lebens angehe, wachsen. „Diese Er- Internet und Telekommunikation angesichts ihrer rasanten wartungen beleben den Dialog zwischen Regierung und Zi- Entwicklung nicht wegzudenken sein. Erst für Ende Mai hat vilgesellschaft. Sie verändern Machtverhältnisse, aber auch John William Ashe, Präsident der Generalversammlung der ganz konkret politische Gestaltungs- und Entscheidungs- Vereinten Nationen, ein zweitägiges, hochrangig besetztes Ex- prozesse sowie die Verwaltungsabläufe dahinter. Daher ist pertentreffen zu Rolle und Bedeutung von IKT für die Ent- eine dialogorientierte Kommunikation der Schlüssel für die wicklung und die Post-2015-Agenda einberufen. nachhaltige Entwicklung von Good Governance.“ Dass Governance grundsätzlich kaum noch ohne digi- tale Komponenten gedacht werden kann, spiegelt die Nach- Ein Instrument für internationale Kooperation frage in den Partnerländern der deutschen internationalen Dass die Vereinten Nationen die Informations- und Kom- Zusammenarbeit. Bei über 30 aktuellen Projekten der GIZ munikationstechnologien schon vor fast 15 Jahren in die weltweit geht es um E-Governance – bei der elektronisch ge- Orientierungsrahmen für die internationale Entwicklungs- stützten Reform der öffentlichen Finanzen oder der Moder- zusammenarbeit aufgenommen haben, hat deren Verwen- nisierung der Verwaltung, bei der Korruptionsbekämpfung, dung befördert. Ob in Politik oder Verwaltung, in der In- der Transparenz im Rohstoffsektor, bei Wissensvermittlung dustrie oder dem Dienstleistungssektor, bei Bildung, Ge- und Gesundheitsförderung. Wie umfassend dabei Informa- sundheit, ländlicher Entwicklung oder Ressourcenschutz: tions- und Kommunikationstechnologien zum Einsatz kom- Bei Programmen zur Optimierung von Arbeitsabläufen, bei- men können, zeigt das Beispiel Bangladesch. Die Lang- spielsweise in Behörden, zur Kommunikation und Netz- zeitstrategie „Vision 2021“ der Regierung sieht vor, dass sich werkbildung oder zur kostengünstigen und schnellen Bereit- Bangladesch bis zum 50. Unabhängigkeitstag im Jahr 2021 stellung von Informationen spielen die neuen Technologien zu einem Land mit mittlerem Einkommensniveau entwi- mittlerweile eine wichtige Rolle. Und auch aus der Nothilfe ckelt. Wichtiger Baustein ist „Digital Bangladesh“, die breite sind sie kaum noch wegzudenken: Die Informationsplatt- und effektive Nutzung von Informations- und Kommunika- form Ushahidi beispielsweise gilt seit dem Erdbeben in Hai- tionstechnologien für mehr Bürgerbeteiligung und eine bes- ti 2010 als wichtiges Hilfsmittel für die Arbeit von Hilfsor- sere Einhaltung der Menschenrechte, Transparenz und Re- ganisationen. Ursprünglich hatte der kenianische Techniker chenschaftslegung, eine funktionierende Justiz und Verwal- und Blogger Erik Hersman Ushahidi – in Kenias Landes- tung. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche sprache Swahili das Wort für Zeugnis – initiiert, um in sei- Zusammenarbeit und Entwicklung hat die GIZ mit den Foto: Benoist/Boissonnet/avenue images nem Heimatland nach den Wahlen 2007 Menschenrechts- Städten Narayanganj und Jamalpur digitale Systeme ent vergehen zu dokumentieren. Im Fall Haiti sammelten die wickelt und implementiert, die als Vorbild für die Ein Ushahidi-Gründer Nachrichten über Facebook, Twitter richtung zentraler Bürgeranlaufstellen sowie für die schnel- und SMS, ergänzten sie mit offiziellen Meldungen und Mit- lere Bearbeitung der Verwaltungsvorgänge dienen. 47 wei- teilungen von Nichtregierungsorganisationen und übertru- tere Kommunen arbeiten inzwischen mit angepasster gen alle Informationen auf eine digitale Haiti-Karte – eine Open-Source-Software, um Steuern und Abgaben zu erhe- wichtige Orientierung für die Helfer, um am richtigen Ort ben und zu verwalten, Gebührenordnung und Haushalt und mit der richtigen Ausrüstung anzurücken. transparent darzulegen, den Bürgern Mitsprache- und » akzente 02/2014 17
akzentuiert Beschwerdewege zu eröffnen und deren Zufriedenheit mit mobilen Endgeräten – Handys und Smartphones, Tablets der Verwaltung zu messen. und Laptops. Der Mobilfunksektor wächst rasant; weltweit Um nicht nur den Eliten, sondern möglichst vielen wird es bald mehr Mobilfunkverträge als Menschen geben. Menschen weltweit eine breite Nutzung des Internets zu er- Aktuellen Zahlen der Internationalen Fernmeldeunion zu- möglichen, müssen allerdings immer noch existierende digi- folge fehlt jedoch weltweit 1,1 Milliarden Haushalten bis- tale Spaltungen überwunden werden. Der „E-Government lang ein Anschluss an das World Wide Web, 90 Prozent da- Survey 2012“ der Vereinten Nationen empfiehlt, vor allem von in Entwicklungsländern. Diese UN-Sonderorganisation auf die Stärkung digitaler Kompetenzen und den freien Zu- sieht in einem schnellen Ausbau des mobilen Internets die gang zu digitalen Dienstleistungen auch für sozial benachtei- Lösung. Einem ihrer Berichte zufolge ist das mobile Internet ligte Gruppen zu setzen. Diese Ansätze verfolgen auch bereits jetzt das größte Wachstumssegment des globalen Deutschland und die EU, außerdem weitere Themen wie die IKT-Marktes, 30 Prozent der Weltbevölkerung nutzen das IT-Sicherheit und die Frage, auf welche Weise eine kritische Internet über Smartphones oder Tablets. Besonders dyna- Infrastruktur wie das Internet geschützt werden kann, um misch ist die Entwicklung laut „ICT Development Index“ die Gesellschaft funktionsfähig zu halten. der Internationalen Fernmeldeunion in den Vereinigten Auch im Bereich Technik gibt es Handlungsbedarf. In Arabischen Emiraten, dem Libanon, in Barbados, auf den den Industrieländern verhalfen in den 1990er Jahren PC Seychellen, in Weißrussland, Costa Rica, der Mongolei, und Festnetz dem Internet zum Siegeszug. Diesen Zwischen- Sambia, Australien, Bangladesch, dem Oman und Simbab- schritt überspringen Entwicklungs- und Schwellenländer, we. Schlecht stellt sich hingegen die Lage in vielen Ländern denn die digitale Zukunft gehört dem mobilen Internet und Afrikas südlich der Sahara dar – noch: Die Mobilfunk-In- Aus der Arbeit der GIZ > Digitaler wandel Innovation Mobiles Datenmanagement Projekt: Informations- und Projekt: Zusammenarbeit mit SAP Deutschland Kommunikationstechnologien Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen Auftraggeber: Bundesministeri- arbeit und Entwicklung, www.develoPPP.de um für wirtschaftliche Zusam- Partner: SAP AG menarbeit und Entwicklung Laufzeit: 2013 bis 2015 Laufzeit: seit 2008 Uganda Rund 1,2 Millionen Kleinbauernfamilien gehen große Teile ihrer Einnahmen aus dem Kaffeeanbau verloren, weil ihnen der Zu- WELTWEIT Im Auftrag des BMZ unterstützt die GIZ in einer Viel- gang zum internationalen Exportmarkt sowie zu Finanzdienstleistun- zahl von Einzelansätzen örtliche Partner beim Einsatz von Infor- gen verwehrt ist. Die deutsche SAP AG und die GIZ entwickeln für mations- und Kommunikationstechnologien in Politik, Wirtschaft die Uganda Coffee Farmers Alliance eine Smartphone-Applikation, und Gesellschaft. Sie fördert die institutionellen Rahmenbedin- die Daten zu Produktion und Lagerbeständen transparent erfasst gungen, die breiten Bevölkerungsschichten einen erschwinglichen und auch Rückschlüsse auf den Ertrag einzelner Bauern und die Zugang zu modernen Telekommunikationsdiensten ermöglichen, Qualität des gelieferten Kaffees zulässt. So können einerseits bessere und unterstützt den Aufbau nationaler IT-Sektoren. Sie berät Preise für die Bauern erzielt werden, andererseits dienen die durch Partner bei der selbstständigen und bedarfsgerechten Entwick- die App generierten Daten als Basis für den Zugang zu Finanz- lung von IKT-Lösungen und zu IKT insgesamt als Innovations dienstleistungen wie etwa dringend benötigten Landwirtschafts treiber. krediten. www.giz.de/fachexpertise/html/3270.html www.ucfa.or.ug 18 akzente 02/2014
dustrievereinigung GSMA hat nämlich Zahlen veröffent- bote sind Sprechstunden mit qualifizierten Ärzten zu einem licht, wonach diese Region beim mobilen Internet die vergünstigten Tarif oder Zusatzdienste wie Linda Jamii, mit höchsten Wachstumsraten weltweit verzeichnet. dem über regelmäßige Kleinstbeträge eine Krankenversiche- Schon die Potenziale simpler Handys verändern den rung abgeschlossen werden kann. Alltag grundlegend. In Tansania stellt die Initiative „SMS Die digitale Revolution – ob mit älterem Mobiltelefon for Life“ durch Textnachrichten sicher, dass auf dem Land ohne Internetanschluss und Touchscreen oder mit einem immer genug Medikamente zur Malariabehandlung vorhan- modernen – bringt für Entwicklungs- und Schwellenländer den sind. Kleinbauern fragen über SMS Wetter- und Markt- wichtige ökonomische Optionen. „Information ist die Wäh- informationen ab. Und Unternehmen setzen Mobiltelefone rung der Demokratie“, sagte der dritte US-Präsident Thomas ein, um Menschen am Sockel der globalen Einkommenspy- Jefferson schon im frühen 19. Jahrhundert. „Informationen ramide Produkte und Dienstleistungen zu bieten, zu denen bringen Märkte zum Funktionieren, und Märkte schaffen sie bisher keinen Zugang hatten. Kenia beispielsweise war Wohlstand“, ergänzte 2007 der US-amerikanische Ökonom das erste Land weltweit, das mit einem Service namens Robert Jensen – Ergebnis seiner Studie „The Digital Provi- M-Pesa den Geldtransfer über Mobiltelefone einführte: Sa- de“, in der er den Sardinenhandel in 15 Hafenmärkten im faricom-Kunden können ohne Bankkonto oder Internet südindischen Bundesstaat Kerala vor, während und nach der bargeldlos einkaufen, Rechnungen begleichen oder sich ih- Installation der regionalen Handynetze untersuchte: Der ren Lohn auszahlen lassen, inzwischen nutzen selbst Banken bessere Informationsaustausch sorgte bei den F ischern für die Handy-Gelddepots und bieten Unternehmerkredite größere Profite, obwohl die Preise für die Endkunden sanken; oder Überweisungen ins Ausland an. Weitere Handy-Ange- gleichzeitig mussten keine überflüssigen Fangmengen » Neue und soziale Medien E-Governance Projekt: Förderung von Good Governance Projekt: Online-Services für kom- Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche munale Dienstleistungen Zusammenarbeit und Entwicklung Auftraggeber: Bundesministerium Laufzeit: seit 2011 für wirtschaftliche Zusammen arbeit und Entwicklung WELTWEIT Die GIZ unterstützt das BMZ bei der Entwicklung Laufzeit: 2012 bis 2015 z ukunftsorientierter Strategien für die Förderung von Good Gover- nance und Demokratie. Neben den Handlungsfeldern Demokratie- PALÄSTINENSISCHE GEBIETE Acht Kommunen bieten Bürgerinnen förderung, politische Teilhabe und Zivilgesellschaft sowie demo- und Bürgern kommunale Dienstleistungen online und aus einer Fotos: Dirk Ostermeier/giz (18); Julie Platner/giz (19) kratische Rechenschaftslegung und Legitimität spielt die Hand: Wasser- und Elektrizitätsrechnungen, die Vergabe von Bauge- Förderung der Medien in ihrer gesellschaftlichen Kontrollfunktion nehmigungen und Gewerbescheinen. Von den virtuellen Bürgerbüros eine besondere Rolle. Hier werden die neuen und sozialen Medien profitieren bislang 500.000 Menschen. Über einen Kommunalent- immer wichtiger. Es werden Chancen analysiert, aber auch Risi- wicklungsfonds, der von KfW und GIZ im Auftrag des BMZ unter- ken, die die Nutzung sozialer Medien für Bürgerinnen und Bürger, stützt wird, soll der Online-Service weiteren interessierten Gemein- organisierte Zivilgesellschaft und Staat mit sich bringt. Soziale den im Gazastreifen und im Westjordanland zugänglich gemacht Medien bieten ergänzende Informations- und Dialogmöglichkeiten werden. Das Modellprojekt spricht sich inzwischen in der MENA-Re- zwischen Bürgern und Staat, bergen aber zugleich das Risiko der gion (Nahost und Nordafrika) herum: In Tunesien werden mit Förde- Manipulation von Informationen oder gar der Überwachung. rung des Auswärtigen Amtes derzeit zehn Bürgerbüros eingerichtet. www.giz.de/governance www.baladiyat.ps akzente 02/2014 19
akzentuiert mehr vernichtet werden. Die internationale Zusammenar- Qualitätsmängel auftreten oder der Ertrag einer Farm beson- beit im Bereich Informations- und Kommunikationstechno- ders niedrig ausfallen, können die Daten für gezielte Schu- logien setzt daher neben Governance-Themen auf die Schaf- lungen zur Verbesserung genutzt werden. fung förderlicher Rahmenbedingungen für privatwirtschaft- „Je stärker der Nutzen der neuen Technologien wächst, liches Engagement – einerseits mit Blick auf deutsche umso stärker steigt auch der Bedarf “, sagt Friedrich. Digitale Unternehmen, die mit ihrem technischen Know-how zur Er- Techniken stehen demnach vor dem Durchbruch. Bislang lag reichung von Entwicklungszielen beitragen können, anderer- der Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit auf der seits zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit der IKT-Branche Förderung des IT-Sektors, etwa durch Unterstützung bei der vor Ort. Für die GSMA sind transparente und stabile politi- Bildung von Netzwerken und regionalen Zentren, durch Ca- sche Rahmenbedingungen für Unternehmen und Investoren pacity Development sowie Hilfe beim Ausbau lokaler Märk- der Schlüssel, vor allem bei der Verwaltung und Harmonisie- te und Innovationen. Die Zukunft gehört der Integration rung von Frequenzen sowie der Besteuerung. Dass auf der von Informations- und Kommunikationstechnologien auch Regulierungsebene vielerorts noch Hindernisse beseitigt in andere Programme, um durch sie Lösungen effektiver zu werden müssen, bestätigt Bernd Friedrich, Leiter des vom gestalten: von Partizipation, Bildung und Gesundheit über BMZ beauftragten weltweiten Programms „Einsatz von Politik und Verwaltung, Produktion und Unternehmensfüh- Informations- und Kommunikationstechnologien in der rung bis zu intelligenten Städten. In solchen Smart Citys er- Entwicklungszusammenarbeit“. Unternehmen sollten sich möglichen digitale Technologien die Vernetzung von auf ihr Geschäft konzentrieren, nicht darauf, sich mit staat Lebens- und Arbeitswelten, steuern Verkehrs- und Versor- lichen Stellen auseinanderzusetzen – da gebe es in etlichen gungssysteme, dienen als Assistenzsysteme für eine alternde Ländern noch Nachholbedarf. Solche Probleme werden den Bevölkerung und stärken im Katastrophenfall die Selbst- steigenden Einsatz von IKT allerdings nicht aufhalten, son- schutz- oder Selbsthilfefähigkeit der Menschen. dern lediglich etwas verlangsamen. Mit der acatech – Deutsche Akademie der Technikwis- senschaften untersucht die GIZ derzeit in einer Konzeptstu- die am Beispiel Indiens das Potenzial cyber-physischer Syste- Keine Peanuts: Marktinfos per Smartphone me. Produktionsanlagen und Produkte sollen künftig über Im Auftrag des BMZ organisiert die GIZ Dialoge innerhalb standardisierte, aber offene Schnittstellen miteinander kom- der IKT-Branche über die Einbeziehung von Menschen am munizieren und sich für eine intelligente und ressourcen- untersten Ende der Einkommenspyramide. Dabei geht es um schonende Fertigung vernetzen. Solche Prozesse, die Chancen und Herausforderungen, wenn Unternehmen der Deutschland unter Begriffen wie Advanced Manufacturing Branche existierende Geschäftsmodelle breitenwirksam ge- oder Industrie 4.0 vorantreibt, sollen Unternehmen beson- stalten oder neue Märkte und Geschäftsfelder erschließen ders in Schwellenländern die Integration in globale Produk- wollen. Die „African Cashew initiative“ beispielsweise, die tions- und Logistikketten erleichtern. Industriell gefertigte die GIZ mit drei weiteren Partnern in Benin, Burkina Faso, Produkte können durch die vernetzte Fertigung flexibel an der Elfenbeinküste, Ghana und Mosambik koordiniert, un- den Bedarf angepasst werden, und das mit Beteiligung glo- terstützt Cashew-Bauern dabei, auf dem Markt bessere Preise baler, lokaler und regionaler Hersteller und Zulieferer. zu erzielen. Um die Cashew-Wertschöpfungskette transpa- „Regionale Innovationszentren spielen eine wichtige renter und effizienter zu machen, hat der deutsche Soft- Rolle in der stetig wachsenden Technologie- und Unterneh- warekonzern SAP für die ghanaische Kooperative Wenchi mensszene in Afrika, Asien oder Südamerika“, sagt GIZ- Cashew Union eine smartphone- und laptopbasierte Anwen- Mitarbeiter Christian Gmelin, Mitglied des Teams Globale dung entwickelt. Statt handschriftlich zu dokumentieren, Wissenskooperationen und Lernen. Diese „Inseln der Inno- welcher Bauer welche Menge Cashews zum Verkauf an die vation“ unterstützen mit Programmen, Veranstaltungen und Kooperative weitergibt, werden die Säcke nun mit Barcodes Schulungen sowie mit der Bereitstellung von Internetzugän- versehen, die die Kooperative einliest. Das Gewicht wird gen und Räumlichkeiten lokale Innovationen; sie sind Grün- unter dem Namen des jeweiligen Bauern erfasst. Auf dem derzentren, Denkfabriken und Anlaufstellen für die lokale Laptop werden die Daten dann in ein geografisches Informa- IT- und Kreativwirtschaft. Die Technikszene in Industrielän- tionssystem übertragen und ausgewertet. Das nützt nicht nur dern interessiert sich inzwischen auch für die sogenannte Foto: Imaginechina dem Geschäftsführer der Wenchi Cashew Union, der die La- Silicon Savannah: Auf Einladung der GIZ trafen sich bei- gerbestände und die Logistik so besser im Blick hat. Auch die spielsweise auf der Konferenz re:publica 2013 in Berlin, einer Kleinbauern der Kooperative profitieren davon: Sollten jährlichen Tagung rund um das Internet und die digitale » 20 akzente 02/2014
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