Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich

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Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich
Kanton Zürich
Volkswirtschaftsdirektion
Amt für Wirtschaft und Arbeit

Zürcher
Wirtschaftsmonitoring
Zurück in den Kreislauf:
Abfall als Ressource
Dezember 2019
Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis
4   Spezialthema   4   Zurück in den Kreislauf Mit ressourcenschonendem,
                       innovativem Produktedesign und Geschäftsmodellen, die auf
                       Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit der Produkte basieren,
                       können Produktionskreisläufe wieder geschlossen werden.
                       Für den Wirtschaftsstandort Zürich bietet diese wirtschaftli-
                       che Denkweise Chancen

                   8   Kompostierbarer Plastikersatz aus Abfall Das Zürcher
                       Cleantech-Unternehmen FluidSolids setzt den Kreislaufan-
                       satz konsequent um: Aus Abfällen und Rohstoffen produziert
                       es Werkstoffe, die ohne Plastik auskommen

                   9   Aus Alt mach Neu Kreislaufwirtschaft in der Baubranche
                       bedeutet, aus alten Gebäuden wieder neue zu bauen. Die
                       Eberhard Unternehmungen setzen auf das Prinzip «Urban
                       Mining» und verarbeiten in ihrer Baustoffrecyclinganlage in
                       Rümlang jährlich bis zu 450 000 Tonnen Bauschutt. Künftig
                       kommen auch Sortierroboter zum Einsatz

11 Kanton Zürich   11 Langsamere Gangart der Zürcher Wirtschaft Die
                      Zürcher Wirtschaft hält sich im rauen internationalen Umfeld
                      nach wie vor relativ gut. Insbesondere die Dienstleistungs-
                      branchen sind robust, von der Industrie kommen jedoch
                      nachlassende Wachstumsimpulse. Die wirtschaftlichen Aus-
                      sichten bis Frühjahr 2020 bleiben verhalten

                   15 Die Karten in der Fahrzeugindustrie werden neu
                      gemischt Die Fahrzeugindustrie befindet sich im technolo­
                      gischen Wandel: Abkehr vom Verbrennungsmotor, Entwick-
                      lung autonomer Fahrsysteme und neues Nutzungsverhalten
                      wie Carsharing stellen die Branche vor vielfältige Herausfor-
                      derungen

18 Schweiz und     18 Zürcher Handelspartner im Tempo eines Lang­
   Ausland            streckenläufers Die Weltwirtschaft wächst in diesem Jahr
                      nur noch verhalten, und auch die Wirtschaftsleistung der
                      Zürcher Handelspartner wächst langsamer als in den Vorjah-
                      ren. Die Eurozone durchläuft eine wirtschaftliche Durst-
                      strecke

                   23 Wirtschaftsdaten & Prognosen

                                                                                                       Kreislaufwirtschaft
                                                                              als Chance für den Standort Zürich: An den Zürcher Hoch­
                                                                        schulen forschen diverse Projektteams an neuen Materialien und
                                                                          Produktionsprozessen, die ressourcenschonend sind und die
                                                                           Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten erhöhen

                                       2 Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019
Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich
Editorial

                           Liebe Leserinnen
                           Liebe Leser
                           Produzieren, konsumieren, entsorgen: Dies ist das
                           Prinzip der linearen Wirtschaft, welches der traditio-
                           nellen industriellen Produktion zugrunde liegt und
                           unser heutiges Konsumverhalten prägt. Die Kreislauf-
                           wirtschaft hingegen ist ein regeneratives System, in
                           dem die Produkt- und Geschäftsprozesse darauf
                           ausgerichtet sind, Energie- und Materialkreisläufe zu
                           schliessen. Der Ressourceneinsatz, die Abfallerzeu-
                           gung, Emissionen und der Energieverbrauch sollen
                           möglichst minimiert und Produkte nachhaltig produ-
                           ziert und genutzt werden. Weniger, dafür hochwertig,
                           langlebig und im besten Fall wiederverwertbar.
                           Betriebe, die entsprechende Geschäftsmodelle
                           verfolgen, wie beispielsweise das Zürcher Startup
                           FluidSolids, das aus Abfall hochwertigen Plastiker-
                           satz produziert, können dem Cleantech-Cluster zu-
                           gerechnet werden. Im Kanton Zürich umfasst der
                           Cleantech- Cluster insgesamt rund 15 000 Betriebe,
                           wobei erst ein kleiner Teil der Unternehmen in der
                           Kreislaufwirtschaft tätig ist. Es bestehen interessante
                           und zukunftsweisende Opportunitäten für Unterneh-
                           men mit Geschäftsmodellen, die auf eine nachhaltige
                           Pro­duktion, Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit ih-
                           rer Produkte ausgerichtet sind. Lesen Sie mehr über
                           Chancen der Kreislaufwirtschaft in unserem Spe-
                           zialthema ab Seite 4.
                           Die Weltwirtschaft wächst wegen der schwachen
                           globalen Industriekonjunktur in diesem Jahr ver­
                           halten. Dies hat auch Auswirkungen auf die Zürcher
                           Industriebranchen, deren Konjunktur sich insgesamt
                           abgekühlt hat. Zürcher Dienstleistungsbranchen ex-
                           pandieren weiter und kompensieren damit teilweise
                           die schwächere Dynamik in der Industrie. Die Aus-
                           sichten für die kommenden Monate bleiben vorerst
                           verhalten – die Gefahr einer Rezession im Kanton
                           Zürich ist derzeit jedoch nicht erkennbar. Auch der
                           hiesige Arbeitsmarkt zeigt sich robust. Die Zahl der
                           Erwerbstätigen nahm in diesem Jahr im Kanton
                           Zürich nochmals deutlich zu und die Arbeitslosen-
                           quote bleibt seit geraumer Zeit recht stabil auf
                           einem tiefen Niveau.
                           Lesen Sie unsere volkswirtschaftlichen Analysen zu
                           Zürich, der Schweiz und zum Ausland ab Seite 11.
                           Dr. Andrea Engeler
                           Chefin Amt für Wirtschaft und Arbeit a.i.

Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019   3
Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich
Spezialthema Bericht

                      Zurück in den Kreislauf
                      Die Kreislaufwirtschaft ist eine noch kleine, aber wachsende Form des
                      Wirtschaftens: Mit ressourcenschonendem, innovativem Produktedesign
                      und gezielter Wiederverwendung der Materialien sollen Produktionskreis­
                      läufe ganz oder teilweise wieder geschlossen werden. Für den Wirtschafts­
                      standort Zürich mit seinen erstklassigen Hochschulen und deren Erfahrung
                      in Materialwissenschaften und Verfahrenstechnik bietet diese wirtschaft­
                      liche Denkweise Chancen.
Unser Wirtschaftsmodell, das auf Wachstum und Kurzfristig-          Bei der Kreislaufwirtschaft handelt es sich grundsätzlich um
keit getrimmt ist, stösst an Grenzen. Günstig herstellen, viel      eine andere Form des Wirtschaftens. Denn sie betrifft nicht nur
verkaufen, kurz nutzen und dann ohne viel Skrupel wegwerfen.        das eigene Unternehmen, sondern alle Akteure der entspre-
Damit lässt sich zwar häufig Geld verdienen. Doch ein solches       chenden Wertschöpfungskette. Deshalb lässt sich dieses
Modell hat diverse negative Folgen, allen voran die Ressour-        Modell auch nicht so einfach von heute auf morgen umsetzen.
cenverschwendung und die Umweltverschmutzung. Neue                  Bereits bei der Entwicklung eines Produktes muss sich das
Lösungsansätze sind notwendig und werden in jüngster Zeit           Unternehmen Gedanken darüber machen, wie es gegebenen-
insbesondere im Kontext des Klimawandels diskutiert.                falls in den Ressourcen- und Produktionskreislauf zurückge-
                                                                    führt werden kann. Lieferanten müssen miteinbezogen wer-
Hier kommt das Konzept der Kreislaufwirtschaft ins Spiel:           den, neue Materialien und Produktions- sowie Lieferwege
Grundlage für Überlegungen zum Kreislaufprinzip in der Wirt-        entwickelt werden.
schaft ist die Erkenntnis, dass in einer Welt mit begrenzten
Ressourcen nur Produktionsverfahren mit einem stofflichen           Tüfteln für innovative Materialien
Kreisschluss unbeschränkt fortgeführt werden können. Die            Fachleute sehen insbesondere im allgemeinen, auf Kurzfristig-
Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, die Rohstoffe eines Pro-       keit ausgerichteten Marktgeschehen sowie bei der Preisge-
duktes über dessen Lebenszyklus hinaus zu verwenden. Zen-           staltung Hürden für eine grossflächige Umsetzung der Kreis-
traler Bestandteil ist das Recycling von Gütern, indem diese        laufwirtschaft. «Ein grosser Teil der Produkte ist auf eine kurze
komplett oder teilweise wieder in den Produktionszyklus             Lebensdauer ausgerichtet und folgt Modetrends», erklärt
übergeführt werden.                                                 Armin Eberle, Leiter des Instituts für Nachhaltige Entwicklung
                                                                    an der School of Engineering der Zürcher Hochschule für An-
                                                                    gewandte Wissenschaften (ZHAW). «Viele Ressourcen sind –
 Ansatzpunkte für eine Kreislaufwirtschaft                          obwohl sie nicht unendlich verfügbar sind – immer noch relativ
                                                                    billig, ebenso die Entsorgung der Produkte. Sobald die Entsor-
 Folgende Grundsätze sind Erfolgsfaktoren für den Kreislauf­
                                                                    gung relativ teuer ist, wie etwa in der Bauwirtschaft, besteht
 ansatz in der Wirtschaft:
                                                                    ein ökonomischer Anreiz, die Rohstoffe in den Kreislauf zu-
 –– Konsumenten und Produzenten überdenken ihren Bedarf an
                                                                    rückzuführen.»
    Material, natürlichen Ressourcen und Produkten.
 –– Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten sind
    zentrale Elemente im Produktedesign.                            Potenzial und Chancen der Kreislaufwirtschaft sind erkannt.
 –– Erfolg versprechend sind Geschäftsmodelle, bei denen eine       Auf verschiedenen Ebenen setzen sich Umwelt- und Bran-
    möglichst kundengerechte und ressourcenschonende                chenverbände wie swisscleantech dafür ein, den Kreislaufan-
    Dienstleistung und nicht der Verkauf von möglichst vielen       satz zu fördern. An der Eidgenössischen Technischen Hoch-
    Produkten im Vordergrund steht. Durch Effizienzsteigerun-       schule (ETH) sowie an der Zürcher Hochschule für Angewandte
    gen, optimiertes Design und bedürfnisorientierte Dienstleis-    Wissenschaften (ZHAW) forschen diverse Projektteams an
    tung wie etwa Mieten statt Kaufen können viele Materialien      neuen Materialien und Produktionsprozessen, die ressourcen-
    eingespart werden.                                              schonend sind und die Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit
 –– Produkte werden geteilt, um die Nutzungsintensität zu           von Produkten erhöhen.
    erhöhen.
 –– Produkte werden in einem zweiten Leben weiterverwendet.         Viele Branchen haben Potenzial
 –– Produkte werden nach Möglichkeit repariert, um die Nut-         Nicht überall hat der Kreislaufansatz die gleiche Wirkung.
    zungsdauer zu verlängern.                                       Nachfolgend Branchenbeispiele, die grosses Potenzial für den
 –– Veraltete und abgenutzte Produkte werden neu aufbereitet        Kreislaufansatz haben.
    und erhalten allenfalls einen neuen Zweck und Wert. Dies
    bietet Chancen zu einer technologischen Aufwertung im in-       Textilindustrie:
    dustriellen Prozess (Stichwort «Remanufacturing»).              Die Modebranche ist unter dem Begriff «Fast Fashion» als In-
                                                                    begriff der Wegwerfgesellschaft in Verruf geraten. Modekon-
                                                                                                                   Fortsetzung Seite 6

                                              4 Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019
Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich
Spezialthema Infografik

  Abfall als Ressource
  Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ist das Gegenteil der linearen Wegwerfwirtschaft

                                   Sekundärrohstoffe

                                                                                                                Reuse
                       Rohstoffe:                                                                              Recycle
                       Verminderung wert­                      Weniger und
                       voller Ressourcen                       intelligentere Verpackung
                       und toxischer Sub­
                       stanzen

                                                  Produkt:                          Konsument
                                            umweltfreundliche und
                                            innovative Herstellung

       Materialwissenschaft                                                                               Reparieren

In der Kreislaufwirtschaft soll nichts verloren gehen, und fast nichts wird zu   freundliche und innovative Produkteherstellung, möglichst lange Nutzung und
wertlosem, womöglich giftigem Abfall. Die verschiedenen Etappen sind Teil ei-    allenfalls Recycling zu Sekundärrohstoffen, die wiederum für neue Produkte
nes grossen Kreislaufs: ressourcenschonende Rohstoffgewinnung, umwelt-           eingesetzt werden.

Die Kreislaufwirtschaft ist ein System, in dem Ressourcen­                       Garantie). Die Kreislaufwirtschaft bedingt deshalb einen Wandel
einsatz und Abfallproduktion, Emissionen und Energie­verbrauch                   der herkömmlichen Geschäftsmodelle. Langlebigkeit und
minimiert werden. Dies kann durch das Verlang­samen, Verrin-                     Reparaturfähigkeit von Produkten müssen von Anfang an mit-
gern und Schliessen von Energie- und Materialkreisläufen erfol-                  einbezogen werden. So fördert die Kreislaufwirtschaft auch
gen, aber auch durch ein innovatives Design von Produkten, die                   neue Geschäftsmodelle wie beispielsweise Sharing-Konzepte.
langlebig sind, durch gezielte Instandhaltung und Reparatur von
Produkten, durch Wiederverwendung oder leicht abgeänderte                        Das Konzept der Kreislaufwirtschaft wurde 1990 vom britischen
Verwendung (Stichwort «Remanufacturing»). Die Kreislaufwirt-                     Wissenschaftler David W. Pearce eingeführt, der es aus der
schaft verfolgt einen gegenteiligen Ansatz der linearen Wirt-                    «industriellen Ökologie» entwickelte mit der Reduktion von Res-
schaft, die von ihrem Verlauf her von der Produktion bis zur Ent-                sourcen und dem Einsatz sauberer Technologien als zentralen
sorgung auch eine «Wegwerfwirtschaft» ist.                                       Elementen.

Viele Produkte wie Elektronikgegenstände sind so konzipiert, > Weiterführende Links und Veranstaltungen zum Thema Kreislauf-
dass sie nach einer gewissen Dauer nicht mehr funktionieren     wirtschaft finden Sie unter awa.zh.ch/monitoring
und entsorgt werden müssen (in der Regel kurz nach Ablauf der

                                                Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019         5
Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich
Spezialthema Bericht

zerne wie H&M oder Zara werfen fast im Wochentakt neue und billige Modekollekti-
                                                                                          Zürcher Beiträge
onen auf den Markt. Schätzungen gehen davon aus, dass über die Hälfte der
                                                                                          zur Kreislaufwirtschaft
weltweit neu verkauften Kleidungsstücke nach einem Jahr bereits auf dem Abfall
landen, und rund 30 Prozent der neu produzierten Ware überhaupt nie verkauft wird.
                                                                                          Tausch-App verlängert Lebensdauer der
                                                                                          Freitag-Taschen
Die Textilindustrie ist nach der Landwirtschaft der grösste industrielle Verbraucher
                                                                                          Seit 25 Jahren ist der Recycling-Pionier
von Wasser und gleichzeitig ein starker Verschmutzer dieser Ressource. Für ein            Freitag am Markt. Seine trendigen Taschen
T-Shirt werden rund zweitausend Liter Wasser, für eine Jeans bis zu achttausend Li-       werden aus Lastwagenplanen, Veloschläu-
ter Wasser benötigt. Der Fokus der Ressourceneffizienz in der Textilproduktion liegt      chen und Sicherheitsgurten hergestellt.
daher in der Reduktion des Wasserverbrauches. Ein weiteres Problem ist die starke         Um die Lebensdauer der Taschen zu ver-
Zunahme von verwendeten Kunstfasern, in erster Linie Polyester, die unter anderem         längern, bietet das Unternehmen neu eine
für Funktionssportbekleidung verwendet werden und in der Produktion und beim Ge-          Tausch-App an. Die Auswahl der zum
brauch nach dem Waschen Mikroplastik hinterlassen. Das Recycling von Kleidern ist         Tausch angebotenen Taschen funktioniert
wegen des wachsenden Anteils an Kunstfasern in der Kleiderproduktion ein noch             wie bei der Dating-App «Tinder» über eine
nicht gelöstes Problem. Diese lassen sich meist nur schwer von Baumwolle trennen,         Wischbewegung nach links oder rechts.
sodass daraus kein sortenreines Garn mehr produziert werden kann.
                                                                                          Schlieremer Startup will Kleidungs-­
Bauindustrie:                                                                             pro­duktion nachhaltiger machen
In der Schweiz ist der Bauabfall mit über 7 Mio. Kubikmeter pro Jahr der grösste Ab-      Das in Schlieren domizilierte ETH-Spinoff
                                                                                          und Startup HeiQ entwickelte ein Clean-
fallproduzent. Entsprechend gross ist der Hebel ressourcenschonender und wieder-
                                                                                          tech-Verfahren, das beim Färben und der
verwertbarer Baumaterialien. Kies und Sand, die Grundlage für Beton, sind knappe
                                                                                          Endverarbeitung von Textilien zum Einsatz
Güter. Materialien können zurück in den Kreislauf gebracht werden, indem beim Ab-         kommt und Wasser, Energie und Chemi­
bruch von Bauten der Bauschutt sortenrein getrennt wird und die Materialien für           kalien spart. Dank dem Ersatz eines Che-
neue Bauvorhaben wieder verwendet werden. Das Zürcher Bauunternehmen Eber-                miestoffes im Färbprozess von Polyester
hard beispielsweise verarbeitet in ihrem Baustoff-Recyclingzentrum jährlich bis zu        kann die Produktionszeit verkürzt und um-
450 000 Tonnen mineralischen Bauschutt (vgl. Beitrag auf Seite 9). Viele Baufirmen        weltschonender erfolgen. HeiQ arbeitet
und Private arbeiten mit dem Verein Madaster zusammen, einer Onlineplattform, die         bereits in elf Ländern mit ihrem innovativen
Baumaterialien registriert und als Lagerplatz von Materialien fungiert für eine zu-       Produkt, unter anderem mit dem Textil­
künftige Verwendung.                                                                      unternehmen Twinery aus Sri Lanka. Das
                                                                                          2005 gegründete Unternehmen wurde
Verpackungsindustrie:                                                                     2019 mit dem Umweltpreis der Wirtschaft
Die weltweite Plastikverschmutzung ist als ernsthaftes Problem anerkannt. Die Frage       ausgezeichnet.
nach sinnvoller und plastikreduzierter Verpackung sowie das Vermeiden von «Food
Waste» treibt heute die Nahrungsmittel- und Detailhandelsbranche um. Doch wird            Industrieabfall dämmt Gebäude
                                                                                          Das ETH-Spinoff FenX verwandelt Indu­
bei der Verpackung zu stark reduziert, kann dies eine stärkere Verschwendung von
                                                                                          striemüll in einen porösen Schaum, der
Lebensmitteln zur Folge haben, denn verpackte Lebensmittel sind länger haltbar.
                                                                                          sich zur Gebäudeisolation eignet. Das
                                                                                          Isolationsmaterial ist nicht nur leicht, son-
Die Verpackungsindustrie bietet grosses Potenzial für die Kreislaufwirtschaft, ist sie    dern auch nachhaltig hergestellt und nicht
doch Zulieferer für diverse Branchen. In der Schweiz und in anderen Ländern sind          brennbar. Bis das von den Forschern er-
die raschelnden Plasticksäcklein innerhalb weniger Monate praktisch aus den Lä-           stellte Isolationsmaterial auf den Markt
den verschwunden. Seit diese an der Kasse nicht mehr gratis sind, ist ihr Verbrauch       kommt, pröbeln Materialwissenschaftler
drastisch zurückgegangen. Gemäss Konsumentenumfragen wollen Kundinnen und                 noch an den optimalen Abfallstoffen – erste
Kunden heute weniger Einwegverpackungen. Dank technologischem Fortschritt                 Erfolg versprechende Tests wurden mit
können beispielsweise Plastikbecher dünner hergestellt werden als noch vor einigen        Flugasche gemacht. Künftig will man auch
Jahren. Die im Waadtland ansässige TetraPak brachte 2015 weltweit erstmals Ge-            Abfallmaterialien aus der Bau-, Metall- oder
tränkeverpackungen aus den nachwachsenden Rohstoffen Holz und Zuckerrohr auf              Papierindustrie verwenden. FenX ist bereits
den Markt. Neben ressourcenschonenden Verpackungen sind im Detailhandel auch              an verschiedenen Pilotprojekten mit der
innovative Liefer- und Verkaufssysteme gefragt.                                           Wirtschaft beteiligt.

                                                                                          Sulzer hilft bei der Gewinnung von
Cleantech als zukunftsweisende Herausforderung
                                                                                          Treibstoff aus Plastik
Um die Einführung der Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen, werden vielfach techno-
                                                                                          Das norwegische Startup Quantafuel hat
logische Lösungen diskutiert. So wird der 3-D-Druck als potenziell disruptive Tech-       eine Technologie entwickelt, mit der bisher
nologie identifiziert, die der Kreislaufwirtschaft durch Umgestaltung der Lieferkette     nicht verwertbares Plastik in Treibstoff um-
zum Durchbruch verhelfen könnte. 3-D-Druck kann zur lokalen Fertigung neuer

                                            6 Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019
Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich
Spezialthema Bericht

                                                 Güter aus wiederverwerteten Kunststoffabfällen eingesetzt werden, wodurch sich
gewandelt werden kann, respektive Plas-
                                                 Vorteile für die Effizienz und die Effektivität des Materialkreislaufs ergeben. Der Hör-
tikpolymere in Kohlenwasserstoff. Der
Winterthurer Industriekonzern Sulzer hat         gerätehersteller Sonova beispielsweise arbeitet mit der 3-D-Drucktechnologie und
Teile der Ausrüstung für die erste Gross­        minimiert dadurch Abfall sowie Lieferwege (vgl. Kasten links).
anlage der Firma in Dänemark geliefert.
Sulzer konnte dabei von seiner Erfahrung         Die Kreislaufwirtschaft wird dem sogenannten Cleantech-Cluster zugeordnet, der
mit Trenn- und Mischtechnologien im Öl-          im Kanton Zürich insgesamt über 15 000 Betriebe zählt. Davon fallen knapp 1900
und Gassektor profitieren. Dank der neuen        auf die Kreislaufwirtschaft. Weitere Untergruppen der Cleantech-Wirtschaft sind im
Methode können aus rezykliertem Kohlen-          Bereich Energieeffizienz (2900), Rohstoffeffizienz (knapp 2800), Mobilität (1350),
wasserstoff Treibstoffe und andere, bisher       Wasserwirtschaft (222) und Erneuerbare Energie (41) tätig. Die grösste Untergruppe
auf Erdöl basierende Produkte hergestellt        (über 6000) wird schliesslich der «übrigen Cleantech-Wirtschaft» zugeordnet. Die
werden.                                          eindeutige statistische Zählung und Zuordnung der Betriebe in diesem Wirtschafts-
                                                 cluster und den Untergruppen sind jedoch nicht ganz einfach. Vergleichbare Firmen
Biologisch abbaubarer Hautsensor                 mit Cleantech-Dienstleistungen und Produkten verstehen sich teilweise stark als
Forscher der Eidgenössischen Material­
                                                 Cleantech-Unternehmen, andere fühlen sich trotz vergleichbarem Ansatz und Struk-
prüfungs- und Forschungsanstalt (Empa)
                                                 tur nicht zugehörig und treten entsprechend auch nicht unter dem grünen «Brand»
in Dübendorf haben gemeinsam mit kana-
dischen Kollegen ein Analysegerät ent­
                                                 in Erscheinung. Cleantech ist wie auch die Digitalisierung eine zukunftsgerichtete
wickelt, mit dem medizinische Diagnose-          Herausforderung von globaler wie auch regionaler Bedeutung. Die Standortförde-
werte ohne Nadelstich ermittelt werden           rungen von Kanton und Stadt Zürich fokussieren deshalb seit über zehn Jahren ak-
können. Der auf der Hautoberfläche ange-         tiv auf die Entwicklung und Stärkung des Cleantech-Clusters.
brachte Chip wird mit einem 3-D-Drucker
aus dem preiswerten und nachwachsen-             Übergeordnete Untersuchungen zu volkswirtschaftlichen Effekten der Kreislaufwirt-
den Rohstoff Zellulose hergestellt. Derzeit      schaft in der Schweiz gibt es derzeit nicht. Um gesamtwirtschaftliche Effekte be-
arbeitet das Forscherteam noch an einem          rechnen zu können, müsste beim ursprünglichen Ressourcenverbrauch angesetzt
leitfähigen Material, das ohne Silberpartikel    werden, erklärt Dr. Martin Wörter von der Konjunkturforschung KOF: «Wir verbrau-
auskommt – damit der Chip in einem weite-        chen Ressourcen wie saubere Luft, für welche wir nicht bezahlen. Würden diese
ren Schritt auch biologisch abbaubar wird.       praktisch kostenlosen Güter bepreist, hätte dies wahrscheinlich einen stärkeren Ef-
                                                 fekt und Druck auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen.»
Kein Produktionsabfall bei Hörgeräten
dank 3-D-Druck
                                                 Heute verleiht der Klimawandel, das wachsende politische Bewusstsein und die
Der Hörgerätehersteller Sonova aus Stäfa
                                                 Erkenntnis, dass Wirtschaft und Konsumenten ökologischer werden müssen, der
ist eines der ersten Unternehmen weltweit,
das die 3-D-Drucktechnologie in der Ferti-
                                                 «grünen Wirtschaft» Schub und machen sie zu einem wichtigen Akteur bei der
gung von Hörgeräten einsetzt. Dank digi­         Suche nach ressourceneffizienten Zukunftslösungen. Die Kreislaufwirtschaft ver-
talem Herstellungsprozess entstehen              spricht, sowohl ökologischen als auch ökonomischen Mehrwert zu schaffen. Doch
passgenaue Geräteschalen ohne Produk­            wie können Unternehmen eine solche Transformation erfolgreich gestalten? Ver-
tionsabfall. Sonova bietet nach eigenen          schiedene Ansatzpunkte werden heute diskutiert, allen voran stehen Geschäfts­
Angaben jährlich über eine Million mass­         modelle, die auf der Langlebigkeit und der Reparaturfähigkeit von Produkten basie-
gefertigte Produkte in Massenfertigung an.       ren (vgl. Kästchen auf S. 4). Barbara Fuhrer, Verantwortliche Kreislaufwirtschaft beim
                                                 Verband für nachhaltiges Wirtschaften (öbu), erklärt, warum die Kreislaufwirtschaft
Züri-Säcke werden nachhaltiger                   in der Schweiz erst ansatzmässig existiert: «Heute liegt der Schwerpunkt der Kreis-
Ab Januar 2020 wird der Anteil des wieder-       laufwirtschaft bei einzelnen Produkten, die kreislauffähig gemacht werden. Firmen,
verwerteten Kunststoffs der gebühren-            die komplett in der Kreislaufwirtschaft tätig sind, sind noch selten.» Ein Problem
pflichtigen Züri-Abfallsäcke von 50 auf          stelle die Skalierbarkeit, das heisst die Überführung in eine Massenproduktion kreis-
80 Prozent erhöht. Damit will die Stadt          lauffähiger Produkte und Produktionsweisen dar. Doch der Prozess sei angestossen
Zürich die Kreislaufwirtschaft fördern und
                                                 und schreite Schritt für Schritt voran.
Ressourcen sparen, denn mit der Erhöhung
des Recyclinganteils liessen sich jährlich
rund 120 Tonnen Plastikrohstoff einsparen,       Technologien und Geschäftsmodelle, die es erlauben, Ressourcen effizienter und
wie das Tiefbau- und Entsorgungsdeparte-         sauberer zu nutzen, sind Werkzeuge, um dem Kreislaufansatz in der Wirtschaft auf
ment mitteilt. Die Reissfestigkeit der Keh-      die Sprünge zu helfen. Viel wichtiger scheint jedoch ein grundsätzlicher Wandel in
richtsäcke bleibt dabei erhalten. Jährlich       Wirtschaft und Gesellschaft, eine Abkehr von der Wegwerfgesellschaft. Solange der
landen rund 11 Millionen Züri-Säcke in den       Konsumrausch, angefeuert vom Onlinehandel und immer mehr Schnäppchentagen
städtischen Müllcontainern.                      wie dem «Black Friday», aufrechterhalten wird, fristet die Kreislaufwirtschaft noch
                                                 lange ein Nischendasein.
                                                                                               Irene Tschopp, Kommunikation AWA

                                             Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019   7
Zürcher Wirtschaftsmonitoring - Zurück in den Kreislauf: Abfall als Ressource Dezember 2019 - Kanton Zürich
Spezialthema Bericht

                     Kompostierbarer
                     Plastikersatz aus Abfall
                      Das Zürcher Cleantech-Unternehmen FluidSolids produziert aus Abfällen
                      und Rohstoffen kundenspezifische Werkstoffe, die ohne Plastik auskommen
                      und sich kompostieren lassen. Die Weiterverwendung von Resten wie Holz,
                      Kaffee, Papier oder Hanfseilen für die Herstellung neuer Werkstoffe ermög­
                      licht eine konsequente Umsetzung des Kreislaufansatzes.
Das Areal der ehemaligen SBB-Reparaturwerkstätte an der           Marktpotenzial, die Einführung dauert jedoch länger, da umfas-
Hohlstrasse in Zürich Altstetten soll sich in den kommenden       sende Abklärungen und Anpassungen des Produktionsprozes-
Jahren zu einem attraktiven Ort für gewerbliche und industriel-   ses nötig sind», erklärt Karrer.
le Betriebe inklusive öffentlicher Begegnungszonen entwickeln.
Der Gleisraum zwischen dem Zürcher Hauptbahnhof und Alt­          Weniger Kosten bei Materialbeschaffung, Transport und
stetten gehört zu den letzten grossen Entwicklungsgebieten in     Entsorgung
der Stadt Zürich. In mehreren Etappen wird das Areal mit bau-     Die neuen Werkstoffe sind dank dem hohen Faseranteil sehr
lichen Massnahmen für neue Nutzungen vorbereitet, damit ab        strapazierfähig. So können zum Beispiel Bauteile schlanker
2025 eine «Werkstadt Zürich» entsteht. Bis dahin sind einige      und Wandstärken dünner ausgeführt werden. Am Ende des Le-
Gebäude vorübergehend nutzbar. Einer dieser Mieter ist das        benszyklus können Produktionsabfälle und Produkte von Fluid-
Cleantech-Unternehmen FluidSolids.                                Solids wiederverwendet werden, indem diese dem ursprüngli-
                                                                  chen Material beigemischt werden. Alle Abfälle, die nicht dem
«Wir sind eine Mischung aus New und Old Economy»,                 Recycling zugeführt werden, lassen sich im Hauskompost
schmunzelt Beat Karrer, Gründer und Geschäftsführer von           kompostieren oder thermisch entsorgen. Dadurch sparen Un-
FluidSolids. Mit seinem neunköpfigen Team arbeitet der Indu­      ternehmen Kosten bei der Materialbeschaffung, beim Trans-
striedesigner an Zukunftslösungen für Werkstoffe, die ohne        port und bei der Entsorgung und verbessern gleichzeitig ihre
Plastik auskommen. Die von ihm entwickelte und patentierte        Umweltbilanz.
Technologie stellt aus industriellen Reststoffen und Abfällen
neu­artige Biokomposite her, die als Plastikersatz fungieren.     Verschiedene Zusammenarbeitsformen existieren bereits mit
Ursprünglich hat er im Rahmen von Workshops mit einem             der Bauindustrie, der Nahrungsmittelbranche, in den Bereichen
Handmixer und Sägemehl experimentiert. Dabei entstand ein         Verpackungstechnologie, Innenarchitektur und Design. Kon-
Faserbrei, den er weiterentwickelte – bis er das sogenannte       krete Namen will Karrer jedoch aus Vertraulichkeitsgründen
Biopolymer entdeckte, den eigentlichen Werkstoff, der vielsei-    keine nennen. «Wir sind gut unterwegs und seit der Gründung
tig einsetzbar ist.                                               2011 stetig gewachsen», erklärt Karrer. Sorgen um Nachahmer
                                                                  seiner Technologie macht er sich keine – FluidSolids ist welt-
Die Werkhalle ist eine Mischung aus Chemielabor, Maschinen-       weit patentiert. Dennoch wünscht er, dass wir keine Bilder sei-
fabrik und Designstudio. Ein Drittel der Belegschaft kommt        ner Maschinen machen. Sein persönliches Ziel sei, mit den
aus der Forschung und Entwicklung. Vor Ort werden kunden-         richtigen Partnern zu wachsen und seine Technologie langfris-
spezifische Werkstoffe für Produkte wie zum Beispiel Socken-      tig zu implementieren. «Noch ist die Kreislaufwirtschaft eine Ni-
klammern und Kleiderbügel für die Kleiderindustrie, Möbelteile    sche, aber sie wird immer wichtiger. Das Bewusstsein für eine
oder Abdeckkappen für Industrierohre entwickelt. Sobald der       ressourceneffiziente Wirtschaft ist gestiegen und wird noch
Werkstoff im hauseigenen Labor diverse Tests in Bezug auf         weiter wachsen.»
Qualität und Einsatzmöglichkeiten bestanden hat, kann die
Massenproduktion starten – diese erfolgt mit externen Pro-        > www.fluidsolids.com
duktionspartnern. Die Technologie von FluidSolids kann auch       > werkstadt-zuerich.ch
in den Produktionsprozess der Kunden integriert werden. Also
am Ort, wo der Abfall anfällt. «Diese Anwendung hat höheres                                         Irene Tschopp, Kommunikation AWA

                                                                                              Der Begriff Biopolymer wird für Werk-
                                                                                              stoffe verwendet, die aus biogenen,
                                                                                              nachwachsenden Rohstoffen bestehen.
                                                                                              Ein in der Natur sehr häufig vorkommen-
                                                                                              des, aber auch in technischen Anwen-
                                                                                              dungen genutztes Biopolymer ist die
                                                                                              Zellulose.

                                                                                       Aus Abfallprodukten aus Industrie und Landwirt-
                                                                                       schaft entsteht das Biopolymergranulat (Bild
                                                                                       links), woraus zum Beispiel Sockenklammern
                                                                                       hergestellt werden.

                                            8 Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019
Spezialthema Bericht

                          Aus Alt mach Neu
                          in der Bauwirtschaft
                          Der Begriff Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde. Für den Bau bedeutet
                          dies, aus alten Gebäuden wieder neue Gebäude zu bauen. Urbane Struk­
                          turen bieten ein fast unermessliches Rohstoffpotenzial für die Gewinnung
                          von Recyclingbaustoffen.
Die Eberhard Unternehmungen setzen sich seit drei Jahrzehn-                   Damit keine Schadstoffe wie Asbest oder PCB (Chlorverbin-
ten dafür ein, dass mineralische Bauabfälle zurück in den                     dung) in den Baustoffkreislauf gelangen, müssen diese vor-
Kreislauf fliessen. Beton und Kiesgemische aus aufbereiteten,                 gängig entfernt und fachgerecht entsorgt werden. Um das Ge-
mineralischen Bauabfällen haben sich bewährt und erfüllen                     bäude für den maschinellen Rückbau in den Rohbauzustand
sowohl ökologisch als auch bautechnisch höchste Anforde-                      zurückzuversetzen, erfolgt nach der Schadstoffsanierung die
rungen. Sortenreiner Betonabbruch lässt sich heute problem-                   Entkernung. Diese Arbeiten umfassten in Schlieren neben dem
los zu hochwertigem Konstruktionsbeton für den Hochbau ver-                   Entfernen sämtlicher nicht mineralischer Bauteile wie Fenster,
arbeiten. Die Kombination von Recyclingbeton und »Susteno»,                   Türen, Einbauschränke, Bodenbeläge und Isolationen auch
dem ersten nachhaltig produzierten Zement der Schweiz,                        den Rückbau von nicht tragenden Backstein- und Gipswän-
schafft die Basis für eine neue Generation von Beton: nachhal-                den sowie Unterlagsböden.
tig, ressourcenschonend und CO2-arm. Mit Blick auf endliche
Primärvorräte und knappe Deponieräume sollte das Bau-                         Da das 60 Meter hohe Bettenhaus nur 8 Meter vom Neubau
stoffrecycling zur selbstverständlichen Grundlage für nachhal-                entfernt stand, wurde dieses im Wochentakt Stockwerk für
tiges Bauen werden. Durch die Wiederverwendung von mine-                      Stockwerk abgetragen. Nach dem Abbau der Dachaufbauten
ralischen Bauabfällen schliesst sich der Baustoffkreislauf.                   startete der eigentliche Rückbau im 15. Stock mit einem 19 Ton-
                                                                              nen schweren Kurzheckbagger und zwei Minibaggern mit Ab-
Rückbau des Spitals Limmattal in Schlieren                                    bauhämmern und Betonbeissern.
«Urban Mining» bezeichnet den Abbau von Rohstoffen für die
Herstellung von Recyclingbaustoffen und beginnt in den meis-                  Erstklassiger Recyclingbeton schliesst den Baustoff­
ten Fällen mit dem Rückbau von Gebäuden oder Infrastruktur-                   kreislauf
bauten. Für das Bauprojekt Spital Limmattal in Schlieren lief es              Um die Unmengen an Bauschutt besser zu rezyklieren, sepa-
ausnahmsweise umgekehrt. Um den Spitalbetrieb aufrechtzu-                     rierten zwei Kompaktlader und die Bagger das Rückbaumate-
erhalten, musste zuerst der Neubau realisiert werden. Nach                    rial vor Ort in Misch- und Betonabbruch. Für den Abtransport
dessen Inbetriebnahme im Oktober 2018 nahm die Eberhard                       wurden einerseits die beiden Lifte als Abwurfschächte benutzt
Bau AG Mitte Februar 2019 den Rückbau des 16-stöckigen                        und andererseits transportierte der vor Ort aufgebaute Hoch-
Bettenhauses in Angriff. Das Gebäude war über 60 Meter hoch                   baukran den Bauschutt mit 7 Kubikmeter fassenden Mulden
und ergab zusammen mit dem vier Stockwerke hohen Sockel-                      nach unten. Anschliessend brachten Lastwagen den Beton-
bau ein Rückbauvolumen von rund 110 000 Kubikmetern Ge-                       schutt und den Mischabbruch ins BaustoffRecyclingZentrum
bäuderaum.                                                                    «Ebirec» in Rümlang. Dort wird das Material 

Die Baustoffrecyclinganlage in Rümlang verarbeitet jährlich bis zu 450 000 Tonnen Bauschutt.

                                               Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019   9
Spezialthema Bericht

Aus dem Abbruchmaterial des ehemaligen Spitals Limmattal (links) entstand erstklassiger Recyclingbeton, der unter anderem für den Ausbau der
VBZ-Garage in der Zürcher Hardau verwendet wurde (rechts).

separat gekippt, gebrochen, gesiebt, von Fremdstoffen wie                   gerfristig nicht abdecken können. Insbesondere bei der Verwer­
Plastik, Holz oder Metall befreit und nach Komponenten in Si-               tung von Mischabbruch besteht Handlungsbedarf. Deshalb
los eingelagert. Die so gewonnenen Sekundärbaustoffe gelan-                 realisieren die Eberhard Unternehmungen am Standort Ober-
gen als erstklassiger Recyclingbeton oder als Recyclingkies-                glatt das neue BaustoffRecyclingZentrum «BSR 2.0». Dieses
gemisch in ungebundener Form wieder auf die Baustellen                      zukunftsweisende Werk sichert das gesetzeskonforme Upcyc-
zurück und schliessen damit den Baustoffkreislauf.                          ling von Bauabfällen zu qualitativ höchstwertigen Produkten.
                                                                            Es kommt eine neuartige Vorbehandlung mit Sortierrobotern
Für den Ausbau der VBZ-Garage in der Zürcher Hardau liefer-                 und künstlicher Intelligenz zum Einsatz. Insgesamt wird nahe-
te Eberhard Baustoffe insgesamt 7070 Kubikmeter Recycling-                  zu 100 Prozent Verwertung erreicht. Der Baubeginn des neuen
beton. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass ein Teil der da-              Werkes wird Anfang 2020 erfolgen, die Inbetriebnahme ist im
für benötigten Komponenten aus dem Rückbau in Schlieren                     Laufe des Jahres 2021 vorgesehen.
stammen. Für das Untergeschoss wurde Recyclingbeton mit
ressourcenschonendem Susteno-Zement verwendet. Dass                         Eberhard setzt mit dieser Pionierleistung neue Massstäbe für
sich Recyclingbeton auch für Sichtbetonwände bestens eig-                   die Kreislaufwirtschaft. Der geschlossene Baustoffkreislauf
net, beweisen die grossflächigen Fassadenelemente im Erd-                   schont die natürlichen Ressourcen und erzeugt einen geringe-
geschoss der VBZ-Garage.                                                    ren CO2-Ausstoss. Dadurch, dass als Baumaterial eine um-
                                                                            weltschonendere Bezugsquelle verwendet wird, braucht es
Zukünftig kommen Sortierroboter und künstliche                              weniger Primärkies und weniger Deponieraum. Die Umwelt
Intelligenz zum Einsatz                                                     sagt Danke.
Obwohl die Baustoffrecyclinganlage in Rümlang pro Jahr bis
zu 450 000 Tonnen Bauabfälle verarbeitet, wird sie den stei-                                     Text: Eberhard Unternehmungen, Bilder: Urs Peyer
genden Bedarf an hochwertigen, rezyklierten Baustoffen län-

                                                   10 Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019
Kanton Zürich

                                                                                          Langsamere Gangart der
                                                                                          Zürcher Wirtschaft
                                                                                          Die Zürcher Wirtschaft läuft auf geringeren Touren, die Gefahr einer
                                                                                          Rezession ist gegenwärtig nicht erkennbar. Die Dienstleistungsbranchen
                                                                                          zeigen sich robust – vor allem die Banken und die Verschiedenen Dienst­
                                                                                          leistungen – und kompensieren damit teilweise die schwächere Dynamik in
                                                                                          der Industrie. Die Beschäftigung nahm 2019 noch kräftig zu. Die Aussich­
                                                                                          ten bis Frühjahr 2020 bleiben verhalten.

                 Das Konjunkturklima verschlechterte sich im Verlauf von 2019.                                                                                   Am wenigsten gut läuft es in der Industrie und im Detailhandel,
                 Einzelne Konjunkturindikatoren im Ausland liessen gar das                                                                                       wie ihre Position sehr nahe an dieser senkrechten Mittellinie
                 Schreckgespenst einer Rezession an der Wand aufleuchten,                                                                                        zeigt. Die Abkühlung der weltweiten Industriekonjunktur belas-
                 eine Entwicklung, die auch im Kanton Zürich unerwünschte                                                                                        tete auch die Zürcher Industrie in den letzten Quartalen spür-
                 Spuren hinterlassen würde. Die jüngsten Stimmungsindikato-                                                                                      bar. Der Detailhandel leidet unter der allgemeinen Trübung des
                 ren der Industrie in Deutschland und in den USA nehmen die-                                                                                     Konsumklimas sowie den Herausforderungen infolge des
                 sen Befürchtungen wieder etwas den Boden. Zu weiteren Aus-                                                                                      Strukturwandels (v.a. Onlinehandel und starker Schweizer
                 führungen zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz und                                                                                   Franken). Das Gastgewerbe und der Grosshandel sind von der
                 im Ausland siehe Seite 18 ff. Die Auslandnachfrage dürfte auch                                                                                  allgemeinen Abschwächung ebenfalls mitbetroffen, allerdings
                 2020 weiterhin verhalten bleiben.                                                                                                               in geringerem Ausmass. Die Bauwirtschaft läuft hingegen un-
                                                                                                                                                                 verändert auf hohem Niveau.
                 Insgesamt gute Geschäftslage bei den
                 Zürcher Branchen                                                                                                                                Ungebremst gut läuft die Geschäftslage dagegen bei den Ban-
                 Im rauen internationalen Umfeld hält sich die Zürcher Wirt-                                                                                     ken und der gewichtigsten Sammelbranche, den Verschiede-
                 schaft nach wie vor ganz passabel. Ihre Gangart hat sich zwar                                                                                   nen Dienstleistungen, die fast die Hälfte der Wertschöpfung im
                 verlangsamt, aber alle Branchen vermelden in den Umfragen                                                                                       Kanton Zürich umfasst. Diese beiden Branchen konnten im
                 der KOF Konjunkturstelle noch eine «gute» Geschäftslage.                                                                                        Herbstquartal ihre Geschäftslage sogar noch deutlich verbes-
                 Dies ist ersichtlich an der Position der Kreise auf der rechten                                                                                 sern. Dies ist ersichtlich an der Position ihrer Kreise deutlich
                 Seite der senkrechten Mittellinie in Grafik 1.                                                                                                  oberhalb der waagrechten Mittellinie in Grafik 1.

                  1                                            Stabile Entwicklung der Zürcher Wirtschaft im 4. Quartal
                                                               Wertschöpfungsanteile und Geschäftslage im Kanton Zürich

                                                                                          Verbesserung zur Vorperiode
                                                          20
                                                                                                                                                           Banken
Veränderung der Geschäftslage gegenüber der Vorperiode

                                                          10                                                                   Versch. Dienstleistungen
                                                                                                                                                                                              Die Grösse der Kreise steht proportional für den
                                                                                                                                                                                              jeweiligen Anteil der Wertschöpfung einer Branche
                                                                                                                                                          Baugewerbe                          an der gesamten Wertschöpfung im Kanton. Die
                                                                                                                                                                                              Industrie nimmt dabei einen höheren Anteil als der
                                                           0                                                                                                                                  Detailhandel ein, aber einen kleineren als die Ver-
                                                                       schlechte Geschäftslage               Industrie                                         gute Geschäftslage
                                                                                                                      Gastgewerbe                                                             schiedenen Dienstleistungen. Die Banken und der
                                                                                                                                                                                              Grosshandel sind ebenfalls bedeutende Branchen,
                                                                                                                                      Grosshandel                                             gemessen am Anteil ihrer Wertschöpfung, während
                                                                                                                                                                                              das Gastgewerbe und auch das Baugewerbe ein
                                                         −10                                                    Detailhandel                                                                  deutlich geringeres Gewicht aufweisen.

                                                                                                                                                                                              Die aktuellen Daten der Geschäftslage beziehen
                                                         −20                                                                                                                                  sich auf die verfügbaren Monate des aktuellen
                                                                                        Verschlechterung zur Vorperiode                                                                       Quartals. Der Vergleich erfolgt zum Mittelwert des
                                                                                                                                                                                              Vorquartals.
                                                                               −20                       0                           20                   40                        60
                                                                                                                  Aktuelle Geschäftslage
                                                               Quellen: BAK Economics (Wertschöpfungsanteil), KOF, ETH Zürich (Geschäftslage im Kanton Zürich)

                                                                                                                    Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019                        11
Kanton Zürich

Ein genauerer Blick auf die Verschiedenen Dienstleistungen                 unternehmen die aktuelle Flaute nicht zum Anlass für einen
in Grafik 2 zeigt, dass alle Komponenten zum Wachstum bei-                 Stellenabbau nehmen, sondern ihre Fachkräfte für bessere
tragen. Nicht nur die Persönlichen Dienstleistungen mit der                Auftragszeiten «horten». Diese insgesamt gute Beschäfti-
Boombranche Gesundheitswesen, sondern auch die zahlrei-                    gungslage widerspiegelt ebenfalls die noch robuste Entwick-
chen Wirtschaftlichen Dienstleistungen wie Beratung, Wer-                  lung bei den Bau- und Dienstleistungsbranchen.
bung, Forschung und Entwicklung sowie Grundstück- und
Wohnungswesen laufen gleich gut. In der Teilbranche Verkehr,               Im Einklang damit steht, dass die Arbeitslosigkeit im Kanton
Information und Kommunikation hat sich die Geschäftslage im                Zürich saisonbereinigt weiter abgenommen hat. Im November
vierten Quartal 2019 sogar noch erholt. Insgesamt halten Ende              2019 betrug die Arbeitslosenquote 2.1 % nach 2.3 % im No-
2019 viele Dienstleistungsbranchen der Zürcher Wirtschaft                  vember 2018.
den dämpfenden Einflüssen des Industriesektors noch recht
gut entgegen.                                                              Schwächere Gangart hält an
                                                                           Die wirtschaftliche Expansion im Kanton Zürich hält bis Früh-
Unbekümmerte Ausweitung der Beschäftigung                                  jahr 2020 weiter an, bleibt jedoch verhalten. Die schwächeren
Der Arbeitsmarkt zeigt sich im Kanton Zürich noch vergleichs-              Wachstumsimpulse von der Industrie werden von den Bau-
weise stark. Die Zahl der Erwerbstätigen nahm im Kanton                    und zahlreichen Dienstleistungsbranchen teilweise kompen-
Zürich im Verlauf von 2019 recht stark zu. Im dritten Quartal              siert. Die noch gute Beschäftigungsentwicklung und die tiefe
beträgt die Zunahme im Vergleich zum Vorjahresquartal an-                  Teuerung stützen den privaten Konsum. In den meisten Bran-
sehnliche 2.1 %, was die höchste Wachstumsrate der Schwei-                 chen erwartet die Mehrheit der Unternehmen, dass sich ihre
zer Grossregionen darstellt. Der leichte Rückgang zum Vor­                 Geschäfte bis Frühjahr 2020 zwar weiter verbessern, dass es
quartal dürfte lediglich eine kleine Korrektur nach einem                  aber noch nicht zu einer Beschleunigung kommt. Dies sieht
überdurchschnittlichen Anstieg sein, wie in Grafik 3 zu sehen ist.         man in Grafik 4 daran, dass die Kreise der verschiedenen
                                                                           Branchen mehrheitlich rechts der senkrechten Mittellinie und
Die Ostschweiz kommt im Jahresabstand gemessen nur auf                     gleichzeitig nahe der waagrechten Mittellinie liegen.
eine Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen von 1.2 %, die
Schweiz im Total auf 0.3 %. Am schlechtesten entwickelte                   Eine Ausnahme bildet dabei die Industrie, die direkt auf der
sich die Erwerbstätigkeit im Tessin mit einem Rückgang von                 senkrechten Mittellinie liegt und daher eine unveränderte Ge-
2.7 %. Bisherige Informationen zur Beschäftigungsentwick-                  schäftslage für das Winterhalbjahr erwartet. Damit hat sich die
lung für die Schweiz lassen darauf schliessen, dass Industrie-             Einschätzung der Industrie im Vergleich zur Vorperiode etwas

2       Stärke der Zürcher Dienstleistungen ist breit abgestützt
        Geschäftslage der Komponenten der Verschiedenen Dienstleistungen, saisonbereinigt

 60        Zunahme

 50

 40

 30

 20                                                                                              Komponenten der Verschiedenen
                                                                                                 Dienstleistungen
                                                                                                 –– Wirtschaftliche Dienstleistungen: Dienstleis-
 10                                                                                                 tungen des Grundstücks- und Wohnungs­
                                                                                                    wesens, eine Vielzahl von freiberuflichen,
                                                                                                    technischen und wissenschaftlichen Dienst-
    0                                                                                               leistungen, Vermittlung von Temporärstellen.
                                Komponente Verkehr, Information, Kommunikation
                                                                                                 –– Persönliche Dienstleistungen: Gesundheits-
                                Komponente Wirtschaftliche Dienstleistungen                         und Sozialwesen, Kunst, Unterhaltung und
–10
                                Komponente Persönliche Dienstleistungen                             Erholung, sonstige Dienstleistungen.
          Abnahme               Total Verschiedene Dienstleistungen                              –– Verkehr, Transport, Information und Kommu­
–20                                                                                                 nikation.
                              2018                                       2019
        Quelle: KOF, ETH ZH

                                                   12 Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019
Kanton Zürich

3                                                                        Zürich weist das höchste Wachstum aus
                                                                         Anzahl Erwerbstätige nach Grossregionen, Indices (1.Q. 2015 = 100)

                                  108

                                  107

                                  106

                                  105

                                  104

                                  103

                                  102

                                  101

                                  100

                                                                    99

                                                                    98
                                                                             Q1 2018            Q2 2018            Q3 2018           Q4 2018          Q1 2019        Q2 2019        Q3 2019

                                                                                 Total         Espace Mittelland          Nordwestschweiz            Zürich      Ostschweiz         Tessin

                                                                          Quelle: Erwerbstätigenstatistik, Bundesamt für Statistik (BFS)

4                                                                        Stabile Wirtschaftsentwicklung im Winterhalbjahr 2019/2020
                                                                         Wertschöpfungsanteile und Geschäftslage im Kanton Zürich

                                                                    20                   Veränderung zur Vorperiode
Veränderung der erwarteten Geschäftslage gegenüber der Vorperiode

                                                                                                                                      Detailhandel
                                                                    10                                                                                                           Banken

                                                                                   Verschlechterung                                                                            Verbesserung
                                                                                                                Gastgewerbe
                                                                                   der Geschäftslage                                 Grosshandel                               der Geschäftslage
                                                                     0
                                                                                                       Baugewerbe
                                                                                                                                     Versch. Dienstleistungen

                                                                    −10

                                                                                                             Industrie                                                                                  Die Grösse der Kreise steht proportional für
                                                                    −20                                                                                                                                 den jeweiligen Anteil der Wertschöpfung einer
                                                                                         Veränderung zur Vorperiode                                                                                     Branche an der gesamten Wertschöpfung
                                                                                                                                                                                                        im Kanton.
                                                                                                      0                              20                         40                        60
                                                                                                                           Erwartete Geschäftslage
                                                                          Quellen: BAK Economics (Wertschöpfungsanteil), KOF, ETH Zürich (Geschäftslage im Kanton Zürich)

verschlechtert. Auch im Baugewerbe kommt es zu einer leich-                                                                                                                 nigt um den Einfluss der FIFA-Lizenzeinnahmen. Die aktuellen
ten Wachstumsverlangsamung. Auf Expansionskurs bleiben                                                                                                                      Umfrageergebnisse der KOF Konjunkturforschungsstelle las-
dagegen die Banken und neuerdings der Detailhandel. Die                                                                                                                     sen dagegen auf eine leicht stärkere Dynamik von etwa 1 %
Meldung des Detailhandels muss allerdings in den kommen-                                                                                                                    schliessen. Im Zuge der erwarteten, allmählichen Normalisie-
den Monaten noch bestätigt werden, da die Antworten in die-                                                                                                                 rung des Welthandels ist im Verlauf von 2020 mit einer leichten
ser Branche sehr volatil sind.                                                                                                                                              Beschleunigung des Zürcher BIP-Wachstums gegen 1.5 % zu
                                                                                                                                                                            rechnen.
Das Forschungsinstitut BAK Economics erwartet für den Kan-
ton Zürich für 2019 ein BIP-Wachstum von knapp 0.5 % berei-                                                                                                                                         Dr. Aniela Wirz, Leiterin Fachstelle Volkswirtschaft

                                                                                                                                  Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019                    13
Kanton Zürich

Die deutsche Industrieflaute
greift auf Zürich über
Verschiedene Faktoren führten                            Der anhaltende Handelskonflikt zwischen        dustrie ist seit Ende 2017 im Vergleich mit
zur Abkühlung der internationalen                        den USA und China aber auch Europa be-         der Schweiz, USA und China am stärksten
Industriekonjunktur. Frontrunner                         lastet seit mehr als einem Jahr den Waren-     abgesunken (Grafik 5). In der Schweiz hielt
dieses Abschwungs ist Deutsch­                           austausch zwischen den Weltregionen. Ne-       sich die Industrie noch lange gut. Erst An-
land. Die Zürcher Industriebran­                         ben der teilweisen Verteuerung der Importe     fang 2019 kam es zu einer abrupten Stim-
chen sind davon unterschiedlich                          durch Importzölle dürfte die Unsicherheit      mungsverschlechterung, ersichtlich am
betroffen. Insgesamt hatte die                           über die zukünftigen Handelsbedingungen        Einbruch des Einkaufsmanagerindex unter
Zürcher Industriekonjunktur im                           langfristig ausgerichtete In­vestitionspläne   die Marke von 50, der sogenannten Wachs-
dritten Quartal 2019 jedoch nach­                        erschwert oder auf Eis gelegt haben. Dies      tumsschwelle. In den USA wurde diese
gegeben. Die jüngsten Indikatoren                        und der reduzierte Spielraum der Finanz­       Wachstumsmarke Mitte 2019 unterschrit-
zur Auftragslage deuten erstmals                         politik in Westeuropa dürften zusammen         ten. In China ist dieser Stimmungsindikator
eine Wende zum Besseren an.                              mit den geopolitischen Unsicherheiten den      insgesamt weniger volatil. Eine Verschlech-
                                                         weltweiten Warenhandel seit 2018 ge-           terung ist dort seit dem zweiten Halbjahr
                                                         dämpft haben.                                  2018 erkennbar.

                                                         Breit abgestützter Rückgang der                Die Stimmungsverschlechterung in der In-
                                                         Industrieproduktion                            dustrie zeigt sich im Kanton Zürich seit An-
                                                         Die Verschlechterung der Industriekon-         fang 2019 gemäss den Resultaten der KOF
                                                         junktur in Deutschland kam früher und war      Konjunkturforschungsstelle. Die Indikato-
                                                         ausgeprägter als in anderen Ländern. Der       ren für die Geschäftslage der Industrie der
                                                         technische Wandel in der Automobilpro-         Schweiz und des Kantons Zürich brachen
                                                         duktion dürfte dabei mit eine der Ursachen     parallel zum Einkaufsmanagerindex der CS
                                                         sein. Sieh dazu die Ausführungen «Die Kar-     für die Schweiz Anfang 2019 ein. Die Ent-
                                                         ten in der Fahrzeugindustrie werden neu        wicklung in Zürich ist etwas volatiler als in
                                                         gemischt» im nebenstehenden Kasten. Der        der Schweiz, aber bis im Herbst 2019 ins-
                                                         Einkaufsmanagerindex für die deutsche In-      gesamt vergleichbar.
                                                                                                                                Fortsetzung Seite 16

5     Industrieabschwung in Deutschland am stärksten
      Einkaufsmanagerindices (PMI), Geschäftslage in der Industrie (GL)

 70                                                        40

                                                           30

 60                                                        20

                                                           10

 50                                                         0

                                                          –10

 40                                                       –20
             2017              2018             2019                2017            2018    2019
           PMI China                  PMI Deutschland              GL Zürich
           PMI Schweiz                PMI USA                      GL Schweiz

      Quellen: IHS Markit, CS Schweiz, KOF, ETH Zürich

                                                         14 Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019
Kanton Zürich

Die Karten in der Fahrzeug­                              Derweil hängt das Damoklesschwert von                    der Nachfrage einstellen müssen. Laut
industrie werden neu gemischt                            US-Zöllen weiter über den Automobilpro-                  Analyse von swiss CAR sind über 40 Pro-
                                                         duzenten der Europäischen Union, deren                   zent der Schweizer Unternehmen in der
Die Fahrzeugindustrie befindet                           wichtigster Absatzmarkt in den USA                       Branche, zum grössten Teil Zulieferbe-
sich weltweit im Umbruch. Inmit­                         liegt.                                                   triebe, direkt vom Technologiewandel
ten der schwachen Wirtschafts­                                                                                    betroffen. Gleichzeitig bieten sich neue
lage steht die Branche vor struk­                        Etablierte Produzenten müssen                            Chancen, beispielsweise durch die Posi-
turellen Herausforderungen. Diese                        sich neu erfinden                                        tionierung in den Bereichen Sensorik und
sind vielfältig und betreffen neben                      Der Technologiewandel auf dem globa­-                    Softwareentwicklung, die für das autono-
der Abkehr vom Verbrennungs­                             ­len Fahrzeugmarkt stellt viele etablierte               me Fahren einen essenziellen Bestandteil
motor mit konventionellen Kraft­                          Produzenten zudem vor tiefgreifende                     darstellen.
stoffen auch die Entwicklung                              Herausforderungen und verlangt milliar-
autonomer Fahrsysteme und die                             denschwere Investitionen. China ist in-
Veränderung im Nutzungsver­                               zwischen für ein Viertel der weltweiten                   Johanna Zenk, Fachstelle Volkswirtschaft
halten wie beispielsweise dem                             Fahrzeugproduktion verantwortlich.
Carsharing.                                               China ist zudem der grösste Markt für
                                                          Elektrofahrzeuge. Laut Electric Vehicle
Die Produktion von Fahrzeugen und                         Index waren 2018 erstmals über 5 Millio-
Fahrzeugteilen nimmt weltweit seit über                   nen Elektroautos insgesamt registriert,
einem Jahr ab. Im vergangenen Jahr sind                   etwa die Hälfte davon in China.
die Fahrzeugverkäufe erstmals seit dem
Krisenjahr 2009 zurückgegangen. Aus-                     Technologie im Wandel
schlaggebend hierfür war eine Abnahme                    Der Technologiewechsel in der Auto­
der Personenwagenverkäufe um –3 %                        mobilindustrie wird in China staatlich                   Der Wettbewerb der Antriebsarten ist indes kein
nachdem die Verkäufe 2017 noch um 2 %                    gefördert und gefordert. Der Fokus auf                   neuartiges Phänomen. Als 1886 das erste Fahr-
und 2016 um 5 % gewachsen waren. Eine                    den Elektroantrieb hat inzwischen eine                   zeug mit Verbrennungsmotor zum Patent ange-
gesunkene Nachfrage aus China verur-                                                                              meldet wurde, war der Verbrennungsmotor nur
                                                         gewisse Pfadabhängigkeit geschaffen
                                                                                                                  eine unter verschiedenen Antriebsarten. Zu Be-
sachte etwas mehr als die Hälfte dieses                  und die Förderung anderer Antriebsarten                  ginn des 20. Jahrhunderts fuhren in den USA
Rückgangs. Dies dürfte auch darauf zu-                   wie Brennstoffzellen, zumindest bei den                  beispielsweise 40 Prozent der Fahrzeuge mit
rückzuführen sein, dass Steuervergünsti-                 Personenwagen, in den Hintergrund                        Dampfantrieb, 38 Prozent mit Elektroantrieb und
                                                                                                                  lediglich 22 Prozent mit einem Verbrennungsmo-
gungen auf Personenwagenkäufe letztes                    gedrängt. Auch die Schweizer Fahrzeug-                   tor. Letzterer setzte sich aufgrund der grösseren
Jahr im Reich der Mitte ausgelaufen sind.                industrie wird sich auf Veränderungen in                 Reichweite zunächst durch.

Kräftige Verschiebungen bei der Fahrzeugproduktion
Kraftfahrzeugproduktion weltweit, anteilig nach Regionen

35%

30%

25%

20%

15%

10%

5%

0%
                   2003                     2008                   2013                     2018
         China       Europa   Nordamerika     Japan/Korea   Südasien   Südamerika   Mittlerer Osten/Afrika

 Quellen: IHS Markit, OICA

                                                   Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019             15
Kanton Zürich

Produktion von elektrischen Geräten                Teilbranche in Zürich stärker von der Che-    die Entwicklung der Weltwirtschaft, beson-
hielt sich am besten                               mie- und der Kunststoffproduktion als von     ders in den fortgeschrittenen Volkswirt-
Die Mehrheit der Zürcher Industriebran-            der Pharmaproduktion geprägt ist, ist ein     schaften, zu denen der Grossteil der Zür-
chen wurde im Zuge dieser internationalen          Zusammenhang mit der Verschlechterung         cher Handelspartner zählt. Optimistisch
Abkühlung in Mitleidenschaft gezogen. Die          der deutschen Industriekonjunktur eher        stimmen bisher vor allem die Umfrageer-
gesamte Industrieproduktion hat seit Ende          naheliegend.                                  gebnisse zum Auftragsbestand in Grafik 7.
2018 langsamer zugenommen und nahm
ab dem zweiten Quartal 2019 ab, gemäss             Zwar könnte im Kontext des Umbruchs von       Der Rückgang des gesamten Auftragsbe-
den Resultaten der KOF-Umfragen in Gra-            Verbrennungsmotoren auf elektrische An-       standes lief in den letzten Monaten aus.
fik 6.                                             triebe der Schluss gezogen werden, dass       Dies ist erkennbar daran, dass die blaue
                                                   die Produktion der Teilbranche Elek­trische   Linie in Grafik 7 eine Zunahme seit Som-
In welchem Ausmass der Einbruch der                Geräte und Metallerzeugnisse durch diesen     mer 2019 anzeigt, dank der im vierten
deutschen Automobilproduktion auf die              Wandel Auftrieb erfährt. Sie wurde erst im    Quartal die waagrechte Mittellinie und da-
einzelnen Teilbranchen in Zürich direkt            dritten Quartal 2019 rück­läufig und dies     mit eine Stabilisierung des Auftragsbestan-
einwirkte, ist nicht nachweisbar, da jede          auch nur in vergleichsweise geringem Aus-     des erreicht werden. Auch die Branche
Teilbranche eine Vielzahl an verschiede-           mass. Ebenso wahrscheinlich ist allerdings,   Maschinenbau und Fahrzeuge zeigt diese
nen Unternehmen enthält und die intrain-           dass elektrische Geräte für den Konsum        Erholung und scheint so das Gröbste hin-
dustriellen Beziehungen sehr komplex               der privaten Haushalte für diese noch gute    ter sich zu lassen. Ihr Auftragsbestand ist
sind. Interessant ist allerdings, dass die         Performance sorgten. Das weiter zuneh-        sogar schon ganz knapp in den zunehmen-
Produktion der Teilbranchen Maschinen-             mende Realeinkommen dürfte hier eher          den Bereich vorgestossen.
bau- und Fahrzeugbranche Ende 2018                 eine Rolle spielen.
sehr abrupt einbrach und seither rückläu-                                                        Einen zumindest verlangsamten Rückgang
fig blieb. Am schlechtesten lief die Teil-         Erste Zeichen der Besserung                   vermeldet die Teilbranche Elektrische Ge-
branche Chemie, Pharma und Kunststoff-             Die weiteren Aussichten für die Zürcher In-   räte. Dagegen setzte sich der Rückgang
waren; sie scheint schon von Anfang 2018           dustrie sind verhalten wie in Grafik 4 dar-   des Auftragsbestandes bei den Metaller-
an Dynamik ver­loren zu haben. Da diese            gestellt. Dies entspricht den Prognosen für   zeugnissen sowie in Chemie, Pharma und

6       Nachlassende Industrieproduktion in Zürich
        Zürich: Veränderung der Produktion im Vergleich zum Vorjahresmonat

 80        höher                                                                           80

 60                                                                                        60

 40                                                                                        40

 20                                                                                        20

    0                                                                                       0

–20                                                                                       –20

                                          Gesamte Industrie
–40                                                                                       –40
                                          Metallerzeugnisse
                                          Maschinenbau- und Fahrzeugbranche
–60                                       Elektrische Geräte                              –60
                                          Chemie, Pharma und Kunststoffwaren
           niedriger
–80                                                                                       –80
                            2017                  2018                       2019
        Quelle: KOF, ETH Zürich

                                                   16 Zürcher Wirtschaftsmonitoring / Dezember 2019
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