Lehrplan 21 Sonderdruck Schulblattbeilagen

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Sonderdruck Schulblattbeilagen

Lehrplan 21
Ausgaben 1-7

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                                       1
Kanton Thurgau, Amt für Volksschule       Mai 2014

                                      2
Inhalt
Fragen & Antworten                                                                       4
       Wird mit dem Lehrplan 21 die Schule ganz anders?                                  4
       Haben die Lehrpersonen, Schulen und Kantone mit dem Lehrplan 21 noch
       Freiräume, um eigene Ideen und kantonsspezifische Anteile umzusetzen?             4
       Welche Bedeutung hat ein Lehrplan?                                                4
       Wie ist das Projekt Lehrplan 21 entstanden, wie sah der Erarbeitungsprozess
       aus und wie geht es nach der Konsultation weiter?                                 4
       Welche Veränderungen kommen mit der Kompetenzorientierung auf die Schulen
       und die Lehrpersonen zu?                                                          5
       Wie wurden die Fachbereiche im Lehrplan 21 festgelegt?                            5
       Stehen bei der Einführung des Lehrplans geeignete Lehrmittel zur Verfügung?       5
       Wann und wie wird der Lehrplan 21 im Thurgau eingeführt?                          5
       Wie sieht eine Beurteilung aus, die sich an Kompetenzen orientiert?               5
       An welche Kompetenzstufen können Lehrpersonen der Sekundarstufe I anschliessen?   6
       Wie werden die Lehrpersonen weitergebildet und auf den Unterricht mit dem
       Lehrplan 21 vorbereitet?                                                          6
       Schränkt der Lehrplan 21 die kantonale Hoheit ein?                                6

Glossen zu einzelnen Begriffen                                                           6
       Planungsannahmen für die Verteilung der Zeit                                      6
       Kompetenzerwerb                                                                   7
       Lernaufgaben                                                                      7
       Gestaltete Lernumgebungen                                                         7

Ausgewählte Artikel                                                                      8
      «Bisher konnte man nur in die Küche hineinschauen, jetzt dann bald auch
      in die Töpfe!» Interview mit dem Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler       8
      Beat Meyer: Welche Bedeutung haben Lehrpläne und wie werden sie wirksam            10
      Die Vernehmlassung wird den Lehrplanentwurf anreichern. Gespräch mit
      Sandra Bachmann                                                                    12
      Karin König: Die Möglichkeit zur Mitgestaltung besteht nur jetzt!                  14
      Ulrich Halbheer-Edelmann: Ergebnis eines globalen Trends. Ein Überblick
      darüber, was alles anders wird und worauf die Neuausrichtung gründet.              16
      Team Schulentwicklung: Schwung holen für den Lehrplan 21. Thementagung
      «Kompetenzen beschreiben: Kompetenzmodelle»                                        18
      Sandra Bachmann: Einführung des Lehrplans 21 frühestens auf Schuljahr 2017/18      20

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Fragen & Antworten
Lehrplan 21 allgemein                                          Lernen nicht nur im «klassischen» Fachunterricht,
                                                               sondern auch in Schulprojekten, an ausserschulischen
Wird mit dem Lehrplan 21 die Schule ganz anders?               Lernorten auf Exkursionen und Ausflügen etc. statt-
Auch in der Schule von morgen werden weiterhin                 findet. In diesen Gefässen wird ebenfalls am Erwerb
Lehrerinnen und Lehrer eine zentrale Rolle spielen             fachlicher und überfachlicher Kompetenzen gearbei-
und den Unterschied ausmachen: Sie sind die In-                tet.
struktoren, Begleiter, Förderer, Beurteiler und noch
vieles mehr der Kinder und Jugendlichen. Die Lern-             Welche Bedeutung hat ein Lehrplan?
prozesse werden auch in Zukunft in gemeinsamer                 Lehrpläne formulieren den gesellschaftlichen Auftrag
Verantwortung von Lehrenden und Lernenden gestal-              an die Schule. Sie regeln verbindlich Inhalte und Ziele
tet werden.                                                    bzw. die zu erreichenden Kompetenzen der Volksschu-
Einiges wird mit dem neuen Lehrplan so bleiben wie             le. Lehrpläne koordinieren zwischen den Schulstufen
es bisher war – einiges wird ändern. Der Auftrag der           und Schultypen, zwischen den einzelnen Schulen
Gesellschaft an die Volksschule, so wie er im Lehrplan         eines Kantons und mit dem Lehrplan 21 zukünftig
formuliert wird, muss periodisch erneuert werden. Seit         auch zwischen den Kantonen. Der Lehrplan dient der
der Erarbeitung des letzten Lehrplans an-fangs der             Lehrperson zur Planung, Vorbereitung und Überprü-
90-er Jahre hat sich die Lebenswelt der Kinder und             fung ihres Unterrichts. Er hilft, Schwerpunkte innerhalb
Jugendlichen stark verändert. Inhalte wie das Internet         der Fachbereiche und Stufen (Zyklen) zu setzen und
und die neuen Medien beispielsweise sind dazu ge-              gibt Orientierung in der Vielfalt der möglichen Themen.
kommen, der Stellenwert der überfachlichen Kompe-              Die Lehrperson kann sich auf den Lehrplan beziehen,
tenzen wird höher gewichtet und nebst dem Wissens-             um die Inhalte ihres Unterrichts gegenüber Schülerin-
erwerb hat dessen Anwendung in konkreten Situatio-             nen und Schülern, Eltern, Behörden, anderen Lehrper-
nen an Bedeutung gewonnen. Dies zeigt sich im Auf-             sonen und der Gesellschaft zu legitimieren.
bau des neuen Lehrplans und an der Kompetenzorien-             Ein Lehrplan macht nur wenige Aussagen zu den
tierung der Fachbereichslehrpläne.                             grundlegenden Herausforderungen des Unterrichts
Je nach Unterrichtspraxis wird mit dem Lehrplan 21             wie Klassenführung, Umgang mit der Vielfalt, Differen-
eine mehr oder weniger intensive Weiterentwicklung             zierung oder Beurteilungsformen. Er lässt die Wahl der
des eigenen Unterrichts verbunden sein. Das Unter-             didaktischen Settings und der Methoden frei. Neben
richtsprinzip der Kompetenzorientierung ähnelt in              dem primären Zielpublikum, den Lehrerinnen und
vielem demjenigen der Lernzielorientierung. Hinweise           Lehrern, richtet sich ein Lehr-plan auch an die Dozie-
hierzu gibt die Broschüre «Lern- und Unterrichtsver-           renden der Lehrerbildung, die Bildungsverantwortli-
ständnis». Mit dem Lehrplan 21 wird der Blick auf den          chen, die Lehrpersonen der weiterführenden Schulen
Kompetenzerwerb über alle Stufen der Volksschule               und der Berufsbildung und vor allem an die Lehrmit-
gerichtet – vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I.          telautoren. Innerhalb einer Schule und zwischen den
Die feinen Kompetenzabstufungen erleichtern es der             Schulen dient der Lehrplan als gemeinsame Grundla-
Lehrperson, vermehrt binnendifferenziert zu unterrich-         ge für vielfältige Entwicklungen – er ist der «Auftrag in
ten. Neu wird zudem das geforderte Erreichen der               einer gemeinsamen Sprache». Inwieweit ein Lehrplan
Mindestansprüche am Ende eines Zyklus sein.                    auch von den Eltern als «roter Faden» durch die Schul-
                                                               laufbahn ihres Kindes genutzt wird, ist wohl individuell
Haben die Lehrpersonen, Schulen und Kantone mit                verschieden.
dem Lehrplan 21 noch Freiräume, um eigene Ideen
und kantonsspezifische Anteile umzusetzen?                     Wie ist das Projekt Lehrplan 21 entstanden, wie sah
Der Lehrplan 21 soll nicht überfüllt werden. Deshalb           der Erarbeitungsprozess aus und wie geht es nach der
hat die Plenarversammlung der Deutschschweizer                 Konsultation weiter?
Erziehungsdirektoren (D-EDK) entschieden, dass für             Die drei deutschsprachigen EDK-
die Erarbeitung der zu erreichenden Kompetenzen                Regionalkonferenzen (NW EDK, EDK-Ost und BKZ)
maximal 80 Prozent der zur Verfügung stehenden 1.3             haben 2004 den Vorschlag, einen gemeinsamen
Welche Bedeutung hat ein Lehrplan?Zeit ausreichen              Lehrplan zu erarbeiten, zur Diskussion gestellt. Nach-
soll. Die übrigen 20 Prozent stehen den Lehrpersonen           dem die Kantone positiv darauf reagiert hatten, konn-
und Schulen beispielsweise für eigene Projekte und             ten Ende 2006 die Arbeiten am Projekt Lehrplan 21
thematische Schwerpunkte sowie dem Kanton für die              aufgenommen werden. Das Projekt wurde in zwei
Definition kantonsspezifischer Anteile zur Verfügung.          Teile aufgeteilt: In einer ersten Phase wurden die
Daran arbeitet das Kern-team. Es sichtet die beste-            Grundlagen des Lehrplans 21 erarbeitet, diese wurden
henden Lehrpläne nach regionalen Inhalten und Lern-            im Frühling 2010 verabschiedet. In einer zweiten Pha-
zielen und wird unter Berücksichtigung der Vernehm-            se haben die Fachbereichteams Entwürfe der Fachbe-
lassungsergebnisse 2013 die thurgauspezifischen                reichslehrpläne erarbeitet. Im Sommer 2012 wurde die
Anteile des Lehrplans definieren.                              erste interne Version des Lehrplans 21 an einem
Es gibt im Verlaufe der elf Schuljahre vielfältige Frei-       Lehrplanhearing den Kantonen, dem Lehrerverband
räume, um an den zu erreichenden Kompetenzen zu                und weiteren Institutionen präsentiert und zur Diskus-
arbeiten: Lehrpersonen und Schulen wissen, dass                sion gestellt. Zudem fand wiederum in jedem Fachbe-

                                                           4
reich ein Fachhearing statt. Von Juli bis Ende Dezem-          gionen, Gemeinschaft (ERG) im 3. Zyklus sowie in
ber 2013 wurde die zweite Version der Lehrplanvorla-           Musik in allen Zyklen, stehen grössere Anpassungen
ge einer breiten Konsultation unterzogen. Gestützt auf         an. Zurzeit werden bestehende Lehrmittel überarbeitet
den Auswertungsbericht der Konsultationsantworten              oder die Entwicklungen neuer Lehrmittel sind be-
hat die Projektleitung gemeinsam mit den Vertretun-            schlossen resp. bereits in Arbeit, was die Situation bis
gen der Kantone, des Dachverbands Schweizerischer              zur Einführung des Lehrplans zusätzlich begünstigt. Da
Lehrerinnen und Lehrer (LCH) und des Verbands                  die Umsetzung des Lehrplans 21 im Unterricht ein
Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz sowie den             mehrjähriger Prozess ist, ist es weder nötig noch sinn-
Mitgliedern des Fachbeirats Vorschläge zur Überarbei-          voll – und auch nicht möglich – bis zum Einführungs-
tung des Lehrplans 21 ausgearbeitet. Über diese                zeitpunkt des Lehrplans 21 sämtliche Lehrmittel zu
Vorschläge wird die Steuergruppe des Projekts Ende             ersetzen. Der gestaffelte Ersatz der Lehrmittel ist auch
März 2014 entscheiden. Dann wird auch abgeschätzt              aus finanziellen Gründen notwendig.
werden können, ob die Überarbeitung im Rahmen der
aktuellen Projektplanung bis Ende 2014 möglich ist             Wann und wie wird der Lehrplan 21 im Thurgau einge-
oder ob es allfällige Anpassungen am Zeitplan                  führt?
braucht. Im April 2014 wird die Öffentlichkeit über die        Die Einführung des Lehrplans 21 erfolgt in den Kan-
geplanten Überarbeitungsschritte informiert, und der           tonen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Voraussicht-
Auswertungsbericht wird auf der Projekt-Website                lich im Herbst 2014 wird der Lehrplan 21 von den
veröffentlicht.                                                Deutschschweizer Erziehungsdirektorinnen und -
                                                               direktoren zur Einführung in den Kantonen freigege-
Inhalte Lehrplan 21                                            ben. Anschliessend entscheidet jeder Kanton gemäss
                                                               den eigenen Rechtsgrundlagen über die Einführung
Welche Veränderungen kommen mit der Kompetenzor-               (Zeitpunkt, Einführungsmodell, Weiterbildung u.a.). Im
ientierung auf die Schulen und die Lehrpersonen zu?            Kanton Thurgau ist dies Sache des Regierungsrates,
Die mit der Kompetenzorientierung verbundenen Ver-             welcher voraussichtlich im Herbst 2014 über die Ein-
änderungen sind weder einschneidend noch bahnbre-              führung befinden wird.
chend. Sie schliessen an Entwicklungen an, die an              Der Ausarbeitung des Lehrplans 21 wird eine sorgfäl-
Schulen bereits heute stattfinden und die in der Aus-          tige Einführung in den Kantonen folgen. Jeder Kanton
und Weiterbildung der Lehrpersonen und in neueren              entscheidet in eigener Kompetenz, auf welchen Zeit-
Lehrmitteln seit Längerem vermittelt werden. Es ist            punkt, mit welchen begleitenden Massnahmen und
kein Paradigmenwechsel.                                        welchen kantonalen Ergänzungen der Lehr-plan 21
                                                               eingeführt wird. Damit kann auf laufende kantonale
Wie wurden die Fachbereiche im Lehrplan 21 festge-             Entwicklungen und unter-schiedliche Bedürfnisse und
legt?                                                          Rahmenbedingungen Rücksicht genommen werden.
Die Fachbereiche des Lehrplans 21 wurden in der                Aus diesem Grund enthalten die Unterlagen zur Ver-
Grundlagenphase von den 21 deutsch- und mehrspra-              nehmlassung hierzu keine Aussagen. Die Einfüh-
chigen Kantonen festgelegt. Sie schliessen terminolo-          rungsmodalitäten sind daher auch nicht Gegenstand
gisch und inhaltlich an die heute in den Kantonen              der Konsultation der D-EDK.
eingesetzten Lehrpläne sowie an den Stand der fach-            Im Kanton Thurgau wird der Lehrplan 21 voraussicht-
didaktischen Entwicklung an. Die Fachbereichsstruk-            lich ab August 2017 der offizielle Lehrplan sein. Die
tur wurde - nach der Vernehmlassung zum Grundla-               lokal gesteuerte, individuelle Umsetzung erfolgt in den
genbericht von 2009 - am 18. März 2010 von den                 folgenden vier Jahren.
Erziehungsdirektorinnen und -direktoren verabschie-
det. Sie ist daher nicht Gegenstand der Konsultation           Wie sieht eine Beurteilung aus, die sich an Kompeten-
im zweiten Halbjahr 2013.                                      zen orientiert?
zurück                                                         Zum kompetenzorientierten Unterricht gehören kon-
                                                               struktive Rückmeldungen an die Lernenden. Sie sind
Einführung Lehrplan 21                                         ein zentrales Merkmal der Unterrichtsqualität und
                                                               befördern nach-weislich das Lernen und den Kompe-
Stehen bei der Einführung des Lehrplans geeignete              tenzerwerb. Eine Beurteilung von Kompetenzen be-
Lehrmittel zur Verfügung?                                      zieht die beiden Dimensionen des fachlichen und des
Für die erfolgreiche Einführung und Umsetzung des              überfachlichen Lernens (personale, soziale und me-
Lehrplans 21 sind geeignete Lehr-mittel ein zentraler          thodische Kompetenzen) ein. Im Fachbereich Spra-
Erfolgsfaktor. Die Kantone haben der Interkantonalen           chen verfügt man bereits über Erfahrungen, wie das
Lehrmittelzentrale (ilz) deshalb frühzeitig den Auftrag        Erreichen von Kompetenzen beurteilt werden kann
erteilt, eine Grobbeurteilung der Lehrmittelsituation im       (ESP II, LinguaLevel). In anderen Fachbereichen ste-
Hinblick auf die Einführung des Lehrplans 21 vorzu-            hen Erfahrungen noch aus.
nehmen.                                                        Der Lehrplan 21 macht keine Aussagen zur promoti-
Diese Grobbeurteilung zeigt, dass die Situation in den         onsrelevanten Beurteilung, namentlich nicht zu Prü-
meisten Fachbereichen verhältnismässig günstig ist.            fungen, Zeugnissen, Notengebung und Promotionsre-
Nur in wenigen Fachbereichen, insbesondere in Natur            gelungen, die kantonal geregelt sind. Hier sind weiter-
und Technik (NT), Wirtschaft, Arbeit, Haushalt (WAH),          führende Abklärungen und Erfahrungen nötig, zu
Räume, Zeiten, Gesellschaften (RZG) und Ethik, Reli-           welchen das Kernteam Vorarbeiten leistet. Neben der

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summativen ist die formative Beurteilung ein Aspekt,          inhaltliche Auseinandersetzung und schrittweise An-
der im Zusammenhang mit der kompetenzorientierten             näherung an die didakti-schen Herausforderungen
Beurteilung an Bedeutung gewinnen wird. Durch die             eines kompetenzorientierten Unterrichts erlauben die
fein gegliederten Kompetenzstufen und -aufbauten              The-mentagungen. In diesem Jahr war sie dem Thema
eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten zur formativen        «Kompetenzen beschreiben: Kom-petenzmodelle»
Beurteilung. Hierzu gibt es Hinweise im Kapitel Lern-         gewidmet (vgl. Schwerpunkt in dieser Doppelseite).
und Unterrichtsverständnis des Lehrplans 21.                  2015 werden «Kompetenzen sichtbar machen» (Auf-
                                                              gabenkultur) und 2016 «Kompetenzen beurtei-len»
An welche Kompetenzstufen können Lehrpersonen der             Thema sein. Dank einem Platzkontingent können alle
Sekundarstufe I anschliessen?                                 Schulgemeinden im Delega-tionssystem Lehrperso-
Alle aus der Primarstufe übertretenden Schülerinnen           nen, Schulleitungen und Behördenmitglieder weiterbil-
und Schüler haben die Kompetenzstufe erreicht, wel-           den lassen. Auf den Lehrplan 21 ausgerichtete Sup-
che als Mindestanspruch des 2. Zyklus bezeichnet ist          port- und Weiterbildungsangebote werden zu-dem von
– ausgenommen Schülerinnen und Schüler mit Lern-              der Schulberatung und der Schulentwicklung des
zielanpassungen. Die Lehrpersonen im grundlegenden            Amtes für Volksschule und dem Prorektorat Weiterbil-
Typ G und den Niveaus g der Sekundarstufe I schlies-          dung und Dienstleistungen der PHTG sowie privaten
sen ihren Unterricht daran an. Sie können zudem da-           Anbie-tern laufend entwickelt. Als Richtwert für indivi-
von ausgehen, dass die Schülerinnen und Schüler               duelle und kollektive Weiterbildungen gel-ten 20 Tage
bereits an den nächsten Kompetenzstufen gearbeitet            in den vier Umsetzungsjahren. Den Bedarf legen die
haben und diese je nach individuellem Lernstand auch          Schulen in eigener Kompetenz fest und konkretisieren
ganz oder teilweise beherrschen.                              ihn in ihrer Umsetzungsplanung. Diese legt Art und
Lehrpersonen in Schulen bzw. Niveaugruppen mit                Umfang der Weiterbildungen sowie die nötigen Zu-
erweiterten Anforderungen (Typ E resp. Niveau e)              sammenarbeitsgefässe fest. Die Rahmenbedingungen
können an die Kompetenzstufen anschliessen, die als           wird der Regierungsrat im Frühjahr bestimmen.
Auftrag des 2. Zyklus bezeichnet sind. Sie können             zurück
jedoch nicht davon ausgehen, dass die Schülerinnen
und Schüler in allen Fachbereichen alle Kompetenz-            Kontext Projekt Lehrplan 21
stufen des 2. Zyklus vollumfänglich beherrschen.
Weitere Differenzierungen und Festlegungen für ein            Schränkt der Lehrplan 21 die kantonale Hoheit ein?
mittleres Anforderungsniveau macht der Lehrplan 21            Nein. Die Hoheit der Kantone über Kindergarten und
nicht. Bei Bedarf treffen die Kantone entsprechende           obligatorische Schule bleibt beste-hen. Alle Deutsch-
Festlegungen. Im Kanton Thurgau wird die bewährte             schweizer Kantone haben entschieden, gemeinsam
Einschätzungspraxis der Mittelstufenlehr-personen ein         den Lehrplan 21 auszuarbeiten. Nach der Fertigstel-
wichtiger Wegweiser bleiben.                                  lung des Lehrplans entscheiden die Kantone in ihren
                                                              je eigenen Verfahren über dessen Einführung.
                                                              Der Lehrplan 21 beschreibt den Pflicht- und Wahl-
Aus- und Weiterbildung Lehrpersonen                           pflichtbereich der obligatorischen Schule. Zusätzliche
                                                              Bildungsangebote bleiben in der Verantwortung der
Wie werden die Lehrpersonen weitergebildet und auf            Kantone.
den Unterricht mit dem Lehrplan 21 vorbereitet?               Der Lehrplan nimmt keinen Einfluss auf die Struktur
Die Ausgangslage in den Kantonen ist unterschiedlich,         der obligatorischen Schule. Die Kantone gestalten den
weil die Lehrpläne und der Stand der Unterrichtsent-          Schuleingang (Kindergarten oder Eingangsstufe)
wicklung unterschiedlich sind. Daher wird jeder Kan-          sowie die Sekundarstufe I nach wie vor selbst. Auch
ton für sich den Einführungszeitpunkt sowie den Wei-          die Festlegung unterschiedlicher Leistungsanforde-
terbildungsbedarf und -umfang festlegen. Die Vorbe-           rungen für die Niveaus der Sekundarstufe I bleibt
reitung der Thurgauer Schulen hat bereits begonnen.           Sache der Kantone.
Seit Februar 2013 informiert der Kanton kontinuierlich        Die Spielräume, die die Kantone den lokalen Schulen
in mündlicher (Informationsveranstaltungen, Stufen-           gewähren, sowie die Methoden-freiheit der Lehrper-
konferen-zen, etc.) und schriftlicher (Doppelseite in         sonen werden vom Lehrplan nicht berührt. Auch die
der Heftmitte des Schulblatts, Website, etc.) Form. Die       Festlegung der Stundentafeln ist Sache der Kantone.

Glossen zu einzelnen Begriffen
Planungsannahmen für die Verteilung der                       Auftrag erteilt, die Kompetenzen pro Fachbereich so
Zeit                                                          zu setzen, dass sie in 80 Prozent der zur Verfügung
Die Planungsannahmen sind die zeitlichen Vorgaben             stehenden Zeit erreicht werden können. Ein Beispiel:
für die Fachbereichteams und dienten ihnen zur                Die Planungsannahme für Mathematik beträgt 1375
Orientierung bei der Erarbeitung der Fachbereichs-            h für neun Schuljahre. Das Fachbereichsteam Ma-
lehrpläne. Bei der Entwicklungsarbeit musste sicher-          thematik erhielt den Auftrag, die Ziele des Fachbe-
gestellt werden, dass der Lehrplan nicht überfüllt            reichs so zu setzen, dass sie in 80 Prozent der zur
wird. Deshalb wurde den Fachbereichteams der                  Verfügung stehenden Zeit, nämlich in 1100h er-

                                                          6
reicht werden können. Die überfachlichen Kompe-             liches Lernen zu verknüpfen. Gute kompetenzorien-
tenzen und fächerübergreifenden Themen mussten              tierte Aufgaben sind fachbedeutsame, gehaltvolle
darin ebenfalls Platz finden. Die Planungsannahmen          Aufgaben. Sie repräsentieren fachinhaltliche
wurden basierend auf einer Auswertung der Stun-             Kernideen und lenken den Blick auf jene Konzepte,
dentafeln der 21 Kantone im Sommer 2007 erarbei-            Zusammenhänge, Prozesse, Fertigkeiten und Hal-
tet. Gegenüber dem Ist-Zustand wurden nur kleinere          tungen, welche den Bildungsgehalt von Fachberei-
Korrekturen vorgenommen: Im Bereich der Natur-,             chen auszeichnen und an denen sich die in den
Sozial- und Geisteswissenschaften erfolgte eine             Fachbereichslehrplänen beschriebenen fachlichen
Schwerpunktbildung. Das Erarbeitungsprojekt geht            und überfachlichen Kompetenzen erwerben lassen.
davon aus, dass der Kanton seinen Schulen über die          Sie beinhalten herausfordernde aber nicht überfor-
Stundentafeln die notwendigen Zeitgefässe gemäss            dernde Problemstellungen, welche zum Denken
den Planungsannahmen zur Verfügung stellt. Stellt           aktivieren und zum Handeln anregen. Sie sprechen
ein Kanton weniger zur Verfügung, müsste er die             idealerweise schwächere und stärkere Lernende an
Zielsetzungen im Lehrplan reduzieren, Leistungsein-         und begünstigen individuelle Lern- und Bearbei-
bussen in Kauf nehmen oder Freiräume der Lehr-              tungswege auf unterschiedlichen Leistungsniveaus
personen oder Schulen beschneiden. Der Lehrplan             und mit unterschiedlich ausgeprägten Interessens-
21 beschreibt den Pflicht- und Wahlpflichtbereich           graden (enge, halboffene und offene Aufgabenstel-
der obligatorischen Schule. Zusätzliche Bildungsan-         lungen). Sie wecken Neugier und Motivation (z.B.
gebote liegen in der Verantwortung des Kantons              durch Alltagsnähe, Anschaulichkeit, Spielcharakter)
und der Schulgemeinden. Die Planungsannahmen                und ermöglichen das Reflektieren der Lernenden
sind keine Stundentafeln. Die Festlegung der Stun-          über Sachzusammenhänge sowie über ihr eigenes
dentafeln bleibt Sache der Kantone. (Quelle:                Lernen und Problemlösen. Sie stossen situativ
www.lehrplan.ch > Grundlagenbe-                             Kommunikations- und Kooperationsprozesse an und
richt/Argumentarium)                                        lassen Raum für das Lernen von- und miteinander.

Kompetenzerwerb                                             Gestaltete Lernumgebungen
Im Lehrplan 21wird aufgezeigt, wie Kompetenzen              Lernumgebungen und Unterrichtseinheiten beste-
über die ganze Schulzeit --- vom Kindergarten bis zum       hen aus einem strukturierten Angebot an fachbe-
Ende der Volksschule --- aufgebaut werden. Für jede         deutsamen Themen, Aufgaben, Gegenständen,
Kompetenz wird der erwartete Kompetenzerwerb in             Materialien, Methoden und Arbeitstechniken, Sozial-
mehreren Kompetenzstufen pro Zyklus beschrieben.            formen und Interaktionsmustern in Abstimmung mit
In der einzelnen Kompetenzstufe wird formuliert, was        daran zu erwerbenden Kompetenzen. Sie bauen auf
Schülerinnen und Schüler auf dieser Stufe können            dem Vorwissen der Schülerinnen und Schüler auf.
bzw. welche Ausprägung eine Kompetenz hat. Wis-             Sie sind demnach inhaltlich wie auch in der didakti-
sen und Können, fachliche und überfachliche Kom-            schen und methodischen Umsetzung auf den aktuel-
petenzen (personale, soziale und methodische Kom-           len Lernstand der Schülerinnen und Schüler abge-
petenzen) werden miteinander verknüpft. In den              stimmt. Die Lernenden erhalten dadurch die Gele-
Fokus rücken damit die für den Kompetenzerwerb              genheit, entsprechend ihren Möglichkeiten optimal
notwendigen Lernprozesse der Schülerinnen und               vom Arrangement der Lernumgebung zu profitieren.
Schüler. Zum kompetenzorientierten Unterricht ge-           Idealerweise bieten gestaltete Lernumgebungen
hört unter anderem eine gute Feedbackkultur an die          mannigfaltige durch Lehrpersonen und Lehrmittel
Lernenden. Die Schülerinnen und Schüler erhalten            unterstützte Lerngelegenheiten, einzelne oder ver-
im Unterricht ermutigende und aufbauende Rück-              schiedene Facetten einer Kompetenz zu erwerben,
meldungen. Sie erhalten Informationen über ihren            zu festigen und in Anwendungssituationen zu nut-
Kenntnisstand, ihren Lernfortschritt und über noch          zen. Durch ihre Ausrichtung auf die aktive Auseinan-
bestehende Lücken oder anzugehende Schwierig-               dersetzung mit Gegenständen und Aufgaben, wer-
keiten. Eine so verstandene formative Beurteilung           den bei Schülerinnen und Schülern vielfältige rezep-
trägt zur Entwicklung einer realistischen, auf die          tive und gestalterische Arbeits- und Denkprozesse
eigenen Entwicklungsmöglichkeiten ausgerichteten            angeregt. (Aus: «Einleitung, Lern- und Unterrichts-
Selbsteinschätzung bei. Inhaltliches Feedback ist ---       verständnis», Lehrplan 21)
dies belegt der australische Forscher John Hattie in
seiner Metastudie eindrücklich --- ein zentrales
Merkmal der Unterrichtsqualität und befördert nach-
weislich das Lernen und den Kompetenzerwerb.
(Aus: «Einleitung» «Überblick und Anleitung», Lehr-
plan 21)

Lernaufgaben
Attraktive, inhaltlich und methodisch durchdachte
Lernaufträge und Aufgaben sind die zentralen fach-
didaktischen Gestaltungselemente von Lernumge-
bungen und bilden damit das Rückgrat guten Unter-
richts. Die Aufgaben werden auf die mit dem Unter-
richt verfolgten Zielsetzungen abgestimmt. Sie müs-
sen die Gelegenheit bieten, fachliches und überfach-

                                                        7
L e h rp lan 21 Ausgabe 1 · S chulblatt April 2 013

Christian Amsler: «Wir erschaffen den Lehrplan 21 nicht zum Selbstzweck!»                                                                Bild: zVg

                                                                                War denn bisher alles schlecht?

«Bisher konnte                                                                  Nein, überhaupt nicht! Ich schaue aber die Grundidee des Lehr-
                                                                                plans 21 als sehr positiv an.

man nur in die Küche                                                            Im Übrigen freut es mich auch sehr, dass die Schweizerische
                                                                                Lehrerschaft (LCH) dem Lehrplan 21 sehr positiv gegenüber
hineinschauen, jetzt                                                            steht. Ihr Präsident Beat Zemp ist ein grosser Verfechter des
                                                                                gemeinsamen Lehrplans und für mich ein ganz wichtiger und

dann bald auch in                                                               geschätzter Ansprechpartner und Wegbegleiter bei der Lancie-
                                                                                rung unseres gemeinsamen Werks.

die Töpfe!»                                                                     Wie lautet Ihr grundsätzliches Credo pro Lehrplan 21?
                                                                                Schauen Sie, wir erschaffen den Lehrplan 21 nicht zum Selbst-
                                                                                zweck, sondern aus einem ganz einfachen Grund: Er dient der
Der Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler                                 Umsetzung des Auftrags der Bundesverfassung zur Harmoni-
ist als Präsident der D-EDK oberster Schirmherr des                             sierung der Ziele der Bildungsstufen. Es beteiligen sich alle 21
                                                                                deutsch- und mehrsprachigen Kantone, auch die, welche dem
Lehrplans 21. Das SCHULBLATT traf sich mit ihm                                  HarmoS-Konkordat nicht beigetreten sind. Der Lehrplan 21
zum Exklusiv-Gespräch.                                                          integriert die nationalen Bildungsziele (Bildungsstandards). Wir
                                                                                gewähren damit Anschlussfähigkeit unter den Kantonen und
                                                                                reagieren sinnvoll auf die reale Mobilität unserer Familien. Das
Interview Urs Zuppinger                                                         überzeugt mich auch als dreifacher Vater!

Grundsätzliches                                                                 Was überzeugt Sie davon, dass mit dem Lehrplan 21
Weshalb brauchts denn einen neuen Lehrplan?                                     die Qualität der Schule steigen wird?
Der mit grossem Mehr vom Schweizer Volk angenommene                             Das tönt so, wie wenn wir den Anspruch hätten, mit dem Lehr-
Bildungsartikel verpflichtet die Kantone, die Bildungssysteme                   plan 21 die Welt und die Schule verbessern zu wollen. Und
untereinander zu harmonisieren. Dies lösen wir ein mit dem                      wie wenn heute in der Schule keine Qualität zu finden sei.
Lehrplan 21, der übrigens kein Reformprojekt ist. Ich würde                     Das Gegenteil ist der Fall! Schon heute wird sehr gute Arbeit
ihn eher als koordiniertes Alltagsgeschäft und unterstützendes                  an den Schweizer Schulen geleistet. Ich habe bei der Antwort
Werkzeug für die wichtige Arbeit unserer Lehrerinnen und Leh-                   zur letzten Frage ausgeführt, warum wir den Lehrplan 21 ma-
rer bezeichnen. Er soll Ruhe, Klarheit und Sicherheit ins Schul-                chen. Sicher haben wir aber durchaus auch einen Schulent-
feld und in den Unterricht bringen. Es ist doch eine fantastische               wicklungs- und Qualitätsanspruch bei dieser Arbeit! Gerade
Sache: Da finden sich die 21 Kantone der Deutschschweiz zu-                     die Kompetenzformulierungen umschreiben konkret, was die
sammen und denken gemeinsam über die Beschreibung von                           Schülerinnen und Schüler können und wissen sollen und dies
Kompetenzorientierung und Lerninhalten nach.                                    wirkt sich positiv auf die Qualität des Unterrichts aus.

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L e h r p la n 21 Ausgabe 1 · S chulblatt April 2 013

 Es brauche jemanden mit Herzblut, der das Projekt                       tragliche Verpflichtung zur Einführung des Lehrplans 21, es gibt
 vertrete, sagten Sie der Sonntagszeitung.                               keine überkantonale Lehrplanbehörde. Aufgrund der Schulho-
 Ging Ihnen bisher alles zu large vonstatten?                            heit der Kantone kann jeder Kanton auch die ihm nötig erschei-
 Nein, keinesfalls. Das Projekt ist sehr sorgfältig und professi-        nenden Anpassungen an der Lehrplanvorlage vornehmen.
 onell aufgegleist. Bisher konnte man nur in die Küche hinein-
 schauen, jetzt dann bald auch in die Töpfe! Das ist doch eine           Stellen Sie sich ein Gefäss vor, das wir zu 80% füllen und die
 spannende Sache … Ich bin einer, der offen und transparent              übrigen 20% können noch ortsspezifisch gefüllt werden. Das
 kommuniziert und den direkten Draht zur der Lehrerschaft sucht.         ist eine Wertschätzung dem Föderalismus gegenüber. Auch
 Ich will den Lehrplan 21 mit Herzblut und Engagement vertre-            wenn dadurch gewisse Unterschiede zwischen den Kantonen
 ten, dafür bringe ich als ehemaliger Lehrer und Prorektor einer         bestehen bleiben werden, kann der Verfassungsauftrag trotz-
 Pädagogischen Hochschule die fachliche Kompetenz mit. Mit               dem eingelöst werden, denn die Verfassung verlangt eine Har-
 meinem pädagogischen Hintergrund bin ich sicher ein glaub-              monisierung der Ziele und keine vollständige Vereinheitlichung.
 würdiger Vertreter für die nun anlaufende wichtige Lancierungs-
 phase im Jahr 2013.                                                     Den Stempel HarmoS bringen Sie dem Lehrplan 21 ein-
                                                                         fach nicht von der Backe!
 Einführungsphase                                                        Das macht doch nichts! Wissen Sie, ich persönlich mag den
 Beschreiben Sie uns, wie eine Lehrperson an den Lehr-                   Stempel HarmoS. Das ist doch eine gute Sache. Der Lehrplan
 plan 21 herangehen soll!                                                21 wurde unabhängig vom HarmoS-Konkordat lanciert. Dahin-
 Offen und neugierig! Das ist generell eine gute Haltung im              ter steht der Auftrag der Bundesverfassung, die Ziele und In-
 Leben. Wenn ich an etwas Neues herangehe, dann suche ich                halte der Schule zu harmonisieren.
 nicht primär nach dem Haar in der Suppe, sondern nach dem
 Positiven und dem Gewinn für meine Arbeit. Der Lehrplan 21 will         Auf nationaler Ebene geschieht dies im Rahmen des HarmoS-
 Klarheit und Verlässlichkeit in den schulischen Alltag bringen.         Konkordats. Hier werden übergeordnete Ziele der obligato-
                                                                         rischen Schulzeit definiert. Es wird der Sprachunterricht geregelt
                                 Wie motivieren Sie ältere               sowie die Einschulung und die Dauer der Schulstufen vorge-
                                 Kolleginnen und Kollegen,               geben. Zudem werden, gestützt auf das HarmoS-Konkordat,
                                 sich mit dem Lehrplan 21 in             nationale Bildungsstandards entwickelt. Die Lehrpläne werden
                                 der Zielgeraden ihres schu-             auf sprachregionaler Ebene mit dem Lehrplan 21 harmonisiert.
«Der Lehrplan 21                 lischen Wirkens noch aus-               Der Lehrplan 21 berücksichtigt grundsätzlich diese Regelungen.
                                 einanderzusetzen?                       Und ganz wichtig zu wissen, gerade für den Kanton Thurgau:
will Klarheit und
                                 Gerade für Lehrerinnen und              Der Lehrplan 21 kann unabhängig davon, ob die Kantone dem
Verlässlichkeit in den           Lehrer gilt der Grundsatz des           HarmoS-Konkordat beigetreten sind, eingeführt werden. Die
schulischen Alltag               lebenslangen Lernens. Für               Hoheit der Kantone bleibt bestehen.
                                 mich gilt aber generell und für
bringen.»
                                 alle Berufe: Man sollte bis zum         Herr Amsler, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
                                 Pensionierungsmoment immer
                                 offen bleiben für Neuerungen,           Was Christian Amsler zu Vorbehalten, den Noten und den kom-
                                 Entwicklungen. Ich halte es da          menden Meilensteinen meint, lesen Sie bitte in der kompletten
                                 mit dem Lebensgrundsatz: Alt            Online-Version unter
 ist man dann, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude hat             www.schulblatt.tg.ch > Magazin > April 2013
 als an der Zukunft. Oder auch Dante Alighieris berühmtes Zitat:
 «Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt
 sie kräftig an – und handelt.»

 Welche äussere Form hat das Teil eigentlich?
 Der Lehrplan 21 (in A4 Hochformat) wird es in einer Web-Ver-              PorträT
 sion geben. Dies entspricht den heutigen Bedürfnissen. Jede                                           Regierungsrat Christian Amsler (FDP) ist
 Lehrperson soll schnell zu den Inhalten gelangen, die für sie re-                                     als Vorsteher des Erziehungsdepartements
 levant sind. Auch können so Verlinkungen z.B. später zu Unter-                                        des Kantons Schaffhausen zuständig für
 richtsmaterialen einfach erstellt werden. Bei Bedarf wird es auch                                     die Bereiche Bildung, Jugend, Familie,
 eine Printversion geben. Details sind aber noch nicht geklärt.
                                                                                                       Sport und Kultur. Der 49-jährige Politiker
                                                                                                       ist mit einer Lehrerin verheiratet, Vater von
 Kantonsspezifische Ergänzungen
                                                                                                       3 Kindern und präsidiert seit dem 1. Januar
 Warum sollen Aargau, Schaffhausen oder der Thurgau
 noch kantonsspezifische Ergänzungen erhalten?                                                         2013 die Erziehungsdirektoren Konferenz
 Die Lehrplanplanvorlage soll Ende 2014 zur Einführung bereit                                          der Deutschschweiz (D-EDK). Damit ist er
 stehen. Für die Einführung braucht es in jedem Kanton einen                                           auch Schirmherr des Lehrplans 21.
 entsprechenden Beschluss der hierfür zuständigen Behörde.                                             www.christianamsler.ch
 Die Deutschschweiz hat anders als die Romandie keine ver-

                                                                     9
L e h r p lan 21 Ausgabe 2 · S c h ulblatt J u n i 2 013

Heutige Lehrpläne des Kantons Thurgau (1996).

                                                                  wort auf die Frage, «Welche Bildung soll in der Schule vermittelt

Welche Bedeutung
                                                                  werden?» bzw. «Welche Kompetenzen sollen Schülerinnen und
                                                                  Schüler im Laufe der Schulzeit erwerben?» Bildungspolitisch
                                                                  bedeutsam ist darüber hinaus vor allem die koordinierende Wir-
haben Lehrpläne                                                   kung von Lehrplänen: Koordination zwischen den Schulstufen
                                                                  und Schultypen, zwischen den einzelnen Schulen eines Kantons

und wie werden sie                                                und künftig auch zwischen den Kantonen. Politik und Verwal-
                                                                  tung verstehen Lehrpläne zudem als Instrumente zur Umset-
                                                                  zung von Innovationen, seien es die Bildungsstandards der EDK,
wirksam?                                                          mehr Koordination, schulstrukturelle Veränderung oder neue Bil-
                                                                  dungsinhalte und Fächer. Da Lehrpläne Ziele und Inhalte bzw.
                                                                  zu erwerbende Kompetenzen definieren und z.T. den organisa-
Der Lehrplan 21 wird im Kanton Thurgau auf den                    torischen Rahmen von Schule festlegen (Fächer, Stufen usw.),
1. August 2016 in Kraft gesetzt. Wie im Schulblatt                bilden sie eine allgemeine Grundlage für den Unterricht. Sie sind
                                                                  aber auch eine Basis für die Entwicklung von Lehrmitteln, für die
vom Februar dargestellt, finden bereits heute inten-              Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen und sie legitimieren
sive Planungs- und Vorbereitungsarbeiten zur Ein-                 administratives Handeln (z. B. Anweisungen der Verwaltung an
führung des neuen Lehrplans statt – Zeit also, einige             die Schulen).

grundsätzliche Fragen zur Bedeutung und zu den                    Was leisten Lehrpläne nicht?
Wirkungen von Lehrplänen zu stellen. Beat Mayer,                  Lehrpläne können nicht alles leisten. Ihr Schwerpunkt liegt bei
Fachmann für Lehrplanfragen, hat dazu einen Bei-                  der Festlegung von Zielen und Inhalten bzw. von Kompetenzen.
                                                                  Zwar enthalten sie in der Regel auch Aussagen zu grundle-
trag für das Thurgauer Schulblatt verfasst.                       genden Herausforderungen des Unterrichts: Umgang mit dem
                                                                  Leistungsspektrum in der Klasse, Integration von Kindern mit
                                                                  besonderem Förderbedarf, Beurteilung der Schülerinnen und
Beat Mayer
                                                                  Schüler. Sie sind aber keine Rezeptbücher, mit deren Hilfe Leh-
                                                                  rerinnen und Lehrer die täglichen praktischen Probleme auf
Welche Bedeutung haben Lehrpläne?                                 einfache Art lösen können: Was mache ich mit einem Schü-
In Gesprächen mit Lehrpersonen trifft man häufig die Meinung      ler, der seine Hausaufgaben schon wieder nicht gemacht hat?
an, dass Lehrpläne für den konkreten Schulalltag wenig Be-        Wie stelle ich die für das Lernen nötige Disziplin nach einem
deutung haben, dass sie «fürs Büchergestell» seien. Trotzdem      «Tumult» wieder her? Dazu ist der Lehrplan nicht geeignet. Er
gibt es sie seit der Einführung der öffentlichen Volksschulen.    legt auch nicht fest, welcher Stoff an einem bestimmten Tag zu
Es muss wohl Gründe geben, warum alle Kantone Lehrpläne           behandeln und welche Methode dabei einzusetzen ist. In diesem
haben. Was leisten Lehrpläne wirklich? Lehrpläne formulieren      Sinne hat der Lehrplan eine begrenzte Reichweite, belässt den
den gesellschaftlichen Auftrag an die Schule und geben Ant-       Lehrperson aber auch den nötigen Freiraum (Methodenfreiheit).

                                                                 10
L e h r p la n 21 Ausgabe 2 · S c h ulblatt J u n i 2 013

  An wen richten sich Lehrpläne?                                       dass Lehrpläne allein – das heisst ohne Umsetzung in den Lehr-
  Thema des Lehrplans ist der Unterricht in den einzelnen Fä-          mitteln, ohne begleitende Weiterbildung und gezielte Einführung
  chern. Deshalb richtet sich der Lehrplan in erster Linie an die      - ihre möglichen Wirkungen schlecht entfalten können. Für den
  Lehrerinnen und Lehrer. Er ist eine Grundlage für die mittel- und    Erfolg des Lehrplans 21, d.h. für seine positiven Auswirkungen
  längerfristige Unterrichtsplanung, er hilft Schwerpunkte setzen,     auf den Unterricht und auf den Lernerfolg der Schülerinnen und
  gibt Orientierung in der Vielfalt der möglichen Unterrichtsthe-      Schüler, ist eine vorausschauende und umfassende Einführung
  men, strukturiert die einzelnen Fächer und formuliert das Fach-      und Umsetzung entscheidend. Kern dieser Implementierung ist
  verständnis, das dem Unterricht zu Grunde liegen soll. Damit         eine fachbezogene und von aussen unterstützte lokale Unter-
  gibt der Lehrplan den Lehrerinnen und Lehrern Sicherheit, das        richtsentwicklung an den Schulen vor Ort.
  Richtige zu tun. Neben den Lehrpersonen richtet sich der Lehr-
  plan an die Dozierenden der Lehrerinnen- und Lehrerbildung,          Eine so verstandene Lehrplaneinführung und -umsetzung kann
  an die Bildungsverwaltung und an die Autorinnen und Autoren          durch die folgenden Eckpunkte umschrieben werden:
  von Lehrmitteln. Gerade bei der Entwicklung von Lehrmitteln          1) Die Umsetzung des Lehrplans 21 ist ein mehrjähriger Pro-
  spielt der Lehrplan eine wichtige Rolle: In den Lehrmitteln wer-        zess.
  den die Grundideen, Ziele und Schwerpunkte des Lehrplans so          2) Die Umsetzung erfolgt in erster Linie an den Schulen.
  konkretisiert, dass sie von den Lehrpersonen mit vertretbarem        3) Die Umsetzung ist im Wesentlichen fachbezogen.
  Aufwand im Unterricht umgesetzt werden können. Lehrerinnen           4) Der Umsetzungsprozess wird von den Schulleitungen vorbe-
  und Lehrer können nicht alles selber erfinden – sie sind in den         reitet, organisiert und geleitet.
  meisten Fächern darauf angewiesen, dass ihnen in den Lehrmit-        5) Das Amt für Volksschule leitet und koordiniert die Einfüh-
  teln sachlich richtige und praxiserprobte Texte, Darstellungen,         rung und Umsetzung.
  Zusammenfassungen, Aufgaben usw. zur Verfügung stehen.               6) Den Schulen stehen professionelle Beratungen zur Verfü-
  Schliesslich sollen Lehrpläne so formuliert sein, dass sie auch         gung.
  von Eltern, Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitikern und        7) Ein zielgerichtetes Weiterbildungsangebot steht bereit.
  anderen Interessierten verstanden werden können.                     8) Geeignete Lehrmittel und Unterrichtshilfen stehen rechtzei-
                                                                          tig zur Verfügung.
   Sind Lehrpläne überhaupt wirksam?                                   9) Beurteilungs- und Übertrittsregelungen, Leistungsteste etc.
   Die Lehrplanforschung bestätigt im Wesentlichen unser Alltags-         sind angepasst.
   verständnis: Lehrerinnen und Lehrer orientieren sich in ihrer
   täglichen Arbeit in erster Linie an ihrer Erfahrung und an den      Diese Vorstellungen über die Umsetzung des Lehrplans 21 sind
                                    Lehrmitteln. Das heisst nicht      im Einführungs- und Umsetzungsprojekt des Kantons Thurgau
                                    automatisch, dass Lehrpläne        bereits gut verankert – das stimmt zuversichtlich.
                                    keine Wirkung haben. Ihre Wir-
                                    kung ist zu guten Teilen eine      Fazit/Zusammenfassung
                                    indirekte: Sie wirken sich auf     Lehrpläne haben auch in Zukunft eine grosse Bedeutung: Sie
Damit gibt der Lehrplan             die Entwicklung von Lehrmit-       sind Träger der gesellschaftlichen Erwartungen an die Schule,
den Lehrerinnen und                 teln und auf die Lehrerinnen-      legen die zu erwerbenden Kompetenzen der Kinder und Jugend-
                                    und Lehrerbildung aus und          lichen fest und strukturieren den Unterricht in der Volksschule.
Lehrern Sicherheit, das
                                    dienen als Grundlage für zahl-     Eine umsichtige und gut geplante Einführung und Umsetzung
Richtige zu tun.                    reiche Entwicklungsarbeiten        des Lehrplans 21 trägt zur kontinuierlichen Verbesserung der
                                    (z.B. Hilfen zur Beurteilung       Unterrichtsqualität bei.
                                    der Schülerinnen und Schü-
                                    ler, Leistungstests, Handrei-
                                    chungen, Planungshilfen usw.).
                                    Auf die direkten Wirkungen bei
   den Lehrpersonen durch die Nutzung für die Unterrichtsplanung,
   Schwerpunktsetzung usw. wurde bereits hingewiesen. Diese                PorträT
   Überlegungen zur Wirksamkeit werden mit der Einführung des
   Lehrplans 21 besonders aktuell.                                                                  Beat Mayer hat bis 2011 als Erziehungs-
                                                                                                    wissenschafter in der Bildungsplanung
  Wie wird der Lehrplan 21 wirksam?                                                                 der Erziehungsdirektion des Kantons Bern
  Im Schulalltag ist der bestehende (alte) Lehrplan nur selten ein
                                                                                                    gearbeitet. Arbeitsschwerpunkte waren
  Thema. Dies ändert sich, wenn ein neuer Lehrplan ansteht. Be-
                                                                                                    Lehrplan- und Lehrmittelentwicklung. Seit
  reits im Vorfeld finden Diskussionen über die geplanten Ver-
                                                                                                    2011 selbstständige Tätigkeit: Projekte
  änderungen statt, Diskussionen auch über die notwendigen
  Weiterbildungen und über Anpassungen bei den Lehrmitteln,                                         beraten, Konzepte erarbeiten, Texte redi-
  Übertrittsbestimmungen, Zeugnissen usw. Parteien, Elternver-                                      gieren, Berichte verfassen.
  eine, Lehrerverbände und andere Interessengruppierungen sind
  eingeladen, sich an der Vernehmlassung zu beteiligen und ihre
  Anliegen einzubringen. Aus der Lehrplanforschung wissen wir,

                                                                      11
Lehrplan 21 Ausgabe 3 · Schulblatt August 2013

Titelbild der Thurgauer Ausstellung zum Lehrplan 21.

Gespräch                                                     für einen aktuellen und praxistauglichen Lehrplan gut.
                                                             Ob sich damit auch die Ansprüche der Gesellschaft an die
                                                             Volksschule decken, wird sich nun in der breiten Vernehm-
                                                             lassung zeigen.
Die Vernehmlassung                                           In welcher Form kann auf den Lehrplan 21 Einfluss

wird den Lehrplan-                                           genommen werden?
                                                             Damit alle, die nicht an der Erarbeitung beteiligt waren, sich

entwurf anreichern
                                                             zum Lehrplanentwurf äussern können, wird die breit ange-
                                                             legte Konsultation durchgeführt. Neben Institutionen und
                                                             Organisationen, deren Tätigkeit im direkten Zusammenhang
                                                             mit der Volksschule stehen, sind primär die Kantone als Auf-
Anfangs Juli hat der Kanton Thurgau zur Vernehm-             traggeber zur Stellungnahme aufgefordert. Die Lehrpersonen
lassung eingeladen. Warum die Auseinandersetzung             und Schulleitungen haben gleich doppelt die Möglichkeit, ihre
                                                             Anliegen einzubringen: Kantonal über Bildung Thurgau resp.
mit dem Lehrplanentwurf wichtig ist und was mit den          den Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Thurgau sowie
Rückmeldungen passiert, darüber gibt Sandra Bach-            auf gesamtschweizerischer Ebene über ihre Dachverbände
mann, Gesamtprojektleiterin Einführung Lehrplan 21           LCH/VPOD und VSLCH. Somit werden zwei wichtige Stim-
                                                             men gebührend beachtet.
im Thurgau, Auskunft.
                                                             Wer ist im Thurgau zur Vernehmlassung eingeladen?
                                                             Wir halten uns an die gesetzlichen Grundlagen und bewährten
Interview: Xavier Monn, Karin König (Mitglieder Kernteam)
                                                             Verfahren. Zur Vernehmlassung, die ab dem 1. Juli vier Mo-
                                                             nate dauert, sind alle Departemente des Kantons Thurgau, die
Auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung                       PHTG und die Berufs- und Interessenverbände aus dem Bil-
haben wir lange gewartet …                                   dungsbereich, der Wirtschaft und der Politik eingeladen (vgl.
Ja, und das war gut so! Was wachsen und gedeihen             «Weiter in Text & Netz», Konzept zur Vernehmlassung).
soll, braucht zuerst einen gewissen Schonraum. Ich
bin überzeugt, dass sich der vorliegende Entwurf des         Wie sollen die Vernehmlassungsantworten
Lehrplans 21 als Grundlage für eine breite Diskussion        eingereicht werden?
über den inhaltlichen Auftrag an die Volksschule eig-        Am liebsten in elektronischer Form! Das erleichtert uns die
net. Er wurde in zweieinhalbjähriger, sorgfältiger Ar-       Auswertung der Stellungnahmen enorm. Pro Vernehmlas-
beit und in teils zähem Ringen von Fachdidaktikern und       sungspartner erwarten wir eine Antwort im Fragebogen. Wir
Lehrpersonen erarbeitet. Damit stehen die Chancen            überlassen es den eingeladenen Verbänden, Parteien und

                                                            12
Lehrplan 21 Ausgabe 3 · Schulblatt August 2013

    Organisationen, ob und wie sie intern die Meinungen ihrer             rund drei Jahre vor der Umsetzung viele Gedanken zum eigenen
    Mitglieder einholen. Dies kann mit einem Hearing, einer De-           Unterricht in Gang.
    legiertenversammlung oder unter Einbezug jedes Einzelnen
    geschehen – wichtig ist eine gebündelte Antwort an mich bis           Ist die Vernehmlassung eine Alibi-Übung, weil alles
    am 31. Oktober!                                                       schon in Stein gemeisselt ist?
                                                                          Ich bin sicher, dass es der Projektleitung ein echtes Anlie-
    Zu welchen Teilen des Lehrplans                                       gen ist, eine Aussensicht einzuholen, um den Lehrplan ab-
    kann Rückmeldung gegeben werden?                                      gestützt zu überarbeiten. Nicht verhandelbar sind die bereits
    Zum ganzen Lehrplan, inhaltlich wie auch formal. Erwünscht            erwähnten Grundannahmen aus dem Jahr 2009. Es ist aber
    sind inhaltliche Rückmeldungen zu den Fachbereichen, den              schon so, dass der Einfluss der einzelnen Person – als Teil
    überfachlichen Kompetenzen, fächerübergreifenden Themen               der Verbandsantwort, welche wiederum Teil einer der 21 Kan-
    sowie den einleitenden Kapiteln. Im Fragebogen wird erhoben,          tonsantworten ist – bescheiden erscheint. Die Kraft der Rück-
    ob man mit der Auswahl der Kompetenzen und deren Aufbau               meldungen entsteht erst durch die Menge.
    sowie der Setzung der Mindestansprüche einverstanden ist.
    Aber auch allgemeine und formale Rückmeldungen sind wich-             Kann ich den Lehrplan 21 bereits als Instrument für
    tig, z.B. zur Benutzerfreundlichkeit der Online-Version oder zum      meinen Unterricht nutzen? Oder wird sich daran noch
    Layout. Nicht zur Diskussion steht der Aufbau des Lehrplans mit       einiges ändern?
    den drei Zyklen und der Fachbereichsstruktur, der Einarbeitung        Im neuen Lehrplan sind die Struktur (Fachbereiche, über-
    der nationalen Bildungsstandards (Mindestansprüche) und des           fachliche Kompetenzen, fächerübergreifende Themen) und
    Sprachenmodells der EDK, da diese bereits durch die Vernehm-          die Grundausrichtung gesetzt. Wenn man damit leben kann,
                                      lassung 2009 abgestützt sind        dass möglicherweise einzelne Kompetenzen oder deren Auf-
                                      (Grundlagenbericht).                bau noch abgeändert werden, können schon heute Teile des
                                                                          Lehrplans genutzt werden. Verbindlich bleiben jedoch die
Die Einschätzungen der                Was geschieht mit den               Ziele der 96-er Lehrpläne, voraussichtlich bis 31. Juli 2016.
Lehrpersonen zum Lehr-                Stellungnahmen?                     Am wenigsten von Änderungen betroffen werden wohl die
planentwurf sind besonders            Nach dem 31. Oktober werden         Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften sein, weil
wichtig, um ein praxistaug-           die kantonsinternen Stellung-       hier die nationalen Bildungsstandards zugrunde liegen. Im
liches Planungsinstrument             nahmen zusammengezogen              Moment noch sehr unklar ist der Überarbeitungsbedarf bei
zu schaffen.                          und ausgewertet. Im Dezem-          «ICT und Medien» – hier könnte es zu grösseren Änderungen
                                      ber verabschiedet der Regie-        kommen.
Walter Berger,                        rungsrat die Kantonsantwort,
Chef Amt für Volksschule              welche bis Ende Jahr dem            Was ist das Ziel der Informationsveranstaltungen
                                      Projekt Lehrplan 21 (D-EDK)         zum Lehrplan 21?
                                      zugestellt wird. Von Januar bis     Primäres Ziel ist es, die Teilnahme an der Vernehmlassung zu
                                      März 2014 werden die Resul-         erleichtern. An allen drei Veranstaltungen werden der Aufbau
     tate der gesamtschweizerischen Konsultation ausgewertet und          und das Verständnis des neuen Lehrplans an konkreten Bei-
     anschliessend die Überarbeitungsaufträge an die Fachbereich-         spielen gezeigt und erläutert. Dies lässt sich auch alles in den
     teams formuliert. Die Freigabe der definitiven Lehrplanvorlage zur   einleitenden Kapiteln und der Anleitung nachlesen. Speziell
     Einführung in den Kantonen ist für Herbst 2014 geplant.              sind die Ausstellung und die Einblicke, welche die beiden Lehr-
                                                                          personen Silvia Boxler und Erich Seeger geben. Beide haben
    Erhofft sich der Kanton Thurgau aus der Vernehmlas-                   den Lehrplan mit erarbeitet. Die konkrete Auseinandersetzung
    sung auch kantonsspezifische Hinweise?                                mit den Auswirkungen der Kompetenzorientierung auf den
    Für die kantonalen Vorbereitungsarbeiten erhoffe ich mir Hin-         Unterricht erfolgt hingegen an den Thementagungen (vgl. «A
    weise, welche besonderen thurgauischen Prägungen der Lehr-            jour») und später an den Schulen.
    plan erhalten soll. Es kann aber auch sein, dass Anregungen
    zum Support, zu der Einführung oder zu notwendigen Instru-            Wie sind die ersten Erfahrungen?
    menten und Lehrmitteln kommen. Parallel zur Vernehmlassung            Mehrheitlich positiv! Die rund 250 Besucherinnen und Besu-
    sind wir laufend im Austausch mit Schulleitern, Lehrpersonen          cher in Amriswil waren mit dem Abend zufrieden: Informativ
    und Behörden. Wer gezielt einen Kommentar oder eine Anre-             und abwechslungsreich gestaltet, verschiedene Blickwinkel.
    gung zur Einführung und Umsetzung im Kanton platzieren will,          Nach den Sommerferien folgen die öffentlichen Informations-
    kann den speziell dafür eingerichteten Online-Briefkasten nut-        veranstaltungen am 13. August in Frauenfeld und am 20. Au-
    zen (vgl. «Weiter in Text & Netz», Briefkasten).                      gust in Kreuzlingen. Die Anmeldung unter www.schuletg.ch ist
                                                                          bis eine Woche vor dem Termin möglich. Die Schulleitungen
    Warum soll ich mich als Lehrperson                                    informieren wir gesondert am 27. August, sie haben die Einla-
    an der Vernehmlassung beteiligen?                                     dung bereits erhalten.
    Der Lehrplan 21 betrifft alle Lehrpersonen in ihrem Kernge-
    schäft, dem Unterricht! Da lohnt es sich, schon heute den Ent-        Vielen Dank für das Gespräch,
    wurf genauer anzuschauen, ihn kennen zu lernen und seine              Sandra Bachmann.
    Meinung über den Berufsverband einzubringen. So kommen

                                                                          13
Lehrplan 21 Ausgabe 4 · Schulblatt Oktober 2013

Was kannst du gut – und wo möchtest du noch besser werden?

Die Möglichkeit zur                                                    verschiedenen Stufen. Die zweitgrösste Gruppe der Inte-
                                                                       ressierten waren Mitglieder der Schulbehörden, gefolgt von
Mitgestaltung besteht                                                  Schulleiterinnen und Schulleitern, welche sich annähernd
                                                                       vollzählig informieren liessen (vgl. Abb.1).

nur jetzt!                                                             Informationsveranstaltung Lehrplan 21 –
                                                                       Auswertung der Teilnehmer

Die kantonalen Informationsveranstaltungen sind vo-
                                                                                 900
rüber. Nehmen auch Sie sich die Zeit und beschäftigen                            800
                                                                                                                                                                                                                                           786

                                                                                 700
sich mit dem Lehrplan 21? Erst wenn sich alle Verbände                           600
                                                                                                                             489
                                                                        Anzahl

und Institutionen an der Vernehmlassung beteiligen,                              500
                                                                                 400

bekommt die Thurgauer Antwort ein breites Bild und                               300
                                                                                 200   125                                                            117
grösseres Gewicht.                                                               100
                                                                                  0
                                                                                                     6            18                          3                        4               7                   14                    3
                                                                                                 Fachstellen

                                                                                                                                                      Schulleitung
                                                                                       Behörde

                                                                                                               Kanton/PHTG

                                                                                                                             Lehrpersonen

                                                                                                                                            Politik

                                                                                                                                                                     Sek II

                                                                                                                                                                              Verbände/Organisationen

                                                                                                                                                                                                                              Wirtschaft

                                                                                                                                                                                                                                           Total
                                                                                                                                                                                                        Verwaltungspersonal

Karin König, Mitglied des Kernteams Lehrplan 21

Mit dem offiziellen Start der Vernehmlassung am 28. Juni
2013 wurden alle Vernehmlassungspartner eingeladen, sich
die nötigen Informationen zu holen, um sich kompetent an
der Vernehmlassung beteiligen zu können. Bis anhin wurde
vor allem schriftlich informiert – viele Beteiligte lassen sich        Abb. 1: Auswertung der Teilnehmenden aller Informationsveranstaltungen
aber gerne persönlich informieren und nutzen die Gelegen-
heit für den persönlichen Austausch.                                   Alle Veranstaltungen wurden mit Voten zur politischen Sicht
                                                                       auf den Lehrplan eröffnet. Mit ihrem Erscheinen haben
Informationen im ganzen Kanton                                         Amtschef Walter Berger, Generalsekretär Dr. Paul Roth
Rund 800 Personen besuchten die drei Informationsver-                  oder Regierungsrätin Monika Knill gezeigt, dass der Lehr-
anstaltungen in Amriswil, Frauenfeld und Kreuzlingen. Die              plan 21 im Kanton einen hohen Stellenwert hat.
Schulleiterinnen und Schulleiter wurden an ihrer jährlichen
Tagung am 27. August in Weinfelden informiert. Dazu                    Gut zu wissen
kamen noch rund 150 unangemeldete Besucherinnen und                    Sandra Bachmann, verantwortlich für die Einführung des
Besucher, davon rund 40 aus Politik und Wirtschaft. Wie                Lehrplans im Kanton, führte souverän und gut strukturiert
erwartet sprach die Einladung vor allem Lehrpersonen an:               durch die Veranstaltungen. In aller Kürze zeigte sie die
Mehr als die Hälfte der Teilnehmer waren Lehrpersonen der              wichtigsten Punkte des neuen Lehrplans auf:

                                                                  14
Lehrplan 21 Ausgabe 4 · Schulblatt Oktober 2013

• Bei der Kompetenzorientierung steht die Anwendbarkeit von          aus dem Bildungsbereich, der Wirtschaft und der Politik ein-
  Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Vordergrund.          geladen. Die Lehrpersonen und Schulleitungen haben dank
• Der Kompetenzaufbau erfolgt während der ganzen Volks-              des zweigleisigen Konsultationsverfahrens gleich doppelt
  schulzeit, eingeteilt in drei Zyklen                               die Möglichkeit, ihre Anliegen einzubringen: Kantonal über
  (Kindergarten – 2. Klasse/3. – 6. Klasse/7. – 9. Klasse).          Bildung Thurgau resp. den Verband Schulleiterinnen und
• Das Fachbereichskonzept ist bekannt, setzt aber teilweise          Schulleiter Thurgau sowie auf der gesamtschweizerischen
  neue Akzente, z.B. in den Fachbereichen Wirtschaft, Ar-            Ebene über ihre Dachverbände. Einzelrückmeldungen
  beit und Haushalt (WAH) oder Natur, Mensch, Gesell-                sind nicht möglich. Um trotzdem persönliche Meinun-
  schaft (NMG).                                                      gen, Kommentare und Hinweise zu erhalten, wurde auf
• In allen Fachbereichen eingearbeitet sind die überfach-            www.schuletg.ch ein Briefkasten eingerichtet. Jeder dieser
  lichen Kompetenzen und die fächerübergreifenden The-               Vernehmlassungspartner ist eingeladen, bis Ende Oktober
  men (Querverweise).                                                eine Stellungnahme abzugeben. Es wurde ein Fragebogen
• Mit dem Lehrplan sind die Begriffe «Differenzierung»,              verschickt, der zur Rückmeldung verwendet werden muss.
  «Mindestanspruch» und «weiterführende Kompetenzen»                 Wenn möglich sollte die Antwort in elektronischer Form zu-
  verbunden.                                                         rückgeschickt werden, das erleichtert die Auswertung sehr.
• Der Kompetenzerwerb gelingt nur im Zusammenspiel von
  fachlichen und überfachlichen Kompetenzen (vgl. «Glossar»).        Aufruf
                                                                     Es ist wichtig, dass der Lehrplan 21 von den verschiedenen
Schülerinnen und Schüler sprechen über ihre Kom-                     Anspruchsgruppen beurteilt wird. Diese breite Sichtweise
petenzen                                                             wird entscheidend zur Qualität des Lehrplans beitragen.
In drei Filmeinspielungen kamen auch die Schülerinnen und            Die Vernehmlassung ist die Möglichkeit zur Mitgestaltung.
Schüler vom Kindergarten bis zur Sekundarschule zu Wort.             Der Lehrplan 21 betrifft alle Lehrpersonen in ihrem Kern-
In kurzen Videostatements sprachen sie über ihre Kom-                geschäft, dem Unterricht! Es lohnt sich, schon heute diesen
petenzen und beantworteten die Fragen «Was kannst du                 Auftrag genauer anzuschauen, ihn kennen zu lernen und
gut?» – «Was möchtest du noch lernen? Wo möchtest du                 die eigene Meinung über den Berufsverband einzubringen.
dich verbessern?» – «Wozu?». Die Schülerinnen und Schüler            Es ist sicher so, dass der Einfluss der einzelnen Person –
erwähnten dabei verschiedene Facetten des Kompetenzbe-               als Teil der Verbandsantwort, welche wiederum Teil einer
griffs wie Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen, aber auch           der 21 Kantonsantworten ist – bescheiden erscheint. Die
überfachliche Kompetenzen und Haltungen, ihre Motivation             Kraft der Rückmeldungen entsteht durch die Menge. Die
und Ziele – bis hin zu ihren Berufswünschen.                         Vernehmlassung ist keine Alibiübung. Der Kanton Thurgau
                                                                     und das gesamtschweizerische Projekt sind an Rückmel-
Erfahrungsberichte aus der Lehrplanerarbeitung                       dungen interessiert. Die Projektleitung und das Kernteam
Silvia Boxler und Erich Seeger gaben im Interview mit Xa-            erhoffen sich für den Kanton Thurgau Hinweise auf spezi-
vier Monn einen Einblick in die Erarbeitung des Lehrplanes.          fische Inhalte, die vielleicht noch fehlen oder Anregungen
Die beiden arbeiteten in Fachbereichteams mit. Silvia Box-           für die Umsetzungsphase. Das Projekt Lehrplan 21 führt
ler konnte ihre Erfahrungen als Kindergartenlehrerin und             mit dem detaillierten Fragebogen eine sehr tiefgehende
Schulische Heilpädagogin im Fachbereit Natur, Mensch,                Konsultation durch, auf die im Jahr 2014 eine Überarbei-
Gesellschaft einbringen. Erich Seeger war im Fachbereich             tungsphase folgt.
Sprachen - Fremdsprachen dabei. Beide konnten den Zu-
hörern aufzeigen, dass die Auseinandersetzung zwischen               Was passiert mit den Rückmeldungen der Vernehm-
den Praktikern und den Fachdidaktikern sehr intensiv war.            lassungspartner im Kanton Thurgau?
Offen, ehrlich und sehr authentisch gaben sie Auskunft.              Am 31. Oktober endet die Vernehmlassungsfrist zum Lehr-
Erich Seeger sprach auch darüber, dass der Zugang der                plan 21 im Kanton Thurgau. Die ausgewerteten Stellung-
Kinder zum Fremdsprachen-Lernen ein anderer ist: Da-                 nahmen werden dem Regierungsrat im Dezember zur
durch, dass nicht nur auf die Defizite geachtet wird, sondern        Verabschiedung unterbreitet und dem Projekt Lehrplan 21
vor allem auf die Anwendbarkeit, sprechen die Kinder freier          (D-EDK) bis 31. Dezember 2013 zugestellt.
und offener im Unterricht. Silvia Boxler erklärte, warum im
Lehrplan21 mit Beispielen zurückhaltend gearbeitet wurde.
Es ist nicht das Ziel, dass in allen Deutschschweizer Schu-            PORTRÄT
len das Thema «Igel» unterrichtet wird, nur weil der Igel
als Beispiel aufgeführt ist. Ist ein Thema verbindlich, so                                       Karin König, Mitglied des Kernteams,
werden die Themen in den Kompetenzbeschreibungen für                                             Schulpräsidentin der VSG Tägerwilen
abschliessende Aufzählungen in Klammern oder für nicht
abschliessende Aufzählungen mit dem einleitenden Wort                                            «Der Lehrplan 21 spricht uns als Volks-
«insbesondere» gekennzeichnet.
                                                                                                 schulgemeinde sehr an. Gilt er doch für
                                                                                                 alle unsere Stufen und begleitet unsere
Vernehmlassungspartner
                                                                                                 Kinder durch die gesamte Volksschulzeit.»
Zur Vernehmlassung sind alle Departemente des Kantons
Thurgau, die PHTG und die Berufs- und Interessenverbände

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