Panorama Mobility Division - Siemens.ch

 
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Panorama Mobility Division - Siemens.ch
Panorama
Mobility Division
Kundenzeitschrift der Siemens Schweiz AG   | 1/2017

                                     www.siemens.ch/mobility
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
In dieser Nummer
                                                                           In dieser Num-
    Testbetrieb bei Wind und Wetter
    Elektrisch betriebene Busse sind bei vielen Verkehrsbe­                mer
    trieben im Einsatz. Die meisten von ihnen sind jedoch
    an Oberleitungen gebunden. Dank den technolo­
    gischen Fortschritten bei der Lade- und Batterietech­
    nik sind aber auch flexiblere Lösungen möglich.
    Die Auswertung eines zweimonatigen Testbetriebs
    in St. Moritz soll aufzeigen, ob sich Elektrobusse
    auch bei Schnee, Kälte und in steilem Gelände wirt­
    schaftlich betreiben lassen.
                                                                                                                                            12

                                        04                                                 10                                               16

04 Auf digitaler Pionierfahrt                     10 Eine Lokomotive macht Werbung                  16 Kleine Liefermengen möglich
    Siemens Schweiz und die Gornergrat Bahn          In wenigen Monaten wird die neue Mobi­           In herkömmlichen Produktionsanlagen ist
    haben gemeinsam das weltweit erste Bahn­         litätsplattform der Schweizerischen Süd­         die Fertigung von Kleinserien sehr teuer.
    leitsystem realisiert, das in einer «Cloud»      ostbahn (SOB) in Betrieb genommen.               Mit 3D-Druckverfahren hingegen lassen
    betrieben wird. Im Gegensatz zu den her­         Eine Werbe-Lok im Siemens-Design macht           sich selbst Einzelteile kostengünstig produ­
    kömmlichen Lösungen wird die Leittechnik         bereits heute auf die «Zukunft des Reisens»      zieren. Die neue Technologie kommt nicht
    mit der gesamten IT-Infrastruktur bei            aufmerksam. Die Mobilitätsplattform              nur in der Bahnbranche immer mehr zum
    Siemens aufgebaut und der Gornergrat Bahn        ermöglicht in einem ersten Schritt den elek­     Einsatz.
    virtuell zur Verfügung gestellt. Dies hat        tronischen Ticketvertrieb und die Routen­
                                                                                                    18 Bus und Bahn perfekt kombiniert
    für alle Beteiligten Vorteile.                   führung für das gesamte schweizerische
                                                                                                      Ein Blick durch die Glaswand beim Bahnhof
                                                     ÖV-Netz.
06 Rundum-sorglos-Paket                                                                               im aargauischen Menziken lässt erahnen,
    Die Zahl der Vectron-Lokomotiven auf dem      11 Ein blauer Zwerg                                 in welche Richtung sich der Bahnverkehr in
    europäischen Schienennetz nimmt laufend          ETCS, das vollelektronische Zugbeeinflus­        dieser Gegend entwickelt hat: Aus dem
    zu. Damit die Fahrzeuge jederzeit zuver­         sungssystem, beherrscht nun auch Rangier­        Durchgangsbahnhof ist eine Endstation
    lässig fahren können, pflegt Siemens eine        fahrten innerhalb von Bahnhöfen. Erste           geworden – und fast alle sind zufrieden
    intensive Zusammenarbeit mit kompeten­           Pilotanwendungen bei den SBB sind im             damit.
    ten Partnern. In der Schweiz hat Siemens         Betrieb und bescheren der Bahnwelt ein
    einen entsprechenden Vertrag mit der             neues Signal: ein Zwergsignal mit blauen
    SBB Cargo AG unterzeichnet. Das Unter­           statt weissen Lichtern.                          Online informiert
    nehmen ist mit den vier Instandhaltungs-                                                          Das Panorama, die Kundenzeitschrift der
                                                  12 Testbetrieb in St. Moritz                        Siemens-Division Mobility, ist auch
    Standorten Dietikon, Brig, Chiasso und
                                                     Eine mobile Ladestation von Siemens              online verfügbar. Die Artikel lassen sich
    Muttenz ein idealer Partner.
                                                     ermöglicht den zwei­m onatigen Versuchs­         bequem am PC oder auf mobilen Geräten
08 Zuverlässig – auch wenn’s heiss wird              betrieb mit einem Elektrobus.                    lesen. Die Texte kann man aber auch
    In der Schweiz tragen über 5000 Gleisfrei­                                                        als PDF herunterladen und auf den wich­
                                                  14 Ein Riese auf Reisen
    meldesysteme von Siemens zum sicheren                                                             tigsten Social-Media-Kanälen teilen.
                                                     Beim Ersatz von Stellwerken hat sich das
    Bahnverkehr bei. Diese Innovation «Made                                                           Das Magazin erscheint zweimal jährlich
                                                     Konzept bewährt: Anstatt vor Ort, wird die
    in Wallisellen» sorgt auch in Ägypten                                                             im Juni und Dezember.
                                                     gesamte neue Stellwerks- und Sicherungs­
    für einen zuverlässigen Informationsfluss                                                         www.siemens.ch/panorama
                                                     technik in einer grossen Kabine vorinstal­
    zwischen den Gleisabschnitten und den
                                                     liert und geprüft. Anschliessend wird der        Wer künftig nur die Online-Version und
    Stellwerken. Das ägyptische Verkehrsmini­
                                                     Technikkoloss an seinen Bestimmungsort           kein gedrucktes Magazin mehr wünscht,
    sterium treibt sein ambitioniertes Bahnaus­
                                                     transportiert – der jüngste Schwertrans­         sendet ein kurzes E-Mail mit dem
    bauprogramm konsequent voran. Schweizer
                                                     port zum Hafenbahnhof Kleinhüningen hat          Betreff «Abmeldung Panorama» an:
    Know-how ist dabei ein entscheidender
                                                     reibungslos geklappt.                            mobility.ch@siemens.com.
    Faktor für den Erfolg.

2     Panorama | 1/2017
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
Die Gornergrat Bahn
auf digitaler Pionierfahrt

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Krypto-Boxen, Datentunnels und Software-Algorithmen: Bei der Weltpremiere, die wir Anfang dieses
Jahres zusammen mit der Gornergrat Bahn in Zermatt feiern konnten, standen für einmal nicht Züge und
Stellwerke im Vordergrund, sondern Themen wie IT-Sicherheit und Verschlüsselungssoftware. Verwundert
hat mich das nicht, denn in der Bahnbranche stehen Sicherheit und Verlässlichkeit in jedem Kunden­
gespräch und bei jedem Projekt ganz zuoberst auf der Traktandenliste. Dass wir weltweit erstmals ein
Bahnleitsystem in Betrieb genommen haben, das in der „Cloud“ betrieben wird, hat entsprechend viel
Neugier und Interesse, aber auch Skepsis hervorgerufen.

Weniger aufgeregt sind in dieser Sache die Fahrdienstleiter bei der Gornergrat Bahn. Sie bedienen ihr
Iltis-Leitsystem in der Betriebszentrale in Zermatt genau gleich wie früher: Per Mausklick werden die
­Fahrstrassen gestellt, und wenn alles seine Richtigkeit hat, erteilt der Verantwortliche den Fahrbefehl.
 Dass die Datenpakete zwischenzeitlich ins 170 Kilometer entfernte Wallisellen flitzen und dort im
 Siemens-Data-Center validiert und verarbeitet werden, bekommt niemand mit.

Bis es so weit war, mussten wir freilich zuerst zuhanden des Bundesamtes für Verkehr die entsprechenden
Sicherheitsnachweise erbringen. Und hier kommen die eingangs erwähnten IT-Systeme ins Spiel: Aus­
geklügelte Software, geschützte Datenleitungen und redundante Anlagen sorgen dafür, dass der Betrieb
der Zahnradbahn von Zermatt auf den Gornergrat jederzeit verlässlich und sicher abläuft.

Auch wenn sich für Passagiere und Fahrdienstleiter in Zermatt nichts geändert hat, für die Verantwortlichen
der Gornergrat Bahn hat die neue Lösung sehr viele finanzielle, administrative und technische Vorteile.
Dies ist der Grund, warum nicht nur zahlreiche Zeitungen, Radio und TV über diese Weltpremiere berichten,
sondern auch viele unserer Kunden mehr wissen möchten über die digitale Pionierfahrt am Fusse des
Matterhorns.

Mehr zu unserer Innovation erfahren Sie auf den Seiten 4 und 5 in diesem Heft.
Viel Spass beim Lesen!

Gerd Scheller
Siemens Schweiz AG
CEO Mobility

                                                                                                            3
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
Auf digitaler Pionierfahrt
                     Dass Zermatt touristisch und landschaftlich zu den weltweit attraktivsten Destinationen
                     gehört, hat sich herumgesprochen. Hundertausende Schneesportbegeisterte, aber auch
                     Wander- und Bergtouristen reisen jedes Jahr in den idyllisch gelegenen Ort am Fusse
                     des Matterhorns. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass Zermatt auch bahntechnisch
                     die Nase vorne hat: Als weltweit erste Betreiberin hat die Gornergrat Bahn (GGB) ein
                     Leitsystem im Einsatz, das über die «Cloud» betrieben wird.

Beim Bahnhof und in den vielen Gassen        grale Leit- und Informationssystem Iltis       Installation der gesamten Rechnerinfra­
in Zermatt herrscht emsiges Treiben –        von Siemens Schweiz. Als sich 2016 ab­         struktur vor Ort wurden die nötigen
und das zu fast jeder Jahreszeit, denn       zeichnete, dass die installierten Anlagen      Server- und Computeranlagen am Haupt­
ein Ausflug in das weltbekannte Berg­        erneuert werden müssen, entschieden            sitz von Siemens Mobility in Wallisellen
dorf ist sommers wie winters atem­           sich die Verantwortlichen der GGB in           aufgebaut. Nach einer mehrmonatigen
beraubend. Ein Highlight für jeden           Absprache mit Siemens für einen kom­           Testphase ist das System seit Anfang
Besucher ist die Fahrt mit der Gornergrat    plett neuen Ansatz: Statt der üblichen         Januar 2017 im Regelbetrieb im Einsatz.
Bahn, die 1898 als erste elektrische
Zahnradbahn der Schweiz eröffnet             Fahrdienstleiter Georges Lauber in der Betriebsleitzentrale der Gornergrat Bahn in Zermatt.
wurde. Von der Talstation, direkt neben
dem Bahnhof der Matterhorn-Gotthard-
Bahn gelegen, führen die Schmalspur­
gleise neun Kilometer hinauf auf den
Gornergrat. Heute transportiert die GGB
Jahr für Jahr mehr als anderthalb Mil­
lionen Fahrgäste auf den Gipfel auf fast
3100 Meter über Meer. Von dort aus
geniessen die Besucher einen spektaku­
lären Blick auf das Monte-Rosa-Massiv
und das Matterhorn.
Neues wagen
Weniger augenfällig, aber umso wich­
tiger ist das Leitsystem, das hinter den
Kulissen für den reibungslosen Bahn­
betrieb sorgt. Bereits seit vielen Jahren
setzt die Gornergrat Bahn auf das inte­

4    Text Benno Estermann | Fotos Gornergrat Bahn
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
einem Mausklick die Fahrerlaubnis            Doppelt und dreifach gesichert
                                               erteilt, flitzen die entsprechenden elek­    Bereits beim sechs Monate dauernden
                                               tronischen Befehle und Datenpakete           Testbetrieb der neuen Cloud-Lösung
                                               innert Millisekunden nicht wie früher        setzten die Ingenieure auf einen spezi­
                                               in den Serverraum im Keller, sondern         ellen Dienst von Technologiepartner
                                               nach Wallisellen.                            Swisscom. Der sogenannte LAN-Inter­
                                                                                            connection-Service gewährleistet zu
                                               Nicht mal der Projektleiter hat              jeder Zeit eine sichere Datenverbindung.
                                               Zutritt                                      Zusätzlich hat man die ganze Lösung
                                               Hier, am 168 Kilometer entfernen Haupt­      redundant aufgebaut und zwei separate
                                               sitz von Siemens Mobility, verarbeiten       Leitungen zwischen Wallisellen und
                                               die Rechner die entsprechenden Signale       Zermatt installiert. Als zusätzliche Rück­
                                               und geben dem Iltis-Leitsystem die           fallebene wird in den kommenden
                                               nötigen Impulse, die im selben Augen­        drei Jahren während der sogenannten
                                               blick in Zermatt automatisch ausgeführt      Leistungsbestätigungsphase noch ein
                                               werden. In das gekühlte und mehrfach         Ersatzcomputer in Zermatt vorgehalten.
                                               gesicherte Data-Center in Wallisellen hat    Im Notfall könnte der Fahrdienstleiter
                                               nicht einmal Daniel Brönimann Zutritt.       diesen Rechner aktivieren und die Stell­
                                               Der 51-jährige Siemens-Projektleiter         werke der GGB autonom manuell vor
                                               hat das neuartige System mitentwickelt       Ort bedienen.
                                               und kennt alle Details: «Unsere Lösung,
                                                                                            Einfacher und günstiger
                                               die wir ‹Iltis as a Service› nennen, bein­
                                                                                            Die von Siemens Schweiz entwickelte
                                               haltet zwei wesentliche Neuerungen,
                                                                                            Lösung eignet sich grundsätzlich für alle
                                               nämlich die eigentliche Cloud-Lösung,
                                                                                            Bahnbetreiber. Besonders interessiert
                                               bei welcher die Rechner und Server
                                                                                            sind derzeit vor allem kleinere und mit­
                                               nicht mehr physisch an einem Ort vor­
                                                                                            telgrosse Bahnen. «Wir haben mit zahl­
                                               handen, sondern virtuell in Wallisellen
                                                                                            reichen Kunden Gespräche geführt, und
                                               aufgesetzt sind. Der andere neue
                                                                                            rund ein halbes Dutzend Betreiber aus
                                               Aspekt ist die Überbrückung der Distanz
                                                                                            der Schweiz zeigen konkretes Interesse
                                               von Wallisellen nach Zermatt», erklärt
                                                                                            an einer Zusammenarbeit mit uns»,
                                               Brönimann. Dabei handelt es sich um
                                                                                            freut sich Projektleiter Brönimann.
                                               ein Konstrukt, das Siemens im Rahmen
                                                                                            «Das Pilotprojekt in Zermatt ist natür­
Der Ausflug auf den Gornergrat ist zu jeder
                                               eines Plangenehmigungs­ver ­fah­rens
                                                                                            lich beste Werbung.» Dank der Cloud-
Jahreszeit ein eindrückliches Erlebnis.        beim Bundesamt für Verkehr (BAV)
                                                                                            basierten Lösung hat die GGB zahlreiche
Die Leitsystem-Lösung «Iltis as a Service»     bewilligen lassen musste. Die Bahn­
                                                                                            technische und finanzielle Vorteile.
sorgt im Hintergrund dafür, dass der Betrieb   spezialisten von Siemens und der GGB
jederzeit sicher und zuverlässig abläuft.
                                                                                            So stehen der Bahn sämtliche Funktio­
                                               hatten den Nachweis zu erbringen,
                                                                                            nen des Bahnleitsystems als Service per
                                               dass die neuartige Lösung sicher und
                                                                                            Lizenzgeschäft zur Verfügung. Dadurch
                                               jederzeit verfügbar ist. «Dazu mussten
                                                                                            entfallen die hohen Erstinvestitionen
Jederzeit verfügbar                            wir u. a. mehrere internationale
                                                                                            bei der Beschaffung der notwendigen
Wenn man Fahrdienstleiter Georges              IT-­Sicherheitsnormen erfüllen», ergänzt
                                                                                            Hard- und IT-Softwaresysteme. Die Ver­
Lauber über die Schulter blickt, deutet        Brönimann. «Zusätzlich haben wir
                                                                                            antwortlichen haben zudem die Gewähr,
nichts darauf hin, dass in der Betriebs­       Kryptoboxen eingebaut, welche die
                                                                                            dass die IT-Infrastruktur immer auf
leitzentrale in Zermatt eine Weltneuheit       Datenleitungen und die Zugangspunkte
                                                                                            dem aktuellsten Stand ist. Einen Wer­
installiert ist. «Für uns hat sich mit der     zusätzlich schützen – und zwar sowohl
                                                                                            mutstropfen gibt es: Fahrdienstleiter
Cloud-Lösung nichts geändert, es läuft         in Zermatt als auch in Wallisellen.»
                                                                                            Georges Lauber wird nur noch wenig
alles gleich wie vorher», erklärt der          Die kryptografischen Verfahren stellen
                                                                                            Besuch bekommen von seinem Kollegen
44-jährige Teamleiter. Lauber, der seit        sicher, dass auf den Datentunnelleitun­
                                                                                            aus Wallisellen, denn für die regel­
19 Jahren bei der GGB arbeitet, sitzt          gen nichts anderes als Iltis-Telegramme
                                                                                            mässigen Service- und Wartungsarbeiten
wie üblich vor den Bildschirmen und            und -Befehle übermittelt werden.
                                                                                            muss kein Siemens-Techniker mehr nach
überprüft die Fahrstrassen, Signale und        Die Sicherheitssysteme sorgen zudem
                                                                                            Zermatt anreisen. Und auch bei allfälli­
Weichen, die auf den Iltis-Monitoren           dafür, dass keine Iltis-Datenpakete
                                                                                            gen Störungen – von denen es übrigens
grafisch dargestellt sind. Zu den Auf­         verloren, verändert oder zusätzliche,
                                                                                            seit der operativen Inbetriebnahme
gaben des Systems gehören u. a. die            aus fremden Quellen stammende Daten
                                                                                            keine einzige gegeben hat – kann ein
Fernsteuerung der Stellwerke, die Über­        übermittelt werden. Die BAV-Bewilli­
                                                                                            Fachmann in Wallisellen eingreifen.
wachung des Betriebs und die Steue­            gung für den Testbetrieb wurde im
rung der Fahrgastinformationssysteme           Juni 2016 erteilt. Zwei Monate später
in den Stationen. Wenn alle Passagiere         konnte der Regelbetrieb aufgenommen
im Zug sind und Georges Lauber mit             werden.

                                                                                                                                    5
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
Freie Fahrt für frische Ideen
                      Flatrate für das Mobiltelefon, Jahresabonnement des Fitnessclubs – «Rundum-sorglos-
                      Pakete» werden immer beliebter. Jetzt auch beim Unterhalt von Lokomotiven:
                      Siemens Schweiz AG, SBB Cargo AG und die Coop-Tochter railCare AG machen es vor.

Es bewegt sich einiges in der Schweizer       (siehe Kasten). Es sind teils Coop-eigene   Schluss der Transportkette steht jeden
Bahnwelt, besonders im Güterverkehr:          Verteilzentren mit Anschlussgleisen,        Tag von Neuem die Türöffnung der
Da spielt der freie Markt, und frische        aber allesamt Bahnhöfe mit moderner         Supermärkte. Dieser Fixpunkt ist unver­
Ideen haben freie Fahrt. In diesem Fall       Infrastruktur für den Container-Umlad       rückbar, und wehe dem Filialleiter,
geht es unter anderem um frische              vom Lastwagen auf den Zug und um­           wenn die Tomaten fehlen!
Tomaten und andere verderbliche Güter.        gekehrt. Die Züge bestehen aus speziel­
Damit diese empfindlichen Lebensmit­          len Containerwagen mit Coop-eigenen,        Damit das System funktioniert, müssen
tel und viele andere Produkte jeden           teils gekühlten Containern, welche          mehrere Voraussetzungen erfüllt sein.
Morgen pünktlich im Regal der Super­          ihrerseits modernsten Standards ent­        Eine der anspruchsvolleren ist die tech­
märkte bereitliegen, betreibt Coop            sprechen und sowohl per Kran, Rech-         nische Zuverlässigkeit des Eisenbahn-
Schweiz ein eigenes Eisenbahn-Verkehrs­       Stacker und Horizontalumschlag von          Rollmaterials, was vor allem heisst: der
unternehmen namens railCare AG. Es            einem Verkehrsmittel auf das andere         Lokomotiven. Dies ist eine technische
betreibt mit flinken, aber kurzen Zügen       umgeladen werden können. Gezogen            Herausforderung, welche nicht zu den
(maximal 300 m beziehungsweise                werden die Züge ab Oktober 2017 von         Kernkompetenzen eines Detailhandels­
700 Tonnen) einen fahrplanmässigen            modernen Siemens-Lokomotiven des            konzerns gehört. Deshalb hat ihn Coop
Betrieb mit bis zu drei täglichen Fahrten     Typs Vectron.                               ausgelagert. Die Vectron-Maschinen
auf fünf verschiedenen innerschweize­                                                     werden im Rahmen eines Pauschalver­
rischen Strecken. Dabei werden überwie­       Umfassendes Servicepaket                    trags von Siemens Mobility Services
gend Haltepunkte angesteuert, deren           Die tägliche Versorgung von ungefähr        instandgehalten. Für Siemens ist das
Namen kaum einem Bahnpassagier ge­            2000 Verkaufsstellen in der ganzen          keine Neuheit, denn ähnliche Verträge
läufig sind: Schafisheim, Niederbottigen,     Schweiz ist ein komplexer Prozess und       laufen bereits in 26 anderen Ländern
Aclens oder Chavornay zum Beispiel            in jeder Phase zeitkritisch, denn am        der Welt. Neu ist aber der umfassende

6    Text Sepp Moser | Fotos Siemens Schweiz / Railcolor Design
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
Alle Vectron-Fahrzeuge im railCare-Design      Es versteht sich von selbst, dass die
sind mit einem Diesel Power Modul ausge-       dermassen «hautnahe» Betreuung von           Von railCare bediente Strecken
rüstet. Dadurch kann das Coop-Tochterunter-
                                               Lokomotiven, welche andauernd durch          1. Felsberg–Schafisheim–Chavornay–
nehmen auf den Einsatz zusätzlicher Rangier-
                                               halb Europa fahren, eine grosse Heraus­         Schafisheim–Felsberg
lokomotiven verzichten.
                                               forderung ist. Deshalb pflegt Siemens        2. Thun-Gwatt–Schafisheim–Thun-Gwatt
                                                                                            3. Schafisheim–Niederbottigen–Brig–
                                               eine intensive Zusammenarbeit mit
                                                                                               Niederbottigen–Schafisheim
                                               kompetenten Partnern in den durchfah­        4. Schafisheim–Castione–Balerna/Stabio–
                                               renen Ländern. In der Schweiz ist es            Schafisheim
Charakter des Servicepakets: Weil näm­         die SBB Cargo AG mit ihren vier Instand­     5. Schafisheim/Oensingen–Aclens–
lich Siemens mit zahlreichen Partnern          haltungs-Standorten Dietikon, Brig,             Genf–Aclens–Schafisheim/Oensingen
zusammenarbeitet – am intensivsten             Chiasso und Muttenz. Dort verfügt sie        6. Aclens–Genf–Aclens–Genf–Aclens
mit SBB Cargo AG – ist der Service um­         nicht nur über kompetentes und
fassender als sonstwo.                         «Vectron-kundiges» Personal (ihre
                                               Schwester SBB Cargo International wird
Auf dem Papier sieht das System einfach                                                     Fahren statt kaufen
                                               ab Dezember 2017 selber 18 Vectron-
aus: railCare zahlt eine Pauschale und                                                      RailCare ist nicht die einzige Schweizer
                                               Lokomotiven einsetzen), sondern auch
bekommt dafür die Garantie, dass eine                                                       Eisenbahngesellschaft, welche sich auf
                                               über ein von Siemens gestelltes Ersatz­
bestimmte Transportleistung jederzeit                                                       die Vectron von Siemens als Standard-
                                               teillager.                                   Güterzugslok verlässt. Bei der BLS sind
abrufbar ist. Salopp ausgedrückt:
railCare fährt, und Siemens kümmert            Hinter dem Vertrag zwischen Siemens          aktuell 5 Maschinen des Typs im Einsatz,
                                                                                            weitere 10 werden noch ausgeliefert.
sich um den Rest. Dazu gehören die             und railCare steht also eine ansehnliche
                                                                                            SBB Cargo International wird ab
Disposition und das Management des             und recht komplexe Organisation. Sie         Dezember 2017 mit 18 Einheiten folgen.
präventiven Unterhalts, also von Kont­         lohnt sich, weil sie es allen Beteiligten    Diese sind allerdings nicht im Besitz
rollen, Revisionen, Software-Anpas­            erlaubt, sich auf ihre jeweiligen Kern­      des Bahnunternehmens, sondern vom
sungen, Rädertausch und ähnlichen              kompetenzen zu konzentrieren: Siemens        Leasing-­U nternehmen LokRoll AG an
Arbeiten ausschliesslich innerhalb der         und ihre Partner auf die Instandhaltung      die Bahn vermietet. Die LokRoll ihrer­
geplanten Stillstandzeiten ebenso wie          von Lokomotiven, und railCare auf die        seits gehört der Luzerner Privatbank
                                                                                            Reichmuth & Co.
das, was die Branche «korrektiven              regelmässige und pünktliche Beliefe­
Unterhalt» nennt, also die Behebung            rung der Logistik-Standorte von Coop.        Damit manifestiert sich im Eisenbahn­
von Störungen und Schäden.                                                                  wesen ein Trend, der bei Schiffen und
                                                                                            bei Verkehrsflugzeugen (zum Teil auch
Nutzung von Smart Data                                                                      bei Lastwagen) schon seit Jahrzehnten
Intensive Betreuung verlangt intensiven                                                     zu beobachten ist: Teure, professionell
Kontakt, deshalb stehen die Loks –                                                          eingesetzte Fahr- beziehungsweise
ausser jenen von railCare sind es mittler­                                                  Flugzeuge sind eine gute Kapitalanlage.
                                               Ab Dezember 2017 erfolgt die Auslieferung
                                                                                            Sie sind kapitalintensiv, langlebig und
weile mehr als 350 von rund 30 ver­            der ersten Vectron-Lokomotiven, die von
                                                                                            mobil, will heissen: bei Veränderungen
schiedenen Betreibern – in einem dau­          SBB Cargo International genutzt werden.
                                                                                            in der weltwirtschaftlichen Lage lassen
ernden Datenaustausch mit dem                  Die Fahrzeuge kommen im grenzüberschrei-
                                                                                            sie sich leicht verschieben.
                                               tenden Verkehr in Deutschland, Österreich,
«Rail Support Center» von Siemens in
                                               Italien und der Schweiz zum Einsatz.
Erlangen. Diverse Sensoren im Fahr­
zeug liefern permanent die Parameter
der Fahrt sowie relevante technische
Daten wie Temperaturen, Drücke,
Vibrationen, Schalterstellungen und
ähnliches. Diese Informationen werden
fortwährend ausgewertet und bilden
die Grundlage für die Planung des regu­
lären Unterhalts während der nächsten
Monate. Weichen die Daten in unge­
wöhnlichem Ausmass von der Norm ab
oder meldet ein Lokführer ein Problem,
organisieren die Spezialisten im
«Rail-Support Center» die gebotenen
Massnahmen: Eine Kontrolle oder
Bagatell-Reparatur während des nächs­
ten fahrplanmässigen Halts, einen
Eingriff während des nächsten geplan­
ten Stillstands – oder die Reparatur
und gegebenenfalls der Einsatz einer
Ersatzlok, wenn dies nötig ist.

                                                                                                                                       7
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
Know-how aus Wallisellen für Ägypten
                 Auf dem Schweizer Schienennetz erprobte Gleisstromkreise von Siemens Schweiz sorgen
                 auch in Ägypten für einen reibungslosen Bahnbetrieb. Im Auftrag der Egyptian National
                 Railways (ENR) modernisieren Siemens-Ingenieure das nationale Bahnsystem.

Im Wüstenstaat am Nil ist Siemens schon     zwischen Kairo und Alexandria und im         bei der Ausschreibung für Benha/
sehr lange präsent. Die ersten geschäft­    Jahr 2014 denselben Auftrag für die          Port Said der Gesamtauftrag und somit
lichen Kontakte des Firmengründers          rund 260 Kilometer lange Bahnstrecke         die vollumfängliche Projektverant­
gehen aufs Jahr 1856 zurück, und bereits    zwischen Benha und Port Said aus.            wortung zugesprochen. Die Modernisie­
1901 eröffnete Siemens in Kairo ein         Für beide Projekte liefert Siemens           rung der Signalsysteme der 260 Kilo­
erstes technisches Büro. Heute arbeiten     modernste Signaltechnik. Weil die spa­       meter langen Bahnstrecke umfasst die
rund 800 Personen für Siemens Ägypten       nische Niederlassung von Thales, einem       Bahnkorridore von Zagazig nach
und ermöglichen durch effiziente            internationalen Unternehmen auf den          Abu Kebir im Norden Kairos sowie von
Energieerzeugung, bessere Verkehrs­er­      Märkten der Militärtechnik, Luft- und        Benha nach Port Said, einer Hafen­
schliessung, moderne Industrie­lösungen     Raumfahrt sowie Sicherheit und Trans­        stadt am Mittelmeer, die als nördliche
und ein finanziell tragbares Gesund­        port, den Auftrag für das Resignalling­      Einfahrt für den Suezkanal dient.
heitssystem dem afrikanischen Land ein      projekt zwischen Kairo und Alexandria        Für die rund 21 Stationen umfassenden
nachhaltiges Langzeitwachstum. Einer        gewonnen hat, fungierte Siemens              Strecken liefert Siemens elektronische
dieser Mitarbeitenden ist Joachim Rizzo,    als Technologiezulieferer für rund           Stellwerke, Weichenantriebe, Signale,
der bei der Division Mobility in Walli­     1200 Gleisabschnitte. Anders als beim        Gleisfreimeldesysteme sowie Bahnüber­
sellen gearbeitet und vor gut einem Jahr    erstgenannten Projekt wurde Siemens          gangs- und Kommunikationstechnik.
seine neue Arbeitsstelle als Country
Division Controller bei Siemens in Kairo    Zahlreiche Bahnlinien in Ägypten werden derzeit modernisiert und mit neuster Signal- und
angetreten hat. In dieser Funktion          Automatisierungstechnik ausgerüstet.
kümmert er sich unter anderem um das
Controlling von Mobility-Projekten, die
derzeit in Ägypten umgesetzt werden.
Die Ägyptische Eisenbahngesellschaft
(ENR) arbeitet seit mehr als 25 Jahren
mit Siemens zusammen. Auf dem über
9500 Kilometer langen Schienennetz
transportiert die Staatsbahn jährlich
rund 500 Millionen Fahrgäste und sechs
Millionen Tonnen Güter.
Verlässlicher Partner für
Bahnmodernisierungen
Für die Umsetzung des ambitionierten
Bahnausbauprogramms hat das natio­
nale Verkehrsministerium in den letzten
Jahren mehrere Modernisierungspro­
gramme in Auftrag gegeben. So schrieb
die Ägyptische Eisenbahngesellschaft
im Jahr 2009 das Projekt zur Moder­
nisierung der Signalsysteme für den
200 Kilometer langen Streckenabschnitt

8    Text Benjamin Schenk | Fotos Siemens
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
Schweizer Gleisfreimeldesystem              Thales und den Unterlieferanten. Neben     tet wird hier von Sonntag bis Donners­
Joachim Rizzo ist insbesondere für die      der koordinierten Zusammenarbeit           tag», erklärt er. «Aber daran habe ich
finanziellen Belange bei der Modernisie­    zwischen den diversen Vertragspar­         mich schnell gewöhnt. Ich fühle mich
rung der Strecke Benha nach Port Said       teien und dem Endkunden waren die          grundsätzlich sehr wohl an meinem
verantwortlich. Der Schweizer Aspekt        landesspezifischen Produktanpassun­        neuen Arbeitsort. Eine Herausforderung
bei diesem Projekt sowie beim Bahn­         gen Heraus­forderungen, die es zu          ist die Pflege der Beziehung zur Familie.
korridor von Kairo nach Alexandria          meistern galt. Die Signaltechnikkom­       Geschäftlich reise ich immer mal
beschränkt sich aber nicht nur auf Con­     ponente Clearguard UGSK3 musste            wieder nach Europa und verbinde diese
trolling-Arbeiten. Bei der Realisierung     so angepasst werden, dass sie den          Aufenthalte oft mit einem Besuch der
dieser beiden Grossprojekte kommen          extremen Bedingungen in Ägypten            Heimat.» Gemäss aktueller Planung
nämlich entscheidende Bestandteile          standhält und vor Diebstahl sicher ist.    wird Joachim Rizzo die Arbeit nicht so
aus der Schweiz: So wird das Gleisfrei­                                                schnell ausgehen: Die beiden Projekte
meldesystem Clearguard UGSK3,               Positiver Eindruck vom neuen               mit Schweizer Beteiligung markieren
welches zur Detektion von Zügen ein­        Arbeitsumfeld                              lediglich den Anfang des umfassenden
gesetzt wird, von Siemens Mobility          Klimatisch und gesellschaftlich sind die   Modernisierungsprogramms in Ägypten.
in Wallisellen fabriziert. Die UGSK3 sind   Anforderungen in Ägypten mit jenen in      Zahlreiche weitere Projekte stehen
Systeme, die der eindeutigen und zu­        der Schweiz nicht zu vergleichen – und     zur Ausschreibung bereit – hoffentlich
verlässigen Informationsübermittlung        auch arbeitstechnisch musste sich          auch weiterhin mit Know-how von
von freien und/oder belegten Gleis­         Joachim Rizzo umgewöhnen: «Gearbei­        Siemens Schweiz!
abschnitten an das Stellwerk dienen.
Damit schaffen sie eine wichtige Grund­
lage für einen sicheren Bahnbetrieb
und eine kontrollierte Gleisbelegung.
                                              Ägyptens Megaprojekt
In der ganzen Schweiz sorgt der
                                              Im Juni 2015 hat Siemens den grössten Einzelauftrag seiner Geschichte
Clearguard UGSK3 wie auch dessen Vor­
                                              zum Ausbau der Energieversorgung Ägyptens erhalten. In Zusammenarbeit
gängerversion, der UGSK 95, bereits
                                              mit den lokalen Partnern Elsewedy Electric und Orascom Construction
seit Jahren für einen reibungslosen
                                              errichtet Siemens bis im Mai 2018 drei schlüsselfertige Gas- und Dampf­
Bahnbetrieb bei der SBB und 25 Privat­
                                              turbinenkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 14,4 Gigawatt (GW).
bahnen. Über 5000 Exemplare dieser
                                              Die erste Phase des Megaprojekts ist in Rekordzeit abgeschlossen worden.
beiden Typen tragen in der Schweiz
                                              Statt dem versprochenen Ziel von 4,4 Gigawatt (GW) sind bereits heute
zur Sicherheit im Schienenverkehr bei.
                                              4,8 GW am Stromnetz. Allein der erzielte Überschuss von 400 Megawatt
Durch die Ausstattung der Gleisab­
                                              reicht aus, um mehr als eine Million Menschen in Ägypten mit Strom zu
schnitte zwischen Kairo und Alexandria
                                              versorgen.
mit dem Gleisstromkreis aus Wallisellen
ist der Schweizer Mobility-Division           Nach der Fertigstellung werden die drei Kraftwerke in Beni Suef, Burullus
erstmals der Markteintritt in Ägypten         und New Capital die grössten Gas- und Dampf­turbinenkraftwerke sein,
gelungen. Damit verbunden ist natürlich       die weltweit je gebaut und betrieben wurden. Die Anlagen werden Strom
eine vorteilhafte Positionierung für          für 45 Millionen Menschen liefern. Ausserdem spart Ägypten dank der
zukünftige Projekte – wie das Projekt         effizienten Siemens-Technik pro Jahr Brennstoffe im Wert von 1,3 Milliar­
zwischen Benha und Port Said eines            den Dollar.
darstellt. Für eine möglichst effiziente
und kostengünstige Ausstattung der
Gleisabschnitte mit den notwendigen
Produkten aus der Schweiz waren
beim Modernisierungsprojekt Kairo-
Alexandria eine enge Zusammenarbeit
mit den Kollegen vor Ort sowie ein in­
tensiver Know-how-Transfer erforderlich.
Exemplarisch für diese Teamleistung
war die Inbetriebnahme von sechs
Gleisabschnitten durch Thales. Mit der
Vorort-Unterstützung durch spanische
und Schweizer Siemens-Kollegen
wurde die Pilotanlage in lediglich zwei
Nächten anstatt der angesetzten
sieben in Betrieb genommen. Im Rah­
men des Vorort-Supports schulten
die Schweizer Experten auch das Mon­
tage- und Wartungspersonal von

                                                                                                                              9
Panorama Mobility Division - Siemens.ch
Die SOB als Wegbereiter
                   Mit dem Slogan «Die Zukunft des Reisens» machen die Schweizerische Südostbahn (SOB)
                   und Siemens Schweiz bereits heute auf die intelligente Mobilitätsplattform aufmerksam,
                   die in diesem Sommer einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt wird.
                   Der Slogan ist dekorativer Teil der auffällig gestalteten Werbe-Lokomotive, die täglich
                   auf dem SOB-Netz und insbesondere zwischen St. Gallen und Luzern unterwegs ist.
                   Auf dieser Strecke wurde 2014 der erste Testbetrieb durchgeführt, der bereits damals
                   das grosse Potenzial der neuen Mobilitätslösung aufgezeigt hat.

Die Lokomotive soll den Fahrgästen, der       Be-out-Funktion) via Smartphone um­        Angeboten, Park-und-Ride-Plätzen, Taxis
ÖV-Branche und der Öffentlichkeit in          fasst die skalierbare und Cloud-basierte   und weiteren Mobilitätsservices. In Zu­
Erinnerung rufen, welch grosse Chancen        Lösung auch Anwendungen wie Smart-­        kunft sind sogar Buchungen für Flüge
die Digitalisierung bietet: In Zukunft        phone-App und Web-Benutzerober­            oder komplette Reisen samt Unterkunft
werden Transportmittel jeder Art einfach      fläche. Auch Realtime-Daten wie Zugs­      möglich.
und intermodal nutzbar sein und Men­          belegung werden zur Verfügung stehen.
schen und Güter noch mobiler machen.
                                              In diesem Sommer werden dem Kunden           Siemens verstärkt sich
Ein wichtiger Baustein für dieses inter­
                                              die Grundfunktionen des Systems zur          Siemens plant die Übernahme von HaCon
modale Zusammenspiel ist die intelli­
                                              Verfügung gestellt. Zunächst werden          mit Sitz in Hannover. Das Unternehmen
gente Mobilitätsplattform, die auf dem
                                              über die Mobilitätsplattform hauptsäch­      ist ein international führender Anbieter
bewährten SiMobility-Portfolio von                                                         von Planungs-, Dispositions- und Infor­
                                              lich die Routenführung und der elek­
Siemens aufbaut. Für den Fahrgast wird                                                     mationssystemen für Verkehr, Transport
                                              tronische Ticketvertrieb für das gesamte
das Smartphone zum Reisebegleiter,                                                         und Logistik und ist seit 30 Jahren erfolg­
                                              schweizerische ÖV-Netz ermöglicht.
der sich um alle Details kümmert.                                                          reich in der Mobilitätsbranche aktiv.
                                              Zudem werden auch sogenannte Non-            Die HaCon-Fahrplansoftware ist in mehr
Anfang 2016 beauftragte die SOB die           ÖV-Leistungen wie zum Beispiel SOB-          als 25 Ländern und bei über 100 Verkehrs­
Siemens Schweiz AG damit, für das Ein­        eigene Parkplätze eingebunden. In Ent­       unternehmen und Verkehrsverbünden
zugsgebiet der Schweiz eine «kunden­          wicklung ist zudem eine Funktion, die        das Kernstück der Reiseinformations­
orientierte Mobilitätsplattform» zu           den Passagieren den schnellsten Weg          systeme. Mit der Akquisition von HaCon
                                                                                           erschliesst sich Siemens ein zukunfts­
entwickeln, umzusetzen und zu betrei­         zum richtigen Bahnsteig weist, was
                                                                                           trächtiges Geschäftsfeld bezüglich Fahr­
ben. Das auf der Idee der «Plattform-         besonders bei knappen Umsteigezeiten
                                                                                           planerstellung und Reiseplanung. Die
als-Service» beruhende Geschäftsmo­           nützlich ist. Im Endausbau wird das          Transaktion steht noch unter dem Vorbe­
dell deckt Installation, Betrieb und          System weitere Transportmittel einbe­        halt der Freigaben der Kartell­b ehörden
Systembetreuung entlang der gesamten          ziehen und intermodales Reisen Wirk­         und soll in der ersten Hälfte des Kalender­
Wertschöpfungskette ab. Ausser dem            lichkeit werden lassen, wie etwa die         jahrs 2017 abgeschlossen werden.
praktischen eTicketing (inkl. Be-in/          Integration von Car- und Bike-Sharing-

10   Text Heinz Hügle | Foto Hans Stuhrmann
Blaue Zwerge auf ETCS-Level-2-Strecken
Langsamen, aber stetigen Schrittes erobert sich die neue Technik ihren Platz: ETCS,
das vollelektronische Zugbeeinflussungssystem, beherrscht nun auch Rangierfahr-
ten. Erste Pilotanwendungen bei den SBB sind im Betrieb – und bescheren der Bahn-
welt ein neues, ganz spezielles Signal.

Quizfrage: Wie gestaltet man ein Ran­
giersignal, welches den bekannten
Signalbegriff «Halt» auf unmissverständ­
liche Weise optisch so darstellt, dass er
für die meisten Züge nicht gilt? – Die
Frage stellte sich im Zuge der Ausdeh­
nung der ETCS-Funktionen auf Rangier­
fahrten innerhalb von Bahnhöfen.
Und die Antwort ist ein Lichtsignal mit
blauen Lichtern. Doch der Reihe nach!
Rangierfahrten erfolgen in ETCS L2
Bereich seitens der Lok in der Betriebs­
art «Shunting». Diese Fahrten erfol­gen
auf Sicht und ohne Deckung durch ETCS.
Die Rangierfahrstrassen werden stre­
ckenseitig durch ETCS-Rangier­signale       Zwergsignale die in Bahnhöfen zum Einsatz kommen die mit ETCS gesichert sind, müssen
signalisiert, die sich bei eingestellten    von jenen in herkömmlich gesicherten Bahnhöfen deutlich unterscheidbar sein. Die Lösung:
                                            Blaue statt weiss leuchtende Signale.
Rangierfahrstrassen identisch zu her­
kömmlichen Zwergsignalen in Rangier­
fahrstrassen verhalten. Die ETCS-           nieure von Siemens – dem Lieferanten         zeigen, ob die Lokomotivführer das Blau
Rangiersignale zeigen in eingestellten      dieses Produktes – vor eine interessante     auch wirklich immer als Blau erkennen
Zug­fahrstrassen hingegen keinen zu­        Aufgabe stellte. Gemäss den Vorgaben         und ob sie sich ohne Probleme an die
stimmenden Fahrbegriff. Sie bleiben         der SBB müssen die neuen Signale mit         neue Signalisierungsweise gewöhnen
zu jeder Zeit auf Halt und haben keinen     den vorhandenen Stellwerken und der          können.
Einfluss auf die Zugfahrstrasse. Ein Halt   entsprechenden Stromversorgung von
zeigendes Zwergsignal in einer her­         40 Volt Wechselspannung kompatibel
kömmlichen Zugfahrstrasse bedeutet          sein, und der Umbau muss ohne wesent­
hingegen Halt. Dieser Unterschied           liche Störung des laufenden Bahn­
                                                                                            Das Zwergsignal ist seit 1965 im
wird in ETCS L2 Bereichen mit einem         betriebes möglich sein. Die LED-Leuch­
                                                                                            Gebrauch. Seine besonderen Merkmale
neuen Signal gekennzeichnet.                ten verlangen jedoch Gleichstrom von            sind erstens die Grösse (daher der Name),
                                            3,2 Volt, und statt 20 Watt ziehen sie          zweitens die Positionierung sozusagen
Umfangreiche Tests
                                            nur 1,15 Watt. Mit einem Umbau-Satz,            auf Bodenhöhe direkt neben dem Gleis
Ein erster Versuch mit einem blau
                                            der sich in einer halben Stunde am              (zumeist links), und drittens seine Funk­
gefärbten und durch ein aufgemaltes                                                         tion. Es dient primär zur Sicherung von
                                            Rangiersignal montieren lässt, werden
Kreuz modifizierten Zwergsignal war                                                         Rangierfahrstrassen. Ein Zwerg­signal
                                            sowohl die Schnittstellenparameter
nicht befriedigend, weil in der Nacht                                                       gilt grundsätzlich für alle Fahrten, also
                                            des Stellwerks als auch der LED-Leuch­
weder die Farben zu erkennen noch die                                                       sowohl für Züge als auch für Rangier­
                                            ten kompatibel eingehalten. Der wesent­         bewegungen. Es kennt drei verschiedene
weissen Lichter von denen eines kon­
                                            liche Nutzen der LED-Signalgeber in             Fahrbegriffe: «Halt», «Fahrt mit Vorsicht»
ventionellen Zwergsignals zu unterschei­
                                            dieser Anwendung ist die Lebensdauer            und «Fahrt» Weil unter ETCS Zugfahrten
den waren. Also entschieden sich die
                                            von 15 Jahren, was im Vergleich zur             und Rangierbewegungen technisch
Fachleute für einen Wechsel der Lichter­                                                    unterschiedlich behandelt werden, ergab
                                            Lebensdauer einer Glühlampe von
farbe von weiss auf blau. Das Licht                                                         sich ein Problem, dass die herkömm­
                                            rund einem Jahr einen beachtlichen
kommt von modernen LED-Signalgebern,                                                        lichen Zwergsignale nicht mehr verwen­
                                            Fortschritt darstellt. Der Einsatz von
und die neuen Versuche sollen zeigen,                                                       det werden können. Deshalb müssen
                                            LED-Signalgebern macht sich so bereits          die Rangiersignale in Bahnhöfen, die von
ob das Blau auch bei Nacht und Nebel
                                            nach 6 Jahren bezahlt.                          ETCS gesichert sind, von jenen in her­
von allen Lokführern als Blau erkannt
                                                                                            kömmlich gesicherten Bahnhöfen deut­
wird.                                       Jetzt sind 89 blau leuchtende ETCS-
                                                                                            lich unterscheidbar sein.
Die Sache hat aber noch einen anderen,      Rangiersignale in Lausanne-Villeneuve
technischen Aspekt, welcher die Inge­       montiert, und der Alltagsbetrieb wird

                                            Text Natalie Bieri | Foto Siemens Schweiz                                                    11
Flüsterleise, flexibel
     und ohne Feinstaub
     Dieselmotoren haben derzeit nicht gerade den
     besten Ruf. Trotzdem wird auch in den kommenden
     Jahren der weitaus grösste Teil der Passagierbusse
     im öffentlichen Verkehr mit Diesel betrieben.
     Nachhaltige Lösungen in diesem Bereich gibt es
     seit Langem: Elektrobusse gehören in vielen
     Schweizer Städten zum alltäglichen Bild. Allerdings
     sind die meisten von ihnen an Oberleitungen
     gebunden.

Die ÖV-Fans – und davon gibt es einige        Testbetrieb in St. Moritz
in der Schweiz – kennen die kleine            Bereits heute steht Siemens mit mehre­     Vorteile der Schnellladestation
Statistikbroschüre, die jährlich vom Litra,   ren Busbetreibern von kleineren und
                                                                                         Günstig und leicht
dem Informationsdienst für den öffent­        grösseren Schweizer Städten in Kontakt.    • Einfache Fahrzeugkomponenten mit
lichen Verkehr, publiziert wird. Darin        In St. Moritz wurde im Frühjahr 2017 ein     geringem Gewicht
lässt sich etwa nachlesen, dass der An­       zweimonatiger Testbetrieb mit einem        • Keine Leistungselektronik im Bus
teil des Erdöls am Energieverbrauch           Elektro-Hybrid-Bus durchgeführt. Daran     • Geringe Komplexität im Fahrzeug
des Verkehrs bei rund 95 % liegt. Das ver­    beteiligt waren St. Moritz Energie, die    Sauber, effizient, sicher
wundert nicht: Nebst Millionen von            Busbetreiberin Chrisma S.A. und die        • Hohe Ladeleistungen bis 450 kW
Autos und Lastwagen fahren allein im          Technologiepartner Volvo und Siemens.      • Hoher Wirkungsgrad bei der Energie­
ÖV-Bereich weit über 5000 Diesel- und         Getestet wurde insbesondere, ob sich         übertragung (>99 % an der Kontakt­
Benzinbusse (Nahverkehrs-, Überland-          Elektrobusse auf 1800 Meter über Meer        stelle)
und Postautobusse) auf dem Schweizer          sowie bei Schnee, Kälte und in steilem     • Keine CO2-Emissionen
Strassennetz. Die Zahl der elektrisch         Gelände technisch und wirtschaftlich       Universell und zuverlässig
angetriebenen Oberleitungsbusse liegt         sinnvoll betreiben lassen. In den kom­     • Verwendung von bewährten zuverläs­
bei rund 500.                                 menden Monaten werden nun die                sigen Komponenten aus der Energie-
Dass sich der Trolleybus nicht flächen­       Erkenntnisse und Resultate aus diesem        und der Bahntechnik
                                                                                         • Kann für alle eBus-Anwendungen
deckend durchgesetzt hat, ist nachvoll­       Versuchsbetrieb ausgewertet. Darauf
                                                                                           verwendet werden
ziehbar. Zwar sind Ökobilanz und Effi­        basierend werden die Verantwortlichen      • Für unterschiedliche Bushersteller
zienz sehr gut, doch die eingeschränkte       einen Investitionsplan und eine Kosten­      geeignet
Flexibilität und die vergleichsweise          analyse erstellen, um die weiteren
                                                                                         Einfach und testbar
hohen Investitionen für Oberleitungen         Schritte zu definieren.
                                                                                         • Kurze Vorbereitungs- und Tiefbauar­
und Stromversorgung machen diese                                                           beiten (Fundamente und Kabelkanäle)
Vorteile wieder zunichte. Die jüngsten        Mobile Schnellladestation als              • Kurze Installationszeit der Anlagen
technologischen Fortschritte bei der          Taktgeber                                    dank vormontierten Anlageteilen
Batterie-, Antriebs- und Ladetechnik wer­     Ein zentraler Aspekt beim St. Moritzer       (Ladehäuschen und Mast)
den jedoch dazu führen, dass die Zahl         Versuchsbetrieb war die Ladeinfra­         • Mobile/temporäre Lösungen via
der eBusse in der Schweiz stetig steigen      struktur. Siemens hat dafür ein mobiles      Container möglich
wird.                                         System aufgebaut, das den Testbetrieb

12    Text Benno Estermann | Fotos Siemens, Volvo Bus Corporation
unter realen Bedingungen überhaupt               Hybrids vom selben Komfort profitieren
                                              erst ermöglichte, denn die Installation          wie ihre Kollegen in Hamburg. Um den
                                              einer fixen Ladestation wäre für einen           maximal sechs Minuten dauernden
                                              temporären Test viel zu aufwendig und            Ladevorgang zu starten, braucht der
                                              zu kostspielig. Zu Beginn des Versuchs­          Fahrer den Bus nur unter der Station zu
                                              betriebs war das System aufgrund einer           parken. Nach Betätigen der Feststell­
                                              defekten Kommunikationskomponente                bremse senkt sich der Pantograph her­
                                              kurzzeitig nicht verfügbar. Das Ersatz­          ab und die Ladung startet automatisch.
                                              teil wurde innerhalb von 24 Stunden              Für ein schnelles An- und Abkuppeln
                                              angeliefert – anschliessend funktionierte        an die Station und den störungsfreien
                                              die Ladestation einwandfrei.                     Betrieb sorgt die digitale Kommuni­
                                                                                               kation zwischen dem Fahrzeug und der
                                              Blick nach Hamburg
                                                                                               Ladestation.
                                              Um sich ein vertieftes Bild über die Vor-
                                              und Nachteile der Elektromobilität zu
                                                                                               Neben Hamburg setzen auch Städte wie
                                              verschaffen, werden die Verantwort­
                                                                                               Stockholm oder Göteborg auf Elektro­
                                              lichen von St. Moritz bewährte eBus-
                                                                                               busse und auf Ladetechnik von Siemens.
                                              Systeme begutachten. Von besonderem
                                                                                               Die Vorteile der emissionsfreien eBus­
                                              Interesse ist das Projekt in Hamburg:
                                                                                               se für die Umwelt sind offensichtlich;
                                              Dort hat die Hochbahn im vergangenen
                                                                                               weniger augenscheinlich sind die
                                              Sommer drei weitere Elektrobusse auf
                                                                                               Möglichkeiten, die sich durch den flüster­
                                              der Innovationslinie 109 in Betrieb
                                                                                               leisen Betrieb ergeben. In Göteborg
                                              genommen. Die Batteriebusse von
                                                                                               hat Siemens erstmals eine Ladestation
                                              Solaris werden an denselben Siemens-
                                                                                               in einem Gebäude installiert. Statt an
                                              Ladestationen «aufgetankt» wie auch
                                                                                               einem Mast befindet sich der Pantograf
                                              die Plug-in-Hybridbusse von Volvo,
                                                                                               an der Decke. Dank dieser Lösung ist
                                              die dort bereits seit Ende 2014 unter­
                                                                                               es zum Beispiel möglich, eine Halte­
                                              wegs sind. Siemens ist damit der erste
                                                                                               stelle im Innern eines Shopping Centers
                                              Anbieter, der die herstellerübergreifende
                                                                                               zu platzieren und den Kunden damit
                                              Interoperabilität von Ladeinfrastruktur
Weil Elektrobusse praktisch geräuschlos und
                                                                                               noch mehr Komfort zu bieten – ein wei­
                                              für eBusse ermöglicht.
ohne Abgase fahren, können sie auf Routen                                                      teres gutes Argument für die Elektro­
verkehren, die bisher für den ÖV nicht zu-    Schnell, einfach und komfortabel                 mobilität.
gänglich waren.                               Beim Testbetrieb mit der mobilen
                                              Ladestation in St. Moritz konnten die
                                              Chauffeure des Volvo 7900 EH Elektro

                                                135 Jahre Elektromobilität
                                                Als Werner von Siemens am 29. April 1882 den weltweit ersten Trolleybus mit Elektro­
                                                antrieb fahren liess, war er überzeugt, dass sich diese Technologie schnell durchsetzen
                                                würde. Der sechs Wochen dauernde Versuchsbetrieb auf der 540 Meter langen Teststrecke
                                                in Halensee bei Berlin sorgte für grosses Aufsehen. Der elektrische Oberleitungsbus war ein
                                                mit eisenbeschlagenen Holzrädern ausgestatteter Kutschenwagen, der von zwei Gleich­
                                                strommotoren (2,2 kW) angetrieben wurde. Der Wagen war an eine zweipolige Oberleitung
                                                gebunden – so etwas hatte die Welt vorher noch nie gesehen. Trotzdem liess der Durch­
                                                bruch der eBusse auf sich warten: Ein Hindernis waren einerseits die holprigen Strassen,
                                                die den stabilen Lauf des Stromabnehmers schwierig machten, andererseits erwuchs
                                                den elektrischen Bussen mächtige Konkurrenz durch das Automobil.1885 baute Carl Benz
                                                das erste Benzinfahrzeug mit Verbrennungsmotor und elektrischer Zündung.
                                                Trotz dieser Konkurrenz fand die Oberleitungstechnik doch noch einen Markt, auch wenn
                                                es rund zwei Jahrzehnte dauerte, bis die Trolleybusse in Europa und Übersee salonfähig
                                                wurden.

Eine mobile Schnellladestation von Siemens      Schneller etablierte sich der Elektroantrieb bei den schienengebundenen Fahrzeugen.
ermöglichte in St. Moritz einen zwei­           Auch hier hatte Werner von Siemens Pionierarbeit geleistet: Auf der Berliner Gewerbe­
monatigen Testbetrieb mit einem Elektro-        ausstellung von 1879 präsentierte er die erste elektrische Lokomotive der Welt. Eine Bahn,
Hybrid-Bus.                                     die ohne Dampf und Pferde fahren konnte, war etwas unerhört Neues für die damalige
                                                Zeit. Rund 90 000 Menschen fuhren während der vier Monate dauernden Ausstellung auf
                                                der 300 Meter langen Rundstrecke. Damit zählte die kleine Siemens-Elektrolokomotive
                                                zu den meistbeachteten Attraktionen. Rund zwei Jahre später, am 16. Mai 1881, präsentierte
                                                Werner von Siemens in Berlin-Lichterfelde die weltweit erste elektrische Strassenbahn.

                                                                                                                                              13
Ein Riese auf Reisen
                                                 Gut erreichbar und direkt am Bahnkorridor Rotterdam-Basel-Genua
                                                 gelegen: Die Hafenbahnhöfe Kleinhüningen und Birsfelden haben
                                                 nicht nur geografisch die besten Voraussetzungen, um als Handels-
                                                 drehscheiben erfolgreich zu sein, sondern sind künftig auch
                                                 technisch gut aufgestellt. Bei der aktuell laufenden Modernisie-
                                                 rung der Anlagen griffen die Siemens-Ingenieure auf ein bewähr-
                                                 tes Konzept zurück: Die gesamte Stellwerks- und Sicherungs-
                                                 technik wird in Wallisellen in zwei Technikkabinen vorinstalliert,
                                                 geprüft und anschliessend fixfertig nach Basel transportiert.
Zwei Drittel des Güterumschlags in den
Rheinhäfen Kleinhüningen und Birs­
felden wickelt der Betreiber, die Hafen­
bahn Schweiz AG, auf der Schiene ab.
Das Netz der Bahn umfasst 80 Kilometer
Gleise, auf denen 185 000 Bahnwagen
jährlich rund 4,5 Millionen Tonnen
Güter bewegen. Noch bis Juli 2017 steu­
ern zwei zwischen 1940 und 1994
erbaute Schalterstellwerke die Züge.
Weil die Anforderungen an die Infra­
struktur stetig steigen, hat die Hafen­
bahn Schweiz AG die Mobility-Fach­
leute von Siemens Schweiz mit der
Erneuerung der Anlagen beauftragt
(siehe Bericht im Panorama 2/16).
Transport zu nächtlicher Stunde
Um den laufenden Betrieb vor Ort so
wenig wie möglich zu stören, entschied
man sich in Basel für eine Variante,

14   Text Kirsten Stuhrmann | Fotos Hans Stuhrmann
Zur Geisterstunde transportierte ein Schwer­
transporter die 15 Meter lange, 5.30 Meter
breite und 27 Tonnen schwere Stellwerks-
kabine von Wallisellen nach Basel.

die bereits bei der Matterhorn Gotthard
Bahn erfolgreich umgesetzt wurde:
Siemens-Fachleute installierten am
Mobility-Hauptsitz in Wallisellen sämt­
liche Stellwerks- und Sicherungstech­
nik in einem grossen Container vor,
anschliessend beförderte ein Tieflader
die Technikkabine nach Kleinhüningen.
Beeindruckend ist die Grösse des Con­
tainers. Mit einer Länge von 15 Metern
und einer Breite von 5,3 Meter bietet
das Hightech-Paket auf einer Grund­
fläche von knapp 80 m2 genügend Platz
für die gesamte Technik. Ausgestattet
mit den neusten Stellwerks- und Siche­
rungsprodukten wiegt der weisse Koloss
rund 27 Tonnen. Ein Spezialkran hob
den Container erst in Wallisellen auf den
bereitstehenden Schwertransporter
und in Basel vom Lkw auf das dort vor­
bereitete Fundament. Sowohl am Kran
hängend als auch von Polizei und
Sicherheitspersonal auf der Strasse
begleitet, war der nächtliche Transport
Ende März 2017 ein eindrückliches
Spektakel.
Achszähler ACM 200 im Einsatz
Neben Simis W-Stellwerks- und Iltis-Leit­
technik kommen nach erfolgreicher
Schweizer Markteinführung im Jahr 2015
134 Achszähler vom Typ ACM 200 mit
165 Zählpunkten zum Einsatz. Durch
seine modulare und kompakte Bauweise
kann die Innenanlage im Vergleich zum          Das Abladen der Technikkabine im Hafen-       Die nach Kleinhüningen ausgelieferte
Vorgänger mit einer höheren Dichte             bahnhof Kleinhüningen verlangte viel          Technikkabine wurde nach dem
bestückt werden. Zudem sind im                 Fingerspitzengefühl, denn die gesamte
                                                                                             Ab­setzen final montiert und verkabelt
ACM 200-Modul alle Funktionsblöcke             Stellwerks- und Sicherungstechnik im
                                               Innern des Grosscontainers ist bereits fix-
                                                                                             und nimmt Anfang Juli 2017 ihren
integriert, wodurch der Bedarf an
                                               fertig installiert.                           Betrieb auf. Die Inbetriebnahme des
Ersatzteilen sehr gering ist. Nebst den
                                                                                             Stellwerks in Birsfelden ist auf Mitte
üb­lichen Anzeigeelementen in der
                                                                                             Oktober 2018 terminiert. Auch hier mon­
Frontplatte verfügt ein ACM-200-Modul
                                                                                             tieren die Siemens-Fachleute alle Stell­
zur Überprüfung auch über eine via
                                                                                             werkkomponenten in einem Container in
Web­browser erreichbare Diagnose-Web­
                                                                                             Wallisellen vor und prüfen die Anlagen,
seite und ein Datenlogging. Die Zähl­
                                                                                             bevor sie als Gesamtpaket ihren Weg
punkt­signale werden in der Innenan­
                                                                                             zum Kunden antreten.
lage über ein LAN übertragen. Dies wirkt
sich positiv auf den Verdrahtungs­
aufwand aus. Mit diesen Eigenschaften
eignet sich der Achszähler hervorra­
gend für Standorte mit geringer Platz­
kapazität.

                                                                                                                                  15
Ersatzteile einfach ausdrucken
                      Wenn heute von 3D-Druck, Additive Manufacturing, Rapid Prototyping oder generativer
                      Fertigung gesprochen wird, geht es nicht nur um einen Trend. Vielmehr haben diese
                      Verfahren das Potenzial, eine zentrale Schlüsseltechnologie für die Produktions- und
                      Serviceindustrie zu werden. Der Bahnbranche bietet Siemens bereits heute die Möglich-
                      keit, 3D-Druck-Ersatzteile zu bestellen.

Die additive Fertigung bietet für die        Additive Manufacturing seit Längerem,        Ein konkretes Beispiel ist das Projekt bei
gesamte Industrie und insbesondere für       um die eigenen Produkte zu optimieren        den Ulmer Stadtwerken. Nachdem diese
das Service- und Instandhaltungsge­          und den Kunden bessere Angebote              2003 eine kleine Flotte von Siemens-
schäft enorme Chancen. Laut der letzt­       machen zu können.                            Trams in Betrieb genommen hatten,
jährigen Studie der amerikanischen                                                        äusserten die Fahrer den Wunsch, zu­
                                             Die Armlehne «updaten»
Marktforscher von IDC soll der weltweite                                                  sätzliche Bedienschalter zum Blinken
                                             Ein besonders erfolgreiches Beispiel ist
Umsatz der Branche bis 2019 auf über                                                      und für die Weichenstellung in die Arm­
                                             das AM-Kompetenzzentrum, das in den
26 Milliarden US-Dollar anwachsen.                                                        lehne des Fahrersitzes zu integrieren.
                                             letzten drei Jahren mit der 3D-Druck-
Additive Manufacturing (AM) eröffnet                                                      Die benötigte Stückzahl allerdings war
                                             Expertise von Siemens-Mobility-Mitar­
Freiheitsgrade in der Konstruktion, die                                                   bescheiden: zehn. Für eine konventio­
                                             beitern weiterentwickelt wurde. Am
bisher undenkbar waren. Dies ermög­                                                       nelle Herstellung hätte sich das nicht
                                             Standort Erlangen brechen die Fachleute
licht die Entwicklung neuartiger Pro­                                                     gelohnt. Doch dank einem digitalen
                                             die benötigten Ersatzteile nicht aus
dukte genauso wie das Optimieren von                                                      Modell der Armlehne konnte ein Laser
                                             Giessformen oder fräsen sie aus Metall­
Geschäftsmodellen.                                                                        sie in einem 3D-Drucker Schicht für
                                             blöcken, sondern sie werden gedruckt.
                                                                                          Schicht aus einem Pulverbett aus Kunst­
Im industriellen Umfeld gehört Siemens       Für Bahnbetreiber, deren Schienen­
                                                                                          stoff aufbauen.
bei Einsatz und Entwicklung von Addi­        fahrzeuge oft über 30 Jahre im Einsatz
tive Manufacturing zu den Vorreitern.        sind, lassen sich selten benötigte Ersatz­   Digitales Lagerhaus
Die zentrale Forschungsabteilung arbei­      teile auf diese Weise schnell, günstig       Mit den Aufträgen für das 3D-Druck-
tet bereits seit Jahren mit dieser innova­   und aufgrund der Betriebserfahrung           Kompetenzzentrum wächst zugleich
tiven Fertigungstechnik, und das Unter­      technisch verbessert herstellen. Auch        das virtuelle Ersatzteillager. Bereits
nehmen kann zudem auf ein breites            komplexe Teile können so ohne Mindest­       heute sind dort 450 digitale Modelle
Kunden- und Daten-Know-how zurück­           mengen und Werkzeugkosten produ­             gespeichert, wie zum Beispiel der
greifen. Mehrere Divisionen nutzen           ziert werden.                                massge­fertigte Klemmkasten für die

16    Text Benno Estermann | Fotos Siemens
erste Generation des Hochgeschwindig­      sie sich auch montieren – wie im Falle
keitszuges ICE (Baujahre: von 1989         einer aus drei Teilen zusammengesetz­
bis 1993), der serienmässig nicht mehr     ten Frontschürze für Strassenbahnen.
hergestellt wird. Der Bedarf an diesem     Da etwa bei einer typischen Tram­
Bauteil ist bei der Deutschen Bahn         kollision meist nur die rechte Seite
gering und nicht planbar. Wird der         beschädigt ist, muss dann auch nur ein
Klemmkasten gedruckt, reduziert das        Drittel der Schürze ersetzt werden.
die Ausfallzeit der Züge – und es spart
sehr viel Geld.                            Siemens industrialisiert den
                                           3D-Druck                                  Fertigungsverfahren mit viel
Die Ersatzteile aus dem Drucker haben
                                           Derzeit ist Siemens das einzige Unter­    Potenzial
weitere Vorzüge: Sie benötigen auf­
                                           nehmen, das eine durchgängige Soft­       Beim «Additive Manufacturing», oft
grund des verbesserten Designs weniger
                                           ware- und Automatisierungslösung für      auch als 3D-Druck bezeichnet, werden
Material als die Originale und sind des­
                                           Additive Manufacturing über die ge­       Bauteile auf Basis dreidimensionaler
halb leichter. Zudem lassen sich weitere                                             Konstruktionsdaten Schicht für Schicht
                                           samte Wertschöpfungskette anbieten
Funktionen integrieren. Freilich gib es                                              – also additiv – aufgebaut. Das funk­
                                           kann – also von der Produktentwick­
auch Einschränkungen: So können die                                                  tioniert mit Kunststoffen, mit Metallen
                                           lung über die Automatisierung von
Ersatzteile nicht grösser als die Druck­                                             und mit anderen Werkstoffen. Schon
                                           3D-Druckern bis hin zur Produktion.       in der Design-Phase wird mithilfe von
kammer werden. Aber bisweilen lassen
                                           Dieses Wissen entwickeln die Siemens-     Computersimulationen einer der Mehr­
                                           Ingenieure in eigenen Werken laufend      werte von Additive Manufacturing
                                           weiter; neben Mobility sind auch die      ersichtlich: Durch Rapid Prototyping
                                           Divisionen Energy und Digital Factory     können bereits im Entwicklungsprozess
3D-Drucker erlauben Formen, die mit        in diesem Bereich aktiv.                  sämtliche Schritte unmittelbar überprüft,
anderen Produktionsverfahren unmöglich                                               die Bauteile schon in der Simulation
sind: Sogar Einzelanfertigungen von Arm-   Bauteile aus dem 3D-Drucker eignen        optimiert und Anpassungen an kunden­
lehnen für Tramchauffeure lassen sich      sich selbst für extreme Anwendungen.      spezifische Bedürfnisse deutlich schneller
damit kostengünstig produzieren.           Im Februar 2017 konnten erstmals          und einfacher realisiert werden.
                                                                                     Unter Additiver Fertigung werden ver­
                                           vollständig mit AM gefertigte Turbinen­
                                                                                     schiedene Technologien zusammen­
                                           schaufeln unter Volllast in einer         gefasst. Nachfolgend sind die vier Ver­
                                           13-Megawatt-Gasturbine erfolgreich        fahren erwähnt, die aktuell die höchste
                                           getestet werden. Im Siemens-Test­         industrielle Relevanz haben.
                                           center wurden die Bauteile dabei
                                                                                     Pulver-Bett-Schmelzen: Hier wird das
                                           13 000 Umdrehungen in der Minute          pulverförmige Material (Metall, Kunst­
                                           und Temperaturen von über 1250 Grad       stoff oder Keramik) auf eine Bauplatt­
                                           Celsius ausgesetzt. Die eingesetzten      form, das Pulverbett, aufgetragen. Der
                                           Turbinenschaufeln wurden aus einer        Laserstrahl schmilzt das Pulver gemäss
                                           pulverförmigen, hochtemperaturbestän­     PLM-Daten punktgenau auf und ver­
                                                                                     bindet die definierten Stellen mit der
                                           digen Superlegierung mit polykristalli­
                                                                                     darunterliegenden Schicht. Diesen
                                           nem Nickel gedruckt. Bei Volllast dreht
                                                                                     Vorgang wiederholt der Laser so lange,
                                           sich jede der Schaufeln mit einer         bis das herzustellende Teil fertig ist.
                                           Geschwindigkeit von über 1600 km/h
                                                                                     Pulverauftragsschweissen: Alternativ
                                           und trägt dabei die Last von 11 Tonnen.
                                                                                     zum Pulver-Bett-Schmelzen wird bei
                                           Ein bisher neues Feld ist der Flugzeug­   diesem Verfahren Metallpulver direkt
                                           bau. Hier unterstützt Siemens den         der Schweissstelle zugeführt und von
                                                                                     einem Laser geschmolzen.
                                           Flugzeugteile-Hersteller Strata dabei,
                                           zum ersten Mal Elemente für die           Material Jetting: Dieses Verfahren wird
                                           Innenraumgestaltung von Flugzeugen        bei der Bearbeitung von Kunststoff
                                                                                     eingesetzt. Druckköpfe tragen dabei
                                           zu liefern. Konkret geht es um Rahmen
                                                                                     geschmolzenes Material auf eine Bau­
                                           für die Monitore an den Wänden der
                                                                                     plattform auf. Das Material verfestigt
                                           Maschinen der Fluglinie Etihad. Damit     sich beim Abkühlen und ermöglicht
                                           diese perfekt sitzen, werden sie im       so den schichtweisen Aufbau der Teile.
                                           3D-Drucker aus Kunststoffpulver herge­
                                                                                     Materialextrusion: Dieses Verfahren
                                           stellt. Ein Folgeauftrag wurde bereits    wird häufig für die Erstellung von Proto­
                                           erteilt: Strata und Siemens werden        typen angewendet. Dabei wird ein sehr
                                           demnächst ein Flugzeugaussenteil aus      feiner Kunststoffstrang geschmolzen
                                           Metall drucken; dabei unterstützen        und aufgetragen. Lagerung und Hand­
                                           Siemens-Experten die Strata-Fach­         habung der Materialien sind äusserst
                                           leute beim Aufbau einer kompletten        einfach.
                                           3D-Druck­anlage.

                                                                                                                                  17
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