Zwischen - Zeitschrift der Quartiervertretung Stadtteil IV 23. Jahrgang Nummer 92 September 2018s - Quavier

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      Q UAV I E R                Zeitschrift der Quartiervertretung Stadtteil IV · 23. Jahrgang · Nummer 92 · September 2018s

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       E D I T O R I A L                                                                                           I N H A L T

                                                                                                                   Aus der QUAV 4                       4
       Das grosse Lob des «Zwischen»                                                                               Garteninventar                       4
                                   Der Lattenzaun                         Der Lattenzaun                           Impressum                            5
                                   Es war einmal ein Lattenzaun,
                                   mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
                                                                          Der Zaun indessen stand ganz dumm,
                                                                          mit Latten ohne was herum.
                                                                                                                   KGH Schosshalde                      5
                                   Ein Architekt, der dieses sah,         Ein Anblick grässlich und gemein.        Zwischennutzungen                    6
                                   stand eines Abends plötzlich da -      Drum zog ihn der Senat auch ein.

                                   und nahm den Zwischenraum heraus       Der Architekt jedoch entfloh
                                                                                                                   Generationenprojekte                 6
                                   und baute draus ein grosses Haus.      nach Afri- od. Ameriko.
                                                                                                                   Schule                               9
       Seit je ist Christian Morgensterns (1871 – 1914) «Lattenzaun» mein Lieblingsgedicht: Seine Laudatio         Zum Thema                           10
       auf den Zwischenraum endet mit der Flucht des frevlerischen Architekten. Wenn es so einfach wäre!

       Navigation zwischen Skylla und Charybdis
                                                                                                                   Zwischen den Kulturen               10
       Auch wir von QUAV4 setzen uns intensiv und oft mit Zwischenräumen aller Art auseinander, denn
       Nutzungsdruck auf die letzten Zwischenräume herrscht überall: ob Allmenden, Egelsee, Wyssloch,
                                                                                                                   Zwischenjahr?                       11
       Saali, Elfenau, Aareraum, Dählhölzli – immer gilt es, zwischen zwei hohen oekologischen Gütern              Porträt                             13
       abzuwägen: dem ungeschmälerten Erhalt von Grün- und Freiräumen einerseits und der inneren
       Verdichtung zur Vermeidung der Siedlungsexpansion andrerseits.                                              Veranstaltungen                     14
       Zwischenhändlerin QUAV4
       Angesiedelt zwischen Verwaltung und Bevölkerung, lebt die QUAV4 vom Dealen mit Meinungen,
                                                                                                                   Zwischen B. & O.                    16
       Fragestellungen, möglichen Antworten und deren Transport zwischen «oben und unten». Sie ist als
       Zwischenhändlerin besorgt, dass Ideen, Projekte und Geschäfte weder zwischen Fronten zerrieben wer-
                                                                                                                   Tierwege                            17
       den, noch zwischen Stuhl und Bank fallen. Zwischenberichte, Zwischenlösungen, Zwischenziele sollen
       sich unter Mithilfe der QUAV4 zu Endgültigem, Schlüssigem und allseits Akzeptiertem destillieren.
                                                                                                                   Zwischenfälle                       19
       Das Leben – eine Zwischennutzung                                                                            Murifeld                            21
       Der aktuellste Zwischen-Hit sind die Zwischen-Nutzungen. In allen städtischen – pardon: urbanen –
       Räumen sind sie derzeit angesagt, um den Menschen eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu geben                  Nachbarschaftshilfe                 21
       und um unwirtliche Strassenräume zu beleben . . . für die Einen ein nicht kontrollierbarer Graus,
       für die Anderen ein philosophisch überhöhter Ausdruck des sich wandelnden Lebens schlechthin.               QUAVIER war hier                    23
       In der Debatte darüber gehen, wie heute leider üblich, die Zwischentöne unter. Juristen führen Stell-
       vertreterkriege, es geht um Siegen oder Verlieren, statt ums Aushandeln vernünftiger Kompromisse.
                                                                                                                   Füller                              25
       Zwischentöne                                                                                                Autofreier Sonntag                  27
       Auch dafür steht QUAV4: Meinungsbildung, bei der auch Zwischenbemerkungen und Zwischen-
       töne aufgenommen werden. Und für Aufmerksamkeit für das Zwischen-menschliche im Quartier-                   Wettbewerb                          27
       leben. Es ist wichtig, dass Quartierfeste gefeiert werden, dass öffentliche Treff-, Einkaufs-, und Spiel-
       möglichkeiten Begegnungen zwischen den Generationen und zwischen Nachbarschaften fördern.                   Kleininserate                       27
       Wir sind dazu aufgefordert, «durchzuschaun beim Lattenzaun», statt uns blickdicht abzuschotten!
       Gerade dazu bieten Zwischennutzungen wunderbare Gelegenheiten.

       Zwischen Punto und Wyssloch…
       Wer hätte gedacht, dass die einst 3-jährige Zwischennutzung Punto nach 21 Jahren immer noch
       kreuzfidel das Quartierleben aufmischt? Das «Punto-Zwischen» geht seinem Ende entgegen. Ein
       neues «Zwischen» am Egelsee bietet sich an. Machen wir daraus eine ähnliche Erfolgsstory! Packen
       wir die Chance eines neuen, farbigen, kreativen und partnerschaftlichen «Zwischen». Durch res-              Titelbild:
       pektvolles Verhandeln mit Zwischentönen statt lautem Gezeter sollte uns doch auch gelingen, was             Beispiel einer erfolg-
       vor über 20 Jahren die Punto-Crew vorgemacht hat.                                                           reichen ZWISCHEN-
                                                                                                                   nutzung: Punto Bern,
       Viel Spass am Lesen vor, auf, hinter und zwischen den Zeilen dieses Hefts wünscht, als grosser Fan          Thunstrasse 104,
       allen Zwischens                                                                                             3006 Bern – bald
                                                                                                                   zu Ende!

                                                                                                                   Foto:
       Geschäftsführerin QUAV4                                                                                     Lukas Lehmann, Bern

                                                                                                                                            QUAVIER 92/18   |3
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      S E I T E           4

                                                         nun überarbeitet und an der DV im Oktober       Überbauungsordnung Minger-
      Aus der QUAV 4                                     präsentiert.                                    strasse – Papiermühlestrasse
                                                                                                         Mit einem Architekturwettbewerb wurde ein
      Neues Mitglied                                     Baugesuch Überbauung Tramdepot                  Siegerprojekt für den Ersatz der Festhalle auf
      Die Delegiertenversammlung (DV) hat mit            Burgernziel                                     dem Areal der BernExpo gekürt. Neben dem
      12 Ja und 3 Enthaltungen die Aufnahme des          Am 21. Juni wurde das Baugesuch für die Über-   Bau gilt es nun, die Überbauungsordnung
      Angelfischervereins Bern (AFV) beschlossen         bauung Burgernziel eingereicht. Geplant ist,    im Perimeter zu regeln. Über den Stand der
      (www. afvbern.ch). Der AFV besteht seit 1909,      im Frühling 2019 den Bau zu starten und die     Planung und deren Eckpunkte hat das Stadt-
      gemäss Statuten stehen Pflege und Förderung        Überbauung zwei Jahre später zu beziehen.       bauamt informiert. Der Entwurf sieht vor,
      der Kameradschaft unter den Mitgliedern im         Ankermieterin wird die Migros Aare, Verhand-    den Aussenraum neu zu gestalten und besser
      Vordergrund. Der Egelsee ist ein Pachtgewäs-       lungen mit der Post laufen noch.                an den Guisanplatz anzubinden, die Halte-
      ser des AFV, dessen Interessen in der QUAV4                                                        stelle des Trams 9 an die Papiermühlestrasse
      von der Delegierten Yvonne Prieur vertreten        Chinesisches Tempo im Stadtteil IV              zu verlegen sowie die zonenwidrigen Park-
      werden.                                            Trotz ausstehender Bewilligung zur Nut-         plätze in der Schutzzone aufzuheben und in
                                                         zungsänderung von Wohn- zu Büroraum wird        die (zu erweiternde) Einstellhalle umzu-
      Hochwasserschutz                                   bereits emsig am Umbau der Villa Bomonti        lagern. In der Mitwirkung wird die architek-
      Herr Zingre vom Tiefbauamt (TBA) hat das           zum Bürotrakt der Chinesischen Botschaft        tonische Qualität des Siegerprojekts sowie
      Hochwasserschutzprojekt Aare, das den Stadt-       gearbeitet. Angesichts dieses ungestümen        die Entfernung der illegalen Parkplätze sehr
      teil IV am östlichen Aareufer betrifft, präsen-    Vorgehens erwägt der Verein «Bern bleibt        begrüsst. Als kritische Punkte werden die
      tiert. Die Delegierten stehen den Massnahmen       grün» einen Weiterzug an höhere Instanzen,      unklare Führung des Langsamverkehrs
      kritisch gegenüber, da sich die aktuelle Lösung    ein Vorgehen, dem die DV einstimmig mit ei-     während der Anlässe, die mangelnde Ge-
      (Stollen Thun, Vorausplanung der Regulie-          ner Enthaltung zugestimmt hat.                  samtplanung für den Guisanplatz sowie die
      rung) gut bewährt habe. Positiv aufgenom-                                                          Lösung der Anlieferung über die Papiermühle-
      men wurde, dass sich die Massnahmen besser         Tierparklift                                    strasse und im Bereich des Zirkusplatzes fest-
      in die Stadtlandschaft einfügen und dass auf       Der Tierpark plant einen barrierefreien Zu-     gehalten.
      die Anhebung des Schönaustegs verzichtet           gang vom Spielplatz/Restaurant auf das
      wird.                                              Niveau des Vivariums. Die 14 Meter Höhen-       Neues aus dem Stadtplanungsamt,
                                                         differenz sollen mit einem Schräglift oder      Update Stadtpark Wyssloch
      Velo-Verkehrsführung Marienstrasse                 einem Vertikallift mit Passerelle realisiert    Seit längerer Zeit kämpft das Stadtplanungs-
      Im Rahmen der Einführung von Tempo 30 auf          werden. Die Kosten werden mit 1.5 bis 1.7 Mio   amt (SPA) mit Ressourcenknappheit und
      der Verbindung Jungfrau-/Marienstrasse wur-        Franken veranschlagt. In der Diskussion wurde   dringenden Anfragen, die nachhaltige Arbeit
      de ein neues Regime für die Velos präsentiert.     eine gesamtheitliche Planung des gesamten       an langfristigen Themen erschweren. So
      Die Delegierten haben sich sehr kritisch über      Raumes Tierpark – Dählhölzli gefordert, bevor   konnten die Quartierplanerinnen ihren
      die wechselseitige Anordnung der Parkplätze        dieses einschneidende Projekt in sensibler      Aufgaben in den Quartieren und der Zu-
      und die durchgängige, rechtsseitige Führung        Umgebung (Waldzone, Hochwasserschutz,           sammenarbeit mit den Quartierkommissio-
      des Velostreifens geäussert. Das Projekt wird      Topographie) umgesetzt wird.                    nen nicht im befriedigenden Ausmass nach-

      Garteninventar
      Der Berner Heimatschutz, Region Mittelland,        rien konnte die Berner ICOMOS-Liste histori- gentümern Begleitung und Beratungsdienste
      hat am 12. Juni an einer Führung Historische       scher Gärten und Anlagen von ursprünglich an.                                            (ar)
      Gärten und Anlagen im Raum Helvetiaplatz           rund 1260 wertvollen Gärten auf
      vorgestellt. Von Alois Zuber, Stadtgrün Bern,      etwa 300 reduziert werden. Die-
      und Steffen Osoegawa, Landschaftsarchitekt,        se wurden schliesslich als
      war zu erfahren, dass der Entwurf eines Inven-     «schützenswerte» Objekte in
      tars für schützenswerte Gärten der Stadt Bern      das Inventar aufgenommen. An-
      kurz vor der Vollendung steht. Es ist vorgese-     ders als im Bauinventar verzich-
      hen, das Inventar bald dem Gemeinderat und         tete man bei den Gärten auf eine
      nach der öffentlichen Auflage den kantonalen       zweite, untergeordnete Katego-
      Behörden zur Genehmigung vorzulegen. Da-           rie «erhaltenswert». Die meisten
      mit erlangt es für die Behörden die gleiche Ver-   Anlagen, die ins Inventar gelan-
      bindlichkeit wie das Bauinventar.                  gen, liegen im Stadtteil IV, z.B. der
          Für die Auswahl der Gärten ist neben der       Garten der Villa «Bomonti» am
      Qualität massgebend, dass sich das Objekt          Kalcheggweg, der sogar natio-
      noch im Originalzustand befindet oder nur          nale Bedeutung geniesst.
      stilgerechte Veränderungen erfahren hat. Zu-           Für Erhalt und Pflege histo- Garten der Villa Bomonti, Handzeichnung der Gebr. Mertens
      dem muss es historisch einwandfrei doku-           risch wertvoller Gärten bietet vom 11.12.1916, Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur,
      mentiert sein. Anhand dieser strengen Krite-       Stadtgrün Bern auch privaten Ei- Rapperswil.                           (zvg: Stadtgrün Bern)

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       kommen und waren stark in einzelnen Pro-           Neues Spielangebot für Kinder
                                                                                                                Impressum
       jekten gebunden. Neu soll die Stelle der Stadt-    Im Mai 2018 hat sich im Stadtteil IV der Verein       QUAVIER erscheint 4mal jährlich
       teilbetreuerin als Ansprechpartner beim SPA        SpielreVier konstituiert. Er setzt sich aus Aktiv-
                                                                                                                Herausgeberin: Quartiervertretung des
       für die Quartierkommissionen wirken. Bis           und Gönnermitgliedern zusammen, welche                Stadtteils IV, Postfach 257, 3000 Bern 6
       dieses Regime Anfang 2019 etabliert ist, nimmt     einen freiwilligen Vorstand sowie Arbeits-            Geschäftsstelle: Sabine Schärrer, Tel. 031 351 95 75
       Orlando Eberle sämtliche Anfragen entgegen         gruppen bilden. Unterstützt werden sie von ei-        (Beantworter), info@quavier.ch
       und stellt mit Projektleitern und den Quar-        nem Team mit festangestellten Fachpersonen.           Webmaster: Franz Keller, webmaster@quavier.ch

       tierplanern die Triage und Beantwortung            Das SpielreVier ist Teil des Dachverbandes für        Co-Präsidenten:
                                                                                                                Richard Pfister, Bolligenstrasse 14c, 3006 Bern
       sicher.                                            offene Arbeit mit Kindern (DOK).
                                                                                                                Jürg Krähenbühl, Staufferstrasse 6, 3006 Bern
           Ferner hat das SPA über die nächsten Schrit-      Es gibt abwechslungsreiche Nachmittage
                                                                                                                Auflage: 15 500 Exemplare
       te im Wyssloch informiert. Gemäss STEK2016         mit einem Spiel-, Bastel- oder Werkangebot so-
                                                                                                                Redaktionsadresse: QUAVIER, Postfach 257,
       soll die Stadt Bern «grün und vernetzt»            wie einem Zvieri am Feuer. Es richtet sich            3000 Bern 6, Tel. 031 351 95 75 (Beantworter)
       werden. Im Stadtteil IV wurde in diesem Sinne      hauptsächlich an Kinder von 6–12 Jahren und           redaktion@quavier.ch
       die Planung des Stadtteilparks Wyssloch            unterstützt diese in ihrer persönlichen Entfal-       Redaktion: Anna Hauser (aha), Rita Jost (rj), Johannes
       aufgenommen. Während in der Etappe 1 die           tung und Entwicklung.                                 Künzler (jkü), Andreas Rapp (ar), Philipp Richard (pr),
       Planung der Schule Wyssloch im Rahmen eines           Das SpielreVier ist mobil im Stadtteil unter-      Muriel Riesen (mr), Alice Sommer (as)

       Wettbewerbs bereits läuft, wird für die Etappe     wegs. Von Mai bis Juli wurde das Angebot u.a.         Inserate: Länggass Druck AG, Länggassstr. 65,
                                                                                                                Postfach 726, 3000 Bern 9, Tel. 031 307 75 73,
       2, die den Egelsee und den ehemaligen Ent-         im Wyssloch, auf den Schulhausplätzen Wit-            haering@ldb.ch, www.ldb.ch
       sorgungshof umfasst, erneut ein partizi-           tigkofen und Bitzius, am Tag der Nachbar-
                                                                                                                Inserateschluss: 7.11.2018
       pativer Prozess gestartet, der von Herbst 2018     schaft und am Weltspieltag platziert.
                                                                                                                Layout: MediaDesign Bern, Franz Keller (fak)
       bis Sommer 2019 dauert. Er hat zum Ziel, die          Das Programm bis November finden Sie auf           keller@mediadesign-bern.ch
       Anliegen der Anwohner aufzunehmen und in           www.spieleninbern.ch. Wir freuen uns über             Druck: Länggass Druck AG, Bern,
       die Planung einfliessen zu lassen. Der Fragebo-    Mitgliedschaften, Beteiligungen im Vorstand           Veranstaltungshinweise bitte an:
       gen kann unter quavier.ch/assets/fragebo-          oder Unterstützung einer Arbeitsgruppe.               QUAVIER, Postfach 257, 3000 Bern 6, events@quavier.ch
       gen_wyssloch.pdf heruntergeladen werden.           Kontakt: Matthias Vogel,                              QUAVIER Nr. 93, Dezember 2018, ist dem Thema
                                                   (pr)   spielrevier@spieleninbern.ch, 079 105 38 68                                «NACHT»
                                                                                                                gewidmet. Wenn Sie etwas beitragen möchten, tele-
                                                                                                                fonieren Sie der Redaktion (031 351 95 75) oder mai-
                                                                                                                len Sie an redaktion@quavier.ch.

       Kirchgemeindehaus Schosshalde                                                                            Redaktionsschluss: 14.11.2018
                                                                                                                Erscheinungsdatum: 7.12.2018

       wird Quartiertreff
       Ab Mitte September werden das Sekretariat und alle Gruppenräume der Kirchge-                            terinnen und -Mieter, die in selbst gestalteten
       meinde Nydegg neu am Nydeggstalden einquartiert sein. Dieser Umzug wird am                              Räumen Sprachkurse, Musikunterricht, Tanz-
       14./15./16. September gefeiert (siehe Inserat).                                                         kurse, Beratungen, Gymnastik usw. anbieten.
                                                                                                               Im Haus soll auch ein Quartierkaffee zu finden
       Aber was passiert jetzt mit dem Haus an der        Sitzungszimmer, Büroräume und einen Ju-              sein.
       Schosshaldenstrasse? Wie geht es weiter mit        gendtreff einrichten wollen. Dazu kommen                Im grossen Saal wird ein Chor seine Proben
       der dort einquartierten Spielgruppe und dem        verschiedene kleinere sogenannte Anker-Mie-          haben und am Sonntag werden die Mennoni-
       Tamilentreff am Donnerstag? Dank unermüd-                                                               ten dort Gottesdienst feiern. Dieser (denkmal-
       lichem Einsatz der beiden Quartierbewohne-                                                              geschützte) Saal samt Küche und Küchenma-
       rinnen Reni Müller und Karin Rüfenacht bleibt                                                           terial kann aber auch tageweise von Externen
       das Haus an der Schosshaldenstrasse 43 wei-                                                             für Feste gemietet werden (Preise auf Anfrage
       terhin offen fürs Quartier. Die beiden Frauen                                                           bei reni.mueller@ gmx.net). Und ganz wichtig:
       haben in monatelangen Verhandlungen mit                                                                 Am Donnerstag laden weiterhin Tamilen zum
       möglichen künftigen Mieterinnen und Mie-                                                                Mittagessen.
       tern und der Gesamtkirchgemeinde als Besit-
       zerin des Hauses einen Trägerverein auf die                                                             Möglich wurde diese Lösung dank viel Mut
       Beine gestellt, der den Betrieb im grossen Haus                                                         und Vorarbeit der beiden Initiantinnen und
       sichern soll. Ende August wurde der Verein ge-                                                          dank Starthilfen von QUAV 4 und der Gesamt-
       gründet. Und ab 2019 wird der Betrieb über                                                              kirchgemeinde, die drei Jahre lang eine Defi-
       diese Trägerschaft laufen. Der Vorstand stellt                                                          zitgarantie leistet. Es ist eine pionierhafte Um-
       sicher, dass ein Jahresmietzins von rund 80                                                             nutzung von kirchlichen Räumen, ein Experi-
       000 Franken an die Liegenschaftsbesitzerin                                                              ment, das auf Zuspruch von und Nutzung
       zusammenkommt.                                                                                          durch das Quartier angewiesen ist. An der
           Als Mitglieder im Trägerverein sind alle in-                                                        Gründungsversammlung herrschte unter den
       teressierten Nachbarinnen und Nachbarn                                                                  äusserst zahlreichen Quartierbewohnerinnen
       willkommen. Hauptmieter sind die Spielgrup-                                                             und -bewohnern eine motivierte Aufbruch-
       pe Bollobo und die Mennoniten, die im Haus         Renate Müller und Karin Rüfenacht.        Foto: rj   stimmung.                                      (rj)

                                                                                                                                                      QUAVIER 92/18    |5
Quavier_9218.qxp_Layout 1 03.09.18 12:20 Seite 6

      Zwischen-                                          Generationenprojekte
                                                         Die Schweiz ist mobil – und auf der Strasse unterwegs. 86,4 % aller zurückgelegten
      nutzungen                                          Distanzen – öffentlicher und Individualverkehr zusammengerechnet – spielen sich
                                                         auf der Strasse ab. Auf den Nationalstrassen hat sich der Verkehr seit 1990 gut
      Das Thema von Zwischennutzungen im All-            verdoppelt. Die Schweiz leistet sich ein sehr dichtes Netz von Nationalstrassen, das
      gemeinen und städtischen Liegenschaften bei        mit einer Ausfahrt alle vier Kilometer eher den Charakter einer landesweiten
      Leerständen oder brachliegenden Flächen im         Stadtautobahn hat.
      Speziellen ist nicht neu. 2016 wurde die
      städtische Koordinationsstelle Zwischennut-        Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht und     kragende Lärmschutzwände werden den Lärm
      zung, angegliedert bei der Direktion für Finan-    das Bundesamt für Strassen, ASTRA ist mit         besser dämmen und eine Holzverkleidung soll
      zen, Personal und Informatik (Immobilien           seinem Auftrag gefordert, aufgrund von            die Wände auch optisch ansprechender gestal-
      Stadt Bern), ins Leben gerufen. Sie ist seitdem    Modellen und Schätzungen «Raum für die            ten. Bevor sich die Situation verbessert, müs-
      die Anlaufstelle für alle Fragen zu Zwischen-      Zukunft zu schaffen». Im Rahmen der Delegier-     sen die Anwohner jedoch eine erhebliche
      nutzungsprojekten in der Stadt Bern. Die           tenversammlung vom Juni nahm das ASTRA            Mehrbelastung erdulden: Neben der Auto-
      Koordinationsstelle bietet Informationen für       Tuchfühlung mit der Quartierkommission            bahn im Vollbetrieb wird während rund zwei
      potentielle Zwischennutzende sowie Haus-           und hat über drei Projekte auf dem Gebiet des     Jahren in zwei Schichten von frühmorgens bis
      eigentümerinnen und -eigentümer. Z. B. bei         Stadtteils IV informiert. Verbunden war diese     spätabends gearbeitet. Das Projekt ist aktuell
      Anliegen zu den notwendigen Bewilligungs-          Information mit dem Wunsch nach einer             noch durch ein Gerichtsverfahren blockiert.
      prozessen steht die Koordinationsstelle be-        kritischen und konstruktiven Mitwirkung.          Das ASTRA geht von einem Baustart frühes-
      ratend zur Seite und vermittelt zwischen               Die A6 ist für den Stadtteil IV im wahrsten   tens 2019 aus.
      Gesuchstellenden und Bewilligungsbehör-            Sinne des Wortes einschneidend. Sie schlägt
      den.                                               von Norden nach Süden eine unwirtliche            «Spaghetti Bernese» – Umgestaltung
                                                         Schneise durch die Stadt und trennt das Burg-     Anschluss Wankdorf
      Inzwischen gibt es in der Stadt Bern sehr          feld, Galgenfeld, einen Teil der Schosshalde      Steht die PUN im Zeichen der kurzfristigen
      erfolgreiche Zwischennutzungsprojekte, wie         sowie das Murifeld und Wittigkofen vom Rest       Linderung der Verkehrsprobleme, liegt beim
      bei der Alten Feuerwehrkaserne Viktoria oder       des Stadtteils. Ende der 1980er Jahre wurde der   Ausbau des Anschlusses Wankdorf die nach-
      im ehemaligen Zieglerspital. Im Stadtteil IV       Abschnitt mit der Einhausung beim Sonnen-         haltige Verbesserung der Zu- und Abführung
      werden aktuell zwei städtische Zwischennut-        hofspital zum letzten Mal aufgewertet. Mit        des Verkehrs als Teil der Engpassbeseitigung
      zungen betrieben; zum einen der Restaurati-        Erreichen der Kapazitätsgrenze von rund 1900      im Fokus. Rund um Bern beträgt der Anteil des
      onsbetrieb und Urban Gardening auf dem             Fahrzeugen pro Richtung und Stunde bei Tem-       Transitverkehrs auf den Autobahnen weniger
      Areal des ehemaligen Entsorgungshofs Egel-         po 80 hat sich das gesamte Teilstück von Muri     als 20%, der Löwenanteil der Autofahrer nutzt
      see, zum anderen der Raum für junge Erwach-        bis zum Wankdorf zu einem veritablen Nadel-       somit die Ein- und Ausfahrten rund um die
      sene im Calvinhaus (s. QUAVIER Nr. 91). Nicht      öhr entwickelt, auf dem sich in den Hauptver-     Stadt. Der Anschluss Wankdorf stellt die Fein-
      mehr unter Federführung der Stadt, aber            kehrszeiten die Autos regelmässig stauen. Die     verteilung auf mehrere Achsen sicher und ist
      immer noch als Zwischennutzung betrieben           Folge ist Ausweichverkehr in den Quartieren.      mit der Nähe des BernExpo Geländes sowie der
      wird das Tramdepot Burgenziel. Zwei weitere                                                          Sportanlagen und der Einkaufzentren beson-
      prominente Zwischennutzungsprojekte im             Umnutzung Pannenstreifen (PUN)                    ders stark belastet. Seit seiner Fertigstellung in
      Stadtteil IV, das Swisscom-Hochhaus (s. QUA-       Die PUN stellt die wohl einzige kurzfristige      den 70er Jahren wurde er, abgesehen von klei-
      VIER Nr. 91) und das ehemalige Säuglingsheim       Massnahme in den bestehenden Platzverhält-        neren Optimierungen, nicht mehr den neuen
      Elfenau, werden von der privaten Firma «pro-       nissen dar. Sie sieht vor, als Übergangslösung    Gegebenheiten angepasst, mit dem Resultat,
      jekt interim» betrieben.                           bis zur Realisierung des Bypass Nord, den         dass die heutige Situation nicht mehr befrie-
                                                         Pannenstreifen zu gewissen Zeiten als dritte      digt. Zu viele niveaugleiche Kreuzungen ent-
      Zwischennutzungen sind win-win-Situa-              Fahrspur freizugeben. Dabei resultiert, wie im    lang des Schermenwegs reduzieren die Kapa-
      tionen. Durch Zwischennutzungen können             Schema verdeutlicht, zwar keine durchgän-         zität dieses zentralen Verkehrsknotens, ver-
      lokale oder temporäre Bedürfnisse in den           gige Autobahn mit vollen drei Fahrspuren in       unmöglichen attraktive Lösungen für den
      Bereichen Kultur, Bildung, Versorgung, Sozial-     beide Richtungen; die Kapazität wird somit        Langsamverkehr und stellen ein Risiko für die
      kultur, Jugend, etc. befriedigt werden. Nicht      auch weiterhin begrenzt sein, es wird jedoch      Verkehrssicherheit dar. Die Umgestaltung des
      selten bilden sie die Grundlage für betriebliche   zusätzlicher Raum geschaffen, der die Pro-        Anschlusses Wankdorf besteht in erster Linie
      Neugründungen und fördern damit die Schaf-         bleme etwas lindern sollte.                       aus einer Entflechtung, mit dem Ziel, die ein-
      fung neuer Arbeitsplätze. Aufgrund kosten-            Als flankierende
      deckender Mietzinse können die Eigentüme-          Massnahme wird der
      rinnen und Eigentümer sogar Erträge erzielen       Lärmschutz ausge-
      und gleichzeitig ihre Liegenschaft gegen Van-      baut und die Räume
      dalismus, Besetzungen und Littering schüt-         entlang der Auto-
      zen.                                               bahn, insbesondere
                                                         im Bereich Giacomet-
      Für alle Interessierten: bern.ch/wirtschaft/im-    ti- und Gantrisch-
      mobilien/zwischennutzungsangebote.                 strasse, aufgewertet. Umnutzung der Pannenstreifen zwischen Wankdorf und Muri.
      Marius Hertig, FPI ISB                             Höhere und aus-                                                           Plan: ASTRA

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                                                                          schen den beiden Halban-
                                                                                                           Ihre direkte Mitwirkung
                                                                          schlüssen wird auf eine Zu-
                                                                                                           Was fehlt Ihnen im Stadtteil IV? Was
                                                                          bringer-/Stadtstrasse mit
                                                                                                           möchten Sie anders haben? Schreiben Sie
                                                                          bedeutend weniger Verkehr
                                                                                                           an: QUAV 4, Postfach 257, 3000 Bern 6, oder
                                                                          als heute zurückgebaut.
                                                                                                           mailen Sie an info@quavier.ch.
                                                                          Diese Variante gibt die aktu-
                                                                                                           Ihre Anregungen werden an die QUAV4
                                                                          elle Planung wieder, aller-
                                                                                                           weitergeleitet. Besuchen Sie auch unsere
                                                                          dings müssen sich die An-
                                                                                                           Website unter www.quavier.ch und teilen
                                                                          wohner noch in Geduld
                                                                                                           Sie uns dort Ihre Meinung mit.
                                                                          üben. Das Gesamtprojekt
                                                                          soll im Dezember 2022 vor-
                                                                          liegen, der Bundesratsbe- Kritik wurde zudem an der Stadtstrasse per se
                                                                          schluss im 2024 fallen und geäussert, da versprochen worden sei, diese
                                                                          die Ausführung im An- komplett zurückzubauen. Erneut wurde die
                                                                          schluss an die Planung der Südumfahrung der Agglomeration Bern als Al-
                                                                          Ausführungs- und der De- ternative ins Feld geführt. Eine Südumfahrung
                                                                          tailprojekte im Jahr 2032 würde aber aufgrund des schwachen Aufkom-
                                                                          starten. Bis der Verkehr rollt mens vom Aaretal in Richtung Freiburg wenig
                                                                          und der Stadtteil IV aufat- Sinn ergeben und wäre rund 20-mal teurer.
                                                                          men kann, dauert es weitere Richtig in Fahrt kam die Delegiertenversamm-
       Stand der Planung der Umgestaltung Anschluss Wankdorf. Gut         Jahre. Die Kosten dieses Ge- lung bei der Diskussion zur Stadtstrasse. Rea-
       ersichtlich ist die neue Führung der Anschlussrampen sowie die     nerationenprojekts werden listischerweise ist auf dieser neuen Stadtstras-
       kreuzungsfreie Führung des Langsamverkehrs.          Plan: ASTRA mit 2.7 Milliarden Franken se mit einem Tagesverkehr zu rechnen, der in
                                                                          veranschlagt.                  etwa dem heutigen Verkehrsaufkommen auf
       zelnen Trassen auf separaten Niveaus zu füh-        In den grossen Linien wirkt der Bypass Ost der Bernstrasse in Wabern oder auf der Achse
       ren, was zum Übernamen «Spaghettiteller» schon sehr konkret. Im Kleinen sind jedoch Ostring – Thunplatz entspricht. Oskar Balsiger
       geführt hat. Die aktuelle Lösung wird so um- noch viele Details offen. Insbesondere die hat eindringlich vor einer reinen Tunnellösung
       gesetzt, dass der Charakter der Allmenden Ausgestaltung der neuen Stadtstrasse, deren gewarnt und betont, dass sich städtisches Le-
       weitgehend erhalten werden kann. Die Sicht Kapazität sowie Integration in den Perimeter ben nur an offenen Achsen, die von allen Ver-
       von der Grossen Allmend auf den Hügel Rich- sind noch zu definieren. Neben der formellen kehrsteilnehmern genutzt werden können,
       tung Autobahn wird gleich bleiben. Auf der Partizipation ist das ASTRA bestrebt, bereits entwickelt.
       Rückseite des Hügels sind jedoch umfassende heute eine informelle Partizipation zu starten,          «Kritisch und konstruktiv» haben sich die
       bauliche Eingriffe nötig, die bestehenden um die Bürger frühzeitig einzubeziehen. Eine Herren Sinzig, Siegenthaler und Aeberhard
       Bäume müssen zum Teil entfernt werden. Auf- Situation wie in Biel, in der das Projekt nach vom ASTRA die Mitwirkung gewünscht. Die
       grund der Anlage des «Spaghettitellers» wird einer 20-jährigen Planungsphase auf massi- Quartierkommission und die Anwohner sind
       jedoch auch neue, begrünbare Fläche geschaf- ven Widerstand der Bevölkerung stösst, soll im gut beraten, diesen Steilpass anzunehmen
       fen, so dass das ASTRA insgesamt von einer Stadtteil IV vermieden werden.                         und sich in den nächsten 20 Jahren einzubrin-
       Aufwertung des Bereichs ausgeht. Es ist vorge-      So hat denn auch der Bypass Bern-Ost für gen, bietet dieses Projekt doch die lang ersehn-
       sehen, die Planung noch dieses Jahr öffentlich die intensivsten Diskussionen gesorgt. Auf die te Gelegenheit, die Stadtreparatur zu voll-
       aufzulegen und nach Abschluss des bundes- Fundamentalkritik an einer rein wachstums- bringen und dem Freudenbergerplatz sowie
       rechtlichen Planungsverfahrens im Zeitraum orientierten Planung ist das ASTRA mit dem dem gesamten Perimeter, wenn nicht sein
       2020 mit der Ausschreibung der Arbeiten zu Hinweis auf ihren Auftrag, die Räume für das ursprüngliches, so zumindest ein lebenswer-
       beginnen und den umgestalteten Anschluss Verkehrsaufkommen der Zukunft zu schaffen, tes Gesicht zurückzugeben.                               (pr)
       Wankdorf etwa ab 2025 schrittweise in Betrieb eingegangen und hat be-
       zu nehmen.                                       tont, dass das Setzen der
                                                        Leitplanken (Lenkungsab-
       Aufbruch zu neuen Ufern – der                    gaben,     Anreizsysteme,
       Bypass Ost                                       Raumplanung, Siedlungs-
       Das Kernstück und aktuell das grösste Engpass- entwicklung etc.) Sache
       beseitigungsprojekt des ASTRA stellt der der Politik sei. Sorgen wur-
       Bypass Ost dar. Das Bauwerk sieht vor, den de zur Lüftung des neuen
       Verkehr beim Pulverweg mit zwei vollen Fahr- Tunnels und zur Ausfüh-
       spuren pro Richtung in einem Tunnel ins Saali rung der Lüftungsschächte
       zu führen. Die Spur Richtung Thun soll im geäussert. Das ASTRA hat
       Seidenbergtunnel bis zum Anschluss Muri angemerkt, dass die Lüf-
       unterirdisch weitergeführt werden; die Spur tung bei einer Tunnel-
       Richtung Bern verläuft auf dem bestehenden lösung unabdingbar sei, Ein Bild aus ruhigen Zeiten: Das Areal des heutigen Freudenberger-
       Trassee oberirdisch. Im Bereich der Ostermun- und dass sich die Schächte platzes anlässlich der Einweihung der Endstation der heutigen
       digenstrasse wird ein Halbanschluss Richtung erfahrungsgemäss gut in Tramlinie 7 (Blick Richtung Ausfahrt Ostring).
       Wankdorf und im Saali ein Halbanschluss in die bestehende Stadtland-                                         Bild: Staatsarchiv des Kantons Bern,
       Richtung Muri realisiert. Der Abschnitt zwi- schaft integrieren lassen.                                  Fotonachlass Walter Nydegger, FN 710.)

                                                                                                                                        QUAVIER 92/18   |7
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       S C H U L E

       «Probiers doch»
       Ein Blick ins Projekt «Forschend Entde-                Welche Auswirkungen haben Getränke, die          sende Fragestellung interessanter sei als eine
       cken» am Schulhaus Muristalden 2018                    wir täglich zu uns nehmen, auf unsere Zähne?     einfach zu beantwortende.

       «Das Interesse, etwas Neues zu entdecken.                                                               Die Herangehensweise an diese Projekte sah
       Seinen Horizont zu einem interessanten                                                                  ganz unterschiedlich aus. «Als es zur Arbeits-
       Thema erweitern. Eine Frage stellen, die                                                                planung kam, wusste ich bereits, dass eine sol-
       nicht in 3 Minuten im Internet beantwortet                                                              che bei mir nicht stattfinden würde», gibt Gre-
       werden kann.»                                                                                           gory (16) lachend zu. In Zukunft sieht er sich im
       Das sei für sie Forschen, erzählen Lou, Gregory,                                                        Bereich der Informatik. Tatsächlich sind seine
       Lena, Luis und Manuel. Im Rahmen des Lang-                                                              Seiten zur Arbeitsplanung leer geblieben, doch
       zeitgymnasiums am Muristalden stand für sie                                                             mit einer überraschend guten Präsentation
       im letzten Semester das Projekt «Forschend                                                              seiner eher theoretischen Arbeit im Gebiet der
       Entdecken» im Zentrum, in welchem sich                                                                  Atomphysik erntete Gregory trotzdem Bewun-
       die Jugendlichen ein halbes Jahr lang in                                                                derung. Eine weitere Schwierigkeit, neben teil-
       wöchentlich vier Lektionen ihrer eigenen                                                                weise fehlenden Arbeitsdokumenten, zeigt
       Forschungsarbeit widmen konnten. Diese                                                                  sich darin, dass manche Kinder den vorgege-
       Arbeiten im naturwissenschaftlichen Kontext                                                             benen Arbeitsrahmen von 20 –3 0 ausserschu-
       wurden von einer Expertin oder einem Exper-                                                             lischen Stunden (freiwillig) überschreiten (bis
       ten begleitet.                                                                                          zu 150 Stunden). Die Freizeit und das Lernen für
          Mit Hilfe von Büchern und Arbeitsblättern                                                            andere Fächer kämen dabei zu kurz. «Das müs-
       funktioniere Wissensvermittlung nicht im-                                                               sen wir in Zukunft noch besser absprechen
       mer, meint Alex Lehmann, der Mitinitiator                                                               und steuern», sagt Lehmann.
       dieses Forschungsprojektes. Kinder und
       Jugendliche haben oft Mühe, Ausdauer zu                Forschungsarbeit von Lou Traber: Auswirkun-      Die Schülerinnen und Schüler sehen das Pro-
       bewahren, Wesentliches aus Texten heraus-              gen von Getränken im Alltag auf unsere Zähne.    jekt «Forschend Entdecken» im Grossen und
       zufiltern und Zusammenhänge zu erkennen.                                                  (Foto: aha)   Ganzen als Chance, als Möglichkeit, einer per-
       Sie seien sich gewohnt, dass in der Schule                                                              sönlichen Idee nachzugehen und dadurch die
       Inhalte im klassischen Stil vermittelt würden.         Für diese zentrale Frage hat sich Lou (13)       Arbeitsweise für eine zukünftige Maturaar-
       Spätestens ab der 3. Klasse hätten die meisten         menschliche Zähne organisiert und sie an-        beit zu üben. «Mein grösstes Highlight war, als
       Kinder ein Smartphone und die aufkommen-               schließend tagelang in verschiedenen Flüssig-    ich die Frisbees endlich ausprobieren konnte
       den Ungewissheiten würden von Google                   keiten eingelegt. Die beobachteten Reaktio-      und der viereckige fast so gut flog, wie der run-
       innert Sekunden beantwortet. Vielen Kindern            nen fasste sie in einer schriftlichen Arbeit und de», sagt Luis, der trotz des zusätzlichen Ar-
       und Jugendlichen (aber auch Erwachsenen?)              einer Präsentation vor der Klasse zusammen.      beitsaufwandes gerne im Werkraum an sei-
       fehle dadurch der Anreiz, sich mit einer kom-          Lou würde in Zukunft gerne Profigolferin wer-    nen Frisbees gebaut hat. «Wir wünschen uns
       plexen Fragestellung einem Thema anzu-                 den und Biologie studieren. Luis (13) hingegen   vor allem, auch bei schwierigen Projekten von
       nähern, bedauert Lehmann. «Bei forschend-              wünscht sich einen Job als Kommentator beim      den Lehrerinnen und Lehrern unterstützt zu
       entdeckendem Unterricht sind die Schüler-              SRF und zusätzlich nähme er gerne an der         werden. Wir finden es wichtig, in unseren Ide-
       Innen gefordert, eine sogenannte ‹Forscher-            Weltmeisterschaft in der Kategorie Ultimate-     en bestärkt zu werden», finden die fünf Schü-
       frage› zu entwickeln, klare Ziele zu definieren,       Frisbee teil. Luis hat sich sein Hobby zur For-  lerinnen und Schüler rückblickend. Deshalb an
       eine Arbeitsplanung zu gestalten und die               schungsarbeit gemacht. Er erzählt: «Manche       alle zukünftig Forschenden: «Probiers doch!»
       Experimente zur Beantwortung der Fragen                Leute meinten, dass meine Idee, verschieden-                                        Anna Hauser
       selbst durchzuführen.»                                 förmige Frisbees selber zu
                                                              bauen und zu testen, zu
       Laut Aristoteles (384 – 322 v. Chr.): Leichtes fällt   kompliziert sei und ich es
       langsam und Schweres fällt schnell.                    nicht schaffen würde.»
       Diese Theorie hatte Gültigkeit, bis sie Galileo        Auch Manuel (13), der sich in
       Galilei im 16. Jahrhundert mit einfachen Ex-           Zukunft als Sportarzt bei
       perimenten widerlegen konnte. Beim For-                Swiss Olympic sieht, starte-
       schen gehe es darum, alltägliche Phänomene             te mit einem hohen Ziel in
       wahrzunehmen, sie zu hinterfragen und eine             seine Projektarbeit. «Am
       Erklärung dafür zu suchen. Weshalb bewegt              Anfang wollte ich 10 ver-
       sich Licht im Gegensatz zu Schall nur linear?          schiedene Ackerböden un-
       «Wenn man ein solches Phänomen versteht,               tersuchen, dies hätte den
       wächst auch das Interesse daran», findet Leh-          Rahmen aber deutlich ge-
       mann. Und auch die Klassenlehrerinnen und              sprengt.» Trotzdem finden
       Lehrer würden deutlich merken, dass durch die          die fünf Schülerinnen und
       Forschungsprojekte Neugierde an naturwis-              Schüler alle, dass eine an- Luka’s Forscherfrage: Wie kann ich die Eidotterfarbe über die
       senschaftlichen Themen geweckt wird.                   spruchsvolle und umfas- Ernährung der Hühner beeinflussen.                         (Foto: zvg)

                                                                                                                                               QUAVIER 92/18   |9
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      Z W I S C H E N

                                                       Zwischen den Kulturen
       Zum Thema
                                                       Wir leben in einer multikulturellen Gesell-        wasser vermischt sich mit dem Strassenstaub
       Die Figur Sisyphos aus der griechischen         schaft, werfen morgens einen Blick in die Kul-     und daraus bilden sich grosse, dreckige Pfüt-
       Sagenwelt war ein Meister des Zwischen-         turagenda, diskutieren beim Feierabendbier         zen, die man nur mit Mühe umgehen kann.
       raums. Mehrmals überlistete er den Tod. Die     über kulturelle Unterschiede und nehmen am         Dazu kommt, dass die Bushaltestellen nicht
       Götter verurteilten ihn deshalb dazu, im-       Wochenende an Kulturveranstaltungen teil.          überdacht sind und es auch keine Lauben hat,
       merwährend einen Stein auf einen Berg zu        «Kultur» ist heute wohl eines der meist-           wie ich es mir aus Bern gewöhnt war. Also
       wälzen, der – kaum war er oben – sogleich       gebrauchten Wörter des deutschen Sprach-           gingen wir wieder zurück in die Wohnung und
       wieder ins Tal donnerte. Sisyphos musste        raums. Doch wodurch charakterisiert sich die       warteten geduldig, bis der Regen vorbei war.
       seine Arbeit von Neuem beginnen.                Kultur eines Landes, einer Region oder einer
          Im Essay «Der Mythos des Sisyphos»           Bevölkerungsgruppe? Über die Kultur Kubas          Plan(los) in Havanna
       (1942) zieht Albert Camus einen überra-         wird häufig im Zusammenhang mit der sozia-         Was meine Geduld aber einige Male auf die
       schenden Schluss: Wenn der Stein wieder         listischen Revolution, der kubanischen Musik,      Probe stellte, war, dass es in Kuba nur schwer
       ins Tal gerollt ist und der Verdammte den       dem Rum oder dem Dominospielen berichtet.          möglich ist, etwas vorauszuplanen. Busfahr-
       Berg hinabsteigt, ist er für einen Moment       Was mich an der kubanischen Kultur aber am         pläne für den lokalen ÖV sind in Havanna
       auf eine gewisse Art frei: «Diese Stunde, die   meisten fasziniert hat sind einige Eigenschaf-     beispielsweise gänzlich inexistent. Hat man
       gleichsam ein Aufatmen ist und ebenso           ten des kubanischen Alltags, die sich so sehr      Glück, kommt der Bus schon nach fünf Minu-
       zuverlässig wiederkehrt wie sein Unheil, ist    von denen der Schweiz unterscheiden, dass ich      ten, wenn nicht, wartet man unter Umständen
       die Stunde des Bewusstseins. In diesen          mich bis zum letzten Tag meines Ausland-           über eine Stunde. Ähnlich läuft es beim Ein-
       Augenblicken [. . .] ist er seinem Schicksal    semesters nicht ganz daran gewöhnen konnte.        kaufen: man kauft, was es hat. Butter war in
       überlegen.» Geht es nicht auch uns oft so                                                          ganz Havanna während eines Monats prak-
       wie Sisyphos? Ohne ein Dazwischen kön-          Nachtruhe? Fehlanzeige                             tisch unauffindbar. Auch Kartoffeln und Eier
       nen wir nichts erkennen.                        Zum einen war da die Musik oder wie es andere      waren während mehrerer Wochen nur durch
                                                       nennen würden: der andauernde Lärm. Ob um          Vitamin B oder auf dem Schwarzmarkt erhält-
       Das Dazwischen ist im wörtlichen Sinne          sechs Uhr morgens oder um drei Uhr nachmit-        lich, und in einer Fischerei stand ich einmal 45
       aber auch das Interessante (inter-esse lat.     tags, ob Sonntag oder Montag; im Zentrum           Minuten in der Schlange, um Fisch zu kaufen.
       dazwischen sein) und Spannende, ein Raum        Havannas läuft die Musik fast immer und            Unter diesen Umständen wird es natürlich
       für die Kreativität. Diesem Undefinierten       überall. Wenn die Cafeteria-Besitzer unterhalb     schwierig, einen Tag zu planen und man wird
       und sich Verwandelnden, in dem für einen        meiner Wohnung jeweils ihren Ghettoblaster,        gewissermassen zur Spontanität gezwungen.
       Augenblick verschiedene Möglichkeiten           anwarfen, hörte ich die Musik so laut, als hätte   Da ich nebst der Schule keinerlei Verpflichtun-
       stecken, begegnen wir auch im Stadtraum,        ich meine eigenen Boxen komplett aufge-            gen nachkommen musste, empfand ich die
       beispielsweise auf den Plätzen: Wollen wir      dreht. Da ich einen relativ tiefen Schlaf habe     Unvorhersehbarkeit der Dinge aber meistens
       sie voll haben? Mit Autos und Rabattli (wie     und selbst sehr gerne Musik höre, fand ich das     als aufregend und ich genoss es auch sehr, am
       bisher) oder mit Billardtischen und Topf-       Ganze vielmehr unterhaltend als störend.           Montag nicht bereits die ganze Woche ver-
       palmen (neu)? Oder doch lieber leer lassen,     Doch das Unglaubliche daran war, dass auch         plant zu haben, wie das bei uns in der Schweiz
       damit wir unser Bewusstsein schärfen und        die restliche Nachbarschaft nichts dagegen         üblich ist.Was ich jeweils auch sehr schön fand,
       das Interessante entdecken können?              unternahm, wenn mitten in der Nacht Reggae-        war, wenn Freunde von mir plötzlich an meiner
           Die Diskussion darüber, was man mit den     ton in voller Lautstärke aus den Boxen dröhnte.    Wohnungstür klopften, um mich besuchen zu
       anderen grossen Zwischenräumen in unse-         Es schien, als würde sich niemand daran stö-       kommen. Ohne Voranmeldung, einfach so.
       rem Stadtteil, den vielen parkartigen Gärten    ren. Keine Lärmklagen, keine Polizei, nichts.      Etwas, das mir in Bern schon sehr lange nicht
       nämlich, anstellen könnte, wollen wir hier                                                         mehr passiert ist.                           (as)
       nur mal schüchtern angedeutet haben.            Wir können nicht gehen, es regnet!
           Und selbstverständlich soll auch das        Was mich ebenfalls in grosses Erstaunen ver-
       Zwischenmenschliche nicht zu kurz kom-          setzt hat, ist, dass Regen unter Umständen
       men – wir hoffen, Sie finden in den folgen-     eine legitime Entschuldigung dafür sein kann,
       den Themen-Beiträgen viel Interessantes         beispielsweise nicht zur Schule zu gehen. Als
       und Spannendes!                Die Redaktion    eine Freundin der Uni einmal bei mir über-
                                                       nachtet hat und es am nächsten Morgen reg-
                                                       nete, meinte sie: «Wir können nicht zur Schule
                                                       gehen. Schau nur wie es regnet, da sind wird
                                                       komplett durchnässt, bis wir dort sind. Ausser-
                                                       dem wird bei diesem Regen sowieso niemand
                                                       auftauchen.» Zuerst dachte ich: meint sie das
                                                       wirklich ernst? Doch als ich einen Fuss vor die
                                                       Haustür setzte, verstand ich, was sie gemeint
                                                       hatte. Abgesehen davon, dass es aus Strömen
       Zwischen den Geschlechtern ist noch nicht       regnete und kein Regenschirm uns trocken
       alles bündig.                     Foto: jkü     gehalten hätte, funktioniert auch Havannas         Diese Männer fischen ihre Fische lieber selbst
                                                       Abwassersystem nicht optimal. Das Regen-           (Malecón, Havanna).                     Foto: as

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       (K)Ein Zwischenjahr
       Julia (24)                                         Reisen oder Arbeiten für mich kein Thema war,     während fünf Monaten Cambridge-Englisch-
       Während meines letzten Lehrjahres als Fach-        sah ich keinen Sinn darin, ein Zwischenjahr       kurse besucht. Das Schöne an dieser Zeit war,
       frau Betreuung Kind fing ich an, mich mit der      einzulegen. Natürlich stellt sich die Frage, ob   unabhängig zu sein, niemanden zu kennen
       Frage «was mache ich nach meinem Lehr-             man durch so einen rapiden Übergang nicht         und keine Verpflichtungen zu haben. Dadurch
       abschluss?» auseinanderzusetzen. Einerseits                                                          dass ich die Sprachkurse freiwillig besuchte,
       hatte ich mir zum Ziel gesetzt, meine Fremd-                                                         konnte ich zudem ein ganz anderes Interesse
       sprachenkenntnisse zu verbessern, anderer-                                                           an der Sprache entwickeln. Als ich nach mei-
                                                                                                            nem Zwischenjahr wieder zurückkehrte, war
                                                                                                            es ein wenig ernüchternd zu merken, dass sich
                                                                                                            zu Hause in meinen Augen kaum etwas verän-
                                                                                                            dert hat. Verändert hat sich lediglich mein
                                                                                                            Fernweh, denn das verspüre ich seit ich zurück
                                                                                                            bin viel mehr. Gleichzeitig freue ich mich aber
                                                                                                            auch auf mein Studium, das ich nächsten
                                                                                                            Frühling beginnen werde.

                                                          etwas verpasst. Vielen Freunden von mir lag es    Alena (20)
                                                          am Herzen, endlich einmal Zeit für anderes,       Ich habe soeben das Gymnasium Hofwil mit
                                                          wie das Reisen, zu haben. Mich selber zog es      der Matura abgeschlossen und befinde mich
       seits wollte ich weiterhin mit Kindern zusam-      aber nie fort und ich bereue meine Entschei-      am Anfang meines Zwischenjahres. Nach
       men arbeiten. Nach einigen Nachforschungen         dung auch nicht. Ich bin glücklich mit meiner     13 Jahren Schule ist es für mich an der Zeit, eine
       im Internet bin ich auf eine Organisation          Studienwahl, dem neu dazugewonnenen               Pause einzulegen. Beim vielen Lernen für die
       gestossen, die Aupair-Einsätze im Ausland          Freundeskreis und meinem geregelten Uni-          Schule ist die Frage, was ich in Zukunft machen
       organisiert und schon kurz darauf war ich          alltag. Die Welt auf eigene Faust zu entdecken,   möchte, irgendwie zu kurz gekommen. Ich
       damit beschäftigt, eine passende Gastfamilie       werde ich nach dem Studium bestimmt nach-         hatte zu wenig Zeit, mich in Berufen umzu-
       zu suchen. Meine Wahl viel auf eine Familie mit    holen und dabei wird mich sogar mein geogra-      sehen, meinen Interessen nachzugehen und
       drei Kindern aus Millbrae, eine Stadt in der       fisches Wissen begleiten, was sicher auch von     so herauszufinden, in welcher Tätigkeit ich
       Nähe von San Francisco (USA). Kurz nach mei-       Vorteil ist!
       nem Lehrabschluss flog ich im August 2015
       nach San Francisco, um mein Zwischenjahr als       Mina (22)
       Aupair zu beginnen. Meine Hauptaufgaben            Nach dem Abschluss meiner KV-Lehre ent-
       bestanden darin, auf die Kinder aufzupassen,       schied ich mich dazu, die Berufsmaturität zu
       mit Ihnen zu spielen und kleinere Hausarbei-       machen, um später studieren zu können.
       ten zu erledigen. Am Wochenende habe ich           Nachdem ich im Juli 2017 alle Prüfungen
       mich meistens mit anderen Aupairs aus der          bestanden und die Berufsmaturität im Sack
       Umgebung verabredet und manchmal haben             hatte, führte mein Weg aber nicht direkt an die
       wir auch Wochenendausflüge in die umlie-           Fachhochschule, sondern nach Irland. Dort
       genden Städte oder Regionen unternommen.           habe ich während zweier Monate auf einem
       Zum Abschluss meines Zwischenjahres kam            Zuchtgestüt für Rennpferde gearbeitet. Meine
       mich eine Freundin aus der Schweiz besuchen,       Arbeit bestand darin, die Pferde zu füttern,      mich zukünftig sehe. Ich betrachte dieses Jahr
       mit der ich während eines Monats die USA           Ställe auszumisten, Zäune zu flicken oder         nicht als Unterbruch meiner «Berufskarriere»,
       bereiste. Das Aupair-Jahr war für mich ideal, da   andere handwerkliche Arbeiten zu erledigen.       sondern als Zeit zwischen der Matura und
       ich meine Englischkenntnisse verbessert habe       Einer der Besitzer war ausserdem ein ausge-       einem neuen Abschnitt. Vielleicht eine Weg-
       und gleichzeitig weiterhin mit Kindern arbei-      zeichneter Koch, weshalb ich immer sehr lecker    kreuzung, an der ich stehen bleiben will, um
       ten konnte. Es gefiel mir auch, erstmals ganz      gegessen habe. Nach diesen zwei Monaten bin       mich in Ruhe umzusehen. Eine Zeit die eben-
       auf mich allein gestellt zu sein, herumzureisen    ich nach Manchester (UK) geflogen und habe        so viel Bedeutung verdient, wie ein nahtloser
       und dabei eine neue Kultur und viele neue                                                            Übergang ins Studium. Diese Zwischen-
       Menschen kennen zu lernen.                                                                           zeit bietet mir die Möglichkeit, meinen Alltag
                                                                                                            selber zu strukturieren, Neues auszupro-
       Louis (20)                                                                                           bieren, in praktische Arbeit einzutauchen
       Nach vier Jahren Gymnasium hat es mich letz-                                                         und andere Seiten von mir selbst zu entdecken.
       ten Sommer direkt an die Uni weitergezogen.                                                          So kann ich mich neu orientieren und für die
       Die drei Zwischenmonate reichten mir, um                                                             nächste Richtung entscheiden. Sei es ein
       mich von der Maturaprüfungszeit zu erholen,                                                          Studium, eine Lehre oder die Fachhochschule.
       einmal einfach nichts zu tun und danach mein                                                         Ich erhoffe mir von diesem Jahr, mehr Gewiss-
       Studium mit Freude zu beginnen. Mir war von                                                          heit über meinen nächsten Schritt zu erlan-
       Anfang an klar, dass ich Geografie mit dem                                                           gen.
       Nebenfach Chemie studieren möchte und da                                                                                     Text und Fotos: as/aha

                                                                                                                                            QUAVIER 92/18   | 11
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       P O R T R Ä T

       Dreissigjährig – zwischen
       analog und digital
       Ein Leben zwischen sorgloser Jugend und verantwortungsvoller Elternschaft,                               geprägt habe. Und deutlich anders geworden
       zwischen Freiheit und dem Ernst des Lebens. Wir suchten einen jungen Menschen                            sei in ihrem Leben. Eine Belastung? Ja, sagt sie
       der Generation Y. Und fanden Antonia Stalder, eine junge Mutter, geboren 1988.                           nachdenklich. Fügt aber gleich an, es sei
                                                                                                                weniger die neue Verantwortung mit dem
       Wir führen dieses Gespräch an einem heissen          blättere, kommt eine ganze Welt opsi. Ich freue     Kind, eher die Tatsache, dass so wenig Platz
       Junitag. Antonia hat sich bei der Redaktion          mich jetzt schon, diese meinen Kindern auch         bleibe für sich selber. Sie, die eigentlich auch
       gemeldet, weil sie sich angesprochen fühlte          vermitteln zu können.»                              ganz gerne manchmal ein wenig «herum
       von einem Text im letzten QUAVIER. Ja, sie sei                                                           grümschelet», sie, die bisher immer alles
       tatsächlich so ein «Kind des ausgehenden             Antonia, die grossgewachsene, moderne junge         spielend schaffte, alles positiv sieht und in
       20. Jahrhunderts». Aufgewachsen noch weit-           Frau hat etwas sehr Bodenständiges, Überleg-        allem lebensbejahend ist, sie kam vor einigen
       gehend handylos, dafür mit Kassettengerät            tes an sich. Sie wirkt einerseits entschlossen      Monaten körperlich ans Limit, war einige
       und vielen Büchern. Und jetzt komme dem-             und zielgerichtet, gleichzeitig aber überlegt       Wochen krankgeschrieben. Die schlaflosen
       nächst ihr zweites Kind zur Welt. In eine Welt,      und verantwortungsbewusst. Ist das typisch          Nächte mit der Tochter zehrten an ihren
       die sich ziemlich anders anfühle.                    für ihre Generation? «Ich denke, das ist bei mir    Kräften. Eine ganz neue Erfahrung. Eindrück-
                                                            eher erziehungsbedingt. Wir wurden von den          lich und irgendwie auch ernüchternd: die
       Die Altbauwohnung im Kirchenfeld, die Anto-          Eltern zu einem verantwortungsvollen Um-            definitive Ankunft in der Erwachsenenwelt.
       nia mit ihrem Partner und der zweijährigen           gang mit Ressourcen erzogen. Das hat mich           «Ich bin erchlüpft. Ich dachte doch, ich sei
       Zaira bewohnt, ist unangestrengt eingerich-          wohl geprägt.» Nach dem Studium (Medien-,           unendlich belastbar.»
       tet. An den Wänden Kinderzeichnungen und             Kommunikations- und Umweltwissenschaf-
       eine Märmelibahn aus WC-Rollen. Auf dem              ten, mit Masterabschluss in nachhaltiger Ent-       Mit den Erfahrungen der Dreissigjährigen, was
       grossen Holztisch Ordner, Zeitschriften, Papier      wicklung), etlichen Reisen und Auslandeinsät-       würde sie ihrer heute zwanzigjährigen
       und ein Tablet. Ja, schmunzelt die Dreissig-         zen fand sie vor fünf Jahren einen Job, der viele   Schwester raten? Antonia überlegt und
       jährige, der Compi sei natürlich heute in ihrem      ihrer Anliegen vereint: Projektleiterin für nach-   antwortet dann klar und differenziert:
       Leben schon allgegenwärtig. Obwohl: sie sei          haltige Entwicklung bei der Post. Da gehe es        «Möglichst viel ausprobieren. Entdecken, was
       nicht durch und durch digital. «Instagram und        um die nachhaltige Beschaffung von Unifor-          Spass macht – und was befriedigt. Und vor
       solche Sachen, Chatten auf dem Spielplatz,           men, Elektronik, Büromaterialien, um umwelt-        allem: viel reisen. Das relativiert. Und dann: auf
       SMS-lesen beim Essen mit Freunden, Fotos             gerechte Fahrzeuge usw. Mit ansteckender            sich selber hören. Das ist das Wichtigste.»
       teilen . . . – ohne mich!». Sie sei wohl irgendwie   Begeisterung erzählt Antonia, wie sie im Team                                  Text und Foto: Rita Jost
       argwöhnisch, ihr fehle die Selbstverständlich-       nach fairen, umweltver-
       keit, mit der die ganz Jungen mit dem Internet       träglichen und nachhal-
       umgehen. Und sie erinnere sich eben noch gut,        tigen Lösungen für den
       wies war in der analogen Welt. «Als man auch         Grosskonzern sucht. Ein
       noch Passanten nach dem Weg fragte, im               idealer Job? «Ja sicher.
       Kollegenkreis minutenlang stürmen konnte,            Ich wollte ja schon als
       weil jeder etwas behauptete und niemand die          Kind immer die Welt ret-
       Fakten kannte. Heute greift doch schon nach          ten», lacht sie, «aber ich
       ein paar Sekunden der erste zum Smartphone           musste auch merken,
       und checkt auf Google.»                              dass man in seiner un-
                                                            mittelbaren Umgebung
       Naturnah aufgewachsen                                beginnen muss».
       Antonia ist Ende der Achzigerjahre zur Welt
       gekommen, der Vater Musiker bei Patent               Mehrfachbelastung
       Ochsner, später Pfarrer in Muri-Gümligen             Partnerschaft, Kinder
       «und im Nebenamt mit viel Herzblut weiter            (das zweite Kind ist an-
       Musiker», die Mutter Psychiatrieschwester,           fangs August zur Welt
       aber ab Geburt ihrer Ältesten einige Jahre vor       gekommen . . .), eine ver-
       allem Mutter. Für Antonia war es eine gute           antwortungsvolle 60-
       Zeit. «Ich war viel draussen im Wald, baute          Prozent-Stelle, daneben
       Hütten, war früh schon WWF-Mitglied, ging in         noch ein Nachdiplom-
       den UHU-Club, wollte alle Tiere retten . . .». Und   studium . . . das Leben ist
       sie habe viele Bilderbücher gehabt. Später           randvoll im Moment für
       dann alle Kinderbuchklassiker verschlungen:          Antonia. Der typische
       Ronja Räubertochter, Pippi Langstrumpf, Harry        Stress ihrer Altersgenos-
       Potter . . . Diese Bücher lagern nun im Kinder-      sinnen? Jedenfalls sei es
       zimmer von ihrer Tochter. «Wenn ich darin            das, was die letzten Jahre

                                                                                                                                                QUAVIER 92/18   | 13
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      V E R A N S T A L T U N G E N                       I M      S T A D T T E I L               I V

      Bernisches Historisches Museum Kunsthalle Bern
                    Grand Prix der Schweiz – Motorrennsport 1934–1954                 22.9. bis      Independence
      Öffentl. Führungen | jeweils So 13 Uhr                                          2.12.          (im Erdgeschoss)

      Dauerausstellungen | siehe www.bhm.ch                                           13.10. bis     Passageways: On Fashion's Runway
                                                                                      2.12.          (im Untergeschoss)
      Info          Bernisches Historisches Museum, Helvetiaplatz 5, 3000
                    Bern 6, Tel. 031 350 77 11, info@bhm.ch, www.bhm.ch               23.9./21.10./2.12. Führungen | 23.9./2.12. je 14 Uhr, 21.10. 11 Uhr
                                                                                      18.10.       Führung mit Kaffe und Kuchen | 14 Uhr
                                                                                      31.10.       Kunstgeheimnis | für Kinder von 6–11 J. | 14–16 Uhr |
      Naturhistorisches Museum                                                                       Anm. bis 29.10.
                    Weltuntergang (Sonderausstellung)                                 30.10.         Textile Archive Vortrag Alexis Schwarzenbach | 19 Uhr
      17.10./15.11. Führungen mit den Ausstellungsmachern |                           20.11.         Schöne Kunst? Rundgang mit Jörg Scheller | 19.30 Uhr
                    je 12.15–13.15 und 18–19 Uhr                                      Info           Kunsthalle, Helvetiaplatz 1, 3005 Bern, Tel. 031 350 00 40,
      Dauerausstellungen | siehe www.nmbe.ch                                                         info@kunsthalle-bern.ch; www.kunsthalle-bern.ch
      Führungen Jeden ersten Mittwoch des Monats 18 Uhr und
                    am folgenden Donnerstag 12.15 Uhr (Dauer ca. 1 Std.)              Psychiatrie-Museum der Schweiz
      3./4.10        Estée Bochud: Was kriecht da im Garten? (Vielfalt der                           Das Leben der anderen betrachten
                     Schnecken)                                                       Daueraus- Psychiatrie-Geschichte | Sammlung Walter Morgen-
      7./8.11.       Christian Kropf: Die grosse Knochenschau (Was                    stellungen thaler | Mi–Fr 14–17 Uhr, Sa auf Voranmeldung
                     Skelette erzählen)
                                                                                      Info           Psychiatrie-Museum, Bolligenstr. 111, 3000 Bern 60,
      5./6.12        U.Menkveld/B.Hostettler: Sammeln als Kerngeschäft
                                                                                                     Tel. 031 930 97 56, altorfer@puk.unibe.ch,
                     des Museums (Slg. der Fond. Paléontologique Jurassienne)
                                                                                                     www.psychiatrie-museum.ch
      12. bis 16.11. Winterbergs Bestiarium mit Uwe Schönbeck und Chris-
                     tian Kropf | je 19.30 Uhr | Vorverkauf: Starticket, Post, uva.
      Info          Naturhistorisches Museum, Bernastr. 15, 3005 Bern,
                                                                                      Museum für Kommunikation
                    Tel. 031 350 71 11, contact@nmbe.ch, www.nmbe.ch                                 Von Höhenfeuern, Smartphones und Cyborgs
                                                                                                     Dauerausstellungen
                                                                                      ab 9.11.       Viel Lärm um Stille
      Zentrum Paul Klee                                                               Info           Museum für Kommunikation, Helvetiastr. 16, 3005 Bern
      bis 28.10.    Kosmos Klee
                                                                                                     Tel. 031 357 55 55, communication@ mfk.ch, www.mfk.ch
      bis 7.10.     Etel Adnan
      ab 19.10.     Paul Klee. Tiere
      ab 17.11.     Emil Nolde                                                        StattLand alle Rundgänge siehe: www.stattland.ch
      Führungen jeden Sa 15 Uhr, So 12 Uhr und 13.30 Uhr,                             Öffentliche Rundgänge im Stadtteil IV:
                Di 12.30–13 Uhr Kunst am Mittag                                       19.9./7.11. Bern 68 | 18 Uhr | ab Nydeggkirche bis Kunsthalle
                So 10.30–11.45 Uhr Familienmorgen (Kinder ab 4 J.)                    29.9.          Bern top secret | 14 Uhr | ab Rathausplatz bis Bundes-
      Kindermuseum Creaviva                                                                          archiv
      Offenes Atelier | Di–Fr 14 u. 16 Uhr, Sa/So 12, 14 u. 16 Uhr | für Men-         21.11.         dito | 18 Uhr
                  schen von 4-88 Jahren (bis 8 J. in Begl. Erwachsener)               14.11.         Kosmos Kommunikation | 18 Uhr | ab Poststelle Bern
      Interaktive Ausstellung für Familienpublikum | Di–So 10–17 Uhr                                 PostParc bis Museum für Kommunikation
      Kinderforum | Sa 9.30–12 Uhr (ausser Schulferien)
                                                                                                     jeweils Fr. 25.–/20.–, Kinder bis 12 J. gratis
      Info          Zentrum Paul Klee, Monument im Fruchtland 3, 3006 Bern,
                                                                                      Info           Verein StattLand, Tel. 031 371 10 17, info@stattland.ch
                    Tel. 031 359 01 01, kontakt@zpk.org, www.zpk.org

                                                                                      Nachberegruppe Obstberg
      Alpines Museum der Schweiz                                                      19.9.          Rapper Cédric Marti (Wurzel 5, Chlyklass) interpretiert
                    Schöne Berge. Eine Ansichtssache                                                 Mani Matter | 19 Uhr | Schulhaus Laubegg Singsaal |
      bis 28.10.    Biwak 22 Suiza existe. Eine Spurensuche in Esperanza,                            Apéro | Kollekte
                    Argentinien
                                                                                      25.10.         C.A. Loosli Referat von Fredi Lerch | 19 Uhr | Bibliothek
      Info          Alpines Museum der Schweiz, Helvetiaplatz 4,                                     Laubegg | Apéro | Kollekte
                    3005 Bern, Tel. 031 350 04 40, info@alpinesmuseum.ch,
                                                                                      10./11.11.     Räbeliechtli 10.11. 15–17 Uhr Schnitzen | Kirchgemeinde-
                    www.alpinesmuseum.ch
                                                                                                     haus Schosshalde | 11.11. 17 Uhr Umzug ab Pausenplatz
                                                                                                     Laubegg
      Campus Muristalden Muristrasse 8                                                16.11.         Säg nüt: aues klar! Texte, Szenen Sketches mit Ueli
                    café philosophique jeweils 11.30–13.30 Uhr | Bistro                              Spring und Sabine Guggisberg | 19.30 Uhr | Bibliothek
      4.11.         mit Ursula Pia Jauch                                                             Laubegg | Apéro | Kollekte
      2.12.         mit Ludwig Hasler                                                 30.11.         Chranzne | 15–20 Uhr | Kirchgemeindehaus Schosshal-
      Info          Tel. 031 350 42 50 (Sekretariat Muristalden)                                     de | Anm. bei Renate Müller, 031 352 71 86

      14 | QUAVIER 92/18
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