Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren
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2/2021 BNN nachrichten Mut Der Weg zurück ist keine Option. Tina Andres im Gespräch mit Kathrin Jäckel Der Planet leidet – noch haben wir die Wahl. #Klimawahl21 Pfand-tastisch Bio-Startups gegen Plastikmüll
2 Inhalt | BNN Nachrichten 2/2021 Inhaltsverzeichnis BNN AKTUELL „Wir haben die Aufgabe, mutig voranzugehen. Der Weg zurück ist keine Option.“ Kathrin Jäckel im Gespräch mit Tina Andres 04 Die Zukunft des BNN und der Branche gestalten Rückblick auf die BNN-Mitgliederversammlung 2021 07 Neu im BNN: Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei, Topas und als Fördermitglied: FairBio e.V. 08 „Muss es immer alles im Warensortiment geben?“ Interview mit Thomas Börkey-Biermann, Ökoring Handels GmbH 10 04 BNN-Aromenempfehlung: Für guten Geschmack ist weniger mehr! 11 BIO & NACHHALTIGKEIT 12 Pfand-tastisch: Bio-Startups gegen Plastikmüll Trockenprodukte im Pfandglas – drei junge Unternehmen zu ihrem Geschäftsmodell 12 MITGLIEDER AKTUELL Diesmal von und mit: Terra Naturkost, Biomarkt La Vida, fairfood Freiburg, EVG Landwege, Ökofrost, LaSelva, Sodasan, Spielberger Mühle, Kornkraft Naturkost, Neumarkter Lammsbräu, Grell Naturkost, Cosmondial, Byodo, Upländer Bauernmolkerei, Bodan, Naturkost Erfurt, AlmaWin, Bauck, Sonett, Mount Hagen/Wertform, Veggie Specials, Moin Bio Backwaren, Brodowin, TerraSana, Bio Company, Barnhouse, Rheinsberger Preussenquelle, Holle Babyfood, ebl-naturkost, basic AG, Bio Planète/ Ölmühle Moog, Biomarkt Niederkassel, livQ, Taoasis und Herbaria 16 KAMPAGNE Der Planet leidet – noch haben wir die Wahl! Öko statt Ego ruft zur #Klimawahl2021 auf 27 28 GASTBEITRAG Mut zur Veränderung – Mut, Politik zu machen“ Gastbeitrag von Maria Krieger, Bundestagskandidatin für Bündnis90/Die Grünen 28 NATUR & UMWELT Bio-Mineralwasser –Trinken für den Ökolandbau Dr. Franz Ehrnsperger im Gespräch 29 29
BNN Nachrichten 2/2021 | Editorial 3 Editorial Liebe Leser*innen, unsere zweite Ausgabe in diesem Jahr hat den Jahre „Weiter so“ und „Hauptsache Wohlstand Schwerpunkt Mut. Und wenn ich mir die Nach- und Wachstum“ das Programm sind? So oder richten der vergangenen Wochen ansehe, so wird es Mut und Beharrlichkeit brauchen, dann brauchen wir den auch. Die Waldbrände unsere Themen und unseren Einsatz für die in Südeuropa und Amerika, die Flut im Westen sozial-ökologische Transformation der Ernäh- Deutschlands, der Bericht des Weltklimarates rungswirtschaft an die Entscheider*innen zu – das alles macht Angst. Mich hat es bis in den bringen. Wir haben darüber mit Tina Andres, Urlaub verfolgt, als ich eines nachts meine die ab November den Vorsitz im Spitzenver- jüngere Tochter weinend und schlaflos in ihrem band BÖLW übernimmt, gesprochen (Seite Bett fand. Es hat gedauert, bis sie mir erklären 4-6) und mit Maria Krieger, die als junge konnte, was sie hat. „Mama, ich hatte mir vor- Mutter und Unternehmerin aktuell für den genommen, ganz, ganz alt zu werden, bevor Bundestag kandidiert (Seite 28). ich sterbe. Aber das geht gar nicht, weil der Klimawandel …“. Es hat mir das Herz gebrochen. Apropos Hoffnung: Die ziehe ich (nicht nur heute) aus den unglaublich vielen Meldungen Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, son- unserer Mitglieder, die diesmal in den BNN- dern die Tapferkeit im Angesicht der Angst. Es Nachrichten sind. Wir haben unser Heft um ist wichtig, dass wir uns von den vielen furcht- sage und schreibe ACHT Seiten vergrößert, baren Nachrichten nicht lähmen lassen, die um sie alle unterbringen zu können. Und jede überdeutlich zeigen, dass JETZT Realität ist, einzelne zeugt von dem enormen Einsatz un- Ich wünsche Euch und Ihnen eine ermutigende wovor die Wissenschaft seit über dreißig Jah- serer Mitglieder, diese Welt jeden Tag ein und inspirierende Lektüre mit dieser neuen ren warnt. Wir dürfen unter keinen Umständen bisschen besser zu machen. Für die Men- Ausgabe der BNN-Nachrichten. Bis zur näch- nachlassen in unserem Bemühen um Verände- schen, für die Umwelt, für die Gesellschaft sten Ausgabe im Dezember wird viel passie- rung. Deshalb trommeln wir mit unserer Fach- (ab Seite 16). Da geht was und ich habe das ren: Wir werden uns – Stand heute – auf den handelskampagne „Öko statt Ego“ für die deutliche Gefühl, dass das immer noch der Bio Messen wieder begegnen, wir bekommen #Klimawahl (Seite 27) und wünschen uns, dass Anfang ist. – hoffentlich – eine klimafokussierte neue unsere Kampagnenpartner*innen ihre Reich- Bundesregierung und wir werden – mit Freu- weite zusammen mit uns nutzen, um so viele Und das, obwohl wir ja nun keine junge Bran- den – neue Nachrichten für den nächsten Menschen wie möglich zu erreichen. Und wir che mehr sind. Welche Rolle die Jugend für die Schwerpunkt sammeln. Der lautet: Herz. werden am 24. September gemeinsam mit Fri- Weiterentwicklung der Bio-Wirtschaft spielt, days for Future beim letzten großen Klima- darüber erzählt dieses Heft einiges: Sei es vom In diesem Sinne und wie immer herzlich streik vor der Bundestagswahl sein. Mut junger Startups, mit Mehrweglösungen Plastikmüll zu vermeiden (ab Seite 12) oder sei Auf die Politik richten sich im Moment glei- es vom Mut, sich von der Jugend inspirieren chermaßen Hoffnung und Frust. Wird die neue und herausfordern zu lassen (ab Seite 10). Bundesregierung die Klimakrise zu der Priori- Oder vom Mut, gegen einen Unternehmens- tät machen, die sie dringend sein muss? Oder riesen wie Danone für die Qualität von Wasser steht zu befürchten, dass noch einmal vier zu streiten (ab Seite 29). Kathrin Jäckel Impressum BNN Nachrichten: Mitgliederzeitschrift des BNN für die Biobranche // Drei Ausgaben pro Jahr // Druckauflage 1.000 // Herausgeber: Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V., Michaelkirch- straße 17/18, D-10179 Berlin, Tel: +49 (0)30/847 12 24 44, E-Mail: kontakt@n-bnn.de, Internet: www.n-bnn.de // V.i.S.d.P.: Kathrin Jäckel // Redaktion: Marion Schlage (Chefredaktion), Katrin Hehberger, Hans Kaufmann, René Neumann, Dirk Müller // Autor*innen dieser Ausgabe: Leo Frühschütz, Kathrin Jäckel, Maria Krieger, Dirk Müller, René Neumann, Katja Niedzwezky, Marion Schlage // Gestaltung: Martina Puchalla für Zitrusblau, Berlin // Fotorechte für alle Fotos der Seiten 16-26 liegen bei den jeweiligen Unternehmen, wenn nicht anders vermerkt / Fotorechte ohne Angabe auf den übrigen Seiten: BNN e.V. // Titelfoto: ©Canva/rogierstock // Nachdruck oder Verbreitung nur mit Genehmigung der Redaktion // Inserent*innen dieser Ausgabe: AlmaWin (S. 26), Sonett (S. 31) und Ökoland (U4). Redaktionelle Anmerkung: Wir gendern i. d. R. mit Sternchen*, sofern nicht weibliche und männliche Sprachformen zusammen genannt werden. Das Sternchen verweist zugleich auf andere Geschlechter, die sich weder männlich noch weiblich definieren. Namentlich gekennzeichnete Gastbeiträge stellen Meinungsbeiträge dar, die nicht unbedingt der Meinung der Redaktion entsprechen. Druck und Papier: CO2-neutraler Druck mit mineralölfreien Druckfarben, Papier: 100% Altpapier (EU Ecolabel, Blauer Engel).
4 BNN aktuell | BNN Nachrichten 2/2021 „Wir haben die Aufgabe, mutig voranzu- gehen. Der Weg zurück ist keine Option.“ Tina Andres (EVG Landwege), bis Juni vier Jahre lang Vorständin im BNN und seit April gewählte Nachfol- gerin von Felix Prinz zu Löwenstein beim BÖLW, im Gespräch mit BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel über aktuelle Herausforderungen für den BNN, die Biobranche und global. Kathrin Jäckel: Liebe Tina, herzlich willkommen zu Herausforderungen des Klimawandels, auch und ich merkte, es war ernst gemeint. Lieber Himmel, unserem digitalen Gespräch zum Thema Mut! Be- vor allem für die Generation meiner Kinder, habe ja, das sind tatsächlich große Fußspuren. Und ich vor wir anfangen: Ich gratuliere Dir auch hier noch- ich mir in den letzten Jahren sehr die Frage ge- werde auch nicht versuchen, eine weibliche mal von Herzen zu Deiner Wahl an die BÖLW-Spit- stellt, was ich persönlich über Landwege hinaus Nachfolgerin von Felix zu sein. Das ist zum Schei- ze. Du bist mit überwältigender Mehrheit gewählt für die notwendige gesellschaftliche Transforma- tern verurteilt. Ich werde das hineinbringen, was worden und wirst das Amt ab November antreten. tion tun kann. Und hier bietet mir das Leben und ich mit meiner Persönlichkeit, mit meinen Erfah- Und damit sind wir sofort bei unserem Thema Mut, der BÖLW den Hebel genau dafür. Bei aller Her- rungen, kann. Es ist tatsächlich auch ein anderer denn das ist ja kein kleiner Schritt, den Du da ausforderung – was für ein Geschenk! Und das Blickwinkel, den ich auf die Biobranche habe, als machst. Und es war womöglich auch keine einfa- mit dem BNN und in der engen Zusammenarbeit Händlerin, Verarbeiterin und mit der engen Land- che Entscheidung. Daher die erste Frage: Wie war mit Dir – darauf freue ich mich! wege-Anbindung an unserer Erzeugerbetriebe. es, Dich für die Kandidatur zum BÖLW-Vorsitz zu Vielleicht komme ich ja auch zum richtigen Zeit- entscheiden? Auch, weil es ja mit einem Abschied Kathrin Jäckel: Über beides bin ich total froh. Ich punkt. Denn wir reden auch beim BÖLW schon aus dem BNN-Vorstand verbunden ist. kann Deinen Entscheidungsprozess, auch aus ei- längst nicht mehr nur über Ökolandbau, sondern gener Erfahrung, sehr gut nachvollziehen. über die Transformation der ökologischen Ernäh- rungswirtschaft. Tina Andres: Genau, wie war es denn für Dich, als Du die Geschäftsführung im BNN übernommen Wir müssen uns sehr viel mehr als früher mit den hast? großen Querschnittsthemen beschäftigen. Im Prinzip, wie der BNN es bereits in seinem Er- Kathrin Jäckel: Mir war klar, das ist ein großer neuerungsprozess tut. Es geht um Klimapolitik und Schritt. Was mir geholfen hat, war, dass ich immer Biodiversitätsrückgang. Dazu gehört auch die schon leidenschaftlich gern in die Verantwortung CO2-Diskussion, die Frage nach dem ökologischen gegangen bin. Und ich habe ja auch zwei Kinder, Fußabdruck der Ernährungswirtschaft, neue Gen- für deren Zukunft ich mich verantwortlich fühle. technik, aber auch die Themen Gesundheit, Wirt- Hinzu kam: Ich habe gespürt, ich bin am richtigen schaftspolitik, Ernährungsbildung und Außer- Ort mit dem, was ich kann und mitbringe. Das gibt Haus-Verpflegung. Kraft. Es ist ja auch ein Vorteil, wenn man neu in Tina Andres, Geschäftsführerin eine Organisation reinkommt. Man schaut die Din- EVG Landwege ge anders an. Was die Erfahrung und Kompetenz derer, die schon lang da sind, überhaupt nicht ab- wertet, im Gegenteil. Aber es ist eben ein neuer Tina Andres: Es hat eine Menge Mut gekostet. Tat- Impuls, der Dinge in Bewegung bringen kann. Und sächlich. Denn natürlich gibt und gab es eine gan- transformative Prozesse leben genau von diesen ze Menge Gründe und Aspekte, die es zu beden- Impulsen. Und das lebt unsere Branche. Für mich ken galt. Ich habe zwei kleine Kinder und eine Fa- sind der Vorstand, das Kuratorium und die Mit- milie. Ich habe ein Unternehmen zu leiten, wenn glieder des BNN eine Gruppe von Menschen, bei auch nicht alleine, sondern in einem fantastisch denen ich mich sehr wohl und zu denen ich mich funktionierenden Tandem mit meinem Co-Vorstand zugehörig fühle, ohne eine Ur-Bio-Lady zu sein. Klaus Lorenzen. Aber nichtsdestotrotz bin ich auch hier Herz und Motor einer Unternehmung, die mich Kathrin Jäckel: Mit Deinem Wechsel an die BÖLW- braucht und die ich liebe. Und ich hatte den BNN Spitze bringst Du die Ladnerinnen-Perspektive, aber Kathrin Jäckel, und eigentlich nicht vor, mich noch anderweitig auch viel Erfahrung mit Erzeugern und Herstel- BNN-Geschäftsführerin zu engagieren. Mir war auch sofort klar, irgend- lungs- und Handelsstufen mit, wirst aber auch in etwas muss dann zurückstecken. Das hat mich sehr große Fußstapfen treten. Welche Akzente willst Du beschäftigt und viele schlaflose Nächte gekostet, setzen? Gerade in Zeiten des Umbruchs? bis ich langsam ein rundes Bild dazu hatte. Das Wir müssen mehr Zugang in die Wirtschaftspo- Amt der BÖLW-Vorstandsvorsitzenden sehe ich je- Tina Andres: Meine Güte, als diese Anfrage das litik finden und im Gesundheitsministerium eine doch als einen weiteren Schritt in Richtung poli- erste Mal an mich gerichtet wurde, habe ich herz- Rolle spielen, wenn dort Gespräche geführt wer- tische Wirksamkeit. Angesichts der enormen lich gelacht. Und verfiel dann in Schockstarre, als den. Das wächst jetzt. Und zum Glück wächst tat-
BNN Nachrichten 2/2021 | BNN aktuell 5 sächlich auch die gesellschaftliche Wahrneh- Tina Andres, Sortimentsbesprechung mung dafür. Nichts betrifft uns so sehr und mit Co-Vorstand Klaus Lorenzen nichts können wir auch mit unserem Konsum so sehr steuern wie die Ernährungswirtschaft, und zwar von der Erzeugung über die Verarbeitung bis in den Handel. Da liegt auch unsere Chance, Ein- fluss zu nehmen und sich weiterhin zu profilie- ren. Und dies nochmal stärker oder anders, als das vielleicht bisher der Fall war. Das liegt dann in mei- ner Vita – eben als eine Repräsentantin für alle Teile der Wertschöpfungskette, in denen ich ja auch beruflich stecke. Kathrin Jäckel: Du hast den Erneuerungsprozess des BNN, den Du ja selbst mit angeschoben hast, bereits angesprochen. Sicher bewegt viele die Fra- ge, wieso muss das sein? Müssen wir den BNN wirklich neu erfinden? ©EVG Landwege Tina Andres: Also für mich ist dieser Transfor- mationsprozess unbedingt notwendig gewesen und nicht zuletzt sind ja auch die großen Verän- derungen und die Neuaufstellung der Geschäfts- führung Ausdruck davon, dass wir als Vorstand der Meinung waren, es müssen Veränderungen statt- formationsprozess im BNN beobachte, ist, dass ge- Tina Andres: Wir haben über Jahre hinweg gezeigt, finden. Ein Unternehmen, das 30 Jahre alt ist, ist rade durch Begegnungen und das Zusammen- wie es funktionieren kann in regionalen Wert- genauso transformationsbedürftig wie ein Ver- kommen verschiedener Köpfe, genau diese Kraft schöpfungsketten, in den menschlichen Struktu- band, der 30 Jahre auf dem Buckel hat. Wir alle erwächst, die der Einzelne vielleicht nicht hätte. ren, die ein kontrollierbar nachhaltiges Wirt- müssen uns ständig den Veränderungen des Wo er angesichts der Größe der Aufgabe vielleicht schaften tatsächlich transparent ermöglichen. Marktes, der Veränderungen der Unternehmen, der manchmal gar nicht ins Handeln kommt. Aber zu- Mir sträuben sich langsam so ein bisschen die Menschen anpassen. Insofern sehe ich es auch als sammen geht es. Zusammen sind es viele, die das Nackenhaare, wenn ich diese Frage höre, was brau- einen vollkommen normalen Prozess, der unab- Projekt nach vorne tragen. Das zeigt auch noch- chen wir, um weiterhin Pioniere zu sein? Müssen hängig von jeder individuellen Kritik, ständig mal die Berechtigung des BNN, gerade als der Ver- wir Pioniere sein oder müssen wir nicht vielmehr notwendig ist: Sich verändern, anpassen, mitge- band, der drei Wertschöpfungsstufen miteinan- unsere Arbeit verdammt gut machen? Konsequent. hen. Schauen wir uns doch mal unsere Branche der verbindet. Ich bin mir sicher, dass im Trans- Nachhaltig. Jetzt mehr denn je? Denn für mich an. Wir sind tatsächlich wie einmal großgewordene formationsprozess des BNN eine wunderbare steckt unsere Stärke auch in der Größe unserer Startups. Teilweise fühlen wir uns immer noch so. Möglichkeit steckt, den Gemeinschaftsgedanken Strukturen. Immer wieder in Gesprächen mit Wir sind erwachsen geworden, haben Einfluss und in die große Transformationsaufgabe der Ernäh- Verbraucher*innen, stelle ich fest, wie begierig an Bedeutung gewonnen. Dem müssen wir auch rungswirtschaft und der Landwirtschaft einzu- Menschen darauf sind, die Wirtschaftssysteme zu als Verband Rechnung tragen, wenn wir an- bringen. verstehen und Teil von Wertschöpfungsketten zu schlussfähig sein wollen für eine neue Generati- sein, die sie wirklich von A bis Z nachvollziehen on von Unternehmen. Insofern brauchen wir die- Tina Andres: Genau. Die Herausforderungen, die können. Und die die Chance zu wirklich nachhal- sen Transformationsprozess dringend. Er geht an wir als Unternehmer*innen haben, aber eben auch tigem Konsum bieten. Und da haben wir durch- die Fundamente unseres Verbandes und er stellt als politische Menschen und als Branche, sind groß. aus noch einiges zu tun! uns im positiven Sinne noch einmal in Frage. Das Und jetzt stellt man sich besser gemeinsam auf. ist nicht leicht und das bindet Ressourcen. Aber Mit einer guten Plattform, auf der wir uns ver- Kathrin Jäckel: Mit Blick auf die Rohwarenver- wenn wir es nicht tun, ist es so ähnlich wie die For- netzen und unsere Kräfte bündeln können. Ich wür- fügbarkeit zum Beispiel sieht man, wir arbeiten hier derungen aus der Zukunftskommission. Es wird an- de den Spruch gern ergänzen bzw. umwandeln in: mit ganz anderen Strukturen und kleinbäuerlichen strengend, es zu tun – es wird aber viel anstren- Alles muss sich verändern, damit es besser wer- Betrieben, in direkten Erzeuger-Beziehungen, gender, es nicht zu tun. den kann. langjährig gewachsen und aufgebaut. Ich denke manchmal: Ja, Pionier, weiß ich, sehe ich, wichti- Kathrin Jäckel: Absolut. Ich denke gerade an den Kathrin Jäckel: In der Tat. Veränderung – das bringt ger Punkt. Viel öfter aber noch denke ich an die Satz: Alles muss sich ändern, damit es so bleiben mich zum nächsten Thema. Die Frage nach der Fachhandelsbranche als Think-Tank oder Praxis- kann, wie es ist. Mit Blick auf uns, auf den BNN und Wurzel und der Identität. Und das ist ja ein The- Tank, wenn du so willst. Wo im Kleinen schon er- auf das Gefüge aus Netzwerk, Partnerschaft und ma, das in der Branche wie auch im ökologischen probt wird, was funktioniert und was nicht. Und Politik, bildet es unsere großen Transformations- Ernährungsnetzwerk heiß diskutiert wird. Wie da kann man auch mal zu früh abbiegen oder eine aufgaben ganz gut ab. Und dabei gibt es keine ein- können wir in Zeiten des Umbruchs die Identi- Schleife drehen. Dennoch ist es immer ein un- fachen Antworten mehr. Alle Fragen sind plötz- tät der Biobranche erhalten und mit ihr den Fach- heimlich agiles Werden. Eben keine riesige, zen- lich sehr groß und sehr vielschichtig. Das erfordert handel, der ja die Branche entscheidend geprägt tralisierte Konzernstruktur, die nach dem Rasen- natürlich Bereitschaft und auch Kraft. Und auch und vorangetrieben hat? Wie können wir Pioniere mäher-Prinzip vorgeht, sondern eine kleine he- die muss man sich erhalten. Was ich im Trans- bleiben? terogene Unternehmenslandschaft, die immer wie-
6 BNN aktuell | BNN Nachrichten 2/2021 der probiert und hoch innovativ ist, weil eben nicht Millionen Quadratmeter da dranhängen. Tina Andres: Mir als Unternehmerin gehen tat- sächlich die Ideen nie aus, wie ich unser nach- haltiges Wirtschaften noch weiter verbessern kann. Und das konsequent voranzubringen macht uns auch, wenn man so will, weiterhin zu Pionie- ren. Denn das können die Großen nicht, und die- se Verdrängung brauchen wir nicht wirklich zu fürchten, wenn wir unsere unternehmerischen Aufgaben gut machen. Vielleicht sollten wir mal von dieser Pionier-Dis- kussion Abstand nehmen und einfach sagen: Wir haben ein Modell, tauglich für den nachhaltigen Umbau der Lebensmittelwirtschaft. Lasst uns dar- an arbeiten und das zur Praxis werden lassen. Gute Ideen machen Schule! Und ja, wir sind eine mit- telständische, unternehmergeführte Branche. Wir sind sehr schnell, sehr handlungsfähig und wirk- lich schnell beim Kunden. Wir sind auch ein Teil des Rückgrats dieses wirtschaftlich sehr erfolgreichen Kathrin Jäckel und Tina Andres auf der BNN-Mitgliederversammlung 2019 Landes. Und es ist an der Zeit, mit einem gerüt- telten Maß an Selbstbewusstsein aufzutreten. Also von der landwirtschaftlichen Erzeugung bis hin zum Handel sind wir Wer. Denn wir haben gezeigt, wir können das, was wir predigen. Und wir müs- stem zu verändern, doch noch teurer, es nicht zu Angst vor vermeintlichen Verbotsparteien. Es sen weiterhin zeigen, dass wir weiterentwickeln, tun. Das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfas- geht auch mit positiven Anreizen. Wir brauchen wofür wir angetreten sind. Ich merke nach den er- sungsgerichts hat gezeigt, dass die Gesellschaft an dieser Stelle eine starke Branchenvertretung, sten Gesprächen mit Politikern, wie wichtig es ist, die Politik an vielen Stellen schon längst überholt einen starken Verband und ein gutes Netzwerk, dass genau solche Impulse und Beispiele von hat. Und um nochmals auf Deine Eingangsfrage damit wir unsere Ressourcen gut bündeln können. Handlungsfähigkeit in die Politik getragen werden. nach dem Mut, in große Fußstapfen zu treten, zu Und was ich mir insbesondere auch für den BNN Politiker haben nicht die Zeit und die Möglichkeiten, kommen: Ich möchte meinen Kindern gegenüber wünsche ist, dass wir unsere Basis auf der Ein- sich hinzusetzen und ein neues Wirtschaftssystem später nicht sagen müssen, ich hätte nicht alles zelhandelsebene stärken. Auf unserer Mitglie- von A bis Z zu durchdenken. Sie sind dankbar für getan, was ich konnte, was in meiner Macht stand, derversammlung haben wir gerade die Reduzie- Best-Practice-Beispiele. Und die haben wir en mas- um eine Veränderung herbeizuführen. Und tat- rung der Mitgliedsbeiträge für den inhaberge- se. Und zwar auch solche, die tatsächlich seit ein, sächlich, egal wie diese Wahl ausgeht, genau dar- führten kleineren Einzelhandel beschlossen, um zwei oder drei Generationen am Markt bestehen in sind wir gefordert. Es nicht zu tun, wäre da die Hürden abzusenken und einzuladen, mit uns und eine solide Wirtschaftsbasis aufweisen. sträflich. zusammen eine noch breitere Basis zu sein. Kathrin Jäckel: Dein Wechsel an die BÖLW-Spit- Kathrin Jäckel: Ja, absolut. Wir im BNN werden Tina Andres: Ja, ein wichtiges Signal. Und es macht ze fällt in ein wichtiges Wahljahr. Mit welchen Hoff- auch intensiv fürs Wählen trommeln, und zwar mit Mut, dass Circular Economy und True Cost Ac- nungen blickst Du auf die Bundestagswahl? Was unserer Aktion #Klimawahl2021 im Rahmen der counting Eingang finden in das Denken von gro- versprichst Du Dir für die ökologische Lebens- Kampagne „Öko statt Ego“. Nicht für das Wählen ßen Wirtschaftskonzernen. Es zeigt, dass Er- mittelwirtschaft? einer bestimmten Partei, aber für das Wählen an kenntnisse dort ankommen und dass nachhalti- sich, weil es ja um die notwendige Beteiligung ganz ges Wirtschaften sich in Zukunft lohnen muss. Tina Andres: Ich hoffe sehr, dass wir eine deut- vieler gehen muss. Wir wissen, es wird uns brau- Sonst wirtschaften wir gar nicht mehr. Und wenn liche Regierungsbeteiligung der Grünen haben chen. Es wird die enge Zusammenarbeit aller Ver- wir unsere branchentypische Hartnäckigkeit, un- werden. Unabhängig vom Ausgang der Wahl bände brauchen, in Deutschland genauso wie in seren Innovationsgeist und unsere Politikresilienz wird es für den BÖLW und alle, die ökologisch et- Europa, um Einfluss zu nehmen und Weichen zu tatsächlich in der richtigen Weise kanalisieren und was bewegen wollen, ein intensives, arbeitsreiches stellen und eben nicht nachzulassen im Kampf für einsetzen, dann gibt es viel Hoffnung. Wir haben Jahr. Denn auch wenn man die Zukunftskom- Veränderungen. die Aufgabe mutig voranzugehen, der Weg zurück mission Landwirtschaft zunächst vielleicht belä- ist keine Option. chelt oder als Feigenblatt der Kanzlerin für ihre bis- Nachhaltigkeit darf nicht länger ein Nachteil lang nicht effektive Landwirtschafts- und Um- sein, weder für Unternehmen noch für Verbrau- Kathrin Jäckel: Ich freue mich auf alles, was wir weltpolitik abgetan hat, dieser Diskurs hat etwas cher. Wir brauchen ein Level-Playing-Field, in der in Zukunft zusammen bewegen können! Das wird sehr deutlich zeigt, was den meisten Stakeholdern Nachhaltigkeit ein positiver Wettbewerbsfaktor ist, nicht nur mutig, das wird auch eine große Freu- klar ist: es muss sich gravierend etwas verändern, der sich lohnt auf allen Ebenen. Ich glaube, da de. In diesem Sinne, vielen Dank, liebe Tina, für die- darüber herrscht Einigkeit. Es wird teuer, das Sy- braucht es auch keine Verbote und auch keine ses inspirierende Gespräch.
BNN Nachrichten 2/2021 | BNN aktuell 7 Die Zukunft des BNN und der Branche gestalten BNN-Mitgliederversammlung 2021 im Rückblick Gut 90 Vertreter*innen aus den BNN-Mit- gliedsunternehmen nahmen am 17. und 18. Juni 2021 an der digitalen Mitgliederversammlung des BNN teil. Das Treffen von Hersteller*innen und Groß- und Einzelhändler*innen im BNN stand ganz im Zeichen der Transformation des Branchenverbandes. Mit großer Mehrheit wurde beschlossen, die nächste Phase des 2020 begonnenen Transfor- mationsprozesses „Viva Attacke“ einzuläuten. Nachdem erfolgreich eine Prozessstruktur etabliert werden konnte, arbeiten nun sechs Arbeitsgrup- pen in zwei Themenfeldern bis Juni 2022 am Zu- kunftsbild für Verband und Branche. Überaus en- gagiert sind dabei inzwischen mehr als 80 Mit- arbeiter*innen aus rund 40 Mitgliedsunternehmen. „Dass sich in so kurzer Zeit so viele Menschen aus Nur ein kleiner Ausschnitt der knapp 90 Teilnehmer*innen der diesjährigen Mitgliederversammlung des BNN. Fürs unserem Verband aktiv mit uns in die Transfor- nächste Jahr hoffen wir, wieder gemeinsam an einem Ort tagen zu können – dann passen auch alle aufs Bild. mation begeben haben, freut uns außerordent- lich und berührt tief. Das Ziel, unseren Prozess so kleinere Naturkostfachhändler*innen deutlich zur Vorsitzenden des BÖLW nicht erneut für den offen und partizipativ wie möglich zu gestalten, abgesenkt. „Dies“, so Kathrin Jäckel, „ist ein Signal BNN-Vorstand kandidierte. Die Mitglieder gratu- sehen wir auf einem wirklich guten Weg“, kom- an die Vielzahl der inhabergeführten Fachhan- lierten Tina Andres zur BÖLW-Wahl und dankten mentiert die BNN-Vorstandsvorsitzende Rosi delsgeschäfte, aus denen unsere heute so le- ihr für ihre mehrjährige engagierte Arbeit im BNN- Weber. bendige Branche hervorgegangen ist. Wir werben Vorstand. In der weiteren Wahl wurde Vorstand für noch mehr Beteiligung im BNN und eine Stär- Volkmar Spielberger (Spielberger GmbH) in seinem Auch die BNN-Mitgliederversammlung stand kung unserer Basis als Branche“. Amt bestätigt. ganz im Zeichen des engagierten und zukunfts- orientierten Austauschs. Die intensiven und wert- Große Zustimmung für die Fortführung Bei den Wahlen zum BNN-Kuratorium wurde Sa- schätzend geführten Diskussionen zeigten den tie- von „Öko statt Ego“ scha Damaschun (Bodan Großhandel für Natur- fen Wunsch der BNN-Mitglieder, ihren Verband und kost GmbH) neu ins Amt gewählt. Michael Radau die Zukunft der Branche aktiv zu gestalten, freut Die Fachhandelskampagne „Öko statt Ego“ geht (SuperBioMarkt AG), Sylvia Haslauer (BioMarkt LA sich BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel über in die nächste Runde. Trotz Corona-Pandemie hat VIDA GmbH), Susanne Arndt, (Biogarten Handels die positive Resonanz und ergänzt: „Im Zentrum sich die Ende 2019 gestartete Kampagne vor al- GmbH), Lukas Nossol (dennree GmbH), Erwin Wink- stehen dabei die sozial-ökologische Transforma- lem auf den digitalen Kanälen positiv entwickeln ler (Herbaria Kräuterparadies GmbH) und Stephan tion und die Entwicklung einer zukunftstauglichen können, auch wenn Pandemie-bedingt am Point- Becker (cosmondial GmbH & Co. KG) wurden er- Ernährungswirtschaft vor dem Hintergrund des Kli- of-Sale größere Aktionen wenig wirksam werden neut in ihren Ämtern bestätigt. mawandels. Das schließt die ökologischen Non- konnten (s. auch Beitrag S. 27). Die Mitglieder ent- Food Bereiche wie z.B. Naturkosmetik und Reini- schieden, die Kampagne mit strategischer und Nach mehr als zwei Jahrzehnten verabschiedete gungsmittel aus unserer Sicht ausdrücklich mit kommunikativer Aktualisierung bis Ende 2023 wei- sich Fritz Huber (Chiemgauer Naturkosthandel ein.“ terzuführen. Im Zentrum steht dabei die sozial- GmbH) als Rechnungsprüfer für den BNN. Gremien ökologische Transformation der Lebensmittel- und Mitglieder dankten ihm mit großem Applaus Wachstum und Wandel gut wirtschaft und das klimapolitische Engagement und herzlich für sein außergewöhnliches Enga- ausstatten der Fachhandelsbranche. gement für den Verband. Seine Nachfolge tritt Da- niela Feldt (Bio Company SE) an, die künftig ge- Um künftig über notwendige Ressourcen für die Gremienwahlen meinsam mit Franziska Geyer die Bücher des BNN Modernisierung und Weiterentwicklung des Ver- prüfen wird. bandes zu verfügen, stimmten die Mitglieder für Neu in den BNN-Vorstand gewählt wurde Thomas eine Anpassung der Beitragsordnung, die im sel- Hölscher (Naturkost Erfurt GmbH). Er folgt auf Tina ben Zug die Mitgliedsbeiträge für umsatzbezogen Andres (EVG Landwege), die aufgrund ihrer Wahl
8 Neue Mitgliedsunternehmen im BNN | BNN Nachrichten 2/2021 Herzlich Willkommen in der BNN-Gemeinschaft! Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei Innovativer Bio-Pionier land erntefrisch zu Direktsaft verarbeitet und dann direkt nach Weinstadt transportiert. Die Brüder Thomas und Matthias Maier führen das Familienunternehmen auch in der 3. Gene- ration mit dem Ziel, wertvolle Säfte zur Ergänzung der menschlichen Ernährung herzustellen. Für beide bilden Regionalität und faire Handelsbe- dingungen die Grundlage für ihre langjährigen Partnerschaften mit ihren landwirtschaftlichen Erzeuger*innen. Ein besonders wichtiger Aspekt für eine rundherum gute Produktqualität ist für den Bio-Pionier auch die Verpackung. Aus Über- zeugung verwenden die Beutelsbacher aus- schließlich Glasflaschen. Mit den umweltfreund- lichen Mehrwegflaschen und -kisten tragen sie dazu bei, Müll zu vermeiden und Ressourcen zu schonen. Früher, als der Demeter e.V. noch ausschließlich den Fachhandel belieferte, zählte der regionale, qualitätsorientierte Filialist tegut als Demeter- Die Brüder Thomas und Matthias Maier leiten Beutelsbacher in dritter Generation. Vertragspartner. Als Lizenznehmer folgte Beu- telsbacher den Wünschen von Demeter e.V. und Seit April dieses Jahres sind die Beutelsbacher zum heutigen großen Gemüsesaftsortiment, das lieferte ein kleines Sortiment. Heute verzichtet wieder Mitglied im BNN. erntefrische Gemüse-Direktsäfte wie auch milch- Beutelsbacher bewusst darauf, weitere Kund*in- sauer vergorene Säfte bietet. Alle Demeter Ge- nen außerhalb des Naturkostmarktes mit Beu- Die Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei GmbH aus müsesäfte und Demeter Gemüse-Mischsäfte telsbacher Bio- und Demeter-Produkten zu be- dem schwäbischen Weinstadt im Remstal ist ein werden von Gemüse aus samenfestem Saatgut liefern. Geschäftsführer Thomas Maier: „Die Arbeit Familienbetrieb in der dritten Generation. Seit hergestellt. des BNN passt zu unserem Verständnis von Le- 85 Jahren steht der Name für Qualität und Ver- bensmittelqualität.“ antwortungsbewusstsein gegenüber Natur, Den größten Teil des heimischen Obstes und Ge- Mensch und Umwelt. 1951 startete der Bio-Pio- müses bezieht Beutelsbacher aus der Region. Aktuell beschäftigt Beutelsbacher 50 Mitarbei- nier mit einem eigenen biologisch-dynamischen Das Remstal ist ein traditionsreiches Obstbauge- ter*innen. Das Markensortiment umfasst ca. 120 Obstanbau und produzierte anfangs Direktsäfte biet, in dem mittlerweile 50 Prozent der Obst- Bio-Getränke, davon die Hälfte in Demeter-Qua- aus Beeren und Kernobst. In den 60er Jahren bauern mit Hilfe von Beutelsbacher auf ökologi- lität. Für den Naturkosthandel wird das größte wurde der erste Bio-Traubensaft gepresst. schen Anbau umgestellt haben. Darüber hinaus 0,2l-Sortiment angeboten. fördert das Unternehmen seit Jahrzehnten part- 1971 kam der erste Möhrensaft hinzu. Die Ent- nerschaftliche Demeter-Anbauprojekte in Europa Weitere Informationen unter wicklung weiterer Gemüsesäfte war die Folge bis und Übersee. Südfrüchte werden im Ursprungs- www.beutelsbacher.de
BNN Nachrichten 2/2021 | Neue Mitgliedsunternehmen im BNN 9 Die TOPAS GmbH: Pionier für Fleisch- und Käsealternativen Die TOPAS GmbH wurde als Produzent veganer duzierten Frischeprodukten zu gewährleisten. Fleischalternativen schon 1993 von Klaus Gaiser Schon immer war es für Klaus Gaiser wichtig und gegründet. Mit Fug und Recht darf man das Un- essentiell, die Wheaty Fleischalternativen aus 100 ternehmen mit seiner Fachhandelsmarke WHEATY Prozent Biozutaten herzustellen, ohne die Ver- als Pionier der Biobranche bezeichnen. Fast drei wendung künstlicher Aromen oder anderer Hilfs- Jahrzehnte nach seiner Gründung ist das Famili- stoffe, die der Philosophie der ursprünglichen Bio- enunternehmen weiterhin konzernunabhängig bewegung widersprechen. Die Rohstoffe kommen und wird inzwischen in zweiter Generation vom – soweit irgend möglich – aus Deutschland oder Schwiegersohn Charles-Henry Debal geführt. Klaus Europa. Gaiser ist nach wie vor aktiv im Unternehmen tä- tig, als Leiter der Entwicklung. Geschäftsführer Charles-Henry Debal zur Mit- gliedschaft im BNN: „Bio wächst und damit auch Haupt- und Verwaltungsstandort von TOPAS ist die Nachfrage nach unseren Fleischalternativen. Mössingen, nahe der schwäbischen Alb. Produziert Das bedingt die Notwendigkeit nach einer starken wird das mehr als 30 Produkte umfassende Interessenvertretung für unsere Anliegen und ei- WHEATY-Sortiment in Kernen im Remstal bei nem gemeinsamen Auftreten im hart umkämpften Stuttgart, von wo aus die Aufschnitte, Bratstücke, Lebensmittelmarkt. Mit unserer Mitgliedschaft im Würste und Burger mittlerweile an Kund*innen in BNN sehen wir uns optimal vertreten und freuen aller Welt ausgeliefert werden. uns auf die Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern.“ Rund 120 Mitarbeiter*innen sorgen im Zwei- Bio-Unternehmen in Familien-Hand: Gründer Klaus schichtbetrieb für steten Nachschub, um die wach- Weitere Informationen unter: Gaiser und sein Schwiegersohn, Geschäftsführer sende Nachfrage nach den klimafreundlichen pro- www.wheaty.de Charles-Henry Debal Neues Fördermitglied im BNN: FairBio Verein Der BNN freut sich, mit FairBio ein weiteres För- logie, Soziales und Glaubwürdigkeit überzeugen dermitglied im Verband begrüßen zu können. und wurde dafür als einziges Label mit drei grü- FairBio-Geschäftsführerin Birgit Will stellt den nen Ampeln ausgezeichnet. Verein vor: Der Samen, der einst mit fairen Molkereiprodukten „Komplett Bio, von Anfang an – dafür stehen gelegt wurde, hat mittlerweile in vielen weiteren viele Biopioniere bis heute. Doch der Bio-Boom Sortimentsbereichen wie Käse, Säfte, Backwaren, hat die Branche verändert. Nicht überall, wo Bio Obst und Gemüse, Mehl, Brot und Getreidepro- draufsteht, ist Fairness drin. Mit fairen, partner- dukte erfolgreich Früchte getragen. Auf mehr als schaftlichen Lieferbeziehungen, ehrlichen Prei- 200 Produkten setzt das Siegel inzwischen ein sen, einer nachhaltigen, enkeltauglichen Pro- deutliches Signal für Faires Bio von hier. duktion sowie Transparenz setzt das FairBio Sie- gel ein klares Zeichen. Bio muss fair sein: zur zum Händler die Weichen für Fairänderung und Weitere Mitstreiter für unsere Herzensangele- Natur, zu den Erzeugern und zu den Verbrau- regionales Wirtschaften. Der anspruchsvolle genheit sind uns jederzeit herzlich willkom- chern – auch vor unserer eigenen Haustür. Standard belegte im Vergleich von 60 Siegeln für men.“ ethischen Konsum von #Labelchecker jüngst Seit 2008 stellen die Mitglieder des FairBio Ver- bei Lebensmitteln den ersten Platz in der Ge- Mehr zu FairBio unter: eins damit vom Landwirt über den Hersteller bis samtbewertung. FairBio konnte in puncto Öko- www.fairbio.bio
10 BNN aktuell | BNN Nachrichten 2/2021 „Muss es immer alles im Warensortiment geben?“ Corona, Klimawandel und Umbrüche am Markt: Die Bio-Branche steht vor großen Heraus- forderungen. Thomas Börkey-Biermann, Geschäftsführer der Ökoring Handels GmbH, plädiert für mehr Mut und Wertebewusstsein. Und dafür, von den Jungen zu lernen. Wir blicken auf 18 Monate Corona-Pandemie sundheit unserer Mitarbeiter*innen zu schüt- darum, dass faire Preise verhandelt werden und zurück. Wie hat Euer Unternehmen diese Zeit zen. In einem Team mit 30 verschiedenen Na- auch die Mitarbeiter*innen fair entlohnt werden. erlebt? tionalitäten stand da vor allem viel kommuni- Das müssen wir alle stärker im Blick haben. kative Arbeit an. Es waren ziemlich turbulente Zeiten. Wir wur- Der Klimawandel ist eine weitere große Her- den schon früh mit der Corona-Pandemie kon- Der Fachhandel verzeichnete in der Pande- ausforderung für unsere Branche. Der ökologi- frontiert, weil wir auch Kund*innen aus Öster- mie Umsatzzuwächse. Traf das auch auf Euch sche Landbau reagiert sensibler auf Klimaex- reich und Südtirol beliefern. Wir mussten zu? treme als die konventionelle Landwirtschaft. schauen, wie wir sie beliefern, ohne dabei die Wir werden uns daher zukünftig stärker mit Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen zu ge- Ja, die Nachfrage nach unseren Produkten ver- Rohstoffknappheiten beschäftigen müssen. fährden. Dann folgte der erste Lockdown – lagerte sich stärker in den Fachhandel. Wir lie- Und da wären wir wieder bei der Frage: Muss es Kantinen und Hotels wurden geschlossen. Das fern bereits seit unserer Gründung 1993 Ökoki- immer alles im Warensortiment geben? Brau- hat uns besonders getroffen, da wir rund 18 sten an Verbraucher*innen. Hier legten die chen wir wirklich Erdbeeren zu Weihnachten? Prozent unserer Umsätze mit Außer-Haus-Ver- Anfragen ebenso zu. Zweitweise mussten wir Ich meine, nein! Setzen wir lieber konsequent pflegung machen. Unsere Lager waren randvoll neue Kund*innen auf Wartelisten setzen, um auf bio-regionale und saisonale Landwirtschaft. mit Frischewaren. Wir reagierten schnell und die Anfragen abarbeiten zu können. Und dann spendeten die Waren an Tafeln und karitative gab es im vergangenen Jahr zwei Wochen lang Verbraucher*innen sollten sich also in Einrichtungen. Und wir haben umgehend um- Hamsterkäufe im Einzelhandel. Einige Filiali- Verzicht üben. Ist das denn realistisch? fassende Maßnahmen getroffen, um die Ge- sten rannten uns förmlich die Bude ein. Das war eine ziemlich stressige Zeit. In so einer Si- Ich sehe hier einen gesamtgesellschaftlichen tuation packen wir dann alle im Lager mit an. Lernprozess. Begeben wir uns als Gesellschaft auf eine Bildungsreise! Und holen wir die Poli- Angesichts der Umbrüche in Markt und Ge- tik mit ins Boot, denn die Bildungsreise beginnt sellschaft: Welche zwei größten Herausfor- bei unseren Kindern in Kindertagesstätten und derungen seht Ihr für die Bio-Lebensmittel- Schulen. Es gibt viele junge Menschen, die ver- wirtschaft? standen haben, dass wir nicht immer alles „ha- ben“ müssen. Verzicht ist nicht immer einfach, Ich denke die Nachfrage wird uns beschäftigen; zumal wir gewöhnt sind, alles zur Verfügung zu sie steigt glücklicherweise. Aber wie kann die haben, was wir benötigen. Das darf dann auch Branche diese Nachfrage zukünftig bedienen? fast nichts kosten. Lernen wir mehr Wertschät- Wie gestalten wir unser Angebot? Hier sollten zung für Lebensmittel und bewussten Konsum. wir ehrlich zu uns sein: Wenn es etwas nicht gibt, dann gibt es das eben nicht! Es drängen Discounter und große Handelsketten setzen vermehrt Trittbrettfahrer auf den Markt, die das auf Bio. Wie sollten die Bio-Pioniere mit die- schnelle Geld verdienen wollen, weil es im kon- ser Entwicklung umgehen? ventionellen Lebensmittelhandel nichts mehr Thomas Börkey-Biermann, einer von zwei zu holen gibt. Wie gehen wir damit um? Ich Zunächst finde ich es per se nicht schlecht, Geschäftsführern der Ökoring Handels glaube, wir sollten unseren Tugenden, mit de- dass auch Discounter ihr Bio-Sortiment aus- GmbH, ist mit seinen 56 Jahren stolzer drei- nen wir in der Branche mal angetreten sind, bauen. Sie reagieren im Endeffekt auf etwas, facher Opa –und nicht nur deswegen stets treu bleiben und diese mehr denn je vertreten. was die Gesellschaft fordert. Schließlich bin ich in Bewegung. In seiner Freizeit radelt er am Da sind wir beim Thema Lieferkettengesetz. Es einmal dafür angetreten, dass Bio-Produkte für liebsten in der Natur. Damit die Schönheit ist wichtig, sich die Partnerbetriebe, also Erzeu- alle Menschen erreichbar und erschwinglich der Natur auch seinen Enkelkindern er- ger*innen und Hersteller*innen, genau anzu- sind. Andererseits machen solche Entwicklun- halten bleibt, ist Nachhaltigkeit die Maxi- schauen: Wie machen sie Bio? Einerseits ist es gen auch erstmal Sorge. Aber wir sollten es me seines Handelns. wichtig, die Qualität und den Ertrag genau im eher als Herausforderung sehen, die es anzu- Blick zu behalten. Andererseits geht es auch nehmen gilt. Der konventionelle Lebensmittel-
BNN Nachrichten 2/2021 | BNN aktuell 11 Ökoring Handels GmbH Der süddeutsche Biogroßhandel mit Sitz in Mammendorf bei München führt rd. 12.000 Bioartikel und beliefert Naturkostläden, Hofläden, Verarbeiter, Kantinen sowie Ho- tellerie und Gastronomie aus dem Raum Bayern, Österreich und Südtirol. 1993 ge- gründet, beschäftigt das Gemeinwohl-Öko- nomie-Unternehmen 150 Mitarbeiter*innen aus 30 Nationen. Das Unternehmen wird ge- meinsam geleitet von Thomas Börkey- Biermann und Christoph Weigl. Ökoring ist seit 2003 Mitglied im BNN. markt hat sich kaputt gewirtschaftet und sucht Klima- und Umweltschutz stehen bei Ju- sich, gehen gemeinsam auf die Straße und for- nun nach neuen Wegen, Geld zu verdienen. Als gendlichen hoch im Kurs, wie auch „Friday’s dern den politischen Wandel. Wir sollten sie Bio-Branche haben wir diese Entwicklung ge- for Future“ zeigt. Welche Rolle kann die Ju- ausreden lassen – denn wir können viel von ih- wissermaßen verpennt. Wir hätten uns schon gend für den Wandel in Politik und Gesell- nen lernen! In unserem Unternehmensalltag früher gemeinsam die Frage stellen sollen, wo schaft spielen? sehen wir, wie positiv die Impulse der jüngeren wir als Branche hinwollen. Wir fragen uns im- Generation Ökoring bereichern. Es waren die mer wieder: Was macht Ökoring in fünf Jahren Die junge Generation spielt eine ganz, ganz jungen Mitarbeiter*innen, die uns für Social noch aus? Warum sollen die Kunden bei uns entscheidende Rolle. Sie hat es geschafft, ihren Media begeistern konnten. Heute gehören die einkaufen? Wir sollten uns darüber definieren, Positionen und Forderungen mit einfachen Mit- Kanäle fest zu unserem Marketingmix. wie nachhaltig wir sind und dies selbstbewusst teln Gehör zu verschaffen und somit Druck auf mit der Öffentlichkeit teilen. die Politik auszuüben. Die jungen Menschen Das Interview führte René Neumann. nutzen die sozialen Medien optimal, vernetzen Fotos: ©Ökoring Für guten Geschmack ist weniger mehr! BNN-Aromenempfehlung zum Einsatz von Aromen aktualisiert Mit der BNN-Aromenempfehlung vereinbarten am 1. Januar 2022 in Kraft tritt, strengere Krite- BNN-Anforderungen an die einzelnen Katego- die BNN-Mitgliedsunternehmen im Jahr 2004, rien zur Aromatisierung von Bio-Lebensmitteln rien überarbeitet und nachgeschärft worden. Bio-Lebensmittel vorrangig mit Öko-Lebens- vorgeben. So dürfen nach neuem EU-Ökorecht Zudem enthält die neue Version keine Ausnah- mitteln und Öko-Aromaextrakten zu aromati- nur noch natürliche Aromen aus dem namens- meregelung mehr für Genussprodukte. sieren. Damit etablierten die BNN-Unterneh- gebenden Rohstoff verwendet werden. Diese men einen privatrechtlichen Standard, der über und weitere Änderungen sind nun mit der In der aktualisierten Fassung der BNN-Aro- die gesetzlichen Vorgaben der EU-Öko-Verord- Aktualisierung der BNN-Aromenempfehlung menempfehlung sind alle Anforderungen und nung hinausging. Für die Verwendung von Aro- berücksichtigt worden. Dabei sind auch die Vorgaben an die BNN-Aromakategorien über- men im Naturkosthandel bietet die BNN-Aro- sichtlich in Tabellen zusammengefasst und menempfehlung seitdem wichtige Orientierung beschrieben. Die Aromenempfehlung ist im für die Herstellung und schafft durch ihr Kenn- Downloadbereich der BNN-Website zeichnungssystem Transparenz für die Han- (www.n-bnn.de) abrufbar. delsstufen. Mehr als 17 Jahre danach wird nun auch die neue EU-Öko-Verordnung (Nr. 2018/848), die
12 Bio & Nachhaltigkeit | BNN Nachrichten 2/2021 Pfand-tastisch Bio-Startups gegen Plastikmüll Der beste Müll ist bekanntlich der, der nicht entsteht. Einige Bio-Startups füllen daher neue Produkte wie Passata, Linsen oder Nussmus in das gute, alte Joghurt-Pfandglas. Klingt super, ist super – hat aber doch noch ein paar Haken. ©fairfood Freiburg 72 Kilogramm Verpackungsmüll. So viel verursacht Selbstverständlichkeit geblieben. Und auch Aber geht da nicht noch viel mehr als Milch und jede und jeder von uns im Durchschnitt pro Jahr. Milch, Sahne und Joghurt gab es immer auch im Joghurt? Zum Beispiel Bio-Fruchtpüree aus Das ist die offizielle Zahl vom Statistischen Pfandglas aus dem Milch-Mehrweg-Pool. Re- Brasilien? Schon vor acht Jahren hatte Jonas Bundesamt, trocken und abstrakt. Aber sie steht gionale Kreisläufe mit kurzen Transportwegen Schmidle von Bananeira diese Idee und wagte ei- für einen unglaublichen Berg an Folien, Dosen, und häufige Neubefüllung sorgen dabei für die nige Pilot-Abfüllungen - war damit aber einfach Kartons, Plastikschalen und Einwegflaschen. beste Ökobilanz. Tatsächlich schaffen Glasfla- zu früh dran. Erst 2018 zündete der Funke rich- Vor allem Verpackungen mit mehreren Schich- schen bis zu 50 Runden, und auch danach geht tig, denn mittlerweile waren Müllproblem und Pla- ten wie Chipstüten und Getränkekartons lassen es weiter, denn aus Altglas lässt sich hervorra- stikkrise ein Riesenthema und „Zero Waste“ eine sich nur teilweise bis gar nicht recyceln, so dass gend neues Pfandglas herstellen. Glas hat au- Bewegung geworden. Das erste und nach wie vor Deutschland einen Großteil des Plastikmülls ßerdem den Vorteil, dass keine Fremdstoffe ins am besten laufende Bananeira-Produkt im verbrennt oder exportiert. Lebensmittel übergehen. Das passiert bei Pla- Mehrwegglas war Tomaten-Passata. Schnell er- stik und Altpapier immer wieder. Einweg-Pla- kannten weitere Bio-Startups die Vorteile von Mehrweg vermeidet Plastikmüll und Ressour- stikflaschen können zum Beispiel je nach Mehrweg: fairfood Freiburg füllt vor allem Nüs- cenverschwendung. Anders als in den Discoun- Lagerdauer, Licht und Temperatur Chemikalien se, Nussmus, Trockenfrüchte und neu auch tern und im Supermarkt ist Mehrweg bei Saft, wie Acetaldehyd, Antimon und hormonaktive Nussbolognese und veganes Pasta-Topping ins Wasser und Bier im Bio-Fachhandel eine Substanzen abgeben. Joghurtglas, die Firma blattfrisch diverse Fein-
BNN Nachrichten 2/2021 | Bio & Nachhaltigkeit 13 kostsalate, wie zum Beispiel Farmersalat und ei- ser des Milch-Mehrweg-Pools nutzen, also Her- nen veganen Eiersalat, aber auch Milchreis und steller, Abfüller, Großhändler und Molkereien, aber Birchermüsli. Diese und immer neue Unterneh- auch an Neueinsteiger, die zum ersten Mal Le- men bringen ordentlich frischen Wind in das bensmittel in Gläser des Milch-Mehrweg-Pools Mehrweg-Engagement der Biobranche. Durch Ko- abfüllen. Dabei geht es nicht nur um die richti- operationen mit Alnatura erreichen sie seit Mai gen Etiketten und den richtigen Leim, sondern 2020 zusätzliche Kund*innen. Erhältlich sind fair- auch um einen zuverlässigen Glas-Kreislauf, food-Produkte, Tees vom Berliner Karma-Kollektiv damit Mehrweg wirklich umweltfreundlich ist, und und seit einem Jahr von Bananeira unter der Mar- um eine faire Lastenverteilung beim Spülen. Da ke „Pfandwerk“ unter anderem Passata, Ketch- die Investition für junge Unternehmen zu Beginn up, Linsen, Reis und Rohrohrzucker. Mehrere Re- zu groß wäre, können sie zunächst Spülkoope- gionalgroßhändler setzen ebenfalls auf „trockene“ rationen vereinbaren. „Für kleine Unternehmen Produkte im Mehrwegglas, zum Beispiel Natur- ist eine Etikettiermaschine oder eine Waschstraße kost Erfurt mit seinen „Goldgläschen“, Kornkraft einfach eine sehr große Hürde“, betont Sarah mit der eigenen Hausmarke und Rinklin mit „Rin- Hausmann. klins Bio – clever verpackt“. Wenn alle sich an den Vorgaben orientieren, Etiketten in der Waschstraße Sarah Hausmann von Fairfood spart der Mehrweg-Pool am meisten Energie, weil keine zusätzlichen Wasch- und Reini- Die bekannten Joghurt-Pfandgläser haben den en braucht. So entstand der Leitfaden zur Nut- gungsgänge anfallen, es weniger Schäden am großen Vorteil, dass ein bestehendes Mehrweg- zung des Milch-Mehrweg-Pools (siehe Kasten auf Glas gibt und die Gläser maximal häufig ihre system mit etablierter Infrastruktur genutzt Seite 14), erstellt mit tatkräftiger Unterstützung Runden zwischen Abfüllung, Großhandel, Läden, wird - und dass auch die Umverpackung für den von Tobias Bielenstein von der Arbeitskreis Verbraucher*innen und zurück drehen. Zusätz- Transport eine Pfandkiste ist. Trotzdem war der Mehrweg GbR. Dieser Arbeitskreis hat sich bis- liche dezentrale Spülstationen in jeder Region Start mit Nussmus und Co. im Pfandglas strek- her vor allem um Mehrweg bei Wasser und Bier würden die Öko-Bilanz des Systems noch wei- kenweise holperig. Einige Molkereien entdeck- gekümmert und vergibt das runde Mehrweg-Zei- ter verbessern. Wichtig ist dabei auch die Mit- ten plötzlich Etiketten in ihrer Spülstraße, die sich chen „Für die Umwelt“. „Die AG im BNN ist Gold arbeit der Bio-Kund*innen: Flaschen und Gläser nicht ablösen wollten. Dann wieder gingen Eti- wert als Austauschforum“, sagt Sarah Hausmann sollten möglichst schnell zurück in den Kreis- ketten zwar ab, lösten sich aber nicht auf und ver- von fairfood, „gerade auch gemeinsam für die Zu- lauf, und dies immer mit Deckel, damit sie nicht stopften die Anlage. In der Arbeitsgruppe Mehr- sammenarbeit mit dem Bio-Großhandel und beschädigt werden, und ohne problematische weg im BNN kamen die Probleme auf den Tisch. den Molkereien.“ Und Georg Neubauer von Blatt- Verschmutzung durch „kreative“ Nutzung. Also Besonders engagiert haben sich dabei die vier frisch ergänzt: „So ein cooler Austausch, so ein niemals Motorenöl, Zigarettenstummel oder Startups der Initiative „Vier für alle“: Bananeira, Wohlwollen gegenüber den anderen. Ich würde Putzmittel einfüllen! Eine andere Sorge konnte fairfood, GutDing und Karma Kollektiv. Schnell behaupten, wenn es da zu viele Egoismen gäbe im Milch-Mehrweg-Pool nach Spül-Tests aus- wurde deutlich, dass es gemeinsame Richtlini- und nicht den Willen zu einem guten Aus- geräumt werden: Es gibt keinerlei Probleme mit tausch, dann würde das Thema Mehrweg nicht Rückständen von Nüssen, die für Allergiker ein funktionieren.“ Problem sein könnten. Frischglas ist ebenfalls ein Thema in der Mehrweg-AG: Wer kauft wie Seit November 2020 liegt der Leitfaden von viel nach – und wie kommt gespültes Glas vom „Vier für alle“ und dem Arbeitskreis Mehrweg nun Großhandel zurück auch in die kleineren Unter- vor. Er richtet sich an alle Unternehmen, die Glä- nehmen, die sie wieder befüllen wollen? Vier für alle – Acht für alle „Vier für alle“ erinnert an „Acht für alle“. Unter die- sem Namen gab es vor 30 Jahren schon einmal ein gemeinsames Mehrwegsystem in der Na- AG Nachhaltige Verpackungen turkostbranche, koordiniert von der Arbeitsge- meinschaft für Abfallvermeidung (AfA). Mehre- Im BNN ist „Nachhaltiges Verpacken“ ein re Unternehmen hatten sich damals auf acht ein- Schwerpunkt der Nachhaltigkeitsarbeit. In heitliche Glasformen geeinigt. Die gute Idee schei- mittlerweile drei Arbeitsgruppen treffen terte allerdings aus unterschiedlichen Gründen. sich online regelmäßig rund 25 Interes- Es gab nicht genügend Teilnehmer*innen, der sierte und Engagierte aus den Mitglieds- Glas-Rücklauf war zu gering und die Spülsta- unternehmen, um neue Ideen zu disku- tionen nicht professionell genug für die sehr un- tieren, Praxisprobleme zu lösen und sich terschiedlichen Lebensmittel wie Honig und auszutauschen. Aufstriche. Es gab auch nur zwei Spülstationen, so dass weite Transporte die Bilanz verhagelten. Georg Neubauer von Blattfrisch
14 Bio & Nachhaltigkeit | BNN Nachrichten 2/2021 Grundsätzlich gilt: Je mehr Hersteller einheitli- dagegen bei sehr leichten Produkten das Ver- che Poolflaschen oder Poolgläser nutzen, umso hältnis zwischen Verpackung und Produktmen- reibungsloser und klimafreundlicher wird ein ge nicht, zudem der Einwegdeckel nur unter grö- Mehrweg-System. „Vielleicht brauchen wir eine ßerem Energieaufwand recycelt werden kann. zusätzliche Glasform, aber wir sollten kein kom- Nicht nur das Verpackungsmaterial entscheide plett neues System aufziehen“, meint daher Jo- über die Umweltfreundlichkeit, heißt es in der nas Schmidle von Bananeira. Das bestehende Sy- Studie vom Institut für ökologische Wirt- stem funktioniere und sei bekannt. Auch Georg schaftsforschung (IÖW) und dem Institut für Ener- Neubauer von Blattfrisch sieht die Notwendig- gie und Umweltforschung (ifeu). keit für das eine oder andere neue Glas-Format, zum Beispiel, um die Waschbarkeit zu verbessern, Bei fairfood zum Beispiel kam Papier als Alter- aber auch, um passende Größen für Marmelade native zum Plastikbeutel dennoch nicht in Fra- und Aufstriche zu haben. Künftig brauche es au- ge, weil Nüsse und Trockenfrüchte darin aus- ßerdem viele dezentrale Waschlösungen, nicht nur trocknen. Und bei biologisch abbaubarem Pla- die Waschstraßen der Molkereien. Und auch bes- stik ist die Abbauzeit zu lang für kommunale sere Daten zum System: Wie hoch sind die Kompostanlagen, so dass die Verpackungen im Rücklaufquoten wirklich, wie viel Glasbruch gibt gelben Sack landen. Herkömmliches Plastik es und wo, was lässt sich im Prozess optimieren? wollte das Unternehmen für die hochwertigen Jonas Schmidle von Bananeira Nüsse und Trockenfrüchte aber nicht länger Nicht immer gute Ökobilanz im Glas nutzen. Sarah Hausmann von fairfood sieht das die auf leichte und modulare Mehrweggefäße aus Engagement im Milch-Mehrweg-Pool außerdem Edelstahl, Borosilikatglas und Kunststoff setzt. Auf Dauer ist das recht schwere Glas aber wohl als einen Weg, das Denken über Verpackungen nicht die einzige Lösung für Mehrweg. So hat sich zu verändern, eine Bewegung anzustoßen. „Es Georg Neubauer blickt noch weiter in die Zukunft: im Forschungsprojekt „Innoredux“ herausge- geht auch um Plastikvermeidung zum Schutz vor „Es ist ein Start, dass Unternehmen mit dem stellt, dass die Ökobilanz für Trockenprodukte Mikroplastik. Unverpackt ist die nachhaltigste Va- Milch-Mehrweg-Pool die Möglichkeit haben, in wie Mandeln oder Nudeln am besten riante, aber wir haben heute andere Kon- das Pfandsystem einzusteigen. Aber dabei kann ist, wenn sie unverpackt verkauft sumgewohnheiten, die müssen abge- und darf es nicht bleiben, das kann nur der er- werden oder in leichten Ver- deckt werden, es gibt mehr Single- ste Schritt auf dem Weg zu einem anerkannten packungen und größeren Por- haushalte, und wir sind mehr un- Mehrwegsystem sein. Man muss den Unterneh- tionen. Beim Pfandglas stimmt terwegs.“ Wünschenswert seien men gute Alternativen bieten, damit auch grö- zum Beispiel mehr Innovationen ßere Player am Ende mitmachen können und bei Mehrweg aus Mono-Kunst- auch nicht so viele Ausreden haben. Mehrweg ist stoffen. Auch Mehrwegdeckel für auf jeden Fall das, was wieder ansteht –der Zeit- Leitfaden für den Pfandglas würden die Ökobilanz ver- geist ist weit genug und die Gesetzeslage tut das Milch-Mehrweg-Pool bessern. Die bisherigen werden recycelt ihre dazu“ Der Bio-Fachhandel habe das Thema – zumindest der Weißblechanteil –denn die Ge- dankbar aufgenommen. Sarah Hausmann erin- Im bundesweit etablierten System für fahr ist zu groß, dass die Dichtung beschädigt ist nert aber auch daran, dass eine Zusammenarbeit Milch-Mehrweg zirkulieren vier verschie- und die abgefüllten Lebensmittel dann nicht mehr mit konventionellen Molkereien, die auf Pfand set- dene Glasbehälter, jeweils in Weiß und sicher sind. Auf der Suche nach neuen Mehr- zen, ein wichtiger Schritt wäre, da dort viel grö- Braun: das 250-Gramm-Sahneglas, das weglösungen ist zum Beispiel Circolution GmbH, ßere Glasmengen im Umlauf seien. Georg Neu- 500-Gramm-Joghurtglas, die Ein-Liter- Milchflasche und die 0,5-Liter-Sahnefla- sche. Für alle vier gibt es genormte Mehr- weg-Pfandkisten für den Transport. Das offene Poolsystem wird von bio-zer- tifizierten und konventionellen Unter- nehmen genutzt. Der neue Leitfaden richtet sich zunächst aber nur an Bio-Un- ternehmen. Damit Qualität und Funkti- onsfähigkeit aufrechterhalten bleiben, gilt für Nutzer*innen unter anderem: • nass- und laugenfeste Etiketten- Papiersorten verwenden, um Wasch- straßen nicht zu beschädigen • Etiketten mit wasserlöslichem Nassleim befestigen • Spülmöglichkeit für gebrauchte Gläser schaffen oder übergangsweise Spülkooperationen vereinbaren • möglichst PVC-, BPA- und Weich- macher-freie Deckel verwenden Beispiel Mehrwegkreislauf von Bananeira
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