Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren

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Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren
2/2021

BNN
nachrichten

Mut
Der Weg zurück ist
keine Option.
Tina Andres im Gespräch
mit Kathrin Jäckel

Der Planet leidet –
noch haben wir die Wahl.
#Klimawahl21

Pfand-tastisch
Bio-Startups
gegen Plastikmüll
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2   Inhalt | BNN Nachrichten 2/2021

Inhaltsverzeichnis
                                      BNN AKTUELL

                                      „Wir haben die Aufgabe, mutig voranzugehen. Der Weg zurück ist keine Option.“
                                      Kathrin Jäckel im Gespräch mit Tina Andres                                                    04
                                      Die Zukunft des BNN und der Branche gestalten
                                      Rückblick auf die BNN-Mitgliederversammlung 2021                                                  07
                                      Neu im BNN: Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei, Topas und als Fördermitglied: FairBio e.V.      08
                                      „Muss es immer alles im Warensortiment geben?“
                                      Interview mit Thomas Börkey-Biermann, Ökoring Handels GmbH                                        10

    04                                BNN-Aromenempfehlung: Für guten Geschmack ist weniger mehr!                                       11

                                      BIO & NACHHALTIGKEIT

                            12        Pfand-tastisch: Bio-Startups gegen Plastikmüll
                                      Trockenprodukte im Pfandglas – drei junge Unternehmen zu ihrem Geschäftsmodell                    12

                                      MITGLIEDER AKTUELL

                                      Diesmal von und mit:
                                      Terra Naturkost, Biomarkt La Vida, fairfood Freiburg, EVG Landwege, Ökofrost, LaSelva, Sodasan,
                                      Spielberger Mühle, Kornkraft Naturkost, Neumarkter Lammsbräu, Grell Naturkost, Cosmondial,
                                      Byodo, Upländer Bauernmolkerei, Bodan, Naturkost Erfurt, AlmaWin, Bauck, Sonett, Mount
                                      Hagen/Wertform, Veggie Specials, Moin Bio Backwaren, Brodowin, TerraSana, Bio Company,
                                      Barnhouse, Rheinsberger Preussenquelle, Holle Babyfood, ebl-naturkost, basic AG,
                                      Bio Planète/ Ölmühle Moog, Biomarkt Niederkassel, livQ, Taoasis und Herbaria                      16

                                      KAMPAGNE

                                      Der Planet leidet – noch haben wir die Wahl!
                                      Öko statt Ego ruft zur #Klimawahl2021 auf                                                         27

    28                                GASTBEITRAG

                                      Mut zur Veränderung – Mut, Politik zu machen“
                                      Gastbeitrag von Maria Krieger, Bundestagskandidatin für Bündnis90/Die Grünen                      28

                                      NATUR & UMWELT

                                      Bio-Mineralwasser –Trinken für den Ökolandbau
                                      Dr. Franz Ehrnsperger im Gespräch                                                                 29

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Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren
BNN Nachrichten 2/2021 | Editorial                    3

Editorial

Liebe Leser*innen,

unsere zweite Ausgabe in diesem Jahr hat den                      Jahre „Weiter so“ und „Hauptsache Wohlstand
Schwerpunkt Mut. Und wenn ich mir die Nach-                       und Wachstum“ das Programm sind? So oder
richten der vergangenen Wochen ansehe,                            so wird es Mut und Beharrlichkeit brauchen,
dann brauchen wir den auch. Die Waldbrände                        unsere Themen und unseren Einsatz für die
in Südeuropa und Amerika, die Flut im Westen                      sozial-ökologische Transformation der Ernäh-
Deutschlands, der Bericht des Weltklimarates                      rungswirtschaft an die Entscheider*innen zu
– das alles macht Angst. Mich hat es bis in den                   bringen. Wir haben darüber mit Tina Andres,
Urlaub verfolgt, als ich eines nachts meine                       die ab November den Vorsitz im Spitzenver-
jüngere Tochter weinend und schlaflos in ihrem                    band BÖLW übernimmt, gesprochen (Seite
Bett fand. Es hat gedauert, bis sie mir erklären                  4-6) und mit Maria Krieger, die als junge
konnte, was sie hat. „Mama, ich hatte mir vor-                    Mutter und Unternehmerin aktuell für den
genommen, ganz, ganz alt zu werden, bevor                         Bundestag kandidiert (Seite 28).
ich sterbe. Aber das geht gar nicht, weil der
Klimawandel …“. Es hat mir das Herz gebrochen.                    Apropos Hoffnung: Die ziehe ich (nicht nur
                                                                  heute) aus den unglaublich vielen Meldungen
Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, son-                     unserer Mitglieder, die diesmal in den BNN-
dern die Tapferkeit im Angesicht der Angst. Es                    Nachrichten sind. Wir haben unser Heft um
ist wichtig, dass wir uns von den vielen furcht-                  sage und schreibe ACHT Seiten vergrößert,
baren Nachrichten nicht lähmen lassen, die                        um sie alle unterbringen zu können. Und jede
überdeutlich zeigen, dass JETZT Realität ist,                     einzelne zeugt von dem enormen Einsatz un-                        Ich wünsche Euch und Ihnen eine ermutigende
wovor die Wissenschaft seit über dreißig Jah-                     serer Mitglieder, diese Welt jeden Tag ein                        und inspirierende Lektüre mit dieser neuen
ren warnt. Wir dürfen unter keinen Umständen                      bisschen besser zu machen. Für die Men-                           Ausgabe der BNN-Nachrichten. Bis zur näch-
nachlassen in unserem Bemühen um Verände-                         schen, für die Umwelt, für die Gesellschaft                       sten Ausgabe im Dezember wird viel passie-
rung. Deshalb trommeln wir mit unserer Fach-                      (ab Seite 16). Da geht was und ich habe das                       ren: Wir werden uns – Stand heute – auf den
handelskampagne „Öko statt Ego“ für die                           deutliche Gefühl, dass das immer noch der                         Bio Messen wieder begegnen, wir bekommen
#Klimawahl (Seite 27) und wünschen uns, dass                      Anfang ist.                                                       – hoffentlich – eine klimafokussierte neue
unsere Kampagnenpartner*innen ihre Reich-                                                                                           Bundesregierung und wir werden – mit Freu-
weite zusammen mit uns nutzen, um so viele                        Und das, obwohl wir ja nun keine junge Bran-                      den – neue Nachrichten für den nächsten
Menschen wie möglich zu erreichen. Und wir                        che mehr sind. Welche Rolle die Jugend für die                    Schwerpunkt sammeln. Der lautet: Herz.
werden am 24. September gemeinsam mit Fri-                        Weiterentwicklung der Bio-Wirtschaft spielt,
days for Future beim letzten großen Klima-                        darüber erzählt dieses Heft einiges: Sei es vom                   In diesem Sinne und wie immer herzlich
streik vor der Bundestagswahl sein.                               Mut junger Startups, mit Mehrweglösungen
                                                                  Plastikmüll zu vermeiden (ab Seite 12) oder sei
Auf die Politik richten sich im Moment glei-                      es vom Mut, sich von der Jugend inspirieren
chermaßen Hoffnung und Frust. Wird die neue                       und herausfordern zu lassen (ab Seite 10).
Bundesregierung die Klimakrise zu der Priori-                     Oder vom Mut, gegen einen Unternehmens-
tät machen, die sie dringend sein muss? Oder                      riesen wie Danone für die Qualität von Wasser
steht zu befürchten, dass noch einmal vier                        zu streiten (ab Seite 29).                                        Kathrin Jäckel

Impressum
BNN Nachrichten: Mitgliederzeitschrift des BNN für die Biobranche // Drei Ausgaben pro Jahr // Druckauflage 1.000 // Herausgeber: Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V., Michaelkirch-
straße 17/18, D-10179 Berlin, Tel: +49 (0)30/847 12 24 44, E-Mail: kontakt@n-bnn.de, Internet: www.n-bnn.de // V.i.S.d.P.: Kathrin Jäckel // Redaktion: Marion Schlage (Chefredaktion), Katrin
Hehberger, Hans Kaufmann, René Neumann, Dirk Müller // Autor*innen dieser Ausgabe: Leo Frühschütz, Kathrin Jäckel, Maria Krieger, Dirk Müller, René Neumann, Katja Niedzwezky, Marion Schlage //
Gestaltung: Martina Puchalla für Zitrusblau, Berlin // Fotorechte für alle Fotos der Seiten 16-26 liegen bei den jeweiligen Unternehmen, wenn nicht anders vermerkt / Fotorechte ohne Angabe auf den
übrigen Seiten: BNN e.V. // Titelfoto: ©Canva/rogierstock // Nachdruck oder Verbreitung nur mit Genehmigung der Redaktion // Inserent*innen dieser Ausgabe: AlmaWin (S. 26), Sonett (S. 31) und
Ökoland (U4).

Redaktionelle Anmerkung: Wir gendern i. d. R. mit Sternchen*, sofern nicht weibliche und männliche Sprachformen zusammen genannt werden. Das Sternchen verweist zugleich auf andere Geschlechter,
die sich weder männlich noch weiblich definieren. Namentlich gekennzeichnete Gastbeiträge stellen Meinungsbeiträge dar, die nicht unbedingt der Meinung der Redaktion entsprechen.

Druck und Papier: CO2-neutraler Druck mit mineralölfreien Druckfarben, Papier: 100% Altpapier (EU Ecolabel, Blauer Engel).
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4     BNN aktuell | BNN Nachrichten 2/2021

                                „Wir haben die Aufgabe, mutig voranzu-
                                gehen. Der Weg zurück ist keine Option.“
Tina Andres (EVG Landwege), bis Juni vier Jahre lang Vorständin im BNN und seit April gewählte Nachfol-
gerin von Felix Prinz zu Löwenstein beim BÖLW, im Gespräch mit BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel
über aktuelle Herausforderungen für den BNN, die Biobranche und global.

Kathrin Jäckel: Liebe Tina, herzlich willkommen zu     Herausforderungen des Klimawandels, auch und          ich merkte, es war ernst gemeint. Lieber Himmel,
unserem digitalen Gespräch zum Thema Mut! Be-          vor allem für die Generation meiner Kinder, habe      ja, das sind tatsächlich große Fußspuren. Und ich
vor wir anfangen: Ich gratuliere Dir auch hier noch-   ich mir in den letzten Jahren sehr die Frage ge-      werde auch nicht versuchen, eine weibliche
mal von Herzen zu Deiner Wahl an die BÖLW-Spit-        stellt, was ich persönlich über Landwege hinaus       Nachfolgerin von Felix zu sein. Das ist zum Schei-
ze. Du bist mit überwältigender Mehrheit gewählt       für die notwendige gesellschaftliche Transforma-      tern verurteilt. Ich werde das hineinbringen, was
worden und wirst das Amt ab November antreten.         tion tun kann. Und hier bietet mir das Leben und      ich mit meiner Persönlichkeit, mit meinen Erfah-
Und damit sind wir sofort bei unserem Thema Mut,       der BÖLW den Hebel genau dafür. Bei aller Her-        rungen, kann. Es ist tatsächlich auch ein anderer
denn das ist ja kein kleiner Schritt, den Du da        ausforderung – was für ein Geschenk! Und das          Blickwinkel, den ich auf die Biobranche habe, als
machst. Und es war womöglich auch keine einfa-         mit dem BNN und in der engen Zusammenarbeit           Händlerin, Verarbeiterin und mit der engen Land-
che Entscheidung. Daher die erste Frage: Wie war       mit Dir – darauf freue ich mich!                      wege-Anbindung an unserer Erzeugerbetriebe.
es, Dich für die Kandidatur zum BÖLW-Vorsitz zu                                                              Vielleicht komme ich ja auch zum richtigen Zeit-
entscheiden? Auch, weil es ja mit einem Abschied       Kathrin Jäckel: Über beides bin ich total froh. Ich   punkt. Denn wir reden auch beim BÖLW schon
aus dem BNN-Vorstand verbunden ist.                    kann Deinen Entscheidungsprozess, auch aus ei-        längst nicht mehr nur über Ökolandbau, sondern
                                                       gener Erfahrung, sehr gut nachvollziehen.             über die Transformation der ökologischen Ernäh-
                                                                                                             rungswirtschaft.
                                                       Tina Andres: Genau, wie war es denn für Dich, als
                                                       Du die Geschäftsführung im BNN übernommen             Wir müssen uns sehr viel mehr als früher mit den
                                                       hast?                                                 großen Querschnittsthemen beschäftigen. Im
                                                                                                             Prinzip, wie der BNN es bereits in seinem Er-
                                                       Kathrin Jäckel: Mir war klar, das ist ein großer      neuerungsprozess tut. Es geht um Klimapolitik und
                                                       Schritt. Was mir geholfen hat, war, dass ich immer    Biodiversitätsrückgang. Dazu gehört auch die
                                                       schon leidenschaftlich gern in die Verantwortung      CO2-Diskussion, die Frage nach dem ökologischen
                                                       gegangen bin. Und ich habe ja auch zwei Kinder,       Fußabdruck der Ernährungswirtschaft, neue Gen-
                                                       für deren Zukunft ich mich verantwortlich fühle.      technik, aber auch die Themen Gesundheit, Wirt-
                                                       Hinzu kam: Ich habe gespürt, ich bin am richtigen     schaftspolitik, Ernährungsbildung und Außer-
                                                       Ort mit dem, was ich kann und mitbringe. Das gibt     Haus-Verpflegung.
                                                       Kraft. Es ist ja auch ein Vorteil, wenn man neu in
        Tina Andres, Geschäftsführerin                 eine Organisation reinkommt. Man schaut die Din-
        EVG Landwege                                   ge anders an. Was die Erfahrung und Kompetenz
                                                       derer, die schon lang da sind, überhaupt nicht ab-
                                                       wertet, im Gegenteil. Aber es ist eben ein neuer
Tina Andres: Es hat eine Menge Mut gekostet. Tat-      Impuls, der Dinge in Bewegung bringen kann. Und
sächlich. Denn natürlich gibt und gab es eine gan-     transformative Prozesse leben genau von diesen
ze Menge Gründe und Aspekte, die es zu beden-          Impulsen. Und das lebt unsere Branche. Für mich
ken galt. Ich habe zwei kleine Kinder und eine Fa-     sind der Vorstand, das Kuratorium und die Mit-
milie. Ich habe ein Unternehmen zu leiten, wenn        glieder des BNN eine Gruppe von Menschen, bei
auch nicht alleine, sondern in einem fantastisch       denen ich mich sehr wohl und zu denen ich mich
funktionierenden Tandem mit meinem Co-Vorstand         zugehörig fühle, ohne eine Ur-Bio-Lady zu sein.
Klaus Lorenzen. Aber nichtsdestotrotz bin ich auch
hier Herz und Motor einer Unternehmung, die mich       Kathrin Jäckel: Mit Deinem Wechsel an die BÖLW-
braucht und die ich liebe. Und ich hatte den BNN       Spitze bringst Du die Ladnerinnen-Perspektive, aber               Kathrin Jäckel,
und eigentlich nicht vor, mich noch anderweitig        auch viel Erfahrung mit Erzeugern und Herstel-                    BNN-Geschäftsführerin
zu engagieren. Mir war auch sofort klar, irgend-       lungs- und Handelsstufen mit, wirst aber auch in
etwas muss dann zurückstecken. Das hat mich sehr       große Fußstapfen treten. Welche Akzente willst Du
beschäftigt und viele schlaflose Nächte gekostet,      setzen? Gerade in Zeiten des Umbruchs?
bis ich langsam ein rundes Bild dazu hatte. Das                                                              Wir müssen mehr Zugang in die Wirtschaftspo-
Amt der BÖLW-Vorstandsvorsitzenden sehe ich je-        Tina Andres: Meine Güte, als diese Anfrage das        litik finden und im Gesundheitsministerium eine
doch als einen weiteren Schritt in Richtung poli-      erste Mal an mich gerichtet wurde, habe ich herz-     Rolle spielen, wenn dort Gespräche geführt wer-
tische Wirksamkeit. Angesichts der enormen             lich gelacht. Und verfiel dann in Schockstarre, als   den. Das wächst jetzt. Und zum Glück wächst tat-
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sächlich auch die gesellschaftliche Wahrneh-                  Tina Andres, Sortimentsbesprechung
mung dafür. Nichts betrifft uns so sehr und                   mit Co-Vorstand Klaus Lorenzen
nichts können wir auch mit unserem Konsum so
sehr steuern wie die Ernährungswirtschaft, und
zwar von der Erzeugung über die Verarbeitung bis
in den Handel. Da liegt auch unsere Chance, Ein-
fluss zu nehmen und sich weiterhin zu profilie-
ren. Und dies nochmal stärker oder anders, als das
vielleicht bisher der Fall war. Das liegt dann in mei-
ner Vita – eben als eine Repräsentantin für alle
Teile der Wertschöpfungskette, in denen ich ja auch
beruflich stecke.

Kathrin Jäckel: Du hast den Erneuerungsprozess
des BNN, den Du ja selbst mit angeschoben hast,
bereits angesprochen. Sicher bewegt viele die Fra-
ge, wieso muss das sein? Müssen wir den BNN
wirklich neu erfinden?

                                                                                                                                                               ©EVG Landwege
Tina Andres: Also für mich ist dieser Transfor-
mationsprozess unbedingt notwendig gewesen
und nicht zuletzt sind ja auch die großen Verän-
derungen und die Neuaufstellung der Geschäfts-
führung Ausdruck davon, dass wir als Vorstand der
Meinung waren, es müssen Veränderungen statt-            formationsprozess im BNN beobachte, ist, dass ge-      Tina Andres: Wir haben über Jahre hinweg gezeigt,
finden. Ein Unternehmen, das 30 Jahre alt ist, ist       rade durch Begegnungen und das Zusammen-               wie es funktionieren kann in regionalen Wert-
genauso transformationsbedürftig wie ein Ver-            kommen verschiedener Köpfe, genau diese Kraft          schöpfungsketten, in den menschlichen Struktu-
band, der 30 Jahre auf dem Buckel hat. Wir alle          erwächst, die der Einzelne vielleicht nicht hätte.     ren, die ein kontrollierbar nachhaltiges Wirt-
müssen uns ständig den Veränderungen des                 Wo er angesichts der Größe der Aufgabe vielleicht      schaften tatsächlich transparent ermöglichen.
Marktes, der Veränderungen der Unternehmen, der          manchmal gar nicht ins Handeln kommt. Aber zu-         Mir sträuben sich langsam so ein bisschen die
Menschen anpassen. Insofern sehe ich es auch als         sammen geht es. Zusammen sind es viele, die das        Nackenhaare, wenn ich diese Frage höre, was brau-
einen vollkommen normalen Prozess, der unab-             Projekt nach vorne tragen. Das zeigt auch noch-        chen wir, um weiterhin Pioniere zu sein? Müssen
hängig von jeder individuellen Kritik, ständig           mal die Berechtigung des BNN, gerade als der Ver-      wir Pioniere sein oder müssen wir nicht vielmehr
notwendig ist: Sich verändern, anpassen, mitge-          band, der drei Wertschöpfungsstufen miteinan-          unsere Arbeit verdammt gut machen? Konsequent.
hen. Schauen wir uns doch mal unsere Branche             der verbindet. Ich bin mir sicher, dass im Trans-      Nachhaltig. Jetzt mehr denn je? Denn für mich
an. Wir sind tatsächlich wie einmal großgewordene        formationsprozess des BNN eine wunderbare              steckt unsere Stärke auch in der Größe unserer
Startups. Teilweise fühlen wir uns immer noch so.        Möglichkeit steckt, den Gemeinschaftsgedanken          Strukturen. Immer wieder in Gesprächen mit
Wir sind erwachsen geworden, haben Einfluss und          in die große Transformationsaufgabe der Ernäh-         Verbraucher*innen, stelle ich fest, wie begierig
an Bedeutung gewonnen. Dem müssen wir auch               rungswirtschaft und der Landwirtschaft einzu-          Menschen darauf sind, die Wirtschaftssysteme zu
als Verband Rechnung tragen, wenn wir an-                bringen.                                               verstehen und Teil von Wertschöpfungsketten zu
schlussfähig sein wollen für eine neue Generati-                                                                sein, die sie wirklich von A bis Z nachvollziehen
on von Unternehmen. Insofern brauchen wir die-           Tina Andres: Genau. Die Herausforderungen, die         können. Und die die Chance zu wirklich nachhal-
sen Transformationsprozess dringend. Er geht an          wir als Unternehmer*innen haben, aber eben auch        tigem Konsum bieten. Und da haben wir durch-
die Fundamente unseres Verbandes und er stellt           als politische Menschen und als Branche, sind groß.    aus noch einiges zu tun!
uns im positiven Sinne noch einmal in Frage. Das         Und jetzt stellt man sich besser gemeinsam auf.
ist nicht leicht und das bindet Ressourcen. Aber         Mit einer guten Plattform, auf der wir uns ver-        Kathrin Jäckel: Mit Blick auf die Rohwarenver-
wenn wir es nicht tun, ist es so ähnlich wie die For-    netzen und unsere Kräfte bündeln können. Ich wür-      fügbarkeit zum Beispiel sieht man, wir arbeiten hier
derungen aus der Zukunftskommission. Es wird an-         de den Spruch gern ergänzen bzw. umwandeln in:         mit ganz anderen Strukturen und kleinbäuerlichen
strengend, es zu tun – es wird aber viel anstren-        Alles muss sich verändern, damit es besser wer-        Betrieben, in direkten Erzeuger-Beziehungen,
gender, es nicht zu tun.                                 den kann.                                              langjährig gewachsen und aufgebaut. Ich denke
                                                                                                                manchmal: Ja, Pionier, weiß ich, sehe ich, wichti-
Kathrin Jäckel: Absolut. Ich denke gerade an den         Kathrin Jäckel: In der Tat. Veränderung – das bringt   ger Punkt. Viel öfter aber noch denke ich an die
Satz: Alles muss sich ändern, damit es so bleiben        mich zum nächsten Thema. Die Frage nach der            Fachhandelsbranche als Think-Tank oder Praxis-
kann, wie es ist. Mit Blick auf uns, auf den BNN und     Wurzel und der Identität. Und das ist ja ein The-      Tank, wenn du so willst. Wo im Kleinen schon er-
auf das Gefüge aus Netzwerk, Partnerschaft und           ma, das in der Branche wie auch im ökologischen        probt wird, was funktioniert und was nicht. Und
Politik, bildet es unsere großen Transformations-        Ernährungsnetzwerk heiß diskutiert wird. Wie           da kann man auch mal zu früh abbiegen oder eine
aufgaben ganz gut ab. Und dabei gibt es keine ein-       können wir in Zeiten des Umbruchs die Identi-          Schleife drehen. Dennoch ist es immer ein un-
fachen Antworten mehr. Alle Fragen sind plötz-           tät der Biobranche erhalten und mit ihr den Fach-      heimlich agiles Werden. Eben keine riesige, zen-
lich sehr groß und sehr vielschichtig. Das erfordert     handel, der ja die Branche entscheidend geprägt        tralisierte Konzernstruktur, die nach dem Rasen-
natürlich Bereitschaft und auch Kraft. Und auch          und vorangetrieben hat? Wie können wir Pioniere        mäher-Prinzip vorgeht, sondern eine kleine he-
die muss man sich erhalten. Was ich im Trans-            bleiben?                                               terogene Unternehmenslandschaft, die immer wie-
Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren
6     BNN aktuell | BNN Nachrichten 2/2021

der probiert und hoch innovativ ist, weil eben nicht
Millionen Quadratmeter da dranhängen.

Tina Andres: Mir als Unternehmerin gehen tat-
sächlich die Ideen nie aus, wie ich unser nach-
haltiges Wirtschaften noch weiter verbessern
kann. Und das konsequent voranzubringen macht
uns auch, wenn man so will, weiterhin zu Pionie-
ren. Denn das können die Großen nicht, und die-
se Verdrängung brauchen wir nicht wirklich zu
fürchten, wenn wir unsere unternehmerischen
Aufgaben gut machen.

Vielleicht sollten wir mal von dieser Pionier-Dis-
kussion Abstand nehmen und einfach sagen: Wir
haben ein Modell, tauglich für den nachhaltigen
Umbau der Lebensmittelwirtschaft. Lasst uns dar-
an arbeiten und das zur Praxis werden lassen. Gute
Ideen machen Schule! Und ja, wir sind eine mit-
telständische, unternehmergeführte Branche. Wir
sind sehr schnell, sehr handlungsfähig und wirk-
lich schnell beim Kunden. Wir sind auch ein Teil des
Rückgrats dieses wirtschaftlich sehr erfolgreichen                                                               Kathrin Jäckel und Tina Andres
                                                                                                                 auf der BNN-Mitgliederversammlung 2019
Landes. Und es ist an der Zeit, mit einem gerüt-
telten Maß an Selbstbewusstsein aufzutreten. Also
von der landwirtschaftlichen Erzeugung bis hin
zum Handel sind wir Wer. Denn wir haben gezeigt,
wir können das, was wir predigen. Und wir müs-           stem zu verändern, doch noch teurer, es nicht zu      Angst vor vermeintlichen Verbotsparteien. Es
sen weiterhin zeigen, dass wir weiterentwickeln,         tun. Das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfas-         geht auch mit positiven Anreizen. Wir brauchen
wofür wir angetreten sind. Ich merke nach den er-        sungsgerichts hat gezeigt, dass die Gesellschaft      an dieser Stelle eine starke Branchenvertretung,
sten Gesprächen mit Politikern, wie wichtig es ist,      die Politik an vielen Stellen schon längst überholt   einen starken Verband und ein gutes Netzwerk,
dass genau solche Impulse und Beispiele von              hat. Und um nochmals auf Deine Eingangsfrage          damit wir unsere Ressourcen gut bündeln können.
Handlungsfähigkeit in die Politik getragen werden.       nach dem Mut, in große Fußstapfen zu treten, zu       Und was ich mir insbesondere auch für den BNN
Politiker haben nicht die Zeit und die Möglichkeiten,    kommen: Ich möchte meinen Kindern gegenüber           wünsche ist, dass wir unsere Basis auf der Ein-
sich hinzusetzen und ein neues Wirtschaftssystem         später nicht sagen müssen, ich hätte nicht alles      zelhandelsebene stärken. Auf unserer Mitglie-
von A bis Z zu durchdenken. Sie sind dankbar für         getan, was ich konnte, was in meiner Macht stand,     derversammlung haben wir gerade die Reduzie-
Best-Practice-Beispiele. Und die haben wir en mas-       um eine Veränderung herbeizuführen. Und tat-          rung der Mitgliedsbeiträge für den inhaberge-
se. Und zwar auch solche, die tatsächlich seit ein,      sächlich, egal wie diese Wahl ausgeht, genau dar-     führten kleineren Einzelhandel beschlossen, um
zwei oder drei Generationen am Markt bestehen            in sind wir gefordert. Es nicht zu tun, wäre          da die Hürden abzusenken und einzuladen, mit uns
und eine solide Wirtschaftsbasis aufweisen.              sträflich.                                            zusammen eine noch breitere Basis zu sein.

Kathrin Jäckel: Dein Wechsel an die BÖLW-Spit-           Kathrin Jäckel: Ja, absolut. Wir im BNN werden        Tina Andres: Ja, ein wichtiges Signal. Und es macht
ze fällt in ein wichtiges Wahljahr. Mit welchen Hoff-    auch intensiv fürs Wählen trommeln, und zwar mit      Mut, dass Circular Economy und True Cost Ac-
nungen blickst Du auf die Bundestagswahl? Was            unserer Aktion #Klimawahl2021 im Rahmen der           counting Eingang finden in das Denken von gro-
versprichst Du Dir für die ökologische Lebens-           Kampagne „Öko statt Ego“. Nicht für das Wählen        ßen Wirtschaftskonzernen. Es zeigt, dass Er-
mittelwirtschaft?                                        einer bestimmten Partei, aber für das Wählen an       kenntnisse dort ankommen und dass nachhalti-
                                                         sich, weil es ja um die notwendige Beteiligung ganz   ges Wirtschaften sich in Zukunft lohnen muss.
Tina Andres: Ich hoffe sehr, dass wir eine deut-         vieler gehen muss. Wir wissen, es wird uns brau-      Sonst wirtschaften wir gar nicht mehr. Und wenn
liche Regierungsbeteiligung der Grünen haben             chen. Es wird die enge Zusammenarbeit aller Ver-      wir unsere branchentypische Hartnäckigkeit, un-
werden. Unabhängig vom Ausgang der Wahl                  bände brauchen, in Deutschland genauso wie in         seren Innovationsgeist und unsere Politikresilienz
wird es für den BÖLW und alle, die ökologisch et-        Europa, um Einfluss zu nehmen und Weichen zu          tatsächlich in der richtigen Weise kanalisieren und
was bewegen wollen, ein intensives, arbeitsreiches       stellen und eben nicht nachzulassen im Kampf für      einsetzen, dann gibt es viel Hoffnung. Wir haben
Jahr. Denn auch wenn man die Zukunftskom-                Veränderungen.                                        die Aufgabe mutig voranzugehen, der Weg zurück
mission Landwirtschaft zunächst vielleicht belä-                                                               ist keine Option.
chelt oder als Feigenblatt der Kanzlerin für ihre bis-   Nachhaltigkeit darf nicht länger ein Nachteil
lang nicht effektive Landwirtschafts- und Um-            sein, weder für Unternehmen noch für Verbrau-         Kathrin Jäckel: Ich freue mich auf alles, was wir
weltpolitik abgetan hat, dieser Diskurs hat etwas        cher. Wir brauchen ein Level-Playing-Field, in der    in Zukunft zusammen bewegen können! Das wird
sehr deutlich zeigt, was den meisten Stakeholdern        Nachhaltigkeit ein positiver Wettbewerbsfaktor ist,   nicht nur mutig, das wird auch eine große Freu-
klar ist: es muss sich gravierend etwas verändern,       der sich lohnt auf allen Ebenen. Ich glaube, da       de. In diesem Sinne, vielen Dank, liebe Tina, für die-
darüber herrscht Einigkeit. Es wird teuer, das Sy-       braucht es auch keine Verbote und auch keine          ses inspirierende Gespräch.
Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren
BNN Nachrichten 2/2021 | BNN aktuell                 7

Die Zukunft des BNN
und der Branche gestalten
BNN-Mitgliederversammlung 2021 im Rückblick

Gut 90 Vertreter*innen aus den BNN-Mit-
gliedsunternehmen nahmen am 17. und 18. Juni
2021 an der digitalen Mitgliederversammlung
des BNN teil. Das Treffen von Hersteller*innen
und Groß- und Einzelhändler*innen im BNN
stand ganz im Zeichen der Transformation
des Branchenverbandes.

Mit großer Mehrheit wurde beschlossen, die
nächste Phase des 2020 begonnenen Transfor-
mationsprozesses „Viva Attacke“ einzuläuten.
Nachdem erfolgreich eine Prozessstruktur etabliert
werden konnte, arbeiten nun sechs Arbeitsgrup-
pen in zwei Themenfeldern bis Juni 2022 am Zu-
kunftsbild für Verband und Branche. Überaus en-
gagiert sind dabei inzwischen mehr als 80 Mit-
arbeiter*innen aus rund 40 Mitgliedsunternehmen.
„Dass sich in so kurzer Zeit so viele Menschen aus    Nur ein kleiner Ausschnitt der knapp 90 Teilnehmer*innen der diesjährigen Mitgliederversammlung des BNN. Fürs
unserem Verband aktiv mit uns in die Transfor-        nächste Jahr hoffen wir, wieder gemeinsam an einem Ort tagen zu können – dann passen auch alle aufs Bild.

mation begeben haben, freut uns außerordent-
lich und berührt tief. Das Ziel, unseren Prozess so   kleinere Naturkostfachhändler*innen deutlich            zur Vorsitzenden des BÖLW nicht erneut für den
offen und partizipativ wie möglich zu gestalten,      abgesenkt. „Dies“, so Kathrin Jäckel, „ist ein Signal   BNN-Vorstand kandidierte. Die Mitglieder gratu-
sehen wir auf einem wirklich guten Weg“, kom-         an die Vielzahl der inhabergeführten Fachhan-           lierten Tina Andres zur BÖLW-Wahl und dankten
mentiert die BNN-Vorstandsvorsitzende Rosi            delsgeschäfte, aus denen unsere heute so le-            ihr für ihre mehrjährige engagierte Arbeit im BNN-
Weber.                                                bendige Branche hervorgegangen ist. Wir werben          Vorstand. In der weiteren Wahl wurde Vorstand
                                                      für noch mehr Beteiligung im BNN und eine Stär-         Volkmar Spielberger (Spielberger GmbH) in seinem
Auch die BNN-Mitgliederversammlung stand              kung unserer Basis als Branche“.                        Amt bestätigt.
ganz im Zeichen des engagierten und zukunfts-
orientierten Austauschs. Die intensiven und wert-     Große Zustimmung für die Fortführung                    Bei den Wahlen zum BNN-Kuratorium wurde Sa-
schätzend geführten Diskussionen zeigten den tie-     von „Öko statt Ego“                                     scha Damaschun (Bodan Großhandel für Natur-
fen Wunsch der BNN-Mitglieder, ihren Verband und                                                              kost GmbH) neu ins Amt gewählt. Michael Radau
die Zukunft der Branche aktiv zu gestalten, freut     Die Fachhandelskampagne „Öko statt Ego“ geht            (SuperBioMarkt AG), Sylvia Haslauer (BioMarkt LA
sich BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel über        in die nächste Runde. Trotz Corona-Pandemie hat         VIDA GmbH), Susanne Arndt, (Biogarten Handels
die positive Resonanz und ergänzt: „Im Zentrum        sich die Ende 2019 gestartete Kampagne vor al-          GmbH), Lukas Nossol (dennree GmbH), Erwin Wink-
stehen dabei die sozial-ökologische Transforma-       lem auf den digitalen Kanälen positiv entwickeln        ler (Herbaria Kräuterparadies GmbH) und Stephan
tion und die Entwicklung einer zukunftstauglichen     können, auch wenn Pandemie-bedingt am Point-            Becker (cosmondial GmbH & Co. KG) wurden er-
Ernährungswirtschaft vor dem Hintergrund des Kli-     of-Sale größere Aktionen wenig wirksam werden           neut in ihren Ämtern bestätigt.
mawandels. Das schließt die ökologischen Non-         konnten (s. auch Beitrag S. 27). Die Mitglieder ent-
Food Bereiche wie z.B. Naturkosmetik und Reini-       schieden, die Kampagne mit strategischer und            Nach mehr als zwei Jahrzehnten verabschiedete
gungsmittel aus unserer Sicht ausdrücklich mit        kommunikativer Aktualisierung bis Ende 2023 wei-        sich Fritz Huber (Chiemgauer Naturkosthandel
ein.“                                                 terzuführen. Im Zentrum steht dabei die sozial-         GmbH) als Rechnungsprüfer für den BNN. Gremien
                                                      ökologische Transformation der Lebensmittel-            und Mitglieder dankten ihm mit großem Applaus
Wachstum und Wandel gut                               wirtschaft und das klimapolitische Engagement           und herzlich für sein außergewöhnliches Enga-
ausstatten                                            der Fachhandelsbranche.                                 gement für den Verband. Seine Nachfolge tritt Da-
                                                                                                              niela Feldt (Bio Company SE) an, die künftig ge-
Um künftig über notwendige Ressourcen für die         Gremienwahlen                                           meinsam mit Franziska Geyer die Bücher des BNN
Modernisierung und Weiterentwicklung des Ver-                                                                 prüfen wird.
bandes zu verfügen, stimmten die Mitglieder für       Neu in den BNN-Vorstand gewählt wurde Thomas
eine Anpassung der Beitragsordnung, die im sel-       Hölscher (Naturkost Erfurt GmbH). Er folgt auf Tina
ben Zug die Mitgliedsbeiträge für umsatzbezogen       Andres (EVG Landwege), die aufgrund ihrer Wahl
Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren
8    Neue Mitgliedsunternehmen im BNN | BNN Nachrichten 2/2021

Herzlich Willkommen in der
BNN-Gemeinschaft!

Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei
Innovativer Bio-Pionier
                                                                                                           land erntefrisch zu Direktsaft verarbeitet und
                                                                                                           dann direkt nach Weinstadt transportiert.

                                                                                                           Die Brüder Thomas und Matthias Maier führen
                                                                                                           das Familienunternehmen auch in der 3. Gene-
                                                                                                           ration mit dem Ziel, wertvolle Säfte zur Ergänzung
                                                                                                           der menschlichen Ernährung herzustellen. Für
                                                                                                           beide bilden Regionalität und faire Handelsbe-
                                                                                                           dingungen die Grundlage für ihre langjährigen
                                                                                                           Partnerschaften mit ihren landwirtschaftlichen
                                                                                                           Erzeuger*innen. Ein besonders wichtiger Aspekt
                                                                                                           für eine rundherum gute Produktqualität ist für
                                                                                                           den Bio-Pionier auch die Verpackung. Aus Über-
                                                                                                           zeugung verwenden die Beutelsbacher aus-
                                                                                                           schließlich Glasflaschen. Mit den umweltfreund-
                                                                                                           lichen Mehrwegflaschen und -kisten tragen sie
                                                                                                           dazu bei, Müll zu vermeiden und Ressourcen zu
                                                                                                           schonen.

                                                                                                           Früher, als der Demeter e.V. noch ausschließlich
                                                                                                           den Fachhandel belieferte, zählte der regionale,
                                                                                                           qualitätsorientierte Filialist tegut als Demeter-
Die Brüder Thomas und Matthias Maier leiten Beutelsbacher in dritter Generation.
                                                                                                           Vertragspartner. Als Lizenznehmer folgte Beu-
                                                                                                           telsbacher den Wünschen von Demeter e.V. und
Seit April dieses Jahres sind die Beutelsbacher         zum heutigen großen Gemüsesaftsortiment, das       lieferte ein kleines Sortiment. Heute verzichtet
wieder Mitglied im BNN.                                 erntefrische Gemüse-Direktsäfte wie auch milch-    Beutelsbacher bewusst darauf, weitere Kund*in-
                                                        sauer vergorene Säfte bietet. Alle Demeter Ge-     nen außerhalb des Naturkostmarktes mit Beu-
Die Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei GmbH aus           müsesäfte und Demeter Gemüse-Mischsäfte            telsbacher Bio- und Demeter-Produkten zu be-
dem schwäbischen Weinstadt im Remstal ist ein           werden von Gemüse aus samenfestem Saatgut          liefern. Geschäftsführer Thomas Maier: „Die Arbeit
Familienbetrieb in der dritten Generation. Seit         hergestellt.                                       des BNN passt zu unserem Verständnis von Le-
85 Jahren steht der Name für Qualität und Ver-                                                             bensmittelqualität.“
antwortungsbewusstsein gegenüber Natur,                 Den größten Teil des heimischen Obstes und Ge-
Mensch und Umwelt. 1951 startete der Bio-Pio-           müses bezieht Beutelsbacher aus der Region.        Aktuell beschäftigt Beutelsbacher 50 Mitarbei-
nier mit einem eigenen biologisch-dynamischen           Das Remstal ist ein traditionsreiches Obstbauge-   ter*innen. Das Markensortiment umfasst ca. 120
Obstanbau und produzierte anfangs Direktsäfte           biet, in dem mittlerweile 50 Prozent der Obst-     Bio-Getränke, davon die Hälfte in Demeter-Qua-
aus Beeren und Kernobst. In den 60er Jahren             bauern mit Hilfe von Beutelsbacher auf ökologi-    lität. Für den Naturkosthandel wird das größte
wurde der erste Bio-Traubensaft gepresst.               schen Anbau umgestellt haben. Darüber hinaus       0,2l-Sortiment angeboten.
                                                        fördert das Unternehmen seit Jahrzehnten part-
1971 kam der erste Möhrensaft hinzu. Die Ent-           nerschaftliche Demeter-Anbauprojekte in Europa     Weitere Informationen unter
wicklung weiterer Gemüsesäfte war die Folge bis         und Übersee. Südfrüchte werden im Ursprungs-       www.beutelsbacher.de
Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren
BNN Nachrichten 2/2021 | Neue Mitgliedsunternehmen im BNN                9

Die TOPAS GmbH: Pionier für
Fleisch- und Käsealternativen
Die TOPAS GmbH wurde als Produzent veganer            duzierten Frischeprodukten zu gewährleisten.
Fleischalternativen schon 1993 von Klaus Gaiser       Schon immer war es für Klaus Gaiser wichtig und
gegründet. Mit Fug und Recht darf man das Un-         essentiell, die Wheaty Fleischalternativen aus 100
ternehmen mit seiner Fachhandelsmarke WHEATY          Prozent Biozutaten herzustellen, ohne die Ver-
als Pionier der Biobranche bezeichnen. Fast drei      wendung künstlicher Aromen oder anderer Hilfs-
Jahrzehnte nach seiner Gründung ist das Famili-       stoffe, die der Philosophie der ursprünglichen Bio-
enunternehmen weiterhin konzernunabhängig             bewegung widersprechen. Die Rohstoffe kommen
und wird inzwischen in zweiter Generation vom         – soweit irgend möglich – aus Deutschland oder
Schwiegersohn Charles-Henry Debal geführt. Klaus      Europa.
Gaiser ist nach wie vor aktiv im Unternehmen tä-
tig, als Leiter der Entwicklung.                      Geschäftsführer Charles-Henry Debal zur Mit-
                                                      gliedschaft im BNN: „Bio wächst und damit auch
Haupt- und Verwaltungsstandort von TOPAS ist          die Nachfrage nach unseren Fleischalternativen.
Mössingen, nahe der schwäbischen Alb. Produziert      Das bedingt die Notwendigkeit nach einer starken
wird das mehr als 30 Produkte umfassende              Interessenvertretung für unsere Anliegen und ei-
WHEATY-Sortiment in Kernen im Remstal bei             nem gemeinsamen Auftreten im hart umkämpften
Stuttgart, von wo aus die Aufschnitte, Bratstücke,    Lebensmittelmarkt. Mit unserer Mitgliedschaft im
Würste und Burger mittlerweile an Kund*innen in       BNN sehen wir uns optimal vertreten und freuen
aller Welt ausgeliefert werden.                       uns auf die Zusammenarbeit mit den anderen
                                                      Mitgliedern.“
Rund 120 Mitarbeiter*innen sorgen im Zwei-                                                                  Bio-Unternehmen in Familien-Hand: Gründer Klaus
schichtbetrieb für steten Nachschub, um die wach-     Weitere Informationen unter:                          Gaiser und sein Schwiegersohn, Geschäftsführer
sende Nachfrage nach den klimafreundlichen pro-       www.wheaty.de                                         Charles-Henry Debal

Neues Fördermitglied im BNN: FairBio Verein
Der BNN freut sich, mit FairBio ein weiteres För-                                                           logie, Soziales und Glaubwürdigkeit überzeugen
dermitglied im Verband begrüßen zu können.                                                                  und wurde dafür als einziges Label mit drei grü-
FairBio-Geschäftsführerin Birgit Will stellt den                                                            nen Ampeln ausgezeichnet.
Verein vor:
                                                                                                            Der Samen, der einst mit fairen Molkereiprodukten
„Komplett Bio, von Anfang an – dafür stehen                                                                 gelegt wurde, hat mittlerweile in vielen weiteren
viele Biopioniere bis heute. Doch der Bio-Boom                                                              Sortimentsbereichen wie Käse, Säfte, Backwaren,
hat die Branche verändert. Nicht überall, wo Bio                                                            Obst und Gemüse, Mehl, Brot und Getreidepro-
draufsteht, ist Fairness drin. Mit fairen, partner-                                                         dukte erfolgreich Früchte getragen. Auf mehr als
schaftlichen Lieferbeziehungen, ehrlichen Prei-                                                             200 Produkten setzt das Siegel inzwischen ein
sen, einer nachhaltigen, enkeltauglichen Pro-                                                               deutliches Signal für Faires Bio von hier.
duktion sowie Transparenz setzt das FairBio Sie-
gel ein klares Zeichen. Bio muss fair sein: zur       zum Händler die Weichen für Fairänderung und          Weitere Mitstreiter für unsere Herzensangele-
Natur, zu den Erzeugern und zu den Verbrau-           regionales Wirtschaften. Der anspruchsvolle           genheit sind uns jederzeit herzlich willkom-
chern – auch vor unserer eigenen Haustür.             Standard belegte im Vergleich von 60 Siegeln für      men.“
                                                      ethischen Konsum von #Labelchecker jüngst
Seit 2008 stellen die Mitglieder des FairBio Ver-     bei Lebensmitteln den ersten Platz in der Ge-         Mehr zu FairBio unter:
eins damit vom Landwirt über den Hersteller bis       samtbewertung. FairBio konnte in puncto Öko-          www.fairbio.bio
Mut - BNN2/2021 nachrichten - Bundesverband Naturkost Naturwaren
10       BNN aktuell | BNN Nachrichten 2/2021

                                              „Muss es immer alles im
                                              Warensortiment geben?“
Corona, Klimawandel und Umbrüche am Markt: Die Bio-Branche steht vor großen Heraus-
forderungen. Thomas Börkey-Biermann, Geschäftsführer der Ökoring Handels GmbH, plädiert
für mehr Mut und Wertebewusstsein. Und dafür, von den Jungen zu lernen.

Wir blicken auf 18 Monate Corona-Pandemie           sundheit unserer Mitarbeiter*innen zu schüt-         darum, dass faire Preise verhandelt werden und
zurück. Wie hat Euer Unternehmen diese Zeit         zen. In einem Team mit 30 verschiedenen Na-          auch die Mitarbeiter*innen fair entlohnt werden.
erlebt?                                             tionalitäten stand da vor allem viel kommuni-        Das müssen wir alle stärker im Blick haben.
                                                    kative Arbeit an.
Es waren ziemlich turbulente Zeiten. Wir wur-                                                            Der Klimawandel ist eine weitere große Her-
den schon früh mit der Corona-Pandemie kon-         Der Fachhandel verzeichnete in der Pande-            ausforderung für unsere Branche. Der ökologi-
frontiert, weil wir auch Kund*innen aus Öster-      mie Umsatzzuwächse. Traf das auch auf Euch           sche Landbau reagiert sensibler auf Klimaex-
reich und Südtirol beliefern. Wir mussten           zu?                                                  treme als die konventionelle Landwirtschaft.
schauen, wie wir sie beliefern, ohne dabei die                                                           Wir werden uns daher zukünftig stärker mit
Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen zu ge-         Ja, die Nachfrage nach unseren Produkten ver-        Rohstoffknappheiten beschäftigen müssen.
fährden. Dann folgte der erste Lockdown –           lagerte sich stärker in den Fachhandel. Wir lie-     Und da wären wir wieder bei der Frage: Muss es
Kantinen und Hotels wurden geschlossen. Das         fern bereits seit unserer Gründung 1993 Ökoki-       immer alles im Warensortiment geben? Brau-
hat uns besonders getroffen, da wir rund 18         sten an Verbraucher*innen. Hier legten die           chen wir wirklich Erdbeeren zu Weihnachten?
Prozent unserer Umsätze mit Außer-Haus-Ver-         Anfragen ebenso zu. Zweitweise mussten wir           Ich meine, nein! Setzen wir lieber konsequent
pflegung machen. Unsere Lager waren randvoll        neue Kund*innen auf Wartelisten setzen, um           auf bio-regionale und saisonale Landwirtschaft.
mit Frischewaren. Wir reagierten schnell und        die Anfragen abarbeiten zu können. Und dann
spendeten die Waren an Tafeln und karitative        gab es im vergangenen Jahr zwei Wochen lang          Verbraucher*innen sollten sich also in
Einrichtungen. Und wir haben umgehend um-           Hamsterkäufe im Einzelhandel. Einige Filiali-        Verzicht üben. Ist das denn realistisch?
fassende Maßnahmen getroffen, um die Ge-            sten rannten uns förmlich die Bude ein. Das
                                                    war eine ziemlich stressige Zeit. In so einer Si-    Ich sehe hier einen gesamtgesellschaftlichen
                                                    tuation packen wir dann alle im Lager mit an.        Lernprozess. Begeben wir uns als Gesellschaft
                                                                                                         auf eine Bildungsreise! Und holen wir die Poli-
                                                    Angesichts der Umbrüche in Markt und Ge-             tik mit ins Boot, denn die Bildungsreise beginnt
                                                    sellschaft: Welche zwei größten Herausfor-           bei unseren Kindern in Kindertagesstätten und
                                                    derungen seht Ihr für die Bio-Lebensmittel-          Schulen. Es gibt viele junge Menschen, die ver-
                                                    wirtschaft?                                          standen haben, dass wir nicht immer alles „ha-
                                                                                                         ben“ müssen. Verzicht ist nicht immer einfach,
                                                    Ich denke die Nachfrage wird uns beschäftigen;       zumal wir gewöhnt sind, alles zur Verfügung zu
                                                    sie steigt glücklicherweise. Aber wie kann die       haben, was wir benötigen. Das darf dann auch
                                                    Branche diese Nachfrage zukünftig bedienen?          fast nichts kosten. Lernen wir mehr Wertschät-
                                                    Wie gestalten wir unser Angebot? Hier sollten        zung für Lebensmittel und bewussten Konsum.
                                                    wir ehrlich zu uns sein: Wenn es etwas nicht
                                                    gibt, dann gibt es das eben nicht! Es drängen        Discounter und große Handelsketten setzen
                                                    vermehrt Trittbrettfahrer auf den Markt, die das     auf Bio. Wie sollten die Bio-Pioniere mit die-
                                                    schnelle Geld verdienen wollen, weil es im kon-      ser Entwicklung umgehen?
                                                    ventionellen Lebensmittelhandel nichts mehr
     Thomas Börkey-Biermann, einer von zwei
                                                    zu holen gibt. Wie gehen wir damit um? Ich           Zunächst finde ich es per se nicht schlecht,
     Geschäftsführern der Ökoring Handels
                                                    glaube, wir sollten unseren Tugenden, mit de-        dass auch Discounter ihr Bio-Sortiment aus-
     GmbH, ist mit seinen 56 Jahren stolzer drei-
                                                    nen wir in der Branche mal angetreten sind,          bauen. Sie reagieren im Endeffekt auf etwas,
     facher Opa –und nicht nur deswegen stets
                                                    treu bleiben und diese mehr denn je vertreten.       was die Gesellschaft fordert. Schließlich bin ich
     in Bewegung. In seiner Freizeit radelt er am
                                                    Da sind wir beim Thema Lieferkettengesetz. Es        einmal dafür angetreten, dass Bio-Produkte für
     liebsten in der Natur. Damit die Schönheit
                                                    ist wichtig, sich die Partnerbetriebe, also Erzeu-   alle Menschen erreichbar und erschwinglich
     der Natur auch seinen Enkelkindern er-
                                                    ger*innen und Hersteller*innen, genau anzu-          sind. Andererseits machen solche Entwicklun-
     halten bleibt, ist Nachhaltigkeit die Maxi-
                                                    schauen: Wie machen sie Bio? Einerseits ist es       gen auch erstmal Sorge. Aber wir sollten es
     me seines Handelns.
                                                    wichtig, die Qualität und den Ertrag genau im        eher als Herausforderung sehen, die es anzu-
                                                    Blick zu behalten. Andererseits geht es auch         nehmen gilt. Der konventionelle Lebensmittel-
BNN Nachrichten 2/2021 | BNN aktuell         11

                                                                                                          Ökoring Handels GmbH

                                                                                                          Der süddeutsche Biogroßhandel mit Sitz in
                                                                                                          Mammendorf bei München führt rd. 12.000
                                                                                                          Bioartikel und beliefert Naturkostläden,
                                                                                                          Hofläden, Verarbeiter, Kantinen sowie Ho-
                                                                                                          tellerie und Gastronomie aus dem Raum
                                                                                                          Bayern, Österreich und Südtirol. 1993 ge-
                                                                                                          gründet, beschäftigt das Gemeinwohl-Öko-
                                                                                                          nomie-Unternehmen 150 Mitarbeiter*innen
                                                                                                          aus 30 Nationen. Das Unternehmen wird ge-
                                                                                                          meinsam geleitet von Thomas Börkey-
                                                                                                          Biermann und Christoph Weigl. Ökoring ist
                                                                                                          seit 2003 Mitglied im BNN.

markt hat sich kaputt gewirtschaftet und sucht    Klima- und Umweltschutz stehen bei Ju-               sich, gehen gemeinsam auf die Straße und for-
nun nach neuen Wegen, Geld zu verdienen. Als      gendlichen hoch im Kurs, wie auch „Friday’s          dern den politischen Wandel. Wir sollten sie
Bio-Branche haben wir diese Entwicklung ge-       for Future“ zeigt. Welche Rolle kann die Ju-         ausreden lassen – denn wir können viel von ih-
wissermaßen verpennt. Wir hätten uns schon        gend für den Wandel in Politik und Gesell-           nen lernen! In unserem Unternehmensalltag
früher gemeinsam die Frage stellen sollen, wo     schaft spielen?                                      sehen wir, wie positiv die Impulse der jüngeren
wir als Branche hinwollen. Wir fragen uns im-                                                          Generation Ökoring bereichern. Es waren die
mer wieder: Was macht Ökoring in fünf Jahren      Die junge Generation spielt eine ganz, ganz          jungen Mitarbeiter*innen, die uns für Social
noch aus? Warum sollen die Kunden bei uns         entscheidende Rolle. Sie hat es geschafft, ihren     Media begeistern konnten. Heute gehören die
einkaufen? Wir sollten uns darüber definieren,    Positionen und Forderungen mit einfachen Mit-        Kanäle fest zu unserem Marketingmix.
wie nachhaltig wir sind und dies selbstbewusst    teln Gehör zu verschaffen und somit Druck auf
mit der Öffentlichkeit teilen.                    die Politik auszuüben. Die jungen Menschen           Das Interview führte René Neumann.
                                                  nutzen die sozialen Medien optimal, vernetzen        Fotos: ©Ökoring

Für guten Geschmack ist weniger mehr!
BNN-Aromenempfehlung zum Einsatz von Aromen aktualisiert

Mit der BNN-Aromenempfehlung vereinbarten         am 1. Januar 2022 in Kraft tritt, strengere Krite-   BNN-Anforderungen an die einzelnen Katego-
die BNN-Mitgliedsunternehmen im Jahr 2004,        rien zur Aromatisierung von Bio-Lebensmitteln        rien überarbeitet und nachgeschärft worden.
Bio-Lebensmittel vorrangig mit Öko-Lebens-        vorgeben. So dürfen nach neuem EU-Ökorecht           Zudem enthält die neue Version keine Ausnah-
mitteln und Öko-Aromaextrakten zu aromati-        nur noch natürliche Aromen aus dem namens-           meregelung mehr für Genussprodukte.
sieren. Damit etablierten die BNN-Unterneh-       gebenden Rohstoff verwendet werden. Diese
men einen privatrechtlichen Standard, der über    und weitere Änderungen sind nun mit der              In der aktualisierten Fassung der BNN-Aro-
die gesetzlichen Vorgaben der EU-Öko-Verord-      Aktualisierung der BNN-Aromenempfehlung              menempfehlung sind alle Anforderungen und
nung hinausging. Für die Verwendung von Aro-      berücksichtigt worden. Dabei sind auch die           Vorgaben an die BNN-Aromakategorien über-
men im Naturkosthandel bietet die BNN-Aro-                                                             sichtlich in Tabellen zusammengefasst und
menempfehlung seitdem wichtige Orientierung                                                            beschrieben. Die Aromenempfehlung ist im
für die Herstellung und schafft durch ihr Kenn-                                                        Downloadbereich der BNN-Website
zeichnungssystem Transparenz für die Han-                                                              (www.n-bnn.de) abrufbar.
delsstufen.

Mehr als 17 Jahre danach wird nun auch die
neue EU-Öko-Verordnung (Nr. 2018/848), die
12    Bio & Nachhaltigkeit | BNN Nachrichten 2/2021

Pfand-tastisch
Bio-Startups gegen Plastikmüll
Der beste Müll ist bekanntlich der, der nicht entsteht. Einige Bio-Startups füllen daher neue
Produkte wie Passata, Linsen oder Nussmus in das gute, alte Joghurt-Pfandglas. Klingt super,
ist super – hat aber doch noch ein paar Haken.

                                                                                                                                                            ©fairfood Freiburg

72 Kilogramm Verpackungsmüll. So viel verursacht     Selbstverständlichkeit geblieben. Und auch         Aber geht da nicht noch viel mehr als Milch und
jede und jeder von uns im Durchschnitt pro Jahr.     Milch, Sahne und Joghurt gab es immer auch im      Joghurt? Zum Beispiel Bio-Fruchtpüree aus
Das ist die offizielle Zahl vom Statistischen        Pfandglas aus dem Milch-Mehrweg-Pool. Re-          Brasilien? Schon vor acht Jahren hatte Jonas
Bundesamt, trocken und abstrakt. Aber sie steht      gionale Kreisläufe mit kurzen Transportwegen       Schmidle von Bananeira diese Idee und wagte ei-
für einen unglaublichen Berg an Folien, Dosen,       und häufige Neubefüllung sorgen dabei für die      nige Pilot-Abfüllungen - war damit aber einfach
Kartons, Plastikschalen und Einwegflaschen.          beste Ökobilanz. Tatsächlich schaffen Glasfla-     zu früh dran. Erst 2018 zündete der Funke rich-
Vor allem Verpackungen mit mehreren Schich-          schen bis zu 50 Runden, und auch danach geht       tig, denn mittlerweile waren Müllproblem und Pla-
ten wie Chipstüten und Getränkekartons lassen        es weiter, denn aus Altglas lässt sich hervorra-   stikkrise ein Riesenthema und „Zero Waste“ eine
sich nur teilweise bis gar nicht recyceln, so dass   gend neues Pfandglas herstellen. Glas hat au-      Bewegung geworden. Das erste und nach wie vor
Deutschland einen Großteil des Plastikmülls          ßerdem den Vorteil, dass keine Fremdstoffe ins     am besten laufende Bananeira-Produkt im
verbrennt oder exportiert.                           Lebensmittel übergehen. Das passiert bei Pla-      Mehrwegglas war Tomaten-Passata. Schnell er-
                                                     stik und Altpapier immer wieder. Einweg-Pla-       kannten weitere Bio-Startups die Vorteile von
Mehrweg vermeidet Plastikmüll und Ressour-           stikflaschen können zum Beispiel je nach           Mehrweg: fairfood Freiburg füllt vor allem Nüs-
cenverschwendung. Anders als in den Discoun-         Lagerdauer, Licht und Temperatur Chemikalien       se, Nussmus, Trockenfrüchte und neu auch
tern und im Supermarkt ist Mehrweg bei Saft,         wie Acetaldehyd, Antimon und hormonaktive          Nussbolognese und veganes Pasta-Topping ins
Wasser und Bier im Bio-Fachhandel eine               Substanzen abgeben.                                Joghurtglas, die Firma blattfrisch diverse Fein-
BNN Nachrichten 2/2021 | Bio & Nachhaltigkeit              13

kostsalate, wie zum Beispiel Farmersalat und ei-                                                             ser des Milch-Mehrweg-Pools nutzen, also Her-
nen veganen Eiersalat, aber auch Milchreis und                                                               steller, Abfüller, Großhändler und Molkereien, aber
Birchermüsli. Diese und immer neue Unterneh-                                                                 auch an Neueinsteiger, die zum ersten Mal Le-
men bringen ordentlich frischen Wind in das                                                                  bensmittel in Gläser des Milch-Mehrweg-Pools
Mehrweg-Engagement der Biobranche. Durch Ko-                                                                 abfüllen. Dabei geht es nicht nur um die richti-
operationen mit Alnatura erreichen sie seit Mai                                                              gen Etiketten und den richtigen Leim, sondern
2020 zusätzliche Kund*innen. Erhältlich sind fair-                                                           auch um einen zuverlässigen Glas-Kreislauf,
food-Produkte, Tees vom Berliner Karma-Kollektiv                                                             damit Mehrweg wirklich umweltfreundlich ist, und
und seit einem Jahr von Bananeira unter der Mar-                                                             um eine faire Lastenverteilung beim Spülen. Da
ke „Pfandwerk“ unter anderem Passata, Ketch-                                                                 die Investition für junge Unternehmen zu Beginn
up, Linsen, Reis und Rohrohrzucker. Mehrere Re-                                                              zu groß wäre, können sie zunächst Spülkoope-
gionalgroßhändler setzen ebenfalls auf „trockene“                                                            rationen vereinbaren. „Für kleine Unternehmen
Produkte im Mehrwegglas, zum Beispiel Natur-                                                                 ist eine Etikettiermaschine oder eine Waschstraße
kost Erfurt mit seinen „Goldgläschen“, Kornkraft                                                             einfach eine sehr große Hürde“, betont Sarah
mit der eigenen Hausmarke und Rinklin mit „Rin-                                                              Hausmann.
klins Bio – clever verpackt“.
                                                                                                             Wenn alle sich an den Vorgaben orientieren,
Etiketten in der Waschstraße                            Sarah Hausmann von Fairfood                          spart der Mehrweg-Pool am meisten Energie,
                                                                                                             weil keine zusätzlichen Wasch- und Reini-
Die bekannten Joghurt-Pfandgläser haben den             en braucht. So entstand der Leitfaden zur Nut-       gungsgänge anfallen, es weniger Schäden am
großen Vorteil, dass ein bestehendes Mehrweg-           zung des Milch-Mehrweg-Pools (siehe Kasten auf       Glas gibt und die Gläser maximal häufig ihre
system mit etablierter Infrastruktur genutzt            Seite 14), erstellt mit tatkräftiger Unterstützung   Runden zwischen Abfüllung, Großhandel, Läden,
wird - und dass auch die Umverpackung für den           von Tobias Bielenstein von der Arbeitskreis          Verbraucher*innen und zurück drehen. Zusätz-
Transport eine Pfandkiste ist. Trotzdem war der         Mehrweg GbR. Dieser Arbeitskreis hat sich bis-       liche dezentrale Spülstationen in jeder Region
Start mit Nussmus und Co. im Pfandglas strek-           her vor allem um Mehrweg bei Wasser und Bier         würden die Öko-Bilanz des Systems noch wei-
kenweise holperig. Einige Molkereien entdeck-           gekümmert und vergibt das runde Mehrweg-Zei-         ter verbessern. Wichtig ist dabei auch die Mit-
ten plötzlich Etiketten in ihrer Spülstraße, die sich   chen „Für die Umwelt“. „Die AG im BNN ist Gold       arbeit der Bio-Kund*innen: Flaschen und Gläser
nicht ablösen wollten. Dann wieder gingen Eti-          wert als Austauschforum“, sagt Sarah Hausmann        sollten möglichst schnell zurück in den Kreis-
ketten zwar ab, lösten sich aber nicht auf und ver-     von fairfood, „gerade auch gemeinsam für die Zu-     lauf, und dies immer mit Deckel, damit sie nicht
stopften die Anlage. In der Arbeitsgruppe Mehr-         sammenarbeit mit dem Bio-Großhandel und              beschädigt werden, und ohne problematische
weg im BNN kamen die Probleme auf den Tisch.            den Molkereien.“ Und Georg Neubauer von Blatt-       Verschmutzung durch „kreative“ Nutzung. Also
Besonders engagiert haben sich dabei die vier           frisch ergänzt: „So ein cooler Austausch, so ein     niemals Motorenöl, Zigarettenstummel oder
Startups der Initiative „Vier für alle“: Bananeira,     Wohlwollen gegenüber den anderen. Ich würde          Putzmittel einfüllen! Eine andere Sorge konnte
fairfood, GutDing und Karma Kollektiv. Schnell          behaupten, wenn es da zu viele Egoismen gäbe         im Milch-Mehrweg-Pool nach Spül-Tests aus-
wurde deutlich, dass es gemeinsame Richtlini-           und nicht den Willen zu einem guten Aus-             geräumt werden: Es gibt keinerlei Probleme mit
                                                        tausch, dann würde das Thema Mehrweg nicht           Rückständen von Nüssen, die für Allergiker ein
                                                        funktionieren.“                                      Problem sein könnten. Frischglas ist ebenfalls
                                                                                                             ein Thema in der Mehrweg-AG: Wer kauft wie
                                                        Seit November 2020 liegt der Leitfaden von           viel nach – und wie kommt gespültes Glas vom
                                                        „Vier für alle“ und dem Arbeitskreis Mehrweg nun     Großhandel zurück auch in die kleineren Unter-
                                                        vor. Er richtet sich an alle Unternehmen, die Glä-   nehmen, die sie wieder befüllen wollen?

                                                                                                             Vier für alle – Acht für alle

                                                                                                             „Vier für alle“ erinnert an „Acht für alle“. Unter die-
                                                                                                             sem Namen gab es vor 30 Jahren schon einmal
                                                                                                             ein gemeinsames Mehrwegsystem in der Na-
    AG Nachhaltige Verpackungen                                                                              turkostbranche, koordiniert von der Arbeitsge-
                                                                                                             meinschaft für Abfallvermeidung (AfA). Mehre-
    Im BNN ist „Nachhaltiges Verpacken“ ein                                                                  re Unternehmen hatten sich damals auf acht ein-
    Schwerpunkt der Nachhaltigkeitsarbeit. In                                                                heitliche Glasformen geeinigt. Die gute Idee schei-
    mittlerweile drei Arbeitsgruppen treffen                                                                 terte allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
    sich online regelmäßig rund 25 Interes-                                                                  Es gab nicht genügend Teilnehmer*innen, der
    sierte und Engagierte aus den Mitglieds-                                                                 Glas-Rücklauf war zu gering und die Spülsta-
    unternehmen, um neue Ideen zu disku-                                                                     tionen nicht professionell genug für die sehr un-
    tieren, Praxisprobleme zu lösen und sich                                                                 terschiedlichen Lebensmittel wie Honig und
    auszutauschen.                                                                                           Aufstriche. Es gab auch nur zwei Spülstationen,
                                                                                                             so dass weite Transporte die Bilanz verhagelten.

                                                        Georg Neubauer von Blattfrisch
14     Bio & Nachhaltigkeit | BNN Nachrichten 2/2021

Grundsätzlich gilt: Je mehr Hersteller einheitli-   dagegen bei sehr leichten Produkten das Ver-
che Poolflaschen oder Poolgläser nutzen, umso       hältnis zwischen Verpackung und Produktmen-
reibungsloser und klimafreundlicher wird ein        ge nicht, zudem der Einwegdeckel nur unter grö-
Mehrweg-System. „Vielleicht brauchen wir eine       ßerem Energieaufwand recycelt werden kann.
zusätzliche Glasform, aber wir sollten kein kom-    Nicht nur das Verpackungsmaterial entscheide
plett neues System aufziehen“, meint daher Jo-      über die Umweltfreundlichkeit, heißt es in der
nas Schmidle von Bananeira. Das bestehende Sy-      Studie vom Institut für ökologische Wirt-
stem funktioniere und sei bekannt. Auch Georg       schaftsforschung (IÖW) und dem Institut für Ener-
Neubauer von Blattfrisch sieht die Notwendig-       gie und Umweltforschung (ifeu).
keit für das eine oder andere neue Glas-Format,
zum Beispiel, um die Waschbarkeit zu verbessern,    Bei fairfood zum Beispiel kam Papier als Alter-
aber auch, um passende Größen für Marmelade         native zum Plastikbeutel dennoch nicht in Fra-
und Aufstriche zu haben. Künftig brauche es au-     ge, weil Nüsse und Trockenfrüchte darin aus-
ßerdem viele dezentrale Waschlösungen, nicht nur    trocknen. Und bei biologisch abbaubarem Pla-
die Waschstraßen der Molkereien. Und auch bes-      stik ist die Abbauzeit zu lang für kommunale
sere Daten zum System: Wie hoch sind die            Kompostanlagen, so dass die Verpackungen im
Rücklaufquoten wirklich, wie viel Glasbruch gibt    gelben Sack landen. Herkömmliches Plastik
es und wo, was lässt sich im Prozess optimieren?    wollte das Unternehmen für die hochwertigen          Jonas Schmidle von Bananeira
                                                    Nüsse und Trockenfrüchte aber nicht länger
Nicht immer gute Ökobilanz im Glas                  nutzen. Sarah Hausmann von fairfood sieht das        die auf leichte und modulare Mehrweggefäße aus
                                                    Engagement im Milch-Mehrweg-Pool außerdem            Edelstahl, Borosilikatglas und Kunststoff setzt.
Auf Dauer ist das recht schwere Glas aber wohl      als einen Weg, das Denken über Verpackungen
nicht die einzige Lösung für Mehrweg. So hat sich   zu verändern, eine Bewegung anzustoßen. „Es          Georg Neubauer blickt noch weiter in die Zukunft:
im Forschungsprojekt „Innoredux“ herausge-          geht auch um Plastikvermeidung zum Schutz vor        „Es ist ein Start, dass Unternehmen mit dem
stellt, dass die Ökobilanz für Trockenprodukte      Mikroplastik. Unverpackt ist die nachhaltigste Va-   Milch-Mehrweg-Pool die Möglichkeit haben, in
wie Mandeln oder Nudeln am besten                           riante, aber wir haben heute andere Kon-     das Pfandsystem einzusteigen. Aber dabei kann
ist, wenn sie unverpackt verkauft                               sumgewohnheiten, die müssen abge-        und darf es nicht bleiben, das kann nur der er-
werden oder in leichten Ver-                                      deckt werden, es gibt mehr Single-     ste Schritt auf dem Weg zu einem anerkannten
packungen und größeren Por-                                        haushalte, und wir sind mehr un-      Mehrwegsystem sein. Man muss den Unterneh-
tionen. Beim Pfandglas stimmt                                       terwegs.“ Wünschenswert seien        men gute Alternativen bieten, damit auch grö-
                                                                    zum Beispiel mehr Innovationen       ßere Player am Ende mitmachen können und
                                                                   bei Mehrweg aus Mono-Kunst-           auch nicht so viele Ausreden haben. Mehrweg ist
                                                                  stoffen. Auch Mehrwegdeckel für        auf jeden Fall das, was wieder ansteht –der Zeit-
     Leitfaden für den
                                                                Pfandglas würden die Ökobilanz ver-      geist ist weit genug und die Gesetzeslage tut das
     Milch-Mehrweg-Pool
                                                            bessern. Die bisherigen werden recycelt      ihre dazu“ Der Bio-Fachhandel habe das Thema
                                                    – zumindest der Weißblechanteil –denn die Ge-        dankbar aufgenommen. Sarah Hausmann erin-
     Im bundesweit etablierten System für
                                                    fahr ist zu groß, dass die Dichtung beschädigt ist   nert aber auch daran, dass eine Zusammenarbeit
     Milch-Mehrweg zirkulieren vier verschie-
                                                    und die abgefüllten Lebensmittel dann nicht mehr     mit konventionellen Molkereien, die auf Pfand set-
     dene Glasbehälter, jeweils in Weiß und
                                                    sicher sind. Auf der Suche nach neuen Mehr-          zen, ein wichtiger Schritt wäre, da dort viel grö-
     Braun: das 250-Gramm-Sahneglas, das
                                                    weglösungen ist zum Beispiel Circolution GmbH,       ßere Glasmengen im Umlauf seien. Georg Neu-
     500-Gramm-Joghurtglas, die Ein-Liter-
     Milchflasche und die 0,5-Liter-Sahnefla-
     sche. Für alle vier gibt es genormte Mehr-
     weg-Pfandkisten für den Transport.
     Das offene Poolsystem wird von bio-zer-
     tifizierten und konventionellen Unter-
     nehmen genutzt. Der neue Leitfaden
     richtet sich zunächst aber nur an Bio-Un-
     ternehmen. Damit Qualität und Funkti-
     onsfähigkeit aufrechterhalten bleiben,
     gilt für Nutzer*innen unter anderem:
     • nass- und laugenfeste Etiketten-
        Papiersorten verwenden, um Wasch-
        straßen nicht zu beschädigen
     • Etiketten mit wasserlöslichem
        Nassleim befestigen
     • Spülmöglichkeit für gebrauchte Gläser
        schaffen oder übergangsweise
        Spülkooperationen vereinbaren
     • möglichst PVC-, BPA- und Weich-
        macher-freie Deckel verwenden
                                                    Beispiel Mehrwegkreislauf von Bananeira
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