10 JAHRE BUSINESS IMPROVEMENT DISTRICTS IN HAMBURG - Hamburg.de

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10 JAHRE BUSINESS IMPROVEMENT DISTRICTS
                            IN HAMBURG
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10 JAHRE BUSINESS IMPROVEMENT DISTRICTS
IN HAMBURG
Bestandsaufnahme 2015
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Handelskammer Hamburg | Adolphsplatz 1 | 20457 Hamburg
Postfach 11 14 49 | 20414 Hamburg | Telefon 040 36138-138
Fax 040 36138-401 | service@hk24.de | www.hk24.de

Bearbeitung:
Geschäftsbereich Starthilfe & Unternehmensförderung
Heiner Schote
Adolphsplatz 1 | 20457 Hamburg
Telefon +49 40 36138-277
Fax +49 40 36138-299
service@hk24.de
www.hk24.de

Freie und Hansestadt Hamburg
Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen
Amt für Landesplanung und Stadtentwicklung

Bearbeitung:
Frithjof Büttner, Anne-Catherine Caesar
Neuenfelder Straße 19 | 21109 Hamburg
Telefon +49 40 42840-8020
E-Fax +49 40 427940-580
frithjof.buettner@bsw.hamburg.de
www.hamburg.de/bid

Titelbild: Michael Zapf

Grafiken: Michael Holfelder
Alle Grafiken © Handelskammer Hamburg
Herstellung: Wertdruck GmbH & Co. KG, Hamburg

August 2016
10 JAHRE BUSINESS IMPROVEMENT DISTRICTS IN HAMBURG - Hamburg.de
Vorwort

Mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen „Gesetz
zur Stärkung der Einzelhandels-, Dienstleistungs- und
Gewerbezentren“ hat die Freie und Hansestadt Ham-
burg als erstes deutsches Land die Möglichkeit für
Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer geschaf-

                                                                                                                     Foto: Bina Engel/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen
fen, in Eigenregie und in eigener Finanzverantwortung
Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
ihrer Quartiere zu ergreifen. Damit wurde eine Ent-
wicklung gestartet, die Maßstäbe gesetzt hat und
deren Beispiel inzwischen viele andere Bundesländer
gefolgt sind.

Mit bislang 22 eingerichteten Business Improvement
Districts (BID) und sieben weiteren Projekten in Vor-    Aber nicht allein das BID-Gesetz ist ausschlaggebend
bereitung ist Hamburg deutschlandweit Vorreiter in       für diesen Erfolg. Ohne die gute Zusammenarbeit zwi-
Sachen BID. Das zehnjährige Jubiläum haben wir zum       schen Stadt und Wirtschaft wären diese Projekte nicht
Anlass genommen, die Erfahrungen gemeinsam mit           zustande gekommen. Vonseiten der Stadt Hamburg
der Handelskammer Hamburg in der vorliegenden Bro-       wirken unterschiedliche Dienststellen in den Bezirks-
schüre zusammenzufassen.                                 ämtern und den Fachbehörden am guten Gelingen der
                                                         BID-Projekte mit. Von den privaten Beteiligten sind die
Viele beeindruckende Projekte sind seit 2005 in Ham-     Handelskammer, die verschiedenen Aufgabenträger,
burg umgesetzt worden, ihr Investitionsvolumen           die vielen Expertinnen und Experten in Agenturen und
umfasst knapp 50 Millionen Euro. Diese Mittel sind       Planungsbüros sowie vor allem die Eigentümerinnen
ausschließlich von den Grundeigentümerinnen und          und Eigentümer und Einzelhändlerinnen und Einzel-
Grundeigentümern dieser Quartiere aufgebracht wor-       händler zu nennen, die an diesen Projekten sehr oft
den, Zuschüsse vonseiten der Stadt hat es nicht ge-      ehrenamtlich in ihrer Freizeit arbeiten. Ihnen gilt daher
geben. Etwa die Hälfte, also rund 25 Millionen Euro,     mein besonderer Dank.
sind in die öffentliche Infrastruktur geflossen. Diese
Aufwertungen tragen erheblich dazu bei, dass sich die
Bewohnerinnen und Bewohner Hamburgs wieder
stärker mit ihren Zentren und mit ihrer Innenstadt
identifizieren. Das hat auch international ein großes                     Dr. Dorothee Stapelfeldt
Interesse geweckt. Die Hamburger BIDs sind von Dele-             Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen
gationen aus Indonesien, Japan, Kanada, Neuseeland,
Taiwan und den USA sowie aus vielen europäischen
Ländern, zum Beispiel Dänemark, Frankreich, den Nie-
derlanden, Russland, der Schweiz und Spanien besucht
worden. Ebenso groß war auch das Interesse vieler
deutscher Städte.
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Vorwort

                                                                                           Die wirtschaftliche Basis für alle Quartiere sind erfolg-
                                                                                           reiche Handelsimmobilien: Geschäftshäuser, Passagen
                                                                                           und in einigen BIDs auch Einkaufszentren. Sie funktio-
                                                                                           nieren, wenn auch der Einzelhandel funktioniert. In der
                                                                                           Metropolregion Hamburg war der Wettbewerb schon
                                                                                           immer sehr intensiv, aktuell durchläuft der Einzel-
                                                                                           handel durch das Internet einen tiefgreifenden Struk-
                                                                                           turwandel. Die Innenstadt und die Bezirks- und Stadt-
                                                                                           teilzentren müssen daher mehr bieten als gute
                                                                                           Geschäfte, interessante Sortimente und eine quali-
                                                                                           fizierte Beratung: Sie müssen auch eine hohe Auf-
                                                                                           enthaltsqualität und ein breites gastronomisches und
                                                                                           kulturelles Angebot bieten, damit die Menschen in die
Foto: Christian Stelling

                                                                                           Stadt kommen. Wir können daher sehr froh sein, dass
                                                                                           die BIDs dies schaffen und erhalten.

                                                                                           Engagierte und mutige Hamburgerinnen und Hambur-
                           Mit den BIDs hat Hamburg in den vergangenen zehn                ger investieren mit BIDs nicht nur in ihre Immobilien
                           Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht. Als erstes                und deren Werterhalt, sondern sie leisten zugleich
                           deutsches Landesparlament hat die Hamburgische                  einen wichtigen Beitrag für eine lebendige Innenstadt,
                           Bürgerschaft ein BID-Gesetz beschlossen, nachdem die            attraktive Bezirks- und Stadtteilzentren und für die
                           Handelskammer Hamburg die Chancen eines solchen                 Lebensqualität in unserer Stadt. Damit knüpfen sie
                           Instruments aufgezeigt hatte. Mit der Schaffung eines           zugleich an eine der besten Traditionen unserer
                           rechtlichen Rahmens für die bürgerschaftlichen                  Hansestadt an.
                           Aktivitäten auf Quartiersebene ist sie damit in neues
                           Fahrwasser vorgestoßen.                                         Ihnen allen vielen Dank für Ihr Engagement – und für
                                                                                           die Hamburger BID-Flotte immer eine Handbreit
                           Der Kern der BIDs ist das private Engagement. Es ist            Wasser unterm Kiel.
                           nicht die Stadt, die die Initiative ergreift, sondern es sind
                           die Hamburger Kaufleute und Grundeigentümer: alle,
                           die in den Lenkungsausschüssen oder als Aufga-                  Handelskammer Hamburg
                           benträger die Hamburger BIDs zielgerichtet vorantrei-
                           ben. Gleichwohl spielt die Stadt Hamburg eine zentrale
                           Rolle, indem sie den BIDs ihre Expertise und die fachliche
                           Beratung zur Verfügung stellt. Und sie sorgt dafür, dass
                           sich auf der Grundlage der Zustimmung eines Großteils           Fritz Horst Melsheimer     Prof. Dr. Hans-Jörg Schmidt-Trenz
                           der Grundeigentümer letztlich alle Eigentümer eines                    Präses                    Hauptgeschäftsführer
                           Quartiers verpflichtend an der Finanzierung des BIDs
                           beteiligen. Die BIDs schaffen öffentliche Güter, von
                           denen alle profitieren. Und daher ist es nur gerecht,
                           wenn sich alle an der Finanzierung beteiligen.
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Vorwort

                                                                                    Dies gilt ebenso für alle anderen BIDs in den Bezirks-
                                                                                    und Stadtteilzentren. Denn jeder, der in den BID-Gebie-
                                                                                    ten agiert, dort arbeitet und lebt, weiß: Die Konkurrenz
                                                                                    schläft nicht. Die Handelsquartiere müssen gepflegt
                                                                                    werden, es braucht immer wieder neue Impulse. BIDs
                                                                                    sind für die Hamburger Bezirke ein wichtiges zusätz-
                                                                                    liches Instrument zur Zentrenentwicklung. Mit ihnen
                                                                                    haben die Grundeigentümerinnen und Grundeigen-
                                                                                    tümer die Chance, die Anziehungskraft und Leistungs-
                                                                                    fähigkeit ihrer Einkaufsstraßen zu erhalten und aus-
                                                                                    zubauen.

                                                                                    Wir als Verwaltung können über die BIDs neue Hand-
Fotocredit: Michael Zapf

                                                                                    lungsbedarfe erkennen. Und oftmals auch die richtigen
                                                                                    Lösungsansätze. Mein Dank gilt deshalb besonders den
                                                                                    vielen für den Standort Engagierten in der Bergedorfer
                                                                                    Innenstadt.
                           Wer in der östlichen Metropolregion in anregender
                           Atmosphäre hochwertig einkaufen möchte, den zieht
                           es in die Bergedorfer Innenstadt. Keine Frage: Das
                           Sachsentor und die Alte Holstenstraße sind attraktiv,
                           ihre Geschäfte und ihr Flair ziehen Kunden aus dem                            Arne Dornquast
                           gesamten Umland an. Das war nicht immer so.                           Leiter des Bezirksamts Bergedorf

                           Erst eine gemeinsame Anstrengung aller Akteure hat
                           die Bergedorfer Innenstadt als Bezirkszentrum wieder
                           zu einem Einkaufsstandort mit oberzentraler Bedeu-
                           tung gemacht. Eine ganz wichtige, vielleicht die ent-
                           scheidende Rolle nahmen dabei unsere BIDs ein. Das
                           BID Sachsentor ging im August 2005 an den Start und
                           war damit das erste BID in ganz Deutschland. Seitdem
                           wurden und werden mittlerweile vier BIDs im Berge-
                           dorfer Zentrum erfolgreich umgesetzt.

                           Der Draht zwischen den BIDs und der Verwaltung ist
                           kurz, und davon profitiert das ganze Quartier. Umbau-
                           maßnahmen, Gestaltung, Sicherheit, Sauberkeit: Alle
                           diese Themen können wir besser und effektiver bewe-
                           gen, weil wir in den BIDs einen ebenso professionellen
                           wie engagierten Partner zur Seite wissen.
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Inhaltsverzeichnis

1 Rundes Jubiläum: 10 Jahre BIDs in Hamburg                                                                                9

2 BIDs – Zustandekommen und Maßnahmen                                                                                     12

     2.1   Was ist ein BID?                                                                                               12
     2.2   Wie entsteht ein BID?                                                                                          12
     2.3   Wer entscheidet über ein BID?                                                                                  13
     2.4   Welche Maßnahmen werden in BIDs umgesetzt?                                                                     13
     2.5   „Bau-BIDs“ und „Marketing-BIDs“                                                                                15

3 „Hilfe zur Selbsthilfe“ – Erfolgsfaktoren eines BID                                                                     20

     3.1   Warum lohnt sich ein BID?                                                                                      20
     3.2   Hebelwirkung und Folgeinvestitionen                                                                            22
     3.3   Innovationsmotor BID                                                                                           22
     3.4   Erfolgsfaktoren in Hamburg                                                                                     23

4 Aufgabenteilung sowie Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner                                                          28

5 BID-Stadt Hamburg                                                                                                       32

     5.1 BIDs in der Hamburger Innenstadt                                                                                 34
     5.2 BIDs in den Bezirks- und Stadtteilzentren                                                                        36

6 BIDs in Deutschland                                                                                                     40

7 10 Jahre BIDs – Ergebnisse und Erfahrungen                                                                              41

     7.1 BID-Verfahren                                                                                                    41
     7.2 Praktische Umsetzung                                                                                             43

8 Weiterentwicklung des BID-Modells                                                                                       45

     8.1 HIDs zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität                                                               45
     8.2 BIDs für Gewerbegebiete                                                                                          45

Literatur zu BIDs                                                                                                         47

BIDs in Hamburg im Überblick                                                                                              48

10 Jahre Business Improvement Districts in Hamburg © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016
9

1 Rundes Jubiläum: 10 Jahre BIDs in Hamburg

Business Improvement Districts (BID) sind ein neues
Instrument der Stadtentwicklung. Als erstes deutsches
Bundesland schuf Hamburg am 1. Januar 2005 den
rechtlichen Rahmen für private Initiativen und betrat
damit Neuland. Die ersten BIDs im Sachsentor in Ber-
gedorf und am Neuen Wall in der Innenstadt setzten
Maßstäbe und dienten als Vorbilder für viele weitere
Projekte.

                                                                                                                                                              Foto: Otto Wulff BID GmbH
Seit nunmehr zehn Jahren können Grundeigentüme-
rinnen und Grundeigentümer1 in Hamburg mit eigenen
Finanzmitteln und in eigener Verantwortung in ihr                             Eröffnungsfeier des BID Quartier Gänsemarkt am 1. Juli 2015. Im BID Quartier
                                                                              Gänsemarkt werden die Grundeigentümer in den kommenden vier Jahren rund
Quartier investieren, indem sie den öffentlichen Raum                         4,1 Millionen Euro in Neugestaltung, Pflege und Verschönerung investieren, um
gestalten, pflegen und Service- und Marketingakti-                            es zu einem lebhaften Ort inmitten der Innenstadt für Anlieger, Besucher und
                                                                              Mieter zu machen.
vitäten durchführen. So können sie den Wert ihrer
Immobilien stabilisieren oder verbessern und zugleich
die Position der Innenstadt, der Bezirks- oder der                            Senatsempfang zum BID-Jubiläum
Stadtteilzentren als Einzelhandels- und Dienstleis-
tungsstandorte im Wettbewerb stärken.                                         Zum zehnjährigen Jubiläum lud der Senat die BID-
                                                                              Akteure am 17. September 2015 zu einem Empfang ins
Den Rahmen für das Engagement bildet ein Lan-                                 Rathaus ein. 200 geladene Gäste tauschten sich hier
desgesetz, das heute die Bezeichnung „Gesetz zur                              über die Erfahrungen und Perspektiven der BIDs in der
Stärkung der Einzelhandels-, Dienstleistungs- und                             Hansestadt aus. Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für
Gewerbezentren“ (GSED) trägt, das sogenannte                                  Stadtentwicklung und Wohnen, dankte in ihrer Begrü-
Hamburgische BID-Gesetz. Es stellt das lokale Handeln                         ßungsrede allen Beteiligten für ihr Engagement:
auf eine verlässliche Basis.                                                  „Angesichts der vielen guten Beispiele bin ich über-
                                                                              zeugt, dass das Modell in Hamburg zukunftsfähig
Gerade in Zeiten, in denen der Einzelhandel aufgrund                          ist – die Erfolgsgeschichte BID geht weiter“. Auch
geringer Wachstumsraten und der zunehmenden Kon-                              Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans-
kurrenz des Onlinehandels unter Druck steht, können                           Jörg Schmidt-Trenz bescheinigte den Akteurinnen und
Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer und                                  Akteuren der BIDs hervorragende Arbeit: „Mit Ihrem
Mieterinnen und Mieter mit BIDs gemeinsam neue                                Weitblick, Ihrer Zuversicht und Ihrem umfassenden
Konzepte entwickeln, um ihre Quartiere zukunftsfähig                          zeitlichen und finanziellen Engagement haben Sie die
aufzustellen.                                                                 Hamburger Innenstadt zu einer der attraktivsten in
                                                                              Deutschland und Europa gemacht.“

1   Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden in Einzelfällen
    auf die weibliche Form verzichtet.

10 Jahre Business Improvement Districts in Hamburg © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016
10

                              10 JAHRE BID NEUER WALL – INTERVIEW MIT GRUNDEIGENTÜMER JEAN-JACQUES DE CHAPEAUROUGE

                                                                                                  In dieser Phase haben uns die Stadt und die Handelskam-
                                                                                                  mer sehr unterstützt. Weder waren uns politische noch
                                                                                                  verwaltungstechnische Strukturen geläufig. Ohne diese
                                                                                                  Hilfestellung wären wir „nur“ eine private Initiative gewe-
                                                                                                  sen. So ist es durch die enge und vertrauensbildende
                                                                                                  Zusammenarbeit letztlich gelungen, eine verbindliche
                                                                                                  Norm für die Initialisierung von BIDs zu erarbeiten, heute
                                                                                                  Grundlage für alle vergleichbaren Aktivitäten.
     Foto: Ulrich Perrey

                                                                                                  Sie sind inzwischen in mehreren BIDs aktiv. Welches
                                                                                                  Projekt hat die Hamburger Innenstadt am meisten voran-
                           Jean-Jacques de Chapeaurouge ist Geschäftsführer der Chapeaurouge      gebracht?
                           Beteiligungen GmbH und Vorsitzender des Grundeigentümervereins
                           Neuer Wall.
                                                                                                  Eindeutig der Neue Wall. Die Bekanntheit der Straße und
                           Herr de Chapeaurouge, was hat Sie motiviert, gemeinsam                 der sofortige Erfolg nach Umsetzung sprechen für sich.
                           mit anderen Eigentümern das BID Neuer Wall zu gründen?                 Das BID Neuer Wall hat wirklich dazu geführt, dass die
                                                                                                  Attraktivität der Innenstadt ein Thema geworden ist, dass
                           Der öffentliche Raum verwahrloste zunehmend. Im                        sich Pflege von öffentlichem und privatem Eigentum
                           öffentlichen Bewusstsein war die Pflege von Plätzen nicht              lohnt.
                           verankert. Im direkten Vergleich zu Wettbewerbern wie
                           München, Zürich oder Wien mussten wir feststellen, dass                Wo sehen Sie die Innenstadt in zehn Jahren?
                           die Aufenthaltsqualität in der Hamburger Innenstadt, ins-
                           besondere auch am Neuen Wall, schlecht war. Neben der                  Vorausgesetzt, dass die Politik weiterhin versteht, dass das
                           fehlenden Pflege waren strukturelle Mängel zu beheben.                 Zentrum der Metropole für das Erscheinungsbild der
                           Die Fußwege waren so schmal, dass ein Nebeneinander                    Gesamtstadt von substanziellster Bedeutung ist, hat
                           beim Flanieren nicht möglich war. Stattdessen gab es                   Hamburg die Chance, einer der interessantesten europäi-
                           einen großen Straßenraum, der zu ungeordnetem Parken                   schen Plätze zu werden. Die Vermengung von unter-
                           in zweiter und dritter Reihe verführte. Letztlich führte dies          schiedlichen Nutzungen spielt dabei eine Rolle. Sicherzu-
                           zu einem schleichenden Prozess des Niedergangs der                     stellen ist aber auch, dass zentrale Funktionen der Stadt
                           wichtigsten Straße für den hochwertigen Einzelhandel.                  auch im Zentrum bleiben oder sogar gestärkt werden.
                           Dem hatten wir etwas entgegenzusetzen.                                 Hierzu zähle ich insbesondere auch kulturelle Einrichtun-
                                                                                                  gen. Das Bucerius Kunstforum ist ein gelungenes Beispiel,
                           Welche Schwierigkeiten hatten Sie während des Grün-                    das Nachahmung fordert.
                           dungsprozesses, und wie haben Sie sie überwunden?
                                                                                                  Im Übrigen kann ich nur gebetsmühlenartig wiederholen:
                           Da es keine Vorbilder gab, haben wir uns an die Idee einer             Hamburg muss in einer globalen Welt interkontinental
                           konzertierten Aktion langsam herangearbeitet. Selbst der               angebunden und eingebunden sein. Es fehlen die nötigen
                           Begriff eines Business Improvement Districts war etwas                 Flugverbindungen. Wir dürfen nie vergessen, wo wir her-
                           Neues für uns. Zwar gab es bereits BIDs in Nordamerika,                kommen: Wir sind einer der großen Handelsplätze auf der
                           dort aber vor anderem normativen und teleologischen                    Welt. Das muss sich im Stadtbild widerspiegeln, und zwar
                           Hintergrund.                                                           nicht nur in Steinen, sondern auch in Menschen.

                                                    10 Jahre Business Improvement Districts in Hamburg © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016
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Meilensteine

                                 Januar                                                                                  Januar
  2003/04                        1. Sitzung des BID-Impulskreises der Industrie- und Handelskammern
                                 Februar
                                                                                                                         Workshop zur Gesetzgebung
                                                                                                                         August
                                 Einrichtung einer Behörden-Arbeitsgruppe zur Prüfung, ob ein BID-Gesetz für             Analysepapier der Handelskammer Hamburg
                                 Hamburg sinnvoll wäre                                                                   Erstellung von zwei Gutachten zum Steuer- und Verfassungsrecht
                                 März                                                                                    für die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU)
                                 Internationales BID-Expertenhearing in der Handelskammer Hamburg                        September
                                 September                                                                               Senatsbeschluss über das BID-Gesetz
                                 Bürgermeister Ole von Beust spricht sich in einer Rede vor dem Übersee-Club             Dezember
                                 für ein BID-Modellprojekt und ein Gesetz aus                                            Bürgerschaftsbeschluss über das BID-Gesetz

  2005                              2006                             2007                              2008                                2009                            2010

 Januar                            Mai                              Mai                               Juli                                April                           April
 Das Gesetz zur Stärkung der       Veröffentlichung des             Das BID Neuer Wall wird mit       BID Wandsbek Markt                  BID Lüneburger Straße           OXBID
 Einzelhandels-, Dienstleis-       gemeinsamen Ratgebers zur        dem Innovationspreis für          1. Bau-BID außerhalb der            1. BID in Harburg               Das BID für den Ochsenzoller
 tungs- und Gewerbezentren         BID-Einführung der               Public-Private-Partnerships       Innenstadt                          BID Alte Holstenstraße          Schmuggelstieg ist mit einem
 (GSED) tritt als erstes           Handelskammer Hamburg und        ausgezeichnet                                                         2. BID in Bergedorf             BID in Norderstedt
 BID-Gesetz Deutschlands in        der BSU                          Juli                                                                  Mai                             grenzübergreifend tätig
 Kraft                             Juni                             1. BID-Erfahrungsaustausch                                            BID Hohe Bleichen/Heuberg       Oktober
 August                            Im BID Neuer Wall ist der        der Handelskammer Hamburg                                             2. BID in der Innenstadt        BID Neuer Wall II
 BID Sachsentor                    Umbau zur Fußballwelt-           September                                                             Juni                            1. nahtloses Anschluss-BID;
 1. BID in Deutschland             meisterschaft fertig gestellt    Gemeinsamer Kongress von                                              1. BID-Kongress des DIHK in     Sonderpreis des BID-Kongres-
 Oktober                           September                        Handelskammer Hamburg, BID                                            Hamburg                         ses
 BID Neuer Wall                    1. BID-AG-Sitzung mit            Neuer Wall, Deutschem Institut                                                                        November
                                                                                                                                          BID Sachsentor II
 1. BID in der Hamburger           Verwaltungsdienststellen und     für Urbanistik und der BSU                                                                            BID Tibarg
                                                                                                                                          1. Verlängerung eines BID
 Innenstadt                        Handelskammer Hamburg            November                                                                                              1. BID in einem Stadtteil-
                                                                                                                                          November
                                   November                         1. Gesetzesänderung:                                                                                  zentrum
                                                                                                                                          Pflanzung von 13 sechzig-
                                   Kongress zum Stand der BIDs      Einführung der Kappungsgren-
                                                                                                                                          jährigen Lebensbäumen im
                                   in Hamburg und Deutschland       ze und BIDs für Gewerbe-
                                                                                                                                          BID Hohe Bleichen/Heuberg
                                   Wirtschaftsrechtstag von         gebiete
                                   Handelskammer Hamburg und        Zur Übertragung des
                                   Universität Hamburg zum          BID-Konzepts auf Wohngebiete
                                   Rechtsrahmen der BIDs            tritt das „Gesetz zur Stärkung
                                                                    von Wohnquartieren durch
                                                                    private Initiativen“ in Kraft

  2011                              2012                             2013                              2014                                22015
                                                                                                                                             014
                                                                                                                                           2014                            2016

 Februar                           April                            Juni                              Januar                              April                           Februar
 Senatsempfang für                 1. Runder Tisch BID der BSU      3. Gesetzesänderung:              1. BID-Jour-fixe im Bezirksamt      BID Hohe Bleichen II            BID Tibarg II
 alle BID-Akteure                  mit Aufgabenträgern,             Neufassung Kappungsgrenze         Hamburg-Mitte                       Planung einer außergewöhnli-
 2. Gesetzesänderung:              Eigentümern und der              August                            Mai                                 chen Weihnachtsbeleuchtung
 Informationstermin, Fristen,      Handelskammer Hamburg            Einwöchiger Erfahrungsaus-        BID Reeperbahn+                     Juli
 Stichtage                         Dezember                         tausch in New York City mit       1. BID für ein Vergnügungsviertel   BID Quartier Gänsemarkt
 April                             1. Housing-Improvement-          BID-Akteuren aus Hamburg          Juli                                BID-Kongress in Hamburg
 BID Opernboulevard                District (HID) für Steilshoop    und Bremen                        BID Opernboulevard II               September
 Kooperation von Stadt und BID     eingerichtet                     Oktober                           Weiterentwicklung des               Senatsempfang zum Jubiläum
 beim Umbau der Straße und                                          BID Lüneburger Straße II          Kulturstandorts                     „10 Jahre BIDs in Hamburg“
 der Gehwege                                                        1. BID mit Vermietungs-           August                              Oktober
 August                                                             management als Aufgabe            BID Nikolai-Quartier                BID Neuer Wall III
 BID Passagenviertel                                                November                          BID mit dem höchsten Budget         Zum zweiten Mal ein nahtloser
 Erstmals zehn laufende BIDs                                        Das BID Neuer Wall II erhält      Oktober                             Übergang zwischen zwei BIDs
 gleichzeitig                                                       den 3. Platz im Wettbewerb        BID Tibarg erhält den 2. Platz      Dezember
 November                                                           um den BID-Award                  beim Wettbewerb um den              BID Waitzstraße/Beselerplatz
 Das OXBID erhält den 3. Platz                                                                        Stadtmarketingpreis                 erstes 1. BID in Altona
 im Wettbewerb um den                                                                                 November
 BID-Award                                                                                            BID-Award für das BID
                                                                                                      Nikolai-Quartier
  Stand: 2/2016                                                                                       Einweihung der außergewöhn-
  © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016                                lichen Weihnachtsbeleuchtung
  Fotos: BSW, Bergedorf Stadtmarketing, Otto Wulff BID GmbH, konsalt GmbH,                            für das BID Passagenviertel
  BID Tibarg, Zum Felde GmbH, Hahn Hertling von Hantelmann

10 Jahre Business Improvement Districts in Hamburg © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016
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 2 BIDs – Zustandekommen und Maßnahmen

 2.1 Was ist ein BID?                                                         2.2 Wie entsteht ein BID?

 BIDs sind klar begrenzte Einzelhandelsbereiche, in                           Die Besonderheit der BIDs ist, dass sie als „Hilfe zur
 denen auf Veranlassung der Betroffenen – in der Regel                        Selbsthilfe“ ausschließlich auf privater Initiative beru-
 sind dies die Eigentümerinnen und Eigentümer sowie                           hen. Die Anlässe zur Initiierung eines BID sind vielfältig:
 die Gewerbetreibenden – in einem festgelegten Zeit-
 raum (maximal fünf Jahre) in Eigenorganisation Maß-                          • Einkaufsquartiere wollen sich im Wettbewerb posi-
 nahmen zur Aufwertung des eigenen Standorts durch-                             tionieren und konkurrenzfähig bleiben
 geführt werden. Finanziert werden BIDs durch eine
                                                                              • Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer wol-
 Abgabe, die alle im Gebiet ansässigen Grundeigen-
                                                                                len den Erhalt der Immobilienwerte und die Vermiet-
 tümerinnen und Grundeigentümer zu leisten haben.
                                                                                barkeit sicherstellen
 Die Idee stammt aus Nordamerika, wo das Modell                               • Der Branchenmix soll positiv beeinflusst werden
 bereits seit über 40 Jahren erfolgreich umgesetzt wird.
                                                                              • Kundenfrequenzen sollen erhöht und neue Ziel-
 Im kanadischen „Bloor West Village“ in Toronto ent-
                                                                                gruppen erreicht werden
 stand 1970 das erste BID, als sich dort Grundeigentüme-
 rinnen und Grundeigentümer und Geschäftsleute zur                            • Die Aufenthaltsqualität soll verbessert und die Ver-
 Rettung ihres Einkaufsquartiers zusammenschlossen.                             weildauer erhöht werden

     Einrichtung eines BID

               Vorbereitung                   Konkretisierung                 Entscheidung                       Umsetzung

               • Initiativgruppe              • Auswahl Aufgabenträger        • Öffentliche Auslegung            • Einrichtung durch
                 (Eigentümerschaft                                              (1 Monat)                          Rechtsverordnung
                 und Einzelhandel)            • Beteiligung
                                                Eigentümerschaft/             • Möglichkeit zum                  • Festgelegte Laufzeit
               • Festlegung der                 Gewerbe/Öffentlichkeit          Widerspruch                        (maximal 5 Jahre)
                 Gebietsabgrenzung
                                              • 15% Unterstützung             • Negativ-Quorum:                  • Öffentlich-rechtlicher
               • Maßnahmen- und                                                 Mehr als ein Drittel               Vertrag zwischen
                 Finanzierungskonzept         • Antragstellung                  Ablehnung führt zum                Aufgabenträger und
                 inklusive Budgetierung                                         Scheitern der Initiative           Bezirksamt

                                                                           © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016

                                10 Jahre Business Improvement Districts in Hamburg © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016
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In einem oft mehrere Jahre andauernden Gründungs-                             der im beantragten Innovationsbereich gelegenen
prozess bereitet eine Initiativgruppe in Abstimmung                           Grundstücke oder der Grundstücksflächen ihre Nicht-
mit den Anliegerinnen und Anliegern der Stadt ein BID                         zustimmung zum Antrag erklären, kann der Senat das
vor. Sobald sie sich auf die wesentlichen Maßnahmen                           BID durch den Erlass einer Rechtsverordnung einrichten.
verständigt hat, wählt sie einen Aufgabenträger aus –
beispielsweise ein Unternehmen mit Bau- und Ma-
nagementerfahrung –, der sie bei der weiteren Vorbe-                          2.4 Welche Maßnahmen werden
reitung unterstützt.                                                          in BIDs umgesetzt?

Mit einem Antrag legt der Aufgabenträger dem                                  Ist das BID eingerichtet, setzt der Aufgabenträger die
zuständigen Bezirksamt als der Aufsichtsbehörde dann                          Maßnahmen auf Basis des beantragten Maßnahmen-
ein Maßnahmen- und Finanzierungskonzept für die                               und Finanzierungskonzepts um. Was die konkreten
gesamte Laufzeit des BID sowie die genaue Gebiets-                            Aktionen betrifft, sind den BIDs nahezu keine Grenzen
abgrenzung vor. Während des gesamten Gründungs-                               gesetzt. Von Service- und Reinigungsleistungen über
prozesses kann die Initiativgruppe auf die Beratung                           Marketing und Veranstaltungen bis hin zu umfang-
und Unterstützung der Bezirksämter, der Behörde für                           reichen Baumaßnahmen ist fast alles möglich und in
Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) und der Han-                                Hamburg auch bereits umgesetzt worden.
delskammer Hamburg zählen.

                                                                              BID-Leistungen sind das Sahnehäubchen
2.3 Wer entscheidet über ein BID?
                                                                              Einzige Ausnahme dieses breiten Betätigungsfelds bil-
Für die Antragstellung benötigt die Initiative mindes-                        den hoheitliche Aufgaben: BIDs dürfen keine Arbeiten
tens 15 Prozent Zustimmung aus der Grundeigentü-                              der Stadt, wie beispielsweise der Polizei, übernehmen.
merschaft, sowohl nach Anzahl der Grundstücke als                             Alle Aktivitäten in den Quartieren wie Gehwegreini-
auch nach Grundstücksflächen. Mit diesem Quorum                               gung sind zusätzliche Leistungen, die über den öffent-
soll die Initiative ihren Rückhalt im Quartier nachwei-                       lichen Standard hinausgehen. Unabhängig davon
sen. Tatsächlich reichen die meisten Aufgabenträger                           kommt die Stadt in den BIDs weiterhin ihren Pflichten
Anträge mit 30 bis 60 Prozent Zustimmung ein.                                 der Daseinsfürsorge in gewohntem Umfang nach.

Ist diese erste Hürde genommen, wird der Antrag vom
zuständigen Bezirksamt geprüft und anschließend                                   BID-Maßnahmen als Cappuccino-Prinzip
einen Monat lang öffentlich ausgelegt. Ort und Dauer
der Auslegung werden öffentlich bekannt gemacht.
Außerdem soll der Aufgabenträger die Grundeigen-
tümerinnen und Grundeigentümer des Innovations-
bereichs über die öffentliche Auslegung und über ihr
Recht informieren, der Einrichtung des BID nicht zu-
zustimmen.

Die Entscheidung über das Zustandekommen eines
BID liegt dann bei den jeweiligen Grundeigentüme-
                                                                                   © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016
rinnen und Grundeigentümern. Sofern die Eigentüme-
rinnen und Eigentümer von weniger als einem Drittel

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                                    ERFOLGSFAKTOREN VON BIDS – KOMMENTAR VON DR. SEBASTIAN BINGER, AUFGABENTRÄGER

                                                                                                    Echte Leader als Motivatoren aus dem Quartier

                                                                                                    Die Initiative für ein BID geht meist von einem oder meh-
                                                                                                    reren Eigentümern beziehungsweise deren Vertretern aus
                                                                                                    dem Quartier aus. Diese Motivatoren sind bereit, sich mit
                                                                                                    viel Zeit und Engagement für das Projekt einzusetzen. Sie
                                                                                                    sind im Quartier gut vernetzt, hoch angesehen und haben
                                                                                                    die Fähigkeit, ihre Vision im Quartier zu kommunizieren.
                                                                                                    Die Motivatoren geben den professionell arbeitenden
     Foto: Ulrich Perrey

                                                                                                    Planern, Moderatoren und Aufgabenträgern die erforder-
                                                                                                    liche Legitimation für ihre Arbeit.
                           Dr. Sebastian Binger ist Geschäftsführer der Otto Wulff
                           BID-Gesellschaft mbH. In seiner Dissertation hat er sich mit
                                                                                                    Bereits vorhandene Organisationsstrukturen
                           dem Gründungsprozess von BIDs befasst.

                           Die erfolgreiche Einrichtung eines BID ist kein Zufall. Vor              Ein BID kommt in der Regel nicht aus dem Nichts. Zumeist
                           der BID-Gründung und der Umsetzung im Quartier spürba-                   ist eine formelle oder informelle Vernetzung bereits vorhan-
                           rer Maßnahmen steht eine gleichermaßen komplexe und                      den. Meist wurden sogar vor dem BID-Gedanken bereits
                           zeitlich intensive Vorbereitungsphase ohne planerische                   Themen, die das Quartier betreffen, gemeinsam vertreten.
                           Sicherheit, finanzielle Ressourcen, aber mit umfassenden
                           Aufgaben. Was ist zu tun, um diese Hürde zu meistern? Was                Ein gemeinsam wahrgenommener Investitionsanlass
                           haben erfolgreich eingerichtete Projekte gemeinsam?
                                                                                                    Jede Investition braucht einen konkreten Anlass. Je klarer
                           Die folgenden Erfolgsfaktoren konnten im Rahmen einer                    das Problem eines Quartiers und die Maßnahmen eines
                           wissenschaftlichen Untersuchung aus dem Jahre 2009                       BID als deren Lösung erklärt werden können, desto leichter
                           empirisch ermittelt werden und haben sich in den letzten                 fällt die Investitionsentscheidung. Dabei sind es häufig
                           zehn Jahren in zahlreichen BIDs in Hamburg inhaltlich                    gerade die hoch professionell agierenden institutionellen
                           bestätigt.                                                               Eigentümer, die zur Investition bereit sind, wenn zu erwar-
                                                                                                    ten ist, dass die Rendite positiv ist.
                           Handlungsfähige Lenkungsgruppe
                                                                                                    Professionelle externe Unterstützung
                           In einer gut funktionierenden, aus dem Grundeigentum,
                           den Gewerbetreibenden und den Unterstützern aus                          Die Vorbereitung eines BID ist eine komplexe Aufgabe.
                           öffentlicher Verwaltung und der Kammer besetzten Len-                    Diverse Planungsschritte sind abzuarbeiten. Neben inhalt-
                           kungsgruppe wird die Einrichtung des BID vorbereitet. In                 lichen und organisatorischen Themen sind die gesetz-
                           erfolgreichen Projekten arbeitet die Lenkungsgruppe eng                  lichen Anforderungen zur Einrichtung eines BID zu erbrin-
                           zusammen. Die Grundeigentümer als zunächst betroffene                    gen. Initiativen sind da schnell am Ende ihrer zeitlichen
                           Gruppe sind breit vertreten. Die Zusammenarbeit ist ver-                 und fachlichen Möglichkeiten. Die professionelle Unter-
                           trauensvoll, die Diskussionen sind offen und lösungs-                    stützung von Gründungsinitiativen ist daher ein wesent-
                           orientiert. Die Gruppe ist bereit, auch kritische Stimmen                licher Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Initiative. Profis
                           zu akzeptieren und versteht die Erklärung des Projekts im                kosten Geld, was zunächst nicht vorhanden ist. Erfolgrei-
                           Quartier als gemeinsame Aufgabe.                                         che Initiativen finden auch für hierfür eine Lösung.

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   Maßnahmen und Investitionen in den Hamburger BIDs

          20,5 Millionen Euro                                                                                     2,9 Millionen Euro
                  Gesamtinvestitionen                                                                             für Reinigung
                  für Baumaßnahmen

            4,5 Millionen Euro
                             für Service

                                                                                                                  2,6 Millionen Euro
                                                                                                                  für Weihnachtsbeleuchtung

            1,1 Millionen Euro
                  Gesamtinvestitionen
                  für Stadtmöblierung

                                                                                                                  2,1 Millionen Euro
            3,9 Millionen Euro                                                                                    Gesamtinvestitionen
            für Marketing, Events und
                                                                                                                  für Begrünung
                      Kommunikation

                                                                                                                                        Stand: 12/2015
      Quelle: BID-Anträge, Werte gerundet                                                                                  © Handelskammer Hamburg/
      Fotos: BSW, Otto Wulff BID GmbH,                                                                                    Behörde für Stadtentwicklung
      BID Tibarg, Ulrich Perrey                                                                                                      und Wohnen 2016

2.5 „Bau-BIDs“ und „Marketing-BIDs“                                           mung existierten, verwandelten sich in Orte mit hoher
                                                                              Aufenthaltsqualität.
Die Besonderheit der Hamburger BIDs sind die umfang-
reichen Investitionen in den öffentlichen Raum. In den                        Auch eine verbesserte Verkehrsführung, breitere Gehwege,
„Bau-BIDs“ sind Gehwege, Straßen und Plätze mit gro-                          optimierte Parkräume und eine bessere Erreichbarkeit
ßen Investitionen erneuert worden. Dies hat die Auf-                          waren und sind die Ziele der Initiatoren. In den BIDs
enthaltsqualität der Quartiere deutlich verbessert.                           wurde die Stadtmöblierung aufgewertet und ergänzt.
                                                                              950 Fahrradständer und 50 neue Abfallbehälter sind
                                                                              aufgestellt worden, 85 Bänke laden zum Verweilen ein
Stadtraumgestaltung                                                           und 180 neue Straßenlampen wurden installiert.

Statt der typischen „Hamburger Senatsplatte“, einem                           Fast alle BIDs haben zudem erheblich in Begrünung
grauen 50-mal-50-Zentimeter-Stein, wurde in den                               und Pflege ihrer Quartiere investiert. So wurden bis
BIDs hochwertiges, helles Pflaster verbaut, um die                            heute fast 120 neue Bäume gepflanzt, Straßen und
besondere Qualität der Quartiere zu unterstreichen.                           Plätze durch über 450 neue Beete, Baumscheiben und
Plätze, die zuvor kaum in der öffentlichen Wahrneh-                           Pflanzgefäße verschönert.

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                                                                         PROJEKTBEISPIEL: BID TIBARG
     Foto: Ulrich Perrey

                           Im Stadtteilzentrum von Niendorf, der Fußgängerzone                 am Tibarg vorhandenen Geschäfte und Dienstleister. Diese
                           Tibarg, wurde 2010 ein BID gegründet. Es führte Baumaß-             Maßnahmen haben das Stadtbild erheblich aufgewertet.
                           nahmen ebenso wie Marketing- und Serviceleistungen
                           durch und bildete damit das gesamte Spektrum an BID-                Daneben finanzierten die Grundeigentümer durch das BID
                           Maßnahmen ab. Ziel der Initiative war es, den Einkaufs-             ein Quartiersmanagement, um die Attraktivität des
                           standort zu stärken, ein stabiles Kundenpotenzial aufzu-            Standorts mit verschiedenen Aktivitäten und durch
                           bauen sowie neue Zielgruppen zu erschließen.                        gezieltes Marketing zu steigern. Außerdem gibt es einen
                                                                                               Hausmeister, der für zusätzliche Sauberkeit sorgt, die
                           In fünf Jahren haben die Akteure Teile des öffentlichen             Pflanzen pflegt und die Möblierung instandhält. Im Win-
                           Raums am Tibarg neu gestaltet, geordnet und auf-                    ter wird der Schnee über das erforderliche Maß hinaus
                           geräumt. So entstand eine Brunnenanlage mit Sitz-                   geräumt, um das Passieren der Fußgängerzone angeneh-
                           gelegenheiten. Üppige Blumenbeete mit saisonalen                    mer zu machen.
                           Bepflanzungen steigern die Aufenthaltsqualität am
                           zentralen „Dorfplatz“, und neue Bänke laden zum Ver-                In einem zweiten BID wollen sich die Initiatoren ab 2016
                           weilen ein. Überflüssiges Straßenmobiliar wurde entfernt            neben dem Erhalt der im ersten BID geschaffenen Werte
                           und einheitliche Fahrradbügel aufgestellt. Spielflächen             insbesondere den gewachsenen Herausforderungen des
                           mit einem speziellen Untergrund verteilen sich über die             stationären Einzelhandels durch den E-Commerce stellen
                           gesamte Länge des Tibarg, eine moderne und umwelt-                  und Lösungen für die Verbindung von Online- und Offline-
                           schonende LED-Beleuchtung ersetzt und ergänzt die                   Handel entwickeln. Freies WLAN in der gesamten Ein-
                           vorhandene Straßenbeleuchtung. Diese wird im Winter                 kaufsstraße wurde als erster Baustein dazu bereits durch
                           überdies für die Weihnachtsbeleuchtung genutzt. Eigens              das erste BID am Tibarg eingerichtet.
                           aufgestellte Infotafeln informieren die Passanten über die

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   Bau-BIDs

            97
            Tausend Quadratmeter öffentliche Fläche umgestaltet

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                                                                                                           Millionen Euro Investitionsvolumen
                                                                                                                          für Baumaßnahmen

            8
            Bau-BIDs seit 2005

                                                                                                                                          336
                                                                                                             Tausend Euro für Instandhaltung

           Quelle: BID-Anträge, Werte gerundet,                                                                                      Stand: 1/2016
           Fotos: BSW, Otto Wulff BID GmbH                                  © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016

Marketing und Service                                                         Weitere Handlungsfelder sind zusätzliche Reinigungen,
                                                                              ein Winterdienst und zunehmend auch der Versuch,
Im Gegensatz zu den „Bau-BIDs“ konzentrieren sich die                         den Branchenmix durch ein Vermietungsmanagement
übrigen BIDs hauptsächlich auf die Themenfelder Mar-                          zu optimieren. Hinzu kommen ein Quartiersmanage-
keting und Service. Vorrangiges Anliegen dieser Quar-                         ment, das die Aktionen vor Ort umsetzt und den
tiere ist es, sich im Wettbewerb mit anderen Einkaufs-                        Kontakt zu den Anliegerinnen und Anliegern hält, und
bereichen, Shopping-Centern und dem Online-Handel                             eine gezielte Lobbyarbeit für den Standort.
besser zu positionieren.

Die Maßnahmen beinhalten in der Regel Standortwer-                            Gemeinsamkeiten
bung und die Organisation von Veranstaltungen, zum
Beispiel Stadtteilfesten, Weihnachtsaktionen und ver-                         Viele BIDs sind „Bau-“ und „Marketing-BIDs“ zugleich.
kaufsoffenen Sonntagen.                                                       „Bau-BIDs“ setzen auch Marketingmaßnahmen um,
                                                                              und zu „Marketing-BIDs“ gehören häufig auch kleinere
                                                                              Baumaßnahmen.

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 In allen Quartieren, in denen gebaut wurde, sind inzwi-                        Die Installation einer individuellen Weihnachts-
 schen Nachfolge-BIDs gegründet worden. Dabei ver-                              beleuchtung ist in allen Quartieren ein großes An-
 ändern sie ihren Tätigkeitsschwerpunkt zumeist auf                             liegen. So hat das in Vorbereitung befindliche BID für
 Marketing und Service. Für den Neuen Wall wurde                                die Mönckebergstraße die Weihnachtsbeleuchtung als
 2015 bereits das dritte BID eingerichtet.                                      eine seiner Kernmaßnahmen definiert.

     Marketing

           3,9 Millionen Euro Investition in Marketing, Events und Kommunikation

                                                                                                                            85 Veranstaltungen

           2,6 Millionen Euro für Weihnachtsbeleuchtung
           Quelle: BID-Anträge, eigene Recherchen; Werte gerundet,                                                                     Stand: 1/2016
           Fotos: Otto Wulff BID GmbH, Ulrich Perrey                          © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016

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                                                   PROJEKTBEISPIEL: NIKOLAI-QUARTIER

                                                                                                                                          Foto: Ulrich Perrey
       Das Nikolai-Quartier in der Hamburger Innenstadt ist                   Aktuell sind im Nikolai-Quartier mehrere, auch größere
       bezogen auf das Budget das bisher größte BID in Deutsch-               private Bauvorhaben geplant oder in der Umsetzung, die
       land. Von 2014 bis 2019 werden die Grundeigentümerin-                  erheblich von der durch das BID erreichten Aufwertung
       nen und Grundeigentümer insgesamt 9,3 Millionen Euro                   profitieren werden.
       in die Neugestaltung des öffentlichen Raums zwischen
       Handelskammer und Rödingsmarkt investieren. Sämtliche                  Das Quartier soll wieder zu einem attraktiven Einzelhan-
       Gehwege und Straßen werden erneuert und erhalten eine                  dels- und Bürostandort werden und damit an die positive
       hochwertige Gestaltung. Mit dem BID sollen darüber                     Entwicklung der Einzelhandelsstandorte rund um die
       hinaus historische Orte wie die Trostbrücke, die Handels-              Mönckebergstraße und den Bereich Neuer Wall/Passa-
       kammer und der namensgebende Fleet sowie das Mahn-                     genviertel anknüpfen. Der Adolphsplatz wird wieder zu
       mal St. Nikolai wieder in den Fokus gerückt werden.                    einem Stadtplatz, der zum Flanieren und Verweilen ein-
                                                                              lädt. Die Große Johannisstraße und der Große Burstah sol-
       Die gute Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentli-                len wieder zu den urbanen Geschäftsstraßen werden, die
       chen Akteuren in Hamburg wird in diesem BID besonders                  sie einstmals waren. Der Alte Wall wird nach dem Umbau
       deutlich. Bei der Grundsanierung der Großen Johannis-                  zu einer attraktiven Einkaufsstraße werden.
       straße und des Großen Burstah, die aus städtischen Mit-
       teln finanziert wird, stimmen sich der Aufgabenträger und              Das Marketingkonzept zur Neupositionierung des Niko-
       die Behörden eng ab. Schon in der Vorbereitungsphase                   lai-Quartiers wird gemeinsam mit dem Citymanagement
       haben sie sich auf die Verlegung der Buslinien und Halte-              Hamburg umgesetzt.
       stellen verständigt, um den Busverkehr zu beschleunigen
       und ihn auf die bedeutenden Einkaufslagen des Quartiers                Die professionelle Vorbereitung dieses sehr komplexen
       zu konzentrieren.                                                      Projekts wurde 2014 mit dem BID-Award gewürdigt.

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 3 „Hilfe zur Selbsthilfe“ – Erfolgsfaktoren eines BID

 3.1 Warum lohnt sich ein BID?                                                      gelegten Maßnahmen sind für den Aufgabenträger
                                                                                    verbindlich, eine hohe Planungssicherheit für die Pro-
 Da sich in einem BID alle Grundeigentümerinnen und                                 jektlaufzeit ist dadurch sowohl für die Anliegerinnen
 Grundeigentümer an der Finanzierung der Maßnahmen                                  und Anlieger als auch für alle anderen Beteiligten auf
 beteiligen müssen, verschafft dieses Instrument den                                öffentlicher und privater Seite gegeben.
 privaten Akteurinnen und Akteuren einen Handlungs-
 spielraum, der weit über die Möglichkeiten der meisten                             Bei Vorhaben der Stadt bestehen für die privaten Betei-
 freiwillig organisierten Vereinigungen hinausgeht. Daher                           ligten und Betroffenen in einem BID größere Mitwir-
 haben BIDs in der Regel deutlich mehr Mittel zur Ver-                              kungsmöglichkeiten. So sind die Aufgabenträger bei
 fügung. Da die Abgaben zudem durch die Stadt erhoben                               allen stadtplanerischen Projekten als Träger öffent-
 werden, entfällt auch der Akquiseaufwand, der bei                                  licher Belange zu beteiligen. Aber auch durch Netz-
 freiwilligen Kooperationen unumgänglich ist.                                       werke und kurze Dienstwege sind Informationsfluss
                                                                                    und Wirkungsgrad in einem BID deutlich höher als bei
 Der größere Handlungsspielraum zeigt sich ebenfalls                                anderen Projekten.
 bei der Umsetzung der Projekte. Die im Antrag fest-

     Sauberkeit und Service

             10,6 Millionen Euro Investition in Sauberkeit und Service

              4,5 Millionen Euro für Service                                                                 2,9 Millionen Euro für Reinigung

                                                            84 Tausend Euro für           2,9 Millionen Euro für Quartiers-/Districtmanagement
                                                            Leerstandsmanagement

              225 Tausend Euro für Winterdienst
             Quelle: BID-Anträge, eigene Recherchen; Werte gerundet                                                                      Stand: 12/2015
             Fotos: Otto Wulff BID GmbH, BSW                                      © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016

                                  10 Jahre Business Improvement Districts in Hamburg © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016
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                                            BID SACHSENTOR – INTERVIEW MIT GRUNDEIGENTÜMERIN MARTINA WILLHOEFT

                                                                                                Welche Schwierigkeiten hatten Sie während des Grün-
                                                                                                dungsprozesses, und wie haben Sie sie überwunden?

                                                                                                In vielen offenen Gesprächen und in Workshops mit
                                                                                                Grundeigentümern waren die Erfordernisse und die Maß-
                                                                                                nahmen für ein neues Konzept schnell im Konsens. Aber
                                                                                                natürlich gab es auch bei uns, wie in wohl allen anderen
                                                                                                Projekten, Skepsis. Hier ist es gut, wenn man konstruktiv
                                                                                                und zielorientiert diskutiert und die Vorschläge auf Mach-
     Foto: Ulrich Perrey

                                                                                                barkeit und Mehrheitsfähigkeit prüft. Ein wichtiger Punkt
                                                                                                ist und war die gute Unterstützung durch das Bezirksamt
                           Martina Willhoeft ist Geschäftsführerin der Hinrich Willhoeft GmbH   und die Handelskammer.
                           und Grundeigentümerin im BID Sachsentor. Sie ist ehrenamtlich
                           in der Handelskammer Hamburg und im Verein Wirtschaft und Stadt-
                           marketing für die Region Bergedorf aktiv.                            Welches BID-Projekt hat Ihr Quartier am meisten voran-
                                                                                                gebracht?
                           Was hat Sie motiviert, ein BID zu gründen?
                                                                                                Ein einheitlicher Auftritt gegenüber Kunden, Verwaltung,
                           Wir hatten mit dem ersten BID ab 2005 bereits gute                   Politik und Öffentlichkeit war und ist uns immer wichtig
                           Erfahrungen gemacht. Im zweiten BID konnten wir dann                 und hilft dabei, einen gemeinsamen Konsens am Standort
                           noch viel gezielter die wichtigsten Aufgaben angehen.                zu erzielen. Die konsequente Arbeit, das Dranbleiben an
                           Punkten konnten wir besonders mit der Verbesserung der               unseren Zielen und die intensive Interessenvertretung
                           Aufenthaltsqualität, vor allem mit zusätzlichen Reinigun-            haben uns am weitesten nach vorne gebracht. Dann sind
                           gen und einer regelmäßigen Grünpflege.                               auch die einzelnen Projekte wie die Kampagne „Shopping-
                                                                                                Vielfalt Bergedorf“ fast zwangsläufig erfolgreich.
                           Sie sind im Lenkungsausschuss aktiv. Welche Erfahrungen
                           haben Sie dabei gemacht?                                             Wo sehen Sie Ihr Quartier in zehn Jahren?

                           Die Arbeit des Lenkungsausschusses wird vor allem von                Bergedorf wird als Oberzentrum im Hamburger Osten
                           den Einzelhändlern bestimmt. So konnten wir gemeinsam                agieren, mit einem stabilen Einzugsgebiet, das weit in die
                           mit dem Bezirksamt das Image unseres Standorts ver-                  angrenzenden Regionen Schleswig-Holsteins hinein rei-
                           bessern, und wir konnten neue Kunden aus dem benach-                 chen wird. Ich bin sicher, dass gerade das Kleinteilige und
                           barten Schleswig-Holstein für Bergedorf gewinnen. Die                das Familiäre eine Chance haben werden. Eine Innenstadt
                           Ansiedlung neuer Geschäfte und weitere Investitionen                 mit Charme, die mit einem schönen historischen Stadtkern
                           in den Standort sind der beste Beweis, dass dieser Weg               und mit inhabergeführten Fachgeschäften für hohe Auf-
                           richtig ist.                                                         enthaltsqualität sorgt, hat Zukunft. Individualität zählt!

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 3.2 Hebelwirkung und
 Folgeinvestitionen

 Die Hamburger Erfahrungen und viele Gespräche mit
 Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern sowie
 mit Mieterinnen und Mietern lassen darauf schließen,
 dass BIDs eine Hebelwirkung haben und weitere
 Investitionen mit einem weitaus höheren Volumen als
 die primäre BID-Investition auslösen. Dazu gehören
 Investitionen

                                                                                                                                                   Foto: Ulrich Perrey
 • in die Gebäudesubstanz, vor allem durch Neubauten
   oder die Sanierung von Geschäftshäusern,                            City-Logistik in der Hamburger Innenstadt

 • in Ladengeschäfte und                                               Im Nikolai-Quartier hat das BID schon in der Vorberei-
                                                                       tungsphase einer Innenstadtlage einen Namen und
 • in die Modernisierung von Büroräumen.                               eine Perspektive gegeben. Auch hier gehen mittlerweile
                                                                       erhebliche Investitionen mit dem BID einher, beispiels-
 Dies gilt besonders für die BIDs in der Innenstadt und                weise im ehemaligen Allianz-Gebäude am Großen
 in den starken Bezirks- und Stadtteilzentren.                         Burstah oder am Alten Wall, der zu einem Einkaufs-
                                                                       boulevard werden soll.
 Zuvor weniger attraktive Lagen konnten durch die BIDs
 an Attraktivität gewinnen. So ist beispielsweise aus                  Auch in den Bezirkszentren zeigen sich ähnliche
 einer rückwärtigen Lage in den Hohen Bleichen, die                    Entwicklungen. Im Sachsentor in Hamburg-Bergedorf
 durch Parkhauszufahrten geprägt war, eine sehr gute                   ist ein leer stehendes, ehemaliges Textilhaus in den
 Lage mit internationalen Filialisten geworden. Diese                  „Neuen Mohnhof“ mit attraktiven neuen Geschäften
 Lageverbesserung hat zu Folgeinvestitionen geführt.                   umgewandelt worden; ohne das BID wäre dieses
                                                                       Projekt vermutlich nicht so rasch realisiert worden.
 Gleiches gilt für den Neuen Wall. Angestoßen von den
 BID-Investitionen, haben die Grundeigentümerinnen
 und Grundeigentümer dort intensiv in ihre Immobilien                  3.3 Innovationsmotor BID
 investiert. Rund 60 Prozent der Gebäude wurden
 modernisiert und renoviert. Die Ladengeschäfte sind                   Das GSED bezeichnet BIDs als „Innovationsbereiche.“
 stark nachgefragt, viele namhafte Designer sind in den                Auch wenn dieser Begriff in Hamburg kaum gebräuch-
 vergangenen Jahren neu an diesen Standort gezogen.                    lich ist, so ist er doch sehr treffend. In den Quartieren
                                                                       sind in den vergangenen zehn Jahren viele Innovatio-
 Vor allem der südwestliche Abschnitt des Neuen Walls,                 nen realisiert worden. Sie haben sich in Hamburg mitt-
 zwischen Stadthausbrücke und Bleichenbrücke, hat                      lerweile als Forum für Pilotprojekte etabliert.
 sich verändert. Die Kundschaft findet hier nun neben
 den konsumorientierten Geschäften auch internati-                     Mit dem Aufgabenträger steht sowohl der Stadt als
 onale Luxusmarken, die sie in einer Metropole erwartet.               auch den privaten Beteiligten ein professioneller
 Die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer                          Ansprechpartner zur Verfügung, sodass die Umsetzung
 konnten somit die selbst gesteckten Ziele durch das                   von neuen Ideen und Projekten erleichtert beziehungs-
 BID erreichen.                                                        weise oftmals erst ermöglicht wird. In den BIDs in

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der Hamburger City konnten aufgrund dessen viele                              getroffen sowie weitere Missstände identifiziert und
innovative Projekte umgesetzt werden, die Modell-                             behoben werden. Der Runde Tisch tagt in größeren
charakter für andere Quartiere oder sogar Städte                              Abständen nach Bedarf.
haben können:
                                                                              Lösungen zur Reduktion von Lieferverkehr und Emis-
                                                                              sionen in der City werden beim „Runden Tisch Lieferung“
City-Logistik                                                                 gemeinsam mit den Logistikdienstleistern gesucht. Die-
                                                                              ser hat die Belieferung mit Elektrofahrzeugen und da-
Das BID Neuer Wall hat 2007 zusammen mit dem                                  raus entstehende Herausforderungen für den Verkehr
Logistikunternehmen UPS ein Pilotprojekt angestoßen,                          und den öffentlichen Raum als Schwerpunktthema
um den Lieferverkehr im Quartier zu optimieren. Es                            identifiziert, das nun weiter bearbeitet werden soll.
kommen inzwischen weniger dieselbetriebene Liefer-
fahrzeuge zum Einsatz, sodass die Verkehrsbeeinträch-
tigungen und Emissionen spürbar reduziert werden                              Einheitliche Gestaltung
konnten. Möglich wurde dies durch eine Lager- und
Verteilstation, von der aus Pakete zu Fuß oder mit Las-                       Um die besondere Qualität des öffentlichen Raums in
tenfahrrädern umweltfreundlich zugestellt werden.                             den BIDs zu erhalten, wurden durch die BIDs Neuer
Das Projekt war so erfolgreich, dass die Stadt es                             Wall, Hohe Bleichen und Passagenviertel mit dem
zusammen mit UPS seit Februar 2015 in einem auf                               Bezirksamt Hamburg-Mitte und der BSW Richtlinien
zwei Jahre angelegten Pilotprojekt für die gesamte                            über Baustelleneinrichtungen, Werbung im öffent-
Innenstadt testet.                                                            lichen Raum, Außengastronomie und den Ablauf von
                                                                              Veranstaltungen erarbeitet. Die Kooperation hat so
                                                                              gut funktioniert, dass sie ein Musterbeispiel für BIDs
Abbau des „Schilderwalds“ am Neuen Wall                                       in anderen Bezirken darstellt und beispielsweise in
                                                                              Harburg adaptiert werden soll. Auch die Stadt Köln hat
Die Stadt hat im Neuen Wall erstmals eine verkehrs-                           Interesse an dieser Art der Kooperation gezeigt.
schilderfreie Straße in Hamburg erprobt. Nachdem sich
schnell gezeigt hat, dass dieser Versuch der Behörde
für Inneres und Sport erfolgreich ist, wurden ähnliche                        3.4 Erfolgsfaktoren in Hamburg
Bereiche in anderen Teilen der Stadt eingerichtet.
Damit konnte der „Schilderwald“ in Hamburg erfolg-                            Während die klassischen Vorbilder aus Nordamerika
reich „gelichtet“ werden.                                                     vorrangig in Maßnahmen zur Verbesserung der Sau-
                                                                              berkeit und Sicherheit ihres Quartiers investierten,
                                                                              haben die Hamburger BIDs den öffentlichen Raum
Runde Tische                                                                  um- und neugestaltet. Ein Musterbeispiel dafür ist der
                                                                              Neue Wall, dessen gesamter Straßenraum zugunsten
Von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen                               der Verweilqualität neu strukturiert und qualitativ stark
(BSW) wurden Runde Tische zu den Themen „Entsor-                              aufgewertet wurde. Dadurch hat sich das Bild des
gung“ und „Lieferung“ initiiert.                                              hochwertigen Einkaufsquartiers vollständig gewandelt.

Mit den in den Innenstadt-BIDs tätigen Entsorgungs-                           Mit diesen Aktivitäten hat das BID Neuer Wall 2005/
unternehmen und der Stadtreinigung konnten so                                 2006 deutschlandweit Maßstäbe gesetzt. Es gilt vie-
in einem Zehn-Punkte-Plan Vereinbarungen unter                                lerorts als Vorbild und stieß eine Kettenreaktion insbe-
anderem zur Entzerrung der Abholtage und -zeiten                              sondere in der Hamburger Innenstadt an. Im Bereich

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Übersicht über die BIDs in Hamburg

                                             „Die vollständige Neugestaltung hat der Dammtorstraße
                                             eine hohe Aufenthaltsqualität verliehen und die
                                             Standortmarke ,Opernboulevard‘ geprägt.“
                                             Dr. Sebastian Binger, Geschäftsführer Otto Wulff BID
                                             Gesellschaft mbH, Aufgabenträger des BID Opernboulevard

                       laufende und
                                                                                    Tibarg I+II
                    abgeschlossene BIDs

                                                                                  Osterstraße
                     BIDs in Vorbereitung
                                                                         Opernboulevard I+II

                                                                    Waitzstraße/Beselerplatzz

                                             „13 zwölf Meter hohe Thuja-Bäume wurden aalsls identitäts
                                                                                            identitäts-
                                             stiftendes Merkmal im BID Hohe Bleichen gepflanzt
                                                                                        pflanzt
                                                                                         ffl t undd
                                             verwandeln die Straße und einen ehemaligenn Parkpla
                                                                                         Parkplatz
                                                                                                l tz so
                                             in einen hochwertigen Einzelhandels- und Bürostandort.“
                                                                                       ürostandort.“
                                             Andreas Barke, Geschäftsführer Cogiton GmbH,
                                                                                       mbH,
                                             Initiator des BID Hohe Bleichen/Heuberg

                                                                        Quartier Gänsemarkt
                                                                                         kt

                                                                  Hohe Bleichen/Heuberg I+II
                                                                                          II

                                                                                  Reeperbahn

                                                                            Sand/Hölertwiete

                                             „Die vielfältigen Interessen der Bewohner und Besucher
                                             zusammenzubringen und für alle vorteilhaft zu entwickeln, ist ein
                                             ehrgeiziges Ziel des BID-Quartiermanagements.“
                                             Dr. Andreas Pfadt, Geschäftsführer ASK GmbH,
                                             Aufgabenträger des BID Reeperbahn+

 Fotos: Otto Wulff BID GmbH, BID Passagenviertel, Ulrich Perrey
„Mit dem neuen Boulevard gehört Wandsbek wieder zur
                         ersten Liga der Hamburger Einzelhandelsstandorte.“
                         Holger Gnekow, Vorsitzender City Wandsbek e. V.,
                         Initiator des BID Wandsbek Markt

                                     OXBID

                                     HID Steilshoop

                                     Wandsbek Markt

                         „Mit dem ,Ster,Sternenzauber‘ wurde im Winter 2014 eine
                         einzigartige We Weihnachtsbeleuchtung im Passagenviertel
                                         W
                         installiert,t die ddie Besucher begeistert.“
                                  Niemann, Zum Felde GmbH,
                         Volker Niema
                         Aufgabenträger des BID Passagenviertel
                         Aufgabenträge

                                     Passagenviertel I+II

                                     St
                                     Steindamm

                                     Mönckebergstraße

                                     Nikolai-Quartier

                                     Neuer Wall I–III

                                      Alte Holstenstraße I+II
                                      A

                                      Sachsentor I–III

                         „Mit einem aktiven Vermietungsmanagement wollen wir
Lüneburger Straße I+II   die Grundeigentümer bei der Vermarktung ihrer Flächen
                         unterstützen, um die Lüneburger Straße gemeinsam
                         wieder zur lebendigen Mitte Harburgs zu entwickeln.“
                         Margit Bonacker, Geschäftsführerin konsalt GmbH,
                         Aufgabenträgerin des BID Lüneburger Straße II

                                                                © Handelskammer Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2016
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