175 September November 2020 - KUPF OÖ
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№ € 5,50 (AT) KUPFzeitung 175 — Kulturplattform Oberösterreich Septemb Novembe DICKICHT Relax! Wege zu einer entspannten Kulturverwaltung Keine Geld-Maschine #WTF Kulturdirektion Kahlschlag, Kürzungen, Hinhaltetaktik 2020 Humus für Neues Arbeit statt Almosen Licht am Ende des Dschungels? Mit Salzburg-Teil — — Nummer 175 kupf.at Sept – Nov 2020
Oberösterreich ist ein Bundes- sondern vor allem auch viele land mit vielen Besonderheiten. Kleinigkeiten, Orte und die Nicht nur viele Tourist*innen Menschen, die nicht so sehr im wissen das zu schätzen, sondern Rampenlicht stehen. auch die Bevölkerung liebt ihr Land. Es sind nämlich nicht nur Wir suchen DAS BESONDERE die „Postkartenmotive“, die unser Oberösterreich in IHRER Gemeinde, Land so einzigartig machen, an IHREM Wohnort! www.ooelkg.at
Editorial Liebe Abenteurer*innen! Kulturförderung hier, Corona-Subvention da, Arbeits findet sich zudem ein Sammelband, herausgegeben Verlegerin & stipendium X, Hilfsfonds Y, Fixkostenzuschuss Z. vom Neuzugang in der Crip & Mad Kolumne: Eliah Lü- Herausgeberin Kulturplattform Lockerungsverordnung, Kriterienkatalog, Voraus- thi wird mit Texten der Unvernunft anregen, Zuschrei- Oberösterreich setzungsketten, Kurzarbeit, Fair-Pay-Schema, Corona- bungen zu überdenken (S. 13). Untere Donaulände 10/1 Beauftragte*r – ist das schon die neue Normalität oder 4020 Linz noch die alte Absurdität? Kaum eine*r blickt noch Als kleines Service-Zuckerl für unsere Leser*innen Tel. (0732) 79 42 88 durch und trotzdem fehlt es an allen Ecken und En- warten wir nicht nur mit einem einzelnen Entschei- kupf@kupf.at → kupf.at den. Wie also manövriert man Kunst durch das Sub- dungsbaum, sondern einem ganzen Entscheidungs- ventionsdickicht? Wer überlebt im Förderdschungel? wald auf, damit Kulturvereine und -arbeiter*innen Bürozeiten KUPF OÖ Wie vereinbar sind Freiheit der Kunst hier – und Kont- sicher durch die aktuellen Corona-Regelungen und Montag — Donnerstag rolle der Verwaltung da? Wieso ist das alles überhaupt -Hilfsmaßnahmen navigieren können (S. 18 f.). Denn 9.00 Uhr — 12.30 Uhr Dienstag so und wem bringt das eigentlich etwas? geplant ist so einiges für den Herbst (S. 16 f.). 9.00 Uhr — 17.00 Uhr Unsanft setzt uns der aktuelle Leitartikel – ein absur- Auch der Salzburg-Teil durchschaut verschiedene Sys- Bürozeiten Redaktion des Dramolett realer Kommunikationserfahrungen teme: Stefanie Ruep identifiziert «Kahlschlag, Kürzun- Dienstag mit Förderstellen (S. 5) – mitten in das Dickicht dieser gen, Hinhaltetaktik» als die kulturpolitische Grund- 9.00 Uhr — 17.00 Uhr Strukturen. Im gesamten Heft geht es darum, Wege haltung der Salzburg-Stadt-ÖVP (S. 26 f.), das Für und Redaktion hindurch zu schlagen. So analysiert Florian Walter Wider von Tourismuskultur / Kulturtourismus disku- dieser Ausgabe etwa die immanente Grundspannung zwischen Kul- tieren Touristikerin Sandra Woglar-Meyer und Autor Stephan Gasser, Tamara turproduktion und -verwaltung und gibt Impulse Ben Blaikner (S. 24 f.). Imlinger, Susanne Lipinski 03 zur gegenseitigen Entspannung (S. 6 f.). In der Rub- (Salzburg), Klemens Pilsl, Katharina S erles, Florian rik #WTF klärt James Lüpke Funktion und Geschich- Aus der Fülle der hier versammelten Positionen und Walter, Victoria Windtner te der Landeskulturdirektion (S. 8 f.), dann sprechen Zugänge setzt sich am Ende hoffentlich ein geordne- wir mit der neuen Direktorin und höchsten Kulturbe- tes Bild davon zusammen, wie Kulturverwaltung und Leitung KUPFzeitung, amtin Oberösterreichs, Margot Nazzal, über ihr Rol- -praxis im besten Fall und trotz ‹neuer Normalitäten› Inserate lenverständnis und Verbesserungsmöglichkeiten von funktionieren könnten, wie die Psychologie des Geld- Katharina Serles Mitarbeit Förderprozessen (S. 10 f.). Aliette Dörflinger macht verteilens und -annehmens funktioniert, welche Ab- Tamara Imlinger schließlich Verwaltungslogiken aus Sicht der Orga- hängigkeiten dabei entstehen und welche Verantwor- Abonnements nisationsentwicklung und mittels des chaordischen tung die einzelnen Akteur*innen eingehen. Gerhard Neulinger Prinzips nachvollziehbar (S. 12 f.). Kontakt zeitung@kupf.at Wir wünschen gutes Durchdringen! Aus der Kulturpraxis führen die Autorinnen Lisa-Vik- Katharina Serles für die Redaktion toria Niederberger (S. 14 f.) und Corinna Antelmann (S. 21) durch Absurditäten und Abhängigkeiten des (Nicht-)Gefördert-Werdens. Zudem meldet sich Ger- hard Neulinger mit Buchhaltungssystemkritik aus dem Büro (S. 20) und empfehlen wir die aktuellste Auflage der ‹Bibel› der KUPF OÖ (S. 30). In dieser Rubrik Wortspende « Wer Kultur sagt, sagt auch Verwaltung, ob er will oder nicht. » Theodor W. Adorno (siehe auch S. 6 f. dieser Ausgabe)
Inhalt verwaltung Kulturpolitik Kulturpraxis Kolumnen Salzburg — 05 Kommunikations- — 14 Inspirierte Autorin, — 11 Medial: Schau auf — 24 Tourismuskultur Tango herabschauender dich, schau auf mich! versus Kultur Ein Verwaltungs- Hund Kommunikations tourismus Dramolett in zwei Akten. Lisa-Viktoria Nieder- kolumne von Barbara Ein Pro und Contra von — 06 Relax! Wege zu berger über fütternde Eppensteiner. Sandra Woglar-Meyer einer entspannten Hände und den Wunsch — 13 Die Kunst der Unver- und Ben Blaikner. Kulturverwaltung zuzubeißen. nunft: hat ein Vogel ... — 26 Stiefkind der ÖVP Florian Walter schlägt — 18 Licht am Ende des Crip & Mad Kolumne Stefanie Ruep analysiert fünf Maßnahmen vor. Dschungels? von Eliah Lüthi. die Kehrtwende der — 08 # WTF Kulturdirektion Ein Entscheidungswald — 20 Gnackwatsch’n Kulturpolitik in der James Lüpke gibt zu Corona-Hilfsmaß Zwei-Klassen-Wirtschaft. Stadt Salzburg. Antworten. nahmen. — 20 Was macht ihr — 27 Kunstfehler: D er ganz — 09 Comic — 20 Comic eigentlich? normale Wahnsinn? Von Stephan Gasser. Von Stephan Gasser. Zwischenspeichern Gerhard Dorfi über — 10 Keine Geld-Maschine — 21 Arbeit statt Almosen Bürokolumne von Normalität und Ab Die neue Kultur- Corinna Antelmann Gerhard Neulinger. weichung. direktorin Margot Nazzal bespricht eine Alter — 22 Salon Sozial: im Antrittsinterview. native zu Ohnmacht Das neue Normal Kulturplattform — 12 Humus für Neues und Förderdschungel. schürft alte Gräben Kulturinitiativen Aliette Dörflinger Sozialkolumne von hilft Förderlogiken Maria Dietrich. — 16 Termine zu ergründen. — 23 Doppelklick: Wissenswertes von Fake-Profile, ein und für KUPF-Mitglieds- geheimer Fortschritt initiativen. Netzkolumne von — 16 Ausschreibungen Anna Goldenberg. und Preise 04 — 29 pretty? dirty? Zusammengetragen Erotische Wirklichkeit vom KUPFbüro. Sexkolumne von — 30 Wozu Wozu Entdecker*innen. Wirtschaft? — 29 Ex Kabinett: Nisa Der Infoladen Wels hat Musikkolumne von Dirk Baeckers Wozu Tamara Imlinger. Wirtschaft? gelesen. — 29 Widerworte: — 30 Empfehlungen Linker Widerspruch Die Bibel der KUPF OÖ / Emanzenkolumne von Einreichprozesse Jelena Gučanin. gestalten / Worte_ Gebärden_Bilder finden / Community Building. kupf.at/blog kupf.at/radio twitter.com/kupfooe facebook.com/kupfooe instagram.com/kupfooe Die KUPF OÖ ist die Kulturplattform Oberösterreich. Sie ist die Interessenvertretung und Anlaufstelle für mehr als 160 freie Kunst- und Kulturinitiativen in Oberösterreich. Die KUPF ist eine kulturpolitische NGO mit dem klaren Ziel, die Rahmenbedingungen für freie, initiative Kulturarbeit in Oö gemeinsam mit deren Protagonist*innen abzusichern und beständig zu verbessern. KUPFvorstand: Thomas Auer (Klangfolger Gallneukirchen), Sigrid Ecker (Freiraum Ottensheim), Eva Falb (KV KomA Ottensheim), Bernhard Forstenlechner (Klangfolger Gallneukirchen), Parisa Ghasemi (Linz International Short Film Festival), Christian Haselmayr (Schule des Ungehorsams), Alice Moe (Hosi), Klemens Pilsl (KAPU), Anna Rieder (Youki), Florian Walter (KV waschaecht Wels). KUPFgeschäftsführung: Thomas Diesenreiter, Katharina Serles.
Leitartikel Kommunikations- Tango Ein Verwaltungs-Dramolett in zwei Akten. Der Verein (hoffnungsvoll, reicht Anfang 2019 Der Verein (wendet sich mit leerem Blick zum Diese fiktiven Szenen, e inen Förderantrag für eine Veranstaltungsreihe im Publikum): Es geht um eine Summe von 4.000 EUR. zusammengestellt von Tamara Imlinger Sommer ein): Bitteschön. und Katharina Serles, Die Förderstelle (3 Wochen vor Beginn der Reihe): beruhen auf realen Er- Bittesehr. Die Künstlerin (motiviert, reicht im März 2019 fahrungen von Vereinen Der Verein (unerschrocken, reicht im März 2020 ein Förderansuchen für eine Veranstaltung ein): und Künstler*innen und erneut einen Antrag ein, aufgrund von Corona wird Bitteschön. ihren Perspektiven. Die Innenschau von die Reihe adaptiert): Bitteschön. Die Förderstelle (kurz vor der Veranstaltung): Beamt*innen und Politik Die Förderstelle (2 Wochen später): Bitte um Für eine Förderung müssen mindestens 3 Termine fehlt. Jede Ähnlichkeit Stellungnahme: Die Eigenleistungen aus 2019 stattfinden. mit lebenden Personen müssen nachgereicht werden. Die Künstlerin (zieht das Ansuchen zurück): und einschlägigen Institutionen ist Der Verein (die Berechnungen prompt liefernd): Nein, danke. wahrscheinlich zufällig. Bitteschön. Die Künstlerin (reicht im Juni 2020 einen neuen Die Förderstelle (2 Tage später): Bitte um Stellung Antrag für 3 Veranstaltungen ab September ein): nahme: Die Adaption muss argumentiert werden. Bitteschön. Der Verein (erklärend): Aufgrund von Corona. Die Förderstelle (schweigt) Die Förderstelle (5 Tage später): Bitte um Stellung- Die Künstlerin (1 Monat später): Wie ist der Fort- nahme zur Betroffenheit vom Veranstaltungsverbot. schritt der Förderprüfung? 05 Der Verein (ausführlich Auskunft gebend): Die Förderstelle: Der Prozess verzögert sich auf- Bitteschön. grund eines Personalwechsels. Die Förderstelle (schweigt) Die Förderstelle (10 Tage später): Wir weisen auf Der Verein (1 Monat später, bittend, in 3 Monaten eine maximale Förderhöhe von 20 % der förderfähigen startet die Reihe): Bitte um rasche Information über Kosten hin und bitten um einen aktualisierten Fin die Förderwürdigkeit des Projekts. anzierungsplan. Bitte um Stellungnahme, wie der rest- Die Förderstelle (schweigt) liche Betrag aufgebracht wird. Bitte um Stellungnahme Der Verein (leicht nervös, 10 Tage später): zu anderen Förderungen, Kooperationspartner*innen Haben Sie unsere Unterlagen erhalten? und Ihren geplanten COVID-19-Maßnahmen. Die Förderstelle (5 Tage später): Die Förder Die Künstlerin (prompt, bittend, in 6 Wochen entscheidung ist bereits am Genehmigungsweg startet die Reihe): Kann ich per E-Mail zu Ihren und wird Sie voraussichtlich in 1 bis 2 Wochen auf Anforderungen Stellung nehmen, um den Prozess dem Postweg erreichen. zu beschleunigen? Zusätzlich bitte ich um einen Die Förderstelle (13 Tage später): Eine Förderung persönlichen Termin. kann in Aussicht gestellt werden. Bitte um Die Förderstelle (empfängt die Künstlerin Ende Zusendung eines weiteren Kosten-Updates, sowie August): Jetzt erzählen Sie einmal. um schriftliche Förderzusagen anderer Förder Die Künstlerin (legt sich ins Zeug, teilt Vorarbei- geber*innen. ten und Pläne): Ich bitte um Erhöhung der Der Verein (1 Monat später, erschöpft): Bitteschön. Förderung, da die Veranstaltungen sonst nicht Die Förderstelle (schweigt) durchführbar sind. Der Verein (verunsichert, 1 Woche später): Ha- Die Förderstelle (freundlich): Wir halten Ihr ben Sie unsere Unterlagen erhalten? Projekt für förderwürdig, haben aber kein Budget. Die Förderstelle (schweigt) Eventuell gibt es Geld in einem Digitalisierungs- Die Förderstelle (5 Monate nach Antragstellung): Topf. Dazu müssen Sie ... Vielen Dank für die Nachreichung der ausständigen Die Künstlerin (wendet sich mit leerem Blick zum Unterlagen. Wir bemühen uns um rasche Erledigung. Publikum): Es geht um eine Summe von 3.200 EUR. Blattlinie Zeitschrift zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen im Bereich der alternativen Kultur, Kulturpolitik und verwandter Themen. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben. Die Offenlegung gemäß § 25 MedienG ist ständig unter → kupf.at/impressum abrufbar. Lizenz Die abgedruckten Texte erscheinen (Ausnahmen ausge- nommen) unter der Creative Commons-Lizenz CC BY 4.0. Die Texte dürfen geteilt und bearbeitet werden, Bedingung ist die Namensnennung. Erscheinungsweise 4× Jahr Auflage 4.000 Stk Einzelpreis € 5,50 (an ausgewählten Orten kostenlos) Abo € 20,81 (beide inkl. 5 % USt.) Lektorat Andrea Trawöger Gestaltung Michael Reindl Druck BTS Druckkompetenz GmbH Inserat- formate und Preise → kupf.at/zeitung/175 Redaktions- und Anzeigenschluss 09.10.2020 Erscheinungstermin 26.11.2020 Die KUPFzeitung ist auf 100 % Recyclingpapier gedruckt.
verwaltung Kulturpolitik Relax! Wege zu einer entspannten Kultur- verwaltung Wenn Kunst- und Kulturarbeiter*innen, etwa im Zuge von Förder- anträgen oder Genehmigungsansuchen, auf Beamt*innen treffen, scheinen Spannungen und Konflikte vorprogrammiert. Warum das so ist und was dagegen hilft? Florian Walter stellt fünf Maß- nahmen zum Verhältnis von Kultur und Verwaltung zur Debatte. „Wer Kultur sagt, sagt auch Verwaltung, ob er will oder nicht.“ Theodor W. Adorno 06 Florian Walter, Politologe, Während sich die Bürokratie durch Präzision und Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen. Selbstverständ- Kulturarbeiter — u. a. bei Planbarkeit auszeichnet, steht die Kunst- und Kultur- lich kann dies nicht im Rahmen der bestehenden fi- der KUPF-Mitgliedsinitiative arbeit (KKA) für Innovation, Kreativität und Sponta- nanziellen Möglichkeiten der Kommunen geschehen. waschaecht (Wels) — und KUPF-Vorstand. neität. Für den Philosophen und Soziologen Theodor Vielmehr müsste überlegt werden, ob Bezirkshaupt- Adorno ergibt sich dadurch eine unauflösliche Ambi- mannschaften, Gemeindeämter oder Magistrate hier valenz: Während Verwaltung der Kultur zwangsweise Aufgaben der Bundes- und Landesverwaltung über- schade, da sie diese einer Kosten-Nutzen-Abwägung nehmen können, oder ihnen die entsprechenden Mit- unterwirft, drohe der Kultur ohne die Verwaltung der tel aus Steuereinnahmen des Bundes zur Verfügung Verlust ihrer gesamten Existenz, da sie so ihre staatli- gestellt werden. che Legitimation und damit finanzielle Grundlage ver- liere. Wie kann diesem Spannungsverhältnis begegnet, 2) K ompetenzen klären: Wer trifft inhaltliche wie kann es gelockert oder sogar gelöst werden? Entscheidungen? Konflikt entsteht vor allem dann, wenn in der Wahr- Foto: privat 1) Bürger*innennähe beweisen: Kulturverwaltung auf nehmung der Kunst- und Kulturarbeiter*innen Förde- die lokale Ebene verlagern rungen oder Aktivitäten durch die Verwaltung verun- KKA wird in Österreich von der öffentlichen Hand möglicht werden, also die wahrgenommene ‹Macht finanziell gefördert. Die Abwicklung macht einen der Beamt*innen› wirkt. Diese ist durch das Legali- großen Teil der Verwaltungstätigkeit aus. Mit dem tätsprinzip – Verwaltung darf nur auf Basis von Ge- Kunstförderungsgesetz des Bundes und den Kultur- setzen stattfinden – zwar theoretisch beschränkt, Literatur: förderungsgesetzen der Länder existieren rechtliche existiert aber in der Praxis sehr wohl. So können An- Theodor W. Adorno: Kultur Grundlagen jedoch nur auf den oberen Verwaltungs- suchen etwa mit subjektiver Einschätzung (positiv und Verwaltung. In: Gesam- melte Schriften, Bd. 8: Sozio- ebenen. Wenn Kommunen künstlerische und kultu- wie negativ) an die politischen Entscheidungsträger* logische Schriften 1. 3. Aufl., relle Aktivitäten finanziell unterstützen, erfolgt dies innen weitergeleitet werden oder einfach kommen- Suhrkamp, Frankfurt am Main im Ermessen der Städte und Gemeinden. Dass Kul- tarlos. Existiert die Wahrnehmung, dass Beamt*innen 1990, S. 122–146. turverwaltung damit weit entfernt von den Antrag ihre Macht zuungunsten der Förderwerber*innen ein- Eva Kreisky: Bürokratie und steller*innen stattfindet, ist schade, da es gerade dann setzen, wird oft der Weg über die Politik gesucht, die Politik. Band 1.: Beiträge zur Verwaltungskultur in Öster- eher zu einem Spannungsverhältnis kommt, wenn dann Druck auf die Verwaltung ausübt. Dies entlas- reich; Habilitationsschrift, Verwaltung nicht greifbar ist. Eine Verlagerung der tet das Spannungsverhältnis nicht. Es wäre also ange- Universität Wien 1986. Bürokratie auf die regionale / lokale Ebene wäre eine raten, das Legalitätsprinzip auch in der Praxis stärker
wirken zu lassen. Formale Aspekte sollen von Beamt* nach deren Umsetzung nicht in das tägliche Verwal- innen geklärt werden, allen inhaltlichen Fragen müs- tungshandeln eindringt. Kulturleitbilder und Kultur- sen sich Politiker*innen stellen. Schließlich können entwicklungspläne können noch so ambitioniert for- diese abgewählt werden, wenn ihre Entscheidungen muliert sein – solange sie nicht in Kriterienkataloge nicht goutiert werden. zur Förderung von KKA gegossen und umgesetzt wer- den, bleiben sie wirkungslos. Um Spannungen zu 3) Zugang erleichtern: Diversifizierung des minimieren, ist eine ‹kluge›, also s erviceorientierte Verwaltungspersonals Transparenz notwendig. Wenn beide Seiten, also Die öffentliche Verwaltung ist in Österreich stark von Kunst- und Kulturarbeiter*innen und Beamt*innen, Jurist*innen dominiert. Auch in den Kulturverwaltun- sich auf Kriterienkataloge beziehen können und die gen finden sich in Führungspositionen überwiegend Richtlinien für Antragsteller*innen leicht lesbar sind, Absolvent*innen eines rechtswissenschaftlichen Stu- ist hinsichtlich der Harmonie zwischen den beiden diums. Das Gendersternchen ist hier nur begrenzt der schon viel erreicht. Wichtig ist darüber hinaus, dass inhaltlichen Korrektheit geschuldet. Gerade in leiten- die Kriterien flexibel bleiben, dazu braucht es so et- den Positionen dominieren (wie in allen anderen Be- was wie Kriterienbeiräte, die diese regelmäßig reflek- reichen des Berufslebens) weiße Männer über 50. Die- tieren und gegebenenfalls aktualisieren. se fehlende Diversität schlägt sich auf das Verhältnis 07 zwischen Beamt*innen und Kulturarbeiter*innen dop- 5) Kulturarbeit professionalisieren: Anliegen fair, pelt nieder: Sie befördert den aus der Sozialpsycholo- kompetent und selbstbewusst vortragen gie schon in den 1970er Jahren beschriebenen ‹in- Kunst- und Kulturarbeiter*innen müssen nicht die group bias›, also die Bevorzugung jener Menschen, die Verwaltung entlasten. Trotzdem haben auch sie die als zur ‹eigenen› Gruppe gehörig gedacht werden. Das Möglichkeit, das Verhältnis zu Beamt*innen positiv Jurist*innenmonopol begünstigt außerdem eine star- zu beeinflussen. Dazu hilft es schon, die Beamt*innen ke Fokussierung auf formale und prozedurale Korrekt- nicht als Verhindernde, sondern als Ermöglichende heit. Dadurch werden – so die Politikwissenschaftle- zu denken. Die berühmte Idee der Augenhöhe bedeu- rin Eva Kreisky – genau jene sozialen, ökonomischen tet, sich nicht als Bittsteller*in zu sehen und trotzdem und geschlechtsspezifischen Verhältnisse ausgeblen- einen respektvollen Umgang zu suchen. Dabei hilft det, unter denen nicht nur die Bürokratie, sondern Klarheit über die eigenen Anliegen: Wer weiß, was auch künstlerische und kulturelle Arbeit Tag für Tag er / sie braucht, kann selbstbewusst auftreten. operiert. Ein erster Schritt zur Verbesserung der Situ- Und wer nach erfolgreicher Zusammenarbeit auch zu ation wären auch in der Verwaltung personelle Ver- den Beamt*innen ganz einfach einmal Danke sagt, hat änderungen: mehr Frauen*, mehr BIPoC, schlicht ein schon viel zur Lösung von Spannungen beigetragen. realistisches Abbild unserer Gesellschaft in den rele- vanten Positionen. Selbstverständlich können die fünf genannten Maß- nahmen nicht isoliert voneinander betrachtet werden. 4) Transparenz schaffen: Förderrichtlinien klar und Eine personelle Diversifizierung würde den positiven verständlich darlegen Effekt der inhaltlichen Entlastung von Beamt*innen Auf Förderportalen finden sich meist ausführliche auf deren Verhältnis zu den Kulturarbeiter*innen Aufstellungen darüber, wer unter welchen Vorausset- noch verstärken. Regionalisierung stärkt die Trans- Lust auf mehr? zungen förderberechtigt ist, welche Kosten verrechnet parenz von Kriterienkatalogen genauso, wie jene von Am 15. 9., 17:30 Uhr, ist werden dürfen und welche formalen Kriterien bei der Förderentscheidungen und Genehmigungen. Und Florian Walter im KUPFtalk Antragstellung eingehalten werden müssen. Weniger eine weitere Professionalisierung aufseiten der Kultur mit Sigrid Ecker — zu hören klar ist oft, von wem und nach welchen inhaltlichen arbeiter*innen erleichtert den Zugang und verringert in der KUPF Radio Show auf Radio FRO. Kriterien eine Entscheidung für oder gegen die Be- (gefühlte) Defizite gegenüber den Beamt*innen. All Am 8. 10., 18:30 Uhr, ist er rücksichtigung eines Ansuchens getroffen wird. Das dies können erste Schritte in Richtung der Auflösung außerdem im Studio 17 mit liegt oftmals daran, dass diese Kriterien nicht entspre- eines Spannungsverhältnisses sein, das bislang zu un- Dominika Meindl im MKH chend formuliert sind, oder, falls doch, der Wunsch nötigen Reibungsverlusten auf allen Seiten führte. Wels — zu sehen auf dorfTV.
verwaltung Kulturpolitik #WTF Kulturdirektion Die KUPFredaktion stellt Warum steht die Kulturdirektion OÖ in der Kritik? Fragen und James Lüpke Seit dem schwarz-blauen Regierungsantritt, speziell seit Antritt von Kulturlandesreferent LH Thomas gibt Antworten. Stelzer und seinem Kulturdirektor Reinhold Kräter, hat sich die Kulturdirektion stark gewandelt. Interne Was ist eigentlich eine Kulturdirektion? Machtkämpfe, fehlerhafte Administration, Männer- Im Wesentlichen ist das eine bürokratische Unter- bündelei und strittige Finanzen haben die Außenwir- einheit einer Körperschaft, etwa eines Bundeslandes. kung geprägt. Für die Freie Szene (und auch für die Heißt anderswo auch Kulturamt, Kulturabteilung oder Brauchtumskultur) ist die Ära Stelzer vor allem ge- dergleichen. Die Aufgabe ist zumeist die Verwaltung, prägt durch starke Förderkürzungen (s. Grafik), immer Steuerung und Entwicklung der Kulturagenden der wieder gibt es auch Berichte über die Verschleppung Körperschaft. Dabei geht es um eigene Einrichtungen, von Förderanträgen sowie starkes Misstrauen gegen- wie etwa Landesmuseen, um Personalagenden, um über Kunst- und Kulturschaffenden. Veranstaltungen und nicht zuletzt um das Förderwe- sen. Als Faustregel gilt: Die Politik bestimmt den Weg, Wieso musste der bisherige Kulturdirektor Kräter die Direktion setzt ihn um. gehen? Stelzer hielt seinem bisherigen Kulturdirektor Kräter Und was macht ein*e Kulturdirektor*in so? fünf Jahre lang die Stange – weder die öffentliche noch Das ist stark abhängig von der Körperschaft und reicht die interne Kritik konnten dem Kulturdirektor etwas 08 von blanker Direktionsleitung und Umsetzung politi- anhaben. Erst der unrühmliche Umgang mit der KTM- scher Vorgaben bis zum Selbstverständnis, «Bindeglied Affäre (#KTMgate) und der medial kolportierte Ver- zwischen der Stadt und ihren KünstlerInnen zu sein» schleierungsversuch einer millionenschweren Budget- (Linz). Jedenfalls ist die Kulturdirektor*in die höchst- überschreitung beim Bau des neuen Museumsdepots rangige Kulturbeamt*in. führten zu Konsequenzen. 200 % Öffentliche 190 % Einrichtungen: 180 % +45 % über der Inflationsrate 170 % 160 % 150 % Inflationsrate 140 % 130 % 120 % 110 % 100 % Zeitgenössische 90 % Kulturförderug: 80 % –73 % unter der Inflationsrate 70 % 60 % 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Im oö. Kulturbudget wird zwischen gebundenen Pflichtausgaben (an öffentliche, landeseigene Einrichtungen) und Ermessensausgaben (für zeitgenössische Kultur, Volkskultur u. a.) unterschieden. Seit Jahren steigen die Pflichtausgaben deutlich über der Inflationsrate, während die Ermessensausgaben dramatisch eingebrochen sind. Quelle: Offizielle Budgetzahlen des Landes OÖ. Rechnungsabschlüsse (2001—2003, 2009—2019) und Voranschläge (2004—2008, 2020—2021)
Wie geht’s weiter? Mit Herbst 2020 startet die Kulturdirektion neu. Ne- Landesmusikschulen zum Bildungsressort wird wie- ben einem bürokratischen Umbau im Hintergrund der angedacht. Aus Sicht der Freien Szene gilt es hin- gibt es auch eine neue Leitung: Die Juristin Margot gegen, die Rücknahme der brutalen Budgetkürzungen Nazzal wird neue Kulturdirektorin. Nazzal verfügt durchzusetzen, Inflationsanpassungen zu implemen- über keinen kulturpolitischen Hintergrund, genießt tieren und ein transparentes, niederschwelliges und aber Stelzers Vertrauen und ist laut Landespresse- agiles Förderwesen zu entwickeln. Über allem schwebt dienst «kulturaffin», sie habe eine «Affinität für tradi- natürlich derzeit auch das Thema Corona: Wie geht es tionelles, künstlerisches Handwerk sowie für Reisefo- weiter mit Veranstaltungen? tografie und südamerikanische Literatur.» Nazzal gilt als Diplomatin und Managerin. Welche Rolle spielt die KUPF OÖ in dem Ganzen? Die KUPF OÖ war zuletzt der sprichwörtliche ‹pain in Welche Erwartungen an die neue Kulturdirektorin the ass› der Landeskulturdirektion: Seit Jahren beob- gibt es? achtet, analysiert und kommentiert die KUPF OÖ deren Erwartungen gibt es viele – auch widersprüchliche. Arbeit und kampagnisiert gegen Förderkürzungen. Sie Intern gilt es wohl, die Kulturdirektion aus dem Be- veröffentlicht Budgetzahlen und hat nicht zuletzt den schuss der Öffentlichkeit sowie des Rechnungshofes Skandal um die strittigen Kulturförderungen für den zu nehmen und nach professionellen Maßstäben neu KTM-Showroom ins Rollen gebracht. Kurz gesagt: Nicht aufzustellen. Dazu zählt die administrative Stabilisie- zuletzt wegen der KUPF OÖ musste sich Kulturreferent rung des Amtes, Klärung des Verhältnisses zur neu ge- LH Stelzer regelmäßig für seine Kulturpolitik und für 09 schaffenen Landes-Kultur GmbH, Neuausrichtung der die Kulturdirektion rechtfertigen. Die Neuaufstellung Landesausstellungen und Kittung des zerrütteten Ver- der Kulturdirektion gilt auch als Chance, das Verhält- hältnisses zu Künstler*innen, Kulturbeirat, Volkskul- nis zwischen dem Kulturreferenten und der Freien tur und anderen Playern. Auch eine Überführung der Szene zu verbessern. Stephan Gasser ist freischaffender Künstler in Linz.
verwaltung Kulturpolitik Keine Geld-Maschine Die neue Kulturdirektorin Margot Nazzal im Themen, die uns bewegen, die Fragen, die sich aus CO- Antrittsinterview mit der KUPF OÖ. VID-19 ergeben. Und schließlich befasse ich mich der- zeit mit der Umsetzung der jüngsten Prüfberichte und dem sich daraus ergebenden Handlungsbedarf. Sie sprachen in diesem Zusammenhang davon, die Kul- Margot Nazzal ist Juristin, Katharina Serles: Es besteht eine gewisse Grundspan- turdirektion ‹zukunftsfit› machen zu wollen. Wie sieht war zuvor u. a. wissenschaft- nung zwischen der ordnenden, kontrollierenden Ver- das konkret aus? liche Mitarbeiterin an der waltung und der freien Kunst und Kultur. Kann das Das ist eine Bündelung aus Einzelmaßnahmen: Die JKU, Leiterin der Oö. Anti diskriminierungsstelle, Leiterin überhaupt gut gehen? Aufbau- und Ablauforganisation muss passen, die Pro- der Gruppe Außenbeziehungen Margot Nazzal: Ob Kunst und Kultur nun als Kundin zesse müssen gut aufgestellt sein, die Digitalisierung und Protokoll, Lehrgangsleiterin der Verwaltung, als Auftragnehmerin oder Projekt- muss voranschreiten. der Führungskräfteakademie partnerin gedacht wird – es kommt entscheidend auf des OÖ Gemeindebundes und die Kommunikation der Erwartungen und Anforde- Kommt die digitale Antragstellung im nächsten Jahr? Stabsmitglied im Landes krisenmanagement. Seit August rungen an. Es geht darum, eine gemeinsame Spra- Eine fixe Zusage kann ich nicht geben, das wird aber 2020 ist sie Direktorin der che zu finden. Insgesamt sehe ich nach 3,5 Wochen eines der Hauptprojekte der nächsten Zeit sein und Landeskulturdirektion OÖ. in meiner neuen Position, dass alle für die Kunst und ist nicht nur aus Kund*innensicht notwendig. Es er- Kultur in Oberösterreich arbeiten, da ist also eigent- leichtert uns umgekehrt die Arbeit, wenn Formalitä- lich ein gemeinsamer Grundzug zu spüren, keine ten schneller geklärt sind. Zurückhaltend bin ich aller- Grundspannung. dings bei automatisierten Bearbeitungen: In den vielen Bereichen, in denen wir prüfend tätig sind, braucht es 10 Wir bemerken wiederum, dass das Verhältnis zwi- eine differenzierte Betrachtung. schen Kulturdirektion und Kunst- und Kulturarbeiter* innen auf beiden Seiten historisch von Misstrauen ge- Ihr Vorgänger hat versprochen, dass die Bearbeitungs prägt ist. Was können Sie daran ändern? zeit der Förderanträge bei maximal vier Wochen liegen Wenn Menschen länger in einem System sind, kann soll, die Realität war davon aber weit entfernt. Was ist Foto: Land OÖ es schon einmal passieren, dass man festgefahrene Ihre Zielvorgabe? Meinungen über andere hat, wobei man gerade die an Die gibt es nicht. Aus Kund*innensicht ist eine mög- sich immer wieder selbstkritisch hinterfragen sollte. lichst kurze Bearbeitungsdauer eines der wesentli- Mein Zugang ist also: offen, unvoreingenommen auf chen Qualitätskriterien, das ist allen hier bewusst. Aus alle zugehen und das Gespräch suchen und anbieten. unserer Sicht braucht es aber auch ein ausgewogenes Verhältnis zur Bearbeitungsqualität. Die Dauer kann je Sie sind eine junge Frau in einer Position, die h istorisch nach Komplexität des Projekts schwanken. Für mich von (alten) Männern besetzt war. Wie begegnet man stehen der Servicegedanke, rasches und effizientes Ar- Ihnen und was ändert das vielleicht am Rollenbild beiten im Vordergrund. ‹Kulturdirektor*in› und an daran geknüpften Hierar- chien? Saßen Sie jemals auf der ‹anderen Seite› – waren also Alle Begegnungen, die ich bisher hatte, waren von Of- Antragstellerin für eine öffentliche Förderung? fenheit und gespannter Neugier geprägt. Es interes- Ich kenne Verwaltungsabläufe auch aus der Kund* siert mich aber, wie sich diese Rolle und das Rollenbild innensicht, aber nicht in jüngerer Zeit. entwickeln – auch von Kund*innenseite. Das müssen Sie mir vielleicht in Zukunft sagen ... Nie genug Geld an Menschen zu verteilen, die Kunst und Kultur nur unter großer Selbstausbeutung schaffen, Wie haben Sie sich auf die neue Position vorbereitet? muss auf Dauer frustrieren. Wie gehen Sie damit um? Wie werden Sie Ihre Rolle auslegen? Sparsamkeit war bisher schon gefragt, die Endlos- Ein noch nicht abgeschlossener Teil meiner Vorberei- Geld-Maschine gibt es nirgends. Jede öffentliche Ver- tung ist, einen Überblick zu gewinnen über Strukturen, waltung ist an ihre Mittel gebunden. Umso wichti- Einrichtungen, handelnde Personen, über die Vielfalt ger ist, dass man die Mittel richtig einsetzt. Wenn die und Buntheit, die das Kulturland Oberösterreich aus- notwendige Unterstützung dort ankommt, wo sie ge- machen. Durch die Coronakrise geht das etwas langsa- braucht wird – ob nun etwa in Zeit-, Volkskultur, Eh- mer voran. Auch im eigenen Haus beschäftige ich mich renamt oder Denkmalpflege –, dann ist das eine große damit, was unsere zentralen Angebote sind, die großen Errungenschaft.
Medial Kommunikationskolumne von Barbara Eppensteiner Schau auf dich, schau auf mich! Laut den offiziellen Budgetzahlen des Landes gehen Katharina Serles ist Auch wenn ihn viele nicht mehr hören können: Es ist 94 % Kulturbudgets in die öffentlichen Einrichtungen, Leiterin der KUPF- ein an sich schöner Slogan. Er appelliert an Solidari- zeitung und stv. nur 6 % bleiben für die Förderung. Ist dieses Verhältnis tät und Eigenverantwortung. Ein bisschen «Liebe dei- Geschäftsführerin der für Sie ausgewogen? KUPF OÖ. ne Nächsten wie dich selbst» steckt drin. Und er taugt Selbstverständlich bilden sich im Kulturbudget auch nicht zuletzt als Handlungsanweisung zum Verhalten große Landesinstitutionen ab, wie die OÖ Landes- in Begegnungszonen. Kultur GmbH, das Brucknerorchester und Landes- Acht Millionen Euro hat die Regierung ausgegeben, um theater, die Bruckneruni, das Landesmusikschulwerk. ihn großflächig zu plakatieren, im Radio ertönen zu Das Land OÖ kommt zu 100 % für deren Finanzierung lassen und via TV zu verbreiten. Einen Gesellschafts- auf und ist somit Arbeitgeber für tausende Kultur- klimawandel hat er trotzdem nicht bewirkt. Dabei war schaffende. Wir haben Gestaltungswillen für die Ge- im März und April noch viel die Rede von Solidarität samtheit des Kulturlandes, aber auch eine finanzielle und neuem Zusammenhalt. Nachbar*innen, die ein- Verantwortung. ander bis dahin ignoriert hatten, kamen ins Gespräch. Foto: Eva Wuerdinger In vielen Häusern hingen Zettel, die Hilfe im Alltag of- Laut vielen Studien gehören Kulturarbeiter*innen der ferierten. Doch obwohl das Thema die Medien domi- Freien Szene zu den schlechtbezahltesten Menschen in nierte, war die Informationslage unbefriedigend und Österreich. Ist das ein Naturgesetz? das Bedürfnis nach Austausch und vertrauenswürdi- Das Thema ‹Fair Pay› ist definitiv auf unserer Agenda. gen Nachrichten dementsprechend groß. Der öffent- In welcher Form das passiert, was von Bundesseite lich-rechtliche Rundfunk schwelgte im Quotenhoch. gelöst werden kann und wo das Land etwas tun kann, Das, was gesendet, gedruckt und ins Netz gestellt wur- werden wir sehen. Hier müssen wir jedenfalls weiter- de, war allerdings wenig aufklärend und dementspre- denken und -arbeiten. chend kaum geeignet, den Informationshunger zu 11 stillen. Ein Verlautbarungsjournalismus ersetzte das LH Stelzer hat 2,5 Millionen Euro an Corona-Hilfsgel- Seriositätsgebot auch ernstzunehmender Medien. Es dern für Oberösterreichs Kulturvereine zugesagt. Es wurde unhinterfragt verbreitet, was die Regierenden gibt dafür allerdings keine explizite, transparente Aus- in ihren täglichen Pressekonferenzen von sich gaben. schreibung. Woran liegt das? Und da war leider nichts Ermächtigendes dran. Statt- Dieses Geld ist zweckgewidmet für die Kulturszene dessen dominierte eine Mischung aus Ankündigun- und wird bedarfsorientiert ausgeschüttet. Wir wollten gen, Anordnungen und oft recht widersprüchlichen ein breites Bündel aus Maßnahmen, das auf verschie- Verboten. Lieber nicht ins Kino oder ins Theater, mo- dene Anforderungen eingeht und die Maßnahmen natelang auch ja nicht demonstrieren, aber hochsub- des Bundes ergänzt. Wo notwendig, gibt es Ausschrei- ventionierte Flugreisen absolvieren. Das demokratie bungen, die auch auf der Homepage publiziert sind. ferne Marketing vermittelte: Haltet still und glaubt an In allen anderen Fällen setzen wir auf persönliche Be- uns, dann wird alles gut. Der infantilisierende Baby- ratung und individuelle Lösungen. elefant passt hervorragend in dieses Szenario. Wer an die Kernaufgabe des Journalismus erinnerte Verändert Corona die Kulturverwaltung nachhaltig? und trotzdem kritische Fragen stellte, wurde mit dem Die Pandemie verändert alles. Im Moment sind Be- – im Wortsinn – Totschlag-Argument vom Feld ge- gegnungen nicht in der gleichen Form möglich, das jagt, dass Widerspruch Menschenleben gefährde. Die hat Auswirkungen auf die Verwaltung – Stichwort Di- Artigen hingegen, die wurden mit reichlich Sonder- gitalisierung, Home-Office, ... Wir müssen also wei- förderungen bedacht. Und so flanieren wir und die ter dafür sorgen, dass wir immer und unter allen Um- bedauernswerten Elefanten nicht fröhlich in Begeg- ständen das leisten können, wofür wir auch stehen. nungszonen, sondern irren gemeinsam durch unüber- sichtliche Schilderwälder. Großzügiges Ausholzen wäre angesagt. Dann hätte der Aufruf zur Achtsamkeit, der in «Schau auf dich, schau auf mich!» steckt, viel- leicht eine Chance, wirksam zu werden. Barbara Eppensteiner denkt politisch, liebt gute Filme und interes- sante Texte und setzt sich auch deshalb in ihrer Arbeit für kulturelle und mediale Partizipation ein. Seit 2005 als Programmintendantin beim Wiener Community Sender Okto. → okto.tv
verwaltung Kulturpolitik Humus für Neues Im Gespräch mit Aliette Dörflinger ergründen wir das Verhältnis zwischen Kunst, Kultur und Verwaltung und wie Förderinstrumente in dem Bereich funktionieren … — oder funktionieren sollten. Aliette Dörflinger ist studierte Katharina Serles: In deinem Modul des KUPF OÖ-Lehr- wir trotz einer Pandemie Wege und Räume für Aus- Handelswissenschaftlerin und gangs für Kunst- und Kulturmanagement hast du tausch finden. Auch das Home-Office kann temporär ausgebildete Trainerin / Coach über das chaordische Prinzip gesprochen. Was ist das? Neues schaffen und andere Freiräume bringen. (u. a. Art of Hosting Practitioner). Sie hat über zehn Jahre in Aliette Dörflinger: In unserem Leben gibt es unter- den Bereichen Kultur- und schiedliche Zustände: vom Zustand des Chaos, aus Wie passt denn nun das oftmals chaordische Arbeiten Kreativwirtschaft, neue Formen dem wir alle entstanden sind, zum Zustand der Ord- von Kulturinitiativen zum starren, kontrollierenden von Unternehmertum, regionale nung und Kontrolle. Letztere haben wir hineinge- Verwaltungsapparat? Muss sich das nicht jedenfalls Entwicklung sowie Innovation bracht, um als Gesellschaft zusammenzuleben und irgendwo spießen? und Entrepreneurship geforscht. Sie war als Evaluatorin von Dinge gestalten zu können. Mit Hilfe des chaordischen Der Knackpunkt ist, dass es in Kulturförderungskon- Innovationsprogrammen für Prinzips wird das Spannungsfeld zwischen diesen Zu- texten um öffentliche Steuergelder geht. Der Staat ist in KMUs tätig und hat für den FWF ständen genutzt – mit der Motivation, zu Innovation der Verantwortung, transparent aufzuzeigen, was mit Wissenschaftsfonds ein neues oder Humus für Neues zu gelangen. Das kann auf Or- diesen Geldern passiert. Es passiert eigentlich eine Um- Förderprogramm für transdiszipli- näre Forschung implementiert. ganisations-Ebene sein, weil alte Systeme nicht mehr verteilung. Die Politik entscheidet im Sinne einer Kul- Aktuell ist sie als selbst- funktionieren oder man die Organisation weiterentwi- turstrategie, wie Geld vergeben und etwa zwischen den ständige Prozessbegleiterin, ckeln möchte oder man für einen Prozess neue Ideen großen Institutionen und der Freien Szene aufgeteilt Beraterin und Trainerin, u. a. für braucht. wird. Die Verwaltung muss es dann verteilen, woraus partizipative Stakeholder- und sich bei gutem Public Management Qualitätskriterien 12 Veränderungsprozesse, sowie in der Erwachsenenbildung tätig. Wie geht man dabei vor? und Richtlinien ergeben, die für alle klar kommuniziert, Charakteristisch für Vereine und NPO-Konstruktionen fair konzipiert und transparent nachvollziehbar sind. aus dem Bereich Kunst und Kultur sowie kreativwirt- schaftliche Unternehmen ist, dass diese das Prinzip Entspricht das den Förderwirklichkeiten? oft wie selbstverständlich anwenden. Dort ist Struk- Leider nicht immer. Je nach Förderorganisation oder tur verhanden, aber sie nimmt nicht die Überhand, Ebene der Fördervergabe (von der kommunalen zur um dem ‹Zufall› einen Möglichkeitsraum zu geben. Bundesebene) ist die Transparenz der Kriterien oder Wenn es ein Sofa im Büro gibt und man beim Nach- des Vergabeprozesses mehr oder weniger gegeben. mittagsschlaf auf gute Ideen kommen kann, eine Ge- Manche Personen haben einen Informationsvorsprung meinschaftsküche für einen leichten Austausch und – der Zugang zu Fördertöpfen wird dadurch erleichtert. Foto: Bernadette Reiter Orte für Inspiration, dann ist das Chaordische leicht Auch das im Kunst- und Kulturbereich gängige Beiräte- zu erreichen. System ist oft eher undurchdringlich. Und was passiert dann? Gibt es Beispiele für Förderinstrumente, bei denen das Die Strukturen, die man kennt, die historisch gewach- besser funktioniert? sen sind oder von oben gegeben, können geändert Der österreichische Staat hat zum Beispiel Förderagen- werden, indem man ins Chaos hineingeht, organi- turen geschaffen – im Bereich der Wissenschafts-, Wirt- schere Energie hinein- und mehr Kreativität, Sponta- schafts- und Innovationsförderung –, die unabhängig neität und Intuition zulässt. Ob die Ideen, die dabei von den Ministerien und so weit wie möglich vom poli- entstehen, tatsächlich umgesetzt werden, ist dann tischen Spiel entkoppelt sind. Das sichert ein gutes Ent- eine ganz andere Frage. So ein Prozess muss gehostet scheidungsverfahren – und das fehlt teilweise im Be- werden, damit sich alle Beteiligten gut einbringen und reich der Kunst und Kultur. alle Ergebnisse gut geerntet werden können. Gibt es eigentlich einen Grund dafür, dass das Antrags Diese angesprochenen Freiräume sind corona-bedingt prozedere oft so schleppend und behäbig ist? prekärer geworden, weil Kontakt, Nähe, Austausch Für die Vergabe braucht es immer auch eine gewisse problematisch, potentiell gefährlich sind. Wirkt sich Vergleichbarkeit der Anträge. Dafür sind etwa Formula- das auf kreative Prozesse aus? re hilfreich. Das ist auch der Grund für sehr spezifische, Ich denke, dass Menschen soziale Wesen sind, die im- zum Teil einengende Vorgaben – und gar nicht negativ. mer Begegnungsräume finden, selbst wenn sie zeit- Natürlich kann man als Fördergeber*in andererseits weise bloß virtuell sind. Ich vertraue also darauf, dass auch auf die Freiheit von Wissenschaft, Innovation,
Die Kunst der Unvernunft Crip & Mad Kolumne von Eliah Lüthi hat ein Vogel ... Die Zeichnung hat ein Vogel von Paul Klee zeigt e inen Kopf mit einem Spalt, in dem ein Vogel verborgen liegt. Es ist eines von vielen Bildern, in denen sich Klee von Verwirrungen und ver_rückten Zuständen inspirieren ließ. Das Spiel mit Unverständlichkeit, Unvernunft und der Kunst bauen. Dahinter steckt die Überzeugung, dass Übertretung dessen, was als normal und berechenbar man Wissenschaftler*innen, Künstler*innen oder gilt, scheint Kunst zu begleiten. Ein ‹Hauch von Wahn- Kulturarbeiter*innen nicht eingrenzt, denn dann den- sinn› wird eine Auszeichnung oder gar eine Kunstform ken und arbeiten sie besser. Es hängt letztlich von der per se – nach dem Motto: «Wir sind anders als die an- Zielvorgabe ab: Je nach Förderungsziel ist ein formlo- deren. Wir sind ein bisschen verrückt.» Doch gibt es in ser Antrag oder ein Antrag mit klaren Vorgaben besser. dieser Beziehung von ‹Kunst und Wahn› so etwas, wie Entscheidend ist die Verhältnismäßigkeit: Braucht es zu ver_rückt zu sein? so viele Angaben? Wie fließen diese in die Entschei- Die Kunst von Menschen, deren psychiatrische Aufent- dung ein? Hier sind die Fördergeber*innen gefordert, halte und Diagnosen bekannt sind, gilt bis heute meist zu überprüfen, ob wirklich notwendige Daten und In- weder als Kunst noch als Arbeit. Der ihnen zugewiese- formationen abgefragt werden, die nicht bloß zur eige- ne Platz ist ‹sozialer› und nicht ‹kultureller› Art. Kunst- nen Absicherung dienen. werke werden unbezahlt hergestellt in Werkstätten sogenannter ‹Beschäftigungsmaßnahmen› und ausge- Bei Antragstellungen, wie wir sie im Kunst- und Kultur- stellt auf Veranstaltungen zur ‹Förderung der psychi- bereich kennen, muss vor Projektbeginn feststehen, wo- schen Gesundheit›. Es ist nicht Kunst per se, ‹sondern rauf man hinaus will. Selten ist es möglich zu sagen: Kunst von ... ›, es ist eine ‹Inspiration›, eine ‹gute Tat›, Gebt mir eine Förderung für die Couch, für den Frei- ein ‹Wohlfahrtsgegenstand›. raum, und wir schauen, wohin wir damit kommen. Wie So ist es nicht verwunderlich, dass die österreichi- 13 könnte man das denn gewährleisten? sche Dichterin Christine Lavant nicht wollte, dass Leider herrscht oft der Glaube: Je strenger die Vorga- ihre Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus zu Lebzeiten ben, je größer die Kontrolle, je enger der Gestaltungs- veröffentlicht werden. Und auch wenn sich Ingeborg raum, umso sicherer wird das Ziel erreicht. Aber es Bachmann in ihren Erzählungen und Romanfragmen- gibt andere Ansätze, zum Beispiel in der Förderung ten intensiv mit (der Gewalt von) Psychiatrie ausein- der Grundlagenforschung: Bewertet werden wissen- andersetzte, so durften ihre Schriften zu ihren eige- schaftliche Qualifikation, Idee und Methodenset. Das nen Klinikaufenthalten erst 20 Jahre nach ihrem Tod Ergebnis ist offen, nicht plan- und trotzdem im Nach- in dem Band Male Oscuro veröffentlicht werden. Die hinein evaluierbar. Die Rahmenbedingungen sind eigene Betroffenheit zu verbergen scheint notwendig, breit, (Denk-)Räume werden aufgemacht. Dieses Prin- um Kunst zu machen, um Literatur zu schreiben und zip stärker in die Kunst- und Kulturförderung hinein- dabei nicht zu haften für gesellschaftliche Zuschrei- zubringen, wäre schön. Dann müsste sie nicht nur bungen, welche der eigenen Arbeit anhaften, als Out- aus Projektförderungen bestehen und diesen Wir- sider-Kunst, als Psychiatrie-, Frauen- oder Migrati- kungs- bzw. Umsetzungscharakter haben; das ist aber onsroman. Ob Klee selbst psychiatriebetroffen war, eine strategische, politische Entscheidung. Arbeitssti- ob der Vogel in dem Spalt auf dem Bild sein eigener ist, pendien, Förderinstrumente mit stärkerem Prozess ist nicht bekannt. charakter gehen bereits in diese Richtung. Ist es der Vogel selbst, der Wahn von Kunst trennt? Ist es der Mut, ihn fliegen zu lassen statt in Spalten zu ver- Der Eindruck bleibt, dass die Politik einen strengeren bergen? Oder ist es die Zu_schreibung von außen, die Blick auf Kunst und Kultur wirft, als etwa auf die Wissen ‹unsere› Kunst aus dem ver_rückt, was als Kunst gilt? schaft. Ist Kunst zu gefährlich? Eliah Lüthi schreibt, performt, dichtet und forscht als Akademie Kunst ist zu unkontrollierbar und vor allem nicht pro- der Unvernunft und freut sich, auch künftig in dieser Kolumne duktiv im neoliberalen Sinn. Der Mehrwert von Kunst einen Raum zu schaffen für ver_rückte Kunst und Kultur, für und Kultur wird in diesem System nicht ausreichend transformative Träume, denen Flügel wachsen dürfen. → akademie-der-unvernunft.org wahrgenommen. Sobald die Ressourcen knapp wer- den – auf systemischer Ebene geht es ohnehin immer Lust auf mehr? Am 15. 9., 17:30 Uhr, ist um den Kampf um Ressourcen – hat Kulturpolitik da- Aliette Dörflinger im KUPFtalk her einen schweren Stand. Und das wenige Geld, das mit Sigrid Ecker — zu hören sie verteilen kann, muss in dieser Logik ‹etwas bringen› in der KUPF Radio Show auf Das Logo der Akademie der Unvernunft – deswegen gibt es Projekt- statt Prozessförderungen. Radio FRO. zitiert Paul Klees Zeichnung hat ein Vogel
Kulturpraxis Inspirierte Autorin, herabschauender Hund Lisa-Viktoria Niederberger über Literaturstipendien, wirtschaftliche Sorgen, fütternde Hände und den Wunsch zuzubeißen. Lisa-Viktoria Niederberger, Es gibt da einen Tag im Leben von uns eher jüngeren durchaus etablierte Autorin mit vielen Preisen, dass geboren 1988, ist Autorin, und eher mittel- bis unbekannten Schriftsteller*innen, sie es 8 × nicht bekommen hat und «Irgendwer hat im- Kulturarbeiterin und studiert den wir gleichermaßen herbeisehnen und verab- mer des Bummerl». Dann kommen die Solidaritäts- Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz. scheuen. Wir, das sind vielleicht hundert Leute. Man bekundungen, die «Ich auch nicht, mach dir nichts kennt sich über eine, zwei, siebzehn Ecken, war mal draus!». Wir werden immer mehr, es geht das große gemeinsam bei einer Lesung. Jede*r sitzt in der Re- Rätseln los: wenn wir alle nicht, wer dann? Gibt es daktion irgendeiner Literaturzeitung und hat jede*n etwa noch Autor*innen außerhalb unserer Bubble? 14 schon mal veröffentlicht oder eben nicht. Man hat Und als wir ihre uns unbekannten Namen dann auf nach fünf Pfeffi am Messestand irgendeines hippen der Homepage des Ministeriums lesen, fragen wir uns: Berliner Lyriklabels in Leipzig mal geschmust oder Wer sind die? Was haben die, was wir nicht haben? über die Frage gestritten, ob Schreibschulen wie Hil- Und: Reden sie über Geld? Was bedeutet das für sie, desheim oder die Angewandte super oder doch schei- dieses Stipendium? ße sind. Und auch, wenn man sich da oft etwas schräg Ich erzähle eine Geld-Geschichte: Letzten Dezember Foto: privat beäugt, irgendwie versteht man sich schon. Denn wir hat mir unser Landeshauptmann eine Urkunde in die wollen ja alle das gleiche. Dass man uns liest. Vorher Hand gedrückt, die besagt, dass ich jetzt bis Ende 2021 noch: dass man uns verlegt. Und noch vorher: dass die Literatur-Talentförderungsprämie des Landes wir es uns leisten können, zu schreiben. Da kommen Oberösterreich bekomme. Damit ich nicht alles auf dann die Stipendien ins Spiel. Und eins, auf das haben einmal ausgebe, überweist mir das Land monatlich wir es alle ganz besonders abgesehen, ist das Startsti- 225 €. Darüber, was das über den ideellen Wert hin- pendium für Literatur. Denn: Das Startstipendium für ter dieser Zahl aussagt – nämlich den Wert von dem, Literatur ist heiß begehrt bei uns «unter 35-jährigen was man wohl ‹Nachwuchsliteratur› nennt, möchte österreichischen Staatsbürger*innen bzw. in Öster- ich nicht nachdenken müssen. Und ich würde niemals reich Wohnenden, die über maximal eine selbststän- sagen, dass es wenig ist und eigentlich ein Witz, weil dige Publikation verfügen» (So die Vergaberichtlinien). schon Edmund Burke sagte: «Never bite the hand that Es zugesprochen bekommen, b edeutet sechs Monate feeds you.» Oder in meinem Fall: … that pays your Be- lang 1.300 € vom Bundesministerium für Kunst, Kul- triebskosten 24 Monate lang. tur, öffentlicher Dienst und Sport. Es bekommen, be- Weil: Kleinstbeträge hin oder her, in den vergange- deutet ein halbes Jahr schreiben können, ohne sich nen Monaten haben wir auch die wohl alle wieder zu Sorgen machen zu müssen. Und der Tag, den wir alle schätzen gelernt. Manchmal ist es auch gar nicht not- gleichzeitig herbeisehnen und verabscheuen, ist der wendig, übers Geld-haben oder Geld-nicht-haben zu Tag des E-Mails. reden, es reicht ein aufmerksamer Blick ins eigene Als Reaktion auf das E-Mail, das mich grantig, traurig Smartphone. und mutlos macht, poste ich am 29. Juni dieses Jah- Viel hat sich verändert in meiner Social Media Bubble res auf Facebook «Gescheiterte Versuche auf ein Start- in den letzten Monaten. stipendium für Literatur: Vier. Gratuliere von Herzen, Unter meinen Facebook Freund*innen tummeln sich denen die … » und bekomme dafür 8 Umarmungen, 6 Künstler*innen aller Sparten. Die wenigsten von ih- Likes, 6 Herzen, eine findets lustig und einer findets nen sind so etabliert oder erfolgreich, dass sie ge- traurig. In den Kommentaren sagt eine mittlerweile nug Reserven haben, um die Corona-Monate ohne
wirtschaftliche Sorgen zu überstehen. Die Einkom- Autorin. Ich bin Studentin. Ich arbeite im Kulturbe- mensquellen Lesung, Konzert, Performance, Theater reich. Seit März kann ich all diesen Beschäftigungen sind weggefallen und die Versuche, den Verdienstent- nicht nachgehen, nicht regulär zumindest. Seit März gang auszugleichen, sind manchmal skurril und un- bin ich so viel zuhause wie nie zuvor. Weil bei mir der erwartet, aber offensichtlich immer notwendig. Übergang vom Lockdown zur Sommerpause ein sehr Der DJ ist jetzt Fahrradkurier für eine Lieferdienst- fließender gewesen ist, kommt Normalität erst im Ok- App. Innerhalb von einer Stunde radelt er über 30 Ki- tober. Auch ich mache täglich Yoga, es hilft nicht nur lometer in der Innenstadt, einen Thermorucksack mit gegen das Kreuzweh vom vielen Ins-Zoom-Schauen 15 heißen Speisen am Rücken. Statt Bildern von seinen in unergonomischen Haltungen, sondern auch ge- Set-ups und Ausblicken ins tanzende Publikum teilt gen diese Blockaden im Kopf. Schwitzen nimmt Angst er jetzt via GPS-Tracker die Wege, die er beim Essen- und das Dehnen zieht die Schwere von der Seele. Und liefern zurücklegt und verschwitzte Feierabend-Sel- trotzdem würde ich lieber wieder die inspirierte Auto- fies mit uns. Die Sportfotografin versucht, sich mit rin statt den herabschauenden Hund machen. Pärchenfotoshootings ein zweites Standbein aufzu- Es mag Schriftsteller*innen geben, denen Isolation bauen, weil sie mit den Absagen der großen Sport nichts ausmacht, die sich ihr sogar freiwillig hingeben. events ihre Haupteinnahmequelle verloren hat. Mein Ich bin nicht so, ich bin eine Kaffeehausschreiberin, Lebensgefährte und ich lächeln an einem verregneten ich mag Bibliotheken und Inputs von außen. Ich glau- Tag unsicher in die Kamera, damit sie ihr Portfolio er- be, ich trage gute Geschichten nicht in mir, sondern weitern kann. Die Frontfrau einer Coverband hat ohne ich finde sie auf der Straße, hebe sie auf und kümme- Maturafeiern, Apres-Ski und Zeltfesten ebenfalls eine re mich dann daheim liebevoll um sie. Dieser Corona- ihrer Einnahmequellen verloren. Sie erzählt jetzt auf Mix aus Angst, Geldsorgen, Home-Office, Distance Instagram viel über Gesichtsreinigung und die tollen learning und die Reduktion meiner sozialen Kontakte: Angebote einer Kosmetikfirma, von der ich noch nie Das ist Gift für meine Kreativität. Blöd nur, wenn mein gehört habe. Fasziniert schaue ich ihr zu, wie sie Ma- Kontostand von meiner Kreativität abhängig ist. ke-up auf eine Erdbeere schmiert und dann mit einem Ich glaube, wirklich unbeschwert Kunst machen kann elektrischen Reinigungsgerät wieder entfernt, ohne nur, wer frei von wirtschaftlicher Sorge ist. Kann nur, die Frucht zu beschädigen. Vor Corona hat sie es ge- wer nicht tagsüber einer komplett hirnlosen Lohn- schafft, hunderte junge Leute im Publikum dazu zu arbeit nachgehen muss und dann abends eine Stun- animieren mit ihr White Stripes zu singen, jetzt klingt de vorm Manuskript sitzen, auf Kommando quasi, sie, als würde sie schon ewig einen Teleshopping- irgendwann zwischen Abendessen und Ins-Bett-Ge- Kanal moderieren. hen. Wer vom Schreiben leben können will, braucht Die Burlesquetänzerin hingegen trainiert die letzten erst genug Geld zum Leben, um Schreiben zu kön- Monate mehr als zuvor. Sie wird, wenn es die Regeln nen. Und weil es nie genug Sonderfonds und Stipen- erlauben, ein fulminantes Comeback feiern. Ich kann dien und Residencies und was-weiß-ichs geben wird Lust auf mehr? Am 8. 10., 18:30 Uhr, ist in meinem Feed quasi zusehen, wie ihre Rückenmus- – zum Wohle aller, aber eben auch deswegen, weil die Lisa-Viktoria Niederberger kulatur jeden Tag dickere Stränge bildet, gemeißelt Kunst- und Kulturproduktion nicht nur Privilegierten im Studio 17 mit Dominika wie von einem Bildhauer des römischen Barock. Und vorbehalten sein darf: bedingungsloses Grundein- Meindl im MKH Wels — zu ich verstehe das Bedürfnis nach Bewegung. Ich bin kommen, bitte. sehen auf dorfTV.
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