50 JAHRE DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN ISRAEL - DEUTSCHLAND

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50 JAHRE DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN ISRAEL - DEUTSCHLAND
50 JAHRE
DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN
      ISRAEL – DEUTSCHLAND
50 JAHRE DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN ISRAEL - DEUTSCHLAND
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50 JAHRE DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN ISRAEL - DEUTSCHLAND
INHALT

Grußwort von Botschafter Yakov Hadas-Handelsman          4    Israel und Deutschland:
                                                               Verbunden in Vergangenheit und Zukunft                25
Einleitung 6
                                                              Das Jubiläumsjahr                                     27
Die Anfänge der bilateralen Beziehungen                        Das offizielle Logo und seine Entstehungsgeschichte   27
zwischen Israel und Deutschland         6                     Die Jubiläums-Website: www.israel50deutschland.org    27
Das Luxemburger Abkommen („Wiedergutmachungsabkommen“)    8
Das Treffen zwischen Ben-Gurion und Adenauer              8   Zeitstrahl                                            30
Der Eichmann-Prozess                                      8
                                                               Interessante Links                                    35
Die Gegenwart 11
 Politik                                                 11   Impressum                                             38
 Regierungskonsultationen                                12
 Deutsch-Israelische Afrika-Initiative                   13   Wussten Sie, dass... ?                                39
 Sicherheit und Militär                                  14
 Wirtschaft                                              14
 Wissenschaft                                            16
 Kultur                                                  18
 Zivilgesellschaft                                       20
 Schul- und Jugendaustausch                              20
 Sport                                                   22
 Kommunale Kooperation                                   23
 Tourismus                                               23
 Sprache                                                 24
 Lifestyle                                               24
 Yad Vashem                                              25
50 JAHRE DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN ISRAEL - DEUTSCHLAND
GRUSSWORT VON BOTSCHAFTER
YAKOV HADAS-HANDELSMAN
Liebe Leserinnen und Leser,

„die Regierung der Bundesrepublik Deutschland […] und die Regierung            soll. Wie die vorliegende Broschüre vor Augen führt, sind unsere Beziehun-
­Israels haben entschieden, diplomatische Beziehungen aufzunehmen“ – mit       gen nicht nur auf der diplomatischen und politischen Ebene hervorragend.
 diesen sachlichen Worten beginnt die gemeinsame Erklärung beider Regie-       Auch auf gesellschaftlicher Ebene sind im Lauf der Jahre viele persönliche
 rungen, wie sie uns vom 12. Mai 1965 vorliegt (Abdruck in hebräischer Spra-   Freundschaften zwischen Israelis und Deutschen entstanden. Es gibt einen
 che in dieser Broschüre). Der sachliche Ton spiegelt die Atmosphäre wider,    regen Austausch und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe in unzähligen
 in der sich gerade einmal 20 Jahre nach dem Ende des schrecklichsten Ka-      Bereichen, wie zum Beispiel im Jugendaustausch, im Rahmen von Freiwilli-
 pitels der jüdischen Geschichte der mühsame und gerade für die israelische    gendiensten und von Städtepartnerschaften, in der Wirtschaft, im Sport, in
 Seite schmerzhafte Annäherungsprozess vollzog.                                der Wissenschaft und im Bereich Kultur.

Wenn wir in diesem Jahr den 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer          Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und freue mich auf die Begeg-
Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern begehen, gedenken wir              nungen mit Ihnen im vor uns liegenden Jubiläumsjahr.
auch der Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager vor 70 Jah-
ren. Mit absoluter Sicherheit hat vor 70 Jahren niemand auch nur ahnen         Schalom!
können, dass es irgendwann einmal überhaupt Beziehungen geben wür-
de zwischen einem jüdischen und einem deutschen Staat. Niemand hätte           Yakov Hadas-Handelsman
ahnen können, dass wir eines Tages das 50. Jubiläum der deutsch-israeli-       Botschafter des Staates Israel in Deutschland
schen diplomatischen Beziehungen begehen würden und dass dies Anlass
zur Freude sein würde.

Zwischen der dunkelsten Hölle der Geschichte und den heutigen vertrau-
ensvollen und dynamischen deutsch-israelischen Beziehungen liegt eine
fast unglaubliche Entwicklung. Darum werden diese Beziehungen immer
einzigartig bleiben.

Im Jahr 2015 wollen wir gemeinsam auf unsere Erfolge zurückblicken und
gleichzeitig Perspektiven für die Zukunft entwickeln. Dabei bauen wir auf
die junge Generation, die im Mittelpunkt dieses Jubiläumsjahres stehen
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50 JAHRE DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN ISRAEL - DEUTSCHLAND
EINLEITUNG                                                                   DIE ANFÄNGE DER BILATERALEN
                                                                             BEZIEHUNGEN ZWISCHEN ISRAEL
Das Jahr 2015 markiert 50 Jahre diplomatischer Beziehungen zwischen
dem Staat Israel und der Bundesrepublik Deutschland – Beziehungen, die       UND DEUTSCHLAND
heute als eng, tiefgehend und vieldimensional bezeichnet werden können.
Die Beziehungen zu Deutschland sind eine strategische, tragende Säule der    Zwar wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutsch-
israelischen Außenpolitik insgesamt und in seiner Europapolitik im Beson-    land offiziell im Mai 1965 aufgenommen, doch die Unterzeichnung des Ver-
deren. Die Anerkennung der Einzigartigkeit der Beziehungen zwischen den      trages über die bilateralen Beziehungen war nur der vorläufige Höhepunkt
beiden Völkern, doch auch die Stellung Deutschlands in Europa und in der     einer mühsamen Annäherung. In den Jahren vor der offiziellen Aufnahme
Welt führen dazu, dass Israel der Entwicklung und weiteren Vertiefung die-   der diplomatischen Beziehungen hatte es im Wesentlichen drei Meilenstei-
ser Beziehungen viel Aufmerksamkeit schenkt.                                 ne für die bilateralen Beziehungen gegeben. Da war zunächst einmal das
                                                                             Luxemburger Abkommen, das 1952 unterzeichnet wurde, später das Tref-
Im Jahr 2015 jährt sich zudem zum 70. Mal das Ende der schrecklichsten       fen zwischen Ben-Gurion und Adenauer im März 1960 und schließlich der
Tragödie der Neuzeit, des Versuches, das jüdische Volk auszulöschen. Viele   Eichmann-Prozess 1961.
Menschen versuchen zu verstehen, wie es geschehen konnte, dass vor ge-
rade mal sieben Jahrzehnten eine hochentwickelte Kultur mitten in Europa     Aus strategischer Sicht basierte das Streben Israels nach engen Beziehun-
aus freier Entscheidung der Idee anhing, dass es ihre Bestimmung sei, eine   gen mit Deutschland auf der Frage, wie die Stellung des jungen Staates und
ganze Bevölkerungsgruppe auszulöschen – einzig und allein, weil diese eth-   sein Überleben trotz einer komplizierten geostrategischen Lage, die stän-
nisch, religiös und kulturell anders war. Das Nachdenken darüber lässt sie   dig Gefahr lief, sich weiter zu verschlechtern, gesichert werden könnte. Aus
oft ratlos zurück. Doch gerade deshalb ist es notwendig, die Vergangenheit   Sicht der Bundesrepublik war die Annäherung an Israel (trotz Drucks von
weiter zu studieren und ihre Bedeutung für das heutige Leben zu erfragen,    außen) ein wichtiger Schritt in ihrem Bemühen, zu demonstrieren, dass sich
um eine bessere gemeinsame Zukunft gestalten zu können.                      das Land von seiner nationalsozialistischen Vergangenheit gelöst und dar-
                                                                             aus seine Lehren gezogen hatte. Im Laufe der Jahre war es dieser Ansatz,
Heute, nach 50 Jahren diplomatischer Beziehungen, sind Deutschland und       der es Deutschland ermöglichte, sich der internationalen Gemeinschaft an-
Israel enge Partner in allen Bereichen. Gegenseitige Besuche auf höchster    zuschließen und zu der soft power zu werden, als die es heute gesehen
politischer Ebene, in den ersten Jahren mit viel Symbolik behaftet, haben    wird. Abgesehen von diesen Erwägungen hatte die Bundesrepublik aber
sich zu regelmäßigen Austauschen unter vertrauten Partnern entwickelt.       auch strategisch-ideologische Gründe für die Unterstützung Israels.
Ob in dem Bemühen um einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten oder
im Rahmen des deutschen Engagements zur Beilegung des Streits um das         Um Beziehungen zu schaffen, die auf Wertschätzung und Vertrauen be-
iranische Nuklearprogramm – die Sicherheit Israels hat für Deutschland       ruhen, betonte der erste israelische Ministerpräsident David Ben-Gurion
stets größte Bedeutung.                                                      wiederholt, dass die Bundesrepublik unter Konrad Adenauer ein „anderes
                                                                             Deutschland“ sei. Ben-Gurion war gegen den Ansatz einer Kollektivschuld.
Auf der Basis der gemeinsamen Werte demokratischer Rechtsstaaten sind        Seiner Ansicht nach hatte die Bundesrepublik aus der Vergangenheit ge-
Deutschland und Israel entschlossen, gemeinsam die Zukunft zu gestalten.     lernt und die junge Generation stand in keinem Zusammenhang zu den
Aus dem Abgrund der Gräuel des Nationalsozialismus ist einzigartiges Ver-    Schrecken der Vergangenheit. Dies wurde von der bundesrepublikanischen
trauen, ja echte Freundschaft erwachsen. Israel und Deutschland richten      Öffentlichkeit und besonders von Adenauer sehr geschätzt. Adenauer
ihren Blick gemeinsam in die Zukunft.                                        dankte Ben-Gurion ausdrücklich für diese Unterscheidung.

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David Ben-Gurion und Konrad Adenauer in der Bibliothek Ben-Gurions im Kibbutz Sde Boker 1966.
50 JAHRE DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN ISRAEL - DEUTSCHLAND
DAS LUXEMBURGER ABKOMMEN                                                        tung des Kommunismus darstellte. So erkannte die Bundesrepublik in Israel
(„WIEDERGUTMACHUNGSABKOMMEN“)                                                   einen Verbündeten im ideologischen Kampf des Kalten Krieges.

In den Jahren, die der Aufnahme diplomatischer Beziehungen vorausgin-
gen, rief jede Kontaktaufnahme oder Übereinkunft zwischen Deutschland           DAS TREFFEN ZWISCHEN BEN-GURION UND ADENAUER
und Israel Proteste in verschiedenen Teilen der israelischen Bevölkerung
hervor. Solche Schritte wurden einerseits als Versuch Deutschlands ge-          Bei seinem historischen Treffen mit Konrad Adenauer im New Yorker Ho-
sehen, sich Vergebung und Absolution zu erkaufen, und andererseits als          tel Waldorf Astoria im März 1960 erkannte David Ben-Gurion, dass nach
Versuch des gerade erst gegründeten Staates Israel, seine Existenz auf          Meinung der Bundesrepublik die Zeit für volle diplomatische Beziehungen
Kosten des Andenkens an die Ermordeten zu sichern. Der damalige Oppo-           noch nicht reif war und erklärte diese daher nicht zum Ziel. Stattdessen
sitionsführer und spätere Ministerpräsident Menachem Begin wandte sich          bat er den Bundeskanzler um wirtschaftliche Hilfe sowie Unterstützung auf
entschieden gegen die deutsch-israelischen Gespräche, die letztendlich zur      dem Gebiet der Sicherheit, was ab 1961 umgesetzt wurde.
Unterzeichnung des Luxemburger Abkommens führten.
                                                                                Während das Luxemburger Abkommen die Grundlagen für einen politi-
Gewalt zwischen Polizei und Demonstrierenden, Steinwürfe auf der einen          schen Dialog legte, der in dem Treffen zwischen Ben-Gurion und Adenauer
und Tränengas auf der anderen Seite führten zu einer der gewalttätigsten        seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte, spielte der Eichmann-Prozess eine
Demonstrationen in der Geschichte der jungen israelischen Gesellschaft.         Rolle sowohl in der Außen- als auch der Innenpolitik Israels und so auch für
                                                                                die Bundesrepublik.
Faktisch war es eine Analyse der Interessenlage, die die politische Füh-
rung des jungen Staates dazu brachte, mit der Bundesrepublik einen Dia-
log zum Thema Entschädigungszahlungen zu beginnen. Die Einsicht, dass           DER EICHMANN-PROZESS
der Kalte Krieg eine Realität geschaffen hatte, in der Westdeutschland für
die Interessen des Westens unerlässlich war und daher nicht wegen seiner        Aus israelischer Sicht diente der Eichmann-Prozess zwei Zielen: Nach innen
Verbrechen zum Ausgestoßenen erklärt wurde, führte dazu, dass das Lux-          ermöglichte es der Prozess, einen innerisraelischen Diskurs über Erinnerung
emburger Abkommen in Israel als wichtiges Mittel für die Etablierung und        und Heldentum zu führen. Der Prozess hat so zu einer Wende im Verhältnis
Stärkung des jungen Staates angesehen wurde. Auch für die Bundesrepub-          des Staates und der Gesellschaft zu den Geschichten der Opfer geführt. Die
lik war das Abkommen ein Weg zu zeigen, dass ihr daran gelegen war, die         Terminologie, die bis zum Prozess in Gebrauch gewesen war, wurde durch
Opfer zu entschädigen.                                                          eine andere ersetzt. Der Eichmann-Prozess steht für eine Öffnung der isra-
                                                                                elischen Gesellschaft für neue Narrative im Zusammenhang mit der Shoah.
Das Luxemburger Abkommen und die Eröffnung einer offiziellen israeli-           Nach außen zeigte der Prozess Israel als die Einheit, die die Aufgabe des
schen Vertretung in Köln waren der Beginn eines engen Dialoges zwischen         Richters und Verfolgers jener übernahm, die verbrecherisch gegen das
den beiden Staaten, auch ohne offizielle diplomatische Beziehungen. Ging        jüdische Volk gehandelt hatten. Bis zum Eichmann-Prozess gab es keine
es anfangs ausschließlich um Wiedergutmachungszahlungen, entwickelten           Gerichtsverhandlung, die sich ausschließlich mit dem Völkermord an den
sich daraus Wirtschafts- und Handelsabkommen und eine enge Zusammen-            Juden beschäftigt hätte. Bei den Nürnberger Prozessen hatte nicht der Völ-
arbeit auf dem Gebiet der Sicherheit, auf dem die Bundesrepublik Israel inof-   kermord an den Juden im Vordergrund gestanden, sondern die Verbrechen
fiziell große Unterstützung leistete. Während der Suezkrise widersetzte sich    der Nazis überhaupt.
die Bundesrepublik internationalen Forderungen, Israel durch das Einfrieren
des Luxemburger Abkommens zu schwächen. Der deutsche Widerstand                 Auch für die Bundesrepublik bot der Eichmann-Prozess Gelegenheit, ihr
verdankte sich nicht nur moralischen Erwägungen. Aus westlicher Sicht war       „neues“ Image in der Völkerfamilie unter Beweis zu stellen. Eine Reihe von
die Suezkrise der Beweis, dass Israel eine westliche Front gegen die Ausbrei-   Ereignissen Anfang der 1960er-Jahre, die das Ansehen des Landes in Eu-

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Die fünf Richter des Obersten Gerichts während des Prozesses gegen Adolf Eichmann im Jahr 1961
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ropa geschwächt hatten, ließen in Westdeutschland die Befürchtung wach-
sen, dass der Holocaust weiterhin einen Schatten auf die Versuche werfen
würde, sich als „neues Deutschland“ zu präsentieren. Der Eichmann-Pro-
zess barg also sowohl Gelegenheit als auch Risiko. Ein Risiko, weil sich ein
Diskurs entwickeln könnte, der für Deutschland schädlich wäre. Eine Gele-
genheit bildete er, da man die Diskussion auf Eichmann selbst hätte redu-
zieren können, um so die Aufmerksamkeit von führenden Personen in der
Bundesrepublik und ihrer zweifelhaften Vergangenheit abzulenken.

Die Entscheidung Ben-Gurions, den Eichmann-Prozess nicht zu nutzen,
um die Bundesrepublik anzugreifen, sicherte ihm langfristig nicht nur die
Anerkennung der Bundesregierung, sondern auch eine Fortsetzung der
westdeutschen Unterstützung Israels. Dieses vorsichtige Vorgehen beider
Seiten trug sicher mit dazu bei, dass 1965 ein Abkommen zur Aufnahme
diplomatischer Beziehungen unterzeichnet werden konnte.

Die israelische Absichtserklärung über die Aufnahme diplomatischer Bezie-
hungen mit Deutschland, darunter die entsprechenden Schreiben von Bun-
deskanzler Ludwig Erhard und Ministerpräsident Levi Eschkol.

10
DIE GEGENWART                                                                 ­ rsten Mal eine Abordnung israelischer Parlamentarier im deutschen Bun-
                                                                              e
                                                                              destag offiziell begrüßt, 1971 erfolgte der Gegenbesuch deutscher Abge-
                                                                              ordneter in der Knesset. 1975 reiste Ministerpräsident Yitzhak Rabin als ers-
                                                                              ter israelischer Regierungschef nach Deutschland. 1985 besuchte Richard
Die bilateralen Beziehungen finden heute ihren Ausdruck auf vielen Ebenen     von Weizsäcker als erstes deutsches Staatsoberhaupt Israel, 1987 erfolgte
und Gebieten und umfassen damit große Teile der Gesellschaften beider         der Gegenbesuch durch Präsident Chaim Herzog. Das gegenseitige Ver-
Staaten. Es existieren politische, wirtschaftliche und kulturelle Abkommen,   trauen zwischen den politischen Handelnden wuchs.
es gibt öffentliche und pädagogische Aktivitäten neben gemeinsamen Pro-
jekten in Wissenschaft und Forschung, auch in Drittländern.

Sie sind über Jahrzehnte hin gewachsen und wurden von vielen heraus-
ragenden Ereignissen geprägt – von Höhen und Tiefen, von Übereinstim-
mungen und Auseinandersetzungen. Die gemeinsame Vergangenheit der
beiden Staaten und das deutsche Gefühl einer historischen Verantwortung
führten 2008 zur Rede Angela Merkels über die deutsche Staatsräson, zu
der untrennbar das Existenzrecht Israels gehöre, sowie zu der Entschei-
dung, jährlich Regierungskonsultationen zwischen den beiden Ländern
abzuhalten. Aus den Regierungskonsultationen gehen regelmäßig Projek-
te der verschiedenen Ministerien beider Länder hervor: Sicherheit, Handel,
Kultur, Medien und Umweltschutz sind nur einige der Felder, auf denen
gemeinsame Projekte verwirklicht werden. Die Regierungskonsultationen
sind ein Zeichen für die Stärke der Beziehungen und für die gemeinsame
Zukunft beider Völker.

Doch immer wieder kam es auf politischer Ebene auch zu Konflikten und
Kritik, sei es die problematische deutsche Politik vor dem Hintergrund
des arabischen Boykotts 1973 oder ausgedehnte Handelsbeziehungen mit
dem Irak Saddam Husseins und dem nach Atomwaffen strebenden Iran                              Ministerpräsident Netanyahu und Bundeskanzlerin Merkel
der Ajatollahs. Für Diskussionen sorgt auch die seit den 1970er-Jahren in                                      bei den Regierungskonsultationen 2010.
Deutschland immer wieder von politisch Verantwortlichen vorgetragene
Kritik zum Nahostkonflikt.
                                                                              Der deutsch-israelische Dialog auf politischer Ebene ist eng und umfas-
Wie eng und tiefgreifend die bilateralen Beziehungen sind, zeigt sich auch    send. Zu ihm gehören etwa die gemeinsame Bewältigung tagesaktueller
und besonders auf jenen Feldern, die im Folgenden dargestellt werden.         Probleme, Abkommen zur Hilfe von Staatsbürgern in verschiedenen Regi-
                                                                              onen der Erde oder Austauschprogramme für Anwärter im diplomatischen
                                                                              Dienst. In den vergangenen Jahren entwickelten die beiden Staaten eine
POLITIK                                                                       Kooperation zur Unterstützung von Drittstaaten. Deutschland und Israel
                                                                              beraten sich zu strategischen Themen auf globaler und regionaler Ebene,
Die zwischenstaatlichen Beziehungen nahmen nach 1965 schnell Gestalt an,      sie teilen relevante Informationen und stimmen Prozesse auf multilateraler
und die Zahl der Kontakte auf politischer Ebene stieg: 1969 wurde zum         Ebene in verschiedenen internationalen Organisationen untereinander ab.

                                                                                                                                                         11
Das Amt des israelischen Ministerpräsidenten und das Bundeskanzleramt,           Bei den ersten Regierungskonsultationen beschlossen die beiden Außen-
die beiden Außenministerien und das Bundesministerium für wirtschaftliche        ministerien, die Zusammenarbeit zwischen den Diplomaten beider Län-
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) haben eine gemeinsame Initiative            der zu intensivieren und ein jährliches Sommerseminar für Diplomaten ins
in der Entwicklungszusammenarbeit gestartet. Zustande gekommen sind              Leben zu rufen. Außerdem wurde das Deutsch-Israelische Zukunftsforum
Projekte in verschiedenen Teilen der Welt, die deutsches und israelisches        begründet. Diese gemeinsame Stiftung hat sich den Aufbau eines Multipli-
Know-how zugunsten anderer Staaten vereinen.                                     katoren-Netzwerks junger Menschen aus beiden Ländern zum Ziel gesetzt
                                                                                 und fördert innovative, zukunftsorientierte Projekte aus Kultur, Wirtschaft,
                                                                                 Wissenschaft und Medien. Bei den zweiten Konsultationen im Januar 2010
REGIERUNGSKONSULTATIONEN                                                         standen vor allen Dingen sicherheitspolitische und entwicklungs- und um-
                                                                                 weltpolitische Fragen im Mittelpunkt.
Im März 2008 trafen sich die Regierungen des Staates Israel und der Bun-
desrepublik Deutschland in Jerusalem aus Anlass des 60. Jahrestages der          Einer von vielen Beschlüssen der dritten Konsultationen im Januar 2011 war,
Staatsgründung Israels zu den ersten deutsch-israelischen Regierungs-            in den Bereichen der inneren Sicherheit und der Terrorbekämpfung sowie in
konsultationen. Geleitet wurden sie auf deutscher Seite von Bundeskanz-          Notstandssituationen und bei Naturkatastrophen noch enger zusammenzu-
lerin A­ ngela Merkel und auf israelischer Seite von Ministerpräsident Ehud      arbeiten. Im Bereich Kultur erklärten beide Seiten ihre Bereitschaft, künfti-
­Olmert. ­Die Regierungen beider Länder beschlossen, von nun an einmal im        ge Projekte zur Erhaltung der persönlichen Archive jüdischer Intellektueller
 Jahr, abwechselnd in Jerusalem und in Berlin, Konsultationen abzuhalten,        deutscher Herkunft und jüdischer Gemeinden in Deutschland in Betracht
 um die einzigartigen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland poli-          zu ziehen. Um allgemeinen Zugang zu diesem Schatz an Primärquellen zu
 tisch zu festigen und auf ministerialer Fachebene konkrete Kooperationen        ermöglichen, hat die Israelische Nationalbibliothek eine Initiative zur Digita-
 zu entwickeln.                                                                  lisierung und Bereitstellung eines weltweiten kostenfreien Zugangs zu die-
                                                                                 sem lebendigen kulturellen, wissenschaftlichen und literarischen Erbe der
Beide Seiten erklärten damit ihren Willen, die politischen, kulturellen, wirt-   jüdischen Gemeinden in Deutschland entwickelt.
schaftlichen und zivilgesellschaftlichen Beziehungen in Form einer Part-
nerschaft zwischen demokratischen und pluralistischen Staaten zu stärken         Schwerpunkte der vierten Konsultationen, die im Dezember 2012 in Berlin
und zu intensivieren. Die Konsultationen umfassen bilaterale Gespräche           stattfanden, waren die industrielle Forschung und die Entwicklung sowie
zwischen den Teilnehmern, eine gemeinsame Kabinettssitzung und ein ge-           der Startup-Sektor, Forschungszusammenarbeit, Informationstechnologie
meinsames Essen. Ergänzt werden sie durch Foren in den Bereichen Wirt-           und Elektromobilität. Wie bei allen Konsultationen wurde auch den Berei-
schaft, Wissenschaft und Umwelt, in deren Rahmen Spitzenvertreter beider         chen Bildung und Jugendaustausch viel Raum gegeben, etwa der Arbeit
Länder konkrete Möglichkeiten der Zusammenarbeit in diesen Bereichen             der seit 1985 bestehenden Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission.
erörtern. Für Deutschland ist Israel das erste außereuropäische Land, mit
dem regelmäßig Regierungskonsultationen stattfinden. In das Gästebuch            Nahezu alle Minister der Bundesregierung fuhren zuletzt zu den fünften Re-
der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem schrieb die Bundes-           gierungskonsultationen im Februar 2014 nach Jerusalem, die im Licht des
kanzlerin damals: „Im Bewusstsein der Verantwortung Deutschlands für die         bevorstehenden Jubiläums 2015 standen. Das Spektrum der besprochenen
Shoah unterstreicht die Bundesregierung mit den ersten deutsch-israeli-          Themen, die in der gemeinsamen Erklärung benannt werden, war entspre-
schen Regierungskonsultationen ihre Entschlossenheit zur gemeinsamen             chend breit, und reichte von Wirtschaft, Verteidigung, Energie, Umwelt-
Gestaltung der Zukunft.“                                                         schutz, Landwirtschaft, Verkehr, Forschung, Sport, Kultur bis hin zu Ge-
                                                                                 sundheit. Auch auf konsularischer Ebene wollen beide Seiten noch enger
Von den zahlreichen Einzelabkommen der bislang fünf Treffen seien hier           kooperieren: Israelische Staatsangehörige können sich zukünftig in Dritt-
beispielhaft einige genannt, die die Vielfalt der Themen und Abkommen            staaten, in denen Israel über keine diplomatische Vertretung verfügt, an die
illustrieren sollen:                                                             deutschen Kontaktstellen vor Ort wenden. Zudem beschlossen die Regie-

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rungen, ein Working-Holiday-Programm ins Leben zu rufen. Dank dieses           DREI BEISPIELE FÜR TRILATERALE INITIATIVEN
neuen Programms können sich junge Menschen im Alter von 18 bis 30 Jah-
ren länger im jeweils anderen Staat aufhalten und dort für ihren Lebensun-     Kenia, Israel und Deutschland kämpfen gemeinsam
terhalt arbeiten.                                                              für die Rettung des Viktoriasees
                                                                               Am 16. August 2012 wurde eine trilaterale Kooperation zwischen Israel, Kenia
                                                                               und Deutschland ins Leben gerufen. Das Projekt zielt darauf ab, den Viktoria-
DEUTSCH-ISRAELISCHE AFRIKA-INITIATIVE                                          see vor Überfischung und Verschmutzung zu schützen. Die Deutsche Gesell-
                                                                               schaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) und MASHAV bilden
Ein weiterer Schwerpunkt der Regierungskonsultationen bestand im Aus-          Fischer des Viktoriasees in Aufzucht, Produktion und Vermarktung von Tila-
bau der deutsch-israelischen Afrika-Initiative. Bereits 2012 wurde diese ge-   pia aus, einer zunehmend nachgefragten Speisefisch-Gattung afrikanischer
meinsame Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-       Buntbarsche. Der See ist in ökologischer Hinsicht in einem derart kritischen
arbeit und Entwicklung und Israels Entwicklungshilfeorganisation MASHAV        Zustand, dass er als Lebensgrundlage der Bewohner und Fischerfamilien rund
auf den Weg gebracht. Heute wird sie in drei Ländern – Kenia, Äthiopien        um den See bedroht ist. Die wilden Fischbestände müssen geschützt und die
und Ghana – in Umweltschutz- und Landwirtschaftsprojekten umgesetzt.           Fischzucht muss optimiert werden. Außerdem muss den Menschen eine alter-
Neu hinzukommen sollen nun Projekte in Burkina Faso, Burundi und Ka-           native und nachhaltigere Einnahmequelle geboten werden.
merun. Dabei geht es unter anderem um die Bekämpfung der Folgen des
Klimawandels, wie der Austrocknung von Böden, unter denen insbesondere         Israel und Deutschland fördern die Zitrusindustrie in Ghana
die ländliche Bevölkerung leidet.                                              MASHAV und GIZ haben Workshops für Zitrusbauern sowie Mitarbeiter des
                                                                               ghanaischen Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (MoFA) organi-
                                                                               siert. Es handelt sich dabei um die Umsetzung einer trilateralen Kooperati-
                                                                               on aus dem Jahr 2010 zwischen MoFA, GIZ und MASHAV zur Unterstützung
                                                                               der Forschung und Entwicklung sowie der Produktion von Zitrusfrüchten im
                                                                               Hinblick auf die Förderung einer Zitrusfrüchte-Industrie in Ghana. Anbaueffi-
                                                                               zienz, Krankheitsprävention und Vertriebsmanagement sind die Themen ent-
                                                                               sprechender Fortbildungskurse. Die ersten Workshops fanden in Cape Coast,
                                                                               der Ashanti Region und der Brong Ahafo Region statt, weitere sollen folgen.

                                                                               Deutschland und Israel gemeinsam gegen den Wassermangel in Äthiopien
                                                                               Eine neue Erfolgsgeschichte verspricht auch die trilaterale Zusammenarbeit
                                                                               zwischen der äthiopischen Regierung, MASHAV und dem deutschen Bun-
                                                                               desumweltministerium (BMUB) zu werden. Experten der deutschen Ent-
                                                                               wicklungszusammenarbeit und äthiopische landwirtschaftliche Fachkräfte
                                                                               arbeiten seit 2009 gemeinsam in Äthiopien daran, die israelischen Bewässe-
                                                                               rungstechniken mit den bestehenden deutschen Installationen der GIZ vor Ort
                                                                               zu kombinieren.

                                                                               Diese drei Beispiele zeigen eine inzwischen fest etablierte Form der trilateralen
                                                                               Kooperation zwischen Deutschland und Israel. Sie führt zu neuen Konstellatio-
          Im Rahmen eines trilateralen deutsch-israelisch-ghanaischen
                                                                               nen in den internationalen Beziehungen und kann als ausgesprochen nachhal-
  Programms unterrichten israelische Experten ghanaische Zitrusbauern.
                                                                               tige, zukunftsorientierte deutsch-israelische Initiative gesehen werden.

                                                                                                                                                             13
SICHERHEIT UND MILITÄR                                                         WIRTSCHAFT

Abgesehen von ihrer moralischen Bedeutung beruht die militärische Zu-          Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Israel haben sich in
sammenarbeit zwischen Israel und Deutschland auch auf der Erkenntnis,          den vergangenen 50 Jahren dynamisch entwickelt. Im Jahr 1960 betrug das
dass jede Seite der jeweils anderen etwas anzubieten hat. Auf dem Feld der     deutsch-israelische Handelsvolumen gerade einmal 100 Millionen US-Dollar.
Sicherheit kooperieren die beiden Länder auf verschiedenen Ebenen eng –        2004 lag es bereits bei rund 4,4 Milliarden US-Dollar und wuchs bis 2013
in den Verteidigungsministerien, den Führungsebenen der Streitkräfte und       auf gut 7,4 Milliarden an. Damit ist Deutschland nach den USA und China
den Teilstreitkräften. Die Kooperation findet sowohl in Israel als auch in     Israels drittwichtigster Partner; umgekehrt liegt Israel auf Platz zwei der
Deutschland statt. Für beide Seiten gilt die militärische Zusammenarbeit als   wichtigsten deutschen Handelspartner im Nahen und Mittleren Osten.
wegweisend, auch gegenüber anderen Staaten. Sie umfasst unter anderem
Konsultationen, gemeinsame Manöver und wechselseitige Offiziers­besuche        Ein enges Netzwerk von Kontakten verbindet die Akteure auf beiden Sei-
auf Leitungs- und mittlerer Ebene. Die Erfahrung, die beide Staaten einbrin-   ten. Engagierte bilaterale Handelskammern in Tel Aviv und Frankfurt am
gen, ist die Basis für ein wechselseitiges Lernen, beginnend beim Kampf        Main unterstützen seit 1968 interessierte Unternehmen und fördern Handel
zur See, in der Luft und zu Land, über Übungen zur Notfallmedizin bis hin      und Investitionen aktiv. Das Freihandelsabkommen zwischen Israel und der
zu gemeinsamen Gedenkveranstaltungen. Jährlich besucht eine Dele­gation        Europäischen Union (EU) erleichtert seit 1995 auch die gegenseitigen Wirt-
der „Zeugen in Uniform“ Deutschland, an der mehr als 100 israelische Of-       schaftsbeziehungen. Die bilaterale Wirtschaftszusammenarbeit ist regel-
fiziere und Offizierinnen teilnehmen, die den Opfern der Shoah die Ehre        mäßig zudem einer der Schwerpunkte der jährlichen deutsch-israelischen
erweisen. Im Laufe ihres Besuchs treffen die Delegationsmitglieder auch        Regierungskonsultationen. Das jüngste Beispiel für die Verbesserung der
Offiziere und Offizierinnen der Bundeswehr.                                    wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Erst im August 2014 wurde die Neu-
                                                                               auflage des deutsch-israelischen Doppelbesteuerungsabkommens unter-
                                                                               zeichnet, das am 1. Januar 2015 in Kraft trat.

                                                                               Wer heute gänzlich selbstverständlich über Synergie-Effekte zwischen den
                                                                               Hightech-Startup-Szenen in Tel Aviv und Berlin spricht, übersieht allerdings,
                                                                               wie zaghaft und sensibel die Anfänge waren. Als wenige Jahre nach der
                                                                               Shoah und dem Ende des Zweiten Weltkriegs deutsche Firmen erstmals
                                                                               im neu gegründeten Staat Israel auftraten, war vielen Menschen in Israel
                                                                               die Vergangenheit noch zu nah: Sie mieden die Produkte aus Deutschland.
                                                                               Die erste deutsche Wirtschaftsaktivität stand häufig in Zusammenhang mit
                                                                               dem Luxemburger Abkommen von 1952, in dem Deutschland dem jungen
                                                                               Staat Israel Entschädigungsleistungen zusicherte. Zu diesen Leistungen ge-
                                                                               hörten auch Investitionsgüter und Maschinen. So gesehen waren es Ingeni-
                                                                               eure und Mechaniker, die zur Montage und Wartung nach Israel kamen, mit
                                                                               denen sich erste persönliche Wirtschaftskontakte ergaben. Als Felix Burian,
                                                                               ein Holocaust-Überlebender aus Wien, 1960 die erste Volkswagen-Werk-
      Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, Staatspräsident Reuven Rivlin      statt in Israel eröffnete, hatte dies noch den Charakter einer Pioniertat.
     und Verteidigungsminister Moshe Yaalon begrüßen in einer Zeremonie
        das U-Boot INS Tanin, das in Deutschland für die israelische Marine    Heute genießt das deutsche Qualitätssiegel „Made in Germany“ in Israel einen
                                                             gebaut wurde.     hervorragenden Ruf. Deutsche Unternehmen sind bei der Vergabe von Infra-
                                                                               strukturprojekten gut aufgestellt und geschätzte Partner: Siemens, SAP, Volks-

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Israel präsentiert sich auf der Ernährungsmesse Anuga 2013 – nur eine von vielen Messen in Deutschland, bei denen israelische Anbieter vertreten sind.
wagen, Deutsche Telekom, Bayer, Merck und Henkel haben in den vergangenen          WISSENSCHAFT
Jahren mehr als 100 Millionen Euro in Israel investiert. Auch in Forschungs- und
Entwicklungsvorhaben kooperieren beide Staaten mit zunehmendem Erfolg.             Die deutsch-israelische Wissenschafts- und Forschungskooperation gilt als
                                                                                   wichtiger Wegbereiter der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutsch-
Deutschland liefert als führende Exportnation vor allem Maschinen und An-          land und Israel: Schon 1959 lud das Weizmann-Institut für Wissenschaften in
lagen sowie Fahrzeuge, Metalle und Metallerzeugnisse nach Israel. Interes-         Rehovot eine deutsche Delegation der Max-Planck-Gesellschaft nach Israel
santerweise handeln beide Länder auf dem Weltmarkt mit Waren aus den               ein. Diese Kontakte führten später zu den Programmen der Minerva-Stif-
gleichen Produktgruppen: Chemieerzeugnisse, Medikamente, elektrische und           tung – bis heute ein Herzstück der deutsch-israelischen Wissenschafts- und
elektronische Produkte sowie optische Instrumente. Wachstumsstark präsen-          Forschungszusammenarbeit. Beiden Seiten war es dabei von Anfang an
tieren sich auch die Biotech- und Cleantech-Branche sowie der IT- und Tele-        wichtig, gemeinsame Forschung auf höchstem Niveau zu ermöglichen und
kommunikationssektor.                                                              zugleich enge persönliche und institutionelle Freundschaften und Verbin-
                                                                                   dungen zu knüpfen.
Auch das Interesse israelischer Firmen an deutschen Unternehmen und dem
attraktiven deutschen Markt nimmt deutlich zu. 2010 erwarb der weltgrößte          Im Jubiläumsjahr 2015 begehen deutsche und israelische Wissenschafts-
Generikahersteller Teva den deutschen Konkurrenten Ratiopharm und zahlte           einrichtungen ihre vielfältigen, langjährigen und freundschaftlichen Bezie-
dafür 3,6 Milliarden Euro; 2012 übernahm der Wäschehersteller Delta Galil das      hungen; sie sind sich ihrer Pionierrolle bei der Anbahnung der deutsch-is-
deutsche Traditionsunternehmen Schiesser.                                          raelischen diplomatischen Beziehungen durchaus bewusst. Und sie sind es
                                                                                   auch, die die Wissenschaftsbeziehungen bis heute sehr lebendig halten:
Beeindruckend ist der Kooperationsgeist im IT-Sektor: Während israelische          Alle Universitäten und ein großer Teil der Colleges in Israel haben Koopera-
Gründer sich Unterstützung durch deutsche Business Angels, Venture-Capi-           tionsabkommen mit deutschen Hochschulen geschlossen und forschen ge-
tal-Firmen oder Corporate-Venture-Capital-Gesellschaften erhoffen, setzen          meinsam. Für das gegenseitige Verständnis besonders wertvoll ist der rege
deutsche Firmen auf die Vielfalt und den kreativen Erfindungsgeist israelischer    Austausch von Dozenten und Studierenden. Es kommt nicht selten vor, dass
IT-Fachkräfte. So nennen die Telekom Innovation Laboratories (T-Labs), der         man im Weizmann-Institut in Rehovot Deutsch oder an der Humboldt-Uni-
zentrale Forschungs- und Innovationsbereich der Deutschen Telekom, genau           versität in Berlin Hebräisch hört. An vielen israelischen Universitäten gibt
diese Qualitäten als Grund für ihr Engagement in Israel. Bereits seit 2006 ko-     es inzwischen Einrichtungen mit Deutschland-Bezug. Besonders spannend
operiert T-Labs erfolgreich mit der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva. Seit     ist der „German Cluster“ an der Hebräischen Universität Jerusalem: Hier
2013 schaffen die Partner mit dem Advanced Technology Park am Standort in          befinden sich der „Stiftungsfonds Martin-Buber Gesellschaft“, das „Center
der Negev-Wüste die Voraussetzungen dafür, die Forschungsschwerpunkte              for German Studies“, das „Franz Rosenzweig Minerva Research Center for
der Universität noch stärker mit den Vorhaben der ansässigen Unternehmen           German-Jewish Literature and Cultural History“ und das „Koebner Center
zu verbinden. Auch SAP, der weltweit führende Anbieter von Unternehmens-           for German History“. Das „Minerva Center for Human Rights” und das „Mi-
software mit Hauptsitz in Walldorf, forscht intensiv in Israel – das SAP Labs      nerva Institute for German History“ haben ihre Adresse an der Universität
Israel Ltd. in Ra‘anana ist eines der weltweit größten des Konzerns.               von ­Tel Aviv. Die Universität Haifa ist Sitz des „Bucerius Institute for Con­
                                                                                   temporary German History and Society“ und des „Haifa Center for German
Israel und Deutschland sind sich einig in dem Ziel, Kooperationen auch zwi-        and European Studies“. Die Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva bietet ge-
schen kleinen und mittelständischen Unternehmen zu verbessern und zu               meinsam mit der Universität Heidelberg einen Master-Studiengang „Moder-
stärken. Investitionen und gemeinsame Projekte sind in den Bereichen Ener-         nes jüdisches Leben und Kultur“ an.
gieeffizienz, Umwelttechnologie und Biowissenschaften geplant. Dabei sol-
len auch Forschung und Entwicklung nicht zu kurz kommen: Verschiedene              Die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung flankieren Program-
Abkommen regeln diese bedeutenden Investitionen in die Zukunft, zu denen           me der seit 1973 bestehenden interministeriellen Zusammenarbeit des
auch die Berufsausbildung gehört.                                                  Bundesministeriums für Bildung und Forschung und seiner israelischen

16
Die ehemalige Bildungsministern Annette Schavan eröffnet im Juni 2011 das Erste Deutsch-Israelische Forum zur Forschungskooperation.
                                                                                                Vorne: Israels Bildungsminister Prof. Daniel Hershkovitz

Partnerministerien, dem israelischen Wissenschaftsministerium und dem         Neben den Programmen des Bildungsministeriums sind eine Reihe staatlich
Wirtschaftsministerium. Zu den wichtigsten gemeinsamen Forschungs-            geförderter Organisationen – wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft
themen gehören Wassertechnologie, Meeresforschung, Biotechnologie             (DFG), die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische
und die zivile Sicherheitsforschung. Besondere Bedeutung haben neben          Austauschdienst (DAAD) und politische und private Stiftungen – an der För-
den Programmen der Minerva-Stiftung die Deutsch-Israelische Stiftung          derung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit beteiligt. 2014 eröffnete
für wissenschaftliche For­ schung und Entwicklung und die Deutsch-Is-         das Informationszentrum des DAAD in Tel Aviv – DAAD-Dozenten und -Lek-
raelische Projektkooperation sowie der Stiftungsfonds Martin-Buber-­          toren arbeiten in Jerusalem, Haifa und Beer Sheva. In einem weiteren Projekt
Gesellschaft.                                                                 möchte die Humboldt-Stiftung mit dem „German-Israeli Frontiers of Huma-
                                                                              nities-Program“ deutschen und israelischen Nachwuchswissenschaftlern aus
Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das Bundesminis-       den Geisteswissenschaften neue Möglichkeiten der gemeinsamen Forschung
terium für Ernährung und Landwirtschaft sowie das Bundesministerium für       bieten. Mit ihrem israelischen Partner, der „Israel Academy of Sciences and
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit fördern die Zusammen-          Humanities“, hat die Stiftung vereinbart, jedes Jahr zu einem dreitägigen
arbeit mit israelischen Partnern. Bei den Regierungskonsultationen 2014 in    Symposium mit je 25 deutschen und israelischen Geisteswissenschaftlern
Jerusalem betonten beide Regierungen die Bedeutung gemeinsamer For-           einzuladen. Die Humboldt-Stiftung vergibt Forschungsstipendien für israeli-
schung und unterzeichneten eine „Gemeinsame Erklärung für eine verstärk-      sche Wissenschaftler in Deutschland; das Feodor Lynen-Forschungsstipen-
te Zusammenarbeit in Wissenschaft, Forschung und Technologie“.                dium ermöglicht Aufenthalte deutscher Wissenschaftler in Israel.

                                                                                                                                                        17
Deutsche und israelische Forscher arbeiten auch gemeinsam an der Lösung       KULTUR
drängender Zukunftsfragen. Dazu gehört die Erforschung neurodegenera-
tiver Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer, Krebsforschung, epidemio-      Ob Literatur oder Tanz, Musik oder Theater – der Kulturaustausch zwischen
logische Forschung zu Malaria oder die Erforschung alternativer Energie-      Israel und Deutschland hat auf vielen Ebenen Förderer. In Israel sind das
formen. Seit März 2014 arbeiten Deutsche und Israelis auch gemeinsam in       die Deutsche Botschaft und das Goethe-Institut, in Deutschland die israe-
der Neuropsychiatrie und der neurogenetischen Verhaltensforschung am          lische Botschaft in Berlin und das israelische Generalkonsulat in München.
„Max Planck – Weizmann Laboratory for Experimental Neuropsychiatry and        Außerdem unterhalten der DAAD und das Institut für Auslandsbeziehungen
Behavioral Neurogenetics“ in Rehovot.                                         (ifa) Künstlerprogramme in Israel. Auch die deutschen politischen Stiftun-
                                                                              gen mit ihren großen Bildungsangeboten sowie die evangelische und die
Die Teilnahme Israels an dem neuen Rahmenprogramm für Forschung und           katholische Kirche und weitere kirchlich getragene Institutionen sind aktiv.
Innovation „Horizont 2020“ der Europäischen Union ist ein weiterer wichti-    Zusätzlich engagieren sich die deutschen Länder, Landkreise und Kommu-
ger Meilenstein zur Fortsetzung dieser einmaligen Erfolgsgeschichte. Fast     nen für den Kulturaustausch, daneben viele der großen Stiftungen als zivil-
an der Hälfte aller israelisch-europäischen Wissenschaftskooperationspro-     gesellschaftliche Förderer.
jekte sind deutsche Einrichtungen beteiligt. Wichtige deutsche Partner sind
dabei die Institute der Fraunhofer- und der Max-Planck-Gesellschaft, das      Die Botschaft des Staates Israel in Deutschland fördert jährlich mehr als
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und das Forschungszentrum            100 Kulturevents in ganz Deutschland, vom Mainstream bis zum Frin-
Jülich. Die Teilnahme Israels an „Horizont 2020“ stärkt die deutsch-israe-    ge-Theater. Ob Literatur, Film, Tanz oder Musik – die Säle sind voll und die
lische Zusammenarbeit durch europäische Impulse und sichert so die Zu-        unzähligen positiven Besprechungen sowie die Nachfrage nach israelischer
kunft der strategischen Wissenschaftspartnerschaft beider Länder.             Kultur sind ein zusätzlicher Beweis für die Stärke der Beziehungen und
                                                                              das große Interesse der deutschen Öffentlichkeit an israelischer Kultur in
                                                                              Deutschland. Israelische Filme sind auf allen wichtigen deutschen Festivals
                                                                              vertreten, so etwa die hochgelobten und preisgekrönten Filme „Beaufort“
                                                                              und „Ajami“. Große Musikevents präsentieren Israel als Gastland, und die
                                                                              Bandbreite reicht dabei von Jazz über Klassik bis hin zur Weltmusik. Israe-
                                                                              lische Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind regelmäßig auf den Buch-
                                                                              messen in Frankfurt und Leipzig zu Gast. Auch auf den Bestsellerlisten
                                                                              sind ihre Werke oft vertreten, zumal viele israelische Neuerscheinungen ins
                                                                              Deutsche übersetzt werden. Ab 2015 wird zudem von den Kultusministeri-
                                                                              en beider Länder ein deutscher und israelischer Übersetzerpreis ausgelobt.
                                                                              Der israelische Tanz, seien es die großen Kompanien wie Bat Sheva und die
                                                                              Kibbuz Dance Company oder Solotänzer und -tänzerinnen, ist in Deutsch-
                                                                              land ebenfalls sehr erfolgreich.

18
Rabattcoupon für den Film „Emil und die Detektive“ aus dem Jahr 1975. Hebräisch war häufig die erste Fremdsprache,
                                                                                                                 19
                                                              in die Erich Kästners Kinderbücher übersetzt wurden.
Herausforderungen bewusst. Schulprojekte bringen außerdem Jugendliche
ZIVILGESELLSCHAFT                                                               aus beiden Ländern zu Themen wie Umweltschutz und technologischen
                                                                                Herausforderungen zusammen.
Der 12. Mai 1965 markiert ein historisches Datum in der Geschichte zwischen
Deutschland und Israel: Der Staat Israel und die Bundesrepublik Deutschland     In den vergangenen 50 Jahren hat die Aktion Sühnezeichen Friedens-
nahmen an diesem Tag diplomatische Beziehungen auf. Geebnet haben den           dienste Hunderte deutscher Freiwilliger zu einem Freiwilligenjahr nach
Weg auf beiden Seiten ganz maßgeblich die Zivilgesellschaften: Sie bauten       Israel gebracht, in dessen Verlauf sie das Land durch die Arbeit mit
die wichtigen Brücken zwischen den Menschen in beiden Ländern wieder            ­Holocaust-Überlebenden und in vielen anderen Projekten wie Gedenkstät-
auf – besonders in Wissenschaft, Kultur, Sport, mit den Freiwilligen­diensten    ten und Einrichtungen für behinderte Menschen oder sozial benachteilig-
und den heute über 100 Städtepartnerschaften. Über die Jahre wurden              te K
                                                                                    ­ inder kennenlernen. Ähnliche Freiwilligendienste bieten auch andere
­immer mehr Partnerorganisationen gegründet, Abkommen und Kooperati-             Träger an – vor Abschaffung der Wehrpflicht oft im Rahmen des „Anderen
 onen auf allen Feldern vereinbart. Es ist bezeichnend, dass auch die fürch-     Dienstes im Ausland“.
 terlichen Ereignisse während der Olympischen Spiele von München 1972, bei
 denen elf Mitglieder der israelischen Mannschaft durch einen Terror­anschlag   Junge Menschen für die Pflege der einzigartigen Beziehungen zwischen
 ums Leben kamen, die erstarkenden Bande nicht zerstört haben.                  Deutschland und Israel zu gewinnen – diesem Ziel widmet sich das 2007
                                                                                gegründete „Deutsch-Israelische Zukunftsforum“. Die Idee für die gemein-
                                                                                same Stiftung hatten die Staatspräsidenten beider Länder im Jahr 2005
SCHUL- UND JUGENDAUSTAUSCH                                                      anlässlich des 40. Jahrestags der deutsch-israelischen Beziehungen. Das
                                                                                Zukunftsforum fördert innovative, nachhaltige und zukunftsorientierte Pro-
Der Schüler- und Jugendaustausch zwischen Deutschland und Israel ist ei-        jekte von Schülern, Jugendlichen und Fachkräften aus Kultur, Wirtschaft,
ner der wichtigsten Wege der Völkerverständigung. Bereits 1955, zehn Jah-       Wissenschaft und Medien und legt damit auch eine stabile Basis für die
re vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, reiste die erste deutsche       zukünftigen deutsch-israelischen Beziehungen.
Jugendgruppe nach Israel.
                                                                                Auch die zwischen deutschen und israelischen Städten bzw. Landkreisen
Am 1. Januar 1975 traten die „Gemeinsamen Bestimmungen für die Durch-           bestehenden über 100 Partnerschaften bilden einen stabilen Rahmen für
führung und Förderung des deutsch-israelischen Jugendaustausches“ in            Jugendbegegnungen.
Kraft. Seit Beginn des Austauschs in den 1950er-Jahren beteiligten sich
bisher rund 700.000 deutsche und israelische Jugendliche an Schul- und          Im Februar 2000 hat Bundespräsident Johannes Rau ein Stipendienpro-
Jugendaustauschprogrammen sowie Freiwilligendiensten.                           gramm für junge Deutsche und Israelis ins Leben gerufen, die sich „ge-
                                                                                meinsam mit der Vergangenheit auseinandersetzen und eine gemeinsame
Der Israelische Rat für Jugendaustausch, der Pädagogische Austauschdienst       Zukunft suchen“ sollten. In den vergangenen 15 Jahren ist eine Auswahl
und ConAct, das 2001 gegründete Koordinierungszentrum Deutsch-Isra-             besonders begabter und engagierter israelischer Oberschüler zu einem
elischer Jugendaustausch in Deutschland, unterstützen viele Hundert Ju-         zweiwöchigen Aufenthalt nach Deutschland gereist, die als neue Deutsch-
gendaustauschprojekte im Jahr. Etwa 7000 israelische und deutsche Ju-           land-Botschafter nach Israel zurückkehren und in ihrem Heimatland ein ak-
gendliche kommen so jährlich mit dem jeweils anderen Land in Berührung.         tuelles Deutschlandbild vermitteln.
An den Programmen sind alle Bevölkerungsgruppen in beiden Ländern
beteiligt – Menschen arabischer und jüdischer Herkunft aus Israel sowie         Über den Jugendaustausch hinaus existiert der interreligiöse jüdisch-christ-
Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund. Die verschiedenen Gruppen          liche Dialog. Delegationen von Geistlichen und Theologen besuchen Israel
diskutieren über Vergangenheit und Gegenwart und werden sich der gesell-        und lernen den Staat durch den unmittelbaren Kontakt mit der Vergangen-
schaftlichen Vielfältigkeit in beiden Ländern und der damit einhergehenden      heit, der Gesellschaft und der lokalen Kultur kennen.

20
21
Eine Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste mit einer Bewohnerin des Dori Korn Elternheims in Haifa.
SPORT

Der Sport ist ein fester Bestandteil der deutsch-israelischen Beziehungen.
Es gibt einen konstanten und dynamischen Austausch von Sportlerinnen
und Sportlern aus beiden Ländern auf allen Ebenen und in allen Altersklas-
sen, zwischen Gruppen und Vereinen vom Spitzen- und Leistungssport bis
hin zum Breitensport.

Bereits Jahre bevor 1965 offizielle diplomatische Beziehungen zwischen
­Israel und Deutschland aufgenommen wurden, gab es auf der sportlichen
 Ebene zahlreiche Begegnungen zwischen Israelis und Deutschen. Im An-
 fangsstadium der Beziehungen spielte der Sport als verbindender Faktor
 eine wichtige Rolle, der Brücken gebaut und die Menschen aus beiden Län-
 dern spielerisch zusammengebracht hat. Heute ist es schon fast selbstver-
 ständlich, dass israelische Fußballer, Volleyballer, Handballer und Basket-
 baller bei deutschen Vereinen spielen. Die Fußball-Bundesliga spielt in den
 TV-Sportkanälen in Israel eine wichtige Rolle, und manche Bundesligaver-
 eine haben Fanclubs in Israel. Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2014
 haben auch israelische Fans mit der deutschen Mannschaft mitgefiebert.

Dem deutsch-israelischen Jugendaustausch im Sport kam von Beginn an
eine unschätzbar wertvolle Rolle zu. Einer der Vorreiter war die Landes-
sportjugend Nordrhein-Westfalen, die 1962 eine erste eigenständige Fahrt
nach Israel organisierte. Auch die erste Israelfahrt einer Studierendengrup-
pe der Deutschen Sporthochschule Köln im Jahre 1963 erwies sich als bahn-
brechend: Danach verstärkten sich die Kontakte zum israelischen Partner,
dem Wingate Institute for Physical Education and Sports bei Netan­ya. Dies
führte 1971 zum Abschluss eines offiziellen Austauschprogramms zwischen
den beiden Hochschulen.

Auch der Fußballverein Borussia Mönchengladbach, der seit 1969 enge und
vielfältige Beziehungen zu Israel unterhält, hat eine Vorreiterrolle inne. Das
erste Freundschaftsfußballspiel einer deutschen Mannschaft, der Fohlenelf
von Borussia Mönchengladbach, gegen die israelische Nationalmannschaft
fand 1970 in Tel Aviv statt. Angesichts der Bilanz von inzwischen 27 Spielen
des Vereins gegen israelische Mannschaften und der vorbehaltlosen Be-
geisterung, die die deutschen Sportler schon bei einem Freundschaftsspiel
im Jahr 1970 in Israel auslösten, fällt es leicht, den Fußball als „Brücke der
Verständigung“ zu bezeichnen. 2014 zeichnete die Israelstiftung den Verein

                                                                                 Spielerinnen von Turbine Potsdam besichtigen im Rahmen ihrer
22                                                                                Trainings- und Bildungsreise nach Israel die Altstadt von Jaffa.
für sein langjähriges, nachhaltiges und über den Sport hinaus wirkendes
Engagement zur Völkerverständigung und Versöhnung zwischen Israel und
Deutschland mit dem Zukunftspreis aus.

KOMMUNALE KOOPERATION

Zwischen Israel und Deutschland bestehen über 100 Kooperationsabkom-
men auf kommunaler Ebene. Dies sind einerseits klassische Städtepartner-
schaften, andererseits aber auch Kooperationen zu bestimmten Themen.
Allein im Jahr 2012 kamen drei neue solcher Abkommen hinzu. Die Koope-
ration auf kommunaler Ebene findet ihren Ausdruck in gemeinsamen Konfe-
renzen zur Diskussion gemeinsamer kommunaler Herausforderungen etwa
im Naturschutz, in der Ausbildung und im Handel. 2012 war ­Israel Gast­geber
einer Konferenz, an der 50 Vertreter deutscher Kommunen teilnahmen. An-
lässlich des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen
wird Deutschland Gastgeber der nächsten Konferenz dieser Art sein. Über
diese Konferenzen hinaus tragen die weitgreifenden Beziehungen auf kom-
munaler Ebene zur Verstärkung des Dialoges zwischen den beiden Völkern
bei: Delegationen von Vertretern der Städte und Gemeinden besuchen ihre
Amtskollegen im jeweils anderen Land. Jugendliche lernen einander ken-
nen und kulturelle Austauschprogramme bringen die Bürger beider Staaten
einander näher.

TOURISMUS

Aus Sicht der israelischen Touristen ist Deutschland eines der wichtigsten
Ziele in Europa, lediglich Griechenland, Italien und Frankreich sind als Rei-
seziele noch beliebter. Diese Tatsache hängt vor allem mit der Verbesse-
rung des deutschen Images in der israelischen Öffentlichkeit zusammen.
In der israelischen Gesellschaft gibt es bis heute Menschen, die sich wei-
gern, Deutschland zu besuchen oder die deutsche Produkte boykottieren.
Doch bei Umfragen, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden,
ist der Wandel deutlich sichtbar. Die meisten Israelis schätzen die Art, wie
Deutschland mit seiner Vergangenheit umgeht, und immer mehr Israelis
lernen Deutsch an den Goethe-Instituten in Israel.

Die deutschen Touristen in Israel befinden sich zahlenmäßig auf dem fünf-
ten Platz aller Länder. 2013 haben mehr als 250.000 Deutsche das Heilige

                                                                                                                                                   23
                                                                                Die Negev-Wüste ist eines der beliebtesten Ziele bei Israel-Besuchern.
Land besucht. Hier sind alle Gruppen vertreten, die Interessen reichen vom
Strandurlaub über Pilgerreisen bis hin zu schwul-lesbischen Partywochen-
enden.

SPRACHE

Derzeit etabliert sich Deutsch als eine weitere Fremdsprache in Israel. Die
historisch begründeten Vorbehalte gegenüber der deutschen Sprache sind
im Alltag nur noch selten wahrnehmbar – zu diesem Ergebnis kam das Sym-
posium „Deutsch in Israel“ der Gesellschaft für deutsche Sprache im Janu-
ar 2012 in Tel Aviv. Tatsächlich werden die Deutschkurse am Goethe-Institut
­Israel immer beliebter, so dass die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft sind. Im
 Rahmen seiner Bildungskooperation Deutsch organisiert das Goethe-Institut
 Israel zudem Fortbildungen für Deutschlehrende aller israelischen Bildungs-
 einrichtungen. Außerdem führt es Kampagnen und Wettbewerbe zur Stär-
 kung der deutschen Sprache durch.

In den Lehrplänen israelischer Schulen ist Deutsch als Schulfach bisher nicht
verankert. Im Rahmen der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH)
des Auswärtigen Amtes wird es zwischenzeitlich an fünf jüdischen und ara-
bischen Schulen in Israel unterrichtet. Seit Herbst 2014 können darüber
hinaus Absolventen der Rabin-Oberschule in Eilat erstmals das Deutsche
Sprachdiplom der Stufe I (Niveau B1) erwerben.

Ebenfalls seit Herbst 2014 ist Deutsch an vier Pilotschulen im Raum­Tel Aviv­
neben Englisch, Französisch, Russisch und Arabisch ein Wahlpflichtfach.
Das Pilotprojekt betreut die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen
(ZfA); es geht auf eine gemeinsame Initiative der am „Netzwerk Deutsch“
beteiligten Mittlerorganisationen und des israelischen Bildungsministeri-
ums zurück.

LIFESTYLE

In den letzten Jahren sind zu den eher traditionellen Themen der
­israelisch-deutschen Beziehungen zahlreiche bunte und leichte Facetten
 hinzugekommen, die für regen Austausch sorgen.

                                                                                   Models präsentieren Haute Couture der israelischen Designerin
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                                                                                Efrat Kalig bei Potsdam Now im Rahmen der Berlin Fashion Week.
Das digitale Zeitalter, die bunte Konsumwelt und die pulsierende Kreativ­    Juden zu retten. Derzeit werden in Yad Vashem unter den rund 25.271 Ge-
szene bereichern die deutsch-israelischen Beziehungen mit spannenden,        rechten 553 Deutsche (Stand: Januar 2014) geehrt.
lebendigen und immer wieder überraschenden Impulsen.
                                                                             Am 1. Februar 2012 unterzeichneten der damalige Bundesaußenminister
Bei genauerem Hinsehen wird man neue, zarte Bande der bilateralen Be-        Guido Westerwelle und der israelische Erziehungsminister Gideon Sa‘ar das
ziehungen auf Gebieten erkennen können, die insbesondere unter dem           deutsch-israelische Regierungsabkommen zur Förderung von Yad Vashem.
Einfluss der 2.0-Pioniere das Flechtwerk zwischen den Menschen unserer       Deutschland unterstützt damit langfristig die Sicherung der Dokumenta-
beiden Länder ergänzen, stärken und verwandeln. Hierzu zählen die bei-       tion jüdischen Lebens vor allem in Osteuropa und fördert die Fortbildung
derseits heiß begehrten kulinarischen Himmelssphären, die Fashionista-Pa-    von Pädagogen zum Thema Holocaust-Gedenken. Das Programm läuft von
radiese, die Subkultur-Hubs und Startup-Mekkas, nicht nur innerhalb der      2012 bis 2021 und hat ein Gesamtbudget von 10 Millionen Euro.
boomenden Hippster-Szenen Berlins und Tel Avivs.

                                                                             ISRAEL UND DEUTSCHLAND:
YAD VASHEM
                                                                             VERBUNDEN IN VERGANGENHEIT
Yad Vashem, die zentrale israelische Gedenkstätte für die während der
­Shoah ermordeten mehr als sechs Millionen Juden, befindet sich auf dem      UND ZUKUNFT
 Berg der Erinnerung in Jerusalem. Der Name „Yad Vashem“ bedeutet
 wörtlich übersetzt „ein Denkmal und ein Name“ und ist dem Buch Jesaja,
 ­Kapitel 56, Vers 5 entnommen: „Und denen will ich in meinem Hause und      Die Identitäten des jüdischen und des deutschen Volkes sind untrennbar
  in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen geben (Yad Vashem).“          verbunden. Doch die Shoah ist dafür nicht der einzige Grund. Die deutsche
  Yad Vashem wurde aufgrund eines am 18. Mai 1953 von der Knesset ver­       Kultur, Wissenschaft und Philosophie sind ohne ihre jüdischen Bestandteile
  abschiedeten ­ Gesetzes gegründet und 1957 errichtet. Seine Aufgaben       nicht vollständig. Das Ziel der Nazis war es, diese Verbindung zu zerschla-
  ­umfassen G
            ­ edenken, Dokumentation, Forschung, Veröffentlichung und Er-    gen, doch sie sind gescheitert. Nach 1945 wurde ein noch engeres Band ge-
   ziehung.                                                                  knüpft, das den Staat des jüdischen Volkes und die Bundesrepublik verbin-
                                                                             det. Die Identität beider Völker ist von der Vergangenheit gezeichnet, doch
Seit 1996 kooperieren Yad Vashem und Deutschland in den Bereichen            sie ist heute auch höchst lebendig. Die Thematisierung der jüdisch-deut-
Forschung, Bekämpfung des Antisemitismus und Fortbildung. Ein deut-
­                                                                            schen Vergangenheit ist für beide Völker wichtig. Für Deutschland ist dies
scher Freundeskreis unter dem Vorsitz der früheren Staatsministerin im       der Weg, um jene kennenzulernen, die ihren Beitrag zur deutschen Kultur,
Bundeskanzleramt, Hildegard Müller, arbeitet auf vielfältige Weise mit der   Wissenschaft und Philosophie geleistet haben und die als Juden verfolgt
Gedenkstätte zusammen.                                                       und ermordet wurden. Für Israel und das jüdische Volk ist die Thematisie-
                                                                             rung der deutsch-jüdischen Vergangenheit wichtig, um eine der fortschritt-
Am 15. März 2005 wurde unter anderem in Anwesenheit von Bundes­              lichsten Gemeinden in der jüdischen Geschichte kennenzulernen, die Teil
außenminister Joschka Fischer das neue Museum nach den Entwürfen             des Fundaments des Staates Israel ist.
­Moshe Safdies eingeweiht.
                                                                             Die Bundesrepublik hat eine Verantwortung für die Sicherheit des jüdischen
Das Gesetz aus dem Jahre 1957 schreibt unter anderem vor, dass Yad Vashem    Staates, doch diese Verantwortung beruht nicht nur auf der Vergangenheit.
die Gerechten unter den Völkern ehren wird. Gemeint sind nicht-jüdische      Die erneuerte Verbindung verpflichtet dazu, in den Mittelpunkt zu stellen,
Personen, die sich während der Shoah in Lebensgefahr begeben h  ­ aben, um   dass Israel und Deutschland zusammenarbeiten – nicht nur, weil sie die Ver-

                                                                                                                                                     25
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