9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV

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9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV
JOURNAL      9
                                 BILDENDE KUNST.
                                 GESTALTUNG.MUSIK.
APRIL 2020   WWW.UDK-BERLIN.DE   BÜHNE.WISSEN
9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV
ENTWERFEN
Entwerfen ist nicht nur ein schönes Wort, aktiv, dynamisch. Es ist der
Kern der Profession für Architekten, für Designerinnen wie auch für
Komponisten oder Theatermacherinnen. Was ist ein guter Entwurf?
Wie funktioniert der Prozess des Entwerfens? Wir sprachen darü-
ber mit zwei Architekten – mit Enrique Sobejano über das symboli-
sche Gedächtnis und das Nicht-Messbare und mit Florian Riegler über
Raumfragmente und vieldeutige Schatzkammern. Der Dirigent Harry
Curtis reflektiert über Partitur, Konsens und Klang. A
                                                     ­ lexandra Ranner,
Bildende Künstlerin, schreibt über die Gestalt als Träger des Gedan-
kens und Norbert Palz über Transition und Transfer.

Wir zeigen Projekte und Arbeiten von Studierenden, Meisterschüle-
rinnen und Meisterschülern und einige wenige Arbeiten aus den vie-
len geplanten Ausstellungen, die nicht zu sehen sein werden, wie
SEENBY #14 oder „100 Jahre Groß-Berlin“, und auch einen Plakat­
entwurf für den Rundgang, der diesen Sommer nicht stattfinden wird.

Das Cover für diese Ausgabe stammt von Ivan Markovic, Meisterschü-
ler in der Klasse Narrativer Film von Thomas Arslan. Es ist ein sehr
symbolisches Bild geworden, nicht nur für das Thema, auch für diesen
seltsamen Moment, den wir gerade erleben. Markovic schreibt: „Im-
mer gleiche Hochhäuser, endlos. Die leeren Flächen dazwischen sind
eingezäunt – Zäune mit Plakaten und Bildern von noch mehr immer
gleichen Hochhäusern und lachenden Familien. Hinter den Zäunen
liegen die Trümmer der alten Viertel, Ziegel alter Gebäude, verwit-
terte persönliche Dinge. Diese Trümmer sind unter den Wellen grüner
Plastikplanen vor den Blicken verborgen.“

Unser großer Dank gilt allen Künstlerinnen, Künstlern, Autorinnen
und Autoren.

Alle Veranstaltungen der UdK Berlin sind kurz vor dem Druck dieser
Ausgabe abgesagt worden. Wir haben anstelle der Listings in größ-
ter Eile die Formate, Reihen, Festivals, Wettbewerbe, Konzerte, Aus-
stellungen und Aufführungen zusammengestellt, die sonst regulär an
den Standorten der Hochschule zu sehen sind.
                                                                          2 … Standortkarte auf der letzten Seite

Wir alle werden in den nächsten Wochen – in dieser bizarren Zeit des
globalen Stillstands – viel Zeit zum Lesen und zum Nachdenken ha-
ben. Wir hoffen, das journal liegt auch neben Ihrer Couch.

Die Redaktion
9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV
LIEBE LESERINNEN,
                                                                                                                            Ausstellungen, Installationen,
LIEBE LESER,                                                                                                                              Interventionen

kurz vor Drucklegung dieser Journal-Ausgabe haben die Hochschu-
len des Landes Berlin in enger Abstimmung mit der Senatskanzlei alle
öffentlichen Veranstaltungen, Konferenzen und Tagungen bis auf
Weiteres abgesagt. Die Universität der Künste Berlin ist noch einen
Schritt weitergegangen und hat ihre Gebäude Mitte März für den                                                                           Shows, Lectures
­Publikumsverkehr und auch für die Studierenden geschlossen. Wir tun                                                                     aus Architektur,
 dies aus einem Verantwortungsbewusstsein unseren Lehrenden, Stu-                                                             Produkt- und Mode-Design,
 dierenden und Beschäftigten und der Gesellschaft gegenüber.                                                                            Medien, Visuelle
                                                                                                                                         Kommunikation
Uns ist jedoch bewusst, wie schmerzhaft diese Einschränkung für un-
sere Studierenden und auch für das Publikum ist. Doch ist sie notwen-
dig, denn die Schließung aller Gebäude für Studium, künstlerisches
Arbeiten, Prüfungsvorbereitungen und Werkstatttätigkeiten leitet
sich aus den Besonderheiten der künstlerischen Ausbildung ab, die
– anders als in wissenschaftlichen Lehrformaten – materialgebunden,
körperbezogen und in enger gemeinsamer Arbeit stattfindet, in der                                                                Konzerte, Wettbewerbe,
Gruppe und kollektiv in den Ateliers, Werkstätten und Proberäumen.                                                                Meisterkurse, Festivals,
All dies Eigenschaften, die einer Verbreitung des Virus förderlich sind.                                                                 Vortragsabende
Zeitgleich untersuchen wir mit einer Gruppe interessierter Hoch-
schulmitglieder, wie künstlerische und gestalterische Lehre online
vermittelt werden kann. Nicht als Imitation analoger Unterrichts­
praxis, sondern als hochschulweiter Versuch, sich an neuen künstle-
rischen und gestalterischen Formen experimenteller Mediennutzung
zu versuchen.
                                                                                                                               Premieren, Szenenabende:
Für uns alle ist das eine besonders herausfordernde Zeit. Es geht um                                                                   Schauspiel, Oper,
Solidarität, Gemeinschaft und darum, alles zu tun, um diese nie dage-                                                                       Musical, Tanz
wesene Situation gesamtgesellschaftlich zu meistern. Die Künste und
die Gestaltung helfen uns dabei, neue Lösungen zu finden und erfin-
dungsreich zu sein.

In diesem Sinne: Helfen Sie einander und – bleiben Sie gesund!
                                                                           3 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

Prof. Dr. Norbert Palz
Präsident der Universität der Künste Berlin                                                                                      Fakultätsübergreifende
                                                                                                                                   Symposien, Vorträge,
                                                                                                                               Workshops, Weiterbildung

                                                                                                                                            Kalendarium
                                                                                                                                         Seien Sie dabei!
                                                                                                                                Adressen + Standortkarte
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nd …
                       2019 u
       er O   ktober
Kalend

                                                                                                                    durch die Eigenheiten der UdK-Grundordnung, bei der im Moment
NORBERT PALZ                                                                                                        des Abschieds eines Präsidenten auch seine Vizepräsidentin bzw. Vi-
                                                                                                                    zepräsident aus dem Amt scheiden. Es wird inhaltlich und terminlich
TRANSFER                                                                                                            schlagartig sehr dicht. Die hier abstrahiert dargestellten Kalenderein-
                                                                                                                    träge von Oktober 2019 und Februar 2020 beleuchten diese zeitlich
                                                                                                                    klaustrophobische Situation in graphischer Form.
Die folgenden Zeilen sollen einen Einblick in Inhalte und Stimmungen
in einem institutionellen, aber auch persönlichen Transfermoment                                                    Auch ist es vielleicht nicht jedem präsent, dass der Präsident (oder
geben. Mein momentaner Status lässt sich so definieren: Ich bin seit                                                diejenige Person, welche gerade diese Funktion erfüllt) für seine Ver-
dem 3. März 2020 der vom Senat bestellte Präsident der Universität                                                  säumnisse als Arbeitgeber umfänglich haftbar ist. Dieses Haftungs-
der Künste und werde ab dem 1. April in dieser Rolle dann die Amts-                                                 verständnis als neuer Amtsinhaber wahrhaftig zu empfinden, ist mir
geschäfte übernehmen. In der Zeit davor vertrete ich mich als Erster                                                bislang noch nicht gelungen, es bleibt auf gefährliche Weise ein Ab-
Vizepräsident selbst. Die Kanzlerin und ich bilden somit die aktuelle                                               straktum. In der beruflichen Transferzeit ist man also mit einer Viel-
Hochschulleitung.                                                                                                   zahl von Themen, Fragestellungen und nicht zuletzt Gefühlen kon-
                                                                                                                    frontiert, die einen lebendig halten – bis in die Nacht hinein.
                                                                          4 … Standortkarte auf der letzten Seite

Allem voran eines: Ich freue mich, die Universität in den nächsten fünf
Jahren gemeinsam mit allen Hochschulmitgliedern zu gestalten und                                                    Dabei ist man jedoch zum Glück nicht allein, denn der Stab, d. h. Pres-
Diskurse anzustoßen. Doch das Thema dieses Textes ist der „Entwurf“,                                                sereferat, Marketing, International Office, die Referentinnen, das Se-
der Übergang, diese eigentümliche Phase der „Transition“, die in der                                                kretariat und auch die Kanzlerin unterstützen. Man spricht mitein-
Form nie wieder stattfinden wird und die somit trotz der vielen, ich                                                ander, plant, erläutert, wägt ab und entscheidet. Vorteilig ist, dass
nenne sie mal freundlich „Herausforderungen“, eine eigene Schön-                                                    das bestehende Team gut abgestimmt ist und von meinem Vorgän-
heit hat.                                                                                                           ger Martin Rennert darin bestärkt wurde, eigene Ideen zu entwickeln,
                                                                                                                    diese intellektuell auszubauen und ihre Realisierung zu ermöglichen.
Mit dem Zeitpunkt der Amtsübernahme kommt es – ob neuer The-
mengebiete mit hohem Entscheidungsdruck – zu einem sprunghaf-                                                       Bevor man jedoch beginnen kann, mit dem frisch gekürten Präsidium
ten Aufwuchs an persönlicher Arbeitsbelastung. Dies wird verschärft                                                 eigene Spuren zu legen, sind noch einige Dinge zu tun:
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ert Palz
                                         s: Norb
                       r 202   0, Foto
         nder   Februa
… Kale

So ist es wohl natürlich, dass eine neue Hochschulleitung ganz zu Be-                                                    Herbst sein. Es wäre schön, wenn man schneller handlungsfähig wäre,
ginn ihrer Amtszeit mit einer Menge von älteren Konflikten konfron-                                                      doch dies sind die gesetzlichen Verfahrensschritte, die es einzuhalten
tiert wird, die sich nun erheben und neu diskutiert werden wollen.                                                       gilt. Ich plane, das neue Präsidium und sein Programm in einer öffent-
Es waren in den wenigen Wochen seit der Amtsübernahme schon ein                                                          lichen Veranstaltung im Herbst ausführlich vorzustellen.
paar echte Herausforderungen dabei, die nicht en detail erläutert
werden müssen, doch bin ich positiv darüber gestimmt, dass diese –                                                       Abschließend sei noch Folgendes gesagt: Nach einem Jahr, in dem
wenn sie nicht schon gelöst sind – sich nun doch allesamt auf einem                                                      über alle Statusgruppen hinweg die Präsidentschaftswahl ein wichti-
guten Weg zu befinden scheinen. Dies liegt aber auch daran, dass die                                                     ges Thema war, gibt es nun ein großes Bedürfnis nach sichtbaren Ver-
Parteien oftmals bereit waren, gemeinsam an der Beilegung zu arbei-                                                      änderungen durch die neue Leitung. Dies ist mir bewusst. Doch ist zu
ten. Die Hochschulleitung hat dafür einen Rahmen geboten, ihr un-                                                        bedenken, dass der Zeitstrahl einer Amtszeit sich über fünf Jahre er-
bedingtes Interesse an der Lösung formuliert und bei Bedarf moderie-                                                     streckt. Als Hochschulleitung möchte ich also nicht dem Bedürfnis er-
rend eingegriffen.                                                                                                       liegen, dem Plakativen den Vorzug vor dem Nachhaltigen zu geben,
                                                                        5 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

                                                                                                                         sondern gemeinsam kluge Gedanken entwickeln, die unsere Schule
Ein weiterer wichtiger Bestandteil zukünftiger Präsidiumsarbeit liegt                                                    dauerhaft zu einem der weltweit interessantesten und qualitätvolls-
in der Ermöglichung eines interessanten und schöpferischen Aus-                                                          ten Orte moderner künstlerischer, gestalterischer und wissenschaftli-
tauschs zwischen den Vizepräsidentinnen und dem Präsidenten. Hier                                                        cher Ausbildung machen können.
soll in Zukunft ein vernetztes intellektuelles Territorium entstehen,
in dem thematische Fokussierungen etabliert werden, aber auch eine                                                       Ich lade Sie ein mit mir und meinem Team an diesem Projekt über die
verbindende Diskurskultur entstehen kann, die lebendig, offen und                                                        nächsten Jahre gemeinsam zu arbeiten.
experimentell sein darf. In den nächsten Wochen gilt es nun, perso-                                                      Ich freue mich darauf.
nelle Vorschläge für die Besetzung dieser beiden Positionen zu ma-
chen, die dann dem akademischen Senat vorgelegt werden sollen.                                                           Prof. Dr. Norbert Palz ist Präsident der UdK Berlin.
Danach geht es mit den Wahlvorschlägen zum Erweiterten Akademi-                                                          Dieser Text ist unmittelbar vor den hochschulrelevanten
schen Senat, der sich für zwei Personen entscheiden wird, die schlus-                                                    Prozessen der Coronakrise entstanden.
sendlich durch den Berliner Senat bestellt werden. Bis das Präsidium
also komplett aufgestellt ist, wird es Spätsommer oder sogar schon
9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV
Lisa Marie Steude, Membran
                                  ran“,   2020                                             „Ausgangspunkt der Arbeit war, Assoziationen zur Haut an-
                             Memb
                    ude, „                                                                 zuregen, nicht zuletzt durch den Titel ,Membran‘. Es entstand
         arie Ste
Lisa M                                                                                     ein Objekt, das auf mehreren Ebenen sensuell wahrgenommen
                                                                                           werden kann – visuell, akustisch, haptisch und schlussendlich so-
                                                                                           matisch erfahrbar. Es bildet sich ein körperliches Gegenüber zu
                                                                                           den Rezipienten. Diese Körperlichkeit wird lebendig und ver-
                                                                                           stärkt sich, indem die Stoffmembran in Schwingung versetzt
                                                                                           wird und damit hörbare Klänge entstehen.

                                                                                           Im Aufbau der Arbeit wird eine zweite Bedeutungsebene des
                                                                                           Titels gezeigt: die schwingungsfähige Membran eines Laut-
                                                                                           sprechers. Formal ist das ein Kreis von zweieinhalb Metern im
                                                                                           Durchmesser, der mittig im Raum von Drahtseilen gespannt
                                                                                           wird. Spannung war während der Konstruktion das zentrale
                                                                                           und immer wiederkehrende Thema: das Biegen des Metalls, die
                                                                                           Bespannung des Metallrings, das Zusammenziehen des Nessel-
                                                                                           stoffs durch den Hautleim, die Verankerung zwischen den Wän-
                                                                                           den beim Aufbau – bis hin zum Spannungsaufbau des Soundlo-
                                                                                           ops. Diese Spannung findet sich in Form, Material und im Aufbau
                                                                                           wieder. Ein mittig an die Membran gestellter Körperschallwand-
                                                                                           ler setzt sie in Schwingungen und bringt sie zum Klingen. Zu
                                                                                           ­Hören sind körpereigene Sounds wie der Herzschlag, Verdau-
                                                                                            ungsgeräusche, das Knacken eines Gelenks, das Atmen. Auch
                                                                                            das Schlagen auf die Membran wurde aufgenommen und in
                                                                                            den Loop eingearbeitet, um eine Dopplung zu schaffen.

                                                                                           Der Körperschallwandler gibt nur niedrige Bassfrequenzen von
                                                                                           18 bis 90 Hertz wieder, die für das menschliche Ohr teilweise
                                                                                           nicht hörbar sind. Diese werden in Bewegungsenergie über-
                                                                                           setzt, die auf die Membran trifft und in spürbare Schwingung
                                                                                           versetzt wird, wobei am Ende ein Klang erzeugt wird. Die ur-
                                                                                           sprünglichen Geräusche werden verzerrt spür- und hörbar. Op-
                                                                                           tisch verweist die Struktur der Membran auf den Mittelpunkt
                                                                                           des Kreises, von wo aus sich der Schall gleichmäßig in alle Rich-
                                                                                           tungen ausbreitet.“

                                                                                           Mischtechnik, Stahl, Nessel, Hautleim,
                                                                                           Verstärker, Körperschallwandler, Sound
                                                                                           Maße variabel, 2,50 x 2,50 x 1,75 m (Objekt)
                                                                                           Sound/Komposition: Daniel Schau, Arne Selig,
                                                 6 … Standortkarte auf der letzten Seite

                                                                                           Lisa Steude (+ Samples)

                                                                                           Lisa Marie Steude ist Sonderpädagogin und Meisterschülerin
                                                                                           von Professor Karsten Konrad. Das Projekt wurde von ihm und
                                                                                           Michael Roggon betreut.
9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV
ren
                                            e Husa
                          ver. S   chwarz
              hütz, „Manö
      ar Ansc         3
Ottom       p f“, 188
      eikam
im Zw

Vorbilder / Nachbilder
                                                                           7 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

In den Kunstakademien und Kunstgewerbeschulen des 19. und frü-                                                              Historiendarstellungen. Die Vorlagenstudien – in Frankreich als „Étu-
hen 20. Jh. dienten Fotografien als „Vorlagen” oder „Vorbilder” und                                                         des d‘après nature” verbreitet – stammen von bekannten Fotografen
fungierten als ein eigener didaktischer Bildtypus. Sie waren wichtige                                                       wie Fratelli Alinari, Ottomar Anschütz, Karl Blossfeldt, Albert R
                                                                                                                                                                                            ­ enger
Hilfsmittel in der künstlerischen Praxis. Im Archiv der UdK Berlin hat                                                      Patzsch, Gustave le Gray, James Robertson, Henry Peach Robinson,
sich eine umfangreiche und wertvolle fotografische Lehrsammlung                                                             F. Albert Schwartz, Giorgio Sommer, Carleton Watkins.
erhalten, die bis in die 1850er Jahre zurückreicht und an den Vor-                                                          Die Ausstellung mit ca. 280 Exponaten sollte in diesem Frühjahr im
gängereinrichtungen, der Berliner Kunstakademie und der führen-                                                             Münchner Stadtmuseum gezeigt werden.
den Kunstgewerbeschule, entstanden ist. Mit ihren ungefähr 25.000
­fotografischen Einzelblättern, Konvoluten und Alben ist sie einzigartig                                                    Vorbilder / Nachbilder. Die fotografischen Lehrsammlungen der UdK
 innerhalb Deutschlands. Lange wenig beachtet, konnte sie in den zu-                                                        Berlin 1850-1930, geplant vom 28. August bis 10. Januar 2021, Museum
 rückliegenden Jahren archivarisch und wissenschaftlich aufgearbeitet                                                       für Fotografie, Jebensstraße 2, 10623 Berlin; www.smb.museum
 werden. Zu den gebräuchlichsten Bildmotiven der Sammlung gehören                                                           Dazu ist ein gleichnamiger Katalog erschienen, hg. von Ulrich
 Kunstreproduktionen, Landschaften, Naturstudien, Architektur, Still-                                                       Pohlmann, Dietmar Schenk und Anastasia Dittmann, München 2020.
 leben, Porträts, Genreszenen, Akte und Tierstudien sowie Orient- und                                                       416 S. mit 450 Abb., gebunden.
9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV
Georg Schatz, Alma mater – Die Kunst des Machers
                                                 2020
                                 r Tre   ppe“,                                                    Basierend auf der Idee von Rupprecht Geiger (1908-
                          a mate
                 , „Alm                                                                           2009), Architekt, abstrakter Maler und Bildhauer,
        Schatz
Georg                                                                                             dass Farben und Formen etwas Irrationales anhaftet
                                                                                                  und nicht durch den Verstand erfassbar sind, entwi-
                                                                                                  ckelte Georg Schatz ein Raumkonzept von sich er-
                                                                                                  gänzenden Kunstwerken. Durch äußere und innere
                                                                                                  Einwirkungen und unter sich verändernden Bedin-
                                                                                                  gungen können sie sich wandeln und ihren Charak-
                                                                                                  ter verändern. Die Farbkonzepte der Kunstwerke
                                                                                                  strahlen geradezu Licht in den Raum aus und geben
                                                                                                  Licht wieder. Es ist ein Widerschein des Lichtes, dass
                                                                                                  aus dem Dunklen kommt und durch das Medium der
                                                                                                  Farbe und Formen in gesteigerter Funktion auftritt.
                                                                                                  Gezeichnet und fotografiert; analoger Großformat­
                                                                                                  abzug, 160 x 210 cm, vom 20.02.2020. Die Farb­
                                                                                                  gebung der Treppe zum Fotolabor ist inspiriert von
                                                                                                  den Outfits von Kommilitonin Paula Kletschke.

                                                                                                  Georg Schatz ist Student in der Klasse von Heike
                                                                                                  Gallmeier, Professorin für Malerei, diese Arbeit wurde
                                                                                                  betreut von Pauline Kraneis und Frank Bartsch.
                                                                                                  Die Ausstellung war geplant ab 1. April im Bikini
                                                                                                  Berlin, Budapester Straße 46, 10787 Berlin

                                                        8 … Standortkarte auf der letzten Seite
9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV
An dieser Stelle kündigen wir Ausstellungen von Studierenden
und Lehrenden der Bildenden Kunst an, die an der Hochschule,                                                          KOLLISIONEN
in Berlin und auch europaweit zu sehen sind, sowie Lectures                                                           Die Kollisionen finden während einer interdisziplinären
oder Ringvorlesungen der Fakultät. Hier ist nun eine Auwahl                                                           Projektwoche an verschiedenen Standorten
wiederkehrender Veranstaltungen.                                                                                      der UdK Berlin statt. Zu Beginn des Jahres treffen
www.udk-berlin.de/universitaet/fakultaet-bildende-kunst                                                               Studierende aller Fakultäten aufeinander und
                                                                                                                      bearbeiten gemeinsam ein Thema. Die Ergebnisse
                                                                                                                      werden am letzten Tag öffentlich präsentiert.
                                                                                                                      www.campus-kollision.de
AUSSTELLUNGEN
KLASSEN- UND ABSCHLUSSAUSSTELLUNGEN
der Fachklassen
                                                                                                                      ZUM RUNDGANG
AUSWAHL- UND PREISTRÄGERAUSSTELLUNGEN                                                                                 Offene Ateliers und Werkstätten;
zum Preis des Präsidenten der UdK Berlin für Meister­schülerinnen                                                     Abschlussausstellung der Fakultät Bildende Kunst
und Meisterschüler der Bildenden Kunst in Kooperation mit der
Galerie Nord                                                                                                          „KunstKaufen!“ Der Freundeskreis der UdK Berlin –
                                                                                                                      Karl Hofer Gesellschaft präsentiert Arbeiten von
IBB-PREIS FÜR PHOTOGRAPHIE + AUSSTELLUNG                                                                              Lehrenden und Studierenden.
Der Preis wird jährlich von der Investitionsbank Berlin (IBB) in
Kooperation mit dem Freundeskreis der UdK Berlin – Karl Hofer
Gesellschaft e. V. an eine UdK-Studentin oder einen Studenten
bzw. an Absolventen der letzten fünf Jahre vergeben.
karl-hofer-gesellschaft.de

KARL HOFER STIPENDIEN + AUSSTELLUNG
Der Freundeskreis der UdK Berlin – Karl Hofer Gesellschaft e. V.
vergibt jährlich fünf Stipendien an Absolventinnen und Absolventen
der Fakultät Bildende Kunst.
karl-hofer-gesellschaft.de

SEEN BY Ausstellungsreihe im Museum für Fotografie in Berlin
www.smb.museum

SCHULZ-STÜBNER-PREIS + AUSSTELLUNG
Die Schulz-Stübner-Stiftung vergibt jährlich den Preis an Malerei-
Studierende der Fakultät Bildende Kunst.
schulzstuebnerstiftung.de
                                                                     9 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

INSTITUT FÜR KUNST IM KONTEXT
Das Programm: www.kunstimkontext.udk-berlin.de

REIHEN
INSTITUT FÜR KUNSTWISSENSCHAFT UND ÄSTHETIK
Vortragsreihen und Symposien zu kunsthistorischen,
philosophischen und kuratorischen Themen.
Das Programm: www.udk-berlin.de
9 JOURNAL BILDENDE KUNST. GESTALTUNG.MUSIK. BÜHNE.WISSEN - OPUS 4 - KOBV
ll
                                            Film Sti
                          Flur“   , 2016,
                  nner, „
         dra Ra
Alexan

                                                            10 … Standortkarte auf der letzten Seite
ALEXANDRA RANNER
                                                  BILDSPRACHE
                                                  Die Gestalt als Träger des Gedankens: Sowohl in unserer kreativen
                                                  Praxis wie auch im begleitenden Diskurs nimmt die Entwicklung
                                                  einer bildhaften Vorstellung und Wahrnehmung einen bedeutenden
                                                  Rang ein. Im Bild verdichten sich die visuelle und die gedankliche
                                                  Aneignung von Wirklichkeit.

                                                  Die Intensität des Ausdrucks von Gedanken und Empfindungen wie
                                                  auch die Stärke der Wiedergabe von Gesehenem vermittelt sich über
                                                  die Kraft des Bildes. Durch Auswahl und Gewichtung, Reduktion und
                                                  Überzeichnung gewinnt das Bild ein Eigengewicht und ebnet einen
                                                  neuen Zugang zur Wirklichkeit. Über die Ambivalenz in der Form und
                                                  die Vielschichtigkeit in der Materialsprache eröffnen sich verschiedene
                                                  Blickwinkel für die Reflexion.

                                                  Alexandra Ranner ist Künstlerin und Professorin für Plastische und
                                                  räumliche Darstellung für Architekten. Dieser Text ist ein Auszug aus
                                                  den Themen und Schwerpunkten des Lehrstuhls.
                                                  prada-archiv.udk-berlin.de

                                                  Flur
                                                  Zu sehen ist ein langer Flur in hellem Licht. Links reihen sich Fenster-
                                                  öffnungen, rechts Türen. Entlang der Fenster und Türen und in der
                                                  Mitte lagern Menschen unterschiedlichen Geschlechts, Alters und so-
                                                  zialer Herkunft. In ihren Gesichtern zeigt sich unfassbare Traurigkeit,
                                                  stille Verzweiflung, innere Unruhe und Apathie. Sie tragen unauffäl-
                                                  lige, zeitlose Alltagsbekleidung. Die Farbigkeit der Kleider ist einheit-
                                                  lich gefasst und variiert in verschiedenen Grau- oder Beigetönen. Es
                                                  wirkt, als hätte man ihnen die Farbe weitgehend entzogen. Ihr Ver-
                                                  halten wird von einem rhythmisch an- und abschwellenden Klagen
11 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

                                                  und Weinen begleitet.

                                                  Der Flur und das Geschehen darin sind in jeder Hinsicht ambivalent
                                                  konstruiert. Weder lässt das Filmgeschehen erkennen, was den Men-
                                                  schen zugestoßen ist und warum sie sich in dieser Situation befinden,
                                                  noch lässt sich der Raum, in dem sie sich aufhalten, in irgendeiner
                                                  Weise verorten oder benennen. Über formales Gegensteuern mit Ele-
                                                  menten, die eindeutige Assoziationen ins Leere laufen lassen, soll jeg-
                                                  liche Narration sowohl aus dem Raum als auch aus der Situation der
                                                  Menschen in ihm entfernt werden.
                                                  „Flur“, 4K-Film, 24 min, Loop

                                                  Die Arbeit von Alexandra Ranner ist bis Oktober in der Pinakothek
                                                  der Moderne in München zu sehen.
Still
         r“, Film
„Centa

Centar
Das Sava Centar ist ein 1978 errichtetes Kongresszentrum in Belgrad.                                                 Ausstellung „Strange Things“ der Klassen Experimenteller Film und
Gebaut als sozialistische Vision eines Begegnungsortes für Tausende                                                  Medienkunst, Narrativer Film, Generative Kunst / Computational
von Menschen, ist es seit den politischen Umbrüchen und dem Zerfall                                                  Art, Bewegtbild und New Media im silent green Kulturquartier in
Jugoslawiens nach und nach verwaist.                                                                                ­Berlin-Wedding gezeigt.
„‚Centar’ ist ein experimenteller Dokumentarfilm über physische und
soziale Räume und über die Art und Weise, wie sie – ähnlich wie Archi-                                              „Centar“, experimenteller Dokumentarfilm
tektur und Arbeit – miteinander verschmelzen. Der Film analysiert vi-                                               48 min, Farbe, 5.1 Ton
suell die Beziehung zwischen den monumentalen Formen des Gebäu-                                                     Serbien/Deutschland
                                                                         12 … Standortkarte auf der letzten Seite

des und den Oberflächen, die Spuren von Witterung, Verlassenheit                                                    Uraufführung: Doclisboa 2018
und Zerfall aufweisen. Der Aufwand der Putzkräfte und Wartungs-                                                     Regie und Kamera: Ivan Markovic
arbeiter, die ihre täglichen Reinigungs- und Reparaturarbeiten sorg-
fältig durchführen, scheint vergeblich. Und trotzdem überlebt durch
ihre Arbeit dieses Gebäude als vergangene Idee der Zukunft. Der Film
zeigt nur den Innenraum des Sava Center, und so entsteht ein Gefühl
von einem von Zeit und Raum abgeschnittenen Bereich, für den die
Außenwelt eine Bedrohung darstellt.“

Ivan Markovic ist Meisterschüler der Klasse Narrativer Film von Pro-
fessor Thomas Arslan. Sein Film wurde zuletzt im Januar 2020 in der
Die Studiengänge und Institute der Fakultät Gestaltung
präsentieren an dieser Stelle ihre Ausstellungen, Screenings                                                          GERMAN DESIGN
und Vorträge. Hier ist eine Auswahl der wiederkehrenden
Veranstaltungen.                                                                                                      GRADUATES
www.udk-berlin.de/universitaet/fakultaet-gestaltung                                                                   Plattform, die die vielfältigen Formen von Gestaltung an deutschen
                                                                                                                      Hochschulen zeigt. Jährlich eine Ausstellung, Preise und Förderungen
                                                                                                                      an herausragende Designabsolventinnen und -absolventen.
                                                                                                                      germandesigngraduates.com
MEDIENHAUS LECTURES
Die Vortragsreihe wird organisiert vom Studiengang Visuelle
Kommunikation und vermittelt gestalterische Grundlagen.
Das Programm: www.medienhaus-lectures.udk-berlin.de                                                                   SCHAU
                                                                                                                      Modenschau: Studierende und Absolventen des Instituts
                                                                                                                      für experimentelles Bekleidungs- und Textildesign
                                                                                                                      zeigen Projektergebnisse und ihre Abschlussarbeiten.
UDK TUESDAY
Vortragsreihe des Instituts für Architektur und Städtebau
Jeden Dienstag, jeweils 19 h. Das Programm:
www.udk-berlin.de/studium/architektur/udk-tuesday                                                                     KOLLISIONEN
                                                                                                                      Die Kollisionen finden während einer interdisziplinären
                                                                                                                      Projektwoche an verschiedenen Standorten der UdK Berlin statt.
DESIGN RESEARCH                                                                                                       Zu Beginn des Jahres treffen Studierende aller Fakultäten
                                                                                                                      aufeinander und bearbeiten gemeinsam ein Thema.
COLLOQUIUM                                                                                                            Die Ergebnisse werden am letzten Tag öffentlich präsentiert.
Doktorandinnen und Doktoranden laden Persönlichkeiten der                                                             www.campus-kollision.de
inter­nationalen Designforschungslandschaft ein, um über ein
Projekt, einen wissenschaftlichen Aufsatz, ein Buchkapitel oder
einen Begriff zu diskutieren. Jeden Donnerstag, jeweils 9.30 h
Das Programm: www.drlab.org                                                                                           ZUM RUNDGANG
                                                                                                                      Offene Ateliers und Werkstätten;
                                                                                                                      Abschlussausstellung der Fakultät Gestaltung

DESIGN TRANSFER
Ausstellungen, Kooperationen, Veranstaltungen und Lectures mit
internationalen Designerinnen und Designern.
Das Programm: www.designtransfer.udk-berlin.de
                                                                    13 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

PROJEKT-
PRÄSENTATIONEN
Einmal im Jahr zeigen die Studierenden der Gesellschafts- und
Wirtschaftskommunikation ihre Abschlusspräsentationen von
Projekten zu selbst gewählten Problem­stellungen für Auftraggeber
aus Wirtschaft und Gesellschaft, für eigens gegründete Start-ups
oder künstlerische Projekte.
gwk.udk-berlin.de
Bedingungen. Diese sind natürlich sehr komplex, ich versuche sie, sa-
ENRIQUE SOBEJANO                                                                                                     gen wir mal, auf drei zu reduzieren:
                                                                                                                     Wir beginnen mit einer Übung, die heißt: Falten, Zusammensetzen,
DAS FENSTER UND                                                                                                      Herausschneiden (folding, assembling, carving). Das sind drei unter-
                                                                                                                     schiedliche Wege, Räume zu schaffen. Falten schafft sofort einen
DER SPIEGEL                                                                                                          Raum. Das Zusammensetzen von geraden Elementen tut es auch, aber
                                                                                                                     auf eine komplett andere Weise. So auch das Herausschneiden eines
                                                                                                                     Raumes aus einem Steinblock. Es ist nicht das, was ein Bildhauer tut.
Der spanische Architekt und sein Studio NietoSobejano ist beispielge-                                                Der Raum wird aus einem massiven Element, Stein oder Beton oder
bend für eine Architektur, die historische und topographische Kon-                                                   Ziegelstein, herausgenommen. Dreidimensional. Ganz anders ist das
texte mit einer eleganten und ästhetisch kraftvollen zeitgenössischen                                                Falten, es ist zweidimensional. Das Material hier ist dünn, Stahl etwa,
Formensprache imaginativ wie mühelos zu kombinieren weiß.                                                            mit dem man Strukturen und damit den Raum erschafft. Und Zusam-
                                                                                                                     mensetzen schließlich ist eindimensional, da ist eine Säule und ein Bal-
Was ist ein Architektur-Entwurf? Entwerfen ist ein schönes deutsches                                                 ken, man verbindet sie miteinander, und so hat man auch einen Raum.
Wort. Es ist sehr dynamisch.                                                                                         Wir versuchen also, dass die Studenten über diese drei Themen und
Entwurf ist ein perfektes Wort. Das hat zu tun mit werfen. Das eng-                                                  natürlich über viele Übungen die Verbindung von Material, Raum und
lische design ist tatsächlich eher statisch. Oder auch Projektion – da                                               Händen verstehen. Also mit den Händen zu denken lernen. Und ich
geht man nur bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn wir hier Ent-                                                       möchte sehr, dass sie, wenn sie an irgendeiner Stelle nicht weiterkom-
werfen unterrichten, versuchen wir, den Prozess zu öffnen. Zu zeigen,                                                men, eben zwischen ihren Modellen, zwischen Zeichnen und Nach-
dass man, wenn man die erste Linie zieht, man nicht unbedingt weiß,                                                  denken zu diesen simplen Materialübungen zurückgehen.
was am Ende herauskommen wird. Das wäre eine sehr große Ein-
schränkung. In Ihrem „journal“ haben Sie ein sehr schönes Thema ge-                                                  Immer wieder experimentell also, der Prozess ist nicht linear.
habt, Rahmen. Es gibt eine Metapher von Georg Steiner, dem österrei-                                                 Ja, man braucht das Feedback des Materials, es ist wie ein Antrieb,
chischen Philosophen und Kulturkritiker, die ich oft verwende, wenn                                                  ein Motor, den uns die Möglichkeiten eines Materials geben. Es geht
ich mit meinen Studierenden über Entwerfen spreche: das Fenster und                                                  um das Machen.
der Spiegel. Beide sind Rahmen. Übersetzt in Architektur heißt das,
wenn man ein Projekt beginnt, bestimmt man seinen Rahmen als ein                                                     Was ist ein guter Entwurf? Gibt es das überhaupt, oder liegt der gute
Fenster. Das bedeutet, man kann nicht alles fokussieren, was möglich                                                 Entwurf im Auge des Adressaten?
ist. Man muss sich auf einen Teil konzentrieren, eine Landschaft oder                                                Für mich ist ein guter Entwurf ein Kunstwerk. Es stellt Fragen auf vie-
eine Stadt zum Beispiel, auf einen bestimmten Ausschnitt der objek-                                                  len verschiedenen Ebenen. Natürlich muss Architektur, im Unterschied
tiven Welt. Dazu kommt die subjektive Welt – das ist der Spiegel. Das                                                zu den anderen Künsten funktional sein. Aber das ist nur eine Ebene.
ist der andere Rahmen. Da schaut man hinein, um Fragen zu finden,                                                    Gehen wir wieder zurück zur Metapher des Spiegels und des Fensters.
die wiederum das Projekt füttern.                                                                                    Das Fenster ist objektiv, die Realität, Wetter, Klima, Kosten. Der Spie-
                                                                                                                     gel, also der Rahmen des eigenen Selbst, stellt symbolische Fragen.
Das ist ein sehr schönes Bild.                                                                                       Zum Beispiel Gedächtnis. Das Gedächtnis eines Ortes. Wie vermittelt
Ein Ingenieur, der entwirft, muss sich buchstäblich auf genau das kon-                                               man das? Wichtig ist, dass die Studierenden verstehen, dass das eine
zentrieren, was er erreichen will. Der Architekt tut es zwar auch, aber                                              sehr wesentliche Frage ist. Und das geschieht im Prozess. Erfahrung
er lernt im Prozess.                                                                                                 kann man nicht unterrichten, weil sie immer anders ist.
                                                                                                                     Wenn ich mich frage, was gut ist – falls wir dieses Wort verwenden
Was sind die wichtigsten Dinge, die Sie Ihren Studierenden über das                                                  wollen –, ich glaube, ich möchte zeigen, dass was gut ist im Leben,
Entwerfen weitergeben? Wie beginnen Sie?                                                                             immer sehr einfach zu sein scheint. Ein Projekt, das nicht das vermit-
                                                                          14 … Standortkarte auf der letzten Seite

Nun, mein Lehrstuhl heißt Grundlagen des Entwerfens, das heißt, er ist                                               telt, sondern das Leiden und die Schwierigkeiten, ist meiner Meinung
für die Studenten im ersten Studienjahr. Und das ist auch für mich das                                               nach nicht gut.
Interessanteste, wie beginne ich? Man kann sehr methodisch beginnen,
aufbauend. Das ist ein traditionelles und theoretisches Herangehen ans                                               Als Architekt hat man eine enorme Verantwortung dafür, wie Men-
Lehren, linear. Hier versuchen wir, ihnen etwas anderes zu zeigen.                                                   schen leben, wie sie denken, wie sie z. B. Kunst sehen. Und das für
Ich ziele auf zwei Dinge: Denken und Handeln, learning by doing. Ich                                                 eine sehr lange Zeit. Wie kann man so etwas vermitteln?
glaube nicht an Architekturprojekte, in denen man zuerst viel analy-                                                 Ja, Architektur beeinflusst das Leben der Menschen sehr viel mehr als
siert, nachdenkt und diskutiert und schließlich etwas konstruiert. Ich                                               man glaubt. Das ist sehr schwer zu vermitteln. Ich kann das nur zei-
glaube, dass das alles gleichzeitig passieren muss. Der Architekt muss                                               gen, Beispiele zeigen, über Architektur sprechen. Das gehört nicht
also mit seinen Händen agieren und lernen. Weil bestimmtes Handeln                                                   zu den sehr konkret lehrbaren Elementen von Architektur, wie Maße
oder Bewegen der Hände auch sehr verbunden ist mit räumlichen                                                        zum Beispiel. In einer meiner Klassen habe ich eine Vorlesung, die
8
                                              2014-1
                              aa,   Estland
                      Laulasm
              trum,
       ärt Zen lbe
Arvo P        Ha
        oland
Foto: R

heißt: Dimension, Proportion, Maßstab (scale). Dimension ist absolut                                                             Kultur, in das Gedächtnis der Menschen. Das alles sind Qualitäten
lernbar, Proportion kann man auch lernen, aber man muss sie immer                                                                der Wahrnehmung und Sensibilität und sie gehen oft verloren. Der
im kulturellem Kontext sehen und verstehen. Maßstab ist eine sehr ar-                                                            Grund, warum ich so gern mit dem ersten Studienjahr arbeite, ist, dass
chitektonische Frage. Was passiert, wenn das schönste Projekt jenseits                                                           die Studenten noch sehr offen sind. Wenn ich sie dann für den Master
von jedem Kontext steht – also keine Verbindung zur Landschaft oder                                                              wieder treffe, ist die Freiheit manchmal verschwunden, sie sehen zu
zum urbanen Raum hat? Um ein Gefühl dafür bekommen zu können,                                                                    viele Hemmnisse, Obstruktionen.
arbeiten wir sehr viel mit Modellen.                                                                                             Die Universität ist der Ort, an dem man lernt zu denken. Selbstständig
                                                                               15 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

                                                                                                                                 zu denken. Hier kann man die Limits brechen. In der Arbeitswelt ist es
Hat denn die Trias von Vitruv – firmitas, utilitas, venustas –, also Festig-                                                     schwieriger, aber auch notwendig. Das gefällt mir hier sehr. Meine Kol-
keit, Nützlichkeit und Schönheit heute noch immer Gültigkeit?                                                                    legen und ich haben professionelle Karrieren und eigene Studios. Wir
Das alles ist sicher wahr. Was mich interessiert, ist die Frage nach                                                             versuchen zu zeigen, dass das, was wir in unseren Studios tun, sehr ver-
dem symbolischen Gedächtnis. Ein Gebäude kann funktionieren, sta-                                                                bunden ist mit dem, was wir unterrichten. In den USA oder in Italien
bil, nützlich und schön, aber kalt sein und keine Verbindung zum                                                                 zum Beispiel sind die Schulen rein akademisch, wie ich finde, zu iso-
Ort haben, an dem es steht oder zu den Menschen, die es benutzen.                                                                liert von der Realität. Eine Schule soll auch utopisch und frei sein. Wir
Louis Kahn, der amerikanische Architekt, hat – in seiner lakonischen                                                             entwerfen Ideen, die nicht unbedingt immer am Ende gebaut werden
Art – über das Messbare und das Nicht-Messbare in der Architek-                                                                  können. Vielleicht ja, vielleicht nein. Es geht darum, Türen zu öffnen.
tur gesprochen. Wir können das Messbare lehren, aber wir können
die Studenten nur dazu drängen, ihren Ausdruck zu finden, also das                                                               Enrique Sobejano ist Professor für Grundlagen des Entwerfens.
Nicht-Messbare. Nur so können sie überleben. Alles andere ist Kon­                                                               www.nietosobejano.com
struktion. Zu verstehen, was ein Projekt repräsentiert, was es bedeu-                                                            Das Gespräch führten Marina Dafova (Übersetzung aus dem Englischen
tet und wie es sich fügt in den Ort, an dem es gebaut wird, in die                                                               und Bearbeitung) und Claudia Assmann.
Metropole über Nacht
                                  g“, 2   019                                              Plakatausstellung zum 100-jährigen Beste-
                    In Be   wegun
          Hoff, „                                                                          hen des Groß-Berlin-Gesetzes – neu erzählt
Larissa                                                                                    Klasse Illustration, Henning Wagenbreth

                                                                                           Am 1. Oktober 1920 trat das Groß-Berlin-Ge-
                                                                                           setz in Kraft, das Berlin nicht nur im Flächen-
                                                                                           maß, sondern auch auf struktureller Ebene
                                                                                           entscheidend veränderte und die Haupt-
                                                                                           stadt bis in die Gegenwart prägt. (Alt)-Ber-
                                                                                           lin fusionierte damals mit sieben umlie-
                                                                                           genden Städten sowie 59 Landgemeinden
                                                                                           und 27 Gutsbezirken zur Einheitsgemeinde
                                                                                           Groß-Berlin. Die Preußische Landesver-
                                                                                           sammlung verabschiedete das „Gesetz über
                                                                                           die Bildung einer neuen Stadtgemeinde“,
                                                                                           kurz Groß-Berlin-Gesetz, im April desselben
                                                                                           Jahres und ebnete damit den Weg für die
                                                                                           Genese des modernen Berlin.

                                                                                           Die Initiative zu dem Projekt sowie der in-
                                                                                           terne Wettbewerb um ein Gewinnerplakat
                                                                                           und eine Gewinner-Wort-Bildmarke ent-
                                                                                           stand in Zusammenarbeit mit der Senats-
                                                                                           kanzlei Berlin. Die Studierenden vertief-
                                                                                           ten sich durch intensive Recherchen in die
                                                                                           Stadtthemen, auf die sich das Gesetz damals
                                                                                           auswirkte und lenkten ihren Blick zugleich
                                                                                           nach vorn, um heute eine frische und ide-
                                                                                           enreiche Auseinandersetzung mit den viel-
                                                                                           seitigen Themen anzuregen. Wie kann sich
                                                                                           unsere Stadt zukünftig in einer nachhalti-
                                                                                           gen und sozial gerechten Weise weiterent-
                                                                                           wickeln und immer wieder neu erfinden?

                                                                                           Die Ausstellung ist in Themenfelder einge-
                                                                                           teilt: Zusammenleben, Schule neu gestalten,
                                                                                           Lernen mit gleichen Chancen, Stadt entwer-
                                                                                           fen, Berliner Wasser, Zusammenschluss, Mo-
                                                                                           bilität, Innovation. Das Projekt der Klasse Il-
                                                                                           lustration wurde betreut von Prof. Henning
                                                16 … Standortkarte auf der letzten Seite

                                                                                           Wagenbreth und C   ­ onstanze Hein.

                                                                                           Geplant vom 28. April bis zum
                                                                                           31. Juli in der Universitätsbibliothek,
                                                                                           Fasanenstraße 88
z
                  nA   lkewit
        rf: Tizia
Entwu

                                                                        17 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

GAIA. The human, the habitat and the environment
„Das Semesterprojekt am Fachgebiet Digitales und Experimentel-
les Entwerfen hinterfragte herkömmliche Grenzziehungen zwischen
Stadt, Architektur und natürlichen Systemen. Seit mehr als 30 Jah-
ren arbeitet der Berliner Künstler Ben Wagin, der in diesem Jahr sei-
nen 90. Geburtstag feiert, in einem Areal in der Nähe des Anhalter
Bahnhofs. Die Beschäftigung mit dem Gelände war Ausgangspunkt
von Projektideen der Architekturstudierenden, in denen Themen der
Technikgeschichte, Erinnerung, Geologie und Natur, Globalisierung
und Identität Raum fanden. Sie formulierten dabei auch erste Ent-
wurfskonzepte für eine zukünftige Nutzung des Gebietes, die die his-
torische Bedeutung des Ortes und des künstlerischen Werkes von Ben
Wagin gleichermaßen würdigt.“ Sven Pfeiffer, Gastprofessor für Digi-
tales und Experimentelles Entwerfen
Situationen darstellen. Um von einem räumlichen Fragment zum an-
FLORIAN RIEGLER                                                                                                      deren zu kommen, braucht es Verbindungen, das sind die Türen. Und
                                                                                                                     um diese Raumfragmente auch übereinander schalten zu können,
ÜBER EINFACHHEIT,                                                                                                    braucht es Treppen. Klingt alles sehr banal, aber genau das ist unser
                                                                                                                     Werkzeug. Die Studierenden sind meistens sehr überrascht, dass sie
ENTHUSIASMUS UND                                                                                                     nicht mehr in der Hand haben. Aber das macht ja unsere Welt so reich,
                                                                                                                     dass wir das alles miteinander kombinieren können. Dann muss man
BE-GREIFEN                                                                                                           sie extrem herausfordern und man geht weiter. Wenn es um Verbin-
                                                                                                                     dungen von Räumen geht, gibt es diagonale Raumbezüge – sowohl
                                                                                                                     in der Ebene als auch in der Schräge: Es gibt Situationen, Zwischenbe-
Florian Riegler ist ein Architekt, der das Mehrdeutige liebt. Entwer-                                                reiche, die überleiten, von außen nach innen. Dazu kommt das Thema
fen beschreibt er als einen komplexen Prozess, der von „den konzep-                                                  Licht. Licht wird über Übergangsräume nach innen langsam abgemin-
tionellen Möglichkeiten des Raums und den letztlich nie eindeutig                                                    dert. Wir arbeiten mit den Fragmenten, die die Studierenden bringen.
fixierten Spielarten seines Gebrauchs“ ausgeht, und der auf das We-                                                  Es wird ein Modell gebaut. Wir denken nicht darüber nach, wie wir
sentliche reduzierte Konzepte hin arbeitet. Seine Architektur schafft                                                ihre Beispiele funktional besser machen könnten, das klammere ich
„Strukturen, offen und präzise zugleich: Rahmen für den komplexen                                                    vollkommen aus – im ersten Semester kommen alle diesbezüglich mit
Fluss der Bilder des Gebrauchs“.                                                                                     unglaublichen Vorurteilen daher. Wir reden nur über das Räumliche,
                                                                                                                     wie man eine Situation dazwischenschaltet, die mit Licht eine Stim-
Wie lehren Sie Entwerfen?                                                                                            mung schafft. Oder wie man etwas verdoppelt und eine gute Situa-
Das ist das zentrale Thema. Ich arbeite mit dem ersten Studienjahr                                                   tion über die Verbindungsmöglichkeiten gestaltet.
und dann wieder im fünften Jahr später mit den Masterstudenten.
Am Anfang ist es wichtig, dass man viel fordert von den Studieren-                                                   Lernen beim Machen.
den, ihnen aber auch viel Zeit lässt – zu lernen, zu entdecken und vor                                               Die Arbeit am Modell ist sehr wichtig. Sie müssen begreifen. Begrei-
allem zu begreifen. Diese Langsamkeit ist wichtig, um sich selbst viele                                              fen kommt ja von greifen, man merkt sich etwas, was man be-griffen
Fragen stellen zu können. Da gehört auch die Unsicherheit dazu. Im                                                   hat. Das ist der Schlüssel zum Arbeiten, dass man etwas wiederver-
Beruf, im Prozess des Entwerfens passiert das immer wieder. Man hat                                                  wenden kann. Die Studierenden arbeiten in der Gruppe und lernen
nicht immer die Gewissheit, dass man zu einer relevanten Frage vor-                                                  auch voneinander. Wir diskutieren, machen Vorschläge. Und sie ver-
dringt. Und auch das müssen die Studenten lernen. Das andere ist ja                                                  wenden das alles, was in der Klasse aufgearbeitet wurde. Wir führen
die Architektur selbst, das Räumliche. Auch geht es darum, eine Liebe                                                es weiter zu kleinen Entwürfen, es sind immer sehr lebensnahe The-
zu dem zu entwickeln, was man macht. Zu schätzen, was da ist, keine                                                  men – Wohnsituationen, Arbeitsbereiche.
Unterschiede zu machen auf Grundlage der äußeren Erscheinung. Erst
einmal ist alles gleich viel wert. Deshalb muss man ihnen das Sehen                                                  Das heißt, sie gehen stark von der individuellen Wahrnehmung einer
beibringen, um überhaupt Fragen stellen zu können.                                                                   jeden Person aus? Von den Empfindungen.
                                                                                                                     Empfindungen sind der erste Einstieg, den man als Person hat, um
Wie machen Sie das?                                                                                                  sich zu äußern, auszudrücken. Dessen muss man sich auch immer be-
Oft schicke ich die Studierenden am Anfang raus in die Stadt. Sie sol-                                               wusst bleiben.
len uns zwei-drei Situationen bringen, die ihnen in Erinnerung ge-
blieben sind, weil sie entweder sehr hässlich oder sehr schön waren,                                                 Der Architekt hat eine enorme Verantwortung. Er schafft Räume, in
sie irgendwie beeindruckt haben. Sie bereiten dann ihr Thema auf,                                                    denen Menschen leben. Er bestimmt durch die Räume, wie Menschen
zeichnen viel, stellen es dar. Und kommen ins Studio und wir disku-                                                  sind und werden, wie sie arbeiten, sich bewegen. Wie sensibilisieren
tieren über jeden Vorschlag, den sie machen, und wählen aus, woran                                                   Sie die Studierenden für eine solche Verantwortung?
                                                                          18 … Standortkarte auf der letzten Seite

sie weiterarbeiten.                                                                                                  Das ist ein Teil in der Ausbildung, der immer angesprochen wird. Was
                                                                                                                     aber gar nicht so einfach abzuschätzen ist, wie viel man als Architekt
Was ist das Werkzeug des Architekten?                                                                                vorgibt und wie viel man offen lässt in seiner Arbeit, damit es ein gu-
Im Endeffekt sind es sehr wenige und sehr einfache Dinge, mit de-                                                    tes Angebot für die Menschen wird. Wenn man zu viel vorgibt, wird
nen wir als Architekten arbeiten. Eine ebene Fläche herzustellen, war                                                es häufig abgelehnt. Die Menschen vertragen es nicht, so gegängelt
ein großes Ereignis für unsere Zivilisation. Und das ist die Vorausset-                                              zu werden von einem Design. Es muss so unscheinbar sein, dass man
zung für unsere ganze Tätigkeit. So etwas mache ich den Studieren-                                                   es gar nicht merkt. Da gibt es ein einfaches Beispiel: Im Wohnungsbau
den bewusst. Die ebene Fläche in der Horizontale ist sehr wichtig, der                                               habe ich die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich als Architekt inner-
Mensch kann sich am besten darauf bewegen. Dazu kommt die auf-                                                       halb einer Wohnung einen Raum inkludiere, der quasi keine Funktion
gestellte Ebene – die Wände. Wände kann man durchsichtig machen                                                      hat – also zu klein ist für ein Schlafzimmer, aber zu groß für eine Kam-
– dann hat man Fenster usw. Mit diesen Flächen kann ich räumliche                                                    mer – die Leute nicht wissen, was sie mit dem Raum anfangen sollen.
Am Ende wird es eine Schatzkammer innerhalb der Wohnung, weil                                                               muss gleichzeitig an die Konstruktion denken und an alle diese
sich jeder einbringen kann und muss, und irgendwie schaffen es auch                                                         Schichten, die notwendig sind, man muss bauphysikalisch und tech-
alle. Daraus wird die Schaltzentrale des Familienoberhaupts oder das                                                        nisch alles abdecken und dabei räumlich immer noch gut bleiben. Und
Kind hat sie sich erobert. Keine dieser Kammern ist jemals gleich. Das                                                      da ist ja noch das Raumprogramm, also die funktionalen Beziehungen
ist ein simples Angebot. Solche Sachen faszinieren mich, und das ver-                                                       herstellen. Wenn das Raumprogramm besagt, es muss eine bestmög-
suche ich zu vermitteln. Dass man mit diesen einfachen Dingen, die                                                          liche Beziehung zwischen dem Seminarraum und dem neu geschaffe-
man zum Arbeiten zur Verfügung hat – und mit ein bisschen Denken                                                            nen Raum bestehen, dann ist das für manche ein unlösbares Problem,
–, Situationen schaffen kann, Angebote. Es geht immer ums Angebot.                                                          manche strampeln sich allein daran ein ganzes Semester lang ab. Das
                                                                                                                            hat mich dazu gebracht, das wegzulassen.
Wie wichtig ist Geschichte?
Ich orientiere mich an Raumfragmenten oder versuche zu begreifen,                                                           Hier ist die Fantasie gefragt ...
warum etwas wie gebaut ist. An der UdK haben wir sehr viele Studie-                                                         Es geht immer noch um das Räumliche, das nehme ich sehr wörtlich.
rende aus dem Ausland. Es interessiert mich immer, in was für Häu-                                                          Aber da geht‘s nicht mehr so sehr darum, dass etwas aus der eige-
sern sie gelebt haben. So kann man in Geschichte einsteigen. Sehr le-                                                       nen Erinnerung kommt, sondern dass man sich etwas vorstellen kann,
bensnah und total spannend. Da ist jemand aus Kirgistan und erzählt,                                                        eine gute Raumsituation – das kann wirklich jeder. Das ist natürlich
dass das ganze Leben der Familie sich wie auf einer Bühne im Hof ab-                                                        verknüpft mit Empfindung, mit Erinnerung, mit Wahrnehmung – wir
gespielt hat, auf einer erhobenen Fläche mit drei, vier Stufen, damit                                                       sprachen darüber, aber es ist schon etwas, was aus dem Kopf kommt.
sie nicht von den Hühnern gestört werden – war ihre Erklärung dafür.                                                        Das unterstützen wir häufig mit Training, dass die Studierenden z. B.
Das Haus war eher zum Schlafen da, gelebt haben sie den ganzen Tag                                                          in Filmen räumliche Situationen, die da meistens nur angedeutet sind,
draußen, auf dieser erhobenen Bühne. Da ist auch das Essen heraus-                                                          benennbar machen. Dass sie über die Lichtsituation in einem Filmstill
gebracht worden usw. Oder Mexiko, wo ein Mehrfamilienhaus die Kü-                                                           feststellen, wie der Raum ausschauen könnte. Sie gehen von einem
che immer an der Treppe hat, die durch das Haus führt. Die Küche ist                                                        Fragment aus und fantasieren weiter, Fragmente kommen dazu. Ein
offen zur Treppe hin, sodass jemand, der nach Hause kommt, an sämt-                                                         Gebilde soll eine Tiefe bekommen, mehrere Räume. Ein Raum ganz
lichen Küchen vorbeikommt. Und, weil er ein angesehener Mensch                                                              allein kann selten wirklich gut sein. Es kommt auch immer auf das an,
ist, bekommt er überall etwas zu essen und bekommt auch alles er-                                                           was daneben ist. Und wenn nichts daneben ist, dann ist es der Außen­
zählt, und wenn er‘s in seine Wohnung schafft, ist er schon satt und                                                        raum und die Landschaft, die dann eine große Rolle spielen. Außen-
weiß alles vom ganzen Tag. Ist doch Wahnsinn! Ich versuche, solche                                                          raum und Landschaft sind auch strukturiert, haben Enge, Weite, ir-
Geschichten, soweit es geht, zu integrieren, in das, was wir machen,                                                        gendeine Besonderheit, auf die man reagiert. Und so beginnen sie,
was wir leben.                                                                                                              etwas zu machen, Dinge, die ihre ersten Vorstellungen von dieser ei-
                                                                                                                            nen Besonderheit intensivieren, unterstützen, anreichern – sinnvoll
Sehen lernen und verstehen lernen – die Freiheit des Denkens begrei-                                                        machen. Am Ende haben wir dann etwas und sagen oft: „Was könnte
fen …                                                                                                                       das jetzt sein?“ Und Sie werden staunen, die Antworten kommen wie
… die Freiheit zu begreifen, mit dem, was sie in der Hand haben, ge-                                                        aus der Pistole geschossen. Das find‘ ich toll. Dann testen sie ihren Ent-
stalten zu können. Auch wenn es wenige Elemente sind, habe ich sehr                                                         wurf, bauen ihn ein bisschen um, dass er auch wirklich funktioniert
viel in der Hand, um eine bessere Welt zu gestalten oder ein gutes An-                                                      und Sinn macht und wir haben ein gutes Projekt. Im Arbeitsleben, in
gebot zu machen. Das müssen sie lernen und damit verantwortungs-                                                            der Wirklichkeit kann ich das alles nicht machen. Aber an einer Archi-
voll und zielorientiert umgehen.                                                                                            tekturschule sollte das machbar sein. Und die Studierenden müssen
                                                                                                                            ja auch leidenschaftlich werden. Sie müssen Enthusiasten werden, sie
                                                                          19 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

Wie arbeiten Sie mit den Masterstudenten, drei Jahre später?                                                                müssen immer Neues sehen wollen. Die ganze Misere, die dann nach-
Ich habe begonnen, diese benennbaren räumlichen Fragmente als                                                               her mit dem Beruf zu tun hat, kommt früh genug.
Thema vorzugeben, „Übergangsraum“ oder „diagonale Raumbezie-
hung“ beispielsweise. Die Studierenden werden so direkter konfron-                                                          Florian Riegler ist Professor für Entwerfen und Baukonstruktion.
tiert mit diesen räumlichen Qualitäten, und wir lassen sie explizit da-                                                     rieglerriewe.co.at
nach suchen. Mit diesen Fragmenten beginnen sie dann zu arbeiten.                                                           Das Gespräch führten Claudia Assmann und Marina Dafova.
Sie bauen ein Konstrukt, wo die Räume zum Beispiel eine diagonale
Beziehung haben. Hinzu kommt alles das, was wir als Architekten zur
Verfügung haben, darüber haben wir vorhin gesprochen … und so ar-
beiten wir dann konkreter weiter an diesen Figuren.
Ich bin etwas davon abgekommen, große Projekte in Angriff zu neh-
men – ein fixes Raumprogramm also, wie ein Wettbewerb. Ich habe
die Erfahrung gemacht, dass die Studierende völlig überfordert wa-
ren. Denke ich an meine eigene Jugendzeit – ich war es auch. Man
SEEN BY #14 Imprinted Matters
                                                               Die Ausstellung baut einen temporären, utopi-
                e                                              schen Leseraum und eine Bibliothek von Druck-
          anko Y
Foto: H                                                        sachen, einen Safer Space zum Lernen, sich umei-
                                                               nander Kümmern, zum Bilden von Gemeinschaft
                                                               und zur Reflektion. Print, Fotografie und Perfor-
                                                               mance haben gemeinsam, dass sie Methoden der
                                                               Dokumentation sind, sie formulieren Narrative
                                                               und sind Gesten der Repräsentation.
                                                               Kuratiert von Nina Prader.

                                                               Mit Arbeiten des Projekts „Intersectional Matter“
                                                               von Mathilde ter Heijne, Christoph Balzar, Karina
                                                               Griffith, Kristina Leko, Sandra Noeth, Nik Haffner
                                                               und „Arts of the Working Class“: Anastasia Putsy-
                                                               kina, Arianna Cecchetto, Aria Star & Phoenix Ka-
                                                               spian, Aylin Hatice, Charlotte Seebeck, Clay Dres-
                                                               ser, damn* zine/ deutsche asiat*innen, make
                                                               noise!, Hannah Lansburgh, Jane Hwang, Jinran
                                                               Ha & Johanna Michel (N*A*I*L*S), Klara Kirsch,
                                                               Marina Bertucelli, Mania Godarzani-Bakhtiari,
                                                               Mika Ebbing, Minh Duc Pham, Miriam Wierz-
                                                               chowslawska, Power Makes Us Sick, Riot Pant
                                                               Project: Elena Buscaino, Mina Bonakdar, Josef
                                                               Roth, Sugano Matsusaki, Tania Elstermeyer, Terhi
                                                               Nieminen und Vincent Hulme.
                                                               www.wasistIntersektionalitaet.de
                                                               www.instagram.com/riotpantproject/?hl=de

                                                               Die Ausstellung war geplant vom 23. April
                                                               bis zum 24. Mai im Museum für Fotografie,
                                                               Jebensstraße 2, 10623 Berlin.
                    20 … Standortkarte auf der letzten Seite
Vortragsabende, Wettbewerbe und Konzerte sind fester Bestand­
teil der Lehre in der Fakultät Musik und im Jazz-Institut. Hier ist                                                     WETTBEWERBE
eine Auswahl der regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen.                                                            FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY HOCHSCHULWETTBEWERB
www.udk-berlin.de/universitaet/fakultaet-musik                                                                          Einer der bedeutendsten Nachwuchs-Wettbewerbe Deutschlands
jib-berlin.de                                                                                                           für Studierende deutscher Musikhochschulen

                                                                                                                        DOMENICO-GABRIELLI-VIOLONCELLO-WETTBEWERB
VORTRAGSABENDE                                                                                                          Für Studierende der UdK Berlin und der HfM Hanns Eisler Berlin
Vortragsnachmittage und -matineen präsentieren aktuelle
Ergebnisse der musikalischen Fachklassen.                                                                               EMANUEL-FEUERMANN-WETTBEWERB FÜR VIOLONCELLO
                                                                                                                        Der Grand Prix Emanuel Feuermann wird alle vier Jahre von der
                                                                                                                        Domenico-Gabrielli-Stiftung der UdK Berlin und von der Kronberg
KONZERTE                                                                                                                Academy veranstaltet.
SYMPHONIEORCHESTER DER UDK BERLIN Sommerkonzert zum
Rundgang, Konzert für die Nationen Winterkonzert.                                                                       KAMMERMUSIKWETTBEWERB der Alice-Samter-Stiftung
Das Abschlusskonzert des Musikfestivals crescendo
G. Mahler, Symphonie Nr. 3 d-Moll sollte am 17. Mai in der                                                              ARTUR-SCHNABEL-WETTBEWERB FÜR KLAVIER
Philharmonie Berlin stattfinden.
                                                                                                                        PAULA-SALOMON-LINDBERG-WETTBEWERB „DAS LIED“
KONZERTE KAMMERMUSIK Alle Instrumente der Fachklassen                                                                   Gesangswettbewerb für Studierende an Musikhoch­
                                                                                                                        schulen und vergleichbaren Instituten in Europa
ABSCHLUSSKONZERTE Dirigieren, Orgel, alle Instrumente                                                                   und Israel
der Fachklassen
                                                                                                                        VIOLINWETTBEWERB der Ibolyka-Gyarfas-Stiftung
JAZZ-INSTITUT BERLIN Alle Fachklassen                                                                                   für Studierende der UdK Berlin und der HfM Hanns
                                                                                                                        Eisler Berlin
PREISTRÄGERKONZERT und Preisverleihung der Karl Hofer
Gesellschaft e. V., gestiftet von Toni und Albrecht Kumm
                                                                                                                        REIHEN
PREISTRÄGER STEINWAY FÖRDERPREIS Jährlich vergeben an Klavier­                                                          CORPORATE CONCERTS
studierende der UdK Berlin und HfM Hanns Eisler Berlin verliehen.                                                       Moderierte Konzertreihe junger Kammermusikensembles
Jury sind Lehrende beider Hochschulen.                                                                                  der UdK Berlin. Das Programm wird kurzfristig bekannt gegeben:
                                                                                                                        www.udk-berlin.de
KONZERTE KLANGZEITORT Institut für Neue Musik, eine gemeinsame
Einrichtung der UdK Berlin und der HfM Hanns Eisler Berlin                                                              BECHSTEIN YOUNG PROFESSIONALS
                                                                                                                        Konzertreihe des Instituts für Künstlerische Ausbildung an der
JULIUS-STERN-INSTITUT Konzerte mit Jungstudierenden                                                                     UdK Berlin in Kooperation mit C. Bechstein
                                                                      21 … mehr + aktuelle Termine: www.udk-berlin.de

STAATS- UND DOMCHOR Mit vielfältigem Programm und u. a.                                                                 DIE REIHE Konzerte, Lectures, Performances zu auditiver Kunst
regelmäßig bei Gottesdiensten im Berliner Dom                                                                           und Kultur. Studiengang Sound Studies and Sonic Arts in Zusammen­
                                                                                                                        arbeit mit dem Fachgebiet Audiokommu­nikation der TU Berlin
ERASMUS lädt ein. Konzerte mit Austauschstudierenden
                                                                                                                        EM4 Eine Kooperation AdK Berlin, der TU Berlin, des Studios
                                                                                                                        für Elektroakustische Musik der HfM Hanns Eisler Berlin und des
FESTIVALS                                                                                                               UNI.K | Studio für Klangkunst und Klangforschung sowie des
CRESCENDO. DAS MUSIKFESTIVAL In diesem Jahr sollten die                                                                 Masterprogramms Sound Studies and Sonic Arts, beide UdK Berlin.
Musikfestwochen vom 3. bis zum 17. Mai stattfinden.
                                                                                                                        MADE IN BERLIN Herausragende Studierende präsentieren
ORGELIMPROVISATIONSFESTIVAL Jährlich durchgeführtes                                                                     ein eigenes Konzertprogramm
internationales Festival an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
                                                                                                                        ORGEL.PUNKT.ZWÖLF. 30 Minuten Orgelmusik und Lesung
MEHRLICHTMUSIK Biennales Festival von Klangzeitort                                                                      in der Pauluskirche Zehlendorf
Eine Aufführung in New York war anders dimensioniert als vielleicht
HARRY CURTIS                                                                                                          eine in einer kleineren Stadt Deutschlands, wo man nicht über so
                                                                                                                      große Säle verfügte. Zur Aufgabe eines Dirigenten gehört es, dass ein
DER DIRIGENT ALS                                                                                                      Werk gut klingt.

GESTALTER                                                                                                             „Hören“ Sie eigentlich die Musik, wenn Sie einen ersten Blick auf die
                                                                                                                      Noten werfen?
EIN GESPRÄCH MIT                                                                                                      Wenn es sich um eine übersichtliche Partitur handelt, etwa um eine
                                                                                                                      Sinfonie von Mozart oder Haydn: Ja, da genügt manchmal ein Blick,
HARTMUT REGITZ                                                                                                        um die Melodie und die Harmonien zu hören. Aber um die Feinhei-
                                                                                                                      ten einer Musik, ihre Details, ihre Besonderheiten zu erfassen, und
                                                                                                                      um die geht es, muss man tiefer lesen. Je mehr man sich der Gegen-
                                                                                                                      wart nähert, desto schwieriger wird das Einlesen. Der Abstand zum
Harry Curtis begann seine musikalische Laufbahn als Chorknabe in                                                      Notenmaterial ist größer als bei einem Pianisten, für den eine Klavier-
der St. George‘s Chapel, Windsor. Dirigieren studierte er u. a. bei Sir                                               sonate von Beethoven weniger ein Entwurf ist als für einen Dirigen-
Colin Davis an der Royal Academy of Music in London. Über Orchester,                                                  ten. Für den gibt es viele Zwischenschritte; er muss ganz pragmatisch
Kompositionen und Entwurf sprach er mit dem Musikkritiker ­Hartmut                                                    zwischen einer Vielzahl von Entwürfen wählen, damit die Kunst am
Regitz.                                                                                                               Ende auch wirkt.

Die Komposition ist das vollendete Kunstwerk. So die gängige An-                                                      Wie kann man sich diese Arbeit vorstellen?
sicht. Aber das Paradoxe daran ist: Wenn sie zu einem Klangerlebnis                                                   Ich beschäftige mich erst mal mit der Struktur eines Werkes. Handelt
werden soll, an dem auch andere teilhaben können, hat sie wieder et-                                                  es sich beispielsweise um einen Sonatensatz? Wie löst er sich auf? Man
was von einem Entwurf, der erst umgesetzt werden muss.                                                                geht immer mehr in die Details, singt die Stimmen, versucht heraus-
Ich sehe das ebenso. Aber es kommt natürlich auf die Blickrichtung                                                    zufinden, wie das Stück eigentlich klingen sollte. Es gibt bestimmte
an. Händel wird die Partitur „Soli Deo Gloria“ als ein eigenständiges,                                                Parameter zu beachten: Rhythmus, Phrasierung, Balance, Dynamik,
vollendetes Werk verstanden haben. Ein dirigierender Komponist,                                                       Instru­mentation, Artikulation. Letztlich aber geht es darum, die Aus-
eine dirigierende Komponistin wird hingegen eher dazu tendieren,                                                      sage zu erfassen, die einem Werk zugrunde liegt, seine Rhetorik, kurz:
das eigene Werk als Entwurf zu betrachten als jemand, der ausschließ-                                                 seinen philosophischen, höheren Sinn.
lich komponiert.
                                                                                                                      Das machen Sie erst mal für sich aus?
Hat denn der Komponist beim Komponieren tatsächlich ein ganz be-                                                      Ja, ich lese immer wieder die Partitur und spiele am Klavier so viel,
stimmtes Klangbild im Ohr, sozusagen eine Idealvorstellung seiner                                                     wie ich kann. Ich versuche, alle Töne wahrzunehmen und sie so zu ver-
Musik?                                                                                                                innerlichen, dass ich auf Anhieb sagen kann, wie etwas klingen soll.
Zu der Zeit von Bach, Haydn oder Mozart gab es einen Konsens darü-
ber, wie eine Musik zu klingen hatte, eine ganz bestimmte Praxis, so-                                                 Sie kommen in die Probe mit einer Klangvorstellung, man könnte
zusagen einen Stil, der sich allerdings von Land zu Land unterscheiden                                                auch sagen: mit einem Entwurf, den Sie sich genau überlegt haben.
konnte. Insofern deckte sich ein Entwurf mit dem Ergebnis. Anders zu                                                  Nun ist ein Konzert am Ende nicht das Werk eines Einzelnen, viel-
einer Zeit wie der von Gustav Mahler. Er war Komponist und zugleich                                                   mehr stehen Sie vor einem Kollektiv unterschiedlicher Musikerinnen
der dirigierende Interpret seiner Werke, als der er oft sehr viel in den                                              und Musiker, das seine eigene Dynamik entwickeln kann. Die Inst-
Proben nachbereitet hat, obwohl seine Partituren bereits extrem aus-                                                  rumente unterscheiden sich, die Räume, das Publikum. Es gibt viele
gearbeitet waren. Bei seiner 6. Sinfonie hat er die inneren Sätze so oft                                              Unwägbarkeiten.
                                                                           22 … Standortkarte auf der letzten Seite

ausgetauscht, dass wir heute nicht mehr mit absoluter Sicherheit wis-                                                 Als Dirigent fühlt man sich manchmal wie ein Butler: Man empfängt
sen, ob das Scherzo zuerst kommt und dann das Andante moderato                                                        die Gäste, öffnet ihnen die Tür, lädt sie ein. Das heißt, man packt sie
oder umgekehrt.                                                                                                       nicht am Kragen und zwingt sie in irgendeine Richtung, sondern weist
                                                                                                                      ihnen den Weg. Nicht anders die Musiker und Musikerinnen. Sie spie-
Er war Komponist. Als Dirigent seiner eigenen Werke war er sozusa-                                                    len mit eigener Kraft und Energie. Aber man muss ihnen die richtigen
gen legitimiert, etwas zu ändern; vielleicht befand sich seine Sechste                                                Impulse zum richtigen Zeitpunkt geben. Und man muss vor allem eins:
seinerzeit noch im Zustand eines work in progress. Einem ande-                                                        sie inspirieren.
ren D­ irigenten würde man vermutlich solche Eigenmächtigkeiten
ankreiden.                                                                                                            Wie laufen denn die Proben ab?
Vielleicht. Aber Mahler war Dirigent genug zu wissen, dass er auf die                                                 Das kommt darauf an, wie gut man sich kennt. Manchmal genügt es,
räumlichen Gegebenheiten auf irgendeine Weise reagieren musste.                                                       gleich an die Arbeit zu gehen.
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