Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida

 
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Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
Nr. 11   Juni 2021

                                                                         Das soziale Unternehmen.

Subjektfinanzie-                             Geschäfts-        Seite 8
rung. Im Ge-         Bezugsperson.           bericht 2020.     Pilotprojekt.
                                                               Selber haushalten.
spräch: Dr. Chris-   Bewohnerinnen           Kommunikation
tian Liesen und                              als Schlüssel     Seite 20
lic. phil. Angela    und Bewohner verraten   zur Bewältigung   Nachgefragt: Wie wohnen
                                                               die Bewohnerinnen und

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Wyder diskutie-      uns ihre Bedürfnisse.   der Pandemie.     Bewohner in der Valida?

                                             11
ren mit Beda
                                                               Ab Seite 25
Meier über die                                                 Valida-News.
Vor- und Nach-                                                 Eine Erfolgsgeschichte.

teile der Subjekt-                                             Warum impfen?
                                                               Barrierefreiheit dank App.
finanzierung.

2
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
2   Editorial                                                                                                                          Valida   Nr. 11

                                               Die Selbst-
                                              bestimmung
Grüezi
Liebe Leserin, lieber Leser
                                                   fördern
Die Behindertenrechtskon-                           Die Subjektfinanzierung soll Menschen mit               BEDA MEIER

                                                   Unterstützungsbedarf eine freiere Wahl der               Subjekfinanzierung – das tönt sehr
vention der UNO verpflich-                                                                                  technokratisch. Was muss ich mir dar-
                                                  Lebens- und Wohnsituation ermöglichen. Der
tet die Schweiz, das Recht                           Kanton Zürich hat im April 2021 einen ent-
                                                                                                            unter vorstellen?

von Menschen mit Unter-                              sprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt.                 ANGELA WYDER
                                                                                                            Wichtig ist zu verstehen, wofür die
stützungsbedarf auf Selbst-                          Professor Dr. Christian Liesen und lic. phil.
                                                                                                            Subjektfinanzierung eigentlich da ist,
                                                      Angela Wyder zeichnen für die Studie der
bestimmung einzulösen.                                                                                      was man mit einer solchen Subjekt-
                                                  Zürcher Hochschule für angewandte Wissen-                 finanzierung überhaupt erreichen
Diese Vorgabe stellt die                               schaften ZHAW verantwortlich, die dem                will. Hinter dem Prinzip der Subjekt-
                                                                                                            finanzierung steckt ein sehr wert-
Politik vor knifflige Fragen.                       Gesetzesentwurf zugrunde liegt. Beda Meier,
                                                                                                            voller Gedanke: Selbstbestimmung
Sollen weiterhin die Kan-                         Direktor der Valida, diskutiert mit den beiden            und                             Wahl-
                                                    die Vor- und Nachteile der Subjektfinanzie-             freiheit für Menschen mit Unterstüt-
tone die Dienstleistungen                               rung und deren Relevanz für die Valida.             zungsbedarf, damit sie eine persön-
für Menschen mit Unter-                                                                                     liche Lebensgestaltung erreichen kön-
                                                                                                            nen. Der Schlüssel ist: Man finanziert
stützungsbedarf einkau-                                                                                     nicht mehr Institutionen, sondern den
                                                                                                            individuellen behinderungsbedingten
fen? Oder sollen diese die                                                                                  Bedarf der Person.
Leistungen in Zukunft sel-
                                                                                                            Man könnte einwenden, dass dieser
ber einkaufen können?                                                                                       Gedanke nicht spektakulär neu ist. Es
                                                                                                            geht jedoch um eine Grundeinstellung.
Braucht es einen System-                                                                                    Denn ein Kanton, der sich von der
wechsel, hin zu einer soge-                                                                                 direkten Finanzierung von Institutio-
                                                                                                            nen verabschiedet und die Subjekt-
nannten ‘Subjektfinanzie-                                                                                   finanzierung einführt, kann errei-
rung’?                                                                                                      chen, dass der Gedanke der
                                                                                                            Selbstbestimmung das ganze System
In der Idee der Subjekt-                                                                                    durchdringt, dass der Mensch tatsäch-
                                                                                                            lich im Mittelpunkt steht, dass sich die
finanzierung steckt eine        ZUR PERSON                            ZUR PERSON                            finanziellen Leistungen am Bedarf
Überzeugung, die in der                                                                                     eben dieser Person orientieren und
                                Lic. phil. I. Angela Wyder ist seit   Professor Dr. Christian Liesen ist    nicht an irgendwelchen Konzepten
Valida heute schon gelebt       2018 wissenschaftliche Mitarbei-      Dozent am Institut für Sozialma-      oder der Idee «so haben wir das schon
                                terin im Departement Soziale          nagement der Zürcher Hochschule       immer gemacht».
wird. Es geht um die konse-     Arbeit der Zürcher Hochschule für     für angewandte Wissenschaften
quente Ausrichtung der          angewandte Wissenschaften             ZHAW in Zürich. Christian Liesen      BEDA MEIER
                                ZHAW in Zürich mit den Arbeits-       hat an der Universität Hannover       Es geht also im Kern um die Subjekt-
Dienstleistungen für Men-       schwerpunkten Subjektfinanzie-        das Studium in Sonderpädagogik        orientierung, eine radikale Ausrich-
                                rung, individuelle Bedarfserfas-      begonnen und im Jahr 2003 am          tung an den Bedürfnissen des Klien-
schen mit Unterstützungs-       sung und Kosten- und                  Institut für Sonderpädagogik der      ten? Aber müssen wir dafür wirklich
bedarf auf ihre Bedürf-         Ressourcenbetrachtungen in            Universität Zürich promoviert. Seit   das ganze Finanzierungssystem auf
                                sozialen Organisationen. Angela       2017 ist er Dozent am Institut für
                                                                                                            den Kopf stellen?
nisse. Auf den folgenden        Wyder schloss ihr Studium der         Sozialmanagement der ZHAW.
                                Sonderpädagogik, pädagogischen        Seine Arbeits- und Forschungs-
Seiten erhalten sie einen       Psychologie und Didaktik und          schwerpunkte: Zielperspektiven,
                                                                                                            ANGELA WYDER
                                                                                                            Ja, man muss es aus verschiedenen
Einblick, wie die Valida die    Entwicklungspsychologie an der
                                Universität Zürich im Jahr 2011
                                                                      Handlungsabsichten und Pla-
                                                                      nungsgrundlagen von Organi-
                                                                                                            Gründen umstellen. Erstens, weil das
                                                                                                            heutige Finanzierungssystem gar
Subjektorientierung um-         mit dem Lizenziat ab. Als Co-Pro-     sationen im Bildungswesen und
                                                                                                            nicht alle Leistungen abdeckt. So wer-
                                jektleiterin war sie an der Studie    im Sozialbereich. Dr. Liesen hat in
setzt.                          zur Einführung der Subjektfinan-      den letzten Jahren verschiede         den Dienstleistungen für Menschen,
                                zierung im Kanton Zürich beteiligt.   Projekte für Kantone, Gemeinden       die zum Beispiel ambulant wohnen
Eine spannende Lektüre          Derzeit doktoriert sie an der der     und Bundesbehörden zu Fragen          wollen, also extern und nicht in einer
                                                                                                            Institution, durch die öffentliche Hand
wünscht Ihnen                   Carl von Ossietzky Universität in
                                Oldenburg/Deutschland am
                                                                      von Bedarfen, Qualität, Kosten
                                                                      und Wirkungen im Sozialwesen          nicht finanziert. Sie werden vom Sys-
                                Institut für Sonder- und Rehabili-    durchgeführt.                         tem gar nicht oder mit Assistenz-
                                tationspädagogik bei Prof. Dr. C.                                           beiträgen nur teilweise erfasst. Damit
                                Hillenbrand zum Thema: Subjekt-                                             ist die Wahlfreiheit bereits einge-
                                finanzierung von Leistungen für                                             schränkt.
Martin Rutishauser, Präsident   Menschen mit Behinderung.                                                   Und zweitens: Indem die Person mit
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
Valida   Nr. 11                                                                                                                                           Im Gespräch
                                                                                                                                                                         3

                                                                                                                                       Coronabedingt findet das Gespräch per
                                                                                                                                                         Videomeeting statt.

Unterstützungsbedarf die finanziellen      der genau definiert, welche Leistung       Grundgedanke der Selbstbestimmung,
Mittel in die Hand erhält, verfügt diese   sie von der Valida beziehen. Selbst ein-   der das System durchdringen muss.
Person über die Entscheidungsgewalt.       kaufen – ja oder nein; selbst kochen –     BEDA MEIER
Sie kann selbständig entscheiden, was      ja oder nein; selbst Freizeit gestalten    (lacht) Jetzt könne ich natürlich sagen,
sie machen will. Sie bewegt sich nicht     – ja oder nein; selbst Wäsche waschen      das will ich nicht, weil wir als Valida
in einer Angebotslandschaft, die schon     – ja oder nein; und so weiter. Das alles   auf dem Markt dann eines unserer
vordefiniert ist, in der Kanton und An-    ist machbar, ohne Systemwechsel.           Alleinstellungsmerkmale verlieren…
bieter schon vereinbart haben, welche
Leistungen in welcher Art und Quali-       ANGELA WYDER                               CHRISTIAN LIESEN                           Hände der Personen mit Behinderung
tät bezogen werden müssen.                 Das kann man so machen, die Valida         Seinen Vorsprung verliert man nicht        gelegt, die damit faktisch ein unwider-
                                           beweist es. Aber es geht um einen Sys-     so schnell. Für einen Kanton wie           rufliches Signal für ihre Selbstbestim-
Mit der Subjektfinanzierung verfügt        temwechsel. Was machen andere Leis-        Zürich mit einer langen Geschichte         mung und ihre Freiheit erhalten.
die Person mit Unterstützungsbedarf        tungsanbieter, die noch an einem total     der Finanzierung der stationären Ein-      Wenn ich als soziales Unternehmen
über den Überblick über die Mittel, die    anderen Ort stehen? Mit der Subjekt-       richtungen ist das Prinzip der Subjekt-    das alles erstmal nachvollziehen muss,
ihr zustehen. Damit kann sie sich aus-     finanzierung etabliert man ja die          finanzierung ein ganz wichtiger            kostet mich das viel Zeit.
einandersetzen und entscheiden: Was
will ich mit meinem Leben, was brau-                                                                                             Wir haben während unserer Studie in
che ich für Unterstützung, was gibt es          «Hinter dem Prinzip der Subjekt-                                                 den vielen Workshops und den Aus-
für Möglichkeiten und wie kann ich                                                                                               einandersetzungen mit betroffenen
mein Leben gestalten, damit es für                finanzierung steckt ein sehr                                                   Personen gemerkt, dass es eine wich-
mich passt?                                                                                                                      tige Rolle spielt und für diese ein ganz
                                             wertvoller Gedanken: Selbstbestimmung                                               grosser Gewinn ist, ein Vertragssub-
BEDA MEIER
Muss man das wirklich so machen? Bei
                                               und Wahlfreiheit für Menschen mit                                                 jekt zu sein und als solches angespro-
                                                                                                                                 chen zu werden. Nicht mehr einfach
der Valida wohnt mittlerweile die Hälf-
te der 90 Personen, die wir beim Woh-
                                                          Behinderung.»                                                          ein Mensch zu sein, der einen Betreu-
                                                                                                                                 ungs-Platz innehat, sondern jemand,
nen begleiten und unterstützen, im                                                                                               der via Vertragsgestaltung in seiner
Quartier. Zwar im klassischen statio-      Wahrnehmung und Anerkennung von            Schlüssel. Es wird damit unmissver-        individuellen Teilhabe auch agieren
nären Setting, aber doch in der eige-      Menschen mit Behinderungen als han-        ständlich deutlich gemacht, dass die       und handeln kann. Und der auch Zeit
nen Wohnung, die sie zusammen mit          delnde, als gestaltende Akteure und        eingesetzten Steuerfranken im Behin-       und Raum bekommt, um sich mit den
einer Betreuerin ausgesucht haben.         nicht mehr als Person, die in erster       dertenbereich künftig eine andere          Möglichkeiten, die es gibt, auseinan-
Sie haben einen Betreuungsvertrag,         Linie Hilfe benötigt. Es ist dieser        Aufgabe haben. Sie werden in die           derzusetzen.
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
4   Im Gespräch                                                                                                                                             Valida   Nr. 11

                                                                                                                                derjährige erst einmal von der Sub-
                                                                                                                                jektfinanzierung auszunehmen. Klar
                                                                                                                                ist auch, dass es nie darum geht, Ange-
                                                                                                                                hörige zu entlasten, sondern darum,
                                                                                                                                die Person, welche den Bedarf hat zu
                                                                                                                                unterstützen.

                                                                                                                                ANGELA WYDER
                                                                                                                                Wir haben bei unserer Arbeit feststel-
                                                                                                                                len können, dass Angehörige und auch
                                                                                                                                Betroffene nicht ihre Ansprüche in
                                                                                                                                den Vordergrund stellen, sondern
                                                                                                                                vielmehr erstaunt sind, wie viele Mit-
                                                                                                                                tel vorhanden sind und was da eigent-
                                                                                                                                lich alles dahintersteckt. Ich bin über-
                                                                                                                                zeugt, dass es nicht zu einer grossen
                                                                                                                                Forderungswelle kommt. Entschei-
                                                                                                                                dend wird sein, wie transparent das
                                                                                                                                System ausgestaltet wird. Dazu ist es
                                                                                                                                von Vorteil, ein partizipatives Vor-
                                                                                                                                gehen zu wählen.

                                                                                                                                BEDA MEIER
                                                                                                                                Wir haben uns bisher auf das Wohnen
                                                                                                                                konzentriert. Eignet sich die Subjekt-
                                                                                                                                finanzierung auch für den Arbeits-
                                                                                                                                bereich?

                                                                                                                                ANGELA WYDER
                                                                                                                                Wir sind in unserer Studie zum
                 «Für Menschen mit Behinderung,                                                                                 Schluss gekommen, dass die Subjekt-
                                                                                                                                finanzierung im Wohnbereich sehr
         die gewohnt sind, beständig in der Abhängigkeit                                                                        geeignet ist, dass es im Arbeitsbereich
                                                                                                                                damit aber eher schwierig wird. So ist

            zu sein, ständig als arm und hilfebedürftig                                                                         für viele der Gedanke befremdlich, für
                                                                                                                                den eigenen Arbeitsplatz bezahlen zu

            angesehen zu werden, ist das ein Schlüssel                                                                          müssen. Knackpunkte sind auch die
                                                                                                                                Wahlfreiheit und die Gestaltung des
                                                                                                                                Arbeitsplatzes oder die Abgrenzung
                       zur Selbständigkeit.»                                                                                    zur IV und die Schnittstellen zum ers-
                                                                                                                                ten Arbeitsmarkt.

                                                                                                                                BEDA MEIER
Das sind Prozesse, die lange dauern,       ständig als arm und hilfebedürftig an-     lange nicht, dass sie auch einen behin-   Zum Schluss: Was kommt mit der Sub-
die wirklich tief greifen, das Rollen-     gesehen zu werden, ist das einfach ein     derungsbedingten Bedarf für weitere       jektfinanzierung auf uns Leistungs-
verständnis betreffen, auch das Netz-       Schlüssel zur Selbständigkeit. Wer         Leistungen hat. Wir haben zum Bei-        erbringer zu?
werk drumherum, die Angehörigen            den Franken in der Hand hat, kann          spiel Kolleginnen und Kollegen an der
und so weiter. Es geht um das Leben        darüber bestimmen, wie er ihn ein-         ZHAW, die IV-Renten beziehen, aber        CHRISTIAN LIESEN
dieser Personen, um die Gestaltung         setzt. Und das ist ein langer Entschei-    weit davon entfernt sind, weitere         Eine ganze Menge! Zuerst gibt es im
ihres Lebens.                              dungsprozess. Am Beispiel der Hosen:       unterstützende Dienstleistungen zu        rein operativen Bereich schon einige
                                           Jetzt habe ich das Geld, aber bis ich      brauchen. Um diese geht es gar nicht,     Aspekte, über die man sich klar wer-
Dieses Ziel darf man nicht aus den         dann die richtige Hose gekauft habe,       sondern um Personen, bei denen ganz       den muss. So muss zum Beispiel jede
Augen verlieren. Denn man könnte           läuft ein langer Prozess ab, den ich als   schwierige Entscheide bezüglich           Institution im Stande sein, die Kosten
auch nur so tun, als ob, und dann sa-      Mensch mit Behinderung vielleicht          Lebensgestaltung anstehen und die         pro Kopf oder die Kosten pro Dienst-
gen, wir machen doch alles, dabei wird     zuerst lernen muss.                        einen hohen Unterstützungsbedarf          leistung zu ermitteln. Es braucht also
nur technokratisch Geld durch die                                                     haben. Die Subjektfinanzierung aner-      eine Deckungsbeitragsrechnung.
Gegend geschoben. Dann habe ich aber       BEDA MEIER                                 kennt diese Personen automatisch als
für das, worum es geht, nämlich die        Mit der Subjektfinanzierung erhält         freie, selbstbestimmte Menschen.          Dann wird sich die Ertragsstruktur
Person als Vertragssubjekt, als Hand-      eine Person zusätzlich zur IV-Rente                                                  verändern, weil neu die Person mit
lungssubjekt, überhaupt als Indivi-        finanzielle Mittel, um Integrations-       BEDA MEIER                                Behinderung mit einem Voucher oder
duum, als frei handelnde Person, die       dienstleistungen zu finanzieren. Er-       Im Zürcher Modell entscheidet eine        mit Geld den Ertrag generiert, mit dem
Entscheidungen treffen und auch wie-        halten bei der Subjektfinanzierung         unabhängige Stelle, wie viele Vouchers    ich wirtschaften muss, nicht mehr der
der in Frage stellen und natürlich auch    alle Personen gleich viel Geld?            eine Person erhält, um die notwendige     Kanton mit Leistungsbeiträgen. Je
Fehler machen darf, nicht viel gemacht.                                               Unterstützung für eine unabhängige        nachdem, was da in der Summe pas-
                                           ANGELA WYDER                               Lebensführung finanzieren zu kön-         siert, muss ich als Leistungserbringer
BEDA MEIER                                 Die Mittel werden dem Bedarf entspre-      nen. Hier ist Kritik und Widerstand       die betrieblichen Prozesse anpassen.
Im übertragenen Sinn: Wenn mein            chend gesprochen. Ein Kanton, der die      bis hin zu Rekursen voraussehbar. Wie
17-jähriger Sohn eine neue Hose            Subjektfinanzierung einführt, muss         geht man damit um?                        Die Subjektfinanzierung bedingt auch
braucht, kann ich die mit ihm kaufen       entscheiden, was als Unterstützungs-                                                 eine Veränderung in der Firmen-
gehen. Oder aber ich kann ihm einfach      bedarf anerkannt werden soll, als          CHRISTIAN LIESEN                          kultur. Man muss sich an die «andere
das Geld geben, damit er sie sich kau-     grundlegend für ein selbständiges Le-      Juristisches Geplänkel versucht man       Sicht» anpassen. Das ganze Unterneh-
fen kann.                                  ben. Die konkrete Handhabung ist si-       tunlichst zu vermeiden, indem die Zu-     men muss neu synchronisiert werden.
                                           cher anspruchsvoll. Mit Gutscheinen        gangs- und Leistungskriterien genau       Man muss sich bewusst sein, dass sich
CHRISTIAN LIESEN                           ist das wahrscheinlich am einfachsten      definiert werden. Zuerst geht es um die   mit der Subjektfinanzierung das ganze
Ja, das ist genau der Unterschied. Es      zu lösen. Der Kanton Zürich hat sich       Sinnhaftigkeit. Wenn es gelingt zu ver-   Umfeld verändert.
geschieht zwar das Gleiche – eine Hose     deshalb auch für ein Voucher-System        mitteln, was tatsächlich das Ziel ist,
wird gekauft. Aber die soziale Bedeu-      entschieden.                               dann hat man schon viel gewonnen.         Wir können also prophezeien: Bei
tung des Vorganges ist total anders                                                   Zudem muss das Gesetz mit klaren          einem solchen Systemwechsel werden
und es können andere Entscheidungen        CHRISTIAN LIESEN                           Definitionen klare Grenzen setzen und     alle hellwach sein und strategisch ak-
fallen. Das ist bei der Subjektfinanzie-   Diese Voucher werden gemäss dem            nicht allen Begehrlichkeiten nach-        tiv werden müssen.
rung auch so. Für Menschen mit Be-         persönlichen, behinderungsbedingten        geben. Das kann zu schmerzhaften
hinderung, die gewohnt sind, bestän-       Bedarf ausgestellt. Wenn eine Person       Einschränkungen führen. Ein Beispiel:
dig in der Abhängigkeit zu sein,           eine IV-Rente bezieht, heisst das noch     Im Kanton Zürich ist vorgesehen, Min-     NOTIERT: HERBERT BOSSHART
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
Valida   Nr. 11                                                                                                                                          Unternehmen
                                                                                                                                                                       5

         Alina Schweizer hat
     in ihrem Workshop mit
      zwölf Bewohnerinnen
      und Bewohnern deren
         Wünsche bezüglich
   Bezugsperson erarbeitet.

«Wenn ich meine Bezugs-
person backen könnte»
Alina Schweizer gehört zum Betreuungsteam der Valida und studiert parallel dazu Sozialpädagogik an
der Höheren Fachschule Agogis in St. Gallen. Im Rahmen ihrer Diplomarbeit ist sie innerhalb der Valida der
Frage nachgegangen, welche Vorstellungen und Wünsche Menschen mit Unterstützungsbedarf an ihre
Bezugsperson haben. Dabei ist sie auf interessante Erkenntnisse gestossen.

                               SUZANA CUBRANOVIC                           in der Regel fremdbestimmt, was so gar     der Bewohnerinnen und Bewohner be-
                                                                           nicht zum heutigen Leitbild der Valida     züglich ihrer Bezugsperson zu machen,
                               Die wichtigste Erkenntnis vorab: Ob-        passen will», sagt die angehende Sozial-   hat Alina Schweizer zuerst eine anony-
                               wohl über 80 Prozent der befragten Be-      pädagogin. Und nicht nur das. Es ent-      misierte Umfrage erhoben. Bereits der
                               wohnerinnen und Bewohner ihre Be-           spricht auch nicht den Wünschen der        Fragebogen habe sich als Herausforde-
                               zugsperson nicht selbst auswählen           Bewohnerinnen und Bewohner, wie            rung entpuppt. «Es war nicht einfach,
                               konnten, gaben insgesamt 97 Prozent         Alina Schweizers Umfrage ergeben hat.      die Fragen auf eine möglichst einfache
                               an, zufrieden mit ihrer Bezugsperson        88 Prozent der Befragten würden ihre       Sprache herunterzubrechen», sagt sie.
                               zu sein. «Darüber können wir uns sehr       Bezugsperson gerne selbst auswählen.       Überrascht und sehr erfreut war sie ab
                               freuen», sagt Alina Schweizer. Mit ihrer    Darüber hinaus möchten 93 Prozent          der hohen Teilnehmerzahl. «Schon
                               Diplomarbeit «Bezugspersonenarbeit          der Befragten, die Zusammenarbeit mit      zehn Tage nach der Zustellung per E-
                               im stationären Kontext» hat die 27-Jäh-     ihrer Bezugsperson gerne regelmässig       Mail an die Betreuungsteams hatte ich
                               rige, die seit neun Jahren in der Valida    bewerten. «Diese Erkenntnis kam auch       von 63 Bewohnerinnen und Bewoh-
                               tätig ist, einige wichtige Fragen aufge-    beim Betreuungsteam im Wohnhaus            nern die ausgefüllten Fragebogen vor-
                               worfen. «In den letzten Jahren hat sich     gut an; beim Wohnen mit Assistenz          liegen und 21 Personen erklärten sich
                               sehr vieles in der Valida geändert», sagt   wird solch ein regelmässiges Feedback      bereit, auch am nachfolgenden Work-
                               sie. In allen Bereichen wird darauf hin-    bereits teilweise umgesetzt», weiss Ali-   shop teilzunehmen», erzählt sie. Coro-
                               gearbeitet, dass Bewohnerinnen und          na Schweizer.                              nabedingt konnten letztlich nur zwölf
                               Bewohner so selbstbestimmt wie mög-                                                    Bewohnerinnen und Bewohner am
                               lich leben und arbeiten können. «Doch       Die Herausforderungen                      Workshop «Wenn ich meine Bezugs-
                               in der Wahl der Bezugsperson sind           Um sich ein aktuelles Bild über die Be-    person backen könnte» teilnehmen. Im
                               unsere Bewohnerinnen und Bewohner           zugspersonenarbeit und die Wünsche         Nachhinein war Alina Schweizer aus
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
6   Unternehmen                                                                                                                                           Valida   Nr. 11

                                         organisatorischen Gründen froh, wa-        lenden erkennen konnte», sagt Alina        dert, sich zu überlegen, wo Verbesse-
                                         ren es nicht mehr Teilnehmende:            Schweizer.                                 rungen möglich wären. Ebenfalls
                                         «Gleich zu Beginn startete eine rege                                                  informiert ist die Ressortleitung. So-
                                         Diskussion, alle redeten wild drauflos,    Die nächsten Schritte                      bald das Projekt zur Betreuungsquali-
                                         sie hatten viel zum Thema zu sagen –       Ihre Diplomarbeit hat Alina Schweizer      tät (siehe Box) abgeschlossen ist, sieht
                                         ich kam gar nicht nach mit aufschrei-      mittlerweile eingereicht und bestan-       Alina Schweizer Potenzial, die Wahl
                                         ben.» Erst nachdem sie miteinander         den. Doch für die Bewohnerinnen und        der Bezugsperson als weiteren Schritt
                                         eine Rede-Reihenfolge vereinbart hat-      Bewohner hat sich bezüglich ihrer          in Richtung selbstbestimmtes Leben zu
                                         ten, konnten alle Teilnehmenden nach-      Möglichkeiten, die Betreuungsperson        prüfen. Als Fazit hält sie fest: «Es ist
                                         einander ihre Wünsche nennen. «Das         selbst zu wählen noch nichts geändert.     wichtig, immer wieder zu hinterfra-
                                         ging so lange, bis niemand mehr etwas      Nach wie vor hängt die Zuteilung vor       gen, ob die aktuelle Situation noch für
                                         zu sagen hatte», erzählt die Workshop-     allem davon ab, welche Betreuungsper-      alle Beteiligten stimmt. Und stimmt sie
                                         Leiterin. Im Anschluss konnten die         son zum betreffenden Zeitpunkt noch         nicht mehr, braucht es Mut, um das
                                         Teilnehmenden ihre «Wunsch-Bezugs-         freie Kapazität hat. Die Betreuungs-       auch auszusprechen. Das ist der erste
                                         personen» malen. «Dabei ist mir aufge-     teams wurden von Alina Schweizer           Schritt Richtung Veränderung.»
                                         fallen, dass ich in vielen dieser Bilder   über die Erkenntnisse aus ihrer Dip-
                                         die aktuellen Bezugspersonen der Ma-       lomarbeit informiert und aufgefor-

                m ili a no P                                                               e r H a ll er
              E             a                                                         th
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                                                       lo

       64 Jahre alt, lebt seit 2018 mit Betreuung im                        64 Jahre alt, lebt seit 2018 im betreuten Wohnhaus.                        56 Jahre alt, arbeitet seit 2
                         Wohnhaus.                                                                                                                          lebt seit 2019 im betre
                                                                              Ich wünsche mir zu meiner Bezugsperson guten
    Für mich ist wichtig, dass meine Bezugsperson mich                         Kontakt, dass sie sich für mich einsetzt. Sie soll                        Wenn ich wählen könnt
     genauso akzeptiert wie ich sie. Ob Mann oder Frau                           für mich da sein, mir zuhören, aber mir auch                        wählen, meine aktuelle Bezu
       ist mir egal, ich komme mit allen gut klar. Sie                       erklären, wie es mit den Finanzen steht, ohne dass                          meine Medikamente un
                 meinen es alle gut mit uns.                                   ich es verlangen muss. Ich bevorzuge jemanden                         alles, ich muss mir um nicht
                                                                                   in meinem Alter, lieber eine Frau, dann                              Er ist freundlich, zuverlä
                                                                               könnten wir auch gemeinsam einkaufen gehen.                            mit mir. Er kann von meine
                                                                            Es wäre schön, wenn meine Bezugsperson mehr Zeit                                             ich brau
                                                                              für mich hätte, um spazieren zu gehen, etwas zu
                                                                            unternehmen oder auch, um mir bei meinem Hobby,
                                                                                          der Handarbeit, zu helfen.
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
Valida   Nr. 11                                                                                                                                Unternehmen
                                                                                                                                                                            7

            DAS PROJEKT VOR DEM PROJEKT
            Die Idee zur Diplomarbeit entstand aus dem Projekt «Betreuungsqualität», das
            Alina Schweizer seit Mai 2020 leitet. «Ich erhielt damals den Auftrag von der
            Ressortleitung, weil gewisse Abläufe in der Betreuung auf Angestelltenseite nicht
            einheitlich gehandhabt werden respektive diese nicht allen Betreuungspersonen
            klar sind», sagt die 27-Jährige. So fing sie an, mit ihrem vierköpfigen Projektteam die
            Betreuungsqualität in der Valida unter die Lupe zu nehmen. Mit dem Ziel, eine klar
            verständliche Grundlage für die Betreuungsarbeit in der Valida zu schaffen, die sich
            in allen sechs Wohngruppen und den drei Betreuerteams einheitlich umsetzen
            lässt. Rasch zeigten sich unterschiedliche Haltungen und Wissensstände in den
            verschiedenen Betreuerteams. Und das, obwohl ein umfassendes Konzept existiert.
            Mitten im Evaluationsprozess geriet Alina Schweizer ins Stutzen. «Wenn die
            Bezugspersonenarbeit schon auf Angestelltenebene unklar ist, was wissen dann die
            Bewohnerinnen und Bewohner darüber?», fragte sie sich. Diese Frage war aus-
            schlaggebend für ihre Diplomarbeit, in der sie sich mit den Wünschen und Erwar-
            tungen der Bewohnerinnen und Bewohner an ihre Bezugsperson auseinandersetzte.

          Ur                                                              eyes                                                  C y r i ll Ba u
            s                                                           R
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                               er

eit 20 Jahren in der Valida,                             20 Jahre alt, seit August 2017 in der Valida, lebt in   31 Jahre alt, seit bald zwölf Jahren in der Valida, lebt
betreuten Wohnhaus.                                       einer Wohngemeinschaft mit Wohnassistenz.                in einer Wohngemeinschaft mit Wohnassistenz.

önnte, würde ich Ramon                                         Ich komme grundsätzlich alleine klar,               Ich wünsche mir eine weibliche Bezugsperson,
 Bezugsperson. Er bringt mir                               aber manchmal habe ich schlechte Gedanken,               weil ich mit Frauen besser klarkomme als mit
 e und kümmert sich um                                       dann brauche ich jemanden, der mir hilft.           Männern. Frauen nehmen sich mehr Zeit, um Fragen
nichts mehr Sorgen machen.                                 Ob Mann oder Frau, jung oder alt ist mir egal,          zu beantworten und reden grundsätzlich mehr,
verlässig und spricht viel                                   die Person ist wichtig. Sie muss lustig sein,       ich mag das. Mir ist wichtig, dass meine Bezugsper-
meinen Lippen ablesen, was                                 zuverlässig und sie muss gut zuhören können.          son zuverlässig ist, dass sie genug Zeit für mich hat,
brauche.                                                             Die Chemie muss stimmen.                         um mir zu zeigen, wie ich meine Probleme
                                                                                                                  selbst lösen kann. Schön wäre auch, wenn sie sich
                                                                                                                    Zeit nimmt, um mit mir einen Spaziergang zu
                                                                                                                 machen. Ein Plus wäre, wenn sie backen könnte. Ich
                                                                                                                  würde gerne lernen, wie man einen Kuchen backt.
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
8    Pilotprojekt «selber haushalten»                                                                                                          Valida      Nr. 11

                                 Mit dem Ferrari
                                   in die Migros
                                   Mehr Selbstbestimmung, mehr Teilhabe und mehr Zufrieden-
                                         heit – das bringt das Pilotprojekt «Selber haushalten»,
                                   das seit Januar 2020 im Wohnhaus der Valida läuft. An einem
                                              Donnerstagabend im April heisst es darum für zwei
                                     Bewohner des dritten und vierten Stockwerks: Kochen und
                                                                              einkaufen für alle.

André Schnetzer bereitet den z'Nacht vor.

                                                                                                                  Betreuer Basil Hegner unterstützt beim
                                                                                                                  Einkaufen, nur wenn nötig.

                                                                       SUZANA CUBRANOVIC                          Temperaturen im Raum erinnern an
                                                                                                                  einen schwülen Sommertag. Eine Be-
                                                                       «Da kommt ja unser Koch», ruft jemand      wohnerin kommt rein: «Du hast den
                                                                       durch den vierten Stock im Wohnhaus        Dampfabzug vergessen, darf ich Dir
                                                                       der Valida. Die Lifttüre öffnet sich und    kurz helfen, Felix?» Dieser bejaht und
                                                                       hinter dem Rollator wird ein schlanker     lässt sich zeigen, wie es geht. «Danke,
                                                                       grosser Mann sichtbar. Er trägt eine       jetzt ist es besser, sonst wäre wohl
Felix Duttweiler hat heute Küchendienst.                               Vintage-Jeans, eine blaue Sweatshirt-      noch die Feuerwehr aufgetaucht», sagt
                                                                       Jacke mit einem Captain-America-Auf-       er, lacht und wendet die Schnitzel.
                                                                       druck und ein spitzbübisches Lächeln
                                                                       im freundlichen Gesicht. Felix Dutt-       Ein Geben und Nehmen
                                                                       weiler kocht heute im vierten Stock des    Gegenüber der Einbauküche befindet
                                                                       betreuten Wohnens. Und zwar für alle       sich der Esstisch und dahinter die
                                                                       acht Bewohnerinnen und Bewohner.           grosse Fensterfront, die den Blick frei
                                                                       «Der Jahrmarkt fällt zwar aus, aber        gibt auf die Abendsonne, die sich wie
                                                                       Schnitzelbrot gibt’s trotzdem», freut er   eine rosa Decke auf den Westen der
                                                                       sich. Wer kocht, darf auch das Essen an    Stadt gelegt hat. An einer Seite des Ess-
                                                                       diesem Abend bestimmen. Der 48-Jäh-        tisches sitzen zwei Bewohner, die sich
                                                                       rige streift seine Captain-America-        über ihren Tag unterhalten. An der
                                                                       Jacke ab und steht kurz darauf vor dem     anderen Seite sitzt eine junge Frau, die
                                                                       Herd. In einer grossen Pfanne hat er Öl    Gurken für den Salat schneidet. Gina
                                                                       erhitzt und brät nun die panierten         Facen arbeitet seit 2008 als Betreuerin
                                                                       Schnitzel an. Der Duft nach Abendbrot      in der Valida. Das Projekt «Selber
                                                                       lockt die ersten Bewohner an: «Wann        haushalten» komme bei den Bewohne-
                                                                       gibt’s Essen?» «Um Viertel vor sechs»,     rinnen und Bewohnern sehr gut an.
Wochenplan in der Wohngruppe.                                          kommt die Antwort vom Koch. Die            «Sie werden viel mehr in den Alltag
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
Valida   Nr. 11                                                                                                                   Pilotprojekt «selber haushalten»
                                                                                                                                                                       9

                                                                                                                                         ALLTAGSPRAKTISCHE
                                                                                                                                         BILDUNG
                                                                                                                                         Seit Januar 2020 kümmern
                                                                                                                                         sich die Bewohnerinnen und
                                                                                                                                         Bewohner des dritten und
                                                                                                                                         vierten Stockwerks im betreu-
                                                                                                                                         ten Wohnen auch selbst um
                                                                                                                                         die Reinigung ihrer Zimmer
                                                                                                                                         und Gemeinschaftsräume.
                                                                                                                                         Jeweils einen halben Tag pro
                                                                                                                                         Woche werden sie von der
                                                                                                                                         Arbeit beurlaubt. Dann heisst es:
                                                                                                                                         staubsaugen, wischen, aufräu-
                                                                                                                                         men, einkaufen und kochen.
                                                                                                                                         Da zehn Prozent weniger
                                                                                                                                         gearbeitet wird, reduziert sich
                                                                                                                                         auch der Lohn der Bewohnerin-
                                                                                                                                         nen und Bewohner entspre-
                                                                                                                                         chend. Trotzdem wird die all-
                                                                                                                                         tagspraktische Bildung weitge-
                                                                                                                                         hend begrüsst.

einbezogen, können selbst entschei-       rinnen und Bewohner vom vierten           Bach um die Ecke. Die drei Männer         los. Plötzlich steht Felix Duttweiler
den, was sie essen, kochen abwech-        Stock am Esstisch, vor sich ein frisch    steigen aus, montieren die obligate       allein mit seinem Ferrari da: «Wo sind
selnd, jeweils am Dienstagnachmittag      aufgebackenes Baguette, gefüllt mit       Hygienemaske und los geht’s. Mit dabei    die denn hin?» Während Basil Hegner
und am Donnerstagabend wird einge-        Schnitzel und Saucen, dazu gibt’s Gur-    ist Felix Duttweilers Ferrari, wie er     nochmals zurück zum Gemüse ist, um
kauft und jede Woche backen wir           kensalat. Der Tischrunde scheint es zu    seinen Rollator nennt. Während der        die vergessenen «Potatoes» zu holen,
einen Zopf», sagt sie und schnippelt      schmecken. «Ich bin immer sehr zu-        Betreuer die Einkaufsliste hervorholt,    unterhält sich der sonst eher ruhige
weiter. Einmal wöchentlich findet eine    frieden, wenn Felix kocht», sagt die      besorgt der 47-Jährige André Schnet-      André Schnetzer mit einer attraktiven
Stocksitzung statt. Dann wird abge-       Frau, die ihm zuvor mit dem Dampf-        zer einen Einkaufswagen. Er trägt         jungen Frau. «Dich habe ich hier noch
macht, wer wann was kocht und wer         abzug geholfen hat. Die anderen nicken    sein Haar kurz, dazu Brille, eine dun-    nie gesehen», sagt sie sichtlich erfreut.
mit Einkaufen an der Reihe ist, ein Me-   zustimmend. Nach dem Essen ziehen         kelblaue Jeans und einen grauen Hoo-      Nach einem kurzen Gespräch verab-
nüplan mit einem Bild der Tagesköchin     sich einige auf ihr Zimmer zurück,        dy mit Valida-Aufdruck. «Jetzt brau-      schiedet sich die Frau und der 47-Jäh-
oder des Tageskochs hängt an der          eine Bewohnerin legt sich aufs Sofa im    chen wir Lauch», liest der 27-jährige     rige klärt seine zwei fragend dreinbli-
Wand.                                     Gemeinschaftsraum, jemand raucht          Betreuer von der Liste ab und André       ckenden Begleiter auf: «Das war meine
                                          eine Zigarette auf dem Balkon. Felix      Schnetzer holt das Gemüse, legt es in     Schwimmlehrerin.» Nach einer knap-
Wie eine grosse Familie                   Duttweiler dagegen hat Jacke und          den Einkaufswagen. Während der            pen Stunde, sind die Einkäufe auf vier
Langsam füllt sich die Küche, die Be-     Schuhe montiert, denn seine Pflicht ist   Dritt-Stock-Bewohner das Gemüse be-       Taschen verteilt und sicher verstaut im
wohnerinnen und Bewohner plaudern         noch nicht getan. «Jetzt geht’s zum       sorgt, holt der Viert-Stock-Bewohner      Valida-Kombi. Immer noch gut gelaunt
und lachen, jemand deckt den Tisch,       Wocheneinkauf», sagt er. Mit dabei        das Brot und der Betreuer unterstützt,    steigt das Dreiergespann ein und
eine Frau sucht ihre Brille. Und dann     sind Betreuer Basil Hegner und André      wenn nötig, mit anleitenden Worten        macht sich auf den Heimweg.
fragt jemand: «Hämer chli verspötig?»     Schnetzer, der heute im dritten Stock     wie «jetzt kannst du 530 eingeben»,
Felix Duttweiler hat mittlerweile eine    Apfelfladen für alle gebacken hat und     «das ist Spinat, wir wollten Erbsen»
ganze Platte voll mit Schnitzelbrot in    gerade aus dem Lift tritt.                oder «du kannst gleich das Brot holen
den Ofen zum Warmhalten gelegt:                                                     und in deinen Ferrari packen». Später
«Noch fünf Minuten, dann sind die         Pflichten und Freuden                     steht der Ferrari-Fahrer vor dem Haus-
letzten Schnitzel goldbraun.» Wenig       Kurze Zeit später kurvt der weisse        haltpapier: «Sollen wir das noch ab-
später sitzt der Grossteil der Bewohne-   Valida-Kombi in der Garage der Migros     stauben?» Die drei prusten gleichzeitig
Das soziale Unternehmen - Nr.11 Juni2021 - Valida
10   Das Bild   Valida   Nr. 11
Valida   Nr. 11

Geschäftsbericht 2020

Unruhige Zeiten                                  übernehmen konnten. So dürfen wir          im oberen fünfstelligen Frankenbe-          und besser wertgeschätzt gefühlt
Anfangs Februar 2020 gingen gespens-             rückblickend dankbar feststellen: Die      reich zu rechnen ist.                       haben, zwei Faktoren, die nicht nur bei
tische Bilder und Videos aus China um            Valida hat das Mammutprogramm sehr                                                     Menschen mit Unterstützungsbedarf
die Welt. Innerhalb von acht Tagen               gut gemeistert. Sie konnte ihre Integra-   Deutlich höhere Zufriedenheit               für Zufriedenheit und Glück sorgen.
stampfte die Regierung dort ein Spital           tionsdienstleistungen für Menschen         der Menschen mit Unterstützungs-
mit 1000 Betten für Covid-19-Patienten           mit Unterstützungsbedarf durch-            bedarf                                      Herzlichen Dank
aus dem Boden. Wenig später erreichte            gehend anbieten und produzierte für        Erfreulich ist die durchwegs höhere         Zum Schluss danken wir all jenen, wel-
die Pandemie auch die Schweiz. Für die           die Privat- und Geschäftskunden ohne       Zufriedenheit der Menschen mit Unter-       che zur erfolgreichen Navigation durch
Valida brachen unruhige Zeiten an.               Unterbrechungen. Sie hatte zwar ver-       stützungsbedarf mit den Dienstleistun-      das Pandemiejahr 2020 beitrugen.
Fast täglich diktierte die Seuche neue           einzelt Covid-19-Fälle zu verzeichnen,     gen der Valida. Im Arbeitsbereich nahm      Dazu gehören die Mitarbeitenden so-
betriebliche Umstellungen. Vom Be-               jedoch nie einen internen Infektions-      der Prozentsatz der Zufriedenen und         wie Bewohnerinnen und Bewohner
suchsverbot im Wohnhaus über dop-                herd, keine schweren Krankheitsver-        sehr Zufriedenen von 80% auf 90% zu,        die unsere Dienstleistungen nutzen,
pelte Mittagessenszeiten mit einem zu-           läufe und keinen Todesfall.                mit einem Anstieg bei den sehr Zufrie-      ihre Angehörigen, die Angestellten in
sätzlichen Personalrestaurant zur                                                           denen um 15%. Die gleiche Entwicklung       den Betrieben und im Wohnen, welche
Arbeitsdispens für Personen mit ge-              Unternehmerische Risiken                   zeigte sich im Wohnbereich, wo die          die Leistungen des Unternehmens
sundheitlichen Vorbelastungen, zur               Ein Wermutstropfen waren die finan-        Summe der Zufriedenen und sehr Zu-          mitgestalteten und prägen, die Mit-
Kurzarbeit und zu veränderten                    ziellen Belastungen durch die Pande-       friedenen von 83% auf 91% stieg, mit        glieder der Geschäftsleitung, die Mit-
Arbeitszeiten, zu neuen Regeln für die           mie. Die zusätzlichen Kosten für die       gleichzeitiger Halbierung der Prozent-      glieder des Vorstands mit ihrer umsich-
Handhygiene mit dem Ersatz aller texti-          Schutzmassnahmen beliefen sich auf         zahl bei den nur durchschnittlich Zu-       tigen Unterstützung, die öffentliche
len Handtücher durch Papier, zu                  rund CHF 250'000. Gleichzeitig brach       friedenen von 16% auf 8%. Möglicher-        Hand mit ihren Leistungsaufträgen
Händedesinfektionsstationen an allen             der Nettoumsatz im Vergleich zum Vor-      weise hat die Pandemie im ganzen            und nicht zuletzt die KMU- und priva-
Eingängen, zur laufenden Kontakt-                jahr um rund CHF 750’000 ein. Dank         Unternehmen zu einer höheren Auf-           ten Kunden, welche mit ihren Produk-
flächendesinfektion, zum Fernunter-              frühzeitig eingeleiteten Sparmassnah-      merksamkeit für den Teilhabeprozess         tions- und Dienstleistungsaufträgen
richt an der Berufsschule, zu regel-             men gelang es, im Ergebnis trotzdem        geführt, zu einer höheren Aufmerk-          einen sozialen Mehrwert in der Gesell-
mässigem Lüften und zur Anschaffung               eine schwarze Null zu schreiben.           samkeit für und einer intensiveren          schaft schaffen.
von Luftreinigern, zu einem zusätz-              Die Umsetzung der Unternehmensstra-        Kommunikation mit den Menschen mit
lichen Atelierstandort für die Einhal-           tegie macht Fortschritte. Das Garten-      Unterstützungsbedarf. Dadurch dürf-
tung der Distanzregeln, zur flächende-           team bezog einen neuen Standort,           ten sich diese stärker wahrgenommen         Martin Rutishauser und Beda Meier
ckenden Aufrüstung der IT-Infra-                 der das geplante Wachstum ermöglicht.
struktur für Videomeetings bis zum               Für die Wäscherei wurde ein Umzugs-
Maskenobligatorium in allen Räum-                projekt in neue interne Räumlichkeiten
lichkeiten.                                      erarbeitet, wo grosszügigere Platzver-
                                                 hältnisse und eine zeitgemässe Infra-
Kommunikation als Schlüssel zur                  struktur realisiert werden können.
Bewältigung der Pandemie                         Dem Ressort Wohnen gelang es, die
Als wichtigster Faktor bei der Umset-            Teilhabemöglichkeiten der Bewohne-
zung all dieser Massnahmen erwies                rinnen und Bewohner im Wohnhaus
sich die Kommunikation. Die Leitung              spürbar zu erhöhen.
des Unternehmens schenkte ihr von                Einen Dämpfer erlitt die Valida beim
Beginn weg besondere Aufmerksam-                 Erschliessen eines neuen Geschäftsfel-
keit mit dem Ergebnis, dass alle in der          des für die Schreinerei, wo sich ein
Valida immer gut informiert waren,               vielversprechendes Projekt nicht reali-
kooperierten und Verantwortung                   sieren liess und mit einem Abschreiber     Martin Rutishauser, Präsident            Beda Meier, Direktor

Die Wäscherei der Valida bietet hervorragenden Full Service.
12    Geschäftsbericht 2020                                                                                                                                      Valida   Nr. 11

Lagebericht
Valida 2020

Die Trägerschaft                             pensum beläuft sich auf 80%.
Die Trägerschaft des sozialen Unter-         Stabile Nachfrage nach Integra-
nehmens Valida liegt beim Verein             tionsdienstleistungen
Valida. Sein Zweck ist es, Integrations-     Die Nachfrage nach den Integrations-
dienstleistungen im Arbeits-, Wohn-          dienstleistungen der Valida im Ge-
und Freizeitbereich für Menschen mit         schäftsfeld Arbeit/Bildung/Integra-
Unterstützungsbedarf zu erbringen;           tion war insgesamt stabil. Die Aus-
Arbeits-, Ausbildungs- und Wohn-             lastung des Arbeitsangebots für Men-
plätze für Menschen mit Unterstüt-           schen mit Unterstützungsbedarf lag
zungsbedarf bereitzustellen und zu           im Jahresdurchschnitt bei 97 % (Vor-
vermitteln; Marktleistungen für Ge-          jahr 97.5%), jene bei den Ausbildungen
werbe, Handel, Industrie und Private         bei 88% (Vorjahr 90%). Ein deutlicher
anzubieten sowie Legate und Fonds            Anstieg ergab sich bei den IV-finan-
zugunsten von Menschen mit Unter-            zierten Integrationsmassnahmen IM.
stützungsbedarf zu verwalten.                Die Auslastung im Geschäftsfeld Woh-
                                             nen lag im Jahresdurchschnitt über
Vereinsvorstand und                          100%. Die Dienstleistungen wurden
Geschäftsleitung                             per Stichtag 31.12.2020 von 85 Perso-
Der Verein Valida wird von Martin            nen in Anspruch genommen, darunter
Rutishauser präsidiert. Die weiteren         2 Jugendliche.
Vorstandsmitglieder sind Barbara Fon-        An der Valida Berufsschule besuchten
tanellaz (Vorsitz Agogikausschuss),          60 Jugendliche (Vorjahr 57), die in
Edith Gitermann, Astrid Haller, Dieter       einem der Validabetriebe oder ausser-
Herzmann, Willi Kleeli (Vorsitz Perso-       halb der Valida eine Ausbildung absol-
nal- und Organisationsausschuss),            vieren, den Berufsschulunterricht.
Christian Poerschke (Vorsitz Finanz-         Das Weiterbildungsangebot der Valida
und Prüfungsausschuss), Kristofer            wurde von 216 Erwachsenen (Vorjahr
Roelli, Stefan Schindler und Andreas         204) wahrgenommen. Die Zunahme im
Tobler. Auf Ende Jahr trat Barbara Fon-      Vergleich zum Vorjahr erklärt sich vor
tanellaz aus dem Vorstand zurück.            allem durch den Ausbau der alltags-
Die operative Gesamtverantwortung            praktischen Bildung für Bewohnerin-
liegt bei Beda Meier. Er wird im Ge-         nen und Bewohner, die mit diesem An-
schäftsleitungsgremium durch die             gebot ihre Selbständigkeit bei der
Ressortleitenden Andreas Kiebler             Gestaltung des persönlichen Wohn-
(Produktion), Barbara Koller-Winter          und Lebensraums weiterentwickeln
(Facility Management), Martin Mock           (Einkaufen, Kochen, Haushalten, Frei-
(Arbeit, Bildung, Integration), Daniel       zeit gestalten).
Naef (Verwaltung) und Doris Schwei-
zer (Wohnen) unterstützt. Barbara            Umsatzrückgang bei Produktion
Koller-Winter verliess die Valida Ende       und Dienstleistungen
Mai. Ihre Stelle blieb vakant, da die        Bei der Auftragslage im Geschäftsfeld
finanziellen Folgen der Coronapande-         Produktion und Dienstleistungen hin-                   Die Valida verfügt über zwei Lebensmittelräume,
mie Mitte Jahr nicht absehbar waren.         terliess die Coronapandemie deutliche                  einen Raum für maschinelles Abfüllen sowie zwei Kühllager.
                                             Spuren. Der Umsatz ging im Vergleich
Personalbestand rückläufig                   zum Vorjahr um rund 10% zurück. Be-
Die Zahl der Vollzeitstellen für Perso-      sonders betroffen waren die Betriebe
nal ohne Sozialversicherungs- oder           Schreinerei, Metall, Lettershop und
Sozialhilfeleistungen ging im Ver-           Wäscherei.                               che Entwicklung zeigt sich im Wohn-          der Chancen verbesserte. Die Fort-
gleich zum Vorjahr per Stichtag                                                       bereich, wo die Summe der Zufriede-          schritte in der Umsetzung der Unter-
31.12.2020 um 4 % auf 140 zurück. Die        Freizeit-, Sport- und                    nen und sehr Zufriedenen von 83% auf         nehmensstrategie scheinen sich zu be-
Stellen waren durch 173 Angestellte          Kulturangebote                           91% stieg, mit einer Halbierung der          währen. Die höchsten Risiken bestehen
besetzt. Die Personalreduktion wurde         Die Sport- und Kulturaktivitäten, die    Prozentzahl bei den durchschnittlich         bei der optimalen Verknüpfung der
durch den coronabedingten Nach-              das Unternehmen den Personen mit         Zufriedenen von 16% auf 8%.                  Teilhabe- und der Produktionspro-
fragerückgang im Geschäftsfeld Pro-          Unterstützungsbedarf in der Freizeit                                                  zesse sowie bei der IT. Die grössten
duktion und Dienstleistungen verur-          ermöglicht, mussten coronabedingt        Rezertifizierung ISO 2001/2015               Chancen liegen für das Unternehmen
sacht. Der Abbau erfolgte über die           stark eingeschränkt werden. Einzig       Im November 2020 fand die ISO-Rezer-         bei der Spezialisierung und Individua-
Personalfluktuation und eine Reduk-          die Sportvereine mit Outdooraktivitä-    tifizierung statt. Die Valida bestand die    lisierung ihrer Dienstleistungen und
tion bei den Aushilfsstellen.                ten konnten zeitweise ein reduziertes    Rezertifizierung, ohne dass Abwei-           Produkte und der konsequenten
Die Zahl der Vollzeitstellen für Perso-      Trainingsangebot aufrechterhalten.       chungen, welche eine Nacharbeit er-          Orientierung an der Teilhabe von
nal mit Sozialversicherungs- oder                                                     fordert hätten, festgestellt wurden.         Menschen mit Unterstützungsbedarf.
Sozialhilfeleistungen, einschliesslich       Zufriedenheit der Menschen mit           Gleichzeitig mit dem ISO-Zertifikat
der Praktikums- und Ausbildungs-             Unterstützungsbedarf steigt              wurde auch die Erfüllung der Basis-          Entwicklungen
plätze, war ebenfalls leicht rückläufig      Die alljährliche Zufriedenheitser-       qualität nach dem SODK Ost+ Standard         Die Bewältigung der Coronapandemie
und belief sich auf 267 (–2.5% zum Vor-      hebung bei den Menschen mit Unter-       für die Betreuungsleistungen positiv         band im vergangenen Geschäftsjahr so
jahr) die von 341 Personen genutzt           stützungsbedarf, welche die Integra-     bestätigt.                                   viele Ressourcen, dass Entwicklungs-
wurden. Der gesamte Personalbestand          tionsdienstleistungen der Valida in                                                   projekte verzögert wurden. Gleich-
belief sich per Stichtag auf 407 Vollzeit-   An-                                      Mehr Chancen als Risiken                     wohl wurde das Modell zur Messung
stellen mit insgesamt 514 Arbeitneh-         spruch nehmen, spiegelt eine erfreu-     In der Gesamtbeurteilung der Chan-           und Steuerung der Integrationsdienst-
menden.                                      liche Entwicklung. Sowohl im Arbeits-    cen- und Risiko-Landschaft der Valida        leistungen «Teilhabe messen und steu-
Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten         als auch im Wohnbereich stieg die        durch den Vorstand und die Geschäfts-        ern» definitiv eingeführt und geschult.
unter den Personen mit Unterstüt-            Zufriedenheit markant an. Im Arbeits-    leitung überwogen die Chancen des            Bei der Pflege und Weiterentwicklung
zungsbedarf nahm erneut leicht zu.           bereich nahm der Prozentsatz der Zu-     Unternehmens seine Risiken wieder-           der Unternehmenskultur verlagerten
Noch ein Drittel arbeitete in einem          friedenen und sehr Zufriedenen von       um deutlich. Verglichen mit dem Vor-         sich die Aktivitäten zur Stärkung der
Vollzeitpensum, zwei Drittel Teilzeit.       80% auf 90% zu, mit einem Anstieg bei    jahr gingen die Risiken insgesamt zu-        «Dialogischen Führung und Kultur» in
Das durchschnittliche Anstellungs-           den sehr Zufriedenen um 15%. Die glei-   rück, während sich die Einschätzung          Kleingruppen und auf Onlinemeetings
Valida   Nr. 11                                                                                                         Geschäftsbericht 2020
                                                                                                                                                     13

                                                                                     Revisionsbericht der OBT AG

                                                                                     Bericht der Revisionsstelle
                                                                                     an die Mitgliederversammlung der
                                                                                     Valida
                                                                                     9000 St. Gallen

                                                                                     Als Revisionsstelle haben wir die beiliegende Jahresrechnung der
                                                                                     Valida bestehend aus Bilanz, Erfolgsrechnung, Geldflussrechnung
                                                                                     und Anhang für das am 31. Dezember 2020 abgeschlossene
                                                                                     Geschäftsjahr geprüft. Die Prüfung wurde am 12. März 2021
                                                                                     abgeschlossen.
                                                                                     Verantwortung des Vorstandes
                                                                                     Der Vorstand ist für die Aufstellung der Jahresrechnung in
                                                                                     Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften und den
                                                                                     Statuten verantwortlich. Diese Verantwortung beinhaltet die
                                                                                     Ausgestaltung, Implementierung und Aufrechterhaltung eines
                                                                                     internen Kontrollsystems mit Bezug auf die Aufstellung einer
                                                                                     Jahresrechnung, die frei von wesentlichen falschen Angaben als
                                                                                     Folge von Verstössen oder Irrtümern ist. Darüber hinaus ist der
                                                                                     Vorstand für die Auswahl und die Anwendung sachgemässer
                                                                                     Rechnungslegungsmethoden sowie die Vornahme angemessener
                                                                                     Schätzungen verantwortlich.
                                                                                     Verantwortung der Revisionsstelle
                                                                                     Unsere Verantwortung ist es, aufgrund unserer Prüfung ein
                                                                                     Prüfungsurteil über die Jahresrechnung abzugeben. Wir haben
                                                                                     unsere Prüfung in Übereinstimmung mit dem schweizerischen
                                                                                     Gesetz und den Schweizer Prüfungsstandards vorgenommen.
                                                                                     Nach diesen Standards haben wir die Prüfung so zu planen und
                                                                                     durchzuführen, dass wir hinreichende Sicherheit gewinnen, ob die
                                                                                     Jahresrechnung frei von wesentlichen falschen Angaben ist.
                                                                                     Eine Prüfung beinhaltet die Durchführung von Prüfungshandlun-
                                                                                     gen zur Erlangung von Prüfungsnachweisen für die in der Jahres-
                                                                                     rechnung enthaltenen Wertansätze und sonstigen Angaben. Die
                                                                                     Auswahl der Prüfungshandlungen liegt im pflichtgemässen
                                                                                     Ermessen des Prüfers. Dies schliesst eine Beurteilung der Risiken
                                                                                     wesentlicher falscher Angaben in der Jahresrechnung als Folge
                                                                                     von Verstössen oder Irrtümern ein. Bei der Beurteilung dieser
                                                                                     Risiken berücksichtigt der Prüfer das interne Kontrollsystem,
                                                                                     soweit es für die Aufstellung der Jahresrechnung von Bedeutung
                                                                                     ist, um die den Umständen entsprechenden Prüfungshandlungen
                                                                                     festzulegen, nicht aber um ein Prüfungsurteil über die Wirksam-
                                                                                     keit des internen Kontrollsystems abzugeben. Die Prüfung
                                                                                     umfasst zudem die Beurteilung der Angemessenheit der ange-
                                                                                     wandten Rechnungslegungsmethoden, der Plausibilität der
                                                                                     vorgenommenen Schätzungen sowie eine Würdigung der Gesamt-
                                                                                     darstellung der Jahresrechnung. Wir sind der Auffassung, dass
                                                                                     die von uns erlangten Prüfungsnachweise eine ausreichende und
                                                                                     angemessene Grundlage für unser Prüfungsurteil bilden.

                                                                                     Prüfungsurteil
                                                                                     Nach unserer Beurteilung entspricht die Jahresrechnung für das
                                                                                     am 31. Dezember 2020 abgeschlossene Geschäftsjahr dem
der Kaderangestellten mit einem zeit-     bei der anspruchsvollen Umstellung         schweizerischen Gesetz und den Statuten.
lich stark gestreckten Fahrplan. Auch     des Unternehmens auf das Leben mit
bei der Gesamterneuerung des IT-ERP-      SARS-CoV-2. Obwohl auch bei Valida         Berichterstattung aufgrund weiterer gesetzlicher Vorschriften
Systems konnten von den geplanten         vereinzelt positive Fälle zu verzeich-     Wir bestätigen, dass wir die gesetzlichen Anforderungen an die
zehn Abacusmodulen sieben Module          nen waren, ergab sich nie eine Infek-      Zulassung gemäss Revisionsaufsichtsgesetz (RAG) und die
implementiert und abgeschlossen wer-      tionskette innerhalb des Unterneh-         Unabhängigkeit (Art. 728 OR) erfüllen und keine mit unserer
den (Finanzen, Lohn, CRM, ABEA, PPS,      mens, weder im Wohn- noch im               Unabhängigkeit nicht vereinbaren Sachverhalte vorliegen. In
Zeiterfassung, E-Business). Ebenfalls     Arbeitsbereich.       Glücklicherweise     Übereinstimmung mit Art. 728a Abs. 1 Ziff. 3 OR und dem Schwei-
abgeschlossen wurde die Einführung        blieben bei Valida alle von schwerwie-     zer Prüfungsstandard 890 bestätigen wir, dass ein gemäss den
des neuen QMS-Systems Limsophy und        genden Krankheitsverläufen und             Vorgaben des Vorstands ausgestaltetes internes Kontrollsystem
die Absicherung der IT-Infrastruktur      Todesfällen verschont.                     für die Aufstellung der Jahresrechnung existiert.
mit einem zweiten Rechenzentrum.
Nach Plan lief auch die Vorbereitung      Zukunftsaussichten                         Wir empfehlen, die vorliegende Jahresrechnung zu genehmigen.
der Nationalen Sommerspiele von Spe-      Bezogen auf das finanzielle Ergebnis
cial Olympics Switzerland, die im Jahr    des Unternehmens verlief das Ge-
2022 unter der Federführung der           schäftsjahr 2020 besser als erwartet,
Valida in St. Gallen durchgeführt wer-    obwohl das anvisierte Umsatzziel nicht
den.                                      erreicht werden konnte. Die Valida
                                          schätzt die Nachfrage nach den Inte-
Aussergewöhnliche Ereignisse              grationsdienstleistungen für das Ge-
Geprägt wurde das Geschäftsjahr 2020      schäftsjahr 2021 als gleichbleibend ein.
durch die Coronapandemie. Die Valida      Die Nachfrage im Geschäftsfeld Pro-
führte die für den Schutz der Men-        duktion und Dienstleistungen ist mit
schen mit Unterstützungsbedarf not-       der Unsicherheit behaftet, wie rasch       OBT AG
wendigen Massnahmen sehr früh-            sich die Wirtschaft von den Folgen der     Stefan Meer                     Stefan Traber
zeitig ein und investierte sehr viel in   Coronapandemie erholen wird.               zugelassener Revisionsexperte   zugelassener Revisionsexperte
                                                                                     leitender Revisor
die Sensibilisierung. Die Kommunika-
tion erwies sich als Schlüsselfunktion                                               St. Gallen, 13. April 2021
14       Geschäftsbericht 2020                                                                                                                                                        Valida   Nr. 11

Jahresrechnung
Bilanz per 31. Dezember 2020
Aktiven     in CHF                                                 31.12.2020        31.12.2019      Passiven    in CHF                                              31.12.2020          31.12.2019

Umlaufvermögen                                                                                       Kurzfristiges Fremdkapital
Flüssige Mittel                                                                                      Schulden aus Lieferungen und Leistungen
    Kassa                                                              54'405.55        35'597.05        Gegenüber Dritten                                              430'904.05       1'090'695.23
    Postcheck                                                         441'752.02       700'349.59    Übrige kurzfristige Verbindlichkeiten
    Bankguthaben                                                    4'672'949.61     4'447'586.61        Depot- und Feriengelder Betreute                                64'254.55         55'680.30
                                                                    5'169'107.18     5'183'533.25        Kurzfristige Hypotheken und Darlehensschulden                  393'560.00        393'560.00

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen                          2'886'545.81     3'532'567.30        Übrige Verpflichtungen                                         190'626.74         204'375.26

    Abzüglich Delkredere                                            – 262'202.00     – 263 000.00                                                                       648'441.29        653'615.56

                                                                    2'624'343.81     3'269'567.30    Passive Rechnungsabgrenzungen
                                                                                                         Verpflichtung Investitionsbeiträge                              66'407.20          76'097.80
Übrige kurzfristige Forderungen
    Diverse Guthaben                                                  108'793.94        83'539.32        Übrige passive Abgrenzungsposten                                74'109.60        205'188.00

    Diverse Vorschüsse                                                     65.00           130.00                                                                       140'516.80        281'285.80

                                                                     108'858.94         83'669.32    Total kurzfristiges Fremdkapital                                 1'219'862.14       2'025'596.59

Warenvorräte                                                         150 000.00        150 000.00    Langfristiges Fremdkapital
Angefangene Arbeiten                                                   14'268.35        55'604.93    Langfristige verzinsliche Verbindlichkeiten
                                                                                                         Hypotheken                                                  13'557'500.00      13'767'500.00
Aktive Rechnungsabgrenzungen                                          743'188.70        63'342.55
                                                                                                         Darlehen Kanton St. Gallen                                   3'594'720.00       3'778'280.00
Total Umlaufvermögen                                               8'809'766.98      8'805'717.35
                                                                                                                                                                     17'152'220.00      17'545'780.00
Anlagevermögen                                                                                       Rückstellungen / vom Gesetz vorgesehene ähnliche Positionen
Finanzanlagen                                                                                            Schwankungsfonds                                               749'995.28         826'265.75
    Wertschriften                                                      79'138.40        75'119.40
                                                                                                         Andere Rückstellungen                                          557'135.55        218'000.00
    Darlehen                                                           25'200.00        44'430.50
                                                                                                                                                                      1'307'130.83       1'044'265.75
                                                                      104'338.40       119'549.90
                                                                                                     Total langfristiges Fremdkapital                                18'459'350.83      18'590'045.75
Sachanlagen
    Immobilien                                                     15'618'116.10    16'242'695.35    Eigenkapital
    Maschinen und Einrichtungen                                     1'238'087.16     1'295'648.85    Fondskapital freier Fonds                                          339'238.25         206'389.75
    Fahrzeuge                                                         63'086.95         36'870.90    Freies Vereinskapital                                             5'754'720.73      5'638'496.58
                                                                   16'919'290.21     17'575'215.10   Ertragsüberschuss                                                   60'223.64          39'953.68
Total Anlagevermögen                                               17'023'628.61    17'694'765.00    Total Eigenkapital                                               6'154'182.62       5'884'840.01
Total Aktiven                                                      25'833'395.59    26'500'482.35    Total Passiven                                                  25'833'395.59      26'500'482.35

Erfolgsrechnung              vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020

in CHF                                                                    2020              2019

Betriebsertrag
Erlös aus Lieferungen und Leistungen der Produktion                 8'104'177.82     9'249'243.89

Erlös aus Leistungsabgeltung und Beiträgen
    Pensionsertrag und Hilflosenentschädigung                       4'016'558.45     3'902'456.72
    Ertrag berufliche Ausbildung                                    2'385'381.30      2'322'036.15
    Erträge Begleitungen                                               33'680.60        34'654.70
    Leistungsabgeltung Kantone                                      7'712'940.71      7'551'438.29
    Beiträge und Spenden                                               36'865.65       174'278.45

Betrieblicher Nebenerlös
    Verkäufe an Personal und Dritte                                  465'460.45        513'091.20
    Mietertrag                                                        162'474.40       143'865.55
Nettobetriebsbeitrag aus Lieferungen und Leistungen                22'917'539.38    23'891'064.95
Bestandesänderung                                                     -41'336.58        55'604.93

Nettoerlös aus Lieferungen und Leistungen                          22'876'202.80    23'946'669.88

./. Material- und Warenaufwand Produktion                           1'909'560.68     2'124'989.05
./. Materialaufwand Betreuung                                         562'536.20       561'367.30

Bruttogewinn 1                                                     20'404'105.92    21'260'313.53

Personalaufwand                                                    16'098'576.85    16'831'706.60

Bruttogewinn 2                                                      4'305'529.07     4'428'606.93

Übriger betrieblicher Aufwand
Schulung, Ausbildung, Freizeit Mitarbeitende                           28'293.75        37'751.95
Unterhalt und Reparaturen                                            487'966.10        540'301.64
Mietaufwand                                                           547'889.75       534'173.15
Versicherungen                                                        69'898.30         64'918.90
Energie, Wasser                                                       323'910.50       366'006.50
Büro- und Verwaltungsaufwand                                          748'355.79       671'190.65
Übriger Betriebsaufwand                                               444'942.35       535'376.85
                                                                    2'651'256.54     2'749'719.64

Betriebsergebnis vor Abschreibungen                                 1'654'272.53     1'678'887.29

Abschreibungen                                                     – 1'496'379.24   – 1'388'041.52

Betriebsergebnis vor Finanzerfolg                                     157'893.29       290'845.77

Finanzaufwand                                                        -216'216.58      -225'665.90
Finanzertrag                                                           16'340.68         4'735.65

Ordentliches Betriebsergebnis                                         -41'982.61        69'915.52

Ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder
Aufwand/Ertrag
Ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder Aufwand            –1'168.40       -34'739.60
Ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder Ertrag            103'374.65          4'777.76
                                                                      102'206.25       -29'961.84

Jahresgewinn                                                         60'223.64         39'953.68     Der Lettershop als Partner für Dienstleistungen im grafischen Bereich.
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