Abteilung Naturförderung Bericht 2019 - Wirtschafts-, Energie ...

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Abteilung Naturförderung Bericht 2019 - Wirtschafts-, Energie ...
Abteilung Naturförderung
Bericht 2019

LANAT Amt für Landwirtschaft und Natur
des Kantons Bern
Abteilung Naturförderung                 März 2020
Abteilung Naturförderung Bericht 2019 - Wirtschafts-, Energie ...
Impressum

Herausgeberin
Amt für Landwirtschaft und Natur
Abteilung Naturförderung
info.anf@be.ch, www.be.ch/natur

Redaktion & Layout
Erwin Jörg

ISSN 2235-2392 (Print)
ISSN 2235-2716 (Internet)

Druck
Publikation Digital AG, Biel/Bienne
www.publikation-digital.com

Gedruckt auf «Everprint Premium»,
100 % Recycling                       Titelbild: Nebst vielen anderen gefährdeten und/oder geschützten Organismen
                                      profitiert auch der Ohnsporn (Aceras anthropophorum) vom Sachplan Biodiversität.
März 2020                             Dieser wird auf Seite 38 näher vorgestellt. (Foto: Urs Känzig-Schoch)

                                                                                                                         2/52
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Vorwort

«Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen,
als man umgeworfen wird.»
                                                   Winston Churchill

Im letzten Jahresbericht habe ich mich über die Schwierigkeiten        Ausser dem aufgehobenen Beamtenstatus, den wechselnden
beim Schreiben von Vorworten ausgelassen. Deshalb habe ich             Direktionsnamen und den damit einhergehenden Verwaltungsre-
dieses Jahr «Inspiration» in den Vorworten meiner Vorgänger ge-        formen scheint im staatlichen Naturschutz der letzten 40 Jahren
sucht. Im Jahresbericht von 1980 wurde ich fündig.                     vieles unverändert geblieben zu sein…
Dort schreibt Denis Forter einleitend:
                                                                       Mindestens einen etwas grösseren Vorwärtsschritt konnten wir
«Bereits in der Einleitung zum letzten Tätigkeitsbericht habe ich      2019 machen. Der Regierungsrat hat Ende August 2019 den
festgestellt, dass die Erfolge im Naturschutz meistens weder           Sachplan Biodiversität verabschiedet und in Kraft gesetzt (vgl.
mess- noch sichtbar sind. Sogar der gesicherte Schutz eines            S. 38 des Jahresberichts). Es braucht aber noch viele solcher
bedrohten Lebensraumes verspricht nicht unbedingt den Fort-            Schritte, um dem gesetzlichen Auftrag endlich gerecht zu wer-
bestand aller darin vorkommenden Pflanzen und Tiere. Wissen-           den.
schaftliche Untersuchungen über den Erfolg von Naturschutz-
arbeit sind immer noch sehr selten. Aufgrund ihrer ökologischen        Ausgewählte Beispiele solcher Schritte und Schrittchen findet
Ausbildung und Erfahrung wirken die Naturschutzbeamten jedoch          Ihr auf den folgenden Seiten. Sie zeugen vom täglichen grossen
mit bestem Wissen und Gewissen, auch wenn sie sich meistens            Engagement der «Naturschutzbeamten» der Abteilung Naturför-
viel eingehender mit den ihnen gestellten Aufgaben beschäftigen        derung. Ihnen und auch allen anderen, die sich beruflich oder als
möchten. Wir glauben fest an unseren Auftrag zugunsten der Na-         Freiwillige für den Erhalt der Biodiversität und Ökosystemleistun-
tur – und damit auch des Menschen, sogar wenn unsere Tätigkeit         gen einsetzen, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. An
zermürbend und mit Enttäuschungen verbunden sind: allzu oft            Herausforderungen wird es auch 2020 nicht fehlen. Ein spezieller
wird auch der staatliche Naturschutzbeamte als Sand im gutfunk-        Dank gilt Erwin Jörg. Seit 1994 profitiert der Berner Naturschutz
tionierenden Getriebe unserer Gesellschaft empfunden.                  von seinem Engagement und die Mitarbeitenden von seiner Hilfs-
Es kommt immer wieder vor, dass auch uns «professionellen»             bereitschaft. Nun geht er in Pension (nicht in den Ruhestand) und
Naturschützern Sturheit oder Extremismus vorgeworfen wird. Im          layoutet letztmals unseren Jahresbericht. Un grand merci, cher
Verlaufe der Verhandlungen lassen sich solche Meinungen glück-         Erwin!
licherweise meistens korrigieren. In diesem Zusammenhang gilt
es aber doch zu bedenken, dass die Natur in der Vergangenheit,         Wie immer haben wir auch diesmal die wichtigsten Kennzahlen
in einigen Fällen auch heute noch, mit ebenso viel Sturheit und        zu den Ressourcen (Mitarbeitende, Einnahmen und Ausgaben
Extremismus verschandelt oder zerstört wurde.                          usw.) und Aufgaben (Naturschutzgebiete, Inventarobjekte, Natur-
Bei dieser auch seelisch oft belastenden Arbeit ist es für uns         schutzverträge, Mitberichte usw.) zusammengestellt. Interessier-
Beamte des Naturschutzinspektorates [heute: Abteilung Na-              te finden diese ab Seite 42.
turförderung] gut zu wissen, dass uns der Forstdirektor immer
unterstützt und uns ein ausserordentliches Mass an Vertrauen                                                         Urs Känzig-Schoch
entgegenbringt, auch wenn er naturgemäss oft schwierige Ziel-
konflikte zwischen den verschiedenen Interessen der Forst- und
Landwirtschaftsdirektion zu beurteilen hat.»

                                                                                                                                     3/52
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Inhaltsverzeichnis
Impressum                                                                                                                      2
Vorwort                                                                                                                        3
Inhaltsverzeichnis                                                                                                             4
Schwerpunktthemen                                                                                                              5
       «Ich bin dann mal weg»                                                                                                  5
       Weitere Dinosaurier-Trampelpfade in Moutier entdeckt                                                                    6
       Pilotprojekt «Patenschaft für neophytenfreie Flächen» der Stadt Bern                                                    8
       Jäten für die Artenvielfalt                                                                                            10
       Erfolgskontrolle «Hechtteiche Täuffelen»                                                                               14
       Ersatz Schwemmholzzaun und Aufwertungsmassnahmen in der Flachwasserzone des NSG Gwattlischenmoos                       16
       Flechtentrouvaillen im Gebiet der Tourbière La Sagne bei Bellelay (Saicourt)                                           18
       Ex situ-Erhaltung – Einige Überraschungsmomente beim Samen sammeln                                                     19
       Selhofenzopfen ein Paradies für Spinnen und Co.                                                                        20
       Bestandeserhebung Libellen im Gantrisch                                                                                21
       Erfolgreiches Artenförderprojekt für den Weberbock                                                                     22
       Projet de conservation de Poecilium glabratum (Coleoptera, Cerambycidae) dans le Jura bernois                          23
       Aktionsplan Sandnistende Wildbienen                                                                                    24
       Das Nördliche Platterbsen-Widderchen – Förderung eines besonderen Blutströpfchens im Lütschinental                     25
       Fledermäuse in Brücken                                                                                                 26
       Nutzungskontrolle von Weiden auf Inventarflächen Feucht­gebiete und Trockenstandorte                                   27
       Profigruppe Biodiversität in der Landwirtschaft                                                                        28
       «Chrampfen» für die Natur                                                                                              32
       Förderung artenreicher Rebbergvegetation                                                                               34
       Merkblatt Kleinstrukturen                                                                                              36
       Sachplan Biodiversität                                                                                                 38
Zahlen und Fakten                                                                                                             42
       Ressourcen                                                                                                             42
       Personal                                                                                                               42
       Finanzen 2019                                                                                                          44
       Aufgaben                                                                                                               46
       Anzahl Schutzgebiete und Schutzobjekte                                                                                 46
       Aufwertungs- und Pflegearbeiten                                                                                        46
       Vollzug von Inventaren                                                                                                 46
       Bundesinventare mit Schutzbeschluss                                                                                    46
       Inventare mit Bewirtschaftungsverträgen                                                                                47
       Bewirtschaftungsverträge Naturschutz                                                                                   47
       Pufferzonen um Flachmoore und Feuchtgebiete (PUZO)                                                                     47
       Erhalt und Förderung der Arten                                                                                         48
       Beiträge für Biodiversitätsförderflächen und Landschaftsqualität                                                       48
       Amts- und Fachberichte                                                                                                 49
Fachkommission Biodiversität                                                                                                  50

                                                            «Wer weiss, was er übersehen darf,
                                                            gewinnt an Weit- und Übersicht.»
                                                                                             Ernst Ferstl, Lehrer und Schriftsteller

                                                                                                                              4/52
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Schwerpunktthemen

«Ich bin dann mal weg»
«Ich bin dann mal weg» ist der Titel eines Buches von Hape
Kerkeling. Er beschreibt darin seine Pilgerreise nach Santiago
de Compostela. Im Gegensatz zu Kerkeling, der von seiner Rei-
se zurückgekehrt ist, habe ich, wenn Sie diese Zeilen lesen, die
ANF bereits für immer verlassen. Ich bin jetzt im Ruhestand und
geniesse die freie Gestaltung meiner Zeit.

Insgesamt war ich über 25 Jahre für den kantonalen Naturschutz
tätig. In dieser Zeit hat der Naturschutz verschiedene Hochs und
Tiefs durchgemacht über die wir jeweils in den Jahresberichten
der ANF orientieren konnten. Sie geben einem grösseren Publi-
kum einen Einblick in unsere vielfältigen Tätigkeiten und Projekte,
die wir im entsprechenden Jahr durchgeführt haben.

Im Jahr 2010 durfte ich die Redaktion dieser Jahresberichte über-
nehmen und seit nun fünf Jahren gehörte auch die Gestaltung
des Layouts zu meinen Aufgaben.

Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich bei meinen Kol-
leginnen und Kollegen für die interessanten und anschaulichen
Artikel, welche exemplarisch die wertvollen Einsätze zu Gunsten
der Natur beschreiben. Diese Einblicke machen den Jahresbe-
richt besonders lesenswert.

Und nun bin ich also glücklich pensioniert. Ich führe unseren
Haushalt, pflege und aktualisiere weiterhin meine Homepage über
invasive Neophyten (www.neophyt.ch) und freue mich, mitten in
der Woche auf Wanderungen mit guten Freunden unsere wun-
derbare Natur geniessen zu können.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser und Euch meine
lieben Kolleginnen und Kollegen, beruflich und privat weiterhin
alles Gute!

                                            Erwin Jörg, Pensionär

                                                                      «Wenn du Rentner wirst, gilt es ein internes
                                                                      Kommunikations-Problem zu lösen.
                                                                      Dein Kopf sagt dir:
                                                                      ‹Endlich kannst du tun, was du willst.›
                                                                      Jetzt musst du nur noch deinem Körper
                                                                      klarmachen, dass er will, was du tust.»
                                                                                               KarlHeinz Karius, Autor und Verleger

                                                                                                                              5/52
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Weitere Dinosaurier-Trampel-
pfade in Moutier entdeckt
Schwerfällig bewegt sich eine Gruppe mächtiger Riesensaurier
durch eine feuchte Senke und hinterlässt deutliche Spuren. Es ist
Erdmittelalter, später Jura. Schon seit einiger Zeit existieren Dino-
saurier. Im Laufe der Zeit entwickelten sie sich zu immer grösse-
ren Tieren.

2017: Im Steinbruch Côte Picard in der Gemeinde Moutier wer-
den Saurierfährten mit grosser Ausdehnung entdeckt. Durch Zu-
fall blieben die Trittsiegel erhalten. Im Verlauf der Jahrmillionen
dauernden Alpenfaltung wurde die Fährtenplatte fast senkrecht
aufgestellt und die Spuren sind jetzt im Steinbruch an der hinte-
ren Wand sichtbar. Die Fährten verlaufen von rechts unten nach
links oben. Die meisten der Spuren sind Hinterfussabdrücke und
einige wenige stammen von Vorderfüssen. Sie haben eine ein-
drückliche Länge von etwa 1.5 Meter und eine Breite von rund
einem Meter.
Der Erhaltungszustand ist sehr schlecht. Die Spuren sind verwit-
tert und zum Teil wieder verfüllt. Der Fährtenleger ist schwer zu
identifizieren. Aufgrund der Art der Trittsiegel und deren Grösse
handelt es sich um pflanzenfressende Sauropoden, die allenfalls
aus der Familie der Brachiosauriden wie der Giraffatitan oder der
Brachiosaurus stammen.

Rekonstruktion eines Giraffatitan nach einem Skelett im Museum für Naturkunde   Versteinerte Saurierspuren. Man beachte zum Grössenvergleich die Person am
Berlin, Deutschland. (Quelle: Dmitry Bogdanov, Wikipedia)                       rechten Bildrand. (Foto: Philippe Weber)

                                                                                                                                                             6/52
Abteilung Naturförderung Bericht 2019 - Wirtschafts-, Energie ...
Mit dieser Fundstelle wird die Existenz von riesigen Sauropoden
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                                                                            Gemäss Gutachten von Matteo Belvedere haben die ausseror-
                                                                            dentlich grossen Sauropodenspuren leider kein wissenschaftli-
                                                                            ches, aber ein gutes Bekanntmachungspotenzial. Aufgrund ihrer
                                                                            Grösse und Tiefe sind sie gut zu erkennen und aus der Ferne
                                                                            kann man die Anordnung und Richtung der Wege sehen. Ob und
                                                                            wie die Gesteinsplatte erhalten wird, ist Gegenstand von weiteren
                                                                            Abklärungen.

                                                                                                                            Yvonne Stampfli

Eindrückliche Dimension der Trittsiegel. (Foto: Yvonne Stampfli)

Versteinerte Saurierspuren: eine Zufallsentdeckung. (Foto: Nadine Sandau)

                                                                                                                                         7/52
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Pilotprojekt «Patenschaft für
neophytenfreie Flächen» der
Stadt Bern
Eine der grössten Bedrohungen der Biodiversität sind invasive,                    Im Rahmen der Freiwilligenarbeit führt Stadtgrün Bern seit 2017
gebietsfremde Organismen. Deshalb hat sich die Stadt Bern 2016                    das Pilotprojekt «Patenschaft für neophytenfreie Flächen». Frei-
mit ihrer Neophytenstrategie das Ziel gesetzt, mit effizienten Me-                willige übernehmen als Patinnen oder Paten die Verantwortung
thoden die Bestände invasiver Neophyten auf dem Stadtgebiet                       für eine für sie geeignete Fläche. Wer eine Patenschaft eingeht,
zu reduzieren. Für die konkrete Umsetzung wurde eine Stelle für                   entfernt während mindestens einer Vegetationsperiode regelmäs-
die Koordination «Neophytenbekämpfung und Freiwilligenarbeit»                     sig, freiwillig und unentgeltlich alle invasiven Neophyten und ent-
geschaffen. Als Kompetenzzentrum steht sie der Öffentlichkeit als                 sorgt sie fachgerecht. Eine Patenschaft können Einzelpersonen,
Auskunftsstelle für alle Fragen zur Neophytenproblematik zur Ver-                 Gruppen, aber auch ganze Vereine übernehmen. Zusätzlich bie-
fügung. Sie motiviert und sucht Kooperationen mit allen Grundbe-                  tet Stadtgrün Bern während der Vegetationsperiode zwei bis drei
sitzern auf Stadtgebiet, um eine flächendeckende Eindämmung                       freiwillige Gruppeneinsätze pro Woche auf Abruf an. Als Wert-
invasiver Neophyten zu erreichen. Sie akquiriert, betreut und ko-                 schätzung der Arbeit bietet die Stadt Weiterbildungsanlässe, Frei-
ordiniert Freiwillige, die sich in der Stadt Bern für neophytenfreie              willigentreffen und die Ausstellung einer Arbeitsbestätigung an.
Flächen einsetzen wollen. Zudem organisiert sie regelmässige                      Die Bevölkerung wurde aktiv auf die Patenschaften aufmerksam
Gruppeneinsätze für Freiwillige, führt vier Zivildienstleistende im               gemacht. Z.B. mittels Plakaten, die direkt an einem besonders
Einsatz gegen invasive Neophyten und koordiniert die Einsätze                     betroffenen Ort wie entlang von Waldwegen aufgehängt wurden.
für Asylsuchende.

Knöterichstandort Eymatt, 13. Mai 2016, vor der Bekämpfung: Grosser Bestand mit
Staudenknöterich (Reynoutria japonica). (Foto: Rosmarie Kiener)

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Knöterichstandort in der Eymatt, Ansicht von vorne, 30. Juli 2019, nach den Be-
kämpfungsmassnahmen. Der Standort wird wieder von einheimischen Sträuchern           Dank dem unermüdlichen Einsatz von Patinnen und Paten hat an
und Pflanzen dominiert.
Zivildienstleistende haben zu Beginn alle Wurzeln und Rhizome bis zu einer Tiefe     einigen Standorten der Japanische Staudenknöterich (Reynoutria
von 30 cm ausgegraben. Eine Patin hat danach in einem Abstand von ca. zwei           japonica) schon wesentlich abgenommen. Die Freiwilligen entfer-
Wochen alle nachgewachsenen Triebe entfernt, um den Knöterich auszuhungern.          nen die nachgewachsenen Triebe alle zwei Wochen, um damit
Standgrün Bern hat zusätzlich einige einheimische Sträucher gesetzt, um die Fläche
natürlich zu beschatten. Die vereinzelt wachsenden Triebe des Japanischen Stau-      die Pflanze auszuhungern. Aber auch auf grossen Flächen, wie
denknöterichs werden weiterhin regelmässig von einer Patin entfernt.                 beim Zentrum Paul Klee oder dem Weissenstein Park, die vom
(Foto: Rosmarie Kiener)                                                              Einjährigen Berufkraut (Erigeron annuus) dominiert waren, finden
Aber auch über eine Standaktion anlässlich des Wildpflanzen-                         heute einheimische Arten wieder ihren Platz.
marktes in Bern und über die Verteilung von Flyern in allen Brief-                   Freiwillige im Einsatz pflegen nicht nur ihre Flächen, sie sind auch
kästen zweier Quartiere. Von Familien, Paaren, Studentinnen und                      Multiplikatoren für die Sensibilisierung der Bevölkerung. Auch
Studenten, Arbeitslosen, Pensionierten und von Kindern bis hin zu                    durch die positive Resonanz in den Medien konnte das öffentliche
über 90-Jährigen sind alle bei den Freiwilligeneinsätzen vertreten.                  Interesse noch weiter geweckt werden.
Im Jahr 2017 wurden 47 Patenschaften übernommen, während                             Es hat sich gezeigt, dass das grosse und verantwortungsvolle En-
es im Jahr 2019 bereits über 150 waren. Die Anzahl aller geleiste-                   gagement der Patinnen und Paten für neophytenfreie Flächen der
ten Arbeitsstunden betrug 2017 noch um die 1100 Stunden. Bis                         Schlüssel zu einer wirkungsvollen, kostengünstigen und langfris-
Ende 2019 hat sich diese Zahl fast verdoppelt. Dieser Erfolg zeigt,                  tigen Eindämmung invasiver Neophyten ist. Stadtgrün Bern plant
wie wichtig es der Bevölkerung ist, etwas für die Natur zu tun.                      deshalb das Projekt «Patenschaft für neophytenfreie Flächen» im
                                                                                     Jahr 2020 weiter auszubauen.

                                                                                                                  Rosmarie Kiener, Stadtgrün Bern,
                                                                                           Koordination Neophytenbekämpfung und Freiwilligenarbeit

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Jäten für die Artenvielfalt
Die ANF lancierte 2017 mit Unterstützung des BAFU das Pro-                           Rebparzellen und Ausgleichsflächen
jekt «Neophyten-Bekämpfung am nördlichen Bielerseeufer». Die                         In den Rebparzellen und Ausgleichsflächen sind vor allem das
Pflanzenwelt besteht hier aus einem Mosaik von Rebbergen, Wäl-                       Einjährige und das Kanadische Berufkraut, der Verlotsche Beifuss
dern, Hecken, Uferböschungen, Felshängen, Trockenwiesen und                          und die Kanadische Goldrute sehr stark verbreitet. Von den 222
wärmeliebenden Säumen. In diesen Lebensräumen finden sich                            kartierten Rebparzellen haben knapp 40 Parzellen keine oder eine
zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten. Dazu zählen beispiels-                   minime Deckung mit invasiven Neophyten. Über 50 % der Parzel-
weise Blütenpflanzen, wie die Gold-Aster (Aster linosyris), der                      len weisen eine leichte Deckung auf. Problematisch sind rund ein
Hain-Wachtelweizen (Melampyrum nemorosum) oder der Gross-                            Viertel aller Parzellen, die eine starke Deckung von 5 % oder mehr
blütige Breitsame (Orlaya grandiflora), Reptilien, wie die Aspisvi-                  aufweisen. Darunter sind zwei Parzellen flächig vom Verlotschen
per (Vipera aspis) und die Schlingnatter (Coronella austriaca) oder                  Beifuss befallen.
Insekten, wie wärmeliebende Schmetterlinge und Heuschrecken.
Diese Vielfalt ist durch die zunehmende Besiedlung von invasiven
Neophyten bedroht. Auch für die Rebbauern haben invasive Neo-
phyten eine unmittelbare Bedeutung, denn nach Direktzahlungs-
verordnung sind Rebflächen der Qualitätsstufe II mit natürlicher
Artenvielfalt nicht mehr anrechenbar, wenn der Anteil invasiver
Neophyten mehr als 5 % der Gesamtfläche beträgt.

Die Gold-Aster (Aster linosyris) gedeiht im Rebgebiet vor allem an trockenen Fels-   Mit etwas Glück kann die seltene Schlingnatter (Coronella austriaca) beobachtet
hängen. (Foto: Beat Fischer)                                                         werden. (Foto: Erwin Jörg)

Pilotgemeinde Ligerz                                                                 Hecken und Wegränder
Bei der Bekämpfung der invasiven Neophyten wurde bei unserem                         Bei der Kartierung der Hecken und Wegränder sticht eine Pro-
Projekt die Gemeinde Ligerz als Pilotgemeinde ausgewählt. Seit                       blem-Pflanze klar hervor: die Armenische Brombeere. Aus ihren
2017 werden diese problematischen Arten inventarisiert und ge-                       Wurzelstöcken treiben bis zu 6 m lange, bogig aufsteigende
jätet. Das Projekt verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und führt                    Schösslinge, die mit ihren Spitzen wieder in den Boden einwach-
die Bekämpfung in vier Bereichen durch: Rebparzellen inklusiv                        sen und neue Pflanzen entwickeln. So bildet diese Brombeere in
Ausgleichsflächen, Hecken und Wegränder, private Gärten und                          Hecken mächtige Dickichte und verdrängt die einheimische Ve-
das SBB-Trassee. Als zentraler Pfeiler dient die Kommunikation                       getation. In Ligerz wurden über 330 Beobachtungen notiert (siehe
mit allen betroffenen Personen und Institutionen. Dazu gehört der                    Plan auf Seite 12).
Kontakt mit der Gemeindebehörde von Ligerz, den Winzerinnen
und Winzern und den Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer.                          Resultate Inventarisierung
Verschiedene Merkblätter, Newsletter oder Flyer wurden dazu an                       Die invasiven Neophyten wurden in Ligerz in verschiedenen Le-
alle beteiligten verteilt und die Fortschritte jeweils auf der Gemein-               bensräumen kartiert: Rebberge, Hecken, Wegränder, Uferbe-
de-Homepage vorgestellt.                                                             reich, Bahngleis und Gärten. Folgende Problempflanzen kamen
                                                                                     vor allem vor:

                                                                                                                                                                 10/52
Name deutsch                            Name wissenschaftlich                      Hauptvorkommen                                  Status

 Götterbaum                              Ailanthus altissima                        Gärten                                          B
 Verlotscher Beifuss                     Artemisia verlotiorum                      Rebberge, Wegränder, Ufer, Bahngleis            B
 Schmetterlingsstrauch                   Buddleja davidii                           Gärten, Wegränder                               B
 Acker-Kratzdistel                       Cirsium arvense                            Rebberge, Wiesen                                E
 Kanadisches Berufkraut                  Conyza canadensis                          Rebberge, Wiesen, Bahngleis                     -
 Einjähriges Berufkraut                  Erigeron annuus                            Rebberge, Wiesen, Gärten                        B
 Riesen-Bärenklau                        Heracleum mantegazzianum                   Wiesen                                          B, FrSV
 Gewöhnliche Jungfernrebe                Parthenocissus inserta                     Wegränder, Mauern, Rebberge                     W
 Kirschlorbeer                           Prunus laurocerasus                        Gärten                                          B
 Japanischer Staudenknöterich            Reynoutria japonica                        Ufer, Bahngleis, Wiesen                         B, FrSV
 Essigbaum                               Rhus typhina                               Gärten, Wegränder, Bahngleis                    B, FrSV
 Robinie                                 Robinia pseudoacacia                       Hecken, Gärten                                  B
 Armenische Brombeere                    Rubus armeniacus                           Hecken, Wegränder, Brachen, Gärten              B
 Jakobs Kreuzkraut                       Senecio jacobaea                           Rebberge, Wiesen                                E
 Kanadische Goldrute                     Solidago canadensis                        Rebberge, Wegränder, Wiesen, Gärten             B, FrSV
 Spätblühende Goldrute                   Solidago gigantea                          Rebberge, Wegränder, Wiesen                     B, FrSV
Vorkommen                          Legende Status
fett: starkes Vorkommen            B: Schwarze Liste (Black List)
                                   W: Beobachtungsliste (Watch List)
                                   FrSV: Freisetzungsverordnung
                                   E: Einheimische Pflanzenart (Beikraut)

Private Gärten                                                              SBB-Trassee
Im Herbst 2019 wurden alle privaten Gärten in Ligerz besucht und            Auf dem Schotter-Trassee der SBB finden etliche invasive Neo-
alle invasiven Neophyten inventarisiert. Zentraler Punkt war die            phyten ideale Bedingungen und demzufolge ist ihre Dichte hier
Information direkt im Garten: welches sind Problempflanzen und              auch hoch. Insbesondere der Japanische Staudenknöterich, der
wie soll man sich als Gartenbesitzer/-in verhalten. Von den knapp           Essigbaum, der Verlotsche Beifuss und die Kanadische Goldrute
250 Gärten wiesen 42 keine Problempflanzen auf. In rund 100                 sind sehr stark verbreitet. Obwohl in einigen Jahren der Umfah-
Gärten wuchsen Kanadische Goldruten und das Einjährige Be-                  rungstunnel geplant ist und das SBB-Trassee zurückgebaut wird,
rufkraut. Zudem kommt in 53 Gärten die Armenische Brombeere                 hat sich die SBB bereit erklärt, noch vor den Umbauarbeiten die
vor. Bei diesen Pflanzenarten wurde empfohlen, dass die Eigen-              problematischen Neophyten zu bekämpfen. Diese Arbeiten wer-
tümer/-innen diese selber jäten, da es sich meist um sehr kleine            den nun mit Marc Hauser, Leiter Natur-Naturrisiken der SBB, ge-
Populationen handelt, und diese Arbeiten am besten bei feuchten             plant.
Bodenverhältnissen durchführen. Weiter gedeihen Kirschlorbeer
in 65 und Sommerflieder in 52 Gärten. Bei diesen gebietsfremden             Kartierung Trockenstandorte TWW
Sträuchern sollte auf eine Neupflanzung verzichtet und falls mög-           Zusätzlich wurden im Sommer 2019 im Rahmen der Kartierung
lich, die bestehenden mit der Zeit entfernt werden. Obwohl sich             der Trockenstandorte im Kanton Bern acht kleinere, sehr arten-
beide Arten auf der Schwarzen Liste befinden, sind sie im Handel            reiche Objekte am nördlichen Bielerseeufer kartiert. Dabei befin-
erhältlich. Zudem wachsen vereinzelt noch einige weitere invasi-            den sich fünf Objekte in Ligerz, zwei in La Neuveville und eines in
ve Neophyten in den Gärten, bei denen ein sofortiges Eingreifen             Twann-Tüscherz. Diese Objekte liegen meist am Waldrand oder
notwendig ist. Dabei handelt es sich um den Essigbaum, die Ro-              an Hecken, wo die Gefahr des Einwachsens von der Armenischen
binie, den Japanischen Staudenknöterich und den Götterbaum.                 Brombeere besonders gross ist. Dank dem vorliegenden Projekt
Die Gefahr ist gross, dass sich diese problematischen Arten wei-            lässt sich das Problem lösen.
ter ausbreiten. Daher werden diese, mit dem Einverständnis der
Eigentümer/-innen, in Zusammenarbeit mit dem L andschaftswerk
Biel-Seeland im Winter 2019/2020 in über 40 Gärten ausgegra-
ben.

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Vorkommen der Armenischen Brombeere (Rubus armeniacus) in Ligerz. Ein Punkt
entspricht meist mehreren Individuen.
(Neophyten Feldbuch Info Flora mit Beobachtungen von Beat Fischer)

Ergebnisse der Jät-Arbeiten
Rebparzellen inklusiv Ausgleichsflächen                                       Hecken und Wegränder
Nach der Läset 2019 begannen die intensiven Jät-Arbeiten in den               Die Bekämpfung der wintergrünen Armenischen Brombeere er-
Rebparzellen. Es herrschten ideale Bedingungen: die Problem-                  folgt jeweils in der kalten Jahreszeit, da die Pflanze dann auch
pflanzen waren sichtbar, der Boden feucht und der Zugang auf                  leicht zu identifizieren ist. Mit diesen Arbeiten wurde das L and-
die Parzellen frei. Dabei wurden vor allem das Einjährige Beruf-              schaftswerk Biel-Seeland beauftragt. Im Winter 2018/2019 be-
kraut, die Kanadische Goldrute und die Acker-Kratzdistel gejä-                gannen sie mit dem vollständigen Ausgraben des Wurzelwerks
tet. Der stellenweise sehr stark vorkommende Verlotsche Beifuss               und entfernten rund einen Drittel aller Standorte in Ligerz. Diese
konnte jedoch nicht immer gejätet werden, da sich diese Pflanze               Arbeiten werden in den folgenden Wintern weitergeführt.
als zu robust erwies. Als Bekämpfungsequipe arbeitete während
5 Wochen ein Team vom Jät-Service Brunner Eichhof aus Aar-                    Ausblick
berg mit jeweils 7 bis 18 Personen in den Rebparzellen. Die meist             Im Herbst 2019 beschloss das BAFU, gemeinsam mit der ANF
aus Rumänien stammenden Arbeiterinnen und Arbeiter leisteten                  das Projekt weiter zu finanzieren. Somit werden zuerst die Arbei-
mit über 3250 Arbeitsstunden einen vollen Einsatz. Dabei wur-                 ten in Ligerz beendet, danach in der Gemeinde Twann-Tüscherz
den über 17 Tonnen Pflanzenmaterial gesammelt und wegen der                   und anschliessend bis 2022 in den restlichen Gemeinden des
Gefahr des Neuaustriebes aus Pflanzenteilen in der Kehrichtver-               Bielersee-Nordufers weitergeführt.
brennungsanlage in Biel entsorgt. Da die Menge dieser invasi-
ven Neophyten schlicht zu gross war, konnte trotz des enormen
Aufwandes nur die Hälfte aller Rebparzellen in Ligerz bearbeitet
werden.

                                                                                                                                           12/52
Die Bekämpfung der Armenischen Brombeere (Rubus armeniacus) erfolgt durch          In den Rebparzellen ist das Team des Jät-Services Brunner Eichhof im Einsatz.
das L andschaftswerk Biel-Seeland. (Foto: Beat Fischer)                            (Foto: Beat Fischer)

Seltene und geschützte Arten wie die Bocks-Riemenzunge (Himantoglossum hircinum) und der Grossblütige Breitsame (Orlaya grandiflora) profitieren von der Bekämpfung
der invasiven Neophyten. (Fotos: Beat Fischer)

                                                                                             Beat Fischer, BAB - Büro für Angewandte Biologie, Bern,
                                                                                                                                      Erwin Jörg und
                                                                                                          Luc Lienhard, Büro Natur & Geschichte, Biel

                                                                                                                                                               13/52
Erfolgskontrolle
«Hechtteiche Täuffelen»
Im Jahr 2015 übernahm die ANF vom Fischereiinspektorat (FI) auf                 Mittels einer alle 3 Jahre durchzuführenden Erfolgskontrolle soll
dem Strandboden (Gemeinde Täuffelen) sechs Teiche. Diese                        der Frage nachgegangen werden, ob sich die Wasserführung
wurden vom FI seit 1997 als Zuchtanlage für Hechte betrieben.                   positiv auf Artenvielfalt und Individuenzahl der untersuchten
2014 wurde der Betrieb eingestellt. Seit Anfang 2015 werden in                  Organismengruppen auswirkt.
diesen Teichen nun andere Ziele verfolgt. Durch ein angepasstes
Pflegeregime sollen nun Amphibien, Libellen, Heuschrecken so-
wie Pflanzen der Feuchtgebiete gefördert werden.

Die Teiche (blau) liegen östlich des Wasserkraftwerks Hagneck auf dem Strand-
boden, Täuffelen.

Die sechs Teiche können über eine regulierbare Zufuhr mit Was-                  Erhebungen Fauna und Flora
ser versorgt werden. Das Vorhandensein von Wasser kann so-
mit gezielt auf die zu fördernden Arten ausgerichtet werden.                    Libellen
Beispielsweise ist der Laubfrosch für die Fortpflanzung auf eine                In den beiden Untersuchungsjahren (2015, 2018) wurden jeweils
durchgehende Wasserführung zwischen April und August und                        23 verschiedene Libellenarten nachgewiesen. Dabei wandelte
ein Trockenfallen im Winter angewiesen. Nach dem Trockenfallen                  sich die Artenzusammensetzung. 4 Arten konnten im Jahr 2018
werden die Teiche alljährlich ab 1. September gemäht (Streue-                   nicht mehr bestätigt werden und wurden durch andere ersetzt.
schnitt, 20 % Rückzugsfläche alternierend).                                     Bemerkenswert war hierbei das erstmalige Auftreten der Gemei-
                                                                                nen Binsenjungfer (Lestes sponsa), die im Jahr 2018 an allen 6
 Teich Nummer               Füllen                     Ablassen                 Teichen beobachtet werden konnte. Diese Art, welche ein Aus-
                                                                                trocknen ihres Fortpflanzungsgewässers in gewissem Masse to-
 3, 4                       1. Februar                 1. Juli
                                                                                leriert, ist im Mittelland eher selten.
 1, 2                       1. März                    1. August
 5, 6                       1. April                   1. September

                                                                                                                                            14/52
Libellen: Artenzahl pro Teich und Untersuchungsjahr                                Fadenmolch, Gelbbauchunke und Laubfrosch insgesamt fünf
 Teich Nr.                       1         2        3        4        5        6   Amphibienarten nachgewiesen werden. Von Fadenmolch und
                                                                                   Wasserfrosch-Komplex wurden auch Larven nachgewiesen.
 Artenzahl 2015                 13       16       14       11       12       13
 Artenzahl 2018                 11       12       17       16       14       17    Flora
                                                                                   Im Jahr 2017 wurde eine Feuchtgebiets-Objektkontrolle durch-
Heuschrecken                                                                       geführt und die Teiche wurden ganzflächig in das Inventar der
2015 konnten 13 Arten nachgewiesen werden. Im Jahr 2018 kam                        Feuchtgebiete des Kantons Bern aufgenommen. Zudem konn-
durch das Auftreten der Sumpfschrecke (Stethophyma grossum)                        te der Schweizer Alant (Inula helvetica) im Gebiet nachgewiesen
eine zusätzliche Art hinzu. Die auffälligste Veränderung war je-                   werden. Im Jahr 2019 wurde nochmals gezielt nach gefährdeten,
doch die Ansiedlung einer sehr grossen Population der Grossen                      potenziell bedrohten und geschützten Arten gesucht und in den
Schiefkopfschrecke (Ruspolia nitidula). Im Jahr 2015 konnte an ei-                 Teichen Nr. 1–4 eine grosse Population des seltenen Schild-Eh-
nem einzigen Teich lediglich 1 Männchen beobachtet werden. Im                      renpreises (Veronica scutellata) entdeckt.
Jahr 2018 wurden dann in allen Flächen viele Larven beobachtet.
                                                                                   Fazit und Ausblick
Heuschrecken: Artenzahl pro Teich und Untersuchungsjahr                            Die Untersuchungen zeigen, dass sich das Gebiet hinsichtlich
 Teich Nr.                       1         2        3        4        5        6   Artenvielfalt und Vorkommen prioritärer Arten positiv entwickelt.
                                                                                   Korrelationen von nachgewiesenen Artenzahlen und angewende-
 Artenzahl 2015                 11        9       10         8        8        9
                                                                                   tem Regime pro Teichgruppe lassen sich daraus aber noch nicht
 Artenzahl 2018                  8       10       11         7        9        9   ableiten. Die Datenreihe mit zwei Erhebungsjahren ist dafür noch
                                                                                   zu klein und die Unterschiede der Artenzahlen pro Teichgruppe
Amphibien                                                                          zu gering. Die nächste Erhebung ist für das Jahr 2021 geplant.
Im Jahr 2015 wurde in keinem Teich Laich oder Larven gefunden.
Im Teich Nr. 2 konnte lediglich ein Fadenmolchweibchen und in                      Die Erhebungen im Auftrag der ANF führten durch:
den Teichen Nr. 3 und 6 Wasserfrösche nachgewiesen werden.                         Silvia Zumbach (Amphibien), L aurent Juillerat (Libellen, Heuschre-
Im Jahr 2018 konnten mit Erdkröte, Wasserfrosch-Komplex,                           cken), Christoph K äsermann und Luc Lienhard (Flora)

                                                                                                                             Dominique Hindermann

Die Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio), hier ein Männchen, konnte nur an zwei
Teichen angetroffen werden. (Foto: Laurent Juillerat)

                                                                                                                                                 15/52
Ersatz Schwemmholzzaun und
Aufwertungsmassnahmen in
der Flachwasserzone des NSG
Gwattlischenmoos
Das Naturschutzgebiet «Gwattlischenmoos», ein Flachmoor von                      Damit das Wasserschilf vor Schwemmholz geschützt werden
nationaler Bedeutung, liegt am nordwestlichen Ende des Thuner-                   konnte, wurde bereits 1995/96 ein Schwemmholzzaun erstellt. 20
sees. Das Gebiet weist eine Fläche von ca. 18 ha auf. Nebst der                  Jahre nach dessen Erstellung waren die Holzpfähle morsch und
«Weissenau» bei Interlaken ist das «Gwattlischenmoos» die einzi-                 das Drahtgitter im Übergangsbereich zum Wasser mehrheitlich
ge grosse Schilf- und Riedfläche am Thunersee. Das Gebiet ver-                   verrostet. Nachdem der Entscheid zum Ersatz des Schwemm-
fügte ursprünglich in dessen Flachwasserzone über ausgedehnte                    holzzaunes getroffen wurde, startete die ANF im Jahr 2013 via
Wasserschilfbestände (Schilf kann bis in Wassertiefen von 80 cm                  Vorstudie mit den ersten Abklärungen. Auftragnehmer waren
hineinwachsen). Aufgrund des Kanderdurchstichs (1714) und die                    die Kissling + Zbinden AG sowie Christoph Iseli, L andschaftswerk
damit einhergehende Schwemmholzbelastung wurden diese Be-                        Biel-Seeland.

Um die schwierigen Arbeiten durchführen zu können, musste mit «gröberem
Geschütz» aufgefahren werden. Im Vordergrund sieht man wie ein Stahlpfahl ein-   Damit bestehende Schilfbestände künftig auch vor Wellenschlag
gerammt wird, im Hintergrund ist der Seilbagger erkennbar, welcher für den Bau   geschützt werden können, wurde der Bau eines Wellenbrechers
des Wellenbrechers eingesetzt wurde. Beide Bagger standen übrigens auf schwim-   und einer Holzpalisade in die Planung mit einbezogen. Der Wel-
menden Pontons. (Foto: Thomas Leu)
                                                                                 lenbrecher sollte sich bei tiefem Wasserstand auch als Rastplatz
stände drastisch reduziert. Die fehlende Stabilisierung des See-                 für Wat- und Wasservögel eignen. Zusätzlich waren auch Schilf-
grundes durch das dichte Geflecht der Schilfrhizome bewirkte                     initialpflanzungen zur Förderung der Wasserschilf-Bestände vor-
eine allmähliche Erosion des Seeufers durch Wellenschlag. Der                    gesehen.
zunehmende Schiffsverkehr beschleunigte diesen Prozess noch                      In einer vierjährigen Planungsphase konnten mit den betroffenen
zusätzlich.                                                                      kantonalen Amts- und Fachstellen, den Gemeinden Thun und
                                                                                 Spiez, dem Bonstettengut Gwatt, der Naturwissenschaftlichen
                                                                                 Gesellschaft Thun, Pro Natura Region Thun sowie lokalen Orni-

                                                                                                                                             16/52
thologen, die baulichen Massnahmen Schritt für Schritt definiert                        vertraut. Der Abbruch des alten Zaunes sowie das Rammen der
werden. Dabei wurde unter anderem intensiv über die Linienfüh-                          bis zu 13 m langen Stahlpfähle des neuen Zaunes verliefen oh-
rung des neuen Zaunes, dessen Materialisierung und Sichtbarkeit                         ne Zwischenfall. Der 20 x 140 m grosse Wellenbrecher zwischen
sowie über Dimension und Lage des Wellenbrechers diskutiert.                            Zaun und Uferlinie, wurde mit Kiesmaterial aus dem Kanderdelta
Nach Abschluss der Detailplanung ging man von Umsetzungs-                               erstellt. Seine Dammkrone befindet sich auf der Höhe des mitt-
kosten in der Höhe von 1.46 Mio. aus. Der Uferschutzverband Thu-                        leren Sommerwasserstandes und tritt daher nur bei tiefem Was-
ner- und Brienzersee war bereit, als lokal verankerter Verein die                       serstand optisch in Erscheinung. Die Montage der horizontalen
Bauherrschaft dieses Projektes zu übernehmen und die ANF bei                            Tragseile an den Stahlpfählen sowie die Befestigung des Drahtge-
der Akquirierung von Drittmitteln zu unterstützen.                                      flechtes gab viel zu diskutieren, da auf keine Erfahrungswerte zu-
Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens im Juni 2017, wurde                             rückgegriffen werden konnte. Oberste Ziele waren die Langlebig-
realisiert, dass während der Planungsphase der Archäologische                           keit und ein geringer Unterhaltsaufwand des rund 540 m langen
Dienst des Kantons Bern vergessen ging. Da der Projektperimeter                         Zaunes. Zwischenfälle wie ein Motorenschaden am Seilbagger,
in einem Gebiet mit hohem archäologischen Potenzial liegt, muss-                        das Einsinken eines Baggers in den See sowie diverse Liefereng-
ten umgehend Tauchsondierungen in Auftrag gegeben werden.                               pässe wegen zu später Materialbestellungen für den Zaun führten
Die Tauchequipe des Archäologischen Dienstes wurde mit ihren                            zu einem verzögerten Bauabschluss. Trotzdem konnte der Bau
Kernbohrungen auch tatsächlich fündig. Im Bereich der Gwatt-                            am 19. Februar 2020 mit allgemeiner Zufriedenheit und einer ge-
grabenmündung stiess die Equipe auf archäologische Schichten                            wissen Erleichterung abgenommen werden.
einer prähistorischen Siedlung. Die Holzpalisade zum Schutz des                         Das Projekt wurde durch folgende Institutionen finanziell unter-
Schilfes vor Wellen, die an diesem Standort geplant war, konn-                          stützt: BAFU, Renaturierungsfonds und Ökofonds Energie Thun.
te somit nicht bewilligt werden. Stattdessen einigte man sich auf                       Dem Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee dankt die ANF
eine Alternative mit einer Reihe aus Wurzelstöcken.                                     für dessen grosse Unterstützung mit der Übernahme der Bau-
Nach der Submission und der Auftragsvergabe startete die Firma                          herrschaft und die erbrachten Eigenleistungen.
Marti SA am 12. August 2019 mit einem Monat Verzögerung die
Umsetzung. Die Firma Kissling + Zbinden wurde mit der Bauleitung                                                                             Thomas Leu

Der Schilfschutzzaun anlässlich der Bauabnahme im Februar 2020. Im Hintergrund
(rechte Bildhälfte) ist ein Teil des Wellenbrechers zu erkennen. Aufgrund der ausser-
ordentlichen Seeabsenkung steht der Zaun teilweise im Trockenen. Der Seespiegel
auf dem Foto liegt 1 m unterhalb des mittleren Sommerwasserstandes.
(Foto: Thomas Leu)

                                                                                                                                                     17/52
Flechtentrouvaillen im Gebiet der
Tourbière La Sagne bei Bellelay
(Saicourt)
Gross und mächtig steht der Bergahorn auf einer der Tourbière               Diese Arten lassen sich im Feld häufig nicht eindeutig bestimmen,
«La Sagne» angrenzenden Pferdeweide bei Bellelay. Sein dicker               weil sie gleiche äussere Merkmale entwickeln. Im Labor wurden
Stammumfang von 270 cm lässt vermuten, dass er sicherlich                   deshalb für die Bestimmung wichtige chemische Inhaltsstoffe der
schon das ganze letzte Jahrhundert und wahrscheinlich auch                  gesammelten Belege analysiert. Bei 15 Belegen wurde ausser-
schon im 19. Jahrhundert an eben dieser Stelle seine Äste in den            dem mit genetischen Methoden (Barcoding) die Artbestimmung
Himmel reckte. Ein Blick auf historische Luftbilder der Swisstopo           überprüft.
bestätigen die Vermutung: Schon 1946 zeigte sich an gleicher                Die Grösse der Population der Läppchen-Astflechte in Bellelay
Stelle eine grosse Krone eines Laubbaumes. Auf eben diesem                  lässt sich nur schwer abschätzen, weil es auch mit einer Leiter
Bergahorn wurde 1993 die stark gefährdete und daher national                kaum möglich war, die Flechten in der Baumkrone zu erreichen.
prioritär schützenswerte Läppchen-Astflechte (Ramalina paniz-               Glücklicherweise hatte es in den Tagen vor unserer Untersuchung
zei) nachgewiesen.                                                          stark gewindet oder gestürmt. Auf den am Boden liegenden Äs-
                                                                            ten fanden wir mehrere grosse Sträuchlein der Läppchen-Ast-
                                                                            flechte. Die Population auf diesem Baum scheint gesund und gut
                                                                            entwickelt zu sein. Auf den wenigen Bergahornbäumen in der
                                                                            Umgebung des bekannten Flechten-Trägerbaumes fanden wir
                                                                            weder auf den uns zugänglichen Ästen noch auf den am Boden
                                                                            liegenden Ästen weitere Läppchen-Astflechten. Ob die Popula-
                                                                            tion der Läppchen-Astflechte mehr als nur einen Baum besiedelt,
                                                                            lässt sich nicht schlüssig beantworten.
                                                                            Im Rahmen der Feldarbeiten wurden im Gebiet noch weitere stark
                                                                            gefährdete Flechten entdeckt. Das angrenzende Hochmoor «La
                                                                            Sagne» beherbergt die beiden national prioritär schützenswer-
                                                                            ten Zaun-Moosflechten (Cetraria sepincola) und die Nordische
                                                                            Braunschüsselflechten (Parmelia sepincola), zwei typische Be-
                                                                            wohner auf feinen Zweigen von licht stehenden Birken in Hoch-
                                                                            und Übergangsmooren. Während die Zaun-Moosflechte auf meh-
Trägerbaum der Läppchen-Astflechte auf der Pferdeweide bei La Sagne.        reren Birken im Hochmoor als auch an den Rändern des Moores
(Foto: Silvia Stofer)
                                                                            wächst, konnte die Nordische Braunschüsselflechte nur am nörd-
                                                  Ausser in Bellelay sind   lichen Rand des Schutzgebietes beobachtet werden. Durch das
                                                  in der Schweiz nur noch   Vorkommen im Schutzgebiet ist ihr Lebensraum grundsätzlich
                                                  Vorkommen der Läpp-       gesichert. Bei Erhaltungsarbeiten im Moor sollten die Birken um
                                                  chen-Astflechte     aus   den Fundort der Nordischen Braunschüsselflechten möglichst
                                                  Veytaux, vom Brien-       geschont werden.
                                                  zersee sowie aus dem      Für das Überleben der Population der Läppchen-Astflechte in «La
                                                  Muotatal bekannt. Alle    Sagne» ist der Erhalt und Schutz des bekannten Trägerbaumes
                                                  besiedeln ausnahmslos     von zentraler Bedeutung. Die Pferdeweide sollte weiterhin exten-
                                                  Bergahorne.               siv bewirtschaftet werden: Das Ausbringen von Hofdünger sorg-
                                                                            fältig und bodennah vornehmen, damit möglichst wenig Nähr-
Aktuelle Verbreitung der Läppchen-Astflechte in
der Schweiz. (www.swisslichens.ch)                                          stoffe über die Luft in den Kronenbereich der Bäume getragen
                                                                            werden. Die Bergahorne in der näheren Umgebung sollten erhal-
Wie steht es heute, beinahe 30 Jahre später um die Population auf           ten und Nachwuchsbäume angepflanzt werden. Diese Massnah-
dem Baum in Bellelay? Die gute Nachricht vorweg: auch heute                 men sind nötig, um den Lebensraum der Läppchenflechte auch
noch beherbergt die Krone Läppchen-Astflechten. Auf den dicht               für weitere Jahrhunderte sicherzustellen.
mit Blatt- und Strauchflechten bewachsenen Ästen und Zweigen
wachsen noch weitere Arten der Gruppe der Astflechten, die                                                                    Silvia Stofer
ebenso wie die Läppchen-Astflechte für gewöhnlich Fruchtkörper               SwissLichens – Nationales Daten- und Informationszentrum der
ausbilden. So konnte auch die als verletzlich klassierte Buschige                                                      Schweizer Flechten
Astflechte (Ramalina fastigiata), die potenziell bedrohte Eschen-                               Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf
flechte (Ramalina fraxinea) und die Rinnige Astflechte (Ramalina
calicaris, Schutzstatus unbekannt, da bisher noch nicht evaluiert)
nachgewiesen werden.

                                                                                                                                        18/52
Ex situ-Erhaltung –
Einige Überraschungsmomente
beim Samen sammeln
Die ANF hat 2019 beschlossen, von etwa 20 gefährdeten Arten an      Populationsgrösse/Samenmenge: Das zarte Knotige Mast-
Wildstandorten Samen für die Ex situ-Vermehrung zu sammeln.         kraut bildet nur wenige Samen aus und die Population ist klein. So
Dies kann trotz bekannten Populationen überraschend schwierig       konnten, wie vermutet, erst wenige Samen gesammelt werden,
sein.                                                               ohne das Vorkommen zu schwächen. Beim Behaarten Mauer-
                                                                    pfeffer hingegen gab es 2019 aus unbekanntem Grund kaum
Frass/Beweidung: Lanzettblättriger Froschlöffel und Gift Hah-       Früchte.
nenfuss wurden 2019 bei der Kartierung an der Saanemündung
entdeckt. Damals waren die Samen noch nicht ganz reif und ein       Samengesundheit: Der Siebenstern, ein seltenes Eiszeitrelikt
paar Wochen später waren sie wegen der inzwischen begonne-          im Urbachtal, bildet nur wenige Samen. Trotz vermeintlich güns-
nen Beweidung (Pflegemassnahme) nicht mehr auffindbar. Im           tigem Zeitpunkt war die Fruchtreife fast vorbei und es konnten
Übrigen frassen die Weidetiere entspannt im hinteren Teil des Ge-   kaum noch und eher verpilzte Samen gesammelt werden.
ländes. Mit dieser Ruhe war es schlagartig vorbei, als die neu-     Diese Beispiele zeigen, dass auch bei bekannten Vorkommen
gierigen Kälbchen auf die Botanikerin aufmerksam wurden und         und an sich günstigen Sammelzeitpunkten nicht gewährleistet ist,
Mutterkühe und Stier um den Schutz ihres Nachwuchses besorgt        dass ausreichend keimfähige Samen gefunden werden können.
waren... Beim Echten Pfeilkraut im Fanel sahen vermutlich Gänse     Oft sind für den Sammelerfolg zwei oder gar mehr Begehungen
die Blüten oder Früchte als Delikatesse an.                         notwendig. Bei anderen Arten war das Besammeln zum Glück
                                                                    problemlos und deren Vermehrung kann schon dieses Jahr in An-
Samenreife: Die Samen des im Meienried häufigen Sommer-             griff genommen werden.
glöckchens waren spät reif und die Samenreife erfolgte langsa-
mer als erwartet, so dass drei Begehungen notwendig waren.            Christoph Käsermann, Bernische floristische Beratungsstelle und
Beim Zarten Wollgras hingegen waren zwar viele der wolligen                                            Sandra Reinhard, Botanikerin
Fruchtanhängsel gut entwickelt, es scheinen aber nur wenige Sa-
men gebildet worden zu sein.

Massenvorkommen des Sommerglöckchens im Meienried. Trotzdem keine
Garantie für keimfähige Samen. (Foto: Christoph Käsermann)

                                                                                                                                 19/52
Selhofenzopfen ein Paradies für
Spinnen und Co.
Der Lebensraum Aue wird durch die Dynamik des Wassers be-                           Eine Überraschung war der Fund der Schneefliegenart Chionea
stimmt. Aus dieser Dynamik geht eine an den sich stets verän-                       belgica (Becker, 1912). Der letzte Nachweis dieser auffälligen
dernden Wasserpegel angepasste Fauna und Flora hervor, wel-                         ungeflügelten winteraktiven Dipteren (Zweiflügler) für den Kan-
che heute durch Flussbegradigungen und andere Massnahmen                            ton Bern liegt über 80 Jahre zurück, auch sonst sind nur wenige
vielerorts bedroht ist. Ein Gegenbeispiel dafür ist das 2015 re-                    Fundorte aus der Schweiz bekannt.
naturierte Gebiet «Selhofenzopfen» in Kehrsatz. Die faszinierende
Vielfalt an Habitaten wurde Ausgangspunkt einer Masterarbeit
über die Diversität von Spinnen und Weberknechten im «Selho-
fenzopfen». Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, ob und wie
sich die Diversität zwischen den einzelnen Habitaten unterschei-
det. Zu diesem Zweck wurde ein Monitoring mit 45 Barberfallen
(im Boden versenkte Joghurtbecher mit 4 % Formalin zur Konser-
vierung der Tiere) durchgeführt. Die Fallen blieben ein Jahr (Dez.
2018–Nov. 2019) stehen und wurden monatlich geleert. Nach-
dem der Falleninhalt sortiert wurde, gilt es nun, die Spinnen und
Weberknechte auf Artniveau zu bestimmen. Bisher wurden nur
die gefangenen Spinnen der Wintermonate bestimmt. Anhand der
grossen Anzahl an bisher gefundenen winteraktiven Spinnenar-
ten, kann davon ausgegangen werden, dass die Spinnendiversi-
tät im Gebiet gross ist. Die Hauptaktivitätszeit vieler Spinnenarten
liegt zwischen Mai und Juli. Viele der bisher gefundenen Arten
zeigen eine Präferenz für feuchte Habitate.

                                                                                    Schneefliege der Gattung Chionea. Multifokus-Foto aufgenommen durch Stereo-
                                                                                    mikroskop mit Laica Kamera. (Foto: Sarah Rohr)

                                                                                    Die Endauswertung wird zeigen, welche interessanten Funde
                                                                                    noch gemacht werden und ob die Spinnendiversität ein guter Bio-
                                                                                    indikator für die verschiedenen Habitate eines Auwaldes darstellt.
Typischer Fallenstandort im Selhofenzopfen. In Bildmitte Fallenstandort mit vier-
eckigem Plexiglasdach, daneben Markierung mit Besucherhinweis; Februar 2019.                                    Sarah Rohr und Prof. Dr. Christian Kropf,
(Foto: Sarah Rohr)
                                                                                                    Institut für Ökologie und Evolution, Universität Bern

Nebst den Spinnen wurden auch andere Arthropoden gefangen.
Interessante Resultate wurden bei den Laufkäfern erzielt. Sie
wurden von Herrn Dr. W. Marggi (Laufkäferspezialist) bestimmt.
Nebst der hohen Artanzahl, wovon einige sogar auf der Roten
Liste stehen, ist deutlich zu erkennen, dass ca. 80 % der Arten
feuchte Habitate, v. a. Auen, bevorzugen.

                                                                                                                                                            20/52
Bestandeserhebung Libellen im
Gantrisch
Vier Jahre nach umfangreichen Hochmoor-Regenerationsmass-
nahmen in den zwei Hochmooren «Schalenberg» und «Wissen-
bach-West» im Gurnigel, wurden im Sommer 2019 im Auftrag der
ANF die Libellenbestände erhoben.

Der Schlüssel zur Libellenvielfalt
Im Rahmen der Regeneration der Hochmoore wurden Aufstau-
ungen vorgenommen und zahlreiche kleine Moortümpel gesto-
chen. Dadurch entstanden in beiden Gebieten unterschiedliche
Gewässertypen, insbesondere aber auch wieder grössere offene
Wasserflächen.

Links: kleiner, zugewachsener Moortümpel vs. rechts: grosser offener Moortümpel.
(Fotos: Daniela Schmocker)

Die Resultate zeigen, dass an grossen und offenen Gewässern
doppelt so viele Arten als an kleinen oder zugewachsenen Ge-
wässern anzutreffen sind. Offene Wasserflächen sind für viele Li-
bellenarten essenziell. Eine Ausnahme ist die in beiden Gebieten
vorkommende Arktische Smaragdlibelle, welche auf kleine und
zugewachsene Tümpel spezialisiert ist, in welchen sie ihre Eier
ablegt. Das heute vorzufindende Mosaik an unterschiedlichsten
Gewässern ist somit der Schlüssel zur Libellenvielfalt in den bei-
den Hochmoorgebieten.

Seltene Hochmoor-Perlen erstmals nachgewiesen
Der Erstnachweis eines einzelnen Weibchens der seltenen Hoch-
moor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica elisabethae) im Natur-
schutzgebiet «Schalenberg» kann als Höhepunkt der Erhebung
bezeichnet werden. Die Art ist unscheinbar und leicht mit ihrer
Schwesterart der Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea) zu ver-
wechseln, welche im Untersuchungsgebiet zahlreich vorkommt.
Insgesamt sind mit dieser Erhebung 9 Erstnachweise gelungen,
was verdeutlicht, dass sich die Massnahmen gelohnt haben.                          Arktische Smaragdlibelle, Kleine Moosjungfer, Torf- und Hochmoor-Mosaik-
                                                                                   jungfer (Bilder von oben nach unten und von links nach rechts).
                                                                                   Bereits die Namen weisen darauf hin, dass diese vier Libellenarten typische Hoch-
                                                                                   moorarten sind. Sie sind hoch spezialisiert und äusserst selten.
                                                                                   (Fotos Smaragdlibelle und Mosaikjungfern: Claudia Baumberger,
                                                                                    Foto Moosjungfer: Daniela Schmocker)

                                                                                                                      Daniela Schmocker, Impuls AG, Thun

                                                                                                                                                               21/52
Erfolgreiches Artenförderprojekt
für den Weberbock
Seit Jahren besteht eine Zusammenarbeit zwischen der ANF und             Weberbocks zu melden. Aus ähnlichen Projekten ist bekannt,
dem Entomologischen Verein Bern (EVB): Experten stehen mit               dass Falschmeldungen häufig sind, daher sollte jede Meldung
Rat und Tat zur Seite, helfen bei Bestimmungen, schlagen För-            durch eine Fotografie des Käfers dokumentiert sein. Das «Citizen
dermassnahmen vor. Seit dem letzten Jahr unterstützt die ANF             Science» Projekt war ein grosser Erfolg: 18 Meldungen trafen ein,
Projekte für Insekten von Mitgliedern des EVB, deren Ziel die kon-       15 davon dokumentiert durch ein Bild! Die Falschmeldungen sind
krete Förderung von gefährdeten Arten im Kanton Bern darstellt.          an einer Hand abzuzählen. Der Verlauf des Projekts konnte auf
                                                                         einem eigens erstellten Instagram-Account verfolgt werden.

Porträt eines Weberbocks (Lamia textor) im «Ämmeschache».
(Foto: Michael Gilgen)

2017 wurde er zum ersten Mal seit 30 Jahren im Kanton Bern               Der Weberbock ist an der Emme somit häufiger als durch die bis-
nachgewiesen: Der Weberbock, Lamia textor. Der Fund ist an               herigen Meldungen anzunehmen war. Die im Jahr 2019 erfolgten
der Emme, im Bereich des «Ämmeschache», in der Gemeinde                  Renaturierungen haben einen Lebensraum geschaffen, der die
Utzenstorf erfolgt. Der stattliche Bockkäfer ist ein Bewohner            Population langfristig sichern sollte. Weitere Massnahmen zur
von Flussauen und entwickelt sich in den Wurzeln und unteren             Förderung des schönen Käfers sind die Förderung von Weiden
Stammbereichen von Weichhölzern, vorwiegend der Weide. Der               sowie die Entfernung von Auenwald fremden Arten wie z.B. Fich-
Weberbock war früher in der ganzen Schweiz häufig. Durch den             ten sowie invasiven Neophyten, die ja speziell an Flussauen bes-
Verlust der Lebensräume haben die Bestände jedoch stark ab-              tens gedeihen.
genommen, so dass der Käfer auf der Roten Liste als «stark ge-
fährdet» (EN) gelistet ist. Der Käfer ist wenig mobil, hält sich gerne   Weitere Informationen:
an der Sonne, am Boden oder an den Brutbäumen auf.                       www.insekten-evb.ch, www.instagram.com/weberbock

Das daraufhin von der ANF unterstützte Artenförderprojekt an der                            Michael Gilgen, Entomologischer Verein Bern
Emme sah folgendermassen aus: Mit Hilfe von Hinweisschildern
wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, Beobachtungen des

                                                                                                                                     22/52
Projet de conservation de
Poecilium glabratum (Coleoptera,
Cerambycidae) dans le
Jura bernois
Introduction
Le longicorne Poecilium glabratum a été trouvé par Sébastien Ger-
ber à Corcelles (BE) en février 2006, dans la réserve forestière de
Raimeux (Fig. 1).
                                         Il s’agissait d’un heureux ha-
                                         sard, puisque quelques co-
                                         léoptères ont émergé d’une
                                         rondelle découpée dans un
                                         vieux genévrier l’automne
                                         précédent, dans l’idée de cal-
                                         culer l’âge de l’arbuste. L’ana-
                                         lyse de la littérature et des
                                         collections muséales révéle-
                                         ront par la suite qu’il s’agis-
                                         sait de la première donnée
                                         documentée de cette espèce         Figure 2 : Indices de présence de Poecilium glabratum sur des branches mourantes
                                                                            de Genévrier commun (Juniperus communis) : a) trous de sortie et b) galeries
                                         pour la Suisse (Juillerat et al.   larvaires sous l’écorce, la barre blanche mesure 1 cm.
                                         2014)!                             (Photos : Laurent Juillerat et Sébastien Gerber)
                                         Suite à cette trouvaille, nous
                                         avons recherché l’espèce de        Projet cantonal de conservation
                                         manière ciblées dans l’en-         A la demande du SPN, nous avons établi un projet de conservation
                                         semble du Jura suisse et dé-       de l’espèce dans la zone agricole. Dès 2019, nous avons entamé
                                         couvert une dizaine de popu-       la visite de l’ensemble des pâturages potentiels de la zone d’oc-
Figure 1 : Imago de Poecilium glabratum. lations dans le Jura bernois.      currence de l’espèce, soit la région située entre les communes de
(Photo : Laurent Juillerat)              Deux populations ont égale-        Péry, Monible, La Scheulte et Court. Le projet vise à cartographier
                                         ment été détectées dans les        les belles populations de Juniperus communis et à rechercher
cantons voisins, à Mervelier (JU) et Welschenrohr (SO). Ailleurs            des indices de présence (trous de sortie et galeries larvaires) de
en Suisse, cette espèce est uniquement connue du Valais central,            Poecilium glabratum. Sur la base des résultats des campagnes
entre Loèche et Viège (Juillerat et al. 2014). L’espèce figure sur          de terrain, les exploitants des pâturages seront contactés dans
la liste rouge avec le statut « en danger d’extinction » (statut EN,        le but de signer un contrat visant le maintien d’une population
Monnerat et al. 2016). Elle est de plus considérée comme une                suffisante de genévriers.
priorité nationale de niveau 2 (OFEV 2019).
                                                                            Les premiers résultats sont encourageants, puisque des indices
Biologie                                                                    de présence ont été trouvés dans les pâturages sur le Raimeux
La larve se nourrit sous l’écorce du Genévrier commun (Juniperus            et le Graitery en automne 2019. Les prospections se poursuivront
communis). Elle colonise les branches mourantes, notamment                  dès le mois de mars, début de la période d’activité des adultes.
celles attaquées par les scolites du genre Phloeosinus. Pour sa
survie, ce petit coléoptère a besoin de populations suffisamment                                                 Laurent Juillerat et Sébastien Gerber
importantes de sa plante hôte, afin de disposer de branches mou-
rantes en permanence. L’adulte, très discret, hiverne dans une              Bibliographie
loge creusée dans le bois et émerge aux premières chaleurs prin-            Juillerat L. , Gerber S. & Gilgen M. 2014. Premières preuves de présence de Poe-
                                                                                      cilium glabratum (Charpentier, 1825) en Suisse (Coleoptera, Cerambyci-
tanières.                                                                             dae). Mitt. Schweiz. Ent. Ges. 87 : 327-336.
Dans le Jura bernois, les principaux réservoirs de population               Monnerat C., Barbalat S., L achat T., G onseth Y. 2016: Liste rouge des Coléoptères
                                                                                      Buprestidés, Cérambycidés, Cétoniidés et Lucanidés. Espèces mena-
se trouvent dans les cluses et les falaises, notamment dans les                       cées en Suisse. Office fédéral de l’environnement, Berne; Info Fauna
boisements clairs de Pin sylvestre (Pinus sylvestris). Plusieurs                      – CSCF, Neuchâtel; Institut fédéral de recherches WSL, Birmensdorf.
                                                                                      L’environnement pratique n° 1622 : 118 p.
populations se développent également dans les pâturages boi-                OFEV 2019 : Liste des espèces et des milieux prioritaires au niveau national. Es-
sés thermophiles bien structurés, avec de belles populations de                       pèces et milieux prioritaires pour la conservation en Suisse. Office fédéral
                                                                                      de l’environnement, Berne. L’environnement pratique n° 1709 : 98 p.
genévriers. Depuis leur découverte, certaines populations ont
été mises à mal par la coupe systématique des buissons ou par
l’abandon de la pâture.

                                                                                                                                                            23/52
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