Aktivitäten und Ergebnisse der Offensive Psychische Gesundheit - INQA

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Aktivitäten und Ergebnisse der Offensive Psychische Gesundheit - INQA
Aktivitäten und Ergebnisse der
Offensive Psychische Gesundheit
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Inhalt:

   I. Ausgangslage                                               4

  II. Psychische Gesundheit aus Sicht des Bundesministeriums
      für Arbeit und Soziales (BMAS)                            10

 III. Psychische Gesundheit aus Sicht des Bundesministeriums
      für Gesundheit (BMG)                                      13

 IV. Psychische Gesundheit aus Sicht des Bundesministeriums
     für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)          15

  V. Zusammenarbeit und gemeinsame Perspektive der Ressorts     18

 VI. Struktur und Konzept der Offensive Psychische Gesundheit   20

VII. Abfrage der Präventions- und Unterstützungsangebote        28

VIII. Ablauf und Veranstaltungen im Rahmen der Offensive
      Psychische Gesundheit                                     34

 IX. Schlussfolgerungen der drei Ressorts                       42

  X. Übersicht über die Partner und Unterstützer
     der Offensive Psychische Gesundheit                        44

 XI. Gesamteindrücke und Reichweite der Offensive               46
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I. Ausgangslage
                                                                                                                                                    Aktuelle Ansprache und Sichtbarkeit des Problems. Die Offensive Psychische
                                                                                                                                                 Gesundheit zeigt, dass psychische Belastung und Gesundheit ein relevantes Thema
                                                                                                                                                 der gesamten Gesellschaft sind und deswegen nicht tabuisiert werden dürfen.
    Prävention ist neben der Kuration und der Rehabilitation         Angebote sind zentrale Aufgaben, damit die Prävention                    Um die Relevanz des Themas zu unterstützen, muss weiterhin über Lösungsansätze zur
    eine zentrale Säule im System der sozialen Sicherung. Sie        bei den Menschen ankommt.                                                 Prävention, Erkennung und Behandlung von psychischen Erkrankungen oder Belas-
    ist von wesentlicher Bedeutung, um Belastungen frühest-                Je nach Aufgabe der verschiedenen Leistungssyste-
                                                                                                                                             tungen gesprochen werden. Für die Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung ist die
    möglich zu reduzieren, gesundheitliche Ressourcen zu             me halten diese für die Berechtigten spezifische Leistun-
    stärken und Erkrankungen zu vermeiden.                           gen vor. Aus dem föderalen und gegliederten System der                     Thematisierung von psychischer Gesundheit innerhalb von Familien sehr wichtig.
           Die Anzahl der Diagnosen psychischer und psychoso-        sozialen Sicherung resultieren auch Schnittstellen, die
    matischer Erkrankungen in der Bevölkerung steigt. Auch der       eine lebensweltübergreifende Kooperation und Koordina-                                                                                                      Barbara Reiprich,
    Anteil der psychischen Erkrankungen an den gesamten              tion erfordern. Oft sind die Angebote noch nicht hinrei-                                                                                    Fachreferentin Familienerholung
    krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitstagen hat bundes-         chend miteinander verzahnt.
    weit zugenommen. Mit 117,2 Mio. Arbeitsunfähigkeitstagen               Hinzu kommt, dass die Betroffenen die Angebote
    aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen steht diese         auch nachfragen müssen. Der Umgang mit psychischen
    Krankheitsgruppe an zweiter Stelle hinter Muskel- und            Erkrankungen wird zwar offener – auch dank einer jungen
    Skeletterkrankungen als Ursache für krankheitsbedingte           Generation, die sich traut, darüber zu sprechen. Aber den-
    Arbeitsunfähigkeit. Die Gründe hierfür sind komplex und sie      noch wird noch viel zu wenig über psychische Erkrankun-
    werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern             gen geredet, obwohl sie vielen von uns begegnen oder
    verschiedener Disziplinen intensiv diskutiert. Die Produk­­-     sogar betreffen. Scham und Sorge führen dazu, dass die
    t­ionsausfallkosten werden nur durch diese Krankheitsgruppe      Betroffenen schweigen. Dies belastet sie zusätzlich und         festzustellen. Psychische Auffälligkeiten geben erste Hin-     Familienleben
    auf ca. 14,4 Mrd. € geschätzt. Bei den Rentenzugängen we-        kann verhindern, dass sie frühzeitig Hilfe in Anspruch neh-     weise auf ein erhöhtes Erkrankungsrisiko, sind jedoch
    gen verminderter Erwerbsfähigkeit steht diese Erkrankungs-       men. Prävention und Gesundheitsförderung sind also eng          nicht mit behandlungsbedürftigen Erkrankungen gleich-          Die Familie ist zusammen mit der Gesundheit für die
    gruppe mit ca. 67.000 Fällen an der Spitze der krankheits­       mit dem Problem der Stigmatisierung psychischer Erkran-         zusetzen. Meist sind die von Auffälligkeiten betroffenen       Menschen das wichtigste Gut (WZB/Statistisches Bundes-
    bedingten Ursachen (Quelle: Sicherheit und Gesundheit            kungen verknüpft. Es geht darum, eine noch größere Offen-       Kinder in ihrem Leben unbeeinträchtigt, dennoch sollten        amt/bpb: Datenreport 2018). In Familien können Menschen
    bei der Arbeit, 2019). In vielen Fällen lassen sich belastende   heit in der Gesellschaft für psychische Erkrankungen zu         bestehende Auffälligkeiten ernst genommen werden, da           Kraft und Sicherheit finden, familiäre Unterstützung wirkt
    Einflüsse, die einer psychischen Erkrankung erst den Weg         schaffen. Die Psyche darf genauso selbstverständlich krank      sich hieraus auch ein erhöhtes Erkrankungsrisiko ergeben       sich positiv auf die psychische Gesundheit aus. Kommen
    bereiten, über einen sehr langen Zeitraum zurückverfolgen.       sein wie der Körper, und über beides sollte mit der gleichen    kann. Untersuchungen des Verlaufes zeigen, dass psychi-        jedoch mehrere Belastungsfaktoren zusammen, kann
           Die Entwicklung der Informations- und Kommuni-            Selbstverständlichkeit gesprochen werden.                       sche Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter oftmals        das in Familien auch zu gesundheitlichen und psychischen
    kationstechnologie, der Wandel der Arbeitswelt und                     Diese Daten, Fakten und Erfahrungen sowie der hohe        beeinflussbar und stark entwicklungsabhängig sind. Bei         Belastungen führen.
    demografisch bedingte Umbrüche genauso wie gesell-               Anteil der psychischen Erkrankungen am Arbeitsunfähig-          den meisten Kindern treten die festgestellten psychischen            Jede dritte Mutter und jeder fünfte Vater fühlten
    schaftspolitische Entwicklungen verändern das Leben und          keitsgeschehen signalisieren einen politikbereichsüber-         Auffälligkeiten zeitlich begrenzt auf.                         sich im Jahr 2018 psychisch stark belastet (AOK Familien-
    Arbeiten in rasanter Geschwindigkeit. Daraus resultie­           greifenden Handlungsbedarf, der alle gesellschaftlichen                Ein wesentlicher Grund für psychische Belastungen       studie 2018). Risikofaktoren für starke seelische Belas­tun­
    rende Belastungsfaktoren gewinnen an Relevanz für die            Bereiche betrifft.                                              junger Menschen ist Stress, verursacht durch einen hohen       gen von Müttern und Vätern sind insbesondere ein nie­
    Gesundheit vieler Menschen, seien es Kinder, Jugendliche,                                                                        Leistungsdruck oder Mobbing. 43 % der Schülerinnen und         driger sozioökonomischer Status, eine geringe soziale
    Erwachsene oder ältere Menschen. Die Erhaltung und                                                                               Schüler leiden unter Stress – mit gesundheitlichen Folgen      Unterstützung und das Fehlen einer Partnerin oder eines
    Förderung der psychischen Gesundheit ist eine politik­           Besondere Herausforderungen im:                                 wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schlafproblemen            Partners im Haushalt. Auch wenn sich die große Mehrheit
    bereichsübergreifende Aufgabe, die alle gesellschaftlichen                                                                       und Panikattacken.                                             der Alleinerziehenden durch eine gute Gesundheit aus-
    Bereiche betrifft. Die alltäglichen Lebenswelten der Men-        Kindes- und Jugendalter                                                Deutlich ist der Zusammenhang zwischen Armuts­          zeichnet, können sie durch größere zeitliche und finanziel-
    schen wie die Familie, die Schule und der Arbeitsplatz                                                                           lagen und Gesundheit: Kinder und Jugendliche mit niedri-       le Belastungen verstärkt gesundheitlichen und psychi-
    haben großen Einfluss auch auf das psychische Wohl­              Die psychische Gesundheit im Kindes- und Jugendalter            gem sozioökonomischem Status sind vermehrt von psychi-         schen Risiken ausgesetzt sein (Prognos 2019).
    befinden. In allen Lebenswelten gibt es Faktoren, die posi-      ist für die persönliche Entwicklung des Kindes von großer       schen und Verhaltensauffälligkeiten betroffen.                       Gerade in der sogenannten Rushhour des Lebens
    tiv wie negativ Einfluss auf die Gesundheit nehmen.              Bedeutung. Oftmals beginnen psychische Erkrankungen                    Besondere Unterstützungs- und Förderbedarfe             sehen sich viele Eltern der „Generation Mitte“ (30 – 59-
           Präventions- und Unterstützungsangebote zur För-          während des Jugendalters, wobei die Ursachen für die Ent-       haben häufig Familien mit psychisch- oder suchterkrankten      Jährige) unter anderem durch die parallele Anforderung
    derung der psychischen Gesundheit in Deutschland sind            wicklung psychischer Auffälligkeiten vielfältig sind. Psychi-   Eltern. Neben eventuell unzureichender emotionaler Un-         einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf zuneh-
    qualitativ hochwertig und zahlreich. Viele engagierte Ak-        sche Belastungen können als eine Ursache dazu beitragen.        terstützung und Fürsorge können Kinder und Jugendliche         mend unter Druck. Gefragt danach, wofür sie gerne mehr
    teurinnen und Akteure sowie Anbieterinnen und Anbieter                  Aktuell sind ca. 17 % der Kinder und Jugendlichen        elterlichem Verhalten ausgesetzt sein, das sich kritisch auf   Zeit hätten, sagen mehr als zwei Drittel der Eltern minder-
    im Feld der Prävention halten Angebote für unterschied­          (3 – 17-Jährige) gemäß Elternberichten von psychischen          ihre Entwicklung auswirken kann. Eine besondere Belas-         jähriger Kinder (Mütter wie Väter gleichermaßen häufig)
    liche Lebenswelten und Zielgruppen vor.                          Auffälligkeiten betroffen (KiGGS, RKI 2017). Damit ist im       tung kann es für die Kinder sein, wenn die psychische oder     „für meine Kinder“ (Allensbach 2019). Auch in anderen Stu-
           Die Kooperation der Leistungsträger und der Leis-         Vergleich zu den vorgegangenen KiGGS-Untersuchungen             Suchterkrankung der Eltern durch die Familien tabuisiert       dien stehen die erhöhten Anforderungen im Beruf und die
    tungserbringer sowie die Koordination der Leistungen und         in den letzten Jahren hierzu ein deutlicher Rückgang            wird und dies zu Isolation und Ausgrenzung führt.              Zeitknappheit im Fokus von empfundenen Belastungen.

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Beim Müttergenesungswerk wissen wir um die Bedeutung der psychischen                                                  Die „Offensive Psychische Gesundheit“ hat uns bei der Deutschen Rentenversiche-
                Gesundheit von Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen. In den Kurmaßnahmen                                               rung darin unterstützt, Aufmerksamkeit für das Thema „Psychische Gesundheit“
               er­leben wir, wie wichtig der Austausch der Kurteilnehmenden untereinander und                                              sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der internen Wahrnehmung zu schaffen.
             Gespräche mit Therapeutinnen und Therapeuten in den Kliniken für die Behandlung und                                        Der Grundstein ist gelegt: Wir, die Deutsche Rentenversicherung, werden uns auch in
                die Gesundheit sind. Die Offensive Psychische Gesundheit (OPG) leistet in diesem                                          Zu­kunft auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Rollen (als Leistungs-
                  Bereich einen wichtigen Beitrag, indem sie dem Thema psychische Gesundheit                                               trägerin, Leistungserbringerin und als Arbeitgeberin) für einen offenen Umgang
             Auf­merksamkeit schenkt, es für alle sichtbar macht, enttabuisiert und Hilfsangebote                                     mit psychischer Gesundheit einsetzen. Dabei bleibt es unser Ziel, in einem offenen Klima
               vernetzt. Die klare Botschaft ist: Psychische Gesundheit geht uns alle an, berührt alle                                    mit den Betroffenen gemeinsame, partnerschaftliche und unterstützende Wege zu
             Lebenslagen und gehört in die Mitte der Gesellschaft – losgelöst von Stigmatisierung.                                      finden. Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist die Transparenz der vielfältigen
               Diesen Weg der Vernetzung und der Bereitstellung von Informationen müssen wir                                              Angebote. Hier hat die „Offensive Psychische Gesundheit“ einen wichtigen Beitrag
              weitergehen. Der Familie als zentralem Belastungs- und Entlastungsort kommt dabei                                          ge­leistet. Zudem hat sie die zentralen Akteurinnen und Akteure zusammengebracht.
                         eine wichtige Funktion zu, die noch stärker in den Fokus gehört.                                              Dies hilft uns sehr dabei, die unterschiedlichen Präventionsangebote gut miteinander zu
                                                                                                                                      vernetzen. Wir wollen mit unseren Angeboten möglichst frühzeitig für diejenigen da sein,
                                                                                             Svenja Stadler MdB,                           die sie dringend benötigen. Dafür brauchen wir die „Offensive“ auch in Zukunft!
                                                                                           Müttergenesungswerk
                                                                                                                                                                                                                  Mathias Schiller,
                                                                                                                                                                                                 Deutsche Rentenversicherung Bund

    Die Übernahme von Pflegeverantwortung für Angehörige          Ältere Menschen
    kann eine starke psychische Belastung bedeuten. Von
    vielen Angehörigen wird die Pflege zwar als sinnstiftende,    Die gesellschaftliche Perspektive auf das Alter und das      Partnerin oder des Partners, das Fehlen sinnstiftender   Deshalb ist es wichtig, dass auch ältere Menschen nach
    bereichernde Erfahrung erlebt. Mit zunehmendem Hilfe-         Altern ändern sich. Altersbilder sind im Wandel begriffen.   Aktivitäten und Vereinsamung. In der Wissenschaft wer-   der Erwerbsphase von präventiven und gesundheitsför-
    und Unterstützungsbedarf steigt aber das Risiko der Über-     Dennoch wird Alter oftmals noch mit Krankheit und Hilfe-     den als körperliche Folgen von Einsamkeit und sozialer   dernden Angeboten profitieren, welche auch die soziale
    lastung und der körperlichen oder psychischen Erkran-         bedürftigkeit gleichgesetzt. Ergebnisse wissenschaftlicher   Isolation eine verminderte Mobilität, Herz-Kreislauf-    Teilhabe stärken. Nach dem Deutschen Alterssurvey 2017
    kung als deren Folge. Die psychische Gesundheit in dieser     Untersuchungen belegen jedoch, dass der Großteil älterer     Erkrankungen oder auch ein erhöhtes Mortalitätsrisiko    besteht für mehr als 20 % der 90-Jährigen die Gefahr einer
    Lebensphase wird auch durch die Gestaltung der Arbeits-       Menschen, auch Hochaltrige, ein aktives und gutes Leben      genannt. Einsamkeit und soziale Isolation können zu      sozialen Isolation und von über 11 % die der Einsamkeit.
    welt beeinflusst. Möglichkeiten der Freistellung bieten das   führt.                                                       Depressionen oder sogar zu Suizidgedanken führen.
    Familienpflegezeitgesetz und das Pflegezeitgesetz.                   Körperliche wie psychische Gesundheit sind zentrale
                                                                  Voraussetzungen für eine möglichst lange selbstständige
                                                                  und selbstbestimmte Lebensführung, für eine aktive All-
    Erwerbsphase                                                  tagsgestaltung. Die Chance auf ein Alter in guter Gesund-
                                                                  heit war noch nie so hoch wie heute. Dennoch nehmen
    Arbeit gibt dem Leben eine gewisse Sinnhaftigkeit, defi-      gesundheitliche Probleme und Einbußen körperlicher wie                  Die Offensive Psychische Gesundheit hat gezeigt: Wir sind psychischen Belastungen
    niert den Platz in der Gesellschaft und gibt dem Alltag       psychischer Leistungsfähigkeit im Alter zu und es besteht                   und Erkrankungen nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt vielfältige Angebote zur
    eine Struktur. Darüber hinaus entwickeln viele durch die      die Gefahr, in letzter Konsequenz auch hilfe- und pflege-            Prävention und Unterstützung. Auch in Zukunft bleibt die Offensive wichtig. Die Folgen
    eigene Arbeit ein besseres Selbstwertgefühl. Arbeit kann      bedürftig zu werden.                                                    der Coronakrise auf das psychische Wohlbefinden von Jung und Alt müssen dabei
    also weit mehr sein als reiner Broterwerb. Arbeit darf               Funktionale Einschränkungen von Alltagsfähigkei-                                             be­rücksichtigt werden.
    nicht krankmachen. Der Schutz und die Stärkung der Ge-        ten und chronische Schmerzzustände, verbunden mit
    sundheit, sowohl der physischen als auch der psychischen,     einem Rückzug aus dem gewohnten sozialen Leben, kön-                                                                                              Franz Müntefering,
    werden über Maßnahmen des Arbeitsschutzes sichergestellt      nen dazu beitragen, die psychische Gesundheit älterer
    und unterstützen Betriebe dabei, für sichere und gesunde      Menschen zu gefährden. Andere Risikofaktoren sind
                                                                                                                                                                                                               Vorsitzender der BAGSO
    Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten zu sorgen.             einschneidende Lebensereignisse, z. B. der Verlust der

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Aktivitäten und Ergebnisse der Offensive Psychische Gesundheit - INQA
Besondere Herausforderung als Folge                                 Berichte der Fachkräfte ebenso wie die erste JuCo-
    der Coronapandemie                                            Studie weisen allerdings auch darauf hin, dass eine kleine,
                                                                  aber nicht unbeachtliche Gruppe von jungen Menschen                           Die Offensive hat es u. a. mit ihren beiden Dialogforen und der Aktionswoche
    Auch die zur Eindämmung der Coronapandemie not-               die Coronakontaktbeschränkungen als Entlastung emp-                        geschafft, das Thema psychische Gesundheit wirksam in den Mittelpunkt zu rücken.
    wendig gewordenen Maßnahmen haben das Leben vieler            findet. Junge Menschen, die bereits vor der Pandemie an                   Zahl­reiche Institutionen und Organisationen haben sich im Rahmen der Offen­sive
    Menschen verändert. Homeoffice, digitaler Unterricht          bestimmten psychischen Erkrankungen wie etwa sozialen                 engagiert – das zeigt, dass das nur gemeinsam geht. Die Ergebnisse der Offen­sive, z. B. die
    und soziale Einschränkungen können Sorgen, Ängste und         Phobien litten oder die den Kontakt mit Peers aus ande-                  der breiten Umfrage zu Präventions- und Unterstützungs­angeboten können im­puls­
    Einsamkeit auslösen, sie verstärken und zu Überforderung      ren Gründen als anstrengend oder gar quälend empfin-
    führen. Dies stellt die Menschen, und auch die für die Prä-   den, mussten sich seltener dem Stressmoment der Begeg­
                                                                                                                                         gebend für die neu gewählte Regierung sein, sich auch zukünftig für die Vernetzung der
    vention und Gesundheitsförderung relevanten Akteurin-         nung mit anderen aussetzen (JuCo 1).                                     Akteurinnen und Akteure und für einen niedrigschwelligen Zugang zu Angeboten in
    nen und Akteure vor große Herausforderungen. Die Ziele              Auch Familien setzt die Pandemie seit weit über                  Lebenswelten zu engagieren. Gesundheit – auch die psychische – sollte dabei weiter­hin
    der Offensive haben durch diese gesamtgesellschaftliche       einem Jahr erheblich unter Druck. Deutschlandweit waren               politikfeldüber­greifend angegangen werden. Die Relevanz, psychische Gesundheit offen
    Krisenerfahrung zusätzliche Dringlichkeit erfahren.           Eltern stark von der Schließung oder des nur eingeschränk­            zu thematisieren, sieht die BVPG nicht erst mit, aber gerade durch die COVID-19-Pandemie
          Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass auch       ten Betriebes von Bildungseinrichtungen betroffen, sie                   und den langfristigen gesundheitliche Auswirkungen mehr als gegeben. Aus unserer
    die genannten Zielgruppen durch die Pandemielage und          mussten oftmals parallel zur Erwerbstätigkeit die Betreu-
    die Coronaschutzmaßnahmen zusätzlich einem hohen              ung und Beschulung ihrer Kinder übernehmen. Sport und
                                                                                                                                         Sicht ebenfalls erforderlich ist die Stärkung der psychischen Gesundheits­kompetenz der
    Maß an psychosozialen Belastungen unterliegen. Diese          Freizeitaktivitäten, private Kontakte, Austausch und Be-                  Bevölkerung, damit relevante Informationen gefunden, verstanden, bewertet und
    Belastungen scheinen bei Kindern und Jugendlichen             gegnung waren nur sehr eingeschränkt möglich. Viele                                                   angewendet werden können.
    stärker ausgeprägt zu sein als in anderen Gruppen. So         Eltern sind durch diese Ausnahmesituation an ihre Belas-
    geht zum Beispiel aus der zweiten Befragung (Befragungs­      tungsgrenzen gekommen.                                                                                                                                         Ute Bertram,
    zeitraum Dezember 2020 bis Januar 2021) der COPSY-                  Je nach Arbeits- und Vereinbarkeitsbedingungen,                                                                                             Präsidentin der BVPG e. V.
    Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf            den eigenen Ressourcen und dem Wissen über und dem
    hervor, dass während der Phase der massiven Kontaktein-       Zugang zu Leistungen und Angeboten sind Familien un-
    schränkungen fast jedes dritte Kind unter psychischen         terschiedlich mit den Herausforderungen umgegangen.
    Auffälligkeiten litt (Dezember 2020 bis Januar 2021). Sor-    Zwei repräsentative Befragungen, die im Auftrag des Bun-
    gen und Ängste haben noch einmal zugenommen, auch             desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
    depressive Symptome und psychosomatische Beschwer-            vom Institut für Demoskopie Allensbach im April/Mai
    den sind verstärkt zu beobachten. Besonders betroffen         2020 und im Februar 2021 durchgeführt wurden, zeigen
    sind auch hier wieder junge Menschen, die in einkommens-      jedoch, dass die Belastungen für das Familienleben mit
    schwachen Familien aufwachsen oder einen Migrations-          der Dauer der Krise gewachsen sind. Erkennbar ist ein
    hintergrund haben. Auf zunehmende seelische Belastun-         zunehmender Erschöpfungseffekt der Familien: 44 % der         schützen gilt. Gerade dort ist persönlicher Kontakt wichtig.   in verschiedenen Lebensbereichen, etwa in sozialen
    gen weisen auch die JuCo-Studien des Forschungsverbunds       Eltern sind entmutigt, weil die Pandemie so lange anhält.     Hier muss demnach weiterhin alles getan werden, um             Beziehungen, im Wohlbefinden und in der Erwerbsarbeit.
    „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“ der Uni-     Damit einhergehend sind mit der Dauer der Krise die           einerseits den Gesundheitsschutz zu gewährleisten und          Es haben 4.823 Personen ab einem Alter von 46 Jahren
    versitäten Hildesheim, Frankfurt und Bielefeld hin. Bereits   Belastungen für das Familienleben gewachsen. Während          andererseits den Besuch in den Einrichtungen zu ermög­         an der Befragung teilgenommen. Hierbei veröffentlichte
    die ersten Befragungen (April/Mai 2020) ergaben, dass         beim ersten Lockdown 23 % der Eltern Stress dabei emp-        lichen (siehe auch: Stellungnahmen der BAGSO – Bundes-         das Deutsche Zentrum für Alterfragen im Februar 2021
    Jugendliche seit Beginn der Pandemie unzufriedener mit        funden haben, sich neben Beruf und Haushalt noch um           arbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und             DEAS Ergebnisse zum Einsamkeitsempfinden in der zwei-
    der Art und Weise waren, wie sie ihre Zeit verbrachten.       Kinderbetreuung und Schulunterricht zu kümmern, sagten        Covid-Heim Studienergebnisse).                                 ten Lebenshälfte während der Coronapandemie: Im Jahr
    Nahezu ein Viertel der Jugendlichen war zudem der Mei-        dies im zweiten Lockdown 42 % der Eltern. Fast 6 von 10             Weitere Studienergebnisse zur Lage älterer Menschen      2020 liegt die Einsamkeitsrate der Menschen im Alter
    nung, dass ihre Sorgen nicht wahrgenommen würden.             Familien (59 %) erlebten im zweiten Lockdown Belastun-        während der Coronapandemie finden sich in dem vom              von 46 bis 90 Jahren bei etwa 14 % und ist damit 1,5-mal
    In der zweiten JuCo-Studie (November 2020) äußerten           gen, Stress und/oder Streit und Spannungen.                   Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und            höher als in den Vorjahren. In den Jahren 2014 und 2017
    45 % der Befragten Zukunftsängste und 23 % räumten ein,             Die Coronapandemie stellt auch für ältere Menschen      Jugend geförderten Deutsche Alterssurvey (DEAS), der           fühlten sich jeweils etwa 9 % der Menschen dieser Alters-
    zumindest „in Teilen“ Angst vor der Zukunft zu haben.         eine Herausforderung dar. Alter bedeutet Vielfalt, und        eine bereits seit 1996 durchgeführte repräsentative Quer-      gruppe einsam. Ein Anstieg des Einsamkeitserlebens zeigt
    Über ein Drittel der Befragten gab zudem an, sich einsam      ebenso vielfältig gestalten sich die Auswirkungen auf un-     und Längsschnittbefragung von Personen in der zweiten          sich in einem ähnlichen Ausmaß für alle betrachteten
    zu fühlen.                                                    terschiedliche Gruppen älterer Menschen, weshalb diese        Lebenshälfte ist. Im Zentrum der Erhebung im Sommer            Altersgruppen, bei Frauen und Männern sowie bei ver-
          Bei der Bewertung der vorliegenden Befunde ist ins-     nicht pauschal als eine einheitliche Risikogruppe beschrie-   2020 standen Fragen zur aktuellen Lebenssituation sowie        schiedenen Bildungsgruppen.
    gesamt zu berücksichtigen, dass das Vorliegen einzelner       ben und wahrgenommen werden dürfen (siehe auch:               zu erlebten Veränderungen während der Coronapandemie
    oder mehrerer Symptome nicht gleichzusetzen ist mit           Positionspapier 8. Altersberichts-Kommission zur Corona-
    einer psychischen Erkrankung und einzelne Belastungs-         Pandemie). Besonders gefährdet sind jedoch vulnerable
    symptome nach Verschwinden der Belastungsfaktoren             Gruppen, wie Bewohnerinnen und Bewohner in Alten- und
    in der Regel reversibel sind.                                 Pflegeheimen, die es eindringlich zu beachten und zu

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Aktivitäten und Ergebnisse der Offensive Psychische Gesundheit - INQA
II. Psychische Gesundheit aus Sicht des                                                                                    Dem Arbeitsschutz kommt für die Gestaltung von men-
                                                                                                                                 schengerechten – d. h. auch die psychische Gesundheit
                                                                                                                                                                                                sind Strategien allein des BMAS zwangsläufig von be-
                                                                                                                                                                                                grenzter Wirkung. Sie haben in der Vergangenheit nicht

         Bundesministeriums für Arbeit und                                                                                       bewahrenden und fördernden – Arbeitsbedingungen eine
                                                                                                                                 wichtige Rolle zu. Mit der Gefährdungsbeurteilung nach
                                                                                                                                                                                                zum gewünschten Erfolg geführt, denn ausschließlich auf
                                                                                                                                                                                                den Arbeitsschutz und die Arbeitsgestaltung begrenzte

         Soziales (BMAS)                                                                                                         § 5 ArbSchG existiert ein prozessuales und beteiligungs-
                                                                                                                                 orientiertes Instrument für den Schutz der psychischen
                                                                                                                                                                                                Aktivitäten erwirken keine darstellbaren Erfolge. Wenn
                                                                                                                                                                                                die (Neu-)Erkrankungsraten psychischer Erkrankungen
                                                                                                                                 und physischen Gesundheit, das sich in der betrieblichen       verringert werden sollen, bedarf es vielmehr jenseits der
                                                                                                                                 Praxis allerdings trotz der gesetzlichen Verpflichtung de      Maßnahmen des Arbeitsschutzes auch Maßnahmen der

                                                                   1.                                                            facto noch nicht ausreichend durchgesetzt hat. Denn nur        Prävention, Therapie, Rehabilitation und Teilhabe.
     Die Ursachen für psychische Erkrankungen sind vielfältig.           Mit der Gemeinsamen Erklärung „Psychische Gesund­       etwas mehr als die Hälfte der Betriebe führte im Jahr                Um über die Aktivitäten des BMAS hinaus eine breite
     Sie können neben der individuellen Disposition und per-       heit in der Arbeitswelt“ haben sich BMAS, BDA und DGB         2015 eine Gefährdungsbeurteilung durch, insbesondere           gesellschaftliche Wirkung und damit für die Menschen
     sönlich-familiären Lebensumständen auch in der Arbeit         im Jahr 2013 darauf verständigt, psychischen Erkrankun-       KMU haben hier erhebliche Umsetzungsdefizite; zudem            umfassende, wirklich spürbare Verbesserungen beim
     begründet sein. Wissenschaftliche Studien belegen einer-      gen vorzubeugen und die erfolgreiche Eingliederung von        waren psychische Belastungsfaktoren nur bei etwa einem         Umgang mit psychischen Belastungen und der Prävention
     seits, dass psychische Belastungen bei der Arbeit Risiko-     psychisch erkrankten Beschäftigten zu verbessern.             Viertel aller Betriebe Gegenstand der Gefährdungsbe­           psychischer Erkrankungen zu erzielen, ist es notwendig,
     faktoren für die psychische und körperliche Gesundheit                                                                      urteilung. Dies spricht dafür, dass die bisherigen Bemühun-    neben der Arbeitswelt auch andere Lebenswelten zu be-

                                                                   2.
     darstellen und dass andererseits gut gestaltete Arbeit die                                                                  gen auf politischer und institutioneller Ebene offenbar        rücksichtigen und einzubeziehen, der lebensweltübergrei-
     Gesundheit stärkt (Quelle: „Psychische Gesundheit in              In der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie       nicht ausreichend in den Betrieben und bei den Beschäf-        fenden Komplexität des Problems gerecht zu werden und
     der Arbeitswelt – eine wissenschaftliche Standortbestim-      (GDA) haben sich die Träger (Bund, Länder und Unfall-         tigten ankamen.                                                damit an der Lebenswirklichkeit der Menschen anzusetzen.
     mung“, 2017). Eine Gefährdung durch psychische Belas-         versicherungsträger) mit Unterstützung der Sozialpartner            Es ist zu konstatieren, dass sich die Situation in den   Ziel des BMAS ist deshalb, psychische Belastungen, Be­
     tung tritt hierbei in nahezu allen Branchen auf. Auch die     auf das Ziel „Schutz und Stärkung der Gesundheit bei ar-      Betrieben zur Stärkung der psychischen Gesundheit trotz        anspruchungen und Erkrankungen nicht getrennt nach
     Digitalisierung ist mit psychischen Belastungen verbunden.    beitsbedingter psychischer Belastung“ geeinigt und unter      der klaren Regelungen im Arbeitsschutzgesetz und flan-         Ressortlogik zu betrachten, sondern eine abgestimmte
     Sie kann z. B. zu einer Beschleunigung von Arbeitsprozes-     Federführung des BMAS ein Arbeitsprogramm dazu durch-         kierender politischer Aktivitäten und Formate des BMAS         Strategie der Bundesregierung vorzubereiten, die breit die
     sen führen – nicht selten verbunden mit zunehmender Ar-       geführt, welches in dieser GDA-Periode fortgesetzt wird.      unter Einbindung der Sozialpartner, der Länder und Sozial-     unterschiedlichen Settings/Lebenswelten in den Blick
     beitsdichte –, was potenziell zu Überforderung und damit      Dieses Ziel ist mit der Nationalen Präventionskonferenz       versicherungen nicht grundsätzlich verbessert hat.             nimmt und adressiert. Über eine ressort- und akteursüber­
     zu einem Gesundheitsrisiko für Beschäftigte führen kann.      (NPK) abgestimmt, die sich ebenfalls mit psychischen                Da die Ursachen für psychische Erkrankungen kom-         greifende Vorgehensweise scheint es dann auch wieder-
            Zunehmende Technisierung und der Bedeutungs­           Belastungen verstärkt beschäftigt.                            plex und vielfältig sind und sich nicht auf Arbeitsumfeld      um möglich zu sein, die Zahl aktiver Betriebe, die eigen-
     zuwachs von Informations- und Kommunikationstechno-                                                                         und Gestaltung der Arbeitsbedingungen reduzieren lassen,       verantwortlich unter Beteiligung der Beschäftigten einen

                                                                   3.
     logien sorgen tendenziell für einen Rückgang körperlich
     belastender Tätigkeiten, während die Anforderungen an              Mit der ersten Sitzung des „Runden Tisches Psychi-
     die kognitive Leistungsfähigkeit steigen – bei gleichzeitig   sche Gesundheit in der Arbeitswelt“ am Ende der 18. Legis-
     wachsenden Anforderungen an die Erreichbarkeit und            laturperiode hat das BMAS einen ersten Impuls gegeben,
     Mobilität der Beschäftigten.                                  um verstärkt auch auf politischer Ebene die Unterstützung
            Die Gesundheit der Beschäftigten ist ein wesent­       durch Sozialpartner, Sozialversicherungen und Länder                       Die Offensive Psychische Gesundheit hat es in kurzer Zeit geschafft, die relevanten
     licher Baustein einer menschengerecht gestalteten Arbeits-    für das Thema zu erhalten.                                               Akteurinnen und Akteure des Gesundheitswesens bundesweit miteinander in Kontakt
     welt und gleichzeitig zentral für den wirtschaftlichen                                                                               zu bringen und aktiv zu vernetzen. Die Darstellung vorhandener Präventions- und Unter-

                                                                   4.
     Erfolg von Unternehmen und die Leistungsfähigkeit der                                                                               stützungsangebote auf der Homepage der Initiative zeichnet diese Zusammenarbeit aus –
     Menschen.                                                          Zusätzlich ist das BMAS auch im Rahmen der sozial-                nahbar und niederschwellig wird das Thema psychische Gesundheit in die Bevölkerung
            Das BMAS als für den Bereich von Sicherheit und        partnerschaftlich getragenen Initiative Neue Qualität
                                                                                                                                           getragen. Die Offensive Psychische Gesundheit steht für mehr Offenheit im Umgang
     Gesundheit bei der Arbeit zuständiges Ressort hat in den      der Arbeit (INQA) im Projekt „Psychische Gesundheit in
     vergangenen Jahren vor diesem Hintergrund – neben den         der Arbeitswelt“ (psyGA) seit Jahren tätig und bietet den              mit psychischen Erkrankungen – diese Offenheit muss nachhaltig und dauerhaft in der
     legislativen Aktivitäten zur Aufnahme der psychischen         unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren in Unter-                  Gesellschaft Einzug halten. Zudem muss sie sich ausweiten und den Blickwinkel immer
     Belastung als Gefährdungsfaktor im Arbeitsschutzgesetz        nehmen und Verwaltungen konkrete Informationsange-                      wieder verändern – Auswirkungen der Pandemie, Katastrophen und veränderte Lebens-
     (ArbSchG) und der Berücksichtigung dieses Faktors in          bote und Handlungshilfen, sensibilisiert die Öffentlichkeit            wirklichkeiten beeinflussen unser Leben mehr denn je – auch hier müssen wir Angebote
     Arbeitsschutzverordnungen – folgende Aktivitäten entfal-      sehr erfolgreich über begleitende Medienarbeit und ver-                       der psychischen Gesundheit vernetzen und gemeinsam öffentlich machen.
     tet, um die psychische Gesundheit der Beschäftigten in        netzt Akteurinnen und Akteure des betrieblichen Gesund-
     Betrieben und Verwaltungen zu stärken:                        heitsmanagements (BGM).
                                                                                                                                                                                                                             Manuela Otto,
                                                                                                                                                                                                   Abteilungsleiterin Gesundheitsförderung,
                                                                                                                                                                                                           Bereich Marketing – Prävention

10                                                                                                                                                                                                                                                           11
Aktivitäten und Ergebnisse der Offensive Psychische Gesundheit - INQA
modernen Arbeitsschutz als Teil einer betrieblichen Ge-
     sundheitspolitik praktizieren, deutlich zu steigern.
                                                                  im Arbeitskontext zu sprechen, und neigen stärker zu Prä-
                                                                  sentismus. So würden zwei Drittel der Befragten trotz
                                                                                                                                 III. Psychische Gesundheit aus Sicht des
           Aus Sicht des BMAS muss dabei neben der Umset-
     zung gesetzlicher Vorschriften auch ein erforderlicher
                                                                  einer Depression weiter zur Arbeit gehen und weder mit
                                                                  Kolleginnen und Kollegen noch mit Vorgesetzten darüber              Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
     Wandel von Arbeitskultur gehören. Neben der Einbindung       sprechen. Wenn nur die wenigsten Beschäftigten im Falle
     klassischer Akteurinnen und Akteure wie der Sozialpartner    einer psychischen Erkrankung Hilfe und Unterstützung
     auf Verbandsebene sind dafür auch relevante betrieb-         bei Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten erwarten,
     liche Akteurinnen und Akteure, wie z. B. die der Führungs-   besteht dringender Handlungsbedarf zur De-Stigmati­            Psychische Gesundheit und Wohlbefinden werden nicht          den übrigen Trägern der Sozialversicherung eine gemein­
     und Personal­verantwortlichen sowie ganz konkret die         sierung – zumal die Bereitschaft, sich Hilfe zu suchen, aus-   nur durch individuelle Merkmale beeinflusst, sondern         same nationale Präventionsstrategie zu entwickeln und
     Akteurinnen und Akteure, die Präventionsleistungen an-       gerechnet bei denen am geringsten ist, die die größten         auch durch soziale Umstände, deren Interaktion dyna-         deren Umsetzung und Fortschreibung im Rahmen der
     bieten sowie Fach- und Betroffenenverbände, zu adres-        Belastungen empfinden. Scham spielt hierbei eine wesent­       misch den psychischen Zustand einer Person bedrohen          Nationalen Präventionskonferenz zu gewährleisten. Neben
     sieren und einzubinden. Denn der Umgang mit psychi-          liche Rolle. Die unter 40-Jährigen sind stärker psychisch      oder schützen. Beeinträchtigungen der psychischen Ge-        den gesetzlichen Spitzenorganisationen der Sozialleis-
     scher Belastung in Unternehmen und Verwaltungen ist in       belastet, bei gleichzeitig größerer Scham für psychische       sundheit kommen vielfach vor und variieren von leichten      tungsträger und dem Verband der privaten Krankenver­
     hohem Maße eine Frage der Unternehmenskultur und             Probleme, verbunden mit geringerer Bereitschaft, Hilfe in      Einschränkungen des seelischen Wohlbefindens bis hin         sicherungsunternehmen e. V. sind in der Nationalen Prä-
     ein Thema für Human-Ressource-(HR-)Verantwortliche.          Anspruch zu nehmen. Die psychischen Beschwerden                zu schweren psychischen Störungen. Psychische Beein-         ventionskonferenz mit beratender Stimme der Bund und
     Erst ihre Beteiligung an einem umfassenden, breiten dia­     selbst verzögern bzw. verhindern teilweise die Inanspruch­     trächtigungen können mit erheblichen individuellen und       die Länder vertreten sowie die kommunalen Spitzenver-
     logischen Prozess ermöglicht einen hohen Praxisbezug         nahme professioneller Hilfe.                                   gesellschaftlichen Folgen einhergehen und die körper­        bände auf Bundesebene, die Bundesagentur für Arbeit,
     und stärkt den Transfer in die betriebliche Praxis. Dies            Die Ergebnisse besagen weiterhin, dass drei von vier    liche Gesundheit, das Gesundheitsverhalten sowie die Leis-   die repräsentativen Spitzenorganisationen der Arbeit­
     trägt weiterhin dazu bei, dass das Thema über verband­       Menschen in Deutschland entweder im Bekanntenkreis             tungsfähigkeit und Lebensqualität beeinflussen.              geber und Arbeitnehmer sowie die für die Gesundheits-
     liche Strukturen und Zirkel hinausgedacht sowie bewegt       oder als persönlich Betroffene Erfahrungen mit psychi-               Gesundheitsförderung und Prävention sind in            förderung und Prävention maßgeblichen Organisationen
     wird, und sorgt für einen glaubwürdigen, effektiven und      scher Krankheit gemacht haben. Die meisten Betroffenen         Deutsch­land Aufgaben vieler Akteurinnen und Akteure         und Verbände über das Präventionsforum und die Inter-
     erfolgreichen Neustart der Bemühungen der Politik zur        berichten, dass sie in ihrem persönlichen Umfeld auf Ver-      auf Bundes-, Landes- und insbesondere kommunaler             essenvertretungen der Patientinnen und Patienten.
     Stärkung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt.      ständnis für ihre Krankheit gestoßen sind und dass es in       Ebene. Für zahlreiche Bereiche der Prävention und Ge-               Die Nationale Präventionskonferenz hat eine ge-
                                                                  ihrem Umfeld Menschen gibt, mit denen es ihnen leicht-         sundheitsförderung und weitere Bereiche mit Relevanz         meinsame nationale Präventionsstrategie formuliert, die
                                                                  fällt, über ihre Erkrankung zu reden. 22 % der Betroffenen     für die Gesundheit der Bevölkerung liegen die Zustän-        den Wandel von akuten zu chronischen Erkrankungen
     Befragungsergebnisse zum offenen                             stoßen allerdings in ihrem Umfeld auf Unverständnis.           digkeiten bei den Ländern und in der kommunalen              und psychischen Erkrankungen sowie die zunehmende
     Umgang mit psychischer Gesundheit                                   Mehr Offenheit mit psychischer Gesundheit kann die      Selbst­verwaltung der Gemeinden (z. B. für den öffent­       Bedeutung psychischer Belastungen in allen Lebensberei-
                                                                  Prävention in allen Lebenswelten stärken und die Früh­         lichen Ge­­sundheitsdienst, das Schulwesen, die Kinder-      chen als epidemiologische und gesellschaftliche Heraus-
     Die Tabuisierung psychischer Probleme und Belastungen        erkennung verbessern. Dies hilft nicht nur den Betrof­fe­      und Jugendhilfe).                                            forderungen für ein systematisch und gemeinsames Vor-
     stellt für die Akteurinnen und Akteure der Prävention in     nen, sondern auch dem gesamten Lebensumfeld, kann                    Der Bund verfolgt mit dem Präventionsgesetz            gehen der Akteurinnen und Akteure beschreibt. Für den
     allen Lebenswelten eine Hürde bei der Inanspruchnahme        Leiden verringern, damit verbundene Krankheitskosten           vom 17. Juli 2015 das Ziel, unter Einbeziehung aller         Zeitraum 2019 bis 2024 hat die Nationale Präventions-
     präventiver Angebote dar – auch in der Arbeitswelt und       reduzieren und die Arbeitsqualität erhöhen.                    Sozialver­sicherungsträger sowie der privaten Kranken-       konferenz u. a. das Ziel „Schutz und Stärkung der psychi-
     für die betrieblichen Bemühungen bei der Gesundheits-                                                                       versicherung und der privaten Pflege-Pflichtversiche-        schen Gesundheit in der Arbeitswelt“ formuliert und mit
     förderung und den verhältnispräventiven Maßnahmen der                                                                       rung die Gesundheitsförderung und Prävention ins­            den Zielen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutz-
     Arbeitsgestaltung. Mehr Offenheit im Umgang mit psy-                                                                        besondere in den Lebenswelten der Bürgerinnen und            strategie abgestimmt. Sie empfiehlt darüber hinaus, im
     chischen Belastungen ermöglicht optimierte Maßnahmen                                                                        Bürger zu stärken, die Leistungen der Krankenkassen          Rahmen eines lebensweltorientierten Prozesses verhält-
     der Prävention und ist gleichermaßen Voraussetzung für                                                                      zur Früherkennung von Krankheiten weiterzuentwickeln         nis- und verhaltensbezogene Interventionen zu kombi-
     das frühzeitige Erkennen bzw. die Behandlung psychi-                                                                        und das Zusammenwirken von betrieblicher Gesund-             nieren und neben der Reduzierung von Risiken auch die
     scher Erkrankungen wie für die bessere (Wieder-)Einglie-                                                                    heitsförderung und Arbeitsschutz zu verbessern.              Stärkung von Schutzfaktoren für die physische und psy-
     derung und Betreuung der Betroffenen im beruflichen                                                                               Zur Stärkung der psychischen Gesundheit wurden         chische Gesundheit.
     Umfeld.                                                                                                                     die Krankenkassen verpflichtet, bei der Wahrnehmung                 Der Schutz vor Krankheiten und die Förderung
            Im Auftrag des BMAS wertete Prof. Schomerus vom                                                                      ihrer Aufgaben im Bereich der primären Prävention und        der Gesundheit erfordern die Bereitschaft zu ressort- und
     Universitätsklinikum Leipzig Daten aus einer Bevölkerungs-                                                                  Gesundheitsförderung das Gesundheitsziel „depressive         sozialversicherungszweigübergreifendem Handeln sowie
     und einer Beschäftigtenumfrage aus, um herauszufinden,                                                                      Erkrankungen: verhindern, früh erkennen, nachhaltig be-      die Bereitschaft, aufeinander abgestimmte Maßnahmen
     wie es um Offenheit im Umgang mit psychischen Belas-                                                                        handeln“ zu berücksichtigen, aber auch die Gesundheits-      zu implementieren und effektive Maßnahmen miteinan-
     tungen bestellt ist. In der Erhebung mit 5.000 Befragten                                                                    ziele „gesund aufwachsen, gesund älter werden“ und           der zu verzahnen. Um zu veranschaulichen, wie ein ge-
     zeigte sich, dass die deutliche Mehrzahl der Befragten                                                                      „Alkoholkonsum reduzieren“.                                  samtgesellschaftliches Zusammenwirken bei der Umset-
     über psychische Probleme/Erkrankungen nicht im Arbeits-                                                                           Zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Akteu-         zung der nationalen Präventionsstrategie aussehen kann,
     kontext (z. B. mit Kolleginnen und Kollegen oder Vorge-                                                                     rinnen und Akteure auf Bundes-, Landes- und kommu­           hat die Nationale Präventionskonferenz unter anderem
     setzten) sprechen würden. Speziell Personen, die selbst                                                                     naler Ebene und der Koordination der Leistungen und          ein Anwendungsbeispiel zur qualitätsorientierten Sucht-
     von psychischen Problemen betroffen sind, berichten                                                                         Maßnahmen in betrieblichen und nichtbetrieblichen            prävention in den Lebenswelten der Menschen entwi-
     häufiger von Schamgefühlen, sind weniger bereit, darüber                                                                    Lebenswelten wurden die Krankenkassen verpflichtet, mit      ckelt. Im Fokus stehen dabei Kinder und Jugendliche aus

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Aktivitäten und Ergebnisse der Offensive Psychische Gesundheit - INQA
suchtbelasteten Familien. Kinder suchtkranker Eltern sind
     einer Vielzahl von Entwicklungsschwierigkeiten in ihren
                                                                  für Fragen der psychischen Gesundheit in ihrer Lebens-
                                                                  welt zu ermöglichen, insbesondere im Umgang mit
                                                                                                                             IV. Psychische Gesundheit aus Sicht des
     Familien ausgesetzt und bilden eine Hochrisikogruppe für
     die Entwicklung eigener psychischer und suchtbezogener
                                                                  strukturellen Belastungsfaktoren. Eine Offenheit im Hin-
                                                                  blick auf maßgebliche Rahmenbedingungen für die psy-           Bundesministeriums für Familie, Senioren,
     Störungen. Um die tatsächliche Inanspruchnahme der
     vorhandenen verhaltensbezogenen Maßnahmen zur psy-
                                                                  chische Gesundheit am Arbeitsplatz kann beispielsweise
                                                                  im Wege der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belas-          Frauen und Jugend (BMFSFJ)
     chischen Gesundheitsförderung zu fördern, ist es erfor-      tung und eines strukturierten Gesundheitsmanagements
     derlich, die Aufklärung und das Wissen in der Gesellschaft   erreicht werden.
     über mögliche Risiken für die psychische Gesundheit und             Die Zusammenarbeit der Leistungsträger unterein-
     über die Möglichkeiten zur Stärkung ihrer gesundheit­        ander und mit weiteren maßgeblichen Akteurinnen und        Psychische Belastungen haben große Auswirkungen auf         Angesichts der Belastungssituation, in der sich gerade
     lichen Ressourcen zu unterstützen. Dieses Wissen ist not-    Akteuren wie den Vertreterinnen und Vertretern der         die gesamte Gesellschaft, Menschen aller Altersgruppen      junge Menschen und ihre Familien befinden, hat das
     wendig, damit Betroffene mögliche anhaltende psychi-         Sozialpartner, der Länder und Kommunen z. B. im Rahmen     und in jeder Lebensphase können betroffen sein. Wie         BMFSFJ seit Beginn der Corona-Pandemie zunächst
     sche Belastungen rechtzeitig selber wahrnehmen, sich         der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) und der          Menschen mit diesen Belastungen und Krisen umgehen          die bestehenden Unterstützungsangebote für Kinder,
     diese eingestehen und sich dann auch anderen anver-          Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA)         können, hängt immer auch von persönlichen Bewälti-          Jugendliche, Eltern und Fachkräfte ausgebaut und diese
     trauen und im Bedarfsfall die notwendige Unterstützung       ist eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung       gungsressourcen und -strategien, dem Wissen über und        breit bekannt gemacht. Um auch die psychosozialen
     suchen und leichter finden.                                  der abgestimmten Verzahnung von Präventions- und           dem Zugang zu Unterstützungsangeboten ab.                   Folgen der Pandemie auf junge Menschen abzumildern,
           Zur Verstetigung einer gesellschaftlichen Offenheit    Unterstützungsangeboten.                                         Als Gesellschaftsministerium hat das BMFSFJ die       schafft das BMFSFJ im Rahmen des Aktionsprogramms
     für Fragen der psychischen Gesundheit ist es wichtig,               Die Offensive Psychische Gesundheit ergänzt die     Menschen aller Generationen gleichermaßen im Blick.         „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“
     das Thema sowohl auf individueller Ebene zu adressieren      hier genannten Aktivitäten und ist ein wesentlicher        Entsprechend hat es in den vergangenen Jahren vielfältige   mit rund 1 Mrd. € zusätzliche Sport-, Freizeit- und Ferien-
     als auch darüber hinaus strukturell in den Lebenswelten      Schritt, um die Bedeutung der Prävention von psychi-       Beratungs-, Unterstützungs- und Informationsangebote        aktivitäten, Unterstützung für Kinder und Jugendliche
     zu verankern. Die für die Lebenswelten Verantwortung         schen Erkrankungen über die NPK und die GDA hinaus         auf den Weg gebracht, um die Menschen in ihrer jeweili-     im Alltag sowie Angebote im Bereich der frühkindlichen
     Tragenden wie Arbeitgeber, Schulverwaltungen und             als gesamt­gesellschaftliches Querschnittsthema            gen Lebenssituation zu unterstützen.                        Bildung.
     Pflege­einrichtungen etc. sind gefordert, eine Offenheit     voranzubringen.                                                  Damit junge Menschen in Deutschland gesund auf-             Unter gemeinsamer Federführung des BMFSFJ und
                                                                                                                             wachsen können, steht das BMFSFJ in engem Austausch         des BMG wurde zudem eine interministerielle Arbeits-
                                                                                                                             mit Fachkräften und Fachorganisationen, aber auch mit       gruppe gegründet, um den gesundheitlichen Auswirkun-
                                                                                                                             jungen Menschen und ihren Interessenvertretungen. Es        gen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche zu begeg-
                                                                                                                             fördert zahlreiche Angebote für Kinder und Jugendliche      nen. Im Kern ging es darum, Handlungsansätze und
                                                                                                                             wie die „Nummer gegen Kummer“ (www.nummergegen              kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zur Gesundheitsför-
                  Die Beteiligung vieler wichtiger Akteurinnen und Akteure des Gesundheitswesens                             kummer.de), die Online-Beratung der Bundeskonferenz         derung von Kindern und Jugendlichen zu konzipieren und
                     macht deutlich, dass die Offensive zum richtigen Zeitpunkt ein notwendiges                              für Erziehungsberatung (www.bke-beratung.de) und Ju-        besonders die Vulnerablen unter ihnen in den Blick zu
                Signal zu mehr Offenheit und Aufklärung über die Psychische Gesundheit in der                                gendNotmail (www.jugendnotmail.de) sowie das Projekt        nehmen.
             Bevölkerung gestartet hat. Vielfältige und professionelle Informations- und Präventions-­                       „Pausentaste“ explizit für pflegende Kinder und Jugend­           In der Coronakrise hat sich gezeigt: Eine gute Ver-
               angebote werden für gefährdete und betroffene Personen in allen Lebensbereichen                               liche (www.pausentaste.de). Mit den Frühen Hilfen unter-    sorgung ist dann besonders gut möglich, wenn auf bereits
                                                                                                                             stützt und ermöglicht das BMFSFJ niedrigschwellige und      bestehende vernetzte Strukturen zurückgegriffen werden
                einfacher zugänglich und nutzbar gemacht. Die BARMER ist von Anfang an dabei.
                                                                                                                             freiwillige Angebote insbesondere für (werdende) Eltern     konnte. So konnten die Angebote der Frühen Hilfen bei
              Denn eine intensive Vernetzung der Akteurinnen und Akteure und Angebote kann vor                               und Familien, die aufgrund unterschiedlicher psychosozia­   allen Einschränkungen nicht zuletzt aufgrund der beste-
                  allem Betroffene, Angehörige, Beschäftigte und Interessierte dazu befähigen,                               ler Belastungen einen erhöhten Beratungs- und Unter-        henden Netzwerke zügig der Situation angepasst und
              frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir sehen die steigenden Zahlen psychischer                            stützungsbedarf haben, häufig aber nur schwer Zugang zu     Familien weiter unterstützt werden.
                Erkrankungen als Herausforderung und sind davon überzeugt, dass die Offensive                                Unterstützungsangeboten finden (www.fruehehilfen.de;              Viele Eltern fühlen sich durch erhöhte Anforderun-
               große Potenziale birgt, wenn es darum geht, unsere psychische Gesundheit besser                               www.elternsein.info).                                       gen im Beruf und Zeitknappheit unter Druck gesetzt.
                                                                                                                                   Mit dem Gesetz zur Stärkung von Kindern und Ju-       Familien brauchen flexible Rahmenbedingungen, die eine
                        wahrzunehmen, zu stärken, wiederherzustellen und zu bewahren.
                                                                                                                             gendlichen, das im Juni 2021 in Kraft getreten ist, wird    existenzsichernde Erwerbstätigkeit und damit wirtschaft-
                                                                                                                             auch angesichts der besonderen Lebenslage von Kindern       liche Stabilität, aber auch mehr Zeit für Familie ermögli-
                                                                                        Andrea Jakob-Pannier,                psychisch- und suchterkrankter Eltern mehr Prävention       chen. Es ist daher wichtig, die Vereinbarkeitsbedingungen
                                                                                    Psychologin bei der Barmer               vor Ort ermöglicht. Zudem erweitert das Gesetz die Hilfe-   für Mütter und Väter gleichermaßen weiter zu verbessern,
                                                                                                                             angebote, die ohne Antragstellung beim Jugendamt in         die wirtschaftliche Stabilität und Eigenständigkeit beider
                                                                                                                             Anspruch genommen werden können, und stellt die Zu-         Eltern weiter zu festigen und digitale Potenziale stärker zu
                                                                                                                             sammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten sowie Psycho-         nutzen. Die Gestaltung einer familienfreundlichen Lebens-
                                                                                                                             therapeutinnen und Psychotherapeuten mit der Kinder-        und Arbeitswelt, die Eltern eine gute Vereinbarkeit von
                                                                                                                             und Jugendhilfe durch eine gesetzliche Verpflichtung zum    Familie und Beruf ermöglicht und eine partnerschaftliche
                                                                                                                             Abschluss von Vereinbarungen zur Zusammenarbeit auf         Aufteilung von beruflichen und familiären Aufgaben un-
                                                                                                                             eine verbindlichere Grundlage.                              terstützt, ist deshalb ein Schwerpunkt der Familienpolitik

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Aktivitäten und Ergebnisse der Offensive Psychische Gesundheit - INQA
des BMFSFJ. Nicht zuletzt hat die Coronakrise gezeigt,      Gleichwohl alle Altersgruppen von Einsamkeit betroffen        bundesweit gemeinsamen Telefonseelsorge der evange­           Die Bundesregierung wertet soziale Berufe im Rahmen
     dass Unternehmen, die gute Vereinbarkeitsbedingungen        sein können, ist die Gruppe älterer Menschen im Fokus,        lischen und katholischen Kirche (www.telefonseelsorge.de/)    ihrer Zuständigkeit durch Gesetze (z. B. Pflegeberufe­
     für bei ihnen beschäftigte Mütter und Väter geschaffen      da sie eher auf Hilfen angewiesen sein können. Um diese       fördert das BMFSFJ eine aktive Anlaufstelle, die auch in      gesetz) und Bundesprogramme (z. B. Fachkräfteoffensive
     haben, in der Krise deutlich besser aufgestellt sind als    dabei zu unterstützen, aus Vereinsamung und sozialer          der aktuellen Situation dazu beiträgt, psychosoziale Folgen   für Erzieherinnen und Erzieher, Ausbildungsoffensive
     Unternehmen ohne familienorientierte Strukturen.            Isolation herauszufinden und um diesen Tendenzen vor-         der Coronapandemie abzumildern.                               Pflege) auf und leistet so einen zentralen Beitrag zur Fach-
           Zur Stärkung von Familien fördert das BMFSFJ          zubeugen, hat das BMFSFJ 2020 zwei große Modellvor­                 Eine wichtige Rolle beim Thema psychische Gesund-       kräftegewinnung und -bindung in diesem Bereich. Weiter-
     Angebote der Familienbildung und -beratung und der          haben gestartet: Das Modellprogramm „Stärkung der Teil-       heit spielen die Fachkräfte der sozialen Berufe. Durch ihre   führende Informationen zur Politik für die Aufwertung
     Familienerholung in gemeinnützigen Familienferien­          habe Älterer – Wege aus der Einsamkeit und sozialen           Arbeit haben sie auf unterschiedliche Weise Kontakt mit       sozialer Berufe unter https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/
     stätten. Einrichtungen des Müttergenesungswerks, die        Isolation im Alter“ (www.esf-regiestelle.de/foerderperiode-   Menschen mit psychischen Belastungen und ihren Ange-          themen/gleichstellung/aufwertung-sozialer-berufe.
     Kurmaßnahmen für Mütter, Väter und pflegende Ange-          2014-2020/staerkung-der-teilhabe-aelterer-wege-aus-           hörigen. Sie leisten damit im Rahmen ihrer jeweiligen               Die Offensive Psychische Gesundheit setzt einen
     hörige durchführen und mit ihrem ganzheitlichen Kon-        der-einsamkeit-und-sozialen-isolation-im-alter.html) mit      Fachlichkeit Präventionsarbeit für eine gute psychische       wichtigen Impuls, um die gesamtgesellschaftliche Rele-
     zept auch Unterstützung bei Erschöpfung und psycho-         geplantem Folgeprogramm und das Modellprojekt „Mit­           Gesundheit durch Unterstützung und Beratung und errei-        vanz des Themas zu verdeutlichen. Der ressort- und
     somatischen Belastungen bieten, unterstützt das BMFSFJ      einander – Füreinander; Kontakt und Gemeinschaft im           chen weit vor der spezifischen psychologischen und psy-       lebensweltübergreifende Ansatz der Offensive ist hier
     durch Bauförderung. Zeitliche Entlastung für Familien       Alter“ des Malteser Hilfsdienstes (https://www.malteser.      chiatrischen Versorgung breite Teile der Bevölkerung.         ein wichtiger Baustein. Durch die Offensive werden
     bietet das ElterngeldDigital, der KinderzuschlagDigital     de/miteinander-fuereinander.html). Zudem fördert es           Darüber hinaus entlasten insbesondere die Fachkräfte der      Menschen über alle Lebenswelten hinweg ermutigt,
     und das InfotoolFamilie. Mit dem Familienportal des         Programme zur Stärkung der digitalen Kompetenzen und          frühen Bildung und Pflege – als größte Gruppe innerhalb       offener über eventuelle Belastungen zu sprechen und
     BMFSFJ steht Familien ein Serviceportal zur Verfügung,      Souveränität älterer Menschen (www.digitaler-engel.org).      der sozialen Berufe – Millionen Eltern und Angehörige in      Präventions- und Unterstützungsangebote früher in
     um auch in familiären Belastungssituationen niedrig-        Auch in der Pandemie tragen diese Programme dazu bei,         Deutschland und ermöglichen ihnen die Vereinbarkeit von       Anspruch zu nehmen.
     schwellig über Unterstützungsangebote zu informieren        dass ältere Menschen vernetzt und aktiv bleiben. Der          Erwerbstätigkeit und Betreuungs- und Pflegeaufgaben.
     (www.familienportal.de).                                    Podcast aus 2020 der BAGSO – Bundesarbeitsgemein-
           Um Familien in der Pandemie zu unterstützen,          schaft der Seniorenorganisationen e. V. „Zusammenhalten
     wurden finanzielle Unterstützungsleistungen wie die         in dieser Zeit“ soll älteren Menschen helfen, gut durch die
     staatliche Entschädigung für Verdienstausfall bei fehlen-   Pandemie zu kommen: www.bagso.de/corona-pandemie/
     der Kinderbetreuung, Kinderkrankentage, Kinderbonus         zusammenhalten-in-dieser-zeit-ein-podcast-der-bagso/.
     und Kinderzuschlag, die Erhöhung des steuerlichen Ent-      Die Videoserie #wirlebenjetzt der Marie-Luise und Ernst                  Die OPG hat das Thema psychische Gesundheit auf die politische Agenda gesetzt und
     lastungsbetrages für Alleinerziehende, der vereinfachte     Becker Stiftung (www.becker-stiftung.de) aus 2020 will                       alle wichtigen Player in diesem Bereich an einen Tisch gebracht. Aus diesem
     Zugang zur Grundsicherung sowie die Anpassung des           ältere Menschen zu mehr Bewegung im Alltag, auch wäh-                  ersten Impuls muss jetzt eine langfristig angelegte Kampagne entstehen – zum Erhalt
     Elterngelds schnell umgesetzt.                              rend der Pandemie, motivieren.                                           und zur Wiederherstellung von psychischer Gesundheit in allen Lebensbereichen.
           Damit sich Familien von den Strapazen der Pandemie­         Die rund 530 Mehrgenerationenhäuser im Bundes-                  Das Thema ist seit Beginn der Pandemie wichtiger denn je und darf kein Tabu mehr sein!
     zeit erholen können, ermöglicht das BMFSFJ Eltern mit       programm „Mehrgenerationenhaus. Miteinander-Fürein-
     kleineren Einkommen und ihren Kindern und Familien mit      ander“ sind Begegnungsstätten mit niedrigschwelligen                                                                                        Prof. Dr. med. Arno Deister,
     einem Angehörigen mit Behinderung bis zu eine Woche         und wohnortnahen Beratungs-, Bildungs- und Freizeit­
     Erholungsurlaub. Bis Ende 2022 müssen sie nur 10 % der      angeboten, die allen Menschen offenstehen und soziale
                                                                                                                                                                                       Vorsitzender Aktionsbündnis Seelische Gesundheit
     Kosten für Unterbringung und Verpflegung zum Beispiel       Teilhabe sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt zwi-
     in gemeinnützigen Familienerholungseinrichtungen zah-       schen Generationen und Kulturen fördern (www.mehr­gene
     len. Die Maßnahme „Corona-Auszeit für Familien – Fami-      rationenhaeuser.de). Im Rahmen des Aktionsprogramms
     lienferienzeiten erleichtern“ wurde im Aktionsprogramm      „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ setzt
     „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“           das BMFSFJ 2021 und 2022 mit einem Gesamtbudget in
     beschlossen ebenso wie der Kinderfreizeitbonus in Höhe      Höhe von 10 Mio. € das Projekt „MGH – gemeinsam &
     von einmalig 100 € je Kind, mit dem Kinder und Jugend­      engagiert mit Kindern & Jugendlichen“ um und unter-
     liche aus bedürftigen Familien und Familien mit kleinen     stützt damit zusätzliche Angebote der Mehrgenerationen-
     Einkommen unterstützt werden.                               häuser für Kinder, Jugendliche und deren Familien, um
           Auch pflegende Angehörige können einer hohen          psychosozialen Folgen der Pandemie entgegenzuwirken
     Belastung ausgesetzt sein. Daraus folgt auch ein hoher      und Kinder und Jugendliche beim Aufholen von Ent­
     Beratungsbedarf. Um pflegende Angehörige zu unter-          wicklungs­rückständen und insbesondere bei der Förde-
     stützen und in ihrer Pflegeverantwortung zu stärken,        rung ihrer sozialen Kompetenzen zu stärken.
     wurde das Pflegetelefon als bundesweites Beratungs-               Das Regenbogenportal bietet Anlaufstellen zu Be-
     angebot für Ratsuchende rund um das Thema Pflege            ratung, Selbsthilfe und Vernetzung für lesbische, schwule,
     etabliert (weitere wichtige Informationen auf dem Ser-      bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie
     viceportal www.wege-zur-pflege.de).                         queere Menschen (www.regenbogenportal.de). Mit der

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Aktivitäten und Ergebnisse der Offensive Psychische Gesundheit - INQA
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