DER RING Dezember 2021 Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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Schenken ist vielfältig Schenken kann einen persön- habe, das nicht so im Vorder- lichen, tieferen Sinn haben. grund steht. Ein besonderes Lob Oft ist Schenken verbunden schenken – auch vielleicht einmal mit dem Wunsch, dem Partner, für die alltäglichen Dinge. den Kindern, den Enkelkindern Foto: privat oder Bekannten eine Freude zu Schenken ist so unendlich viel machen. Das Schenken ist eine fältig, Schenken kann viel Freude, Möglichkeit, meine Wertschät- Zuversicht und Mut machen. Erich Möller. zung, Zuneigung oder Freund- schaft einem mir wichtigen Men- Die Adventszeit ist für unsere schen gegenüber auszudrücken. Familie eine Zeit der Vorfreude Vor einigen Jahren sitzen im Zeit schenken, Zeit haben für ein und des Wartens auf Weih- November einige Bewohnerin- persönliches Gespräch, für ein nachten. Wir möchten unsere nen und Bewohner des Hauses Telefonat oder für eine persön- Freunde und Verwandten daran mit mir beim Vorbereiten einer liche Begegnung, auch unter den teilhaben lassen und haben in Mahlzeit am Tisch zusammen. aktuellen erschwerten Bedingun- den vergangenen Jahren Kar- Ich frage sie im Gespräch, was gen von Abstand und anderen ten geschrieben. Wir nehmen für Weihnachtsgeschenke sie Schutzvorschriften. Aufmerksam uns Zeit, Gedanken, Erlebnisse sich wünschen. Neben sol- sein, Mitgefühl zeigen, wenn und Wünsche mit Freunden und chen wie Radiowecker, Foto- mein Gegenüber es im Augen- Bekannten zu teilen und dem buch und ähnlichen Dingen sagt blick nicht leicht hat. einen oder anderen ein kleines eine Bewohnerin, dass es ihr Geschenk zu machen. größter Wunsch sei und es ein Ich schenke jemandem ein gutes Geschenk wäre, mehr Zeit mit Wort, vielleicht, um Trost zu Für die nun beginnende Advents- ihrer Schwester zu verbringen spenden in dieser Zeit, in der zeit und das bevorstehende – die Schwester wohnt in der viele persönliche Begegnungen Weihnachtsfest wünsche ich Pfalz. Sie wurde bis dahin nur zu erschwert oder nicht möglich Ihnen eine gesegnete Zeit, dass ihren Geburtstagen eingeladen. sind. Eine Geste, ein Gespräch, Sie neben allen Aufgaben und Im folgenden Jahr war sie auch um ein wenig Hoffnung zu allem Trubel Freude am »Ge- für eine Urlaubswoche bei ihrer schenken. Ein Gebet dem schen- schenk Weihnachten« haben Schwester. ken, der mit seinem Problem können. nicht fertig wird. Es gibt viele Gelegenheiten, – Erich Möller – jemandem etwas zu schenken. Beachtung und Aufmerksam- ( Bereichsleiter in Bethel.regional/ Sehr oft sind es schön einge- keit meinem Gegenüber schen- Bielefeld-Nord ) packte materielle Geschenke. ken, das ich vielleicht übersehen DER RING. Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Titelbild: In Gevelsberg und Hagen 61. Jahrgang. Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl, Vorsitzender des Vorstandes, in werden ungewöhnliche Adventskränze Zusammenarbeit mit den Mitarbeitervertretungen. Redaktion: Johann Vollmer ( verantwortlich ), Petra Wilkening. Satz und Gestaltung: Andrea Chyla. Sekretariat: hergestellt. Den metallischen Anteil Jutta Seidenberg/Christina Heitkämper. Anschrift: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld, fertigen Beschäftigte der Kunstschlos- Telefon: 0521 144-3512, Telefax 0521 144 - 2274. E-Mail: presse@bethel.de. serei Gebal, die farbenfrohen Kerzen Druck: Gieseking Print- und Verlagsservices GmbH, 33617 Bielefeld. Nachdruck ist entstehen in den Hagener Elbershallen. mit Genehmigung der Redaktion gestattet. © bei v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel. DER RING ist Mitglied im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik Mehr zu der vorweihnachtlichen Ko- ( GEP ). Interessierte können die Zeitschrift kostenlos abonnieren. produktion zweier Bethel.regional- Spendenkonto: IBAN: DE48 4805 0161 0000 0040 77, BIC: SPBIDE3BXXX. Standorte ab Seite 12. Foto: Christian Bethel im Internet: www.bethel.de Weische Redaktionsschluss für den Januar-RING: 3. Dezember 2021 2
i Inhalt Kurz gesagt Menschen in Bethel 5 Ein Herzenswunsch 16 IDM dockt an Uni an Die 107-jährige Anneliese Schwester Christa Hübner Figge ist die älteste Bielefel- feierte in der Lazarus-Diakonie Das Institut für Diakoniewissen- derin. Berlin ihr 60-jähriges Einseg- schaft und DiakonieManagement nungsjubiläum. (IDM) steht vor einem Wechsel Vertraute als Beistand 6 zur Universität Bielefeld. Die Die Finanzierung der Be- Der Lieblingsplatz 17 Kirchliche Hochschule Wupper- gleitung von Menschen mit Die Betheler Inobhutnahme- tal / Bethel gibt ihren Standort in Behinderungen im Kranken- Gruppe in Langenhagen Bielefeld-Bethel zum 1. Januar haus ist ab kommendem freut sich über ihre sanierten auf. An der Universität Bielefeld Jahr geregelt. Räumlichkeiten. soll das IDM an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philo- Digitale Teilhabe 8 Zeit des Abschieds 18 sophie und Theologie in die Ab- Im Dortmunder Fußballstadion teilung Evangelische Theologie veranstaltete das Betheler integriert werden. Durch diese Hospiz Am Ostpark einen Zusammenarbeit eröffnet sich Letzte-Hilfe-Kurs. den Studierenden eine größere Interdisziplinarität. Räumlich Fast wie Urlaub 20 ändert sich für die Studierenden nichts, der Campus Bethel bleibt bestehen. Am von Bethel mit- Im Haus Gihon wird mit Hilfe finanzierten Institut für Diakonie- der Aktion Mensch die selbst- wissenschaft und DiakonieMa- bestimmte Nutzung des Inter- nagement sind rund 80 Studie- nets gefördert. rende eingeschrieben. 4 von 10.000 10 Attraktiver.de informiert Betheler Klienten und Klien tinnen besuchen regelmäßig Die Diakonischen Tarife belegen den Gnadenhof Wattenscheid in der Pflege und den sozialen in Bochum und finden dort Berufen den Spitzenplatz: Dies innere Ruhe. zeigt ein Vergleich mit dem Entgeltatlas der Bundesagentur Große Verbesserung 22 für Arbeit. Um Mitarbeitenden Im Seniorenwohnpark Am und Interessierten Tarifvergleiche, Kirschberg in Lobetal wurden Grundlagen und Leistungsüber- in diesem Jahr mehrere sichten der Diakonie-Tarife zu Seit drei Jahren gibt es Häuserjubiläen gefeiert. ermöglichen, haben die Dienst- am Evangelischen Klinikum geber in der Arbeitsrechtlichen Bethel das Zentrum für Bethel damals 23 Kommission der Diakonie Deutsch- Seltene Erkrankungen. Vor 150 Jahren führte land eine neue Homepage auf Sarepta die erste Pfennig- den Weg gebracht. Die Seite Tannenbaum und Kerzen 12 Sammlung ein. Friedrich »attraktiver.de« informiert über Für die Weihnachtsproduktion von Bodelschwingh per- Gehälter und Arbeitsbedingun- arbeiten die Kunstschlosserei fektionierte die Idee. gen in der Diakonie sowie den in Gevelsberg und die Werk- Kommissionsweg. »Wir setzen statt auf dem Elbersgelände RING-Magazin 24 jetzt ein klares Zeichen für die in Hagen zusammen. Attraktivität der Pflege- und Neues aus der MAV 25 Sozialberufe«, sagt Thomas Positive Konflikte 14 Die Mitarbeitervertretungen Sopp, Bethels Beauftragter des Aus zerrütteten Verhältnissen informieren. Vorstands für Tarifangelegenhei- hat Sina (Name geändert) ten und Vorsitzender der Dienst- in der Lobetaler Jugendhilfe- Namen und Notizen 26 geber in der Arbeitsrechtlichen Einrichtung »Wendepunkt« Kommission. in ein neues Leben gefunden. Mitarbeiter/-innen 26 – JoV – 3
Aus Bethel – Für Bethel Besuch in Eben-Ezer Strahlender Sonnenschein in Lemgo. Nach 1869 wurde, wie auch in Bethel auf Bestre- und nach treffen die Mitglieder der Pfarrkonfe- ben reicher Kaufleute, von der Kanzel der renz Bethels nach einer ungeplanten Stippvi- Lemgoer Nicolaikirche zur Gründung einer site in Neu-Eben-Ezer auf dem parkähnlichen Anstalt aufgerufen. Diese erfolgte 1871, Gelände von Alt-Eben-Ezer ein. Die Stiftung und die »Anstalt« bekam den alttestament- Eben-Ezer, die neuerdings fünfte Stiftung lichen Namen Eben Ezer. Stein der Hilfe. Als der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel Topehlen 1904 starb, lebten 60 »Pfleglinge«, kennen lernen – das steht heute ganz oben wie man damals sagte, in Eben-Ezer. Seine auf der Tagesordnung. Nachfolger bauten die Arbeit weiter aus. Dass einmal 1.000 Menschen, Erwachsene, Alte Am Eingang der rund 110 Jahre alten Kapelle und Kinder, Menschen, die in und nach den »Zum guten Hirten« werden wir herzlich zur Kriegswirren dort heimatlos oder verwaist Andacht begrüßt. Und nicht nur die Kapelle strandeten, auf dem Gelände lebten, ist heute überrascht mit ihrem markanten Tonnenge- kaum vorstellbar. wölbe und einer großen künstlerisch gestalte- ten Glasfront, die Helligkeit und Farbspiele in 1957 wurde der Grundstein für Neu-Ebenezer den Kirchraum zaubert. Auch die Kirchenmu- gelegt: Es entstand eine Komplexeinrichtung sik überrascht: mit Orgel und zweistimmigem wie vom Reißbrett, mit Kinderheimat, Förder- Gesang. Und wie in der Zionskirche in Bethel schule und ersten Wohnheimen für Erwachsene. ist auch hier ein biblischer Vers in großen Let- Sie wurde kontinuierlich weiter ausgebaut tern auf den Altarbogen geschrieben: »Der und professionalisiert. Herr hilft den Elenden herrlich.« Die Frömmig- keit der Erweckungsbewegung im 19. Jahr- Der aktuelle Imagefilm der Stiftung Eben-Ezer hundert hat segensreich und bis heute sicht- rundet die Vorstellung der fünften Stiftung bar Spuren hinterlassen. Bethels ab. »Da hätte auch Bethel drunter- stehen können«, kommentiert ein Kollege, Nach der Andacht geht es in die nur wenige kaum dass der letzte Ton verklungen ist und Schritte entfernte Cafeteria, den Treffpunkt stellt herzlich anerkennend fest: »Jetzt haben für Menschen mit und ohne Handikap. Dort wir alle ein Gespür dafür, wer mit unter unser erzählt und zeigt Dr. Bartolt Haase, Theologi- Dach kommt.« Ja, jetzt gilt es zusammenzu- scher Vorstand der Stiftung Eben-Ezer, wie der wachsen, um dann zusammen zu wachsen. Stein der Hilfe ins Rollen kam und was heute Zusammenarbeit bietet sich an vielen Stellen Stand der Dinge ist: Da war der Lehrer Simon an. Wir haben die gleichen Themen und müs- August Topehlen, der von der Schulbehörde sen uns in den nächsten Jahren den gleichen den Auftrag bekam, einem Mädchen mit geis- Herausforderungen stellen. Ich denke zum tiger Behinderung das Schreiben, Lesen und Beispiel an die Umsetzung des BTHG, die Aus- Rechnen beizubringen. Topehlen und seine bildung und Gewinnung von Mitarbeiterinnen Schwester Lina nahmen das Kind namens und Mitarbeitern, die Dezentralisierung. Das Henriette Ludolph bei sich zuhause auf. Und Wichtigste heißt jedoch: Für Menschen da ja, es stellten sich Erfolge ein. Henriette lernte sein. Ab jetzt gemeinsam. – und zwar fürs Leben: sich anzuziehen, bei Tisch zu sitzen und einfache hauswirtschaft- liche Arbeiten zu verrichten. Der Behörde reichte das nicht. Auftrag und entsprechende Ihr Gelder wurden eingestellt. Dennoch behielten die Geschwister Topehlen Henriette bei sich und nahmen sogar drei weitere Mädchen mit Pastor Ulrich Pohl Behinderungen bei sich auf. 4
Älteste Bielefelderin lebt im Lohmannshof 107 Jahre – Anneliese Figge feiert Geburtstag Das Jahr 1914: Das Attentat von Sarajevo löst den Ersten Weltkrieg aus, James Joyce veröffentlicht seinen berühm- ten »Dubliner«, die olympi- schen Ringe werden erfun- den, und die weltweit letzte Wandertaube stirbt. Von diesen Ereignissen unbeein- druckt kommt an der Biele- felder Arndtstraße Anneliese Figge auf die Welt. Am 14. November feierte sie ihren Geburtstag in Bethels Pflege zentrum am Lohmannshof. Mit 107 Jahren ist sie der älteste Mensch Bielefelds. Als »Gewächs aus dem Bielefel- der Westen« bezeichnet Sohn Wolfgang Figge, selbst 76 Jahre Foto: Paul Schulz alt, seine Mutter. Hier betrieben ihre Eltern einen Papier- und Schreibwarenladen. Früh hat sie in dem Familienbetrieb mitgear- beitet, auch in der Buchhaltung. Ein »solides Leben« sei das Rezept zum Altwerden, sagt Anneliese Figge. Dass sie ein ausgesprochener »Zahlenmensch« ist, merkt man noch, dass mein Vater damals len«, erinnert sich Anneliese bis heute: Kopfrechnen kann sie sehr krank war.« Dass sie selbst Figge. »Von den Diakonissen immer noch sehr gut. Außerdem nicht nur diese gefährliche Zeit, habe ich gelernt, was man für blieb ihr ein gutes Gedächtnis sondern auch noch mehr als den Hausgebrauch so benötigt.« erhalten – unzählige Geburts- ein Jahrhundert inklusive zweier Später arbeitete sie als kaufmän- tage und Telefonnummern weiß Weltkriege überstehen sollte, nische Angestellte im Bielefelder sie auswendig. Besonderen hätten in Kindertagen wohl Stadtteil Brackwede. Mit ihrem Wert legt sie auf Ordnung und wenige gedacht: »Ich war immer Mann Wilhelm war sie von 1936 Struktur. Daran hat sich auch die Kleinste und Leichteste von bis zu dessen Tod 1992 verhei- im hohen Alter nichts geän- allen«, sagt sie. Jedes Jahr wurde ratet. Aus der Ehe gingen zwei dert. Auch heute noch vertritt das Mädchen mit der vermeint- Kinder hervor, vier Enkel und drei Anneliese Figge ihre Position: lich schwächlichen Konstitution Urenkel folgten. »Sie weiß, was sie will«, sagt ihr sechs Wochen in Kur geschickt, Sohn. Allerdings hat ihre Sehkraft um robuster zu werden. Ein Rezept, wie man so ein in letzter Zeit nachgelassen – zu hohes Alter erreicht, hat Anne- ihrem großen Bedauern, da sie Das Nähen gelernt liese Figge nicht. Lediglich ein eine leidenschaftliche Leserin war. »solides Leben« sei empfehlens- Mit Bethel ist Anneliese Figge wert. Vielleicht liegt es doch an Die Corona-Pandemie, die Anne- nicht erst in Kontakt gekommen, den guten Genen in der Familie, liese Figge im Lohmannshof bis- als sie vor dreizehn Jahren in schließlich »knackte« auch ihre lang gesund und ohne Infek- das Pflegezentrum im Bielefel- jüngere Schwester in diesem Jahr tion überstanden hat, ist für der Wellensiek zog. Vor bald 100 die Marke 100. Aber einen Rat die Bielefelderin nicht die erste Jahren besuchte das Mädchen hat sie dann doch für ihre Mit- Masseninfektion, die sie mit- auf Wunsch ihrer Großmutter menschen: »Man muss sein Maß erlebt hat. Auch an die Spani- die Handarbeitsschule in Bethel. kennen.« sche Grippe, die 1918 Millionen »Ein Mädchen muss nähen kön- Menschenleben forderte, kann nen«, war deren feste Überzeu- – Robert Burg – sie sich noch erinnern. »Ich weiß gung. »Mir hat es dort gut gefal- 5
Finanzierung der Krankenhaus-Begleitung geregelt »Dieses Vertraute können Pflegende nicht ersetzen« Foto: Paul Schulz Ohne vertraute Begleitpersonen sind Behandlungssituationen im Krankenhaus für viele Menschen mit Behinderungen eine große psychische Belastung. »Allein schon in einem Pflegebett durch die langen Kranken- persönlichen Umfeld der Betrof- hausgänge zu einer Untersuchung gefahren zu werden ist fenen leistet die gesetzliche für viele Menschen mit Behinderungen eine psychische Belas- Krankenversicherung im Fall der tung. Da hilft eine vertraute Person an der Seite sehr.« Katja Mitaufnahme oder ganztägigen Rosenthal-Schleicher, Pflegerische Fachbereichsleiterin im Kran- Begleitung einen Ausgleich für kenhaus Mara in Bielefeld-Bethel, weiß, wie wichtig es ist, den Verdienstausfall der Begleit- dass Begleitpersonen Menschen mit Behinderungen Sicher- personen. heit geben. Ein neues Bundesgesetz, das die Finanzierung der Begleitung bei einem Krankenhausaufenthalt regelt, sei daher Viele An- und Zugehörige und ein bedeutender Schritt. natürlich die Betroffenen selbst würden nun hoffentlich durch Im September hat der Bundes- der medizinischen Versorgung die neuen Regelungen entlastet, rat die Gesetzesänderungen zur verbessert, ganz im Sinne der so Katja Rosenthal-Schleicher, Finanzierung der Begleitung von UN-Behindertenrechtskonven- verantwortliche Pflegedienstlei- Menschen mit Behinderungen tion«, sagt er. terin für die Neurologie in Mara durch eine vertraute Bezugs- und im EvKB. »Alle, die eine person bei einem Krankenhaus- Klarer geregelt Begleitung übernommen haben, aufenthalt zugestimmt. »Ist mussten das im Zweifelsfall in das Gesetz in Kraft, wird es die Die Kostenträgerschaft sei nun ihrem Erholungsurlaub tun oder medizinische Versorgung von klarer geregelt, stellt Dr. Ernst waren gezwungen, sich auf der Menschen mit Behinderungen fest. Die gesetzlichen Verände- Arbeit frei zu nehmen – aber auf deutlich verbessern«, ist der rungen gelten für alle Menschen, eigene Kosten. Manchmal ist es Geschäftsführer des Evangeli- die Leistungen der Eingliede- dann gar nicht zur Krankenhaus- schen Klinikums Bethel (EvKB) rungshilfe erhalten. Erfolgt die behandlung gekommen, und und des Krankenhauses Mara, Begleitung durch Mitarbeiterin- das darf nicht passieren«, so die Dr. Matthias Ernst, überzeugt. nen oder Mitarbeiter eines Leis- Pflegeexpertin. Den Bedürfnissen der besonders tungserbringers der Eingliede- vulnerablen Patienten werde rungshilfe, werden die zustän- Die Begleitpersonen würden mit der neuen Regelung stärker digen Träger die Personalkosten die Betroffenen kennen wie kein Rechnung getragen. »Außerdem übernehmen. Bei einer Beglei- ein anderer, so Katja Rosenthal- wird ihre Gleichbehandlung in tung durch Personen aus dem Schleicher. »Sie kennen ihre 6
»Dieses Vertraute … Gewohnheiten, ihre besonde- ren Ängste und ihren Bedarf an Hilfsmitteln«, sagt sie. Angehö- rige und vertraute Bezugsperso- nen aus der Eingliederungshilfe wüssten, ob jemand körperliche Nähe mag, auf welche Anrede er reagiert und welche Situationen besonderen Stress verursachen. »Viele brauchen auch Unterstüt- zung bei der Kommunikation, weil sie sich verbal nicht so gut äußern können. Mit ihren Ange- Foto: Christian Weische hörigen haben sie aber durchaus Regeln gefunden, wie sie Bedürf- nisse ausdrücken können.« Für viele Menschen mit Behin- derungen ist es eine besonders große Herausforderung, in eine Dr. Matthias Ernst und Katja Rosenthal-Schleicher erwarten eine deutliche Verbesse- ungewohnte Umgebung zu rung der medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen. kommen oder zusammen mit anderen Menschen zu essen. leistung, auch wenn sie bisher Katja Rosenthal-Schleicher weist Viele haben ein starkes Bedürf- nicht vom Kostenträger refinan- darauf hin, dass die vulnerablen nis nach körperlicher Nähe. ziert wird.« Patientengruppen nicht umfas- Rituelle Tagesabläufe sind ihnen send berücksichtigt würden. wichtig. Unter diesen Bedingun- Dr. Matthias Ernst und Katja »Die Regelungen gelten für alle gen geben vertraute Menschen Rosenthal-Schleicher erwarten Menschen mit Behinderungen, Sicherheit. »Häufig wird eine über die Neu-Regelungen deut- die Leistungen der Eingliede- Behandlung so möglich«, sagt liche Verbesserungen für Men- rungshilfe beziehen und auf Katja Rosenthal-Schleicher. schen mit Behinderungen im Begleitung angewiesen sind. EvKB und in Mara. »Die bishe- Aber was ist mit Menschen mit Eine gewohnte Berührung, die rige intensive Begleitung durch altersdemenziellen Erkrankun- vertraute Stimme – das nimmt unsere Pflegekräfte hat die Auf- gen? Das sind meistens Men- Menschen mit Behinderungen enthalte dieser Patientengruppe schen, die keine Leistungen aus viele Ängste. »Dieses Vertraute bereits gut gestaltet. Trotzdem der Eingliederungshilfe bekom- können Pflegende nicht erset- wird die Versorgung nun noch men und somit durch das Raster zen oder aufholen«, weiß Katja ein höheres Niveau erreichen und fallen.« Rosenthal-Schleicher. Es sei her- alle Betroffenen und Begleiten- ausragend, was beispielsweise den bekommen mehr Planungs- Das Gesetz soll schrittweise ab Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherheit«, so Dr. Ernst. Ende Januar 2022 in Kraft tre- aus den Eingliederungshilfe-Ein- ten. Sandra Waters freut sich richtungen von Bethel.regional Medizinisch notwendig ebenfalls über die »erhebliche leisteten. »Da wird immer wie- Verbesserung der Versorgung.« der ermöglicht, dass vertraute Die neuen Regelungen seien Allerdings müssten die Rege- Assistenzmenschen für einige ein wichtiger Schritt, einiges sei lungen anschließend noch auf Stunden in das Krankenhaus aber noch verbesserungswürdig, NRW-Landesrecht und das Leis- kommen können«, berichtet sie. findet der Geschäftsführer. Eine tungsrecht übertragen werden, Diese notwendige Unterstützung Voraussetzung für die Finan- damit sie in der Praxis angewen- werde im Einzelfall in den beson- zierung der Begleitung ist, dass det werden könnten. »Da wir deren Wohnformen abgeklärt, sie aus medizinischen Gründen die Befürchtung haben, dass dies so Bethel.regional-Geschäfts- zwingend notwendig ist. »Hier dauern kann, müssen wir darauf führerin Sandra Waters. »In den muss genauer definiert werden, politisch hinwirken.« meisten Fällen übernimmt die was diese medizinischen Gründe Eingliederungshilfe die Assistenz- sind«, so Dr. Matthias Ernst. – Gunnar Kreutner – 7
Haus Gihon fördert Umgang mit neuen Medien »Digitale Teilhabe bedeutet Selbstbestimmung« im Haus Gihon. Um Kontakt mit den Familien und Freunden zu ermöglichen, mietete die Einrich- tung in dieser Zeit einen Compu- ter beim PIKSL-Labor in Bielefeld. Der PC konnte für das Video-Tool Skype genutzt werden. Das kam gut an: »Das Angebot wurde sehr viel genutzt. Uns wurde noch einmal vor Augen geführt, wie sehr die Menschen von den digitalen Medien profitieren.« Deshalb soll das Thema fester Bestandteil im Konzept der Ein- Fotos: Thomas Richter richtung werden. Dank der Förderung »Internet für alle« der Aktion Mensch gelingt ein erster Schritt in diese Hans-Joachim Giese (l.) möchte den Klienten und Klientinnen im Haus Gihon mehr Richtung: 10.000 Euro hat das digitale Teilhabe ermöglichen. Auch Martin Schadt profitiert davon. Haus Gihon erhalten, um digi- tale Technik anzuschaffen und Freunde kontaktieren mit WhatsApp, Videos schauen auf die selbstbestimmte Internetnut- YouTube, Videotelefonie per Skype: Martin Schadt kommt zung zu fördern. Eine Hälfte des mit seinem Tablet gut zurecht. Seit rund drei Jahren hat der Geldes ist für Hard- und Soft- Bethel-Klient das Gerät, das er dank Sprachsteuerung prob- ware vorgesehen. Es wird einge- lemlos bedienen kann. Viele Menschen mit Behinderungen setzt, um einen Raum mit zwei haben dagegen keinen Zugang zu digitalen Endgeräten oder Computern und einem Tablet dem Internet. Mit Hilfe eines von der Aktion Mensch geförder- auszustatten. Die andere Hälfte ten Projekts und der Unterstützung des Betheler PIKSL-Labors der Förderung ist für Bildungs- möchte das Haus Gihon in Bielefeld-Bethel mehr Menschen angebote genehmigt. Die Nut- die digitale Teilhabe ermöglichen. zerinnen und Nutzer und auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter »Der Alltag wird immer digitaler. jungen Menschen wollen surfen. werden im Bereich Medienkom- Wir erhalten E-Mails, versenden Sie sitzen und stehen im Flur an petenz, Bedienung und Hand- Sprachnachrichten und veröf- den WLAN-Access-Points, wo habung der Technik geschult fentlichen Fotos in den Sozialen die Verbindung besonders gut und erhalten Informationen über Netzwerken«, sagt Einrichtungs- ist.« Einige Bewohnerinnen und die Möglichkeiten und Risiken leiter Hans-Joachim Giese. Er Bewohner haben eigene Smart- der Internetnutzung. Ein erstes erlebe aber, dass Menschen mit phones, Tablets und auch Inter- inklusives Fortbildungsprogramm Behinderungen und auch viele netanschlüsse in ihren Zimmern. wurde bereits mit Unterstützung ältere Menschen die Möglich- Andere nutzen digitale Medien des PIKSL-Labors durchgeführt. keiten von digitalen Medien noch gar nicht. nicht voll nutzten. »Neben un- »Wir haben zunächst sieben zureichenden Zugängen zur Wichtig im Lockdown Bewohner in zwei Kleingruppen Online-Welt liegt das vor allem geschult«, sagt Ernst-Ulrich Voll- auch an nicht barrierefreien Besonders der harte Lockdown pracht. Er wird sich zukünftig Angeboten, fehlenden inklusi- im vergangenen Jahr habe ge- gemeinsam mit einem Auszubil- ven Lehr- und Lernmitteln und zeigt, wie dringend Handlungs- denden um die technische Unter- digitalen Endgeräten.« Als man bedarf bestehe. »Wir benötigten stützung kümmern. Computer, vor zwei Jahren das WLAN im digitale Technologien, damit die Tablets und Smartphones wur- Haus Gihon installiert habe, sei Bewohnerinnen und Bewohner den kleinschrittig erkundet, um ihm bewusstgeworden, wie groß am gesellschaftlichen Leben teil- Freude im Umgang mit ihnen zu das Interesse und der Bedarf an nehmen konnten«, sagt Ernst- entwickeln und ihre Grundfunk- neuen Technologien seien. »Die Ulrich Vollpracht, Mitarbeiter tionen kennen zu lernen. Welche 8
»Digitale Teilhabe … Hürden es dabei am Anfang geben kann, weiß Ernst-Ulrich Vollpracht: »Die berührungs- empfindlichen Oberflächen von Smartphones und Tablets sind für viele Menschen ungewohnt. Wir haben geübt, in welcher Weise und mit welcher Dauer die Finger auf den Bildschirm gelegt wer- den müssen.« Auch in das Inter- net bekamen die Teilnehmenden erste Einblicke: Sie lernten, wie E-Mails geschrieben und emp- fangen werden können und wel- che Funktionen Skype hat. PIKSL-Workshops Ernst-Ulrich Vollpracht (l.) unterstützt Axel Beckmann beim Surfen im Internet. »Bei den Workshops gehen wir individuell auf die Bedürfnisse Menschen mit der neuen Technik »Als besondere Wohnform und Fähigkeiten der Klientin- vertraut zu machen. Dennoch haben wir eine wichtige Schlüs- nen und Klienten ein«, erklärt stellen laut PIKSL Menschen mit selposition, um den Klientinnen Albrecht Stangier vom Team mittlerem und hohem Unter- und Klienten die neuen Techno- des PIKSL-Labors. Oft helfe es, stützungsbedarf eine besondere logien näher zu bringen«, ist Anknüpfungspunkte zur realen Herausforderung bei der Durch- Hans-Joachim Giese überzeugt. Welt herzustellen. »Die Nutze- führung von Kursen, Schulun- »Für sie ist der Umgang mit rinnen und Nutzer haben schnell gen und Workshops dar. Für digitalen Medien eine Bereiche- eine Idee, was sie machen müs- diese Zielgruppen gebe es noch rung.« Er wünscht sich, dass das sen, wenn ihnen das, was sie keine etablierten pädagogischen Thema langfristig Teil der Hilfe- auf dem Tablet sehen, bekannt sowie methodisch-didaktischen planung wird. »Digitale Teilhabe vorkommt. Sie erkennen bei- Konzepte, die sich in der Praxis bedeutet Selbstbestimmung. Die spielsweise ein Memory-Spiel bewährt hätten. Die entwickele Menschen werden unabhängi- anhand der Anordnung der Kar- und erprobe das PIKSL-Labor ger, weil sie mehr Handlungs- ten.« Diesen Wiedererkennungs- jetzt auch im Rahmen von spielräume erhalten«, sagt er. wert könne man nutzen, um die »Internet für alle«. Dabei werde Das Angebot stehe noch ganz es von den Mitarbeitenden in am Anfang, müsse aber unbe- Bethel.regional unterstützt. dingt weiter ausgebaut und ver- stetigt werden. »Das funktioniert Wie war der Workshop? »Gut!«, nur, wenn die Mitarbeitenden sagt Martin Schadt. Ihm hat es die zeitlichen Ressourcen dafür viel Spaß gemacht, sich noch haben.« Auch Albrecht Stangier intensiver mit den Funktionen von PIKSL findet es wichtig, dass eines Tablets auseinanderzuset- die Kostenträger das Bedürfnis zen. »Ich konnte schon ein paar der Menschen sehen: »Digitale Sachen, aber ich habe auch viel Teilhabe muss ein selbstverständ- Neues gelernt«, fasst er zusam- licher Bestandteil der Eingliede- men. Auch Bewohner Axel rungshilfe werden. Genauso wie Beckmann ist begeistert von der sie zum Alltag von Menschen Schulung. Er besitzt ein Handy, ohne Behinderungen gehören, kannte sich aber mit dem Inter- müssen digitale Angebote auch net nicht aus. »Am besten haben zum Leben von Menschen mit mir die Spiele gefallen«, stellt er Einschränkungen gehören.« fest. Es freut sich auf den neuen Patrick Clausmeier nutzt regelmäßig das Computer-Raum und möchte die – Elena Sandbothe – WLAN auf dem Flur. digitale Welt weiter erkunden. 9
Zentrum für Seltene Erkrankungen Bielefeld Mit der Universität auf dem Weg in die Bundesliga Vor drei Jahren ist am Evan- gelischen Klinikum Bethel (EvKB) das Zentrum für Sel- tene Erkrankungen Bielefeld (ZeSEB) entstanden. »Wir haben uns gut etabliert und werden gut angenommen. Uns erreichen zwei bis vier Anfragen pro Woche«, berich- tet Universitätsprofessor Dr. Eckard Hamelmann in seiner Eigenschaft als ZeSEB- Sprecher. Um Menschen mit Seltenen Erkrankungen künf- tig noch besser helfen zu können, setzt der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Bethel auf die Zugehörigkeit zum neuen Universitätsklinikum OWL. Foto: Christian Weische Seltene Erkrankungen sind nur selten, wenn man jede der geschätzt rund 8.000 unter- schiedlichen Krankheiten einzeln betrachtet. In ihrer Gesamtheit hingegen haben deutschlandweit etwa vier Millionen Menschen Bercem hat Muskeldystrophie Typ Ullrich. Nicht einmal neun von einer Million eine seltene Erkrankung. Der Menschen leiden an dieser angeborenen Erkrankung. Großteil wird im Kindesalter dia- gnostiziert. »Seltene Erkrankun- jemand bei ihr. Bercem hat häu- ist. Die Möglichkeiten zur geziel- gen sind damit eine Art Volks- fig eine Lungenentzündung und ten Prävention, Beratung oder krankheit«, sagt Prof. Dr. Eckard muss sich dann ins Kinderzent- Behandlung werden häufig ver- Hamelmann. Eine Krankheit gilt rum begeben. »Hab ich Lungen passt oder sind noch nicht aus- nach Definition der EU dann als entzündung, dann will ich nur reichend erforscht oder belegt. selten, wenn weniger als 5 von Ruhe, Ruhe, Ruhe«, sagt sie. Diese Die Patientinnen und Patien- 10.000 Menschen an ihr leiden. Ruhe bekommt Bercem im EvKB. ten haben zu oft einen langen Leidensweg zu bewältigen, bis Ein Beispiel für eine äußerst Späte Diagnose sie eine Diagnose bekommen. seltene Krankheit ist Muskeldys- Zudem sind Seltene Erkrankun- trophie Typ Ullrich. Nicht einmal Dort ist sie also gut aufgehoben. gen vielfach Stiefkind der phar- neun von einer Million Menschen Doch grundsätzlich erschwert mazeutischen Forschung, weil leiden an dieser angeborenen die Seltenheit der einzelnen sich damit kein Geld verdienen Erkrankung. Einer dieser Men- Erkrankungen die medizinische lässt. schen ist die 12-jährige Bercem. Versorgung betroffener Patien- Das Mädchen aus Bielefeld sitzt tinnen und Patienten. Diagnose Den Leidensweg zu verkürzen im Rollstuhl, denn die Krank- und Therapie stellen alle Betei- und schnell bestmögliche Hilfe- heit führt zu einer ausgepräg- ligten vor besondere Herausfor- stellung zu leisten ist das Ziel ten Muskelschwäche. Besonders derungen. Wegen der spärli- des ZeSEB. Vorstellen muss man beeinträchtigt wird die Lungen- chen Untersuchungsdaten und sich das Zentrum nicht als kon- funktion. Nachts muss Bercem mangelnder Erfahrung gelingt kreten Ort, sondern als virtuel- deshalb eine Maske tragen, die eine genaue Diagnose oft erst les Kompetenznetzwerk, in dem ihre Atmung unterstützt. Um sehr spät. Entsprechend verzö- Expertisen aus sämtlichen EvKB- bei einer Krise sofort eingreifen gert setzt die Therapie ein, die Kliniken zusammenfließen. Das zu können, ist Tag und Nacht manchmal auch zu unspezifisch ZeSEB selbst wiederum gehört 10
Mit der Universität … dem Netzwerk der bundesweit für Kinder- und Jugendmedizin. ist sehr schwierig, mit einem 30 Zentren für Seltene Erkran- »Es gibt uns einen noch besseren solchen Zentrum, mit dieser Art kungen an. Rahmen, um eine gute Diagnos- von Medizin die wirtschaftlichen tik und Therapie für chronische Erfordernisse eines modernen Menschen, die sich an das ZeSEB und seltene chronische Erkran- Klinikums zu erfüllen.« wenden, haben häufig schon kungen anzubieten«, sagt Prof. einen langen Weg von Arzt zu Dr. Eckard Hamelmann mit Blick Das EvKB setzt dennoch auf das Arzt hinter sich. »Wir versuchen, auf die zurzeit im Bau befindliche ZeSEB. Was dort geschieht, ent- möglichst innerhalb unseres Klinik, die 2023 eröffnet werden spricht schließlich dem ursprüng- Zentrums Lösungen zu finden«, soll. Am neuen Kinderzentrum lichen Bethel-Gedanken: Men- erläutert Prof. Dr. Eckard Hamel- soll zudem eine Professur für schen zu helfen. Dennoch wird mann. »Doch wenn das nicht Neuropädiatrie etabliert werden. das Zentrum anderweitige finan- geht, haben wir die Möglichkeit, An diesem Lehrstuhl werden das zielle Unterstützung benötigen, auf externe Kapazitäten inner- Zentrum für Behindertenmedizin um auch in der Zukunft gut auf- halb des Netzwerks zu verwei- für Kinder und Jugendliche und gestellt zu sein. Prof. Dr. Eckard sen. Genau das ist ja die Idee. der Schwerpunkt für Stoffwech- Hamelmann und sein Team wer- Nicht zu sagen: Wir können alles. selerkrankungen mit angebun- den sich um so genannte Dritt- Sondern: Wir wissen, wo jemand den sein. mittel bemühen. Das sind Gelder, ist, der das gerade Erforderliche die zur Förderung von Forschung gut kann. Diese Adresse können Menschen helfen und Entwicklung sowie des wis- wir Patienten dann geben.« senschaftlichen Nachwuchses Finanziell lukrativ ist eine Spezia- und der Lehre zusätzlich zum Trotz seiner positiven Zwischen lisierung auf Seltene Erkrankun- regulären Haushalt von öffent- bilanz sieht Prof. Dr. Eckard gen nicht. Denn für Anamnese lichen oder privaten Stellen Hamelmann Entwicklungsspiel- und Diagnostik muss ein ver- eingeworben werden können. raum für das ZeSEB. Große Hoff- gleichsweise sehr hoher zeitlicher Möglichst viele solcher Drittmit- nungen verbindet er mit dem Aufwand veranschlagt werden; tel sollen künftig in das ZeSEB neuen Universitätsklinikum OWL, es bedarf zudem großer Exper fließen. Damit Menschen wie dem der Campus Bielefeld-Bethel tise, um herauszufinden, welche Bercem und anderen mit Selte- mit dem EvKB und dem Kranken- individuellen Möglichkeiten der nen Erkrankungen bestmöglich haus Mara angehört. »Das Ziel Therapie es für Patienten geben geholfen werden kann. für das nächste Jahr ist es, ein könnte. »Deshalb lässt sich damit universitäres Kompetenzzentrum kein Geld verdienen«, bestätigt – Philipp Kreutzer – der Level-A-Kategorie und damit Prof. Dr. Eckard Hamelmann. »Es der höchsten Versorgungsstufe aufzubauen«, betont er. »Mit neuen Professuren für Physiolo- gie, Biochemie und Humangene- tik, sodass wir Hand in Hand mit klinischer Forschung und Grund- lagenforschung bei der Diagnos- tik und Therapie von Seltenen und neuen Seltenen Erkrankun- gen mithelfen können.« Auf bestmöglichem Niveau soll das geschehen, der Anspruch ist hoch. Prof. Dr. Eckard Hamel- mann formuliert es so: »Wir wol- len sozusagen in der Bundesliga Foto: Mario Haase mitspielen.« Zur positiven Weiterentwick- lung des ZeSEB werde das neue Kinderzentrum Bethel beitragen. Prof. Dr. Eckard Hamelmann ist Direktor der Betheler Klinik für Kinder- und Jugend Zu ihm gehört auch die Klinik medizin und Sprecher des Zentrums für Seltene Erkrankungen Bielefeld. 11
Weihnachtliches aus Bethel Ein Gemeinschaftswerk für den Adventstisch man Interesse für die Metallver- arbeitung mitbringen.« Vor- kenntnisse braucht dennoch niemand. Dafür ist Kreativität gefragt: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen eigene Ideen einbringen. Die Bandbreite der Produktion ist groß: Auto modelle aller Art, die mittlerweile allbekannten Steinvögel und Metallfiguren in Miniatur- bis Lebensgröße – jedes Stück, das hier in reiner Handarbeit ent- steht, ist ein Unikat. Alle weihnachtlichen Artikel werden ganzjährig hergestellt. Und mittlerweile gibt es eine beeindruckende Auswahl. »2015 haben wir mit einer Krippe an- gefangen«, erinnert sich Jörg Fotos: Christian Weische Scholz. Zahlreiche Variationen dieses Motivs folgten. Dann kamen großformatige Silhou- etten hinzu – Tannen, Sterne oder Engel für den Gartenbe- reich. Heute sind Engelfiguren, Traditionell und modern zugleich: Vier Kerzen umringen die stilisierte Metall-Tanne. verwendbar als Kerzenhalter, besonders beliebt: »Das ist unser Wachsweich und stahlhart ist der Adventskranz, der als Ko- Klassiker.« Allerdings waren die produktion an den Bethel.regional-Standorten Hagen und vergangenen beiden Jahre nicht Gevelsberg entsteht. Der weiche Part – die vier Kerzen – wird einfach. Aufgrund der Corona- in einer Werkstatt auf dem Elbersgelände in Hagen hergestellt. Die metallische Basis mit dem stilisierten Tannenbaum steuern die »Gevelsberger und Ennepetaler Beratung und Arbeitsge- legenheiten«, kurz »Gebal«, bei. Beide Komponenten werden von Menschen produziert, die in Bethel beschäftigt sind. Wenn Stefanie Höfler mit ihrem traditionsreichen Stiftsgelände Plasmaschneider den dicken in Gevelsberg tätig sind. Das Metallplatten zu Leibe rückt, Angebot richtet sich an ganz fliegen die Funken. Anscheinend unterschiedliche Menschen, mühelos durchtrennt der feurige die eines gemeinsam haben: Strahl, der gebündelt durch eine Sie alle brauchen berufliche Per- kleine Düse strömt, das bis zu spektiven und die Chance auf acht Millimeter starke Material. gesellschaftliche Teilhabe. Oft So lassen sich – Übung, Konzen- sind es Menschen in besonderen tration und vor allem eine ruhige sozialen Schwierigkeiten, die von Hand vorausgesetzt – scheren- Langzeitarbeitslosigkeit betroffen schnittartige Bilder ins harte sind. Angeleitet werden die Teil- Metall zaubern. nehmenden von Jörg Scholz. Die junge Frau ist eine von »Wir vermitteln hier eine kom- Mit Fingerspitzengefühl entfernt Cornelia sieben Beschäftigten, die in plexe Tätigkeit«, betont der Blasberg die lange Nadel, die den Docht der Kunstschlosserei auf dem Kunstschlosser. »Natürlich sollte in der Gussform fixierte. 12
Ein Gemeinschaftswerk … »Feuertaufe« für den Adventskranz. Selbst dicke Metallplatten durchtrennt Stefanie Höfler präzise mit ihrem Plasmaschneider. sie talwärts geschickt. Das Ziel, – aktuell natürlich in weihnacht- das Hagener Elbersgelände, ist lichem Rot oder Tannengrün. knapp 20 Autominuten entfernt. Dann darf das heiße, flüssige Auf dem weitläufigen Areal war Material zu einer dünnen Platte bis 1996 die Textilfabrik Elbers erkalten. Diese wird anschließend ansässig. Hier ist ein spannen- zerbrochen und in die vorberei- des Quartier entstanden, in teten Gussformen gefüllt, in die dem Bethel.regional ein neues bereits ein Docht eingefädelt und vielfältiges Beschäftigungs- wurde. Dafür ist in der Werkstatt angebot aufgebaut hat. Orga- Karim Ataya zuständig. »Ich bin nisatorisch gehören die große der einzige hier, der das kann«, Werkstatt, das Ladenlokal mit sagt der 34-Jährige stolz. Zum Durch das Abflammen wird das Material angeschlossenem Café sowie Abschluss wird frisches Wachs härter. Gleichzeitig entsteht ein schöner die modernen Schulungsräume aufgegossen. Die letzten Zwi- Farbeffekt. zu den Homborner Werkstätten. schenräume füllen sich, und es Insgesamt sind hier 70 Menschen entsteht ein schönes marmorier- Einschränkungen brach der beschäftigt. »Je nach Saison ist tes Muster. wichtige Vertrieb über die Weih- ein Drittel, vielleicht sogar die nachtsmärkte nahezu vollstän- Hälfte unserer Beschäftigten »Die Kerzenproduktion ist dig weg. Auf dem Stiftsgelände mit der Weihnachtsproduktion perfekt für uns: Es ist ein kom- können die Produkte natürlich befasst«, schätzt Katharina Zok plexer Prozess, den man gut trotzdem bestaunt und auch vom Sozialen Dienst. Den größ- in kleine Anteile zerlegen kann«, erworben werden. In einem ehe- ten Anteil mache aktuell die Ker- sagt Katharina Zok. So sind auch maligen Bauwagen, umfunktio- zenproduktion aus. Beschäftigte mit schwereren niert als »Showroom«, warten Behinderungen in der Lage, eine die Schätze auf ihre Abnehmer. Rot oder Tannengrün Teilaufgabe zu bewältigen und an dem Gemeinschaftswerk mit- Die nach Abflämmen und Po- Viel kleine Einzelschritte sind zuwirken, das in der Weihnachts- lieren schimmernden Advents- nötig, bis eine fertigte Kerze in zeit viele Tische schmücken wird. kränze sind noch nicht bereit ihren Sockel auf dem Advents- für den Verkauf. Sie haben noch kranz gesetzt werden kann. Das – Robert Burg – eine Reise vor sich – wenn auch Wachs tritt seinen Weg durch die eine kurze. Vom hoch gelege- Werkstatt als farbloses Granulat nen Gevelsberger »Stift« werden an, das zunächst eingefärbt wird 13
»Wendepunkt« der Jugendhilfe Lobetal Aus zerrütteten Verhältnissen in ein neues Leben Regeln brachte wenig. Die Poli- zei war mehrmals in der Woche da, weil Gewaltausbrüche nicht anders zu beherrschen waren«, erinnert sich Hans Klusch, seit 2010 Therapeutischer Leiter im »Wendepunkt«. Gemeinsam mit Joachim Rebele, der ein Jahr zuvor die Leitung der Einrichtung übernommen hatte, gestaltete er die Arbeit auf eine stark partizi- pative und an der Beziehung ori- entierte Begleitung nach reform- Fotos (2): Frank Ludwig pädagogischen Ansätzen um. Schlüssel zum Erfolg »Es war eine harte Zeit für alle Kolleginnen und Kollegen«, Sina* ist auf einem guten Weg. Das Foto zeigt sie an der Mauergedenkstätte. berichtet Hans Klusch. »Die Umstellung auf ein starkes Mit- Dezent bedrucktes weißes T-Shirt, schwarze Jeans, modische einander, die Beteiligung der Sneaker, dazu ein offener Blick, kurzes Überlegen vor klar jungen Leute, die Berücksich- formulierten Antworten – ein Zusammentreffen mit Sina* tigung ihrer Bedürfnisse und wirkt auf den ersten Eindruck ganz normal – so unterhält man Befindlichkeiten, ihrer Gefühle, sich nun einmal mit einer aufgeweckten 21-Jährigen über ihre ganz egal, wie sie sich konkret Lebensgeschichte. Genau die macht allerdings den Unterschied verhalten, der stärkere diagnosti- zu Gleichaltrigen aus. Sinas Lebensgeschichte ist seit Kindes- sche Ansatz – das musste immer tagen eine Aneinanderreihung von Konflikten, verschiedenen wieder diskutiert und verstanden Stationen der unumgänglichen medizinischen und sozialen werden.« Was sich in der aktu- Hilfen. Während andere Menschen in ihrem Alter selbstständig ellen Konzeption als »milieu- sind, ringt sie noch um »Verselbstständigung«. therapeutische Lebensraumge- staltung mit dem Wunsch nach Die Sozialwissenschaft benennt aus, wurde depressiv, neigte zu größtmöglicher Beziehungskonti- Zusammenhänge, in denen selbstzerstörerischen Handlun- nuität in allen Lebensbereichen« solche Lebenslinien entstehen gen. Im Frühjahr 2015 stand sie darstellt, war der Schlüssel zum können, als »broken home«: das vor der Entscheidung: Einwei- Erfolg. Denn es hieß und heißt, zerbrochene oder freier übersetzt sung in eine geschlossene Ein- für traumatisierte, bindungs- und auch verschwundene oder nie richtung oder Aufnahme in den beziehungsgestörte junge Men- existente Zuhause. Sina wurde »Wendepunkt«, eine stationäre schen immer da zu sein, sie nie in Idar-Oberstein als Kind eines Jugendhilfe-Einrichtung der Hoff- fallen zu lassen und ihre Gefühle amerikanischen Soldaten und nungstaler Stiftung Lobetal. stets ernst zu nehmen. einer deutschen Mutter geboren. Kontakte zu ihrem Vater gab es Die Einrichtung, 2003 gegrün- Denkt Sina heute an ihr Ankom- nicht, die Mutter zog mit ihr und det, gilt als Keimzelle all des- men im »Wendepunkt« zurück, ihrem Bruder nach Berlin, wo sen, was heute die stationären fällt ihr zuerst ein, dass für das sie in Reinickendorf aufwuchs Kinder- und Jugendhilfen der Leben der Kinder und Jugend- und die Schule bis zur 8. Klasse Stiftung ausmacht. Um das Jahr lichen dort in drei verschiedenen besuchte. Ihre Mutter war mit 2010 stand der »Wendepunkt« Gruppen von sechs oder sie- der Kindererziehung überfor- vor einem Paradigmenwechsel: ben Personen sehr viele Regeln dert. Schon im frühen Kindesal- Die bis dahin geübte Praxis, vor zu beachten waren. »Aber ter erlebte Sina ein unsortiertes, allem zu reglementieren und schon mein erster Eindruck war oft unbewältigtes Alltagsleben erzieherisch zu strukturieren, war auch, dass alles sehr mensch- bis hin zu Gewalt. Das Jugend- immer weniger erfolgreich. »Die lich zugeht, man viel miteinan- amt griff ein; das Mädchen zog konsequente Durchsetzung von der redet«, erinnert sie sich. So 14
Aus zerrütteten … fasste sie zu ihren Betreuern und Therapeuten nach und nach gro- ßes Vertrauen. »Wenn sich stän- dig ein paar Dutzend Menschen auf dem Gelände aufhalten, ist das schon irgendwie chaotisch.« Aber dieses ständige Miteinan- der und Umeinander habe auch viel abgefedert. Nicht zuletzt, weil die betreuenden Erwachse- nen authentisch seien und ihre eigenen Schwachstellen und Besonderheiten nicht verber- gen würden: »Wir waren ihnen menschlich immer nahe. Sie waren glaubhaft für uns.« Seit 2017 lebt Sina* in der Therapeutischen Wohngemeinschaft Berlin-Mitte. Sina schätzt auch heute noch, wie für sie im »Wendepunkt« schwierigen Situationen durch- Nach zwei Jahren »Wende- erstmalig in ihrem Leben die halten – das macht für Hans punkt« bezog Sina im Oktober Individualität jeder und jedes Ein- Klusch die gewachsene Stärke 2017 ein eigenes Zimmer in einer zelnen großgeschrieben wurde. des »Wendepunkts« aus. Die betreuten Wohngemeinschaft »Ich hatte dort viel mehr Raum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der »Therapeutischen Wohn- für Neues, für Beziehungen, seien immer für die Bewohne- gemeinschaft Berlin-Mitte«, die für neu Erlebbares. Und nie hat rinnen und Bewohner da – 24/7, ebenfalls zur Stiftung gehört. man mir nach einem Fehler das wie man es heute ausdrückt. Die junge Frau hat gelernt, mehr Gefühl gegeben, die Welt ginge Zu den »herausragenden the- Verantwortung für sich selbst zu unter.« Sie habe sehr viele »posi- rapeutischen Möglichkeiten im übernehmen. Der Wechsel ist tive Konflikte« erlebt. Wendepunkt« – wie es in der für sie auch heute noch ein rich- Konzeption heißt – gehört, dass tiger Schritt: »Denn ich bin hier Konflikte aushalten, austragen, Therapeutinnen und Therapeu- nicht ständig betreut, habe aber ein schnelles Feedback bekom- ten ständig anwesend sind. Man Hilfe in meinen guten Phasen, men, gute Routinen auch in geht zwar zur vereinbarten Zeit um zu lernen, was ich in schlech- zu einem geplanten therapeuti- ten Phasen brauche.« Letztere schen Gespräch, hat aber ganz gab es auch hier: Als fast zeit- unabhängig davon – und ohne gleich ihre Großmutter starb und sich erst anmelden zu müssen ihr Freund sie verließ, fehlte ihr – die Möglichkeit, jederzeit Pro die Kraft, eine begonnene Aus- bleme anzusprechen. »Größt- bildung abzuschließen. »Was will mögliche Beziehungskontinuität ich, was schaffe ich in meinem in gelebter Praxis« nennt sich das. Leben, was fühlt sich für mich gut an? Ich bin da heute immer Wechsel nach Berlin noch auf der Suche, aber ich habe auch schon viel erreicht«, Das sei zwar eine sehr gute schätzt Sina ein. 2020 hat sie Sache, manchmal aber auch ihren Mittleren Schulabschluss etwas anstrengend, findet Sina gemacht, sie hat Pläne, das Abi- und meint damit: »Wenn ich tur abzulegen und sucht aktuell Foto: Wolfgang Kern gerade aus einem bewegen- nach einem Minijob und einer den Therapiegespräch komme, eigenen Wohnung. Hans Klusch durchatme und mich einfach auf ist überzeugt: »Sina wird das ein schönes Mittagessen freue, alles schaffen.« dann sitzt am Nebentisch genau – Frank Ludwig – Hans Klusch übernahm 2010 die thera- der Therapeut, mit dem ich gerade peutische Leitung des »Wendepunkts«. tiefschürfend diskutiert habe.« *Name geändert 15
Menschen in Bethel Schon mit 17 wollte Christa Hübner Diakonisse werden erinnert sich Christa Hübner. lief alle diese Stationen, blieb Zum ersten Mal habe sie Men- dann aber in der Chirurgie. schen mit einer Behinderung erlebt. »Ich war beeindruckt, Mit dem Haubenfest war ein wie liebevoll und geduldig die erster Meilenstein genommen. Schwestern mit diesen Menschen Wer die Zwischenprüfung im umgingen.« Beeindruckt war sie ersten Ausbildungsjahr erfolg- auch davon, wie die Schwestern reich bestanden hatte, bekam miteinander lebten. Bei der Rück- die Haube als Zeichen der Zuge- fahrt habe ihr Entschluss festge- hörigkeit. Das Besondere: Die standen. Hauben der Probeschwestern hatten Schleifen, die spitz aus- Zunächst aber hatte Christa liefen. Erst nach der Einseg- Hübner ihre Eltern überzeugen nung als Diakonisse gab es dann müssen. »Ich ahnte, dass sie von welche, die abgerundet waren. dieser Idee ganz und gar nicht Die Bedeutung: »Man musste begeistert sein würden.« Schließ- sich die Spitzen ablaufen und lich erzählte sie von ihren Plänen: als Schwester reifen«, erklärt »Ich möchte Krankenschwester Schwester Christa. Am 1. Advent werden.« Das mit der Diakonisse 1961 ging für die 27-Jährige ihr Foto: Wolfgang Kern behielt sie lieber für sich. Wie Herzenswunsch in Erfüllung. erwartet, waren die Eltern nicht Es war ihr Einsegnungstag. sonderlich angetan. Sie hatten gehofft, dass ihre Tochter Grafi- »Gott hat es gemacht« kerin werden und in den Betrieb Schwester Christa Hübner wurde vor des Vaters einstiegen würde. Christa Hübner arbeitete lange 60 Jahren in das Amt der Diakonisse in der Chirurgie. Später baute eingesegnet. Doch Schwester Elfriede von der sie einen Hospizladen auf, den Jungen Gemeinde war an ihrer sie 14 Jahre lang erfolgreich in Mit der Jungen Gemeinde Seite. Sie überzeugte die Mutter. enger Kooperation mit einer im Berliner Ortsteil Neu-Tem- Schließlich fand ein Gespräch christlichen Berliner Buchhand- pelhof hatte Christa Hübner mit der Leiterin der Probeschwes- lung führte. Die Einnahmen 1951 die jährliche Wochen- tern des Lazarus-Kranken- und kamen der Hospizarbeit zugute. rüste in Lemgo verbracht. Auf Diakonissenhauses statt. Und die Als die Buchhandlung aufgab, dem Programm der Freizeit Eltern stimmten zu, dass sie die war auch für den Hospizladen stand auch ein »Diakonisches Ausbildung zur Krankenschwes- Schluss, ein guter Zeitpunkt, Wochenende in der Sarepta ter machen durfte. Am 1. Okto- um kürzer zu treten. Zwei Jahre Schwesternschaft in Bethel«. ber 1951 trat sie in das Mutter- arbeitete sie noch ein wenig im Als die 17-Jährige mit der haus ein. Gästehaus, bevor sie dann in den Gemeindegruppe zurück- Ruhestand ging. kehrte, war für sie klar: »Ich Küche, Kindergarten, Reinigung, möchte Diakonisse werden Krankenhaus, Pflege: Alle Statio- »Gott hat es gemacht«, sagt und genauso sein, wie die nen mussten durchlaufen wer- Schwester Christa dankbar im Schwestern, die ich erlebt den. Der Einsegnung zur Diako- Rückblick. Er habe ihr immer habe.« In diesem Jahr feierte nisse ging eine fünf- bis sieben- Menschen an die Seite gestellt, Schwester Christa in der Laza- jährige Probezeit in der Gemein- die es gut mit ihr gemeint hät- rus-Diakonie Berlin ihr 60-jäh- schaft des Mutterhauses voraus. ten. Ihren Weg fasst sie so zu- riges Einsegnungsjubiläum. Die Ausbildung der Schwestern sammen: »Wir werden von Gott war breit gefächert. Sie umfasste geführt, auch wenn wir nichts »Wir waren zu Gast im Mutter klassische Allgemeinbildung, Bür- davon merken.« Eine Erfahrung, haus Sarepta, nahmen am ge- gerkunde, aber auch geistliche die sie nicht für sich behalten meinsamen Essen teil, lernten Fächer wie Bibelkunde und Glau- möchte. »Tragen Sie das weiter«, Bethel kennen, besuchten die benslehre. In der »Doktorstunde« sagt sie zum Abschied. Wochenschlussandacht und den lehrten die leitenden Ärzte des sonntäglichen Gottesdienst«, Hauses. Schwester Christa durch- – Wolfgang Kern – 16
Umbau in der Jugendhilfe Langenhagen Die offene Wohnküche ist der neue Lieblingsplatz Helle Räume, dezente Farben, altersgerechte Badezimmer, verschiedenste Sitz- und Spielmöglichkeiten und viel verbautes Holz sorgen nach einer Komplettsanierung für eine wohnliche Atmosphäre in der Langenhagener Inob- hutnahme der Birkenhof- Jugendhilfe. In der Wohn- Fotos: Ingolf Semper gruppe werden Kinder im Alter bis zu sechs Jahren auf- genommen. »Wir sind richtig begeistert von dem Ergebnis dieses Umbaus, In der neuen geräumigen Wohnküche bereiten Hedi Pettit (l.) und Katharina Komoll und auch die Kinder, die in die- einen Obstsalat für die Kinder vor. sen Räumen ja eine gewisse Zeit zuhause sind, fühlen sich wohl, kommen und sich wohlfühlen bleiben die Kinder nah an ihrem halten sich gerne in den Gemein- können – trotz der schwierigen Wohnumfeld und gehen weiter schaftsräumen auf oder treffen Situation, in der sie sich befin- in ihre gewohnte Krippe oder sich zum Spielen in einem der den«, beschreibt Heidi Pettit als Kindertagestätte, um nicht die Kinderzimmer«, erklärt Christian zuständige Koordinatorin der vertrauten Kontakte zu verlieren. Hopf, pädagogischer Leiter der Wohngruppe das neue Raum- »Es ist einfach eine sehr unsi- Wohngruppe. Sein großer Dank konzept. Die geräumige Wohn- chere Zeit für das einzelne Kind, gilt den Spenderinnen und Spen- küche ist schon nach wenigen es ist hin- und hergerissen und dern, die den aufwändigen, aber Tagen zum Lieblingsplatz in der braucht entsprechend viel Unter- notwendigen Umbau möglich Einrichtung geworden. Hier stützung«, so Heidi Pettit. gemacht haben. ist man immer mittendrin im Geschehen. Kinder und Eltern stärken Häufig müssen in der Inobhut- nahme-Gruppe Kinder spontan Das multiprofessionelle Team – Mit dem Einzug des Kindes in die aufgenommen werden. Eine mit Kinderkrankenschwestern, Wohngruppe beginnt unmittel- freundliche und offene, aber Heilerziehungspflegerinnen und bar auch die Elternarbeit. »Die auch altersgerechte Umgebung Erzieherinnen – begleitet die Eltern werden in Absprache mit spielt darum eine wichtige Rolle. Kinder in der Regel bis zu sechs dem zuständigen Jugendamt in »Wir wollten für die Kinder einen Monaten, fängt sie auf und den Alltag ihrer Kinder mit ein- Raum schaffen, in dem sie an- stabilisiert sie. Wenn möglich, bezogen und bei Bedarf von uns begleitet und angeleitet«, erläu- tert die Koordinatorin. Der Auf- trag lautet, die Kinder und Eltern so zu stärken, dass die Familie wieder zusammenleben kann. Wird allerdings deutlich, dass dies so schnell nicht möglich sein wird, gibt es mit allen Beteilig- ten Gespräche darüber, welche anderen Lösungen Sinn machen. Hier könnte dann am Ende auch eine Pflegefamilie, eine Erzie- hungsstelle oder eine Wohn- gruppe für das jeweilige Kind in Frage kommen. Helle Farben, viel Holz und eine Menge Platz zum Spielen bieten die altersgerecht gestalteten Kinderzimmer. – Ingolf Semper – 17
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