Akzeptanz und lo kale Teilhabe in der Energiewende - IMPULS Handlungsempfehlungen für eine umfassende Akzeptanzpolitik
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Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende Handlungsempfehlungen für eine umfassende Akzeptanzpolitik IMPULS
Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Ener- giewende IMPRESSUM IMPULS DANKSAGUNG / SONSTIGES Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Wir danken dem Begleitkreis für wertvolle Hin- Energiewende weise und Diskussionen. Handlungsempfehlungen für eine umfassende Mitglieder des Begleitkreises: Akzeptanzpolitik Krisztina André, Tim Bagner, Josef Baur, Nadine Bethge, Robert Brandt, Wiebke Doesken, ERSTELLT IM AUFTRAG VON Jörg Ebel, Boris Gotchev, Arnd Grewer, Agora Energiewende Bernd Hirschl, Anton Hufnagel, Hartmut Kahl, Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin Horst Leithoff, Tina Löffelsend, René Mono, T +49 (0)30 700 14 35-000 Ilka Müller, Wolfgang Peters, Carsten Pfeiffer, F +49 (0)30 700 14 35-129 Ramona Rothe, Simon Schäfer-Stradowski, www.agora-energiewende.de Frank Schindler, Fabian Schmitz-Grethlein, info@agora-energiewende.de Frank Sondershaus, Torsten Stein, Philipp Vohrer, Carla Vollmer, Jürgen Weigt. ERSTELLT DURCH Für wertvolle Hinweise und Kommentare gilt der Local Energy Consulting Dank zudem Anna Wasielewski, David Jacobs Lehmbruckstr 5 | 10245 Berlin und Stephan Franz. www.local-energy-markets.de info@local-energy-markets.de Fabian Zuber Alexandra Krumm Unter diesem QR-Code steht diese Publikation als PDF zum Download zur Verfügung. PROJEKTLEITUNG Mara Marthe Kleiner maramarthe.kleiner@agora-energiewende.de Dr. Gerd Rosenkranz Dr. Patrick Graichen Bitte zitieren als: Local Energy Consulting (2020): Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende. Satz: UKEX GRAPHIC Urs Karcher Handlungsempfehlungen für eine umfassende Titel: Unsplash/Perry Grone Akzeptanzpolitik. Impuls im Auftrag von Agora Energiewende. 182/03-I-2020/DE Version 1.0, Juli 2020 www.agora-energiewende.de
Vorwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, Das vorliegende Impulspapier wurde gemeinsam mit Local Energy Consulting erarbeitet und in einem im Jahr 2030 sollen 65 Prozent unseres Strombedarfs Begleitkreis aus Fachleuten weiter diskutiert. Das aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden, ein Ergebnis sind Vorschläge für eine umfassende Akzep- Zwischenschritt hin zur Klimaneutralität bis spätestens tanzpolitik aus Bundesebene. Sie zielen vor allem darauf 2050. Dafür braucht es einen konstanten Zubau von ab, die Gruppe der Unterstützer der Energiewende Wind- und Solarenergie. Gerade der Windausbau ist immer neu für die Sache zu gewinnen und passive jedoch stark eingebrochen und fehlende Unterstützung Befürworter zu aktiven Unterstützern zu machen. vor Ort ist eine der Ursachen. Die Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag haben seit 2018 in der Fünf Handlungsfelder sind zentral für den Erfolg: „AG Akzeptanz“ diskutiert, wie die lokale Zustimmung klares politisches Handeln, lokale Wertschöpfung, insbesondere zu neuen Windenergieprojekten an Land Teilhabe vor Ort, Transparenz und eine faire Flächen- verbessert werden kann – mit mäßigem Erfolg. planung. Die Publikation legt für jedes dieser Hand- lungsfelder konkrete Maßnahmenvorschläge vor. Die bisherigen Bemühungen zielen vorrangig auf eine kleine, aber laute Minderheit der Windkraftgegner. Ich wünsche eine angenehme Lektüre! Vielleicht handelt es sich hier aber um die berühmte verlorene Liebesmüh. Eine große Mehrheit befürwortet Ihr die Energiewende. Soll die Energiewende am Ende gelingen, muss eine auf Akzeptanz gerichtete Politik Dr. Patrick Graichen vor allem diese Mehrheit immer wieder neu gewinnen. Direktor Agora Energiewende Ergebnisse auf einen Blick: Die Energiepolitik muss Akzeptanzpolitik in ihr Zentrum stellen, sonst scheitert die Energiewende. Denn das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 erfordert 100 Prozent Erneuerbarer Energien 1 im Stromsektor. Ein Energiesystem auf Basis dezentraler und kleinteiliger Erzeugungsanlagen rückt zwangsläufig näher heran an die Bürgerinnen und Bürger. Es kann deshalb nur mit ihnen, nicht gegen sie umgesetzt werden. Gesellschaftliche Akzeptanz vollzieht sich nicht in Form von weniger Gegnerschaft der lauten Minderheit, sondern vorrangig in Form von stärkerer Befürwortung und mehr Unterstützung der stillen Mehrheit. Deshalb sollte auch im Kontext der Energiewende nicht die laute Minderheit im 2 Fokus der Akzeptanzpolitik stehen, sondern die Mehrheit, die die Energiewende befürwortet oder unterstützt. Diese Gruppen zu bestärken und zu aktivieren, sollte die Handlungsmaßnahmen der Akzeptanzpolitik bestimmen. Fünf Handlungsfelder müssen gleichzeitig adressiert werden, um die gesellschaftliche Akzepanz zu sichern: Politisch beschlossene Energiewendeziele und ihre Umsetzung sollten für Bürgerinnen und Bürger erkennbar übereinstimmen. Wirtschaftliche und soziale Einbindung von Bürgerinnen und 3 Bürgern sowie von Kommunen in Projekte der Energiewende, Transparenz in Entscheidungs- und Genehmigungsprozessen und eine von den Anwohnern als fair empfundene Flächenbereitstellung. Ein Akzeptanzpolitik, die sich auf Einzelne Maßnahmen konzentriert, unterschätzt die Komplexität von Akzeptanz und Teilhabe. Die von der Bundesregierung bisher geplanten Akzeptanzmaßnahmen reichen für einen Neustart 4 der Windenergie an Land bei weitem nicht aus. Für die Energiewende als Marathonlauf braucht es eine auf Dauer und Stabilität angelegte umfassende Akzeptanzpolitik. Bislang ist diese nicht in Sicht. 3
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Inhalt Vorwort / Ergebnisse auf einen Blick 2 1 Akzeptanz und Energiewende 7 1.1 Akzeptanz beim Ausbau der Erneuerbaren Energien 7 1.2 Erkenntnisse aus der Akzeptanzforschung 10 2 Tätigkeitsbereiche der Akzeptanzpolitik 15 2.1 Konsistenz von Zielen und Umsetzung der Energiewende 20 2.2 Teilhabe und Wertschöpfung vor Ort 23 2.3 Vertrauen und Transparenz 30 2.4 Schutz von Mensch und Natur 32 3 Handlungsempfehlungen für die Bundespolitik 35 3.1 Handlungsfeld 1: Neustart der energiepolitischen Erzählung einleiten 36 3.2 Handlungsfeld 2: Lokale Wertschöpfung als neue Normalität etablieren 38 3.3 Handlungsfeld 3: Bürgerinnen und Bürger als Teilhaber der Energiewende aktivieren 40 3.4 Handlungsfeld 4: Mehr investieren in Transparenz und Vertrauen 42 3.5 Handlungsfeld 5: Faire Flächenplanung sicherstellen 44 4 Fazit und Folgerungen 47 5 Quellen 49 5
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IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende 1 Akzeptanz und Energiewende 1.1 Akzeptanz beim Ausbau der rien, die nur einen moderaten Einstieg in die Elektri- Erneuerbaren Energien fizierung der Sektoren Wärme, Verkehr sowie Industrie vorsehen und daher von einem nur leicht Ambitionierte Ausbauziele ansteigenden Stromverbrauch auf rund 650 Tera- Für eine erfolgreiche Energiewende und die Einhal- wattstunden bis 2030 ausgehen, sind in den nächs- tung der national und international vereinbarten ten zehn Jahren ein durchschnittlicher, jährlicher Klimaschutzziele ist der Ausbau der Erneuerbaren Bruttozubau von rund 5 Gigawatt Windenergie an Energien unverzichtbar. Über den in Deutschland Land, 10 Gigawatt Photovoltaik und eine erhebliche einzuschlagenden Kurs besteht ein weitgehender Erhöhung der aktuell geplanten Windenergiekapazi- gesellschaftlicher Konsens: Bis 2030 soll der Anteil täten in Nord- und Ostsee notwendig.1 , 2 Andere der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung Energieszenarien gehen von einem noch weitaus mindestens 65 Prozent betragen, bis spätestens 2050 wird die gesamte Energieversorgung fast vollständig 1 Agora Energiewende und Wattsight (2020) aus Erneuerbaren Energien stammen. 2 Auch die kürzlich von der Bundesregierung im Rahmen der Novellierung des Gesetzes zur Entwicklung und Hierfür ist über den gesamten Zeitraum ein deutlich Förderung der Windenergie auf See beschlossene gesteigerter Zubau an Erneuerbaren Energien Erhöhung des Offshore-Ziels von 15 Gigawatt auf unausweichlich. Selbst in zurückhaltenden Szena- 20 Gigawatt bis 2030 ist noch nicht ausreichend. Hoher Ausbaubedarf an Erneuerbaren Energien. Abbildung 1 Ziel: 2030: 65 % Minimallösung Sektorkopplung Fokus Fokus Fokus Fokus Wind Solar Wind Solar Stromverbrauch Stromverbrauch: Stromverbrauch Stromverbrauch: 600 TWh 650 TWh 5,8 10,0 10,0 4,0 2,0** 1,7* 1,7* 3,0 1,7* 5,1 4,1 1,8 Bruttozubau pro Jahr in GW 2021–2030 Agora Energiewende und Wattsight (2020) installierte Offshore-Leistung 2030: * 25 GW ** 28 GW 7
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende höherem Strombedarf aus Windkraft- und Solaranla- getragene gesellschaftliche Unterstützung. Eine der gen aus. Grundfragen für den Erfolg der Transformation lautet daher, wie eine ausreichende Befürwortung der Die gute Nachricht ist, dass diese Erneuerbare-Ener- Energiewende durch die Bevölkerung und bestenfalls gien-Technologien weitgehend ausgereift sind. Solar- ihre aktive Mitgestaltung bei der Umsetzung von und Windstrom haben bereits eine steile Kurve der Erneuerbare-Energien-Projekten erreicht und Kostendegression durchlaufen, im Vergleich zu dauerhaft sichergestellt werden kann. Neuinvestitionen in konventionelle Erzeugungska- pazitäten auf Basis von Kohle und Uran sind sie Hohe Zustimmung für die Energiewende vielerorts selbst dann günstiger, wenn man die Die Frage nach dem Grad der Akzeptanz von Solar- Klimaschäden oder Katastrophenrisiken dieser parks und Windrädern begleitet die Energiewende Technologien nicht berücksichtigt. und die auf sie bezogene energiepolitische Debatte seit Anbeginn. Die Situation in Deutschland ist dabei Gleichwohl ist der Ausbau Erneuerbarer Energien – verglichen mit anderen Ländern – durch spezifi- kein Selbstläufer und mit fundamentalen Herausfor- sche Faktoren geprägt. Dazu gehören eine relativ derungen verbunden. Um diese zu meistern, braucht dichte Besiedlung, eine breite Teilhabe der Bevölke- es daher klare, gesetzlich verankerte Regeln, das rung an Investitionen über die Anreize im Erneuer- unzweifelhafte Bekenntnis der Politik zu den als bare-Energien-Gesetz, eine starke Umweltbewegung richtig erkannten Zielen und in der Folge eine breit und die föderale Struktur Deutschlands. Zustimmung für die Energiewende und Unterstützung für Windkraftanlagen im Wohnumfeld. Abbildung 2 Hohe Zustimmung für die Energiewende Unterstützung von Windenergieanlagen im Wohnumfeld 3%3% 1% 5% 15 % 7% 39 % 23 % 66% 39 % Stärkere Nutzung und Ausbau Erneuerbarer Energien Mit Windenergieanlagen in ihrem Wohnumfeld sind… sind einverstanden… sehr/außerordentlich wichtig wichtig voll und ganz eher weniger wichtig überhaupt nicht wichtig eher nicht überhaupt nicht weiß nicht/keine Angabe weiß nicht/keine Angabe AEE (2019) FA Windenergie (2019) 8
IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende Grundsätzlich erfahren die Energiewende im Allge- die Zustimmungswerte nach den einzelnen Techno- meinen und Erneuerbare Energien im Speziellen in logien, wobei generell eine überwiegend positive Deutschland dabei seit Jahren einen hohen Zuspruch, Einstellung vorhanden ist. Unter den Erneuerbaren wie zahlreiche Erhebungen immer wieder belegen.3 Energien werden Solaranlagen auf Dächern mit Während nur jede/r fünfte Befragte Gaskraftwerke 81 Prozent am stärksten befürwortet. Bei Photovol- und weniger als jede/r Zehnte ein Kohle- oder taik-Freiflächenanlagen liegt die Zustimmung bei Atomkraftwerk in der Nachbarschaft gutheißen 62 und bei Windenergieanlagen an Land bei 51 Pro- würde, ist es bei Sonnen- und Windkraftwerken zent. Etwa ein weiteres Viertel der Menschen sind genau umgekehrt. Rund 90 Prozent der Befragten hier indifferent. Gegenüber Umfragen im Jahr 2018 halten demnach den Ausbau der Erneuerbaren haben sich diese Werte im Jahr 2019 jeweils leicht Energien als Bedingung für das Gelingen der Energie- verbessert. wende für wichtig oder außerordentlich wichtig. Vier von fünf Befragten beklagen sogar, dass die Energie- Und auch für den Bau erneuerbarer Erzeugungsanla- wende zu langsam vonstattengehe, um das Klima gen in der unmittelbaren Nachbarschaft gibt es große ausreichend zu schützen. Dabei unterscheiden sich Zustimmung. Der sogenannte NIMBY-Effekt (Not In My Backyard), lässt sich bei der Energiewende entgegen dem Anschein der öffentlichen Debatte zu 3 Hildebrand und Renn (2019), AEE (2019), FA Windenergie (2019), IASS (2020), BMU (2019), Dotterud Leiren et al. diesem Themenkreis nicht ausgeprägt beobachten. (2020) Umfragen zeigen, dass die Befürwortung sogar höher Befürwortung des Ausbaus Erneuerbarer Energien und der Energiewende sind deutschlandweit ungleich verteilt. Abbildung 3 Wie stehen Sie persönlich zum Wenn Sie einmal daran denken, wie die Energie- Ausbau von Windenergieanlagen wende umgesetzt wird, wie zufrieden sind Sie an Land? diesbezüglich mit der Politik der Bundesregierung? Befürwortung eher bis sehr zufrieden en 6% 35 % 8% 40 % 10 % 45 % 12 % 50 % 14 % 55 % 16 % IASS (2020) 9
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende ausfällt, wenn Vorerfahrungen mit Solarparks oder Maßnahmen vorgestellt, die von Bund, Ländern, Windenergieanlagen in der Umgebung des eigenen Gemeinden und Kommunen umgesetzt werden sollen. Wohnorts bestehen. Auch hier ging es mit dem Ziel der Stärkung des Ausbaus der Windenergie an Land um die Schaffung Darüber hinaus zeigen die Umfragen, dass die von Akzeptanz. Obwohl ein Großteil der vorgeschla- Befürwortung der Energiewende in allen Bevölke- genen Maßnahmen potenziell akzeptanzfördernde rungsschichten und politischen Lagern als Zielset- Wirkung entfalten kann, beschränken sich die zung fest verankert und mehrheitlich positiv besetzt explizit so betitelten Akzeptanzmaßnahmen in der ist. Jedoch weist die Zustimmung zum Ausbau der vorgelegten Aufgabenliste neben der stärkeren Erneuerbaren Energien wie auch zur Energiewende- Beteiligung der Kommunen lediglich auf die Umset- politik regional erhebliche Unterschiede auf (vgl. zung einer bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung Abbildung 3). Dieser Befund legt die Vermutung nahe, und pauschale Abstandsregelungen von Windener- dass eine einheitliche Herangehensweise bei der gieanlagen zur Wohnbebauung.5 Auch in Positions- Umsetzung von Akzeptanzmaßnahmen nicht zum papieren von Verbänden und anderen politischen Erfolg führt, sondern regionale Besonderheiten stets Akteuren sind zahlreiche weitere Vorschläge aufge- berücksichtigt werden sollten. führt, die dazu dienen sollen, die Akzeptanz der Energiewende zu steigern. Eine Übersicht dieser Akzeptanz in der politischen Debatte Handlungsoptionen findet sich in Kapitel II. Während einerseits Meinungsumfragen eine kons- tant hohe Zustimmung zur Energiewende manifes- Klar ist: Für die weitere Ausgestaltung des Ener- tieren, hat sich jedoch andererseits – genährt von giesystems ist die Akzeptanz zu einem wesentlichen lokal und überregional sichtbaren Protesten – eine Entscheidungskriterium der Energiepolitik gewor- problemorientierte politische Akzeptanzdebatte den. Wenngleich dahingehend auf Bundesebene etabliert. Die kritische Hinterfragung der gesell- sowie in der Abstimmung mit den Bundesländern schaftlichen Bereitschaft, den Ausbau der Erneuer- bereits zahlreiche Maßnahmen entwickelt, umgesetzt baren Energien zu unterstützen, hat in den vergange- oder diskutiert wurden, fehlt jedoch bisher ein nen Jahren kontinuierlich zugenommen und sich konsistenter und ganzheitlicher Ansatz für eine geradezu zu einem Leitmotiv der Energiepolitik wirkungsvolle Akzeptanzpolitik. Wie diese aussehen entwickelt. Dabei werden Maßnahmen zur Errei- kann, ist Gegenstand des vorliegenden Impulspapiers. chung der Ausbauziele und die dafür nötige Akzep- tanz oft in einem Atemzug genannt. 1.2 Erkenntnisse aus der Akzeptanz- Dies manifestiert sich beispielhaft in der Gründung forschung der sogenannten AG Akzeptanz, die im Januar 2019 von den Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundes- Akzeptanz – ein schwieriger Begriff tag mit dem Ziel konstituiert wurde, Maßnahmen zu Die Akzeptanzforschung befasst sich seit vielen beraten, die der Erreichung des 65-Prozent-Ziels Jahren umfassend mit dem Ausbau der Erneuerbaren sowie dem besseren Schutz der Anliegen von Energien. Akzeptanz dient dabei als ein entscheiden- Anwohnern und zur Erhöhung der Akzeptanz dienen des Maß, um gesellschaftliche Stimmungen und sollen.4 Das Bundeswirtschaftsministerium hat Ende Befindlichkeiten zu messen und ist somit neben 2019 auf Basis von Beratungen des sogenannten anderen Faktoren ein wichtiges Entscheidungskrite- Windgipfels eine Aufgabenliste mit 18 konkreten rium. Eine eindeutige Definition von Akzeptanz 4 SPD-Fraktion (2019) 5 BMWI (2019) 10
IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende existiert nicht. Im Allgemeinen steht Akzeptanz für tanzbedingungen beschreiben daher die Fragen, wie ein „positives Bewertungsergebnis“. Dabei wird die Menschen „ticken“ und was sie dazu bewegt, Akzeptanz mit „annehmen, anerkennen, einwilligen, etwas zu akzeptieren. bejahen, zustimmen oder billigen“ verbunden. Wer also etwas akzeptiert, der gibt ein zustimmendes In der Theorie des Akzeptanzbildungsprozesses kann Werturteil ab.6 dabei zwischen dem Akzeptanzsubjekt (zum Beispiel einer Person), dem Akzeptanzobjekt (zum Beispiel Wie auch die Proteste gegen die Atomenergie oder einer Windkraftanlage) und dem Akzeptanzkontext, gegen die Energieversorgung mit Kohle zeigen, ist die also den Rahmenbedingungen, differenziert werden. Diskussion um Akzeptanz und Ablehnung beim Die Einstellung und das Verhalten der Akzeptanzsub- Thema der Energieversorgung kein Phänomen, jekte gegenüber der Energiewende hängen von welches sich auf Erneuerbare Energien reduzieren verschiedenen Einflussfaktoren ab, welche Resultat lässt. Grund dafür ist, dass diese Infrastrukturmaß- eines Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Entschei- nahmen immer auch Zielkonflikte auslösen, die lokale dungsprozesses sind und zeitlich sowie situationsab- Auswirkungen, aber auch gesellschaftliche Zielpers- hängig variieren können. Aus Sicht der (Sozial-) pektiven betreffen können.7 Psychologie lassen sich dabei vier Bedingungen zuspitzen, die im Folgenden erläutert werden: 8 Bezogen auf die Energiewende-Debatte steht Akzep- tanz insbesondere für Befürwortung und Unterstüt- → Einsicht und Orientierung des Akzeptanzsubjekts zung. Gleichzeitig wird der Akzeptanzbegriff in der haben eine große Bedeutung. Der Informationss- öffentlichen Debatte zur Energiewende oftmals mit tand (auch über mögliche Alternativen) und das Assoziationen und Bildern besetzt, die eine Ableh- Verstehen sowie die Übermittlung der Notwendig- nung Erneuerbarer Energien suggerieren. Mitunter keit des Projektes beziehungsweise der politischen wird unter der Flagge der Akzeptanz auch ein Entscheidung sind dabei grundlegend entschei- politischer Fokus auf Maßnahmen gesetzt, die in dend. Transparenz und die Prozesse, wie Informa- erster Linie Ablehnung verhindern sollen. tionen mitgeteilt und Konflikte gelöst werden, spielen im Rahmen dieser Bedingung zentrale Die Intention des vorliegenden Projektes ist es, Rollen. Maßnahmen zu identifizieren, die einen Ausbau von → Die Akzeptanzbedingung der Selbstwirksamkeit Erneuerbaren Energien erleichtern und fördern. deckt die Erwartung ab, dass eine Teilhabe möglich Akzeptanz wird daher als ganzheitlicher Ansatz ist und das eigene Handeln wirkliche Effekte zeigt. verstanden, der auch ablehnende Haltungen → Ebenfalls ist die Wahrnehmung der positiven zugrunde legt, jedoch in den Vordergrund stellt, wie Nutzen-Risiko-Bilanz essenziell. Vorteile müssen positive Einstellungen erreicht werden können. gegeben und erlebbar sein. → Die vierte Akzeptanzbedingung ist die der Identi- Akzeptanzbedingungen – die Erwartungen tät. Eine größere emotionale Identifizierung mit der Menschen einer Maßnahme führt zu erhöhter Akzeptanz. Das Das Arbeitsgebiet der Akzeptanzforschung lässt sich bedeutet wiederum, dass Energieinfrastruktur- in die soziale Dimension der Energiewende einord- maßnahmen emotional als Teil des Lebensumfeldes nen, wobei die Menschen und ihre Erwartungen als anerkannt werden müssen, um akzeptiert zu Betrachtungsebene im Zentrum stehen. Die Akzep- werden. 6 Schäfer und Keppler (2013) 7 Fraune et al. (2019) 8 Hildebrand und Renn (2019), Schäfer und Keppler (2013) 11
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende Ebenfalls spielen soziale Normen als sozialpsycho Akzeptanzausprägungen – Sicht- und Ver logischer Faktor eine wichtige Rolle. Erfahrungen im haltensweisen unterscheiden sich eigenen Umfeld beeinflussen die Meinungsbildung Wahrnehmungen und Bewertungen der Menschen sowie das Verhaltensmuster und dienen deshalb als führen zu einem sozialen Werturteil, das anhand von Orientierung und Informationsquelle. Untersuchun- Indikatoren konzeptualisiert werden kann.10 Dafür gen zeigen in diesem Zusammenhang, dass die können auch unterschiedliche Prägungen und Akzeptanz von Projekten höher ausfällt, je positiver Erfahrungen auschlaggebend sein, wie die soziale die Meinung vor Ort ist.9 Herkunft oder Faktoren wie Alter, Geschlecht, soziale Klassen, Bildung und Beruf. Dieses Werturteil kann in Die dargestellten Akzeptanzbedingungen zeigen die verschiedene Akzeptanzausprägungen eingeordnet unterschiedlichen Motivationslagen. Die Berück- werden, die sich in der Einstellung (positiv – negativ) sichtigung der Motivation eines Akzeptanzsubjekts wie auch im Verhalten (passiv – aktiv) unterscheiden. bei einer positiven oder negativen Wahrnehmung Hierbei lassen sich vier Gruppen differenzieren: eines Akzeptanzobjektes ist entscheidend für die Ausarbeitung geeigneter Maßnahmen zur Steigerung → Befürwortung: Bei einem überwiegenden Teil der der Akzeptanz. Eine wirkungsvolle Akzeptanzpolitik Bevölkerung besteht eine grundsätzlich positive muss sich daran messen lassen, ob sie dies berück- Haltung gegenüber der Energiewende. Gleichzeitig sichtigt und entsprechend umsetzt. sind die Menschen hier passiv. Diese Befürworter werden auch als „schweigende Mehrheit“ bezeich- net. 10 Schäfer und Keppler (2013), Hildebrand et al. (2018), 9 Hübner et al. (2020) Hildebrand und Renn (2019), Fraune et al. (2019) Akzeptanzdimensionen & -bedingungen – Was Menschen wollen und wie sich Sicht- und Verhaltensweisen unterscheiden. Abbildung 4 positiv Was führt bei mir zu Akzeptanz? Ich akzeptiere ein Projekt, Befürwortung wenn ich mich damit Unterstützung identifiziere, dessen („schweigende Mehrheit“) Notwendigkeit einsehe, einen Einstellung Nutzen darin erkenne und meine 71 % 11 % Handlung als wirksam Verteilung empfinde… 15 % 3% … und: Wenn andere das Projekt Ablehnung Widerstand gut finden, finde („passive Toleranz“) („laute Minderheit“) ich es auch gut. negativ passiv Verhalten aktiv Zoellner et al. (2009), Renn (2019), Hildebrand und Renn (2019), Hübner et al. (2020) 12
IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende → Unterstützung: Wer eine positive Einstellung hat Akzeptanzebenen – Handlungsebenen bedingen und gleichzeitig aktiv wird, kann zur Gruppe der sich wechselseitig Unterstützer gezählt werden. Dies äußert sich etwa Neben der Betrachtung der unterschiedlichen in Form von Bürgerenergieprojekten oder anderer Akzeptanzausprägungen, ist es grundsätzlich unab- direkter Beteiligung. dingbar zu definieren, auf welchen Ebenen Maßnah- → Ablehnung: Ein deutlich geringerer Anteil der men umgesetzt werden sollen. Geht es also etwa um Bevölkerung bewegt sich im Bereich einer negati- den Solarpark am Ortsrand oder die Energiepolitik als ven Einstellung und empfindet Ablehnung. Gleich- Ganzes? Ein weit verbreitetes Modell unterscheidet wohl bleiben diese Menschen passiv und werden hierbei zwischen drei Ebenen12: daher auch als „passiv tolerant“ bezeichnet.11 → Widerstand: Wenn eine negative Einstellung in ein → Sozio-politische Akzeptanz: Diese Ebene umfasst aktives Verhalten mündet, spricht man hingegen die Förderung von unterstützenden Maßnahmen von Widerstand. Laut Umfragen trifft dies für die bezüglich Energietechnologien aus Sicht der mit Abstand kleinste Gruppe der Bevölkerung zu. breiten Öffentlichkeit, von Politikern und von Daher wird auch von der „lauten Minderheit“ Schlüsselpersonen, zum Beispiel die Ziele der gesprochen, da es sich um eine kleine, aber sicht- Energiewende. bare Gruppe handelt. → Akzeptanz vor Ort: In dieser Ebene werden explizit die Verteilungsgerechtigkeit und Verfahrensge- 11 Die Gruppe der unentschlossenen und passiven Akteure, rechtigkeit sowie das Vertrauen auf lokaler Ebene die noch keine abgeschlossene Meinung haben, bil- durch Kommunen und Anwohner berücksichtigt. den strenggenommen eine fünfte „Mir-egal-Gruppe“, die sich auch durch eine „stillschweigende Hinnahme“ charakterisieren lässt. Diese wird hier aus Gründen der Vereinfachung in der Gruppe der Ablehnung subsumiert. 12 Wüstenhagen et al. (2007), AEE (2020) Akzeptanzebenen, die adressiert werden müssen. Abbildung 5 Soziopolitische Akzeptanz Energiewende Ausbauziele für Erneuerbare Energien EE-Projekt Verfahren Akteure vor Ort Akzeptanz vor Ort Marktakzeptanz Local Energy Consulting (2020) nach Wüstenhagen et al. (2007) 13
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende → Marktakzeptanz: Diese Ebene bezieht sich auf die werden, je positiver die wirtschaftlichen Auswir- Investoren und Konsumenten und die Frage, ob sie kungen vor Ort wahrgenommen werden. sich von den Rahmenbedingungen angesprochen → Vertrauen in die Akteure: Ebenfalls entscheidend fühlen. ist das Vertrauen in die Akteure. Dazu zählt, wie im Planungs- und Genehmigungsprozess Informatio- Die Unterstützung für ein konkretes Windenergie- nen und Beteiligungsmöglichkeiten beurteilt projekt oder einen Solarpark vor Ort hängt demnach werden. Misstrauen und fehlende Glaubwürdigkeit nur zum Teil von lokalen Umständen ab. Darüber führen zu weniger Akzeptanz. hinaus ist deshalb die Einbettung in einen überge- → Schutz für Natur und Mensch: Ein weiterer Akzep- ordneten gesellschaftlichen und politischen Zusam- tanzfaktor betrifft die Frage, wie die Belastungen menhang zu betrachten. Das Level an Akzeptanz kann für Natur und Mensch wahrgenommen werden. sich je nach Akzeptanzdimension unterscheiden. Dieser Widerspruch ist in den unterschiedlichen Dis- kussionsgrundlagen der verschiedenen Ebenen begründet. Bei der Ausgestaltung von Politikinstru- menten und entsprechenden Maßnahmen zur Akzeptanzsteigerung geht es also darum, die Voraus- setzungen so zu schaffen, dass alle diese Ebenen ausreichend adressiert werden. Akzeptanzfaktoren – Voraussetzungen für das Gelingen der Energiewende Was sind – basierend auf den Erkenntnissen der Wissenschaft – also die Voraussetzungen für die Akzeptanz von Erneuerbaren Energien? Was führt dazu, dass ein Windpark oder die Ziele der Energie- wende von den Menschen akzeptiert werden? Aus theoretischen Überlegungen und Erkenntnissen der Akzeptanzforschung lassen sich verschiedene Akzeptanzfaktoren herleiten:13 → Einstellung zur Energiewende: Zu den stärksten Akzeptanzfaktoren gehört demnach die Einstellung zur Energiewende. Wie die Umsetzung der Ener- giewende bewertet wird, hat wiederum einen starken Einfluss auf die lokale Akzeptanz. → Wirtschaftliche Auswirkungen: Ebenso bedeutsam sind die wirtschaftlichen Auswirkungen. Daraus lässt sich ableiten, dass Anlagen stärker akzeptiert 13 Hübner et al. (2020) führen zudem auch die „Sozialen Normen“ ein, die hier als Akzeptanzbedingung betrachtet werden. 14
IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende 2 Tätigkeitsbereiche der Akzeptanzpolitik Portfolio der Handlungsoptionen und deren 3. Vertrauen und Transparenz Ausprägungen 4. Schutz für Mensch und Natur Die Akzeptanzfaktoren bilden die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit die Bevölkerung vor Ort Den vier hergeleiteten Tätigkeitsbereichen der den Ausbau von Windenergie- und Solaranlagen Akzeptanzpolitik lassen sich entsprechende Hand- toleriert beziehungsweise besser noch befürwortet lungsoptionen zuordnen, die in der energiepoliti- und unterstützt. Mögliche Aktivitäten für eine schen Debatte etwa von Ministerien, Verbänden oder wirkungsvolle Akzeptanzpolitik werden im Folgen- der Wissenschaft als Optionen der Akzeptanzschaf- den in vier Pakete unterteilt, die alle gleichermaßen fung diskutiert und in der Fachöffentlichkeit rezipiert unverzichtbar sind, um das notwendige Maß an werden. Welche möglichen Maßnahmen dies sind, gesellschaftlicher Akzeptanz sicherzustellen. Diese und nach welchen Kriterien sie sich jeweils kategori- Tätigkeitsbereiche sind: sieren lassen, ist Gegenstand der folgenden Ausfüh- rungen. 1. Konsistenz von Zielen und Umsetzung der Energiewende 2. Lokale Teilhabe und Wertschöpfung vor Ort Politische Handlungsoptionen zur Stärkung der Akzeptanz. Abbildung 6 Akzeptanz- Einstellung zur wirtschaftliche Vertrauen in Schutz für Natur faktoren Energiewende Auswirkungen die Akteure und Mensch 1. Konsistenz von Tätigkeits- Zielen und 2. Teilhabe und 3. Vertrauen und 4. Schutz für bereiche Umsetzung der Wertschöpfung Transparenz Mensch und Natur Energiewende vor Ort Formulierung eines Windparks und chancenbetonten, Regionalstrom und Planungs- und Solaranlagen in Abstandsregelungen energiepolitischen Vor-Ort-Strom Genehmigungsrecht Bürgerhand Projektes politische Handlungs- klare, regionalisierte kommunale Prosumermodelle Öffentlichkeits- Schutz von optionen Ausbauziele Beteiligung beteiligung Anwohnern Beteiligung als Berücksichtigung finanzielle Mieterstrom und Servicestellen und gesetzlich verankerte naturschutzfachlicher Bürgerbeteiligung Quartierskonzepte Qualitätsstandards Anforderung Belange Local Energy Consulting (2020) 15
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende Kriterien zur Einordung von möglichen Gesetzgebung und maßgebliche Ausführungskompe- Akzeptanzmaßnahmen tenzen liegen bei Ländern und Kommunen. Daneben setzen sich auch Unternehmen, Verbände, die Governance-Ebenen Wissenschaft oder zivilgesellschaftliche Organisatio- Im Fokus dieses Impulspapiers liegt die Bundespoli- nen flankierend bei der Umsetzung von akzeptanz- tik. Gleichwohl ist Akzeptanz im Energiebereich eine fördernden Maßnahmen ein. So können freiwillige Aufgabe für verschiedene „Governance-Ebenen“14. So Maßnahmen oder Selbstverpflichtungen von Projek- obliegt die Energiewirtschaft der konkurrierenden tierern oder auch Flächeneigentümern einen wichti- gen Beitrag zur Akzeptanz leisten. Im Folgenden werden diese Beiträge punktuell erwähnt, allerdings 14 Hildebrand und Renn (2019), IASS (2016) stehen sie nicht im Mittelpunkt der Betrachtung. Bund: Die nationale Ebene verantwortet grundsätzlich die Gesamtstrategie der Energiewende (auf Basis europäischer Leitlinien) und setzt die Anforderungen der Energiepolitik. Gemeint sind hier die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag. Länder: Gemäß der föderalen Grundordnung Deutschlands spielen die Länder in Akzeptanz fragen eine Schlüsselrolle, etwa bei der Regionalplanung oder bei der Förderung von Service- stellen. Kommunen: Kommunen und lokale Behörden sind an Genehmigungen von Infrastruktur anlagen beteiligt. Sie wirken zudem als Mittler zwischen den Akteuren und stehen in direkter Kommunikation mit den Bürgen. Zielgruppen Energien lokal erfolgt und sich hier oftmals die Maßnahmen lassen sich danach klassifizieren, ob sie Unterstützung und Befürwortung für konkrete eine oder mehrere der folgenden Zielgruppen adres- Projekte entscheidet. Gleichwohl lehrt die wissen- sieren. So sind zur Schaffung von Akzeptanz unter- schaftliche Erkenntnis, dass auch die soziale Norm schiedliche Ebenen der Gesellschaft beziehungsweise und die grundsätzliche Einstellung der Gesellschaft verschiedene Akteure relevant. Im Fokus steht dabei hierfür relevant sind. Akzeptanzpolitische Maßnah- die lokale Ebene, da der Ausbau der Erneuerbaren men setzen daher an all diesen Ebenen an. Kommunale Ebene: Maßnahmen können sich an kommunal handelnde Akteure in Politik und Verwaltung richten, also zum Beispiel Bürgermeisterinnen oder Behördenmitarbeiter. Anwohner: Zu dieser Zielgruppe zählen Bürgerinnen und Bürger, die in Nachbarschaft eines Solarparks oder einer Windenergieanlage leben, aber auch lokale Bürgerinitiativen, Medien, Flächeneigentümer, ansässige Gewerbe, zum Beispiel im Tourismus. Gesellschaft als Ganzes: Hier werden Bürgerinnen und Bürger im gesamten Bundesgebiet angesprochen, aber auch Multiplikatoren, Medien oder Unternehmen. 16
IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende Technologien der künftigen Energieversorgung in Deutschland Die EE-Technologien unterscheiden sich maßgeblich darstellen werden und als Infrastrukturen über in ihrer Rückwirkung auf Akzeptanzfragen, etwa in spezifische Eigenschaften verfügen, die vergleichbar Bezug auf Planungsverfahren, Teilhabemöglichkeiten, sind. Prinzipiell existiert eine Reihe weiterer techno- Belastungsfaktoren oder auch den Flächenbedarf. Die logischer Bausteine der Energiewende, die für die vorliegende Analyse konzentriert sich dabei auf die Gestaltung des erneuerbaren Energiesystems eben- Windenergie an Land und die Solarenergie auf falls relevant sind oder werden können, hier jedoch Freiflächen und Dächern. Dies liegt darin begründet, nicht betrachtet werden. Beispiele sind neben der dass diese Formen der Stromerzeugung voraussicht- Windenergie auf See der Netzausbau, aber auch die lich (neben der Windenergie auf See) das Rückgrat Wasserkraft, Bioenergie oder die Geothermie. Windenergie an Land: Derzeit sind etwa 30.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 53 Gigawatt in Deutschland installiert. PV-Freiflächenanlagen: Rund ein Viertel der PV-Leistung wurde bislang auf Freiflächen errichtet. Neuerdings entstehen Freiflächenanlagen auch ohne EEG-Förderung. PV-Anlagen auf Dächern: Der überwiegende Teil der rund 1,7 Millionen PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 50 Gigawatt wurde bislang auf Dächern installiert. Zweck sie einzelne oder all diese Akzeptanzausprägungen In der Bevölkerung gibt es unterschiedliche Einstel- adressieren. Wichtig für den Erfolg der Akzeptanz lungs- und Verhaltensprofile, die sich auf die Akzep- politik ist dabei, dass das Set an Maßnahmen alle tanz von Erneuerbaren Energien auswirken. Diese Gruppen im Auge hat. Eine Fokussierung allein auf reichen von Widerstand über Ablehnung bis hin zu eine der Gruppen, etwa nur auf die „schweigende Befürwortung und Unterstützung. Akzeptanzmaß- Mehrheit“ oder nur die „laute Minderheit“, wäre nahmen lassen sich dabei danach unterscheiden, ob hingegen wenig zielführend. Unterstützer „bei der Stange“ halten bedeutet, dass Befürworter der Erneuerbaren Energien aktiv bleiben sollen. Befürworter aktivieren: Wer eine positive Einstellung zur Energiewende hat, kann sich auch direkt einbringen. Dies kann der Zweck einer Maßnahme sein. Ablehnende und Unentschlossene überzeugen: Dies ist der Fall, wenn eine neutrale oder negative Grundhaltung besteht und diese sich ins Positive wandelt. Aktiven Kritikern entgegenkommen, zum Beispiel indem Auslöser lokaler Kritik entschärft und so Proteste vermindert werden. 17
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende Format verbindliche Reglungen getroffen werden. Informelle Politische Institutionen verantworten im Bereich der Maßnahmen sind hingegen jene, die unverbindliche Akzeptanzpolitik zunächst die Gesetzgebung. Hierbei Anreize setzen, zum Beispiel Appelle und Wissen- handelt es sich um formelle Maßnahmen, mit denen stransfers, oder förderorientierten Charakter haben. Formell: Dies sind vor allem gesetzliche Regelungen, die Relevanz für die Akzeptanz vor Ort oder auf gesellschaftlicher Ebene haben. Informell: Dies können zum Beispiel Kommunikationsmaßnahmen sein oder auch allgemeine Leitlinien. Ausbaupotenzial es auch Maßnahmen geben, die sich vor Ort im Sinne Die Grundfrage des vorliegenden Projektes lautet, wie der Akzeptanz eher hemmend auf die Realisierung ein erhöhter Ausbau von Windenergie- und Solaran- einzelner Projekte auswirken. Schlussendlich geht es lagen unter Akzeptanzgesichtspunkten ausgelöst um die potenziell verfügbare Eignungsfläche in werden kann. Daher können nur solche Maßnahmen Deutschland. Insofern ist zu bewerten, wie sich sinnvoll sein, die sich auf überregionaler Ebene konkrete Akzeptanzmaßnahmen auf das Flächenpo- unterm Strich förderlich auswirken. Gleichwohl kann tenzial auswirken. Erhöhung des Flächenpotenzials: Bundesweite oder standortbezogene Maßnahmen können auch die Verfügbarkeit geeigneter Flächen erhöhen. Verringerung des Flächenpotenzials kann sich etwa durch das gesetzliche Ausschließen bestimmter Flächen ergeben, aber auch aufgrund von Widerständen. Kostenfaktoren kraftwerke neu gebaut würden, oder auch milliar- Grundsätzlich können Akzeptanzmaßnahmen auch denschwere Klimaschäden. Grundsätzlich wird hier danach unterschieden werden, welche Kosteneffekte daher unterstellt, dass Investitionen in eine höhere sie haben. So hat sich die aktuelle Bundesregierung Akzeptanz der Erneuerbaren Energien sich volks- im Koalitionsvertrag zum Maßstab gesetzt, Vorhaben wirtschaftlich positiv auswirken. nur dann umzusetzen, wenn diese insgesamt nicht zu Kostensteigerungen führen. Fraglich ist allerdings, ob Gleichwohl müssen die Effekte berücksichtigt und auf welcher Grundlage diese Kosteneffekte werden, die sich für staatliche Haushalte oder auf berechnet werden können. Denn potenzielle Mehr- Projektebene ergeben können. Als Kostenfaktoren kosten für Akzeptanzmaßnahmen auf lokaler Ebene müssen hier also Aufwände betrachtet werden, die sind den gesellschaftlichen Kosten eines gebremsten durch Akzeptanzmaßnahmen entstehen. Dies können Zubaus, die etwa durch zu hohe Ablehnungsraten Öffentlichkeitsbeteiligungen, Auflagen für Aus- oder die mangelnde Unterstützung entstehen können, gleichsmaßnahmen oder punktuelle Abschaltungen stets gegenüberzustellen. Dies können etwa höhere als Naturschutzmaßnahmen mit entsprechenden Endenergiekosten sein, wenn weiter Kohle- und Gas- Ertragsausfällen sein, aber auch verpflichtende 18
IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende Ausschüttungen an Bürgerinnen und Bürger vor Ort Vergleich zu rein kostenoptimierten Projektumset- sowie an Kommunen. Kosteneinsparungen auf zungen. Durch den Preiswettbewerb bei Ausschrei- Projektebene können sich hingegen ergeben, wenn bungen können ausgerechnet jene Vorhabenträger sich Genehmigungsphasen verkürzen, Prozesskosten marktlich „bestraft“ werden, die überdurchschnittlich sinken oder Pachtzahlungen begrenzt werden. Das auf Akzeptanz vor Ort setzen. Bei der Umsetzung von Problem dabei ist, dass aktuell seitens der Regulatorik Akzeptanzmaßnahmen ist es daher wichtig, den nicht honoriert wird, wenn Kraftwerke unter Akzep- Kostenaspekt zu berücksichtigen und hierfür Lösun- tanzgesichtspunkten vorbildlich umgesetzt werden. gen anzubieten. Vielmehr entsteht sogar ein Wettbewerbsnachteil im Kostensteigernde Effekte auf Projektebene: Es treten lokale Kosteneffekte auf, die die Projektentwicklung am Standort verteuern. Kostensteigernde Effekte auf Bundesebene: Für die Umsetzung der Maßnahme sind staatliche Mittel erforderlich. Umverteilung von Kostenkomponenten: Es kommt zu Umverteilungseffekten, etwa wenn bestimmte Kostenkomponenten im Rahmen des bestehenden Entgelte- und Umlagesystems anders gegenfinanziert werden müssen. Kostenneutrale Maßnahme: Es entstehen keine signifikanten Kosteneffekte. Status Die Akzeptanzpolitik beginnt nicht bei null, sondern diskutierten Handlungsoptionen haben deshalb einen ist bereits heute umfassender Bestandteil von unterschiedlichen Status. Regularien und Debatten. Die in der Energiepolitik Vorschläge: Dies sind Maßnahmen, die bislang lediglich als Ideen und Konzepte kursieren. Diese können sowohl politisch auf Bundes- oder Länderebene eingebracht worden sein oder zum Beispiel von Verbänden, der Zivilgesellschaft oder der Wissenschaft. Laufende gesetzgeberischen Prozesse: Zahlreiche Maßnahmen befinden sich bereits in der Umsetzung in Gesetzesverfahren oder zumindest in der konzeptionellen Ausarbeitung. Oder es werden derzeit politische Eckdaten dazu abgestimmt. Gesetzliche Grundlagen sind bereits vorhanden: Hier handelt es sich um Akzeptanzmaßnah- men, die bereits bestehen und Wirkung entfalten oder auch weiterentwickelt und optimiert werden können. Auf Basis der bis hierher dargelegten theoretischen energiepolitischen Kontext diskutierte Handlungs- Vorüberlegungen und entlang der aufgelisteten optionen zur Stärkung der Akzeptanz Erneuerbarer Bewertungskriterien ergeben sich folgende im Energien. 19
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende 2.1 Konsistenz von Zielen und äußert sich dazu positiv. Als problematisch erweist Umsetzung der Energiewende sich in diesem Zusammenhang auch, dass eine überwiegende Mehrheit der Deutschen den Eindruck Die Einstellung der Menschen zur Energiewende hat hat, die Energiewende verlaufe chaotisch. nach den Erkenntnissen der Akzeptanzforschung mitunter den größten Einfluss auf Unterstützung oder Daher ist ein Maßnahmenpaket, das Orientierung Ablehnung des Zubaus Erneuerbarer Energien. Zum schafft und der Bevölkerung Klarheit hinsichtlich der einen geht es dabei um die Frage nach dem übergrei- energiepolitischen Ziele und Umsetzungsstrategien fenden Sinn der Projekte und zum anderen nach der vermittelt, unerlässlich. Es bietet gewissermaßen das Art und Weise der konkreten Umsetzung. Beides Fundament des Hauses, auf welchem dann Maßnah- muss von der Politik immer wieder neu adressiert men der Teilhabe und Wertschöpfung, Vertrauen und werden, da es sich bei der Energiewende um einen Transparenz als auch zum Schutz von Mensch und Transformationsprozess handelt, der sich über einen Natur aufbauen können. Insbesondere die Bundespo- Zeitraum mehrerer Dekaden erstreckt und immer litik steht hierbei in der Verantwortung, eine gestal- wieder neue Herausforderungen mit sich bringt. terische Rolle einzunehmen. An dieser Stelle herrscht gemäß Umfragen derzeit ein Positiv besetzte Narrative, also eine chancenorien- Defizit.15 Zwar sehen die Bürgerinnen und Bürger tierte und transparente Herleitung und Begründung mehrheitlich die Politik in der Verantwortung, einen der energiepolitischen Gesamtstrategie tragen Beitrag für das Gelingen der Energiewende zu leisten, beispielsweise dazu bei, Vertrauen zu schaffen und aber die Kritik an der politischen Umsetzung der Notwendigkeiten nachvollziehbar zu machen. Eine Energiewende nimmt seit Jahren zu. So sind über klare und kohärente Energiepolitik, muss zudem zwei Drittel der Bürger unzufrieden mit der Ener- dafür sorgen, dass Zielvorstellungen als gemein- giepolitik der Bundesregierung. Nur jede/r Zehnte schaftliche, gesellschaftliche Aufgabe wahrgenom- men und Widersprüche entschärft oder ausgeräumt 15 BMU (2019), IASS (2020) werden. So können eine positive Energiewendege- Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine bessere Energiepolitik. Abbildung 7 70 % 68 % 66 % Politik in der Verantwortung: Große Unzufriedenheit: Schlechtes Management: 70% der Deutschen erwarten Über zwei Drittel sind unzufrieden Eine breite Mehrheit der von der Regierung, dass sie mit der aktuellen Energiewende- Menschen empfindet die die Energiewende umsetzt. politik der Bundesregierung. Energiewende als chaotisch. BMU (2019), IASS (2020) 20
IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende schichte auf Bundesebene und klare Ausbauziele Klare, regionalisierte Ausbauziele dazu beitragen, die regionale und lokale Umsetzung Der Umbau der Energieversorgung greift einerseits des Ausbaus von Windenergie- und Solaranlagen zu fundamental in die bestehende Infrastruktur ein und befördern. Dafür werden verschiedene Optionen bedarf anderseits der Aktivität vieler unterschiedli- diskutiert. cher Akteure. Daher ist eine konsensorientierte Aushandlung und verbindliche Zielsetzung für den Formulierung eines chancenbetonten, Ausbau von Solar- und Windkraftwerken im Sinne energiepolitischen Projektes der Planbarkeit für die gesellschaftliche Akzeptanz Der Ausbau der Erneuerbaren Energien steht im äußerst wichtig – so, wie etwa auch beim Ausstieg Mittelpunkt des umfassenden Umbaus des Ener- aus der Kohlekraft. Es ist die inhärente Aufgabe der giesystems, den Beobachter als Generationenprojekt Politik, mit ihren Beschlüssen, Wirtschaft und Gesell- bezeichnen. Die technischen, gesellschaftlichen und schaft Orientierung zu geben. Wenn die Bevölkerung wirtschaftlichen Veränderungen sind so fundamen- dabei aktiv in die Ausarbeitung von (lokalen) Leitbil- tal, dass sie politisch koordiniert und erklärt werden dern oder Energie- und Klimaschutzkonzepten und aus Sicht der Bürger Sinn ergeben müssen. Der einbezogen wird, stärkt dies auch die (lokale) Identi- Bundesregierung kommt dabei eine federführende fikation mit den Zielen, was insbesondere auf Rolle zu. kommunaler Ebene von großem Nutzen ist. Ausbau- ziele können dann eine positive Wirkung entfalten, Das kommunikative Leitmotiv für dieses energiepoli- wenn sie für die Menschen vor Ort nachvollziehbar tische Großprojekt war seit den 1980er-Jahren in der und sachgerecht sind sowie als gerecht empfunden Umweltbewegung und spätestens seit dem Atomre- werden. aktorunfall von Fukushima im Jahre 2011 in der Gesamtgesellschaft die „Energiewende“. Unter dieser Aktuell sind die Ausbauziele etwa im Koalitionsver- Überschrift manifestierte sich ein neuer gesellschaft- trag der Bundesregierung pauschal festgehalten, die licher Konsens zum Ausstieg aus den konventionellen sich für das Ziel von mindestens 65 Prozent Erneuer- Energieträgern und zum Ausbau der Erneuerbaren bare Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 Energien. Das Narrativ der Energiewende hat jedoch ausspricht. Zudem sind (bisher noch abweichende) zuletzt an Zugkraft verloren.16 Zum einen liegt das Ziele im §1 des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer darin begründet, dass die Abkehr von fossil-atoma- Energien (EEG) festgehalten. Auf Ebene der Bundes- ren Energieträgern im Grundsatz zum Gemeingut länder haben sich einzelne Länder Ziele gesetzt.17 Und geworden ist. Zum anderen wurde der Begriff mit auch zahlreiche Kommunen und Regionen haben sich problembehafteten Assoziationen aufgeladen, etwa in den letzten Jahren Klimakonzepte gegeben, die unter dem Gesichtspunkt der Bezahlbarkeit oder teilweise über die Ziele der Bundesebene hinausge- Versorgungssicherheit. Darüber hinaus erscheint das hen. Energiewendeprojekt nicht mehr ausreichend innovativ und zukunftsgewandt. Die drängenden Unter Akzeptanzgesichtspunkten wäre eine nach- Fragen, die sich aus der Etablierung eines erneuerba- vollziehbare regionale Übersetzung der nationalen ren Energiesystems ergeben, etwa zu Flexibilitäten, und internationalen Ausbauziele in die Regionen Resilienz oder Sektorenkopplung, werden kommuni- sinnvoll. Anzustrebender Maßstab wäre dabei neben kativ und real unzureichend beantwortet. Gefragt der Zielerreichung auch die transparente und sind konsistente politische Konzepte, wie der Umbau des Energiesystems als Ganzes gelingen kann. 16 Kempfert (2013), RLS (2020) 17 AEE (2019) 21
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende gerechte Verteilung von Chancen und Belastungen Kraftwerke die nötige Strommenge Deutschlands für die Regionen.18 erzeugen konnten, existieren heute bereits rund 1,8 Millionen netzgebundene Erzeugungsanlagen. Beteiligung als gesetzlich verankerte Diese Dezentralität und Kleinteiligkeit der Energie Anforderung erzeugung, -speicherung und -versorgung verändert Eine weitere diskutierte Option zur Stärkung der die Rahmenbedingungen des Energiesystems vor Ort. Akzeptanz ist die Verankerung von Beteiligung der Es rückt buchstäblich näher an die Menschen heran. Menschen als gesetzliche Anforderung. Denn mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien verändert sich Daher gibt es vermehrt Überlegungen, nach welchen das Energiesystem grundlegend. Während im neuen Grundprinzipien der dezentrale Energiemarkt konventionellen Energiesystem einige hundert organisiert werden muss, um den neuen Anforderun- 18 Hübner et al. (2020) Fazit: Optionen zur Stärkung der Akzeptanz im Wege der Klarstellung konsistenter energiepolitischer Ziele und Umsetzungsstrategien Tabelle 1 Es ist die inhärente Aufgabe des Bundes, für konsistente energiepolitische Zielsetzungen und passende Umset- zungsstrategien beim Ausbau der EE-Technologien zu sorgen. Er adressiert damit die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung des Energiewendeprojektes und macht dessen Umsetzung nachvollziehbar. Neben der gesetzli- chen Verankerung entsprechender Anforderungen ist dies vor allem eine Aufgabe der kommunikativen Ver- mittlung. Insgesamt besteht hier schon seit Jahren ein hoher Handlungsbedarf für akzeptanzfördernde Aktivi- täten. Governance- potenzial Handlungs- Ausbau- faktoren gruppen Techno- Kosten- Ebenen Format Zweck Status logien optionen Ziel- Formulierung eines chancenbetonten, energiepolitischen Projektes klare, regionalisierte Ausbauziele Beteiligung als gesetzlich verankerte Anforderung Local Energy Consulting (2020), (Legende S. 16 bis S. 19) 22
IMPULS | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende gen gerecht zu werden.19 Nach diesem Verständnis anerkannt.20 Das Zieldreieck als politischer Maßstab wurde auch das EU-Legislativpaket zur Energie- und für die Umsetzung der Energiepolitik fokussiert Klimapolitik Clean energy for all Europeans entwi- derzeit aber nur auf die Umweltverträglichkeit, ckelt und im Jahr 2019 beschlossen. Aktive Verbrau- Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit. Eine cher sollen demnach im Mittelpunkt eines erneuerten gesetzliche Verankerung von Teilhabe als weitere EU-Energiesystems stehen. Hierfür werden zum Anforderung des neuen Energiesystems existiert Beispiel konkrete Vorgaben etwa zur Rolle von hingegen bislang nicht. Prosumern oder Erneuerbare-Energien-Gemein- schaften gemacht. Auch in Deutschland wird die Akteursvielfalt als eine Art Markenzeichen der 2.2 Teilhabe und Wertschöpfung vor Ort Energiewende gesehen und als schutzbedürftig Neben der Einstellung zur Energiewende ist gemäß den Erkenntnissen der Akzeptanzforschung ent- 19 BMWI (2014), BWE (2019), Haleakala-Stiftung (2017) 20 vgl. §2 Abs. 5 S. 3 des EEG 2014 Teilhabe und lokale Wertschöpfung sind gewünscht und steigern die Akzeptanz. Abbildung 8 82 % 81 % 66 % Gemeinschaftsaufgabe: Kommunale Wertschöpfung: Finanzielle Beteiligung: 82 % der Deutschen wollen einen Einnahmen der Gemeinde, die der Gewinnbeteiligungen durch Beitrag zur Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Lebensqualität Investitionsmöglichkeiten sehen Energiewende leisten. dienen, begrüßen 81 %. 66 % als akzeptanzsteigernd an. 79 % 66 % 88 % Vor-Ort-Strom mit Sinn: Mieterstrom gewünscht: Bürgerenergie – gerne wieder: Vergünstigte Stromtarife aus 66 % der Mieterinnen und Mieter 88 % der Menschen, die bereits EE-Anlagen vor Ort sehen 79 % als würden gerne Solarstrom vom in EE-Analgen investiert haben, akzeptanzsteigernd an. eigenen Dach beziehen. würden es wieder tun. FA Windenergie (2019), IASS (2020), BMU (2019); Lichtblick (2017) 23
Agora Energiewende | Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende scheidend, inwieweit messbar positive wirtschaftli- dass die Energiewende in Form eines Gemeinschafts- che Auswirkungen vor Ort generiert werden. Für die werks besser gelingen kann, ist nicht neu. Die energiepolitischen Rahmenbedingungen geht damit Menschen beziehen dies aber auch auf ihre eigene die Anforderung einher, ausreichend Teilhabe und Rolle. So sehen über 80 Prozent der Deutschen die lokale Wertschöpfung sicherzustellen. Die erlebte Energiewende als Gemeinschaftsaufgabe an, bei der Selbstwirksamkeit und Wahrnehmung des positiven jeder einen Beitrag leisten sollte. Interessant ist dabei, Nutzens des Ausbaus der Erneuerbaren Energien sind dass die Zustimmung zu dieser Frage stetig zugenom- demnach bei den Menschen dann besonders ausge- men hat. Die ideelle Unterstützung der Energiewende, prägt, wenn sie in konkrete Projekte eingebunden aber auch das Interesse, sich aktiv einzubringen, sind sind und einen wirtschaftlichen Mehrwert erleben.21 also ausgeprägt. Bei der Energiewende in Deutsch- land wurden diese Bedingungen von Beginn an stark So steigt aus Sicht von 81 Prozent der Bürgerinnen adressiert, was zu einem hohen Anteil der Bürge- und Bürger die Akzeptanz für Windenergieanlagen renergie geführt hat. lokal dann, wenn die Gemeinde Einnahmen vor Ort zur Verbesserung der Lebensqualität einsetzen kann. Partizipation kann sehr unterschiedliche Ausprä- 79 Prozent sehen es als akzeptanzsteigernd an, wenn gungen haben. Verschiedene Maßnahmen zur Bürgerinnen, Bürger und Gemeinden vor Ort ver- wirtschaftlichen Beteiligung sprechen Zielgruppen, günstigte Stromtarife erhalten. Und rund zwei Drittel Motive und Möglichkeiten der Menschen dabei der Befragten erleben diesen Effekt, wenn sie sich unterschiedlich an. Da aber keines der Modelle zur finanziell am Projekt beteiligen können oder wenn Akzeptanzsteigerung vollumfänglich geeignet ist, regionale Unternehmen und lokale Akteure an der liegt die Lösung in ihrer Kombination.23 Lokale Projektumsetzung beteiligt sind.22 Die Erkenntnis, Wertschöpfung ist dabei ein Indikator für den wirtschaftlichen Nutzen vor Ort. Sie lässt sich etwa 21 Hübner et al. (2020), Hauser et al. (2015) 22 FA Windenergie (2019), IASS (2020), Ethikkommission 23 Radtke und Renn (2019), Hirschl et al. (2015), SUER Sichere Energieversorgung (2011), IASS (2019) (2017), IÖW, BBH und IKEM (2020) Ausprägungen für die Teilhabe an Energieprojekten. Abbildung 9 Lokale Wertschöpfung Direkte Teilhabe Indirekte Teilhabe Windkraft und PV in Bürgerhand kommunale Teilhabe Prosumer-Modelle lokale Stromangebote Energy Sharing finanzielle Beteiligung Mieter- und Quartiersstrom Local Energy Consulting (2020) 24
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