SOCIAL MEDIA - FÜR DIE PASTORAL - Erzbistum Freiburg
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
EDITORIAL Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ehrenamtlichen und hauptamtlichen Dienst unserer Erzdiözese, „Der Kirche ist sehr wohl bekannt, dass die sozialen Online kann auch „angeleint“ bedeuten, daddeln kann Kommunikationsmittel bei rechtem Gebrauch den auch fesseln. Social Media sind immer Unterstützung Menschen wirksame Hilfe bietet.“1 und nicht Selbstzweck, sie sind „bei rechtem Gebrauch“ eine Chance, im Heute als Kirche präsent zu sein: Dieses Zitat aus dem Dekret über die sozialen Spiritualität und Digitalität sind weder identisch noch Kommunikationsmittel des Zweiten Vatikanischen gegensätzlich. Es gilt die Potentiale, die in den neuen Konzils ist zwar einerseits in die Jahre gekommen, Möglichkeiten für die pastorale Arbeit liegen, noch zumal sich durch die Digitalisierung ungeahnte stärker konstruktiv und kritisch zu nutzen. Diese interaktive Möglichkeiten ergeben haben, andererseits Impulse dazu wollen wir Ihnen an die Hand geben. geht es in all diesen epochalen Weiterentwicklungen, die sich in den sozialen Medien zeigen, immer noch – oder Mit herzlichen Grüßen Ihr um so mehr – um Menschen und ihre Kommunikation. Die Gefahr besteht: soziale Kommunikationsmittel können auch zu „a-sozialen“ Kommunikationsmitteln werden. Gerade die Digitalisierung, die zwischenzeitlich zur Digitalität geworden ist, braucht die Balance, die positive Souveränität des Nutzers und die Authentizität der Inhalte. Wir sind nicht primär User, sondern Personen, zu deren Wesenskern die wahrhaftige Andreas Möhrle Kommunikation gehört und dies erfordert humane Domdekan und Rektor des Standards, wie zum Beispiel Gemeinwohlorientierung. Erzbischöflichen Seelsorgeamtes 2 1 Karl Rahner, Herbert Vorgrimler – Kleines Konzilskompendium, S. 95
für die Pastoral 1/2019 INHALT Editorial Blickwinkel Was brauchts? von Björn Siller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Zugänge Drei Zeichen unserer digitalisierten Gesellschaft und ihre Chancen für die Glaubenskommunikation von Tobias Sauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Social Media in der Seelsorge? von Wolfgang Beck und Madeleine Helbig-Londo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Von der Utopie zur Dystopie? – Empirische Anmerkungen zu Entwicklungslinien der Sozialen Medien von Elke Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Erfahrungen Soziale Medien – alternativlos in der kirchlichen Kommunikation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 von Michael Hertl Auch Jesus würde twittern – Warum ich als Bischof die sozialen Medien nutze, wie und wofür! von Erzbischof Dr. Ludwig Schick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Firmvorbereitung mit #gottinoffenburg von Friederike Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Formatierungen von Identität und Wirklichkeit in digitalen Kulturräumen – Intention und Erfahrungen des Videowettbewerbs 1–31.tv von Jan Kuhn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Social Media, Medienbildung und Religionsunterricht von Jonas Müller. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 DA_ZWISCHEN – Die Kirchengemeinde für‘s Smartphone von Felix Goldinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kulturelle Diakonie: Instawalks in Kirchen von Felix Neumann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Filmische Zugänge von Thomas Belke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3 Material und Medien
Blickwinkel Zugänge für die Pastoral 1/2019 BLICKWINKEL Was brauchts? Eifrig ging es zu in einer Diskussion zum Thema Social wie müssten wir Bibelkreis, Gemeindebrief oder die Media. Dabei saß eine junge Frau neben mir, die mir Predigt gestalten anhand neuer Kommunikations- erklärte, um was es hier ginge. Verblüfft reagierte sie, formen? als ich mich, für sie einfach alt und dann noch Theo- loge, in die Diskussion einbrachte und als Nutzer von Social Media zwingt uns, Fragen und Antworten zu Social Media outete. Vorurteile, Ungläubigkeit und finden, zu Themen, die uns oft genug fremd sind. ein belächelt werden sind Reaktionen, die ich kenne, Das liegt auch daran, dass es eine „Hürde“ aufgrund wenn ich von Social Media rede und zeige, wo ich der Angst vor der Technik gibt. Daher noch ein Dis- unterwegs bin. kussionsansatz: Kommunikation in der Gemeinde geschah bisher am Sitzungstisch, bei Festen, vor der Aber ist diese Reaktion so abwegig? Spiegelt sich da Kirche oder auch am Lagerfeuer des Sommerlagers. nicht eine Wirklichkeit wider? Oft erlebe ich in den Setzen wir voraus, dass hier gute Kommunikation, aktuellen Diskussionen um Datenschutz und Social erfolgreiche Glaubensvermittlung gelang, was können Media, dass das Smartphone noch immer nur ein wir davon dann übernehmen, um dies an den neuen neues Telefon ist, oder dass Ängste bestehen. digitalen – und alltäglichen – Lagerfeuern als Christen und Christinnen einzubringen? Dabei stellt sich die Frage: Gibt es die Chance zu einem neuen Ansatz der Diskussion? Können wir Wie wäre es also mit einem geistlichen Social Media- uns einmal über all die Fakten und Studien hinweg- ABC (QR-Code scannen & mitschreiben erwünscht)? bewegen und grundsätzlich ausloten, was unsere wirklichen Themen sind? Welche Antworten finden wir denn, wenn wir uns fragen, wie wir in Zukunft kommunizieren wollen? Wie will sich die Gemeinde der Zukunft in einem Heute formieren und intera- gieren? Was bedeutet das, wenn wir sagen: Social Media = Kommunikation? Wäre(n) es dann unsere Kommunikationsform(en)? Und wenn ja, welche Prämissen und Grundhaltungen für Kommunikation Björn Siller in einem christlichen Kontext müssten dann gelten? Priesteramtskandidat im Was bräuchte es? Was ist unser geistliches Social Collegium Borromaeum und Media-ABC? Social Media-Redakteur im Referat Kommunikation des Das eine tun und das Andere nicht lassen (vgl. Lk Erzbistums Freiburg 5 11,42): Glauben lebt von Kommunikation, vom Mitei- nander, ganz besonders auch vom Face to Face! Aber
1/2019 für die Pastoral Zugänge 6
Zugänge für die Pastoral 1/2019 ZUGÄNGE DREI ZEICHEN UNSERER DIGITALISIERTEN GESELLSCHAFT UND IHRE CHANCEN FÜR DIE GLAUBENSKOMMUNIKATION. Digital – Eine neue Welt? Erinnern Sie sich noch an die Werbespots der Inter- prägendes Element unseres Lebens. Schon die Kam- netprovider in den 90er Jahren? Allen voran Boris pagne von Barack Obama in der Vorwahl 2008 und Becker mit seiner ikonischen Phrase: „Bin ich schon der Präsidentschaftswahl 2009 hat den ungemeinen drin? – Das ist ja einfach!“ Damals galt das Internet Einfluss des Digitalen auf die analoge Gesellschaft auf- noch als eine ganz andere, besondere, grenzenlose gezeigt. Spätestens seit Donald Trump Themen wie Welt – der Cyberspace, das Virtuelle, eine Welt, in Migration, Nordkorea und vermeintliche Wahlma- der der Mensch nicht geht, sondern „surft“. Internet, nipulation via Twitter diskutiert, zeigt sich, dass das das Virtuelle wurde zum Kontrast des Analogen. Da- Digitale und seine Themen eben nicht im Digitalen bleiben, sondern ganz konkreten Einfluss auf die Art t ja einfa ch ! “ und Weise der analogen Gesellschaft haben. D a s is n drin? – Die Utopie eines Cyberspace hat sich nicht erfüllt. „B in ich sch o Wir haben kein zweites, digitales Leben erschaffen, sondern unser eigenes Leben digitalisiert. Damit wird mals stand nichts so sehr für den Ausbruch aus der auch deutlich, dass sich digitale Glaubensvermittlung Wirklichkeit, wie das Piepsen des 56k-Modems. Da- nicht in einer Facebookseite, einer Bibelapp und vir- mals vor nicht einmal 20 Jahren. tuellen Kerzenständern erschöpft, sondern die Frage Warum ich Ihnen das erzähle? Weil es so nicht mehr einer digitalen Glaubenskommunikation die kom- ist! Menschen, vor allem die jüngere Generation, geht plette Art und Weise, wie wir aktuell über Glauben nicht mehr online, sie ist online. Träumte die Gesell- reden, auf Grundlage der aktuellen Zeichen der Zeit schaft in den frühen 2000ern von einem zweiten Le- an- und hinterfragt. Dabei ist nicht entscheidend, ben in einer virtuellen Welt, zeigt sich heute, dass es dass das Endprodukt digital ist, sondern dass es zu keine zwei getrennten Welten sind, sondern immer einer digitalisierten Gesellschaft passt. zwei ineinander verwobene Beschreibungen einer In diesem Artikel werde ich drei Zeichen unserer Wirklichkeit. digitalisierten Gesellschaft, ihre Bedeutung für die 7 Digitale Dienste, allen voran die sozialen Netzwerke, Glaubensvermittlung und ihre Chancen für digitali- sind gleichzeitig Ausdruck unserer Lebenswelt und sierte Glaubensvermittlung aufzeigen.
1/2019 für die Pastoral Zugänge Verfügbarkeit Diese Erfahrungen können im Sinne einer Disclosure- Das erste Zeichen einer digitalisierten Gesellschaft Erfahrung (nach Edward Schillebeeckx) eine Tran- ist die Verfügbarkeit. Noch 2009/2010 haben nicht szendenzerfahrung werden. wenige meiner Freunde die für sie wichtigen SMSe in Genauso wenig wie Gott als Produkt angeboten ein kleines Büchlein abgeschrieben. Heute undenkbar. werden kann, kann auch eine Transzendenzerfahrung Der Speicherplatz, den eine SMS belegt, ist bei der nicht instruiert werden. Sie ist eine persönliche Er- aktuellen Speicherkapazität moderner Smartphones fahrung. Einzig das Stimulieren von Transzendenzbe- nicht mehr relevant. Mit der Entwicklung von Flat- wusstsein kann helfen, dass die Person eine Erfahrung ratemodellen und flächendeckender Verbreitung von als Disclosure-Erfahrung deutet. mobilem Internet, sorgten Streaming- und Cloud- dienste für eine ständige Verfügbarkeit an eigenen Individualität und geliehenen Daten. Als Jugendlicher pflegte ich Am 14. Februar 2005 ging YouTube online. Der Slo- noch meine mp3-Sammlung, heute habe ich durch gan bis 2011: „Broadcast yourself!” YouTube traf Spotify kostenlosen und uneingeschränkten Zugriff damit den Zeitgeist. Die Nutzer wurden motiviert, auf 35 Millionen Songs. Auch das menschliche Wissen eigenen Content ins Netz hochzuladen, sich selbst ist durch das Internet allgemein verfügbar geworden. auszuprobieren und selbst darzustellen. YouTube Die Wikipedia hat schon längst jedes andere Erst- setzte als Geschäftsmodell auf das Charisma des Ein- nachschlagewerk ersetzt und immer besser werdende zelnen und seinem Drang zur Selbstdarstellung. Da- Suchmaschinen können konkrete Fragen beantworten. mit war YouTube eines der ersten Portale, die kom- Diese Entwicklung wird dadurch verstärkt, dass di- plett auf user-generated content setzen. User-generated gitale Güter entgegen physischer Güter unendlich content meint, dass die Inhalte der Plattform von den geteilt werden können. Die Verfügbarkeit ist unab- Nutzern der Plattform selbst stammen. YouTube hängig von physischer Existenz. Theoretisch könnten produziert keine eigenen Inhalte, sondern lebt (und alle Streamingkunden den selben Song zur selben Zeit verdient) durch die Inhalte der Nutzer. Die Botschaft hören. In einer Gesellschaft, in der prinzipiell alles damals: Jeder kann Webvideo-Star werden! Jeder hat leicht verfügbar ist, sind die Dinge, die es nicht sind, Talent und soll das präsentieren! in der Wahrnehmung entweder sehr seltene Luxus- Diese Entwicklung ist Ausdruck einer immer weiter gegenstände oder nicht-real. voranschreitenden Entwicklung hin zur Individualisie- Im Hinblick auf die Glaubenskommunikation stellt sich rung. Nicht mehr die Gruppe, sondern die eigenen hier das Problem, dass das, was ich kommunizieren Leistungen und erarbeiteten Überzeugungen sind möchte, „Gott, das Transzendente“, per Definition ausschlaggebend für das eigene Leben. nicht verfügbar ist. Deswegen ist es auch erstmal nicht In Hinblick auf Glaubenskommunikation, und vor verwunderlich, wenn Menschen Gott prinzipiell als allem die Frage nach religiöser Bildung und Bindung, nicht-existent wahrnehmen. Karl Rahner beschreibt stellt sich die Frage nach der Beziehung zwischen diese Erfahrung in seinem Aufsatz „Der bekümmerte Individualität und Gemeinschaft. Wie passen die spi- Atheismus“ wie folgt: „Wie erleben heute nur, dass rituelle Identität und der persönliche Glaube zu einer man von Gott sich kein Bild machen kann, das aus dem Holz der Welt geschnitzt ist.“ Gott ist das Transzen- d e r k a n n Webv ideo-s dente, das nicht Teil des Geschaffenen ist, sondern als o t s c h a f t da mals: Jate Talent und soll da Schöpfer über dem Geschaffenen steht. Die B rden! Jeder h en! Für die Glaubenskommunikation bedeutet dies, dass St a r w e präsentier sie kein Produkt „Gott“ oder „Glaube“ anbieten kann. Ein solches Produkt, das mensch sich aneignet, religiösen Gemeinschaft und zu konfessionellen Nor- würde die Transzendenz Gottes ignorieren und ihn mierungen? zu einem Götzen zusammenschrumpfen. Es gilt, der Um das zu klären, gilt es, den Prozess der Identi- Person eine Erfahrung des Transzendenten zu ermög- tätsbildung als Grundlage der Individualisierung zu lichen, damit sie potentiell eine Beziehung (Glauben) betrachten. Der Begriff der Identität ist vor allem 8 zum Transzendenten aufbauen kann. Grundlage die- durch den Psychologen Erik Erikson maßgeblich ge- ser Erfahrungen können nur Dinge sein, die die Per- prägt worden. Dieser definiert die Identität als die son selbst erlebt, also Erfahrungen aus ihrem Leben. Frage „Wer bin ich?“ im Kontext von Zeit sowie
Zugänge für die Pastoral 1/2019 Fremd- und Selbstwahrnehmung. Aufbauend auf den Die Chancen für die Glaubenskommunikation Überlegungen von Erikson entwickelt der Psychologe Die digitalisierte Gesellschaft ist nicht glaubensfeind- James Marcia vier Entwicklungsstadien der Identität, lich, die analoge nicht zwingend glaubensaffin. Wohl die jeweils abhängig vom Ausmaß der Exploration aber erfordern die Veränderungen innerhalb der und dem Ausmaß der Verpflichtung sind. Gesellschaft auch eine Anpassung, in welcher Art und Das Wissen über den Prozess der Identitätsbildung Weise wir über Glauben sprechen. Die Grundlage ist entscheidend für den Umgang mit der Individuali- dafür ist die intensive Auseinandersetzung mit den tät. Ist mein Gegenüber in seiner spirituellen Identität Chancen in diesen Veränderungen. „diffus“, braucht er keine Verpflichtungen, sondern Zwar bedeutet eine stärke Betonung der eigenen Anreiz zur Exploration, während Personen im Status Individualität eine grundsätzlich kritische Haltung ge- des Moratorium weitaus offener für die Entwicklung genüber Gemeinschaften. Auf der anderen Seite kann von Selbstverpflichtungen sind. durch intensive Förderung der Exploration die eigene Glaubensidentität viel stärker ausgeprägt werden. Dies Aufmerksamkeit ist der Grundstein für die Kirche als Gemeinschaft der Zu keiner Zeit der Menschheit gab es so viele Infor- Gläubigen. War es lange Zeit üblich, über Gemein- mationsquellen und Sender wie aktuell. Der Grund schaft zur eigenen Auseinandersetzung mit dem Glau- dafür ist, dass mit den neuen Medien und dem Kon- ben zu finden, steht nun die Auseinandersetzung mit zept des user-generated content die Kosten für das dem Glauben vor der Gemeinschaft mit Gläubigen. Verbreiten von Informationen vernachlässigbar gering Um diese Auseinandersetzung mit der Frage nach sind. Damit erreicht nicht mehr derjenige die meisten dem eigenen Glauben und der Gemeinschaft von Empfänger*innen, der die Kosten für die Sender hat, Religion zu ermöglichen, ist die Aufgabe von profes- sondern derjenige, der es schafft, aus den Massen an sioneller Glaubenskommunikation, die grundsätz- Angeboten herauszustechen, um die Aufmerksamkeit lichen Botschaften präzise und verfügbar, das heißt der Empfänger*innen zu erlangen. Aufmerksamkeit in verständlicher Sprache, an die Wegkreuzungen ist die wichtigste Ressource geworden, um seine Bot- der Menschen zu kommunizieren. Es gilt Produkte schaft zu platzieren. zu schaffen, die sowohl Nutzen für den Menschen Dies steht im direkten Kontrast zu der Einsicht, dass jenseits von Glaube hat, als auch den Horizont zum Gott nicht in Gewitter, Sturm oder Feuer, den lauten Transzendenten hin aufschließt. und aufmerksamkeitserregenden Dingen ist, sondern Diese Produkte gilt es professionell und zielgruppen- im leisen Säuseln, im Frequenzrauschen, im Dazwi- gerecht zu gestalten. Der Inhalt kann noch so gut und schen (1 Könige 19). Gott ruft jeden Menschen, aber wertvoll sein, wenn sich die Person nicht unmittelbar er brüllt ihn nicht an. angesprochen fühlt, bleibt er unbeachtet. Wenn Glaubenskommunikation jedem Menschen die Eine solche Form der Glaubenskommunikation achtet Möglichkeit eröffnen möchte, diesen Ruf zu hören, so die soziokulturellen Gegebenheiten und beschränkt bedarf es der höchsten Professionalität in der Kom- sich nicht auf rein digitale oder analoge Produkte, munikation. Dies gilt sowohl für die interne Kommu- sondern verbindet diese, wie das Gesellschaft heute nikation zum Menschen direkt, als auch die externe insgesamt tut. Kommunikation im Bewerben von Angeboten und Veranstaltungen. Es gilt neue Darstellungsformen der christlichen Verkündigung zu finden. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie wir über Gott sprechen im aktuellen Zeithorizont, im Sinne der aggiornamento, zu über- Tobias Sauer denken. Eine professionelle Glaubenskommunikation Katholischer Theologe verwässert und relativiert Gott nicht, sondern sorgt und strategischer dafür, dass das leichte Säuseln in einer Welt voller Kommunikationsberater mit Krach wahrgenommen werden kann. der Initiative ruach.jetzt Alles Wissen über Gott bringt der Kirche nichts, 9 wenn sie es nicht im Sinne eines Werkzeugs (LG 1) Menschen dazu befähigt, Gott finden zu können.
1/2019 für die Pastoral Zugänge Social Media in der Seelsorge? Die kirchlichen Strukturmaßnahmen rufen Fragen de mit einem entsprechenden Seelsorgeverständnis nach zeitgemäßen Formen der Seelsorge im Raum wird insbesondere im Blick auf die gesteigerten Mo- der katholischen Kirche auf. Insbesondere in Anpas- bilitätsphänomene westlicher Gesellschaften im 21. sungen von kirchlichen Strukturen steht die Frage Jahrhundert, wie auch der zunehmend heterogenen nach Prioritätensetzungen an. Für viele pastorale Positionsbestimmung von Christinnen und Christen Mitarbeitende rangiert dabei die Seelsorge auf dem gegenüber den kirchlichen Sozialformen unüberseh- obersten Rang des vermeintlichen „Kerngeschäfts“, bar. ohne dass dabei manche Idealisierung der Realität Selbstverständlich sind auch die eher kurzen Kon- und Verklärung von Berufsbildern kritisch reflektiert takte im Umfeld von Kasualien, die vielfältigen Kon- wird. Einerseits ist darin Wertschätzung gegenüber takte in den unterschiedlichen Angeboten kirchlicher seelsorglichen Tätigkeitsfeldern auszumachen. Ande- Beratungsstellen, die Arbeit mit kirchlichen Verbän- rerseits sind aber kritische Anfrage zu formulieren, den und die Begleitung von Gremien als Bestandteil wo lediglich Idyllen konstruiert werden, die wenig mit seelsorglicher Arbeit unter den Vorzeichen eines der Realität einer urbanen Großpfarrei, mit den Ab- weiten Seelsorge-Verständnisses zu sehen. Gemein läufen etwa in einem Universitätsklinikum oder den haben die verschiedenen Formen von Seelsorge, dass Alltagsroutinen von Arbeitnehmerinnen und Arbeit- sie auf ein personales Beziehungsangebot aufbau- nehmern zu tun haben. en. Dieses Beziehungsangebot muss nicht immer in Gestalt eines langjährigen Aufbauens von Vertrauen Es genügt nicht, auf eine Gesprächsanfrage wachsen, sondern kann genauso durch kurze, punktu- zu warten. elle und alltägliche Begegnungen mit Seelsorgerinnen Möglicherweise steht bei der Suche nach einer zeit- und Seelsorgern entstehen, wie sie gerade durch digi- gemäßen Ausgestaltung von Seelsorge-Angeboten tale Medien erleichtert werden. häufig ein klassisches Seelsorge-Verständnis im Hin- In einer gesellschaftlichen Situation, die zunehmend tergrund, das von unzeitgemäßen Romantisierungen als „Kultur der Digitalität“1 zu bestimmen ist und in bestimmt ist und damit als zunehmend inkompatibel der zwischenmenschliche Kommunikation zu einem zu den Lebenswelten einer modernen Gesellschaft im 21. Jahrhundert erscheint. Allzu häufig ist etwa c h ie d e n e n Formen das parochiale Seelsorgeverständnis von den Engfüh- m e in h a b e n die v eries auf ein personales rungen der Gemeindetheologie und einer biographie- Ge o r g e, dass sebot aufbauen. v on S e e l s a ng B eziehungs begleitenden Sakramentenpastoral bestimmt. Die Stärke dieses Seelsorgebegriffs liegt eigentlich darin, Seelsorge nicht ausschließlich als individuelles Ge- sprächsangebot zu verstehen. Zwar ist das vertrau- erheblichen Teil im Bereich der Social Media ange- liche Vier-Augen-Gespräch eine klassische und das siedelt ist, stellt sich die Frage nach neuen Ansätzen 10 allgemeine Verständnis wohl dominierende Format der Seelsorge. Längst gehört der Austausch über seelsorglicher Begleitung, allerdings ist es auch nur digitale Medien im Bereich von Beratungsangeboten Teil einer Formenvielfalt. Und die Krise der Gemein-
Zugänge für die Pastoral 1/2019 zur Selbstverständlichkeit. Hier eröffnen sich Wege ihres Lebens. (…) Dies bringt völlig neue Möglich- zur Kontaktaufnahme, die den Lebensrhythmen von keiten mit sich, die für alle, die daran teilhaben kön- Menschen in postmodernen Gesellschaften entge- nen und wollen, zunächst einmal neue Chancen der genkommen und Einzelnen die Bestimmung unter- Kommunikation, Information, Bildung und Unterhal- schiedlicher Grade von Anonymität überlassen. Die tung bedeuten. Auf einer tiefer liegenden, individuell beeindruckende Tradition einer verlässlichen und wie gesellschaftlich relevanten Ebene geht es um professionell-ehrenamtlichen Präsenz in der Tele- neue Formen der Integration von Leben und Arbeit, fonseelsorge zeigt, wie unverzichtbar ein kirchliches Freizeit und Gemeinschaft.“5 Einlassen auf zeitgemäße Medienformate ist. Ein pro- Wer jedoch YouTube, Twitter, Instagram und Co. fessionelles und vor kurzem überarbeitetes Projekt nicht mehr als virtuelles Gegenüber zum realen für seelsorgliche Angebote im Internet wird von der „Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pasto- a l e W a n d el sind ral“ (KAMP) in Erfurt in Kooperation mit mehreren ie r u n g b z w. der digr itMensch en in allen Diözesen verantwortet: www.internetseelsorge.de2 . „ Digitalistrends prä gend fü ebens. (…) Dabei gibt es die Möglichkeit, mit einer persönlich vorgestellten Person aus einem Team über ein abge- als Mega B ereich en ihres L sichertes, technisches Format (hier: AYGOnet) als Webmail-System in konkreten Kontakt zu treten. Gemeindeleben betrachtet, sondern als selbstver- Chancen der Digitalität entdecken und ständlichen Bestandteil zwischenmenschlicher Be- Ressentiments abbauen! ziehungspflege, wird sie als Ausdruck „phatischer Längst haben die Bistümer des deutschsprachigen Kommunikation“6 würdigen können: einander sehen, Raumes die Arbeit mit den unterschiedlichen Platt- informiert sein und miteinander austauschen. Eine formen der Social Media für die eigenen Verkündi- so verstandene Praxis der Social Media lässt schnell gungsformate entdeckt. Das Engagement in diesem erkennen, dass es dabei nicht um eine asymmetrische Bereich wird weithin als Ausdruck des eigenen Ver- Kommunikation gehen kann, in der eine belehrende ständnisses von Professionalität im pastoralen Agie- Kirche lediglich ihre Botschaft verbreitet und Hilfsan- ren verstanden. Dennoch kommt es immer wieder gebote vorstellt. Kommunikation in den Social Media zu problematischen Verengungen, wenn die Arbeit erfordert markante Spielarten kommunikativer Kom- mit sozialen Netzwerken lediglich als Bestandteil petenz als einer Grundvoraussetzung für die pastora- der Jugendkultur des 21. Jahrhunderts eingeordnet le Praxis und Seelsorge.7 Verkündigung und Seelsorge wird3 oder klassische Verkündigungsformate lediglich bauen auf unterschiedliche Weise auf ein Beziehungs- auf neuen Wegen verbreitet werden sollen. Solche geschehen auf, in dem kirchliche Akteure auch als Rückgriffe in eine „vormoderne Medienpraxis“4 Individuen sichtbar sind. Deshalb genügt es nicht, wirken schnell grotesk und lassen ein anhaltendes sich hinter den standardisierten Internetseiten von Ressentiment gegenüber den Eigenarten der Social Bistümern, Pfarreien, Orden oder kirchlichen Ein- Media erkennen. In der Regel wird dabei vor allem richtungen zu verstecken. Stattdessen müssen auch die Erwartung an eine persönliche Dialogbereitschaft einzelne Akteure sichtbar sein, Stellung beziehen und unterschätzt. diese auch zur Diskussion stellen. Dies mag, gerade Aufbauend auf der Pastoralinstruktion „Communio zu Beginn, unbequem sein, werden so doch auch ei- et progressio“ aus dem Jahr 1971 hat die Deutsche gene Vorstellungen hinterfragt. Außerdem werden Bischofskonferenz mit den jüngsten Positionspapieren hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da- einen positiven Zugang zu den digitalen Medien ge- durch gefordert, sich mit aktuellen gesellschaftlichen sucht. So entstanden 2011 die Schrift „Virtualität und Themen zu beschäftigen und in öffentlichen Debatten Inszenierung“ und 2016 die Schrift „Medienbildung Profil zu zeigen. und Teilhabegesellschaft“, mit denen aus vorrangig medienpädagogischer und medienethischer Perspek- Datenschutz? Notwendiges Abwägen tive die Chancen der Digitalität gewürdigt werden: Mit dem 25. Mai 2018 tritt die neue europäische Da- 11 „Digitalisierung bzw. der digitale Wandel sind als tenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) in Kraft. Megatrends prägend für Menschen in allen Bereichen Zweck dieser Verordnung ist die Vereinheitlichung
1/2019 für die Pastoral Zugänge der europäischen Standards und Regelungen zum denen und verantwortungsvollen Nutzung der Social Datenschutz. 8 Mit dem Anliegen des Datenschut- Media kommen. Anderseits kann die Frage des Da- zes entsteht die Tendenz, dass bestehende Social tenschutzes pastoral Mitarbeitende hemmen, soziale Media-Aktivitäten eingeschränkt oder gar eingestellt werden. Aus Furcht vor rechtlichen Konsequenzen e r A n g s t h era u s könnten auch im Bereich der Seelsorge Ansätze in a u s e in e r Position dedia-Formate zu de den Social Media ausgebremst werden. Nun h auf Social M Weg und stün Auf Grund der fortschreitenden technischen Ent- gä nzlic äre der falsch e dten K irch e w an wicklung ist es auch auf legislativer Seite unabdingbar, v erzichtedn,en Mensch en zugeewgen. einer tg die entsprechende Gesetzgebung den neuen Möglich- keiten der Social Media anzupassen. Daher sind die k o nt r ä r e n bisherigen Bestimmungen oft als veraltet kritisiert und Regelungsbedarf konstatiert worden. Mit der ge- Medien für ihre Arbeit zu nutzen. Derart restriktive setzlichen Neubestimmung wird versucht, hier anzu- Vorgaben beziehen sich derzeit schon auf die dienst- setzen. Jedoch bedarf es – wie bei allen gesetzlichen liche Nutzung von WhatsApp. Sie erfordern vor Regelungen – fortlaufender Anpassungen an je neue allem, von Nutzerinnen und Nutzern die ausdrück- technische Möglichkeiten. Diese lernende Haltung lichen Zustimmungen zum Sammeln und Verwalten der Legislative erfordert auch das Lernen auf Seiten von personenbezogenen Daten einzuholen. der Anwenderinnen und Anwender. Nun aus einer Position der Angst heraus gänzlich auf Ein Ziel der EU-Verordnung ist, die Interessen von Social Media-Formate zu verzichten, wäre der falsche Nutzenden gegenüber Konzernen und Staaten zu Weg und stünde einer den Menschen zugewandten schützen und so Machtasymmetrien abzubauen.9 Dies Kirche konträr entgegen. Wenn Seelsorge die Men- soll unter anderem durch die Stärkung der Selbstaus- schen erreichen will, muss sie auch die Lebenswirk- kunftsrechte der Nutzerinnen und Nutzer bewirkt lichkeit der Menschen und die sozialen Medien als werden, wie auch auf einen generell höheren Schutz Teil ihres Alltags ernst nehmen. der Daten abzielen. Um mit den Neuerungen zugleich das Medienbe- Ansätze für Gebet und Seelsorge im Internet wusstsein von Bürgerinnen und Bürgern zu fördern, Längst gelten digitale Medien als einer der wichtigen, wurden eigens das Informationsportal www.Deine- dezentralen Orte zur Information über örtliche Got- DatenDeineRechte.de sowie der # DeineDatenDei- tesdienste, Regelungen der Sakramentenpastoral, neRechte in Kooperation von Justizministerium und Informationen zu unterschiedlichen Beratungsfeldern Verbraucherschutz eingerichtet. in Einrichtungen oder einfach als Form der Kontakt- aufnahme. Eine professionell gestaltete Präsenz von Kirchlicher Umgang mit dem neuen Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen im Internet Datenschutz ist deshalb vielen eine Selbstverständlichkeit. Dass Die neuen EU-Regelungen erfordern auch auf kirch- dies jenseits einer bloßen Marketinglogik auch Aus- licher Seite eine Anpassung der Verordnung zum druck einer „nachgehenden Pastoral“12 sein kann, Datenschutz10. Daher tritt mit dem 24. Mai 2018 das ist jedoch noch unzureichend im Blick. So finden Kirchliche Datenschutzgesetz (KDG) in Kraft und sich Möglichkeiten, Gebetsanliegen mitzuteilen13, löst damit die bisherige Kirchliche Datenschutzver- liturgische Elemente wie z.B. Tageslesungen zu ver- ordnung ab.11 Für die Einbindung der Social Media breiten und zu diskutieren. Einer Seelsorge, in der in die pastorale Arbeit sind aktuelle verbindliche die spirituelle und liturgische Praxis einen integralen Regelungen essentiell. Indem die deutschsprachigen Bestandteil ihrer Konzeption ausmacht, dürfte an Bistümer das KDG erlassen, nehmen sie die Poten- diesen liturgischen Ansätzen innerhalb der digitalen ziale der Social Media ernst. Mit dem KDG wird sich Medien gelegen sein.14 Vor diesem Hintergrund ist es jedoch gleichzeitig der Aufwand, Daten zu verwalten, durchaus zu problematisieren, wenn kirchliche Prä- erhöhen. senz im Internet auf die Möglichkeit von Diskussionen 12 Einerseits wird mit dem KDG auf berechtigte Sorgen in Chatforen oder den Social Media verzichtet, damit von Medienkritikerinnen und -kritiker eingegangen hinter den Standards zeitgemäßer Dialogfähigkeit zu- und es kann so zu einer neuen, bewusst entschie- rückbleibt und so nicht für Menschen erreichbar ist,
Zugänge für die Pastoral 1/2019 die auf (anonymen) Wegen seelsorgliche Begleitung Madeleine Helbig-Londo in Krisenerfahrungen suchen.15 Es ist problematisch, Wissenschaftliche wenn Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie kirch- Mitarbeiterin am Lehrstuhl liche Amtsträger eine persönliche Präsenz in sozialen für Pastoraltheologie und Medien nur vorgeben, sich bei näherem Hinsehen Homiletik an der PTH Sankt jedoch hinter der institutionellen Präsenz verstecken Georgen in Frankfurt am Main. oder den persönlichen Kontakt an andere delegieren. Wolfgang Beck Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik, Leiter des Studienprogram Medien an der PTH Sankt Georgen in Frankfurt am Main; Sprecher des „Wort zum Sonntag“ in der ARD. 1 Stalder, Felix: Kultur der Digitalität, Berlin 2016. 2 Vgl. zur Genese des Angebotes in seiner ersten Variante in Verantwortung der „Katholischen Glaubensinformation“ (KGI): Lay, Manfred: Ein Seil aus dünnen Fäden. Internetseelsorge, in: Purk, Erich (Hg.): Ortswechsel. Auf neue Art Kir- che sein, Stuttgart 2003, 111–118. 3 Vgl. Daigeler, Eugen: Jugendliturgie. Ein Beitrag zur Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils im deutschen Sprach- gebiet, Regensburg 2012, 491. 4 Beck, Wolfgang: Die katholische Kirche und die Medien. Einblick in ein spannungsreiches Verhältnis, Würzburg 2018, 152. 5 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Medienbildung und Teilhabegerechtigkeit. Impulse der publizis- tischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz zu den Herausforderungen der Digitalisierung, Bonn 2016, 25. 6 Dueck, Günther: Flachsinn. Ich habe Hirn, ich will hier raus, München 2017, 73. 7 Nauer, Doris: Seelsorge. Sorge um die Seele, Stuttgart 32014, 299. 8 Gründe Nr. 10, EU-Datenschutz-Grundverordnung 2016/679 vom 27. April 2016. 9 Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Hg.), Datenschutz-Grundverordnung. Info 6, Bonn 52017, 7. 10 Präambel, Gesetz über den Kirchlichen Datenschutz (KDG) in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 20.11.2017. 11 §58, KDG. 12 Gelhot, Rainer: Internet-Seelsorge aus unserer Sicht, in: Ders. / Lübke, Norbert / Weinz, Gabi (Hg.): Per Mausklick in die Kirche. Reale Seelsorge in der virtuellen Welt, Düsseldorf 2008, 53-60, 59. 13 Lienau, Anna-Katharina: Gebete im Internet. Eine praktisch-theologische Untersuchung, Erlangen 2009, 309. 14 Böntert, Stefan: Gottesdienste im Internet. Perspektiven eines Dialogs zwischen Internet und Liturgie, Stuttgart 2005, 13 220. 15 Vgl. Knatz, Birgit: Handbuch Internetseelsorge. Grundlagen – Formen – Praxis, Gütersloh 2013, bes. 229–298, 298.
1/2019 für die Pastoral Zugänge Von der Utopie zur Dystopie? EMPIRISCHE ANMERKUNGEN ZU ENTWICKLUNGSLINIEN DER SOZIALEN MEDIEN Blickt man heute auf die Entwicklungsgeschichte des ausgespäht, den letzten Rest seiner Privatheit im Diskurses über das Internet zurück, so lässt sich Netz einbüßen würde. Eine empirische Analyse der eine Verlaufskurse von der Utopie zur Dystopie Schreibpraktiken im Web 2.0, die den konkreten Um- beobachten. Digitale Öffentlichkeiten wurden in gang mit und die spezifische Herstellung von privaten der Frühphase des Internets noch als telematisches und öffentlichen Formen und Stilen betreffen, kann Pfingstwunder gefeiert. Der Grundtenor der öffent- vor diesem aufgeregten Hintergrund vielleicht einige lichen Debatte war dabei die Feier vernetzter Kom- überraschende Tendenzen sichtbar machen. Eine von munikationssysteme. Erst im Medium des Computers der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte wird es möglich, die Vorteile schwacher Netzwerke Untersuchung der Kommunikations-Praktiken im zu nutzen und Teilpublika, die vorher unvernetzt Web 2.0 (Wagner / Stempfhuber; 2014–2016) konnte nebeneinander existierten, zusammenzuführen. Die- so etwa unterschiedliches zeigen: se Euphorie und Emphase scheint heute verflogen. Netzkommunikation wird heute vor allem als das Unbestimmtheit als kommunikative Lösung irrationale Wüten eines digitalen Pöbels wahrge- des Problems der Privatheit im Netz nommen, der das Internet als Ort des kollektiven Unbestimmtheit (Wagner/Stempfhuber 2013) von Ressentiments missbrauche, seinen Leidenschaften, kommunikativen Offerten und Anschlusskommunika- Affekten und ungehemmten Hass dort freien Lauf tionen sind funktional für die Emergenz der Kommu- lasse. Diesem digitalen Pöbel gehe jene rationale Di- nikationsstruktur im Web 2.0 – sie führen zu vielfäl- stanz ab, die der bürgerliche Öffentlichkeitsdiskurs tigen Anschluss- und Verknüpfungsmöglichkeiten und seit jeher als Bedingung der Möglichkeit gelungener damit zu neuartigen Kombinationen von Nähe und öffentlicher Diskursivierung veranschlagt. Und tat- Distanz, die für die Spezifizität und den Ordnungsauf- sächlich hat diese Diagnose ja auch einige Plausibilität, bau von Kommunikation im Web 2.0 relevant sind. wenn man sieht, wie sich der Ton im Zuge der soge- Gleichzeitig dienen unbestimmte Kommunikationsof- nannten Flüchtlingskrise in den sozialen Netzwerken ferten wie etwa ironische Postings dazu, das Problem radikalisiert hat. Dass das Internet weniger Heilsbrin- der Privatisierung bestimmter Inhalte vor dem un- ger als Verderbnis sei, wird weiterhin im Hinblick auf bestimmten Publikum des Netzwerks zu bearbeiten. 14 Praktiken der Privatheit problematisiert. Die Rede ist Ein Musikvideo etwa, das auf das private Gespräch vom gläsernen Bürger, der staatlich und ökonomisch am Vorabend im Club zwischen zwei Personen Be-
Zugänge für die Pastoral 1/2019 zug nimmt, muss nicht von allen übrigen Netzwerk- nordnung in der Öffentlichkeit auf Facebook unter- Teilnehmern genauso entschlüsselt werden, wie von scheidet sich damit maßgeblich von der eher asymme- den beiden Protagonisten – gleichzeitig können alle trischen eines klassischen Zeitungsdiskurses, in dem verlinkten Teilnehmer das Musikvideo ansehen und die Themenauswahl nach der sorgfältigen Auswahl -hören und dieses womöglich kommentieren. Un- durch professionelle Journalisten erfolgt. Der Effekt bestimmte Kommunikationsangebote führen also zu dieses Mechanismus ist, dass Sprecher symmetrisch einem praktischen Umgang mit dem Schutz der Pri- angeordnet werden und nicht einer asymmetrischen vatsphäre in der Öffentlichkeit des Netzwerks. Diskursformation unterliegen. Schließlich zeigt die empirische Beforschung der listenförmigen Anord- Listen: nung von Inhalten das Phänomen der Diskontinuierung Symmetrische und diskontinuierte Publika von Kommunikationspraktiken. Anders als in einem Beobachtet man die mediale Anordnung der Kommu- klassischen Diskursraum werden in der Öffentlichkeit nikation etwa auf der Social Network Site Facebook auf Facebook Themen und Argumente nicht mehr un- fällt auf, dass jegliche Kommunikationspraktiken auf bedingt hierarchisch abgearbeitet. Vielmehr zeigt sich Facebook listenförmig angeordnet sind: die Start- auch hier eine Art chaotische Aneinanderreihung von seite (Timeline) auf Facebook funktioniert im Sinne Themen und möglichen Kommentaren. Diskurse zer- einer Liste; weiterhin bestehen: Freundeslisten, fasern dadurch, sie werden nicht mehr hierarchisch Gruppenlisten, Veranstaltungslisten und schließlich gebündelt im Sinne der Abfolge von Argument und wird das eigene Profil auch als Liste sichtbar. Der direkt darauf bezogenes Gegenargument; vielmehr empirische Befund hierzu lautet: das mediale Format zeigt sich eine „wild“ anmutende Diskussionskultur, prägt die Schreibpraktiken eindeutig. Im Falle der die einem nicht eingeweihten Publikum sogar weitge- Liste sind dies Verzeitlichung, Symmetrisierung und hend sinnfrei erscheinen kann. Diskontinuierung von Kommunikationsofferten. Alle drei Momente haben entscheidenden Einfluss auf die Intimisierte Öffentlichkeiten Veröffentlichungspraktiken auf Facebook: Die radi- Innerhalb der Öffentlichkeitssoziologie geht man kale Verzeitlichung von Themen auf der Startseite – von einem Universalismus bürgerlicher Publika aus. nahezu jede Minute erscheint ein neuer Post – führt Jedermann-Beteiligung und All-Inklusion sind Kate- dazu, dass Diskussionen und Diskurse wesentlich gorien, die bürgerliche Öffentlichkeit einmal ausge- schnelllebiger ausfallen als in herkömmlich gerahmten zeichnet haben. Dass sich diese beiden Kategorien Debatten wie etwa jene, die durch die klassische Zei- wandeln, hatte bereits Habermas (2008) diskutiert, tungsberichterstattung vermittelt werden. Diskurse als es um den Einsatz des Internets und die dort sich kochen entsprechend schnell hoch, brechen genauso versammelnden Öffentlichkeiten ging. Die Virtuali- sierung von bürgerlicher Öffentlichkeit führe zwar h ie r z u l a utet: das n einerseits zu mehr Partizipation, gleichzeitig aber zu r e m p ir is c h e B efunddie Schreibpraktik e einer Fragmentierung jenes Diskursraums, dem es De o r m at prä gt eutig. einmal gelungen war, zumindest als normatives Prin- me d ia l e F eind zip alle relevanten Stimmen aufeinander zu beziehen, so Habermas. Das Internet versammelt entsprechend schnell wieder ab und richten sich wieder auf neue unterschiedliche Öffentlichkeiten, die gleichzeitig ne- Themen. Die mediale Anordnung von Postings als Li- beneinander bestehen. Eine Form hiervon ist die so- ste führt weiterhin zur Symmetrisierung von Sprecher- genannte filter bubble (Pariser 2012). Eli Pariser geht positionen innerhalb der Öffentlichkeit auf Facebook. in seinen Ausführungen zur filter bubble davon aus, Da die Anordnung der Postings nicht thematisch, dass sich Öffentlichkeiten im Internet algorithmisch sondern algorithmisch gesteuert wird, entsteht eine gesteuert so verdichten, dass allein ein personalisier- Art chaotische Aneinanderreihung von Postings – auf tes Netzwerk übrig bleibt, das Irritationen von außen das eigene Posting, das ein Musikvideo beinhalten ausblendet. Dies führt zu einer Verkümmerung jener kann, folgt möglicherweise ein Posting des Bundes- Form von Öffentlichkeit, die die bürgerliche Gesell- verfassungsgerichts, ein Posting der Radio-Sendung schaft einmal hervorgebracht hatte, nämlich: einen 15 Zündfunk (Bayern 2) usw. Die solchermaßen herge- offenen, für jedermann zugänglichen Diskursraum: stellte zumindest thematisch symmetrische Diskursa- „In der Filter Bubble bekommt man keine komplette
1/2019 für die Pastoral Zugänge Lageerfassung, keinen Rundumblick, sondern immer aufeinander, die weder vernünftig diskutieren, noch nur einen kleinen Ausschnitt.“ (Pariser 2012: 151) Die selbstreflexiv auf Distanz zu sich gehen, sondern viel- solcherart organisierte personalisierte Öffentlichkeit mehr eine Form affektiver Befindlichkeitskommunika- führe schließlich zum Absterben politisierter Diskurs- tion als erhitzte öffentliche Praxis inszenieren. Jürgen formationen (Pariser 2012: 159). Habermas stellte Öffentlichkeit noch im Medium Einerseits durch Algorithmen, andererseits durch guter Gründe scharf. Im Medium des Netzwerks fin- Nutzerpraktiken verdichtet sich Öffentlichkeit auf den wir auf Social Network Sites nun erhitzte öffent- der Social Network Site Facebook zu einer Art inti- liche Praktiken der Authentizität. Als Beschreibungs- misierten Öffentlichkeit (Wagner 2014; Wagner/Fory- folie für diese kommunikativen Formen „kollektiver Enthemmungen“ hat sich in der öffentlichen Debatte ir k e n C h ristinnen das Label der „Shitstorms“ bzw. „Candystorms“ pro- K ir c h e n g emeindenswtv erstä ndlich Seiten. minent etabliert. Diese affektive Dynamik öffentlicher A us allenisten gera dezu selberinnen und Bürger Diskursivierung lässt sich als hitzige massenhafte und Chr mit a nderen Bürg Kommunikation lesen. a n Seite Fazit Den Diagnosen eines Zeitalters der „post privacy“ tarczyk 2015). Algorithmen steuern die Inhalte der oder einer vollkommen durchgesetzten „Transpa- auf der Startseite von Facebook sichtbar werdenden renzgesellschaft“ widersprechen die hier vorgestell- Postings solchermaßen, dass allein die vom Nutzer ten Ergebnisse eines empirischen Forschungspro- am meisten frequentierten Seiten angezeigt werden. jektes: sie lassen durchaus einen Umgang von Nutze- Gleichzeitig wird hieran aber auch sichtbar, dass Nut- rinnen und Nutzern mit dem Web 2.0 aufscheinen, zer eine Umgangsmöglichkeit mit den algorithmisch die kreative Privatisierungpraktiken sowohl einüben gesteuerten Inhalten auf der Startseite von Facebook als auch wertschätzen. Man kann Schreibpraktiken haben können – der Algorithmus orientiert sich an und Thematisierungen begegnen, die ein hohes Maß ihren aktiven Klicks und Likes und errechnet danach an geschicktem Umgang mit der Herstellung von das personalisierte Netzwerk. Die These Parisers Zugriffs- und Verstehensgrenzen aufweisen. Im An- hat sich entsprechend als allgemein gültiges Paradig- schluss an die Formulierung von Felix Stalder (2016), ma zur Beschreibung von Öffentlichkeiten auf Social der zeitgenössisch einen „vernetzten Individualismus“ Network Sites wie Facebook inzwischen weitgehend zu erkennen glaubt, kann man von einer „vernetzten durchgesetzt. So hat auch Jan Schmidt diese Entwick- Privatheit“ sprechen, die praktisch mit der symmetri- lung mit seinem Konzept der „persönlichen Öffent- schen Sichtbarkeit der vernetzten Nutzerinnen sowie lichkeiten“ (Schmidt 2011) zu beschreiben versucht. Nutzern umgeht und gleichzeitig den Zumutungen Neben der Form der intimisierten Öffentlichkeiten unbestimmter Publika und Institutionen des data mi- auf Facebook kann eine empirische Perspektive indes nings entgegenarbeitet. noch weitere Aspekte der Öffentlichkeitserzeugung identifizieren (Barth/Wagner 2016). Die öffentliche Praxis des wohl temperierten deliberativen Aus- n g s f o l ie f ür diese r reibu tiv e A ls B esacthiv en Formen „kollöefkfentlich en kommuniken“ hat sich in der storms“ bzw. g Elke Wagner E nth emmuendas Label der „ Snhtitetabliert. Professur für spezielle D ebatt ystorms“ promine Soziologie und „ Ca nd qualitative Forschung am Institut für Politikwissenschaft 16 tauschs und der taktvoll-distanzierten Geste „läuft und Soziologie an der heiß“. Facebook erzeugt private Nischenöffentlich- Universität Würzburg keiten. In ihnen treffen dann authentische Sprecher
Zugänge für die Pastoral 1/2019 Die Erzdiözese Freiburg im Web … www.ebfr.de www.facebook.com/erzdioezese.freiburg www.instagram.com/erzbistumfreiburg www.twitter.com/BistumFreiburg D U u n s ! f o l g e a u ch … 17
1/2019 für die Pastoral Zugänge 18
Zugänge für für die die Pastoral Pastoral 1/2019 1/2019 ERFAHRUNGEN Soziale Medien – alternativlos in der kirchlichen Kommunikation? Dr. Michael Hertl ist Pressesprecher und Leiter des Referates Kommunikation im Erzbistum Freiburg. In seinem Erfahrungsbericht beschreibt er die absolute Relevanz des Dialoges in den Sozialen Medien und appelliert an das Mitwirken zu einer respektvollen Kommunikation in den virtuellen Lebenswelten. (Red.) Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mehr Soziale Medien stellen somit ein bedeutsames Wachs- als 4.600 Fans hat allein die Facebook-Präsenz der tumssegment im Spektrum kirchlicher Kommunikati- Erzdiözese Freiburg: Darüber werden derzeit pro on dar. Inhaltlich ist hier eine große Bandbreite mög- Woche bis zu 18.000 Menschen erreicht. Hinzu kom- lich: von expliziter bis impliziter Verkündigung über men etliche tausend oder gar zehntausende Fans di- Testimonials, Veranstaltungshinweise und interaktive verser Verbands- oder diözesaner Einrichtungsseiten, Formate bis hin zu Livestreams lässt sich über Sozi- deren Reichweite in der Summe in die Hunderttau- ale Medien praktisch die gesamte Bandbreite dessen sende geht. Dabei findet auf diesen Seiten keine Ein- medial kommunizieren, was heute technisch möglich bahn-Kommunikation statt, sondern wirklicher Dia- ist. Wenn es dabei auch noch gelingt, einzelne Bot- log. In keinem anderem Medium, das mit kirchlichen schaften viral gehen zu lassen, sind dabei Reichweiten Inhalten bespielt wird, findet ein derart intensiver zu erzielen, die denen traditioneller Medien in nichts Austausch unter Kirchenmitgliedern statt wie auf nachstehen. Facebook. Und noch eins kommt dazu: Auch wenn Menschen nutzen heute Soziale Netzwerke zum In- Facebook mittlerweile die jüngeren Nutzer (also die formations-, Identitäts- und Beziehungsmanagement unter 24jährigen) immer weniger anspricht, so sind als selbstverständlichen Teil ihres Lebens. Auch das die Nutzer hier im Vergleich zu sonstigen Zielgrup- ist ein Grund dafür, dass Kirche hier präsent sein pen kirchlicher Kommunikation im Durchschnitt sehr muss. jung. Alleine bei Instagram – einem weiteren Sozialen Angesichts diverser datenschutzrechtlicher Problem- Netzwerk, in dem die Erzdiözese Freiburg aktiv ist anzeigen, die sich aus der Nutzung der genannten – sind sie noch jünger. Aktiv sind kirchliche Anbieter Netzwerke ergeben, muss man sich aber mit der auch auf der Video-Plattform YouTube, die sich auch Frage auseinandersetzen, ob die Sozialen Medien 19 unter den großen Sozialen Netzwerken einordnen deshalb alternativlos sein können. Man muss sich lässt. immer darüber klar sein, dass das Geschäftsmo-
1/2019 für die Pastoral Erfahrungen dell der genannten Plattformen darin besteht, mit – oder auch nur im Zuge einer abnehmenden Popu- den Daten ihrer Nutzer Geld zu verdienen. Dabei larität – von Facebook wäre unmittelbar das eigene muss es nicht soweit gehen, dass bestimmten, gut Verschwinden verbunden. Am besten vorgebeugt zahlenden Unternehmen, komplette Nutzerprofile werden kann dem durch eine Multi-Channel-Präsenz, quasi verkauft werden, um damit hochspezielle und die auch kontinuierlich neue Angebote wahrnimmt politisch mitunter fragwürdige Kampagnen durchzu- und testet, um die eigene Strategie auf diese Entwick- führen. Es beginnt bereits damit, dass Werbung unter lungen anpassen zu können. Auswertung individueller Eigenschaften, Vorlieben Ein Anbieter von Medienkompetenz wie die Kirche oder Verhaltensweisen personalisiert wird, ohne dass sollte sich zugleich an Debatten über Datensouve- dem Nutzer dies bewusst gemacht wird. Nach einem ränität und informationelle Selbstbestimmung betei- Urteil des EuGH vom Juni 2018 sind Anbieter von ligen. Dieses „Recht an den eigenen Daten“ ist aus Unternehmensseiten (zu denen auch die kirchlichen der Menschenwürde abgeleitet, der sich die Kirche Seiten gehören) dazu verpflichtet, den Datenschutz verpflichtet sieht. Daher ist es wichtig zu wissen, wie der Nutzer gemeinsam mit Facebook sicherzustellen. Soziale Netzwerke „funktionieren“, welche Vor- und Da Facebook den Seitenbetreibern diese Daten aber welche Nachteile ihre Nutzung hat. In ihren Gremien gar nicht zugänglich macht, besteht die Gefahr, dass sollte die Kirche zum Beispiel auch prüfen, ob sie im sie gegen die DSGVO verstoßen, wenn sie ihre Seite Rahmen ihrer Möglichkeiten Projekte wie „Solid“ weiter betreiben. (Social Linked Data) des „WWW-Erfinders“ Tim Weil die Aus- bzw. Verwertung von Daten die Berners-Lee unterstützen kann. Dieses Modell zielt Grundlage des Geschäftsmodells der meisten Sozia- len Netzwerke sind, sind für die Zukunft zwei Szena- ie n k o m p e t enz wie dien rien vorstellbar: Entweder wird es weitere, ähnlich A n b ie t e r v on Med gleich a n D ebatte le gelagerte juristische Auseinandersetzungen zwischen E in h e s o l l t e sich zu und informationel Facebook und den Datenschützern geben, die letzten K irc ensouv erä nität teiligen. Endes den Betrieb von Facebook – zumindest in Eur- über Dat elbstbestimmung be opa – so unrentabel machen, dass es hier nicht mehr S genutzt werden kann. Die andere Variante wäre, dass Facebook künftig weniger vermarktbare Daten seiner darauf, dass Nutzer immer die Verfügungsgewalt über Nutzer erhebt und dafür das Angebot – vor allem ihre Daten behalten und damit nach eigenem Wunsch für Anbieter gewerblicher Inhalte – kostenpflichtig von Anbieter zu Anbieter wechseln können. gestaltet. Im Gegenzug würden diese Anbieter einen Und kirchliche Anbieter müssen schließlich auch da- vollständigen Zugriff auf die Nutzerdaten erhalten, ran mitarbeiten, die Kommunikationskultur in den um damit verantwortlich im Sinne der Nutzer umge- Sozialen Netzwerken zu pflegen, indem sie dort für hen zu können. Beide Varianten machen aber deut- Wahrhaftigkeit und gegenseitigen Respekt eintreten. lich, dass sich zwar die Art und Weise ändern lässt, Soziale Netzwerke sind nämlich kein vom „realen Le- in der mit Sozialen Netzwerken Geld verdient wird, ben“ abgetrennter Bereich der „Virtualität“, sondern dass aber das „Prinzip Social Media“ nicht wieder Teil der Lebenswirklichkeit. Wenn Christen in diesen verschwinden wird. Medien also am respektvollen Stil ihrer Kommunika- Insofern bleibt es Teil kirchlicher Medienkompetenz, tion erkannt werden, tragen sie auch damit zu einer die Kommunikation über Soziale Netzwerke pro- Kultur des Miteianders bei. fessionell zu bedienen. Dies sollte aber immer mit einem kritischen Blick auf die jeweiligen Geschäfts- modelle und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Michael Hertl Grundlagen geschehen. Außerdem muss den Inhal- Pressesprecher und Leiter teanbietern immer bewusst sein, dass sie sich nicht des Referats Kommunikation in eine alleinige Abhängigkeit bestimmter Plattformen des Erzdiözese Freiburg begeben dürfen, selbst wenn diese Marktführer sind. 20 Deshalb wäre es z.B. ein großer Fehler, die eigene In- ternetpräsenz zugunsten einer alleinigen Präsenz auf Facebook aufzugeben. Denn mit einem Marktrückzug
Erfahrungen für die Pastoral 1/2019 Auch Jesus würde twittern WARUM ICH ALS BISCHOF DIE SOZIALEN MEDIEN NUTZE, WIE UND WOFÜR ! „Auch Jesus würde twittern“ – so lautet die Überschtrift des Erfahrungsberichts von Erzbischof Dr. Ludwig Schick. Er beschreibt eindrucksvoll, wie er sich als Erzbischof in den virutellen Lebensräumen der Menschen einbringt. (Red.) Die Kirche hat von Anfang an die Medien für ihre nissen, die mir wichtig erscheinen, und kommentiere Verkündigung aktiv genutzt: in der Antike den Brief- aktuelle Vorgänge und Verlautbarungen aus der Sicht verkehr, seit dem Mittelalter den Buchdruck und die der Kirche. Über die Sozialen Netzwerke erreiche Printmedien, in der Neuzeit Radio und Fernsehen für ich Menschen und pflege Kommunikation mit ihnen, die audio-visuelle Verbreitung ihrer Botschaft. Seit die ich sonst nicht erreiche. Ich bin sicher, dass Jesus Jahren beobachte ich interessiert und auch kritisch heute Twitter, Facebook, YouTube etc. nutzen würde. die Entwicklung der neuen Medien und der Sozialen Schließlich hat auch er sich schon vor 2.000 Jahren Netzwerke. Mir ist klar geworden: Die Kirche muss aller Möglichkeiten bedient, die ihn in Kontakt mit auch diese Möglichkeiten nutzen, um mit ihnen die den Menschen bringen konnten. Menschen zu erreichen. Fast jeder in Deutschland ist heute – mehr oder weniger – digital aktiv. Apps und Die Aktivität in den Sozialen Netzwerken darf für Online-Angebote haben bei jungen Leuten – aber einen Bischof sowie für jede Kirchenfrau und jeden nicht nur bei ihnen – die klassischen Informationska- Kirchenmann keine bloße PR-Aktion sein. Das Inter- näle wie Radio, Fernsehen und Tageszeitung abgelöst. net muss man als Raum sehen, der zum Leben vieler Allein deshalb muss die Kirche sich heute auch in Menschen heute dazu gehört. Im Internet begegnet diesen Medien bewegen. Daher bin ich auch selbst man Menschen mit ihrer Freude und Hoffnung, mit seit 2012 auf Facebook, Twitter und Instagram aktiv, ihrer Trauer und Angst. Das erfordert Respekt und um so den Menschen, die durch diese Netzwerke Wohlwollen! Vieles, was früher im Familien- oder ansprechbar sind, zu begegnen und ihnen Botschaften Freundeskreis, auf dem Kirchplatz oder am Stamm- des Glaubens zu vermitteln. tisch von Angesicht zu Angesicht besprochen wurde, Meine persönlichen Seiten pflege ich selbst. Zu Hause wird heute oft im Netz thematisiert: die Lebensge- arbeite ich am PC, unterwegs habe ich mein Tablet staltung, Glaube, Werte, Ethik. Viele Menschen sind und Smartphone bei mir. Beim Gehen, Laufen oder in den Medien auf der Suche nach Antworten auf ihre im Auto, wenn ich Gespräche führe, lese, nachdenke existentiellen Fragen. Als Bischof bin ich zuerst Seel- oder bete, fallen mir Gedanken ein, die ich für mit- sorger, der Kontakt mit den Menschen pflegt und auf 21 teilenswert erachte; diese twittere oder poste ich das hört, was sie beschäftigt, der ihre Freuden teilt dann. Ich berichte auf meinen Accounts von Ereig- und ihnen in ihren Sorgen und Nöten Trost und Bei-
Sie können auch lesen