Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell

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Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
mitgehen
                                                                                14. Jahrgang | Ausgabe 27 | November 2019

        Informationen aus den Einrichtungen der Schwestern vom Göttlichen Erlöser
             (Niederbronner Schwestern) – Provinz Deutschland und Österreich

Quelle als Kraftort im Lengenbachtal: SchülerInnen bei einem Wandertag zum Thema „Umwelt bewahren“.  Foto: Marianne Bauer

Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen im Alltag
SchülerInnen aus dem Haus St. Marien erleben Gottes Schöpfung mit allen Sinnen im Lengenbachtal

U       nser Wandertag in der ers-
        ten Schulwoche stand un-
        ter dem Motto „Umwelt
bewahren“ und führte uns an eine
Quelle im Lengenbachtal. Ein Ort,
                                         Prüfung. Im Berufsleben ist eine
                                         gute Beziehung zu den Kollegen
                                         wichtig, um sich auszutauschen
                                         und zu unterstützen. Teamaktio-
                                         nen – sei es ein gemeinsames Früh-
                                                                                   unterbrechen und zu Ruhe und in-
                                                                                   nerer Einkehr führen.
                                                                                      Ein weiteres Beispiel: Das The-
                                                                                   ma unseres diesjährigen Besin-
                                                                                   nungstages „Welch ein Glück!“ rief
an dem die Schönheit von Gottes          stück oder eine Wanderung – sind          ganz unterschiedliche Gedanken
Schöpfung mit allen Sinnen erlebt        gut investierte Zeiten, um Freude         an Momente empfundenen oder
werden kann. Ein Ort zum Auftan-         am Berufsleben zu wecken und zu           ersehnten Glücks hervor. Unser
ken. Wo und wie kann ich Kraft,          erhalten.                                 Wunsch ist es, die Schüler dabei zu
Begleitung und Ausgleich zum                Wir versuchen, den Schülerin-          unterstützen, sich solche Glücks-
stressigen Alltag bekommen? Die          nen und Schülern während ihrer            momente auch in schwierigen Zei-
Beantwortung dieser Frage ist ein        Schulzeit Kraftquellen aufzuzei-          ten in Erinnerung zu rufen und
wichtiger Bestandteil der Ausbil-        gen und hoffen, dass sie zumindest        daraus Kraft zu schöpfen. (▶ S. 10)
dung, vor allem auch in der Alten-       einen Teil davon auch im Berufs-             
pflege. Hier ist das Thema Stressbe-     leben umsetzen können. So finden
wältigung und Ausgleich schaffen         im Laufe des Schuljahres besinn-             Maria Losch / Nicole Schweiger
sogar Bestandteil der mündlichen         liche Feiern statt, die den Alltag         beide Haus St. Marien, Neumarkt
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
Inhalt                                                                                               Editorial
3 Ärztin aus Speyer half in Afrika                 Liebe Leserin, lieber Leser,
Schwerpunktthema
Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen            Kommunen werben mit „Resilienz-We-
                                                   gen“, „Innehalte-Regionen“, „Innehal-
4-5 Beitrag von Schwester Sara                     ten-Barfußwegen“, „Waldbaden“ und
                                                   Kraftorten als touristischer Strategie. Für
6-7 Kraftquellen von Mitarbeitenden                den Tourismus sind Kirchen und Orte, an
                                                   denen man zur Ruhe kommen kann, of-
8-9 Beitrag von Martin Pfeiffer                    fensichtlich ein Gewinn.
                                                   Unternehmen und Krankenkassen sehen
10 Kraftquellen im (Schul)-Alltag                  ihren Gewinn in möglichst geringen Aus-
                                                   fallzeiten der Mitarbeitenden und Mit-
11 Hebamme in Afrika                               gliedern. So überlegen viele Unternehmen, welche gesund-
                                                   heitsfördernden Maßnahmen sie Mitarbeitenden anbieten
12-13 Beitrag von Carmen Hennemann                 können und welche Prozesse angepasst und welche Verän-
                                                   derungen an den Arbeitsplätzen vorgenommen werden müs-
14 Beitrag von Josef Kreimer                       sen, damit die Mitarbeitenden nachhaltig widerstandsfähig
                                                   gegen Stress und Krankheit bleiben.
15 Exerzitien-Angebote / Fitnessraum               In dieser Ausgabe der mitgehen gehen wir schwerpunktmä-
                                                   ßig auf die Thematik der Resilienz ein. Besonders beruflich
Aus den Einrichtungen                              geforderte Mitarbeitende der Provinz berichten von persön-
                                                   lichen Lösungen, wie sie sich gezielt fit und widerstandsfähig
16-17 Jubiläumsfeier in Darmstadt                  für die beruflichen Herausforderungen halten.
                                                   Die Tagungshäuser der Klöster haben sich dieser Thematik
18-19 Jubiläumsfeier in Fürstenfeldbruck           angenommen. Ähnlich wie in Exerzitien sollen Menschen
                                                   an diesen Orten angeleitet werden, mit ihrem Leben und
20 St. Theresien-Krankenhaus Nürnberg,             mit Gott in Verbindung zu kommen. Dieses Spektrum bietet
Werbekampagne / Priesterjubiläum                   gerade Kirchen und kirchlichen Bildungseinrichtungen und
Pater Vock, Marienheim Gablitz                     Exerzitienhäusern eine große Chance für Menschen, die auf
                                                   der Suche sind.
St. Josefs Krankenhaus Balserische Stif-           Gesundheit muss einem jeden ein wertvolles Gut sein, so
tung, Gießen:                                      dass sich ein jeder/jede die Frage stellen sollte: Was kann ich
21 „Hallo Welt“-Initiative                         selbst dazu beitragen? Er/Sie wird in dieser Ausgabe vielfälti-
22-23 Viele positive Entwicklungen                 ge Anregungen dazu erhalten.
                                                   Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie eine persönliche Antwort
24 Kloster Maria Hilf, Bühl: Carmen                darauf finden.
Hennemann neue Verwaltungsleiterin                                                               Ihr Stephan Spies

Krankenhaus-Stiftung der Niederbronner
Schwestern:
26-27 Aktuelles

Bildungszentrum Kenyongasse, Wien:
25 Grundsteinlegung Bildungscampus

28-29 Seminar „Wir gehen in Führung“

30 Neue Führungskräfte im Kloster St.
Josef

31 Kurz berichtet / 32 Meditation
                                                   „Raum der Stille“ im Kloster St. Josef.                   Foto: Spies

Impressum
Herausgegeben im Auftrag der Schwestern vom Göttlichen Erlöser (Niederbronner Schwestern) Provinz Deutschland KdöR,
Oedenberger Straße 83, 90491 Nürnberg, von: Marcus Rohde (Darmstadt), Stephan Spies (verantwortlich, Neumarkt),
Dr. Jörg Breitmaier (Ludwigshafen), Sr. Karola Maria Gierl (Nürnberg).
Redaktion, Gestaltung und Produktion: Sebastian Müller, www.vision-konzept-text.de, E-Mail: info@vision-konzept-text.de.
Organisation: Andrea Kippes (Neumarkt). Fotos und Texte sind namentlich bei den jeweiligen Artikeln gekennzeichnet.
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
mitgehen 27 | November 2019                                                 Krankenhaus-Stiftung der Niederbronner Schwestern      3

Ärztin aus Speyer half ehrenamtlich in Afrika
Dr. Cornelia Leszinski war mit dem Verein „Interplast Germany“ in Malawi / Unvergessliche Momente

V      on vielen schönen Erlebnis-
       sen erzählte Dr. Cornelia
       Leszinski, Chefärztin der
Klinik für Allgemein- und Vis-
zeralchirurgie am Sankt Vincenti-
us Krankenhaus Speyer bei einem
Bildvortrag. Die Ärztin war im
April 2019 für zwei Wochen eh-
renamtlich in Malawi im Einsatz.
Organisator der Reise war Inter-
plast Germany, ein gemeinnütziger
Verein für Plastische Chirurgie in
Ländern der Dritten Welt. Malawi
liegt im südöstlichen Teil Afrikas
und zählt rund 18 Millionen Ein-
wohnern.
    Während des Aufenthaltes
hat Dr. Leszinski gemeinsam                 Dr. Cornelia Leszinski hält ein Baby auf dem Arm.           Fotos: Leszinski/privat
mit einem Anästhesisten, einer
OP-Schwester und einem Anäs-                einem Autounfall zugezogen hat-
thesiefachpfleger rund 80 Operati-          te. Das waren Augenblicke, die die
onen im District Hospital Chitipa           Ärztin nicht vergisst. Das Kran-
durchgeführt. Vielen Menschen               kenhaus in Chitipa im äußersten
konnte das Team helfen. So zum              Norden Malawis, in dem sie ihren
Beispiel einem zehnjährigen Jun-            Einsatz hatte, ist mit seinen knapp
gen. Er hatte sich bei einem Sturz          100 Betten für die Versorgung von
mit einer Machete alle Sehnen und           135.000 Menschen zuständig. Zum
Nerven einer Hand durchtrennt.              Vergleich: Ludwigshafen mit sei-
    Überglücklich war auch ein              nen vier großen Krankenhäusern
60-jähriger Mann, der durch eine            hat 165.000 Einwohner.
große Geschwulst am Gesäß drei-                 „Selbst auf Operationen, die            nicht durchgehend gewährleistet.
ßig Jahre am Sitzen gehindert wur-          bei uns alltäglich sind, warten die         Weil der Stromgenerator ausgefal-
de. Bei der Operation stellte sich          Menschen vergeblich“, berichtete            len war, musste das Team manches
heraus, dass es sich um einen Blu-          die Medizinerin. Ärzte sind kaum            Mal und nach Einbruch der Dun-
terguss handelte, den er sich bei           verfügbar, die meisten medizini-            kelheit immer, mit der Stirnlampe
                                            schen Tätigkeiten werden von Cli-           operieren. „Aber irgendwie hat
                                            nical Officers vorgenommen, die             dann doch immer alles geklappt
                                            eine dreijährige Ausbildung absol-          und unser Team hat seinen Opti-
                                            viert haben.                                mismus nie verloren“, erinnert sich
                                                Die technische Ausstattung ist          Dr. Leszinski und ergänzt: „Man
                                            bestenfalls spartanisch zu nennen,          kann mit einfachen Mitteln viel
                                            die Hygiene schwierig. So gibt es           bewirken. Die Menschen sind für
                                            beispielsweise kein Händedesin-             unsere Hilfe sehr dankbar, was wir
                                            fektionsmittel: vor einer Operati-          vor Ort und durch spätere Rück-
                                            on muss Waschen mit Wasser und              meldungen erfahren haben.“
                                            Seife genügen. Die bei einer Ope-               Spenden für Interplast Ger-
                                            ration benutzen Tücher und Kit-             many sind gut investiertes Geld:
                                            tel mussten von Hand gewaschen              „Ohne finanzielle Unterstützung
                                            und im Freien getrocknet werden.            sind solche Einsätze leider nicht
                                            Daher war die Freude beim Kli-              möglich und der nächste Einsatz
                                            nikpersonal groß, als eine gespen-          ist für 2020 schon geplant.“
                                            dete Waschmaschine endlich funk-
                                            tionstüchtig gemacht wurde. Das
                                            Interplast-Team hatte nämlich den
                                            dazugehörigen Motor nach Mala-
Ein Kind (mit Gips) uns sein Vater freuen   wi transportiert. Auch die Strom-           Weitere Infos unter: www.inter-
sich über die erfolgreiche Behandlung.      versorgung im Krankenhaus ist               plast-germany.de/spenden
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
4   Schwerpunktthema                                                                        mitgehen 27 | November 2019

    Gottvertrauen als ein wichtiger Faktor der Resilienz
    Schwester Sara Thiel über persönliche Krisen und deren Bewältigung mit Hilfe des christlichen Glaubens

    R      esilienz, das Schwerpunkt-
           thema unseres Heftes, ist ein
           Begriff aus der Psychologie.
    Resilienz meint die Widerstands-
    fähigkeit von Menschen gegenüber
                                                                                    Für viele Wochen gab es nur
                                                                                  noch die Frage „Warum?“.

                                                                                     Mein Gottvertrauen war bis in
                                                                                  seine tiefsten Fundamente erschüt-
    krankmachenden Lebensumstän-                                                  tert.
    den und Ereignissen. Resilient ist,
    wer es schafft, Lebenskrisen mithil-                                             Mein Glaube erschien eher wie
    fe eigener Ressourcen zu meistern,                                            ein zusätzliches Gewicht, das mich
    ohne krank zu werden, oder sie gar                                            immer wieder nach unten zog, weil
    für die eigene weitere Entwicklung                                            die bisherige Gewissheit, auf einen
    zu nutzen.                                                                    guten Gott zu vertrauen, komplett
        Mehrere große Studien fanden,                                             in Frage gestellt war.
    dass solche Menschen resilient sind,
    die beispielsweise gute Fähigkeiten                                             Also noch einmal die Frage
    der Selbst- und Fremdwahrneh-                                                 „Hilft Gottvertrauen bei der Be-
    mung, eine gute Sozialkompetenz                                               wältigung von Krisen?“
    und Problemlösefähigkeiten haben.
    Ein positives Selbstbild und Selbst-                                                Zwei wichtige Impulse habe ich
    vertrauen machen ebenso resilient                                                in dieser schweren Zeit für mich
    wie Interessen und Hobbys.                                                       entdeckt: Ich habe entdeckt, dass
        Welche Rolle spielen der Glaube    Sr. Sara Thiel  Foto: Astrid Schmidhuber gerade im christlichen Glauben
    und die religiöse Praxis für die Re-                                             eine absolute Infragestellung, die
    silienz? Diese Frage tauchte bei der                                             Durchkreuzung des Lebens im
    Vorbereitung unseres Heftes im He-     garten hält, Religionsunterricht Mittelpunkt steht und zur Quelle
    rausgeberkreis auf.                    gibt, Jugendliche begleitet, Kranke alles Heilvollen wird. Jesus Chris-
        Wir haben die Frage an Schwes-     besucht, Gottesdienste im Senio- tus stirbt einen schmählichen,
    ter Sara Thiel weitergegeben, Theo-    renheim feiert, Trauernden bei- gewaltvollen Tod am Kreuz und
    login und Ordensfrau, die in der       steht und besonders Frauen seel- schreit selbst die Frage heraus:
    Gemeindeseelsorge tätig ist.           sorglich unterstützt.                     „Mein Gott, mein Gott, warum
                                                                                     hast Du mich verlassen?“ (Markus
                                               Also zunächst ein persönlicher 15, 33-34).
                                           Zugang zu der Frage: „Hilft Gott-
       „Machen der Glaube und ein          vertrauen bei der Bewältigung von
    aktiv gestaltetes Glaubensleben        Krisen?“
    Menschen stark?“ „Hilft Gottver-                                                    Es sind Momente dunkelster
    trauen bei der Bewältigung von             Im Jahr 2004 habe ich zwei exis- Gottverlassenheit, Einsamkeit…
    Krisen?“ „Machen wir Menschen -        tentielle Krisen erlebt. Kurz vor aber er schreit immer noch „mein
    egal ob jung oder alt, gesund oder     dem Ende meines Studiums, war Gott“! Nicht ein fremder, nicht
    geschwächt - stark, indem wir ih-      plötzlich meine berufliche Zukunft ein anderer, nicht kein Gott. Nicht
    nen den Glauben als Hilfe zum          völlig in Frage gestellt. Das Berufs- grenzenlos enttäuschte Hoffnung
    Leben anbieten?“ Vor diese Fragen      ziel „Pastoralreferentin“, für das bricht sich hier Bahn, sondern tiefe
    werde ich gestellt und ich werde sie   ich eine Berufung verspürte, war Verbundenheit lässt Jesus an sei-
    aus zwei verschiedenen Perspekti-      in weite Ferne gerückt, weil meine nem Gott festhalten: „Mein Gott,
    ven beantworten.                       Heimatdiözese den Ausbildungs- Warum?“
                                           gang eingestellt hatte. Ich fiel in ein
       Zuerst aus einer ganz persön-       Loch.                                        In diesem Schreien ist die Ge-
    lichen Perspektive als Schwester                                                 meinschaft mit Gott noch da und
    Sara, die in den vergangenen 38            Wenige Monate danach starb umfängt seine Gottverlassenheit.
    Lebensjahren selbst Lebenskrisen       ebenso plötzlich und überraschend
    erlebt und bewältigt hat – dank        mein Vater mit 48 Jahren an einem            Ein Zweites wurde mir spä-
    und trotz meines Glaubens.             Aortariss. Als ich gerade dabei ter klar: Ich musste die Frage
                                           war, langsam wieder aus dem Loch „Warum?“ hinter mir lassen, weil
       Und dann aus einer zweiten          herauszukrabbeln, wurde mir der ich darauf nie eine Antwort gefun-
    Perspektive, als Pastoralreferentin,   Boden ein zweites Mal brutal unter den hätte. Die Frage hat sich ge-
    die religiöse Einheiten im Kinder-     den Füßen weggezogen.                     wandelt in ein „Wozu?“.
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
mitgehen 27 | November 2019                                 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“   5

  Wozu erfahre ich selbst Krisen wir in Jesu Christus am intensivs-            aus Schönheit und Tragik, Gewinn
und Begrenztheiten?              ten dargestellt sehen.                        und Verlust, Ende und Neuanfang;
                                                                               und nicht nur die „schöne Hälfte“.
   Weil im Leben nie alles glatt          Glaubensvermittlung und Kate-        Dazu brauchen Menschen Beglei-
geht und mich Brüche und Leid an       chese kreisen oft um Aussagen wie       tung und dürfen nicht allein gelas-
die Seite aller stellen, die auch an   „Gott liebt Dich – so wie Du bist!“,    sen werden. Als Theologin bin ich
die Grenzen des Lebens und Leb-        „Gott ist für Dich da!“. Es braucht     überzeugt: wir sind einander von
baren stoßen. In einer Haltung des     gerade in der Glaubensvermitt-          Gott gegeben, damit niemand in
Respekts vor dem je ureigenen Er-      lung die Möglichkeit, diese Zusa-       seiner Freude und in seinem Leid
leben von Krisenzeiten und Gren-       gen auch in Frage stellen zu dür-       allein bleibt. Das bleibt eine stän-
zerfahrungen kann ich Sprachlo-        fen. Nur wo Gott zur Frage wird         dige Herausforderung. Manchmal
sigkeit aushalten, Gottferne und       und ein unauslotbares Geheimnis         möchte ich lieber weglaufen, die
-verlassenheit ins Wort bringen,       bleibt, werde ich ihm gerecht und       Augen verschließen oder mich
das Leid mittragen und dort wei-       ermögliche es Kindern, Jugendli-        nicht zuständig fühlen, wenn ich
terbeten, wo es andere nicht mehr      chen und Erwachsenen mit ihrem          mit Anderen vor existentiellen He-
können.                                Gottesbild an den sich verändern-       rausforderungen stehe.
   Eine eingeübte religiöse Praxis     den Lebensrealitäten zu wachsen.            Ja, ich darf meine eigenen Gren-
kann dabei tatsächlich sehr hilf-      Ich bin überzeugt: nur so machen        zen achten; aber ich darf auch ver-
reich sein. Gebete, die tief in mir    wir Menschen im Glauben stark.          trauen, dass Gott dabei bleibt. Bei
verwurzelt sind, werden zum halt-      Sonst wird der Glaube in Krisen         mir und bei meinem Gegenüber.
gebenden Anker in stürmischen          zum Hindernis, bzw. Teil der Krise      So macht der Glaube mich auch in
Zeiten.                                oder einfach irrelevant.                diesen Situationen stark.

   So kann ich aus meiner
persönlichen Erfahrung sagen,
dass mich mein Glaube in einer
existentiellen Krise tatsächlich
stark oder resilient machte, weil
er wandlungsfähig war. Ich wäre
heute nicht die glaubende Per-
son, die ich bin, ohne diese Er-
fahrungen.
                                          Scheitern erscheint oft als Ge-         Ich bin überzeugt, dass Gott-
   Ich wage einen zweiten Ant-        genpol zur Resilienz. Der Blick-         vertrauen ein wichtiger Faktor
wortversuch aus der Perspektive       winkel des Glaubens eröffnet einen       der Resilienz ist und es ermög-
der Seelsorgerin und Theologin.       neuen Horizont. Scheitern muss           licht, die Welt trotz aller Krisen,
Glaube kann auch krank machen         nicht zum Scheitern verurteilt sein.     Katastrophen und Widersprüche
und dem Anliegen der Resilienz        Das zeigt sich am deutlichsten an        als sinnvoll zu betrachten.
entgegenstehen. Manche Men-           der Person Jesus Christus. Auf den
schen sind geprägt von vergifte-      ersten Blick ist er ein Gescheiterter
ten Gottesbildern oder kräftezeh-     am Kreuz. Die ersten Christen ha-
renden religiösen Praktiken. Wo       ben dieses „Ärgernis des Kreuzes“
bestimmte Ereignisse als Strafe       (1. Kor. 1,22f) als großes Hindernis
Gottes aufgefasst werden, wird der    bei der Verkündigung des Glau-           Zur Autorin: Sr. Sara Thiel,
Glaube ins Gegenteil karikiert.       bens an Christus erfahren. Die           geb. 1981,
                                      christliche Botschaft der Auferste-      Niederbronner Schwester,
    Dagegen schreibt Dietrich Bon- hung bietet eine Perspektive weit           Pastoralreferentin und
hoeffer: „Ich glaube, dass Gott über den Horizont des Scheiterns               Hausoberin in St. Benno, München.
uns in jeder Notlage so viel Wi- hinaus. Erfahre ich das Ungeheu-
derstandskraft geben will, wie wir erliche dieser Auferstehungshoff-
brauchen. Aber er gibt sie nicht im nung noch?
Voraus, damit wir uns nicht auf uns                                            1 Dietrich Bonhoeffer, Widerstand
selbst, sondern auf ihn verlassen.“ 1     Es ist oft ein langer Lernprozess,   und Ergebung, DBW Band 8, Seite
                                      zu begreifen, dass die Verheißung        30
    In diesen Zeilen spricht mich eines „Lebens in Fülle“ (Johan-
an, dass Resilienz ein Grundan- nes 10,10), nicht gleichzusetzen               Literaturhinweis, für alle, die tiefer
liegen Gottes ist! In Psalm 145, 14 ist mit einer „Fülle des Glücks“.          einsteigen möchten:
heißt es: „Gott richtet alle auf, die Es geht darum, das ganze Leben           Elias D. Stangl, Resilienz durch
niedergeschlagen sind.“ Dieses mit Gottvertrauen akzeptieren zu                Glauben? - Die Entwicklung psy-
Aufrichten zeigt die Liebe Gottes können, mit allem Möglichen, was             chischer Widerstandskraft bei Er-
zu den Menschen; eine Liebe, die geschehen kann. Das ganze Leben               wachsenen, 2016.
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
6   Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“                              mitgehen 27 | November 2019

    Mitarbeitende berichten von ihren Kraftquellen

    G      esundheitliche Folgen wie Antriebslosigkeit bis hin zum Burnout werden durch psychische Belas-
           tungen u.a. auch am Arbeitsplatz verursacht. Die Mitarbeiterzeitschrift mitgehen der Niederbronner
           Schwestern befasst sich in dieser Ausgabe mit dem Thema Resilienz. Dabei möchten wir auch auf die
    Möglichkeiten der Förderung von Resilienz eingehen. Deshalb ist es uns ein Anliegen, Mitarbeitende aus den
    verschiedensten Berufsgruppen vorzustellen, was sie unternehmen, körperlich und psychisch widerstands-
    fähig zu bleiben.

                                                                                  Helga Reiter, Leitung der Sozialen
                                                                                  Betreuungskräfte im APH
    Stefan Rußmayr,                                                               St. Alfons, Neumarkt
    Administration, Bildungszentrum Gleiß
                                                                                  Mein Glaube und meine positi-
    Eine meiner stärksten Kraftquellen ist das gemeinsame Musizieren in           ve Lebenseinstellung sind meine
    einer A-cappella-Musikgruppe (Foto oben Stefan Rußmayr 2.v.r, Ge-             wichtigsten Kraftquellen. Zudem
    schäftsführer Martin Pfeiffer 3.v.r.). Seit Jahren schöpfe ich daraus Kraft   jogge ich gerne und fahre mit dem
    für den Berufsalltag. Meine Familie, ein gesunder Lebensstil mit gesun-       Fahrrad. Auch mein Lebensmotto
    der Ernährung, sowie mein positives berufliches Arbeitsklima stärken          „Zufrieden sein mit dem Tag, wie
    mich täglich für die Herausforderungen. Generell denke ich jedoch, dass       er kommt. In allem das Gute su-
    eine positive Grundeinstellung Motivation für schwierige Situationen          chen und Freude an den Menschen
    schafft die Kraftquelle von innen heraus.                                     haben, wie sie nun einmal sind“
                                                                                  trägt dazu bei, gesund zu bleiben.

                                              Andrea Bärtl, Finanzbuchführung, TGE Neumarkt

                                              Mein Mann und unsere drei Kinder sind der Lebensmittelpunkt, mit al-
                                              lem was dazugehört. Die Leidenschaft zur heimatlichen Jagd und die da-
                                              mit verbrachte Zeit in der Natur. Auf dem Hochsitz kann ich den Gedan-
                                              ken freien Lauf lassen und verarbeite positive oder leider auch negative
                                              Eindrücke des Lebens. Es ist schön, bewusst zu erleben, wenn der Tag
                                              beginnt, dabei lausche ich dem Gezwitscher der Vögel, oder genieße es,
                                              wenn Abends langsam alles ruhig wird. Die Ausbildung und Spaziergän-
                                              ge mit meinem Jagdhund geben mir täglich die Möglichkeit, Momente
                                              für mich zu haben, egal bei welchem Wetter. Schlechtes Wetter gibt es
                                              nicht, nur schlechte Kleidung. Ein gutes Betriebsklima ist für mich ge-
                                              nauso wichtig wie die Erfüllung meiner Tätigkeit. Beides habe ich hier
                                              zum Glück gefunden. Anders könnte ich nicht arbeiten. Kein Mensch ist
                                              perfekt und jeder ist auf seine Weise einzigartig.
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
mitgehen 27 | November 2019                                                                Umfrage               7

Thomas Leszkovich, Direktor des Gymnasiums Kenyongasse,
Mater Salvatoris, in Wien.
Meine Kraftquellen lassen sich in drei Bereiche teilen: Der erste Bereich
betrifft mein Arbeitsumfeld.
„Mit zunehmender Höhe wird die Luft dünner“. Diese Metapher bringt
für mich zum Ausdruck, dass eine Führungsposition auch durch Ein-
samkeit geprägt sein kann. Um so wichtiger ist für mich, dass es in mei-
nem Arbeitsumfeld Menschen gibt, die mir zuhören und mit denen ich
mich austauschen und besprechen kann. Da ich dieses wertschätzende
und unterstützende Arbeitsumfeld habe und mich in diesem eingebet-
tet und genährt fühle, ist das meine erste Kraftquelle. Zweiter Bereich:
In meinem christlichen Glauben finde ich Sinn, Halt und Orientierung.
Das nachfolgende Gebet steht auf meinem Schreibtisch und hat mir in so
manchen Situationen meines beruflichen Lebens Halt gegeben: Gott, gib
mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das
eine vom anderen zu unterscheiden. Verfasser unbekannt. Dritter Be-
reich: Das sind Kraftquellen, die außerhalb meines Berufes liegen. Auf-
bauend auf dem Netz meiner Familie, wo ich mich in allen Fasern meiner
Persönlichkeit angenommen und getragen fühle, kann ich gestärkt die
Herausforderungen des beruflichen Alltags annehmen. Sportliche Aus-
daueraktivitäten wie Radfahren und Laufen, das Eintauchen in die bil-
dendende Kunst und das Mitfiebern mit meinem Fußballverein Rapid
komplettieren meine Kraftquellen. Diese Ressourcen lassen mich in dem
Bewusstsein leben, dass mein Leben bunt ist.

                                      Valerie Sophie Paar, pädagogische Assistentin im Kindergarten
                                      Troststraße des Bildungszentrums Kenyongasse, Wien

                                      Ich schöpfe meine Kraft und Energie aus meiner Tätigkeit mit Kin-
                                      dern meiner Pfadfindergruppe. Ich darf sie leiten und begleiten. Viele
                                      gemeinsame Erlebnisse in der Natur und Abende am Lagerfeuer geben
                                      mir Kraft für meinen Alltag. Das erleben einer Gemeinschaft, sei es im
                                      Kindergarten oder bei den Pfadfindern, stärken mich unglaublich und
                                      sind meine persönliche Kraftquelle.

Carmen Hennemann, Verwaltungsleiterin Kloster Maria Hilf, Bühl

Ich male sehr gerne und lese viel. Beides hilft mir richtig abzuschalten. Meine Fami-
lie, ganz besonders mein Mann, geben mir sehr viel Kraft. Ich gehöre zu den Men-
schen, die unter der Woche Frühaufsteher sind und am Wochenende das lange Schla-
fen genießen. Berge, in ihrer majestätischen Größe und Wald faszinieren mich. Ich
liebe Waldspaziergänge auf Wegen, wo keine Menschen zu sehen sind. Den Duft des
Waldes einzuatmen, die Geräusche wahrzunehmen, die Waldbewohner zu beobach-
ten – egal ob Ameisen, Käfer, Vögeln – ist einfach unbeschreiblich schön. Und ich
habe das Glück den Schwarzwald hier in der Nähe zu haben. Eine neue Erfahrung
für mich, seitdem ich im Kloster arbeite: Während des Gottesdienstes mich neben die
Orgel zu setzten und für 10 bis 15 Minuten die Augen schließen und dem Gebet, dem
Priester, den Schwestern und der Orgel zuhören. Wahrlich ein Schöpfen aus der Quelle des Erlösers. Meine
Arbeit ist für mich eine enorm wichtige Kraftquelle. Ich bin neugierig und lerne gerne aus Neuem, dadurch
kann ich mich weiterentwickeln. Ich sehe Probleme nicht als etwas Negatives, sie sind da um sie zu lösen. Dass
Misserfolge passieren, mag ich nicht im Griff haben, wie ich darauf reagiere aber schon. Deshalb gilt für mich
das Motto „Hinfallen - Aufstehen - Krönchen richten - Weitermachen“.
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
8   Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“                                mitgehen 27 | November 2019

    Was die (Kinder)seele stark macht
    von Dir. Mag. Martin Pfeiffer,
    Geschäftsführer Bildungszentrum Kenyongasse, Wien und Bildungszentrum Gleiss

    E     ine sich stetig im Wandel be-
          findliche Welt lässt uns auch
          ständig auf Neues treffen und
    verlangt uns Menschen enormes
    Stehvermögen ab. Berufliche, fa-
                                             kämpfen, die zu groß für sie sind.
                                             Die Themen „richtige Stärke“ und
                                             „Standfestigkeit im Leben“ haben
                                             mittlerweile auch in den Bildungs-
                                             bereich Einzug gehalten. Mit die-
                                                                                       Dadurch ist es gut belastbar,
                                                                                    weil es sich nicht hilflos ausgelie-
                                                                                    fert fühlt. Die Erkenntnis, dass es
                                                                                    für alle Probleme eine Lösung ge-
                                                                                    ben kann, wenn man aktiv an ihr
    miliäre und persönliche Verände-         sem Begriff befassen sich ÄrztIn-      arbeitet, lässt es Sorgen schneller
    rungen und Herausforderungen,            nen, EntwicklungspsychologInnen        wegstecken, nach vorne blicken
    gewollte wie ungewollte, berei-          und PädagogInnen neuerdings            und auch anderen etwas von seiner
    chern das Leben oder setzen uns          mehr denn je, da ein großes Maß        Stärke abgeben.
    zu, oder sogar beides zur gleichen       an psychischer Widerstandsfähig-
    Zeit.                                    keit dem Kind hilft, Belastungen           Dabei sind stabile positive Be-
        Gesellschaftlichen Ansprüchen        besser standzuhalten und sogar an      ziehungen enorm wichtig. Verläss-
    gilt es zu genügen und globale           Problemen und Krisen zu wachsen.       lichkeit und Wertschätzung durch
    Themen verlangen nach Lösun-             Wenn wir ein gesundes „geistiges       die Eltern oder andere Bezugs-
    gen, und das Leben des einzelnen         Immunsystem“ haben wollen, das         personen bieten die Basis für eine
    scheint immer vieles gleichzeitig zu     uns vor schlimmen Verletzungen         gesunde Selbstakzeptanz und die
    sein, vom bloßen Spielball höherer       und Krankheiten der Seele schützt,     Akzeptanz anderer. Kontakte zu
    Mächte bis zum höchsten Wert auf         haut uns so schnell nichts um und      Gleichaltrigen und Freundschaften
    Erden, einzigartig, unvergleichlich      können wir Schwierigkeiten und         geben Mut und Selbstvertrauen,
    und dennoch kräfteraubend. „Das          Krisen meistern, ohne Schaden zu       und auch Lehrerinnen und Leh-
    Leben ist schön – von einfach war        nehmen.                                rer tragen durch ihre Fürsorge und
    nie die Rede“ fasst ganz gut zusam-          Dabei ist Resilienz weniger eine   ihre Funktion als Vermittler von
    men, was wir in die Wiege gelegt         Eigenschaft, die der eine mehr und     Wissen und Werten ebenfalls dazu
    bekommen haben und zu meistern           der andere weniger besitzt, son-       bei. Deshalb ist ein wertschätzen-
    versuchen, und es gibt viele Ein-        dern – und das ist das gute daran      des und unterstützendes Klima in
    flüsse, die den Weg des Menschen         - eine Fähigkeit, die erworben wer-    den Bildungseinrichtungen von
    in seinem Spannungsfeld zwischen         den kann. Wenn auf der einen Sei-      großer Bedeutung, deshalb lernt
    Streben und Nachgeben, Arbeit            te immer deutlicher bemerkt wird,      das Kind in der Gemeinschaft von
    und Erholung, Tatendrang und             dass der Schulstress und (schuli-      Kindergarten und Schule im Kon-
    Rückbesinnung auf wesentliche            scher) Druck auf Kinder und Ju-        takt mit anderen enorm viel über
    Dinge mit Hindernissen zu pflas-         gendliche immer mehr wird, nach-       sich und seinen unschätzbaren
    tern scheinen.                           weislich, dann sind wir in unseren     Wert für andere.
        Wir sind beinahe 24 Stunden          Bildungsangeboten auch gefragt,            Die Bildungszentren der Kon-
    am Tag erreichbar, wir geben Ant-        Antworten zu suchen. Immerhin          gregation widmen sich verstärkt
    worten sofort, wir sind gezwungen,       spiegelt Schule immer deutlicher       dem Thema Resilienz mit dem Ziel,
    schnell zu reagieren, und wir über-      Gesellschaft und deren Auswüch-        die Kinder zu selbstverantwortli-
    sehen dabei nur allzu leicht, was        se.                                    chen und sozialen Mitmenschen
    uns eigentlich guttun würde. Und             Würden wir in vertrackten          zu machen. Auf spielerische Art,
    so geht es nicht nur Erwachsenen.        Situationen öfter „situations-         im sozialen Lernen und in diver-
                                             elastisch“ reagieren, ließe uns un-    sen Unterrichtseinheiten werden
       Auch unsere Kinder leben mit          sere eigene Resilienz abfedern, was    sie angeleitet, offen zu sein für sich
    diesen neuen Herausforderungen.          sonst immer noch schlimmer zu          und andere, Bedürfnisse zu erken-
    Einerseits imitieren sie von klein       werden droht. Sind Kinder noch         nen, empathisch zu sein und ge-
    auf ihre Eltern und später ihre          nicht besonders gut darin, haben       waltfrei zu reagieren. Die schon in
    Freunde und Vorbilder, und an-           sie dennoch gute Chancen, Stra-        anderen Artikeln vorgestellte Akti-
    dererseits merken sie schon sehr         tegien zu erwerben, die ihnen und      on „Herzensbildung“ etwa macht
    bald, was die „Großen“ gutheißen         ihrer Umwelt weiterhelfen können.      Schülerinnen und Schüler damit
    und was nicht, was Erfolg bedeu-         Ein resilientes Kind packt Proble-     vertraut, über Probleme zu spre-
    tet und auch Scheitern, was also         me an, anstatt ihm aus dem Weg         chen, Talente zu erkennen, Ver-
    die Gesellschaft von ihnen ver-          zu gehen. Es sucht zuerst selbst Lö-   antwortung für sich, den Nächsten
    langt. Und die eigene Rolle darin        sungen für Konflikte und rechnet       und die Umwelt zu übernehmen
    zu finden, zu festigen und in ihr        damit, dass seine Bemühungen Er-       und zu erfahren, was gut tut und
    zu bestehen, ist Notwendigkeit wie       folg haben werden. Es schätzt sich     auch für andere gut ist.
    Bürde gleichermaßen, letzteres oft       selbst gut ein und weiß auch, wann         Als Teil der Welt Gottes soll sich
    viel mehr, wenn Hilfestellungen          eine Situation nicht beeinflusst       jeder als wichtig und am richtigen
    fehlen und Kinder mit Problemen          werden kann.                           Platz erfahren, denn wer gerne Ver-
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
mitgehen 27 | November 2019                                Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“   9

antwortung für sich übernimmt,             Diese Faktoren stärken die Re-     samkeit vermittelt wird, kann es
tut dies auch für andere. Dies ist     silienz von Kindern. Sie entwi-        sich im späteren Leben selbst be-
im Zubereiten einer gesunden Jau-      ckeln durch eine feste emotionale      haupten und lernt einen flexiblen
se erfahrbar, und genauso im Um-       Bindung auch außerhalb der Fami-       Umgang mit schweren Lebenssitu-
gang mit Streit und Versöhnung.        lie ein gesundes Selbstwertgefühl      ationen.
Richtiges Entschuldigen will ge-       und werden leistungsmotiviert.            Das alles klingt zu schön, zu
lernt sein, und auch, dass man die     Des Weiteren können sie meist          idealistisch? Das darf es ruhig!
Augen vor der Not anderer nicht        eine realistische Zukunftsperspek-
verschließen soll.                     tive entwickeln. Das bedeutet, sie         Denn spätestens hier sind wir
                                       gehen auch flexibler mit Verände-      beim Thema der christlichen
    „Wissenschaftlich gesehen wä-      rungen um und trotzen schwieri-        Wertevermittlung, welche einen
ren die wichtigsten Schulfächer        gen Lebensumständen.                   hohen Anspruch an uns Menschen
Musik, Sport, Theaterspielen,                                                 stellt. Die Evangelisten berich-
Kunst und Handarbeiten.“ Spä-          Resiliente Kinder                      ten eindrucksvoll in Bildern und
testens seit Dr. Manfred Spitzer       können demnach:                        Gleichnissen, wie Jesus Nächs-
(Hirnforscher und Neurowissen-                                                tenliebe, Achtsamkeit und eine
schaftler) kennen wir diese Aussa-     • ihre eigenen Gefühle und die von     wertschätzende Begegnungskultur
ge. Und auch hier können katho-        anderen erkennen und einordnen.        nicht nur predigte, viel mehr vor-
lische Bildungsstätten punkten: In     • die eigenen Gefühle kontrollie-      lebte. Auch das Wort unserer Or-
unseren Einrichtungen können wir       ren, regulieren oder dafür um Rat      densgründerin „Habt Mut, Gott ist
auf eine Schulkultur blicken, die      bitten.                                mit Euch“ passt perfekt als stärken-
auch im Alltag genau diese Sparten     • eigene Stärken und Kompeten-         de Zusage zu diesen Themen!
der Bildung berücksichtigt, ja so-     zen erkennen.                              Man könnte sagen, das Wissen
gar einfordert, eben „Kultur“. Wo      • Hilfe holen und scheuen sich         um Resilienz ist beinahe 2000 Jah-
sonst lassen sich Talente in Stärken   nicht vor Kontakt.                     re alt, wenn nicht mehr.
umwandeln und sind somit wie-          • Strategien zur Problemlösung             Wer eine vermeintlich dicke
der mitverantwortlich für Selbst-      entwickeln und auf ähnliche Situ-      Haut besitzt, kann innerlich trotz-
achtung und Selbstbestätigung. In      ationen übertragen.                    dem sehr verletzlich sein. Wer von
zahlreichen Studien konnte belegt                                             innen heraus stark ist, bleibt ge-
werden, dass resiliente Kinder ein
                                 Diese benannten Fähigkeiten von              genüber anderen empfänglich für
positives Temperament aufweisen. resilienten Kindern sind nicht im-           vieles. Sein Seelen-Schutzmantel
Erstens sorgt das für eine gewisse
                                 mer gleich ausgeprägt. Resilienz ist         ist seine Resilienz, die das noch
Robustheit, und zweitens auch füreine variable Größe, die in einem            Verträgliche eher zulässt und das
mehr Zuwendung der Bezugsper-    Bereich stärker in einem anderen             wirklich Unangenehme schneller
son.                             schwächer sein kann.                         verkraftet. Versuchen wir also wei-
                                    Damit Kinder ihre eigene Wi-              terhin, unsere Kinder zu stärken
   Das bedeutet, den Kindern derstandskraft aufbauen, brauchen                und ihnen ein gutes Beispiel zu
werden haltgebende Werte beige- sie Wärme und Zutrauen, sowie                 geben. Denn auch wenn das Leben
bracht und ihre Leistungen aner- Interesse und Kontrolle. Wenn                nun mal nicht einfach ist: Es ist
kannt. Wertschätzung von außen dem Kind wichtige Werte und der                und bleibt ein kostbares und schö-
fördert die innere Haltung.      Glaube an die eigene Selbstwirk-             nes Geschenk.
Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
10   Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“                               mitgehen 27 | November 2019

     Kraftquellen im (Schul-)Alltag finden
     Das Haus St. Marien in Neumarkt versucht, die Resilienz von Jugendlichen zu stärken

     D         er erste Schultag im Haus
               St. Marien, Neumarkt: Er-
               wartungsfroh und zugleich
      verunsichert sehen sich die neu-
      en Schülerinnen und Schüler um.
                                                                                   Erwachsenen zu einem guten Be-
                                                                                   rufsabschluss zu führen, ist eine
                                                                                   Herausforderung.
                                                                                      Was hilft den Jugendlichen da-
                                                                                   bei, ihre schulischen und priva-
      Können sie ihre eigenen Ansprü-                                              ten Aufgaben gut zu bewältigen?
      che und die der schulischen und                                              Kraftquellen für sie - wie auch für
      beruflichen Ausbildung erfüllen?                                             uns - sind Beziehungen zu Perso-
          In einem Auszug aus dem Lehr-                                            nen, die unser Leben begleiten, die
      plan für die Berufsfachschule für                                            uns Sicherheit und Vertrauen ver-
      Kinderpflege vom 24.08.2010 wird        Schülerinnen aus dem Haus St. Marien mitteln. Bei ihnen fühlen wir uns
      deutlich, dass Berufliche Bildung       erleben die Natur.                  aufgehoben und können echt sein
      den ganzen Menschen umfasst.                                                 – ohne Angst vor Verletzungen. Je-
          „Die Aufgabe der Berufsfach-                                             der Mensch braucht im Laufe des
      schule konkretisiert sich in den        ne und Verantwortungsbewusstsein Lebens mehrere dieser Beziehun-
      Zielen, ­eine Berufsfähigkeit zu ver-   für Natur und Umwelt.“               gen, innerhalb und außerhalb der
      mitteln, die Fachkompetenz mit             Zukünftigen Berufstätigen mit- Familie, Freundinnen und Freun-
      allgemeinen Fähigkeiten methodi-        zugeben, dass Fachkompetenz de. Auch Lehrkräfte können solche
      scher und sozialer Art verbindet,       enorm wichtig ist in einer Berufs- Bezugspersonen sein, vor allem,
     ­berufliche Flexibilität zur Bewälti-    welt, in der vor allem wirtschaftli- wenn die Familie nicht die Kraft-
      gung der sich wandelnden Anfor-         cher Erfolg zählt, jedoch das Leben quelle ist, die ein junger Mensch
      derungen in Arbeitswelt und Ge-         nicht zu kurz kommen darf, muss benötigt. So kann eine Lehrkraft
      sellschaft auch im Hinblick auf das     Auftrag einer Beruflichen Schule nicht nur als Rollenvorbild fun-
      Zusammenwachsen Europas zu              sein.                                gieren, sondern auch Interessen
      entwickeln. Oberste Bildungsziele          Für die Lehrkräfte ist das ein wecken, Begabungen fördern und
      sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung        Spagat: Zeitlich eng getaktet sollen auf diese Weise die Entwicklung
      vor religiöser Überzeugung und vor      Ziele erreicht, Kompetenzen ver- begleiten.                     (▶ S. 1).
      der Würde des Menschen, Selbstbe-       mittelt und Leistungsnachweise er-
      herrschung, Verantwortungsgefühl        bracht werden. Zugleich darf man Text: Maria Losch (Schulleiterin) /
      und       Verantwortungsfreudigkeit,    den einzelnen Schüler als Mensch Nicole Schweiger (stellv. Schul-
      Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossen-      nicht aus den Augen verlieren. leiterin), beide Haus St. Marien,
      heit für alles Wahre, Gute und Schö-    Eine Klasse von etwa 30 jungen Neumarkt

     Wandertag ins Lengenbachtal unter dem Motto „Umwelt bewahren“.                           Fotos: Marianne Bauer/HSM
mitgehen 27 | November 2019                                   Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“     11

„Das waren die härtesten Wochen in meinem Leben“
Teresa Spörlein aus dem St. Theresien-Krankenhaus lernt in Kamerun viel über sich und ihren Glauben

W          enn Hebamme Teresa
           Spörlein an ihre Zeit in
           Kamerun zurückdenkt,
hat sie viele Bilder im Kopf: Ge-
bärende, die ihre Kinder zur Welt
bringen wie bei uns vor 30 Jahren,
Neugeborene, deren Überleben
ungewiss ist, einheimische Kol-
leginnen, die sich aus Mangel am
Nötigsten ihr Desinfektionsmittel
oder Toilettenpapier selbst mit-
bringen müssen.
    Und doch gehört das Hospital
Bethesda in der Hauptstadt Ya-
oundé zu den besseren Kranken-
häusern des Landes. Die Patientin-
nen und Patienten nehmen lange
Anfahrtswege in Kauf, um sich in
der Einrichtung der christlichen
Hilfsorganisation „Liebe in Ak-
tion“ behandeln zu lassen. Sechs
Wochen arbeitete Teresa Spörlein
dort Anfang des Jahres im Kreiß-        Hebamme Teresa Spörlein im Gespräch mit einer Mutter.                Foto: privat
saal.
    Gestartet war sie mit dem           Teresa Spörlein. „Nur sehr langsam       ganisation, bringt Abwechslung in
Wunsch, die afrikanischen Kol-          wird sich hier und in den Entwick-       ihren Alltag. Eines Abends werden
leginnen zu unterstützen, deren         lungsländern allgemein weiterent-        die beiden bei einem Spaziergang
Arbeitsweise kennenzulernen und         wickeln.“ Sie gibt offen zu, nach        in der Stadt Opfer eines Überfalls
moderne Geburtshilfe, aktuelle          kurzer Zeit resigniert zu haben.         und mit einem Messer bedroht.
Standards und Leitlinien zu ver-        Trotzdem leistete sie ihren Dienst       Teresa Spörlein braucht lange, bis
mitteln. Doch bereits in den ers-       jeden Tag von 8 bis 16 Uhr unter         sie mit der in diesem Moment er-
ten Tagen stieß sie damit an ihre       harten Bedingungen: am Nachmit-          lebten Angst fertig wird, alleine in
Grenzen: „Ich bin davon ausge-          tag kehrte sie sofort in ihr Zimmer      ihrem Zimmer. „Das waren schon
gangen, dass die Frauen dort noch       in einem Wohnhaus der Organi-            die härtesten Wochen in meinem
einen ganz natürlichen Zugang zur       sation zurück, das sie nicht mehr        Leben und ich war auch mehrmals
Geburt haben, aber es war genau         alleine verlassen sollte. Ein Ausflug    kurz davor abzubrechen. „Aber
das Gegenteil der Fall: sie werden      in die Stadt wäre zu gefährlich ge-      dann habe ich mir wieder ein Herz
dazu gezwungen ausschließlich in        wesen, abends schwärmen zudem            gefasst und weitergemacht“, blickt
Rückenlage zu gebären, stark zu         die Malariamücken aus. Oft gab es        sie zurück.
pressen ohne Rücksicht auf den          kein fließend Wasser oder Strom.             Ihre Abreise nach Kamerun
Geburtsverlauf, ein Dammschnitt             Nachdem zunächst noch eine           wird zudem noch überschattet von
ist die Regel“, berichtet die 26-Jäh-   befreundete Ärztin Teresa Spör-          einer lebensgefährlichen Erkran-
rige . „Während der Geburt stehen       lein begleitet hatte, erlebte sie da-    kung ihres Vaters. Wie hat sie es
oft zehn oder mehr Personen um          nach eine große Einsamkeit. Teil-        trotzdem geschafft, diese Zeit zu
die Frau herum, Intimsphäre gibt        weise ohne Strom zogen sich die          überstehen? „Es gab ja auch vie-
es nicht.“                              Abende in absoluter Dunkelheit           le schöne Momente, die habe ich
    Zwar seien einige wenige Heb-       ins Endlose. „Manchmal habe ich          ganz bewusst gesehen. Und ich
ammen offen für neue Metho-             förmlich darauf gewartet, um 9           glaube an Gott und dass er seine
den, aber letztendlich durfte und       Uhr ins Bett zu gehen“, denkt Te-        Hand über mich hält, das hat mir
wollte Teresa Spörlein nur einmal       resa Spörlein an diese Zeit zurück.      Kraft gegeben. Trotz allem kann
eine Geburt komplett selbst leiten,     Wenn es geht, hält sie über Telefon      ich mir vorstellen, wieder nach Af-
denn Veränderungen waren sei-           und Internet Kontakt mit daheim.         rika zu gehen. Dort habe ich viel
tens der Hebammen nicht wirklich        Gesundheitlich hat sie mit immer         über mich selbst gelernt und wäre
gewünscht, auch wenn die Ärzte          wiederkehrendem Erbrechen und            jetzt viel besser vorbereitet“, ist sich
dafür offener waren. „Doch die          Durchfall zu kämpfen. Erst die           Teresa Spörlein sicher. Anja Müller
jungen Mütter sind glücklich, sie       Ankunft von Daniel, dem Sohn des
kennen es ja nicht anders“, meint       deutschen Gründers der Hilfsor-          Infos: www.liebe-in-aktion.org
12   Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“                                   mitgehen 27 | November 2019

     Resilienz als lebenslangen Lernprozess begreifen
                                                                                         von Carmen Hennemann, Bühl

     A      ls ich angefragt wurde, ob ich
            einen kurzen Artikel zum
            Thema „Resilienz“ schrei-
     ben wolle, habe ich gerne zugesagt.
     Ich werde mich in den nachstehen-
                                              forschungen an Kindern auf, die
                                              trotz widrigster Umstände zu psy-
                                              chisch gesunden, sozial kompe-
                                              tenten, selbstbewussten Menschen
                                              heranwuchsen. Heute bezeichnet
                                                                                   genüberstehen und in dieser Hal-
                                                                                   tung verbleiben. Resilienz muss
                                                                                   auch nicht immer in gleichem
                                                                                   Maße ausgeprägt sein, sowohl un-
                                                                                   ter zeitlichem Aspekt, als auch un-
     den Ausführungen sehr allgemein          die Resilienz im breit gestreuten    ter situativen Aspekten.
     mit der Resilienzbetrachtung auf         Gebrauch im weitesten Sinne die         Viktor E. Frankl bringt noch
     Menschen auseinandersetzen, da           Fähigkeit eines Menschen, Verän-     eine weitere Komponenete ein,
     der Artikel ansonsten die Grenzen        derungen und Krisen gewachsen        indem er sagt, dass der Mensch
     sprengen würde. Auch geht es mir         zu sein.                             immer auch die Freiheit hat, zu
     im Wesentlichen darum, mich zu-                                               entscheiden, was er aus seinen An-
     nächst intensiver mit der Resilienz                                           lagen und seiner Umwelt macht.
     auseinander zu setzen, um daraus         „Federn lassen und dennoch              Das zeichnet Menschsein aus.
     abzuleiten, wie resiliente Men-          schweben – das ist das Geheimnis Er sagt dazu: „Zwischen Reiz und
     schen Kraftquellen nutzen, weni-         des Lebens.“ (Hilde Domin)           Reaktion liegt ein Raum. In diesem
     ger darum, mögliche Kraftquellen                                              Raum liegt unsere Macht zur Wahl
     ausführlich darzustellen.                                                     unserer Reaktion. In unserer Re-
        Kraftquellen resilienter und          Resilienz gilt nicht als Persönlich- aktion liegen unsere Entwicklung
     nichtresilienter Menschen unter-         keitsmerkmal, vielmehr ist sie eine und unsere Freiheit.“
     scheiden sich nicht grundsätzlich,       Eigenschaft die erworben/erlernt
     nur können sie in unterschiedli-         wird. Doch spielen auch genetische Diese Freiheit hat auch Virginia Sa-
     chem Maße nutzbar gemacht wer-           Faktoren eine nicht unerhebliche tir sehr schön mit folgenden Zeilen
     den.                                     Rolle bei der Fähigkeit, Resilienz beschrieben: „Was immer aus Dir
                                              zu erwerben/ zu erlernen.            herauskommt, ist Deine Sache und
     Was bedeutet Resilienz?                     Besonders förderlich für den stellt Deine Entscheidung dar, die
                                              Erwerb/das Erlernen von Resi- Einflüsse um Dich herum zu ver-
     Zunächst wurde dieser Begriff            lienz sind Veränderungen und werten. Ich werde verantwortlich,
     in der Physik verwendet und be-          Krisen, die gemeistert wurden, wenn ich dies voll anerkenne. Ich
     zeichnet die Fähigkeit eines Werk-       d.h. Menschen, deren Leben ohne kann Dich dazu gebrauchen, mich
     stoffes, nach einer Verformung           größere Veränderungen oder Kri- zu beeinflussen, aber nur ich kann
     wieder die ursprüngliche Gestalt         sen verläuft, können keine Resili- entscheiden, ob ich auf diesen
     anzunehmen. In der Psychologie           enz erwerben, ebenso wenig wie Einfluss reagiere. Es gibt drei Aus-
     tauchte der Begriff dann erstmals        Menschen, die Krisen und Verän- nahmen dazu: wenn ein Mensch
     im Zusammenhang mit Langzeit-            derungen hilflos, also als Opfer ge- bewusstlos ist, wenn er ernsthaft
                                                                                   körperlich krank ist und wenn er
                                                                                   ein Kind ist.“

                                                                                       Was zeichnet
                                                                                       resiliente Menschen aus?

                                                                                       Leider werden immer wieder Men-
                                                                                       schen als resilient wahrgenommen
                                                                                       und bezeichnet, die im Beruf, in
                                                                                       der Familie, in der Gesellschaft, im
                                                                                       Verein, oder wo auch immer sie
                                                                                       „gebraucht“ werden, gut funktio-
                                                                                       nieren, verlässlich und erfolgreich
                                                                                       Aufgaben meistern, dann noch die
                                                                                       Ruhe bewahren, wenn alle andere
                                                                                       in Hektik verfallen, also „der Fels
                                                                                       in der Brandung“ sind.

                                                                                              Doch nicht selten sind es diese
                                                                                              Menschen, die irgendwann an zu
     Ein Aufenthalt im Kloster (im Bild das Kloster Maria Hilf in Bühl) kann Menschen         vielen Herausforderungen zerbre-
     innerlich stärken.                                                     Fotos: Gillardin chen und Veränderungen und Kri-
mitgehen 27 | November 2019                                  Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“     13

sen nicht (mehr) meistern können.
Resiliente Menschen zeichnen
sich im Wesentlichen durch drei
Grundhaltungen aus:
• Optimismus
• Akzeptanz
• Lösungsorientierung.

Dazu kommen vier Handlungs-
prinzipien/Fähigkeiten aus:
• Selbstregulation
• Impulskontrolle
• Selbstwirksamkeit
• Lernfähigkeit
• Anpassungsfähigkeit.

Resiliente Menschen gehen an
Situationen heran, indem sie zu-       In der Natur zur Ruhe kommen - Innenhof im Gästehaus von Kloster Maria-Hilf, Bühl.
nächst annehmen, also akzeptie-
ren, dass sich eine Situation so
darstellt. Dabei steht weniger die     wichtige Ressourcen aufführen.            Motivation aus sich heraus för-
Bewertung der Situation als gut        Innere Ressourcen können sein:            dern, eine für sie förderliche Um-
oder schlecht im Fokus der Be-         • Werte                                   welt und soziale Netze gestalten,
trachtung, sondern die Zuversicht,     • Glaubenssätze                           soweit dies in ihrer Wirksamkeit
dass es Lösungen für die jeweiligen    • intrinsische Motivation, also           liegt und sich nicht scheuen, recht-
Herausforderungen der Situation           die Antreiber, die von innen           zeitig und umfassend auf ihre Res-
gibt.                                     heraus aus einem kommen.               sourcen zurück zu greifen.
   Bei der konkreten Lösungs-          • innere Einkehr etwa durch
findung sind resiliente Menschen          Exerzitien und Meditation              Zusammenfassung
in der Lage, in Kontakt mit ihren
Empfindungen zu sein, diese zu         Äußere Ressourcen können sein:
würdigen und lösungsorientiert         • Soziale Bindungen wie etwa       Resilienz kann lebenslang erwor-
zuzulassen, ohne sich von Gefüh-          durch die Familie, Freunde      ben werden. Ihr Erwerb geht in
len überrollen zu lassen. Sie ver-        und Kollege.                    der Regel mit zunächst schmerz-
trauen darauf, bzw. erleben sich als   • Naturerlebnisse                  haften oder leidvollen Lernerfah-
aktiv Handelnde, die eine Situati-     • Hobbys                           rungen einher. Neben bestimmten
on beeinflussen können und nicht                                          Grundhaltungen und Fähigkeiten
als Opfer einer Situation. Und sie     Wichtiger als die Frage, welche zeichnen sich resiliente Menschen
sind in der Lage, zu lernen und        Ressourcen genutzt werden ist die dadurch aus, dass sie ihre Kraft-
neue Handlungswege einzuschla-         Frage, ob Ressourcen genutzt wer- quellen kennen und zu nutzen
gen, wenn sie erkennen, dass dies      den und in welcher Form. Resilien- wissen.
erforderlich und der Situation an-     te Menschen zeigen überwiegend
gemessen ist.                          die Fähigkeit sich gut mit ihren Sie alle kennen vermutlich die
   Darüber hinaus wissen resilien-     Gefühlen und ihrem Körperemp- Postkarte auf der zu lesen ist:
te Menschen um ihre Ressourcen         finden verbinden zu können.
und können diese Kraftquellen                                             „Hinfallen – Aufstehen – Krön-
nutzen. Grundsätzlich kann unter-      Dadurch nehmen sie sehr früh chen richten – Weitermachen“
schieden werden zwischen inneren       wahr, wenn mehr Energie ver-
und äußeren Ressourcen. Ressour-       braucht wird als zugeführt. Solche Das ist das Wesen der Resilienz. Es
cen können sehr unterschied-           Menschen können besser darauf geht nicht darum, keine Misser-
lich wahrgenommen und genutzt          achten, in einem guten energeti- folge zu haben, oder Momente des
werden, woraus eine Person Kraft       schen Gleichgewicht zu sein und Scheiterns, sondern darum, genau
schöpft, muss für eine andere Per-     sich nicht selbst auszubeuten. Das aus diesen Momenten zu lernen,
son nicht unbedingt Kraftquelle        bedeutet, dass resiliente Menschen aktiv zu werden und weiter zu ma-
sein. Dennoch möchte ich nach-         Zugang zu ihren Werten haben, chen, noch gestärkter im Wissen
stehend noch exemplarisch einige       positive Glaubenssätze erarbeiten, um die eigene Wirksamkeit.
14   Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“                                 mitgehen 27 | November 2019

     Die Herausforderung des aufrechten Ganges
                                                                                             Ing. Josef Kreimer, Gablitz

     W          er fest ist in seinem Glau-
                ben und reich an Le-
                benserfahrung, der weiß,
     dass der Suchende es einfacher
     mit seiner Suche hat, wenn er zwei
                                                                                      pressionistischer Kühnheit gelang
                                                                                      ihm etwas, das man als geglücktes
                                                                                      Menschsein bezeichnen möchte.
                                                                                      Nämlich auch deshalb, weil es ihm
                                                                                      gegeben war, unbeirrt von Sehn-
     Dinge bereits gefunden hat. Sich                                                 süchten und erlittenen Verletzun-
     selbst und seinen Weg zu Gott.                                                   gen aus der Bedingungslosigkeit
         Und so gestalten sich die meis-                                              zwischen Gott und Mensch Kraft
     ten Suchen nach den Dingen, die                                                  zu schöpfen und dadurch selbst
     es sich wirklich zu finden lohnt,                                                Kraft zu spenden - in Predigten, in
     deshalb so schwierig, weil es weder                                              seiner „bescheidenen Kirche“, im
     leicht noch einfach ist, sich selbst,                                            Dialog und in seiner Kunst.
     geschweige denn Gott zu finden.                                                     „Ecce homo“ – Siehe, der
     Wer mit Ersterem erfolgreich ist,                                                Mensch3. Jesus Christus fordert
     kann sich wahrlich glücklich schät-                                              uns auf, ihm nachzufolgen. Auf-
     zen, wem aber sein Weg zu Gott           Linolschnitt von Josef Fink             recht und unbeirrbar durch Prü-
     offenbar wird, der trachtet ihn mit                                              fungen und Leid.
     aller Kraft seines Herzens und der       ändernden Umstände eine Ausei-             Siehe, dieser Mensch! Josef
     Klarheit seiner Seele zu verfolgen.      nandersetzung mit ihrem endli-          Fink folgte dem Mensch gewor-
     Und es mag auf dem Weg wohl              chen, unvollkommenen irdischen          den Gottessohn in wohl einzigar-
     auch Menschen geben, die er an           Dasein abringen, gab und gibt es        tiger Weise nach und seine große
     seinem Reichtum teilhaben lassen         manche, deren Lebensentwurf von         Persönlichkeit überzeugte viele, es
     kann, wenn sie ihn erkennen, wenn        Jugendtagen an durch die zentrale       ihm gleich zu tun. Bis zum Ende
     sie bereit sind freudigen Geistes in-    Frage nach dem Sinn - durch die-        seiner vielbegabten, rastlosen ir-
     nezuhalten und sich an der Quelle        ses, die Erkenntnis um jeden Preis      dischen Wanderschaft - er wurde
     zu laben um Kraft zu schöpfen für        erlangen wollen - geprägt ist; ja die   nur 58 Jahre alt - schöpfte er seine
     ihren eigenen Weg.                       sich Zeit ihrer bewussten irdischen     Kraft und seinen Optimismus aus
         Was viele gläubige Christen          Existenz oft bis an die Grenze der      dem innigen Glauben an den Le-
     rund um den Erdball beschäftigt,         eigenen Belastbarkeit (und darü-        ben erweckenden Gott: „Der Tanz
     antreibt und mitunter zu lebens-         ber hinaus) in allen Facetten ihrer     des Lebens beginnt. Kein Wunder,
     lang Suchenden macht, ist die            Identität und Wahrnehmung darin         dass ich so fröhlich bin“, heißt es da
     Frage nach dem Sinn und der Be-          erkennen und finden.                    in einem seiner Texte über die Auf-
     stimmung des eigenen und allen              Besonders am Beispiel des Le-        erstehung.
     anderen Lebens.                          bens und Wirkens eines Menschen,           Wie zu seinen Lebzeiten kann
         Während sich mehr und mehr           Suchenden, Priesters, Kunstschaf-       Josef Fink´s Wort Menschen in
     Menschen im Dickicht der aus-            fenden und –vermittlers sowie           Angst und Sinnleere auch heute
     tauschbaren Alltage, betäubt durch       weithin leuchtenden Vorbilds sei        noch immer Mut, Hoffnung und
     den unablässigen und vom ewi-            an dieser Stelle veranschaulicht,       Kraft geben: „Es wird Zeit, den
     gen Wachstumszwang weltweit              dass der aufrechte Gang nicht nur       Blüten zu trauen und den sonnigen
     vernetzter Ökonomien gepush-             als evolutionärer Entwicklungs-         Tagen vorm Tor!“
     ten Konsum omnipräsenter, mul-           schritt der Hominisation oder
     timedialer      Elektronik-Cocktails     Menschwerdung gelten kann, son-
     des 21. Jahrhunderts mit genial          dern - und vor allem auch - im Sin-
     einfachen Rezepturen aus Nullen          ne von Ernst Bloch1 als Schritt zur
     und Einsen und dabei hochkom-            Humanisierung respektive Ver-           1 einer der wichtigsten dt. Philoso-
     plex-fesselnden Strukturen, durch-       menschlichung der Gesellschaft,         phen des 20. Jhdts, (*1885 - +1977)
     aus      bewusstseinsverändernden        als die bewusste, existentielle Le-
     Eigenschaften und hohem Sucht-           bensbewältigung des Einzelnen           2 österr. Theologe, Maler, Autor,
     potential, absurd realitätsfernen        angesehen werden will.                  Fotograf und Rektor des Kultur-
     Schönheits- und Erfolgsidealen,             Den aufrechten, unbeugsamen          zentrums bei den Minoriten Graz,
     denen sie in ihrer gecustomizeden        Gang im zweiten Sinn versuchte          (*1941 - +1999)
     Special-Interrest-Bubble (wohl zu-       Josef Fink2 Zeit seines Lebens sehr
     gleich aber eher nicht gemeinsam)        erfolgreich vor den ihm anvertrau-      3 Ausspruch des Pontius Pilatus, als
     mit Hundertschaften an virtuel-          ten und zu ihm aufschauenden            er dem Volk den gefolterten, dor-
     len „Freunden“ nacheifern, diese         Menschen. In einem Spagat zwi-          nengekrönten Jesus von Nazaret
     Frage erst stellen, wenn ihnen das       schen unkonventioneller priesterli-     vorstellt (Evangelium nach Johan-
     Leben oder die sich in selbigem          cher Existenz und künstlerisch-ex-      nes)
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