Mitgehen - und Pflegeheim St. Josef Obernzell
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mitgehen 14. Jahrgang | Ausgabe 27 | November 2019 Informationen aus den Einrichtungen der Schwestern vom Göttlichen Erlöser (Niederbronner Schwestern) – Provinz Deutschland und Österreich Quelle als Kraftort im Lengenbachtal: SchülerInnen bei einem Wandertag zum Thema „Umwelt bewahren“. Foto: Marianne Bauer Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen im Alltag SchülerInnen aus dem Haus St. Marien erleben Gottes Schöpfung mit allen Sinnen im Lengenbachtal U nser Wandertag in der ers- ten Schulwoche stand un- ter dem Motto „Umwelt bewahren“ und führte uns an eine Quelle im Lengenbachtal. Ein Ort, Prüfung. Im Berufsleben ist eine gute Beziehung zu den Kollegen wichtig, um sich auszutauschen und zu unterstützen. Teamaktio- nen – sei es ein gemeinsames Früh- unterbrechen und zu Ruhe und in- nerer Einkehr führen. Ein weiteres Beispiel: Das The- ma unseres diesjährigen Besin- nungstages „Welch ein Glück!“ rief an dem die Schönheit von Gottes stück oder eine Wanderung – sind ganz unterschiedliche Gedanken Schöpfung mit allen Sinnen erlebt gut investierte Zeiten, um Freude an Momente empfundenen oder werden kann. Ein Ort zum Auftan- am Berufsleben zu wecken und zu ersehnten Glücks hervor. Unser ken. Wo und wie kann ich Kraft, erhalten. Wunsch ist es, die Schüler dabei zu Begleitung und Ausgleich zum Wir versuchen, den Schülerin- unterstützen, sich solche Glücks- stressigen Alltag bekommen? Die nen und Schülern während ihrer momente auch in schwierigen Zei- Beantwortung dieser Frage ist ein Schulzeit Kraftquellen aufzuzei- ten in Erinnerung zu rufen und wichtiger Bestandteil der Ausbil- gen und hoffen, dass sie zumindest daraus Kraft zu schöpfen. (▶ S. 10) dung, vor allem auch in der Alten- einen Teil davon auch im Berufs- pflege. Hier ist das Thema Stressbe- leben umsetzen können. So finden wältigung und Ausgleich schaffen im Laufe des Schuljahres besinn- Maria Losch / Nicole Schweiger sogar Bestandteil der mündlichen liche Feiern statt, die den Alltag beide Haus St. Marien, Neumarkt
Inhalt Editorial 3 Ärztin aus Speyer half in Afrika Liebe Leserin, lieber Leser, Schwerpunktthema Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen Kommunen werben mit „Resilienz-We- gen“, „Innehalte-Regionen“, „Innehal- 4-5 Beitrag von Schwester Sara ten-Barfußwegen“, „Waldbaden“ und Kraftorten als touristischer Strategie. Für 6-7 Kraftquellen von Mitarbeitenden den Tourismus sind Kirchen und Orte, an denen man zur Ruhe kommen kann, of- 8-9 Beitrag von Martin Pfeiffer fensichtlich ein Gewinn. Unternehmen und Krankenkassen sehen 10 Kraftquellen im (Schul)-Alltag ihren Gewinn in möglichst geringen Aus- fallzeiten der Mitarbeitenden und Mit- 11 Hebamme in Afrika gliedern. So überlegen viele Unternehmen, welche gesund- heitsfördernden Maßnahmen sie Mitarbeitenden anbieten 12-13 Beitrag von Carmen Hennemann können und welche Prozesse angepasst und welche Verän- derungen an den Arbeitsplätzen vorgenommen werden müs- 14 Beitrag von Josef Kreimer sen, damit die Mitarbeitenden nachhaltig widerstandsfähig gegen Stress und Krankheit bleiben. 15 Exerzitien-Angebote / Fitnessraum In dieser Ausgabe der mitgehen gehen wir schwerpunktmä- ßig auf die Thematik der Resilienz ein. Besonders beruflich Aus den Einrichtungen geforderte Mitarbeitende der Provinz berichten von persön- lichen Lösungen, wie sie sich gezielt fit und widerstandsfähig 16-17 Jubiläumsfeier in Darmstadt für die beruflichen Herausforderungen halten. Die Tagungshäuser der Klöster haben sich dieser Thematik 18-19 Jubiläumsfeier in Fürstenfeldbruck angenommen. Ähnlich wie in Exerzitien sollen Menschen an diesen Orten angeleitet werden, mit ihrem Leben und 20 St. Theresien-Krankenhaus Nürnberg, mit Gott in Verbindung zu kommen. Dieses Spektrum bietet Werbekampagne / Priesterjubiläum gerade Kirchen und kirchlichen Bildungseinrichtungen und Pater Vock, Marienheim Gablitz Exerzitienhäusern eine große Chance für Menschen, die auf der Suche sind. St. Josefs Krankenhaus Balserische Stif- Gesundheit muss einem jeden ein wertvolles Gut sein, so tung, Gießen: dass sich ein jeder/jede die Frage stellen sollte: Was kann ich 21 „Hallo Welt“-Initiative selbst dazu beitragen? Er/Sie wird in dieser Ausgabe vielfälti- 22-23 Viele positive Entwicklungen ge Anregungen dazu erhalten. Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie eine persönliche Antwort 24 Kloster Maria Hilf, Bühl: Carmen darauf finden. Hennemann neue Verwaltungsleiterin Ihr Stephan Spies Krankenhaus-Stiftung der Niederbronner Schwestern: 26-27 Aktuelles Bildungszentrum Kenyongasse, Wien: 25 Grundsteinlegung Bildungscampus 28-29 Seminar „Wir gehen in Führung“ 30 Neue Führungskräfte im Kloster St. Josef 31 Kurz berichtet / 32 Meditation „Raum der Stille“ im Kloster St. Josef. Foto: Spies Impressum Herausgegeben im Auftrag der Schwestern vom Göttlichen Erlöser (Niederbronner Schwestern) Provinz Deutschland KdöR, Oedenberger Straße 83, 90491 Nürnberg, von: Marcus Rohde (Darmstadt), Stephan Spies (verantwortlich, Neumarkt), Dr. Jörg Breitmaier (Ludwigshafen), Sr. Karola Maria Gierl (Nürnberg). Redaktion, Gestaltung und Produktion: Sebastian Müller, www.vision-konzept-text.de, E-Mail: info@vision-konzept-text.de. Organisation: Andrea Kippes (Neumarkt). Fotos und Texte sind namentlich bei den jeweiligen Artikeln gekennzeichnet.
mitgehen 27 | November 2019 Krankenhaus-Stiftung der Niederbronner Schwestern 3 Ärztin aus Speyer half ehrenamtlich in Afrika Dr. Cornelia Leszinski war mit dem Verein „Interplast Germany“ in Malawi / Unvergessliche Momente V on vielen schönen Erlebnis- sen erzählte Dr. Cornelia Leszinski, Chefärztin der Klinik für Allgemein- und Vis- zeralchirurgie am Sankt Vincenti- us Krankenhaus Speyer bei einem Bildvortrag. Die Ärztin war im April 2019 für zwei Wochen eh- renamtlich in Malawi im Einsatz. Organisator der Reise war Inter- plast Germany, ein gemeinnütziger Verein für Plastische Chirurgie in Ländern der Dritten Welt. Malawi liegt im südöstlichen Teil Afrikas und zählt rund 18 Millionen Ein- wohnern. Während des Aufenthaltes hat Dr. Leszinski gemeinsam Dr. Cornelia Leszinski hält ein Baby auf dem Arm. Fotos: Leszinski/privat mit einem Anästhesisten, einer OP-Schwester und einem Anäs- einem Autounfall zugezogen hat- thesiefachpfleger rund 80 Operati- te. Das waren Augenblicke, die die onen im District Hospital Chitipa Ärztin nicht vergisst. Das Kran- durchgeführt. Vielen Menschen kenhaus in Chitipa im äußersten konnte das Team helfen. So zum Norden Malawis, in dem sie ihren Beispiel einem zehnjährigen Jun- Einsatz hatte, ist mit seinen knapp gen. Er hatte sich bei einem Sturz 100 Betten für die Versorgung von mit einer Machete alle Sehnen und 135.000 Menschen zuständig. Zum Nerven einer Hand durchtrennt. Vergleich: Ludwigshafen mit sei- Überglücklich war auch ein nen vier großen Krankenhäusern 60-jähriger Mann, der durch eine hat 165.000 Einwohner. große Geschwulst am Gesäß drei- „Selbst auf Operationen, die nicht durchgehend gewährleistet. ßig Jahre am Sitzen gehindert wur- bei uns alltäglich sind, warten die Weil der Stromgenerator ausgefal- de. Bei der Operation stellte sich Menschen vergeblich“, berichtete len war, musste das Team manches heraus, dass es sich um einen Blu- die Medizinerin. Ärzte sind kaum Mal und nach Einbruch der Dun- terguss handelte, den er sich bei verfügbar, die meisten medizini- kelheit immer, mit der Stirnlampe schen Tätigkeiten werden von Cli- operieren. „Aber irgendwie hat nical Officers vorgenommen, die dann doch immer alles geklappt eine dreijährige Ausbildung absol- und unser Team hat seinen Opti- viert haben. mismus nie verloren“, erinnert sich Die technische Ausstattung ist Dr. Leszinski und ergänzt: „Man bestenfalls spartanisch zu nennen, kann mit einfachen Mitteln viel die Hygiene schwierig. So gibt es bewirken. Die Menschen sind für beispielsweise kein Händedesin- unsere Hilfe sehr dankbar, was wir fektionsmittel: vor einer Operati- vor Ort und durch spätere Rück- on muss Waschen mit Wasser und meldungen erfahren haben.“ Seife genügen. Die bei einer Ope- Spenden für Interplast Ger- ration benutzen Tücher und Kit- many sind gut investiertes Geld: tel mussten von Hand gewaschen „Ohne finanzielle Unterstützung und im Freien getrocknet werden. sind solche Einsätze leider nicht Daher war die Freude beim Kli- möglich und der nächste Einsatz nikpersonal groß, als eine gespen- ist für 2020 schon geplant.“ dete Waschmaschine endlich funk- tionstüchtig gemacht wurde. Das Interplast-Team hatte nämlich den dazugehörigen Motor nach Mala- Ein Kind (mit Gips) uns sein Vater freuen wi transportiert. Auch die Strom- Weitere Infos unter: www.inter- sich über die erfolgreiche Behandlung. versorgung im Krankenhaus ist plast-germany.de/spenden
4 Schwerpunktthema mitgehen 27 | November 2019 Gottvertrauen als ein wichtiger Faktor der Resilienz Schwester Sara Thiel über persönliche Krisen und deren Bewältigung mit Hilfe des christlichen Glaubens R esilienz, das Schwerpunkt- thema unseres Heftes, ist ein Begriff aus der Psychologie. Resilienz meint die Widerstands- fähigkeit von Menschen gegenüber Für viele Wochen gab es nur noch die Frage „Warum?“. Mein Gottvertrauen war bis in seine tiefsten Fundamente erschüt- krankmachenden Lebensumstän- tert. den und Ereignissen. Resilient ist, wer es schafft, Lebenskrisen mithil- Mein Glaube erschien eher wie fe eigener Ressourcen zu meistern, ein zusätzliches Gewicht, das mich ohne krank zu werden, oder sie gar immer wieder nach unten zog, weil für die eigene weitere Entwicklung die bisherige Gewissheit, auf einen zu nutzen. guten Gott zu vertrauen, komplett Mehrere große Studien fanden, in Frage gestellt war. dass solche Menschen resilient sind, die beispielsweise gute Fähigkeiten Also noch einmal die Frage der Selbst- und Fremdwahrneh- „Hilft Gottvertrauen bei der Be- mung, eine gute Sozialkompetenz wältigung von Krisen?“ und Problemlösefähigkeiten haben. Ein positives Selbstbild und Selbst- Zwei wichtige Impulse habe ich vertrauen machen ebenso resilient in dieser schweren Zeit für mich wie Interessen und Hobbys. entdeckt: Ich habe entdeckt, dass Welche Rolle spielen der Glaube Sr. Sara Thiel Foto: Astrid Schmidhuber gerade im christlichen Glauben und die religiöse Praxis für die Re- eine absolute Infragestellung, die silienz? Diese Frage tauchte bei der Durchkreuzung des Lebens im Vorbereitung unseres Heftes im He- garten hält, Religionsunterricht Mittelpunkt steht und zur Quelle rausgeberkreis auf. gibt, Jugendliche begleitet, Kranke alles Heilvollen wird. Jesus Chris- Wir haben die Frage an Schwes- besucht, Gottesdienste im Senio- tus stirbt einen schmählichen, ter Sara Thiel weitergegeben, Theo- renheim feiert, Trauernden bei- gewaltvollen Tod am Kreuz und login und Ordensfrau, die in der steht und besonders Frauen seel- schreit selbst die Frage heraus: Gemeindeseelsorge tätig ist. sorglich unterstützt. „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Markus Also zunächst ein persönlicher 15, 33-34). Zugang zu der Frage: „Hilft Gott- „Machen der Glaube und ein vertrauen bei der Bewältigung von aktiv gestaltetes Glaubensleben Krisen?“ Menschen stark?“ „Hilft Gottver- Es sind Momente dunkelster trauen bei der Bewältigung von Im Jahr 2004 habe ich zwei exis- Gottverlassenheit, Einsamkeit… Krisen?“ „Machen wir Menschen - tentielle Krisen erlebt. Kurz vor aber er schreit immer noch „mein egal ob jung oder alt, gesund oder dem Ende meines Studiums, war Gott“! Nicht ein fremder, nicht geschwächt - stark, indem wir ih- plötzlich meine berufliche Zukunft ein anderer, nicht kein Gott. Nicht nen den Glauben als Hilfe zum völlig in Frage gestellt. Das Berufs- grenzenlos enttäuschte Hoffnung Leben anbieten?“ Vor diese Fragen ziel „Pastoralreferentin“, für das bricht sich hier Bahn, sondern tiefe werde ich gestellt und ich werde sie ich eine Berufung verspürte, war Verbundenheit lässt Jesus an sei- aus zwei verschiedenen Perspekti- in weite Ferne gerückt, weil meine nem Gott festhalten: „Mein Gott, ven beantworten. Heimatdiözese den Ausbildungs- Warum?“ gang eingestellt hatte. Ich fiel in ein Zuerst aus einer ganz persön- Loch. In diesem Schreien ist die Ge- lichen Perspektive als Schwester meinschaft mit Gott noch da und Sara, die in den vergangenen 38 Wenige Monate danach starb umfängt seine Gottverlassenheit. Lebensjahren selbst Lebenskrisen ebenso plötzlich und überraschend erlebt und bewältigt hat – dank mein Vater mit 48 Jahren an einem Ein Zweites wurde mir spä- und trotz meines Glaubens. Aortariss. Als ich gerade dabei ter klar: Ich musste die Frage war, langsam wieder aus dem Loch „Warum?“ hinter mir lassen, weil Und dann aus einer zweiten herauszukrabbeln, wurde mir der ich darauf nie eine Antwort gefun- Perspektive, als Pastoralreferentin, Boden ein zweites Mal brutal unter den hätte. Die Frage hat sich ge- die religiöse Einheiten im Kinder- den Füßen weggezogen. wandelt in ein „Wozu?“.
mitgehen 27 | November 2019 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ 5 Wozu erfahre ich selbst Krisen wir in Jesu Christus am intensivs- aus Schönheit und Tragik, Gewinn und Begrenztheiten? ten dargestellt sehen. und Verlust, Ende und Neuanfang; und nicht nur die „schöne Hälfte“. Weil im Leben nie alles glatt Glaubensvermittlung und Kate- Dazu brauchen Menschen Beglei- geht und mich Brüche und Leid an chese kreisen oft um Aussagen wie tung und dürfen nicht allein gelas- die Seite aller stellen, die auch an „Gott liebt Dich – so wie Du bist!“, sen werden. Als Theologin bin ich die Grenzen des Lebens und Leb- „Gott ist für Dich da!“. Es braucht überzeugt: wir sind einander von baren stoßen. In einer Haltung des gerade in der Glaubensvermitt- Gott gegeben, damit niemand in Respekts vor dem je ureigenen Er- lung die Möglichkeit, diese Zusa- seiner Freude und in seinem Leid leben von Krisenzeiten und Gren- gen auch in Frage stellen zu dür- allein bleibt. Das bleibt eine stän- zerfahrungen kann ich Sprachlo- fen. Nur wo Gott zur Frage wird dige Herausforderung. Manchmal sigkeit aushalten, Gottferne und und ein unauslotbares Geheimnis möchte ich lieber weglaufen, die -verlassenheit ins Wort bringen, bleibt, werde ich ihm gerecht und Augen verschließen oder mich das Leid mittragen und dort wei- ermögliche es Kindern, Jugendli- nicht zuständig fühlen, wenn ich terbeten, wo es andere nicht mehr chen und Erwachsenen mit ihrem mit Anderen vor existentiellen He- können. Gottesbild an den sich verändern- rausforderungen stehe. Eine eingeübte religiöse Praxis den Lebensrealitäten zu wachsen. Ja, ich darf meine eigenen Gren- kann dabei tatsächlich sehr hilf- Ich bin überzeugt: nur so machen zen achten; aber ich darf auch ver- reich sein. Gebete, die tief in mir wir Menschen im Glauben stark. trauen, dass Gott dabei bleibt. Bei verwurzelt sind, werden zum halt- Sonst wird der Glaube in Krisen mir und bei meinem Gegenüber. gebenden Anker in stürmischen zum Hindernis, bzw. Teil der Krise So macht der Glaube mich auch in Zeiten. oder einfach irrelevant. diesen Situationen stark. So kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass mich mein Glaube in einer existentiellen Krise tatsächlich stark oder resilient machte, weil er wandlungsfähig war. Ich wäre heute nicht die glaubende Per- son, die ich bin, ohne diese Er- fahrungen. Scheitern erscheint oft als Ge- Ich bin überzeugt, dass Gott- Ich wage einen zweiten Ant- genpol zur Resilienz. Der Blick- vertrauen ein wichtiger Faktor wortversuch aus der Perspektive winkel des Glaubens eröffnet einen der Resilienz ist und es ermög- der Seelsorgerin und Theologin. neuen Horizont. Scheitern muss licht, die Welt trotz aller Krisen, Glaube kann auch krank machen nicht zum Scheitern verurteilt sein. Katastrophen und Widersprüche und dem Anliegen der Resilienz Das zeigt sich am deutlichsten an als sinnvoll zu betrachten. entgegenstehen. Manche Men- der Person Jesus Christus. Auf den schen sind geprägt von vergifte- ersten Blick ist er ein Gescheiterter ten Gottesbildern oder kräftezeh- am Kreuz. Die ersten Christen ha- renden religiösen Praktiken. Wo ben dieses „Ärgernis des Kreuzes“ bestimmte Ereignisse als Strafe (1. Kor. 1,22f) als großes Hindernis Gottes aufgefasst werden, wird der bei der Verkündigung des Glau- Zur Autorin: Sr. Sara Thiel, Glaube ins Gegenteil karikiert. bens an Christus erfahren. Die geb. 1981, christliche Botschaft der Auferste- Niederbronner Schwester, Dagegen schreibt Dietrich Bon- hung bietet eine Perspektive weit Pastoralreferentin und hoeffer: „Ich glaube, dass Gott über den Horizont des Scheiterns Hausoberin in St. Benno, München. uns in jeder Notlage so viel Wi- hinaus. Erfahre ich das Ungeheu- derstandskraft geben will, wie wir erliche dieser Auferstehungshoff- brauchen. Aber er gibt sie nicht im nung noch? Voraus, damit wir uns nicht auf uns 1 Dietrich Bonhoeffer, Widerstand selbst, sondern auf ihn verlassen.“ 1 Es ist oft ein langer Lernprozess, und Ergebung, DBW Band 8, Seite zu begreifen, dass die Verheißung 30 In diesen Zeilen spricht mich eines „Lebens in Fülle“ (Johan- an, dass Resilienz ein Grundan- nes 10,10), nicht gleichzusetzen Literaturhinweis, für alle, die tiefer liegen Gottes ist! In Psalm 145, 14 ist mit einer „Fülle des Glücks“. einsteigen möchten: heißt es: „Gott richtet alle auf, die Es geht darum, das ganze Leben Elias D. Stangl, Resilienz durch niedergeschlagen sind.“ Dieses mit Gottvertrauen akzeptieren zu Glauben? - Die Entwicklung psy- Aufrichten zeigt die Liebe Gottes können, mit allem Möglichen, was chischer Widerstandskraft bei Er- zu den Menschen; eine Liebe, die geschehen kann. Das ganze Leben wachsenen, 2016.
6 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ mitgehen 27 | November 2019 Mitarbeitende berichten von ihren Kraftquellen G esundheitliche Folgen wie Antriebslosigkeit bis hin zum Burnout werden durch psychische Belas- tungen u.a. auch am Arbeitsplatz verursacht. Die Mitarbeiterzeitschrift mitgehen der Niederbronner Schwestern befasst sich in dieser Ausgabe mit dem Thema Resilienz. Dabei möchten wir auch auf die Möglichkeiten der Förderung von Resilienz eingehen. Deshalb ist es uns ein Anliegen, Mitarbeitende aus den verschiedensten Berufsgruppen vorzustellen, was sie unternehmen, körperlich und psychisch widerstands- fähig zu bleiben. Helga Reiter, Leitung der Sozialen Betreuungskräfte im APH Stefan Rußmayr, St. Alfons, Neumarkt Administration, Bildungszentrum Gleiß Mein Glaube und meine positi- Eine meiner stärksten Kraftquellen ist das gemeinsame Musizieren in ve Lebenseinstellung sind meine einer A-cappella-Musikgruppe (Foto oben Stefan Rußmayr 2.v.r, Ge- wichtigsten Kraftquellen. Zudem schäftsführer Martin Pfeiffer 3.v.r.). Seit Jahren schöpfe ich daraus Kraft jogge ich gerne und fahre mit dem für den Berufsalltag. Meine Familie, ein gesunder Lebensstil mit gesun- Fahrrad. Auch mein Lebensmotto der Ernährung, sowie mein positives berufliches Arbeitsklima stärken „Zufrieden sein mit dem Tag, wie mich täglich für die Herausforderungen. Generell denke ich jedoch, dass er kommt. In allem das Gute su- eine positive Grundeinstellung Motivation für schwierige Situationen chen und Freude an den Menschen schafft die Kraftquelle von innen heraus. haben, wie sie nun einmal sind“ trägt dazu bei, gesund zu bleiben. Andrea Bärtl, Finanzbuchführung, TGE Neumarkt Mein Mann und unsere drei Kinder sind der Lebensmittelpunkt, mit al- lem was dazugehört. Die Leidenschaft zur heimatlichen Jagd und die da- mit verbrachte Zeit in der Natur. Auf dem Hochsitz kann ich den Gedan- ken freien Lauf lassen und verarbeite positive oder leider auch negative Eindrücke des Lebens. Es ist schön, bewusst zu erleben, wenn der Tag beginnt, dabei lausche ich dem Gezwitscher der Vögel, oder genieße es, wenn Abends langsam alles ruhig wird. Die Ausbildung und Spaziergän- ge mit meinem Jagdhund geben mir täglich die Möglichkeit, Momente für mich zu haben, egal bei welchem Wetter. Schlechtes Wetter gibt es nicht, nur schlechte Kleidung. Ein gutes Betriebsklima ist für mich ge- nauso wichtig wie die Erfüllung meiner Tätigkeit. Beides habe ich hier zum Glück gefunden. Anders könnte ich nicht arbeiten. Kein Mensch ist perfekt und jeder ist auf seine Weise einzigartig.
mitgehen 27 | November 2019 Umfrage 7 Thomas Leszkovich, Direktor des Gymnasiums Kenyongasse, Mater Salvatoris, in Wien. Meine Kraftquellen lassen sich in drei Bereiche teilen: Der erste Bereich betrifft mein Arbeitsumfeld. „Mit zunehmender Höhe wird die Luft dünner“. Diese Metapher bringt für mich zum Ausdruck, dass eine Führungsposition auch durch Ein- samkeit geprägt sein kann. Um so wichtiger ist für mich, dass es in mei- nem Arbeitsumfeld Menschen gibt, die mir zuhören und mit denen ich mich austauschen und besprechen kann. Da ich dieses wertschätzende und unterstützende Arbeitsumfeld habe und mich in diesem eingebet- tet und genährt fühle, ist das meine erste Kraftquelle. Zweiter Bereich: In meinem christlichen Glauben finde ich Sinn, Halt und Orientierung. Das nachfolgende Gebet steht auf meinem Schreibtisch und hat mir in so manchen Situationen meines beruflichen Lebens Halt gegeben: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Verfasser unbekannt. Dritter Be- reich: Das sind Kraftquellen, die außerhalb meines Berufes liegen. Auf- bauend auf dem Netz meiner Familie, wo ich mich in allen Fasern meiner Persönlichkeit angenommen und getragen fühle, kann ich gestärkt die Herausforderungen des beruflichen Alltags annehmen. Sportliche Aus- daueraktivitäten wie Radfahren und Laufen, das Eintauchen in die bil- dendende Kunst und das Mitfiebern mit meinem Fußballverein Rapid komplettieren meine Kraftquellen. Diese Ressourcen lassen mich in dem Bewusstsein leben, dass mein Leben bunt ist. Valerie Sophie Paar, pädagogische Assistentin im Kindergarten Troststraße des Bildungszentrums Kenyongasse, Wien Ich schöpfe meine Kraft und Energie aus meiner Tätigkeit mit Kin- dern meiner Pfadfindergruppe. Ich darf sie leiten und begleiten. Viele gemeinsame Erlebnisse in der Natur und Abende am Lagerfeuer geben mir Kraft für meinen Alltag. Das erleben einer Gemeinschaft, sei es im Kindergarten oder bei den Pfadfindern, stärken mich unglaublich und sind meine persönliche Kraftquelle. Carmen Hennemann, Verwaltungsleiterin Kloster Maria Hilf, Bühl Ich male sehr gerne und lese viel. Beides hilft mir richtig abzuschalten. Meine Fami- lie, ganz besonders mein Mann, geben mir sehr viel Kraft. Ich gehöre zu den Men- schen, die unter der Woche Frühaufsteher sind und am Wochenende das lange Schla- fen genießen. Berge, in ihrer majestätischen Größe und Wald faszinieren mich. Ich liebe Waldspaziergänge auf Wegen, wo keine Menschen zu sehen sind. Den Duft des Waldes einzuatmen, die Geräusche wahrzunehmen, die Waldbewohner zu beobach- ten – egal ob Ameisen, Käfer, Vögeln – ist einfach unbeschreiblich schön. Und ich habe das Glück den Schwarzwald hier in der Nähe zu haben. Eine neue Erfahrung für mich, seitdem ich im Kloster arbeite: Während des Gottesdienstes mich neben die Orgel zu setzten und für 10 bis 15 Minuten die Augen schließen und dem Gebet, dem Priester, den Schwestern und der Orgel zuhören. Wahrlich ein Schöpfen aus der Quelle des Erlösers. Meine Arbeit ist für mich eine enorm wichtige Kraftquelle. Ich bin neugierig und lerne gerne aus Neuem, dadurch kann ich mich weiterentwickeln. Ich sehe Probleme nicht als etwas Negatives, sie sind da um sie zu lösen. Dass Misserfolge passieren, mag ich nicht im Griff haben, wie ich darauf reagiere aber schon. Deshalb gilt für mich das Motto „Hinfallen - Aufstehen - Krönchen richten - Weitermachen“.
8 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ mitgehen 27 | November 2019 Was die (Kinder)seele stark macht von Dir. Mag. Martin Pfeiffer, Geschäftsführer Bildungszentrum Kenyongasse, Wien und Bildungszentrum Gleiss E ine sich stetig im Wandel be- findliche Welt lässt uns auch ständig auf Neues treffen und verlangt uns Menschen enormes Stehvermögen ab. Berufliche, fa- kämpfen, die zu groß für sie sind. Die Themen „richtige Stärke“ und „Standfestigkeit im Leben“ haben mittlerweile auch in den Bildungs- bereich Einzug gehalten. Mit die- Dadurch ist es gut belastbar, weil es sich nicht hilflos ausgelie- fert fühlt. Die Erkenntnis, dass es für alle Probleme eine Lösung ge- ben kann, wenn man aktiv an ihr miliäre und persönliche Verände- sem Begriff befassen sich ÄrztIn- arbeitet, lässt es Sorgen schneller rungen und Herausforderungen, nen, EntwicklungspsychologInnen wegstecken, nach vorne blicken gewollte wie ungewollte, berei- und PädagogInnen neuerdings und auch anderen etwas von seiner chern das Leben oder setzen uns mehr denn je, da ein großes Maß Stärke abgeben. zu, oder sogar beides zur gleichen an psychischer Widerstandsfähig- Zeit. keit dem Kind hilft, Belastungen Dabei sind stabile positive Be- Gesellschaftlichen Ansprüchen besser standzuhalten und sogar an ziehungen enorm wichtig. Verläss- gilt es zu genügen und globale Problemen und Krisen zu wachsen. lichkeit und Wertschätzung durch Themen verlangen nach Lösun- Wenn wir ein gesundes „geistiges die Eltern oder andere Bezugs- gen, und das Leben des einzelnen Immunsystem“ haben wollen, das personen bieten die Basis für eine scheint immer vieles gleichzeitig zu uns vor schlimmen Verletzungen gesunde Selbstakzeptanz und die sein, vom bloßen Spielball höherer und Krankheiten der Seele schützt, Akzeptanz anderer. Kontakte zu Mächte bis zum höchsten Wert auf haut uns so schnell nichts um und Gleichaltrigen und Freundschaften Erden, einzigartig, unvergleichlich können wir Schwierigkeiten und geben Mut und Selbstvertrauen, und dennoch kräfteraubend. „Das Krisen meistern, ohne Schaden zu und auch Lehrerinnen und Leh- Leben ist schön – von einfach war nehmen. rer tragen durch ihre Fürsorge und nie die Rede“ fasst ganz gut zusam- Dabei ist Resilienz weniger eine ihre Funktion als Vermittler von men, was wir in die Wiege gelegt Eigenschaft, die der eine mehr und Wissen und Werten ebenfalls dazu bekommen haben und zu meistern der andere weniger besitzt, son- bei. Deshalb ist ein wertschätzen- versuchen, und es gibt viele Ein- dern – und das ist das gute daran des und unterstützendes Klima in flüsse, die den Weg des Menschen - eine Fähigkeit, die erworben wer- den Bildungseinrichtungen von in seinem Spannungsfeld zwischen den kann. Wenn auf der einen Sei- großer Bedeutung, deshalb lernt Streben und Nachgeben, Arbeit te immer deutlicher bemerkt wird, das Kind in der Gemeinschaft von und Erholung, Tatendrang und dass der Schulstress und (schuli- Kindergarten und Schule im Kon- Rückbesinnung auf wesentliche scher) Druck auf Kinder und Ju- takt mit anderen enorm viel über Dinge mit Hindernissen zu pflas- gendliche immer mehr wird, nach- sich und seinen unschätzbaren tern scheinen. weislich, dann sind wir in unseren Wert für andere. Wir sind beinahe 24 Stunden Bildungsangeboten auch gefragt, Die Bildungszentren der Kon- am Tag erreichbar, wir geben Ant- Antworten zu suchen. Immerhin gregation widmen sich verstärkt worten sofort, wir sind gezwungen, spiegelt Schule immer deutlicher dem Thema Resilienz mit dem Ziel, schnell zu reagieren, und wir über- Gesellschaft und deren Auswüch- die Kinder zu selbstverantwortli- sehen dabei nur allzu leicht, was se. chen und sozialen Mitmenschen uns eigentlich guttun würde. Und Würden wir in vertrackten zu machen. Auf spielerische Art, so geht es nicht nur Erwachsenen. Situationen öfter „situations- im sozialen Lernen und in diver- elastisch“ reagieren, ließe uns un- sen Unterrichtseinheiten werden Auch unsere Kinder leben mit sere eigene Resilienz abfedern, was sie angeleitet, offen zu sein für sich diesen neuen Herausforderungen. sonst immer noch schlimmer zu und andere, Bedürfnisse zu erken- Einerseits imitieren sie von klein werden droht. Sind Kinder noch nen, empathisch zu sein und ge- auf ihre Eltern und später ihre nicht besonders gut darin, haben waltfrei zu reagieren. Die schon in Freunde und Vorbilder, und an- sie dennoch gute Chancen, Stra- anderen Artikeln vorgestellte Akti- dererseits merken sie schon sehr tegien zu erwerben, die ihnen und on „Herzensbildung“ etwa macht bald, was die „Großen“ gutheißen ihrer Umwelt weiterhelfen können. Schülerinnen und Schüler damit und was nicht, was Erfolg bedeu- Ein resilientes Kind packt Proble- vertraut, über Probleme zu spre- tet und auch Scheitern, was also me an, anstatt ihm aus dem Weg chen, Talente zu erkennen, Ver- die Gesellschaft von ihnen ver- zu gehen. Es sucht zuerst selbst Lö- antwortung für sich, den Nächsten langt. Und die eigene Rolle darin sungen für Konflikte und rechnet und die Umwelt zu übernehmen zu finden, zu festigen und in ihr damit, dass seine Bemühungen Er- und zu erfahren, was gut tut und zu bestehen, ist Notwendigkeit wie folg haben werden. Es schätzt sich auch für andere gut ist. Bürde gleichermaßen, letzteres oft selbst gut ein und weiß auch, wann Als Teil der Welt Gottes soll sich viel mehr, wenn Hilfestellungen eine Situation nicht beeinflusst jeder als wichtig und am richtigen fehlen und Kinder mit Problemen werden kann. Platz erfahren, denn wer gerne Ver-
mitgehen 27 | November 2019 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ 9 antwortung für sich übernimmt, Diese Faktoren stärken die Re- samkeit vermittelt wird, kann es tut dies auch für andere. Dies ist silienz von Kindern. Sie entwi- sich im späteren Leben selbst be- im Zubereiten einer gesunden Jau- ckeln durch eine feste emotionale haupten und lernt einen flexiblen se erfahrbar, und genauso im Um- Bindung auch außerhalb der Fami- Umgang mit schweren Lebenssitu- gang mit Streit und Versöhnung. lie ein gesundes Selbstwertgefühl ationen. Richtiges Entschuldigen will ge- und werden leistungsmotiviert. Das alles klingt zu schön, zu lernt sein, und auch, dass man die Des Weiteren können sie meist idealistisch? Das darf es ruhig! Augen vor der Not anderer nicht eine realistische Zukunftsperspek- verschließen soll. tive entwickeln. Das bedeutet, sie Denn spätestens hier sind wir gehen auch flexibler mit Verände- beim Thema der christlichen „Wissenschaftlich gesehen wä- rungen um und trotzen schwieri- Wertevermittlung, welche einen ren die wichtigsten Schulfächer gen Lebensumständen. hohen Anspruch an uns Menschen Musik, Sport, Theaterspielen, stellt. Die Evangelisten berich- Kunst und Handarbeiten.“ Spä- Resiliente Kinder ten eindrucksvoll in Bildern und testens seit Dr. Manfred Spitzer können demnach: Gleichnissen, wie Jesus Nächs- (Hirnforscher und Neurowissen- tenliebe, Achtsamkeit und eine schaftler) kennen wir diese Aussa- • ihre eigenen Gefühle und die von wertschätzende Begegnungskultur ge. Und auch hier können katho- anderen erkennen und einordnen. nicht nur predigte, viel mehr vor- lische Bildungsstätten punkten: In • die eigenen Gefühle kontrollie- lebte. Auch das Wort unserer Or- unseren Einrichtungen können wir ren, regulieren oder dafür um Rat densgründerin „Habt Mut, Gott ist auf eine Schulkultur blicken, die bitten. mit Euch“ passt perfekt als stärken- auch im Alltag genau diese Sparten • eigene Stärken und Kompeten- de Zusage zu diesen Themen! der Bildung berücksichtigt, ja so- zen erkennen. Man könnte sagen, das Wissen gar einfordert, eben „Kultur“. Wo • Hilfe holen und scheuen sich um Resilienz ist beinahe 2000 Jah- sonst lassen sich Talente in Stärken nicht vor Kontakt. re alt, wenn nicht mehr. umwandeln und sind somit wie- • Strategien zur Problemlösung Wer eine vermeintlich dicke der mitverantwortlich für Selbst- entwickeln und auf ähnliche Situ- Haut besitzt, kann innerlich trotz- achtung und Selbstbestätigung. In ationen übertragen. dem sehr verletzlich sein. Wer von zahlreichen Studien konnte belegt innen heraus stark ist, bleibt ge- werden, dass resiliente Kinder ein Diese benannten Fähigkeiten von genüber anderen empfänglich für positives Temperament aufweisen. resilienten Kindern sind nicht im- vieles. Sein Seelen-Schutzmantel Erstens sorgt das für eine gewisse mer gleich ausgeprägt. Resilienz ist ist seine Resilienz, die das noch Robustheit, und zweitens auch füreine variable Größe, die in einem Verträgliche eher zulässt und das mehr Zuwendung der Bezugsper- Bereich stärker in einem anderen wirklich Unangenehme schneller son. schwächer sein kann. verkraftet. Versuchen wir also wei- Damit Kinder ihre eigene Wi- terhin, unsere Kinder zu stärken Das bedeutet, den Kindern derstandskraft aufbauen, brauchen und ihnen ein gutes Beispiel zu werden haltgebende Werte beige- sie Wärme und Zutrauen, sowie geben. Denn auch wenn das Leben bracht und ihre Leistungen aner- Interesse und Kontrolle. Wenn nun mal nicht einfach ist: Es ist kannt. Wertschätzung von außen dem Kind wichtige Werte und der und bleibt ein kostbares und schö- fördert die innere Haltung. Glaube an die eigene Selbstwirk- nes Geschenk.
10 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ mitgehen 27 | November 2019 Kraftquellen im (Schul-)Alltag finden Das Haus St. Marien in Neumarkt versucht, die Resilienz von Jugendlichen zu stärken D er erste Schultag im Haus St. Marien, Neumarkt: Er- wartungsfroh und zugleich verunsichert sehen sich die neu- en Schülerinnen und Schüler um. Erwachsenen zu einem guten Be- rufsabschluss zu führen, ist eine Herausforderung. Was hilft den Jugendlichen da- bei, ihre schulischen und priva- Können sie ihre eigenen Ansprü- ten Aufgaben gut zu bewältigen? che und die der schulischen und Kraftquellen für sie - wie auch für beruflichen Ausbildung erfüllen? uns - sind Beziehungen zu Perso- In einem Auszug aus dem Lehr- nen, die unser Leben begleiten, die plan für die Berufsfachschule für uns Sicherheit und Vertrauen ver- Kinderpflege vom 24.08.2010 wird Schülerinnen aus dem Haus St. Marien mitteln. Bei ihnen fühlen wir uns deutlich, dass Berufliche Bildung erleben die Natur. aufgehoben und können echt sein den ganzen Menschen umfasst. – ohne Angst vor Verletzungen. Je- „Die Aufgabe der Berufsfach- der Mensch braucht im Laufe des schule konkretisiert sich in den ne und Verantwortungsbewusstsein Lebens mehrere dieser Beziehun- Zielen, eine Berufsfähigkeit zu ver- für Natur und Umwelt.“ gen, innerhalb und außerhalb der mitteln, die Fachkompetenz mit Zukünftigen Berufstätigen mit- Familie, Freundinnen und Freun- allgemeinen Fähigkeiten methodi- zugeben, dass Fachkompetenz de. Auch Lehrkräfte können solche scher und sozialer Art verbindet, enorm wichtig ist in einer Berufs- Bezugspersonen sein, vor allem, berufliche Flexibilität zur Bewälti- welt, in der vor allem wirtschaftli- wenn die Familie nicht die Kraft- gung der sich wandelnden Anfor- cher Erfolg zählt, jedoch das Leben quelle ist, die ein junger Mensch derungen in Arbeitswelt und Ge- nicht zu kurz kommen darf, muss benötigt. So kann eine Lehrkraft sellschaft auch im Hinblick auf das Auftrag einer Beruflichen Schule nicht nur als Rollenvorbild fun- Zusammenwachsen Europas zu sein. gieren, sondern auch Interessen entwickeln. Oberste Bildungsziele Für die Lehrkräfte ist das ein wecken, Begabungen fördern und sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung Spagat: Zeitlich eng getaktet sollen auf diese Weise die Entwicklung vor religiöser Überzeugung und vor Ziele erreicht, Kompetenzen ver- begleiten. (▶ S. 1). der Würde des Menschen, Selbstbe- mittelt und Leistungsnachweise er- herrschung, Verantwortungsgefühl bracht werden. Zugleich darf man Text: Maria Losch (Schulleiterin) / und Verantwortungsfreudigkeit, den einzelnen Schüler als Mensch Nicole Schweiger (stellv. Schul- Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossen- nicht aus den Augen verlieren. leiterin), beide Haus St. Marien, heit für alles Wahre, Gute und Schö- Eine Klasse von etwa 30 jungen Neumarkt Wandertag ins Lengenbachtal unter dem Motto „Umwelt bewahren“. Fotos: Marianne Bauer/HSM
mitgehen 27 | November 2019 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ 11 „Das waren die härtesten Wochen in meinem Leben“ Teresa Spörlein aus dem St. Theresien-Krankenhaus lernt in Kamerun viel über sich und ihren Glauben W enn Hebamme Teresa Spörlein an ihre Zeit in Kamerun zurückdenkt, hat sie viele Bilder im Kopf: Ge- bärende, die ihre Kinder zur Welt bringen wie bei uns vor 30 Jahren, Neugeborene, deren Überleben ungewiss ist, einheimische Kol- leginnen, die sich aus Mangel am Nötigsten ihr Desinfektionsmittel oder Toilettenpapier selbst mit- bringen müssen. Und doch gehört das Hospital Bethesda in der Hauptstadt Ya- oundé zu den besseren Kranken- häusern des Landes. Die Patientin- nen und Patienten nehmen lange Anfahrtswege in Kauf, um sich in der Einrichtung der christlichen Hilfsorganisation „Liebe in Ak- tion“ behandeln zu lassen. Sechs Wochen arbeitete Teresa Spörlein dort Anfang des Jahres im Kreiß- Hebamme Teresa Spörlein im Gespräch mit einer Mutter. Foto: privat saal. Gestartet war sie mit dem Teresa Spörlein. „Nur sehr langsam ganisation, bringt Abwechslung in Wunsch, die afrikanischen Kol- wird sich hier und in den Entwick- ihren Alltag. Eines Abends werden leginnen zu unterstützen, deren lungsländern allgemein weiterent- die beiden bei einem Spaziergang Arbeitsweise kennenzulernen und wickeln.“ Sie gibt offen zu, nach in der Stadt Opfer eines Überfalls moderne Geburtshilfe, aktuelle kurzer Zeit resigniert zu haben. und mit einem Messer bedroht. Standards und Leitlinien zu ver- Trotzdem leistete sie ihren Dienst Teresa Spörlein braucht lange, bis mitteln. Doch bereits in den ers- jeden Tag von 8 bis 16 Uhr unter sie mit der in diesem Moment er- ten Tagen stieß sie damit an ihre harten Bedingungen: am Nachmit- lebten Angst fertig wird, alleine in Grenzen: „Ich bin davon ausge- tag kehrte sie sofort in ihr Zimmer ihrem Zimmer. „Das waren schon gangen, dass die Frauen dort noch in einem Wohnhaus der Organi- die härtesten Wochen in meinem einen ganz natürlichen Zugang zur sation zurück, das sie nicht mehr Leben und ich war auch mehrmals Geburt haben, aber es war genau alleine verlassen sollte. Ein Ausflug kurz davor abzubrechen. „Aber das Gegenteil der Fall: sie werden in die Stadt wäre zu gefährlich ge- dann habe ich mir wieder ein Herz dazu gezwungen ausschließlich in wesen, abends schwärmen zudem gefasst und weitergemacht“, blickt Rückenlage zu gebären, stark zu die Malariamücken aus. Oft gab es sie zurück. pressen ohne Rücksicht auf den kein fließend Wasser oder Strom. Ihre Abreise nach Kamerun Geburtsverlauf, ein Dammschnitt Nachdem zunächst noch eine wird zudem noch überschattet von ist die Regel“, berichtet die 26-Jäh- befreundete Ärztin Teresa Spör- einer lebensgefährlichen Erkran- rige . „Während der Geburt stehen lein begleitet hatte, erlebte sie da- kung ihres Vaters. Wie hat sie es oft zehn oder mehr Personen um nach eine große Einsamkeit. Teil- trotzdem geschafft, diese Zeit zu die Frau herum, Intimsphäre gibt weise ohne Strom zogen sich die überstehen? „Es gab ja auch vie- es nicht.“ Abende in absoluter Dunkelheit le schöne Momente, die habe ich Zwar seien einige wenige Heb- ins Endlose. „Manchmal habe ich ganz bewusst gesehen. Und ich ammen offen für neue Metho- förmlich darauf gewartet, um 9 glaube an Gott und dass er seine den, aber letztendlich durfte und Uhr ins Bett zu gehen“, denkt Te- Hand über mich hält, das hat mir wollte Teresa Spörlein nur einmal resa Spörlein an diese Zeit zurück. Kraft gegeben. Trotz allem kann eine Geburt komplett selbst leiten, Wenn es geht, hält sie über Telefon ich mir vorstellen, wieder nach Af- denn Veränderungen waren sei- und Internet Kontakt mit daheim. rika zu gehen. Dort habe ich viel tens der Hebammen nicht wirklich Gesundheitlich hat sie mit immer über mich selbst gelernt und wäre gewünscht, auch wenn die Ärzte wiederkehrendem Erbrechen und jetzt viel besser vorbereitet“, ist sich dafür offener waren. „Doch die Durchfall zu kämpfen. Erst die Teresa Spörlein sicher. Anja Müller jungen Mütter sind glücklich, sie Ankunft von Daniel, dem Sohn des kennen es ja nicht anders“, meint deutschen Gründers der Hilfsor- Infos: www.liebe-in-aktion.org
12 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ mitgehen 27 | November 2019 Resilienz als lebenslangen Lernprozess begreifen von Carmen Hennemann, Bühl A ls ich angefragt wurde, ob ich einen kurzen Artikel zum Thema „Resilienz“ schrei- ben wolle, habe ich gerne zugesagt. Ich werde mich in den nachstehen- forschungen an Kindern auf, die trotz widrigster Umstände zu psy- chisch gesunden, sozial kompe- tenten, selbstbewussten Menschen heranwuchsen. Heute bezeichnet genüberstehen und in dieser Hal- tung verbleiben. Resilienz muss auch nicht immer in gleichem Maße ausgeprägt sein, sowohl un- ter zeitlichem Aspekt, als auch un- den Ausführungen sehr allgemein die Resilienz im breit gestreuten ter situativen Aspekten. mit der Resilienzbetrachtung auf Gebrauch im weitesten Sinne die Viktor E. Frankl bringt noch Menschen auseinandersetzen, da Fähigkeit eines Menschen, Verän- eine weitere Komponenete ein, der Artikel ansonsten die Grenzen derungen und Krisen gewachsen indem er sagt, dass der Mensch sprengen würde. Auch geht es mir zu sein. immer auch die Freiheit hat, zu im Wesentlichen darum, mich zu- entscheiden, was er aus seinen An- nächst intensiver mit der Resilienz lagen und seiner Umwelt macht. auseinander zu setzen, um daraus „Federn lassen und dennoch Das zeichnet Menschsein aus. abzuleiten, wie resiliente Men- schweben – das ist das Geheimnis Er sagt dazu: „Zwischen Reiz und schen Kraftquellen nutzen, weni- des Lebens.“ (Hilde Domin) Reaktion liegt ein Raum. In diesem ger darum, mögliche Kraftquellen Raum liegt unsere Macht zur Wahl ausführlich darzustellen. unserer Reaktion. In unserer Re- Kraftquellen resilienter und Resilienz gilt nicht als Persönlich- aktion liegen unsere Entwicklung nichtresilienter Menschen unter- keitsmerkmal, vielmehr ist sie eine und unsere Freiheit.“ scheiden sich nicht grundsätzlich, Eigenschaft die erworben/erlernt nur können sie in unterschiedli- wird. Doch spielen auch genetische Diese Freiheit hat auch Virginia Sa- chem Maße nutzbar gemacht wer- Faktoren eine nicht unerhebliche tir sehr schön mit folgenden Zeilen den. Rolle bei der Fähigkeit, Resilienz beschrieben: „Was immer aus Dir zu erwerben/ zu erlernen. herauskommt, ist Deine Sache und Was bedeutet Resilienz? Besonders förderlich für den stellt Deine Entscheidung dar, die Erwerb/das Erlernen von Resi- Einflüsse um Dich herum zu ver- Zunächst wurde dieser Begriff lienz sind Veränderungen und werten. Ich werde verantwortlich, in der Physik verwendet und be- Krisen, die gemeistert wurden, wenn ich dies voll anerkenne. Ich zeichnet die Fähigkeit eines Werk- d.h. Menschen, deren Leben ohne kann Dich dazu gebrauchen, mich stoffes, nach einer Verformung größere Veränderungen oder Kri- zu beeinflussen, aber nur ich kann wieder die ursprüngliche Gestalt sen verläuft, können keine Resili- entscheiden, ob ich auf diesen anzunehmen. In der Psychologie enz erwerben, ebenso wenig wie Einfluss reagiere. Es gibt drei Aus- tauchte der Begriff dann erstmals Menschen, die Krisen und Verän- nahmen dazu: wenn ein Mensch im Zusammenhang mit Langzeit- derungen hilflos, also als Opfer ge- bewusstlos ist, wenn er ernsthaft körperlich krank ist und wenn er ein Kind ist.“ Was zeichnet resiliente Menschen aus? Leider werden immer wieder Men- schen als resilient wahrgenommen und bezeichnet, die im Beruf, in der Familie, in der Gesellschaft, im Verein, oder wo auch immer sie „gebraucht“ werden, gut funktio- nieren, verlässlich und erfolgreich Aufgaben meistern, dann noch die Ruhe bewahren, wenn alle andere in Hektik verfallen, also „der Fels in der Brandung“ sind. Doch nicht selten sind es diese Menschen, die irgendwann an zu Ein Aufenthalt im Kloster (im Bild das Kloster Maria Hilf in Bühl) kann Menschen vielen Herausforderungen zerbre- innerlich stärken. Fotos: Gillardin chen und Veränderungen und Kri-
mitgehen 27 | November 2019 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ 13 sen nicht (mehr) meistern können. Resiliente Menschen zeichnen sich im Wesentlichen durch drei Grundhaltungen aus: • Optimismus • Akzeptanz • Lösungsorientierung. Dazu kommen vier Handlungs- prinzipien/Fähigkeiten aus: • Selbstregulation • Impulskontrolle • Selbstwirksamkeit • Lernfähigkeit • Anpassungsfähigkeit. Resiliente Menschen gehen an Situationen heran, indem sie zu- In der Natur zur Ruhe kommen - Innenhof im Gästehaus von Kloster Maria-Hilf, Bühl. nächst annehmen, also akzeptie- ren, dass sich eine Situation so darstellt. Dabei steht weniger die wichtige Ressourcen aufführen. Motivation aus sich heraus för- Bewertung der Situation als gut Innere Ressourcen können sein: dern, eine für sie förderliche Um- oder schlecht im Fokus der Be- • Werte welt und soziale Netze gestalten, trachtung, sondern die Zuversicht, • Glaubenssätze soweit dies in ihrer Wirksamkeit dass es Lösungen für die jeweiligen • intrinsische Motivation, also liegt und sich nicht scheuen, recht- Herausforderungen der Situation die Antreiber, die von innen zeitig und umfassend auf ihre Res- gibt. heraus aus einem kommen. sourcen zurück zu greifen. Bei der konkreten Lösungs- • innere Einkehr etwa durch findung sind resiliente Menschen Exerzitien und Meditation Zusammenfassung in der Lage, in Kontakt mit ihren Empfindungen zu sein, diese zu Äußere Ressourcen können sein: würdigen und lösungsorientiert • Soziale Bindungen wie etwa Resilienz kann lebenslang erwor- zuzulassen, ohne sich von Gefüh- durch die Familie, Freunde ben werden. Ihr Erwerb geht in len überrollen zu lassen. Sie ver- und Kollege. der Regel mit zunächst schmerz- trauen darauf, bzw. erleben sich als • Naturerlebnisse haften oder leidvollen Lernerfah- aktiv Handelnde, die eine Situati- • Hobbys rungen einher. Neben bestimmten on beeinflussen können und nicht Grundhaltungen und Fähigkeiten als Opfer einer Situation. Und sie Wichtiger als die Frage, welche zeichnen sich resiliente Menschen sind in der Lage, zu lernen und Ressourcen genutzt werden ist die dadurch aus, dass sie ihre Kraft- neue Handlungswege einzuschla- Frage, ob Ressourcen genutzt wer- quellen kennen und zu nutzen gen, wenn sie erkennen, dass dies den und in welcher Form. Resilien- wissen. erforderlich und der Situation an- te Menschen zeigen überwiegend gemessen ist. die Fähigkeit sich gut mit ihren Sie alle kennen vermutlich die Darüber hinaus wissen resilien- Gefühlen und ihrem Körperemp- Postkarte auf der zu lesen ist: te Menschen um ihre Ressourcen finden verbinden zu können. und können diese Kraftquellen „Hinfallen – Aufstehen – Krön- nutzen. Grundsätzlich kann unter- Dadurch nehmen sie sehr früh chen richten – Weitermachen“ schieden werden zwischen inneren wahr, wenn mehr Energie ver- und äußeren Ressourcen. Ressour- braucht wird als zugeführt. Solche Das ist das Wesen der Resilienz. Es cen können sehr unterschied- Menschen können besser darauf geht nicht darum, keine Misser- lich wahrgenommen und genutzt achten, in einem guten energeti- folge zu haben, oder Momente des werden, woraus eine Person Kraft schen Gleichgewicht zu sein und Scheiterns, sondern darum, genau schöpft, muss für eine andere Per- sich nicht selbst auszubeuten. Das aus diesen Momenten zu lernen, son nicht unbedingt Kraftquelle bedeutet, dass resiliente Menschen aktiv zu werden und weiter zu ma- sein. Dennoch möchte ich nach- Zugang zu ihren Werten haben, chen, noch gestärkter im Wissen stehend noch exemplarisch einige positive Glaubenssätze erarbeiten, um die eigene Wirksamkeit.
14 Schwerpunktthema „Resilienz – Die Suche nach Kraftquellen“ mitgehen 27 | November 2019 Die Herausforderung des aufrechten Ganges Ing. Josef Kreimer, Gablitz W er fest ist in seinem Glau- ben und reich an Le- benserfahrung, der weiß, dass der Suchende es einfacher mit seiner Suche hat, wenn er zwei pressionistischer Kühnheit gelang ihm etwas, das man als geglücktes Menschsein bezeichnen möchte. Nämlich auch deshalb, weil es ihm gegeben war, unbeirrt von Sehn- Dinge bereits gefunden hat. Sich süchten und erlittenen Verletzun- selbst und seinen Weg zu Gott. gen aus der Bedingungslosigkeit Und so gestalten sich die meis- zwischen Gott und Mensch Kraft ten Suchen nach den Dingen, die zu schöpfen und dadurch selbst es sich wirklich zu finden lohnt, Kraft zu spenden - in Predigten, in deshalb so schwierig, weil es weder seiner „bescheidenen Kirche“, im leicht noch einfach ist, sich selbst, Dialog und in seiner Kunst. geschweige denn Gott zu finden. „Ecce homo“ – Siehe, der Wer mit Ersterem erfolgreich ist, Mensch3. Jesus Christus fordert kann sich wahrlich glücklich schät- uns auf, ihm nachzufolgen. Auf- zen, wem aber sein Weg zu Gott Linolschnitt von Josef Fink recht und unbeirrbar durch Prü- offenbar wird, der trachtet ihn mit fungen und Leid. aller Kraft seines Herzens und der ändernden Umstände eine Ausei- Siehe, dieser Mensch! Josef Klarheit seiner Seele zu verfolgen. nandersetzung mit ihrem endli- Fink folgte dem Mensch gewor- Und es mag auf dem Weg wohl chen, unvollkommenen irdischen den Gottessohn in wohl einzigar- auch Menschen geben, die er an Dasein abringen, gab und gibt es tiger Weise nach und seine große seinem Reichtum teilhaben lassen manche, deren Lebensentwurf von Persönlichkeit überzeugte viele, es kann, wenn sie ihn erkennen, wenn Jugendtagen an durch die zentrale ihm gleich zu tun. Bis zum Ende sie bereit sind freudigen Geistes in- Frage nach dem Sinn - durch die- seiner vielbegabten, rastlosen ir- nezuhalten und sich an der Quelle ses, die Erkenntnis um jeden Preis dischen Wanderschaft - er wurde zu laben um Kraft zu schöpfen für erlangen wollen - geprägt ist; ja die nur 58 Jahre alt - schöpfte er seine ihren eigenen Weg. sich Zeit ihrer bewussten irdischen Kraft und seinen Optimismus aus Was viele gläubige Christen Existenz oft bis an die Grenze der dem innigen Glauben an den Le- rund um den Erdball beschäftigt, eigenen Belastbarkeit (und darü- ben erweckenden Gott: „Der Tanz antreibt und mitunter zu lebens- ber hinaus) in allen Facetten ihrer des Lebens beginnt. Kein Wunder, lang Suchenden macht, ist die Identität und Wahrnehmung darin dass ich so fröhlich bin“, heißt es da Frage nach dem Sinn und der Be- erkennen und finden. in einem seiner Texte über die Auf- stimmung des eigenen und allen Besonders am Beispiel des Le- erstehung. anderen Lebens. bens und Wirkens eines Menschen, Wie zu seinen Lebzeiten kann Während sich mehr und mehr Suchenden, Priesters, Kunstschaf- Josef Fink´s Wort Menschen in Menschen im Dickicht der aus- fenden und –vermittlers sowie Angst und Sinnleere auch heute tauschbaren Alltage, betäubt durch weithin leuchtenden Vorbilds sei noch immer Mut, Hoffnung und den unablässigen und vom ewi- an dieser Stelle veranschaulicht, Kraft geben: „Es wird Zeit, den gen Wachstumszwang weltweit dass der aufrechte Gang nicht nur Blüten zu trauen und den sonnigen vernetzter Ökonomien gepush- als evolutionärer Entwicklungs- Tagen vorm Tor!“ ten Konsum omnipräsenter, mul- schritt der Hominisation oder timedialer Elektronik-Cocktails Menschwerdung gelten kann, son- des 21. Jahrhunderts mit genial dern - und vor allem auch - im Sin- einfachen Rezepturen aus Nullen ne von Ernst Bloch1 als Schritt zur und Einsen und dabei hochkom- Humanisierung respektive Ver- 1 einer der wichtigsten dt. Philoso- plex-fesselnden Strukturen, durch- menschlichung der Gesellschaft, phen des 20. Jhdts, (*1885 - +1977) aus bewusstseinsverändernden als die bewusste, existentielle Le- Eigenschaften und hohem Sucht- bensbewältigung des Einzelnen 2 österr. Theologe, Maler, Autor, potential, absurd realitätsfernen angesehen werden will. Fotograf und Rektor des Kultur- Schönheits- und Erfolgsidealen, Den aufrechten, unbeugsamen zentrums bei den Minoriten Graz, denen sie in ihrer gecustomizeden Gang im zweiten Sinn versuchte (*1941 - +1999) Special-Interrest-Bubble (wohl zu- Josef Fink2 Zeit seines Lebens sehr gleich aber eher nicht gemeinsam) erfolgreich vor den ihm anvertrau- 3 Ausspruch des Pontius Pilatus, als mit Hundertschaften an virtuel- ten und zu ihm aufschauenden er dem Volk den gefolterten, dor- len „Freunden“ nacheifern, diese Menschen. In einem Spagat zwi- nengekrönten Jesus von Nazaret Frage erst stellen, wenn ihnen das schen unkonventioneller priesterli- vorstellt (Evangelium nach Johan- Leben oder die sich in selbigem cher Existenz und künstlerisch-ex- nes)
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