Alle Macht dem Feld - 2020 Das ePaper für Prozessautomatisierer - Chemie Technik
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2020 Das ePaper für Prozessautomatisierer PROZESSAUTOMATISIERUNG SAMSON UND KROHNE GRÜNDEN JOINT VENTURE Alle Macht dem Feld
Lösungen für die Industrie Actemium ist ein kompetenter Anbieter von elektro- und automatisierungstechnischen Lösungen und Services. www.actemium.de
EDITORIAL Revolution von unten und von oben So viel Veränderung war selten bis nie: Die Prozess- erhalten, werden zukünftig von einem Gerät erledigt automation wird derzeit vom Kopf auf die Füße und von werden – und dieses trägt seinen für Optimierungs- und den Füßen auf den Kopf gestellt. Denn: Die Revolution Verifikationszwecke genutzten digitalen Zwilling gleich hat gleich mehrere Treiber. Einerseits die Digitalisie- in sich. Wer so weit zu denken bereit ist, für den ist auch rung, die auch von den Unternehmenslenkern in Che- die autonome, sich selbst optimierende Prozessanlage mie, Pharma-, Lebensmittel- und anderen Prozessindus- kein Tabu mehr. trien angestrebt wird, um die Basis für künftige Ge- schäftsmodelle zu schaffen. Die Stichworte lauten hier Wie breit die revolutionäre Bewegung in der Prozessau- Individualisierung der Produkte, Plattformen für das tomatisierung inzwischen ist, finden Sie in dieser Ausga- Geschäft mit den Kunden und Optimierung der Prozes- be eindrücklich dargestellt: Unsere Artikelsammlung in se. Andererseits wachsen aus der Produktionsbasis (Au- diesem ePaper reicht von klassischen Automatisierungs- tomatisierungs-)Technologien zusammen, die isoliert themen über das aktuelle Namur-Thema Connectivity betrachtet zunächst keinen Durchbruch brachten (Asset bis hin zu Aspekten der Cybersecurity. Und im Schwer- Management, Predictive Maintenance...) und nun, ein- punkt Digitalisierung zeigen wir auch, wie sich Herstel- gebettet in das Gesamtbild einer digitalisierten Anlage, ler von Pumpen und Anlagen für die Verarbeitung von plötzlich enormen Mehrwert schaffen können. Nutzbar Schüttgütern die Digitalisierung vorstellen. Auch einem werden diese durch neue Automatisierungsstrukturen Lieblingsthema aller Smartphone-, Tablet- und Compu- wie die Namur Open Architecture und die Vernetzung. ternutzer – dem Softwareupdate – haben wir uns in der beliebten Glosse „Spotlight“ gewidmet. Ich wünsche Ih- Enorme Rechenleistung auf kleinstem Raum erlaubt es, nen viel Spaß beim ganz analogen Lesen. Funktionen in Feldgeräte zu integrieren, die bislang gro- ßen Leitsystemen und Ingenieurkonsolen vorbehalten waren. Zu hören war das bereits auf der Namur-Haupt- sitzung im November 2018: Das smarte Feld übernimmt die Macht, König Leitsystem ist tot – so mein damaliges, zugegeben etwas zugespitztes Fazit. Die Entwicklung ei- nes Prozessknotens, wie er in der Titelstory dieses ePa- pers beschrieben wird, ist da nur konsequent: Komplexe Was meinen Sie? Regelkreise, die vom Leitsystem nur noch einen Sollwert armin.scheuermann@chemietechnik.de Wie sich die Namur die Zukunft der Leit- und Der Anschluss an die neue NOA-Welt erfor- Cyberattacken nehmen auch in der Prozess- Feldgerätetechnik in der Prozessindustrie vor- dert mehr als nur eine Kabelklemme. Was da- industrie zu. Abschotten alleine hilft nicht, stellt, erfahren Sie ab Seite 11 zugehört, finden Sie ab Seite 14 weiß Experte Erwin Kruschitz. Seite 33 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020 3
INHALT Alle Macht dem Feld Anschluss an die Zukunft Der Messtechnik-Anbieter Krohne hat gemeinsam mit „Enhanced Connectivity“ lautet die Devise des diesjährigen Namur-Sitzungs dem Ventilspezialisten Samson für die Regelung von sponsors Phoenix Contact, der neben dem physikalischen Anschluss künftig vor Flüssigkeitsströmungen eine Lösung entwickelt, die allem auch die Logik einbringen will, damit die Namur Open Architecture Reali nicht nur das zentrale Leitsystem entlastet, sondern der tät werden kann. Seite 14 Digitalisierung insgesamt Vorschub leisten soll. Seite 8 Editorial3 Cybersecurity Sicherheit der Produktionsinfrastruktur erfordert Markt Systembetrachtung – OT-Security im Fadenkreuz 18 CT exklusiv CT Interview PCD Preisindex für Chemieanlagen – Preisrückgang Erwin Kruschitz, Anapur, zu Cybersecurity – bei Leittechnik und Rohrleitungen 6 „Geh davon aus, dass es bereits passiert ist“ 21 Automatisierung Digitalisierung Titelstory Benchmarkstudie im Anlagenbau – Krohne und Samson stellen Digitale Services verdrängen Technologie 32 neuen Prozessknoten vor – Alle Macht dem Feld 8 CT Trendbericht Namur definiert Rolle der Sensoren Digitalisierung der Schüttguttechnik 34 in Prozessanlagen 11 CT Umfrage Konnektivität als Grundlage der Digitalisierung 14 Schüttguttechnik – 2020 An der Schwelle zum digitalen Zeitalter 37 Das ePaper für Prozessautomatisierer Mobile Konfiguration von Feldgeräten der Prozess PROZESSAUTOMATISIERUNG industrie 18 Pumpe wird zur Industrie-4.0-Komponente 44 Siemens stellt Konzept Erstes Pumpenmodul mit Treibersoftware MTP – für Namur Open Architecture vor 20 Pumpenintegration per Knopfdruck 47 SAMSON UND KROHNE GRÜNDEN JOINT VENTURE Alle Macht dem Feld Automatisierung von Prozessventilen im Vergleich – Digitalisierungskonzepte beim Pumpenhersteller Welches Konzept macht das Rennen? 24 Grundfos – Transformation statt Revolution 48 Sicherer Einsatz von Glasfasern im Ex-Bereich 30 CT Interview Titelmotiv gespon- Götz Erhardt, Accenture – sert von Samson. „Der digitale Zwilling lohnt sich fast immer“ 51 Bild: Samson 4 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020
„Geh davon aus, dass es bereits passiert ist“ CT Produktfokus Gasmesstechnik Im Schatten der Digitalisierung wächst auch in der Pro Eine ganze Armada von Modellen und Messprinzipien stellt den Anwender von zessindustrie die Bedrohung durch Cyberattacken. Im Durchflussmessern vor die Qual der Wahl. Unsere Auswahl gibt einen Überblick CT-Gespräch erläutert Erwin Kruschitz, Vorstand von über die jüngsten Entwicklungen für die Durchflussmessung von Flüssigkeiten, Anapur, warum es keine hundertprozentige Sicherheit Gasen und Schüttgütern. Seite 61 geben kann. Seite 21 Funktionale Sicherheit Spotlight Wenn der Schwanz mit dem Hund wackelt – CT Marktübersichten Software-Update 84 Geräte für PLT-Schutzfunktionen/SIL-Kreise 66 Messtechnik Service CT Produktfokus Impressum43 Gasmessgeräte – Sicherheit für Mensch, CT Hotspots Umwelt und Prozess 54 Energieeffizienz – An den richtigen Stellen gespart82 Füllstandradar sorgt für Überlaufschutz in Laugenbehältern 58 CT Produktfokus Durchflussmessgeräte – Eine Frage des Messprinzips 61 CT Hotspots Energieeffizienz Unternehmen in der Chemiebranche investie ren immer mehr in ihre Energieeffizienz. Das trägt nicht nur zu einer gelingenden Energie wende bei, sondern kann auch bares Geld spa ren. Unsere Hotspots zeigen, an welchen Stellen sich nach Einschätzung der Deutschen Energie- Agentur und der Bundesregierung das betriebli che Energiesparen besonders lohnt. Seite 82 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020 5
Markt Profi-Guide Branche Anlagenbau ● ● ● Chemie ● Pharma Ausrüster ●●● Funktion Planer ●● Betreiber ●●● Einkäufer ● Manager ●●● Bild: mmmx – AdobeStock PCD Preisindex für Chemieanlagen Preisrückgang bei Leittechnik und Rohrleitungen Nach drei Jahren des stürmischen Anstiegs der Preise für Rohrleitungen hat sich die Entwicklung zuletzt umgekehrt. Und auch Prozessleittechnik verliert an Boden. Signale für eine Trendwende im Chemieanlagen-Boom? N ach einer deutlichen Aufwärtsbewegung bei Statistische Bundesamt in zwei Gewerken sogar rückläu- Autor den Preisen für Chemieanlagen im ersten fige Preise dokumentiert hat. Lediglich Maschinen und Quartal 2019 hat die Entwicklung zur Jahres- Apparate legten mit 0,89 % in etwa gleich stark zu wie in mitte hin deutlich an Dynamik verloren. Stand Ende den Quartalen zuvor. Erstmals im Minus (-0,28 %) wa- März noch ein Plus von 1,03 % zu Buche, legten Che- ren dagegen Rohrleitungen, bei denen in den vergange- mieanlagen insgesamt zwischen April und Juni lediglich nen Jahren von Quartal zu Quartal relativ hohe Zuschlä- Armin Scheuermann um 0,34 % zu. Die Ursache dafür ist, dass in fast allen für ge zu verzeichnen waren. So legten diese beispielsweise ist Chefredakteur der Chemieanlagen relevanten Gewerken nur moderate im ersten Quartal 2018 um 2,42 % zu und verteuerten CHEMIE TECHNIK Preissteigerungen zu verzeichnen waren, während das sich seit 2016 ununterbrochen. Das Gewerk umfasst ne- 6 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020
Markt 115 Bautechnik (Mat. & Mont.) Elektrische Energieversorgung Indexbasis: 2015 = 100 Rohrleitungen H, I Ingenieurleistungen Montageleistungen Maschinen und Apparate Prozessleittechnik ben Rohrleitungen aus Stahl und Edelstahl auch Arma- & Beschichtung Dämmung 110 PCD turen aus diesen Materialien. 115 Bautechnik (Mat. & Mont.) Elektrische Energieversorgung Indexbasis: 2015 = 100 Rohrleitungen H, I Ingenieurleistungen Montageleistungen Maschinen und Apparate Prozessleittechnik verliert 105 Dämmung & Beschichtung Prozessleittechnik 110 PCD Im Gewerk Prozessleittechnik sind die Preisentwicklun- gen für Mess- und regeltechnische Geräte sowie für Au- 100 tomatisierungssysteme und PLT-Montagematerial zu- 105 sammengefasst. Die Feldinstrumentierung bildet dabei mit fast zwei Drittel Anteil den größten Block. 95 Während 100 die Preise für Messgeräte im vergangenen Quartal nach einem Plus von zuletzt 0,9 Indexpunkten stagnierten, 90 verloren Automatisierungssysteme über 2 % (2,5 Index- 95 2015Q3 2016Q4 2017Q3 2018Q4 2016Q2 2018Q1 2019Q2 2015Q2 2016Q3 2017Q1 2018Q2 2015Q4 2017Q2 2018Q3 2016Q3 2017Q4 2015Q2 2016Q1 2017Q2 2015Q3 2016Q1 2017Q4 2019Q1 2016Q2 2017Q3 2016Q4 2018Q1 punkte). 2015Q1 2015Q4 2017Q1 Im Indexschwergewicht „Maschinen und Apparate“ lassen sich die Kostensteigerungen im Wesentlichen auf 90 2018Q4 2019Q2 2018Q2 2018Q3 2019Q1 steigende Preise für Apparate zurückführen. So legten 2015Q1 Behälter und Kolonnen um rund 1 % zu, während bei Maschinen wie Verdichtern und Pumpen lediglich ein moderates Plus von je rund einem halben Prozent zu verzeichnen war. Preisentwicklung der im PCD-Index zusammengefassten Gewerke des Chemieanla- Bei der Bautechnik, die sich in den vergangenen genbaus. Bild:CHEMIE TECHNIK Quartalen deutlich verteuert hat, hat sich die Dynamik im 2. Quartal 2019 abgeschwächt. Das Plus lag zuletzt bei 0,47 % – nach einem Zuwachs von 1,36 % im ersten Quartal. PCD insgesamt Q2 - 19 vs Q1 -19 Tendenz nach unten, Ingenieurleistungen aber kein einheitliches Bild Montageleistungen PCD insgesamt Q2 - 19 vs Q1 -19 Ob sich das Projektgeschäft in der Chemie ähnlich wie Prozess- Ingenieurleistungen die Gesamtkonjunktur eintrübt, lässt sich anhand der leittechnik Preisentwicklung in den für Anlagenprojekte wesentli- Montageleistungen Elektrische Energieversorgung chen Gewerke noch nicht eindeutig sagen. Lediglich In- Prozess- dizien für eine Tendenz nach unten sind insgesamt er- Rohrleitungen H, I leittechnik kennbar. Der Preisrückgang bei Automatisierungssyste- Elektrische Maschinen und ApparateEnergieversorgung men reflektiert nicht nur die Entwicklung bei Prozess- steuerungssystemen, sondern im Wesentlichen auch die Dämmung & Beschichtung Rohrleitungen H, I Preise für Systeme zur Fertigungsautomatisierung. Und speziell im Gewerk Rohrleitungen können Großprojekte Maschinen und Apparate Bautechnik (Mat. & Mont.) wie Pipelines (z. B. Nordstream II) das Bild prägen. Die Dämmung & Beschichtung Beobachtung bestätigt sich auch bei einem Blick auf die -0,60% -0,40% -0,20% 0,00% 0,20% 0,40% 0,60% 0,80% 1,00% Details: Rohrleitungsmaterialien verloren im Quartals- Bautechnik (Mat. & Mont.) vergleich 0,7 Indexpunkte, während Armaturen um 0,4 Indexpunkte zulegten. Veränderungen der Preise für Leistungen -0,60% und -0,40% Gewerke -0,20% im Bau 0,00% von Chemieanlagen 0,20% 0,40% 0,60% 0,80% 1,0 Deshalb bleibt es spannend abzuwarten, wie sich die im Quartalsvergleich (Q2-2019 gegenüber Q1-2019). Bild:CHEMIE TECHNIK Preise für Ingenieurleistungen im zweiten Quartal ent- wickelt haben. Denn einerseits bilden Ingenieurleistun- gen im PCD mit einem Anteil von 27 % das größte net, dessen Basis das Jahr 2015 (=100) bildet. Aus der Schwergewicht, andererseits laufen die vom Statistischen Gewichtung der Einzelgewerke resultiert ein Index für Bundesamt veröffentlichten Zahlen für Ingenieurleis- die Preisentwicklung von Chemieanlagen. tungen immer ein Quartal nach. D. h., der aktuelle PCD Die detaillierten Daten senden wir Ihnen per E-Mail für das 2. Quartal gibt bei Ingenieurleistungen lediglich gegen Rechnung gerne zu. Anfragen an: susanne.ber- den Index für das 1. Quartal wider. Die Aktualisierung ger@huethig.de. ● erfolgt dann erst Ende September. Der Preisindex für Chemieanlagen in Deutschland www.chemietechnik.de/1908ct605 (PCD) wird vierteljährlich aktualisiert. Er dient als Trendbarometer für Planer von Chemieanlagen sowie Betreiber, die die Kosten von Projekten näherungsweise Entscheider-Facts abschätzen wollen. Im PCD werden nach einer vom ●● Die Preise für Chemieanlagen sind im 2. Quartal 2019 um Arbeitskreis Cost Engineering in der Dechema / Process 0,34 % gestiegen. Net entwickelten Methode die Gewerke Apparate und ●● Bei Rohrleitungen und Prozessleittechnik waren erstmals ne- Maschinen, Rohrleitungen und Armaturen, MSR-Ein- gative Preisentwicklungen zu verzeichnen. richtungen, Isolierung und Anstrich, elektrotechnische ●● Im Gewerk Maschinen und Apparate haben sich vor allem Ausrüstung sowie Bauteilkosten zu einem Index berech- Apparate verteuert. CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020 7
Titelthema Profi-Guide Branche Anlagenbau ● ● ● Chemie ●●● Pharma ● Ausrüster ●●● Funktion Planer ●●● Betreiber ●●● Einkäufer ●●● Manager ● Autoren Armin Scheuermann ist Chefredakteur der CHEMIE TECHNIK 8 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020
Titelthema S.8: Der neue Pro- zessknoten beinhal- Krohne und Samson stellen neuen Prozessknoten vor tet ein Regelventil, Alle Macht dem Feld eine Ultraschall- Durchflussmessung, eine Differenzdruck- messung und die Zentralistische Leittechnik steht einer autonomen und flexiblen Fabrik im Wege. Dieser Temperaturmes- sung. Überzeugung folgend, hat der Messtechnik-Anbieter Krohne gemeinsam mit dem Ven- tilspezialisten Samson für die Regelung von Flüssigkeitsströmungen eine Lösung entwi- André Boer und Kav- ckelt, die nicht nur das zentrale Leitsystem entlastet, sondern der Digitalisierung insge- reet Bhangu (oben links) leiten das samt Vorschub leisten soll. neue Unternehmen mit Sitz im nieder- ländischen Dordrecht. M it einem neuen, intelligenten Prozessknoten, ses, bestehend aus einer Durchflussmessung und einem der gleichzeitig Durchfluss, Druck und Tem- Ventil, entwickelte die KI in 2.000 Lernzyklen einen Al- Stephan Neuburger, peratur misst und als autonomes Regelgerät gorithmus zur Abfüllung von PET-Flaschen, der mit ei- CEO von Krohne agiert, beschreiten Krohne und Samson gemeinsam ner völlig neuen Fahrweise schneller und genauer ab- (oben rechts) und Dr. Neuland. „Bei der Umsetzung der Namur Open Ar- füllt, als konventionelle Systeme. Andreas Widl, Vor- standsvorsitzender chitecture und einer offenen Plattform für die Prozess- Im 50:50-Joint Venture mit dem Namen Focus-On von Samson, erklär- automatisierung laufen wir immer wieder gegen die haben die Hersteller die Idee nun zu einem Produkt ten die Kooperation gleiche Mauer: Wir haben Sensoren und Aktoren, aber umgesetzt: Das Gerät beinhaltet nicht nur ein Ventil, auf einer Pressekon- deren Daten bekommen wir nicht durch die Leittechnik- sondern auch ein Ultraschall-Durchflussmessgerät, eine ferenz im September Architektur, um entsprechende Dienste und Services für Differenzdruckmessung sowie die Temperatursensorik. 2019. die Optimierung bereitzustellen“, sagt Dr. Thomas Ste- Doch der neue Ventilknoten zielt nicht nur darauf, die Bilder: Redaktion ckenreiter, CTO von Samson. Regelgüte in Prozessen zu verbessern. „Dadurch, dass wir vier Geräte durch eines ersetzen, spart der Anwen- Sensorik in den Aktor integriert der rund ein Drittel der Investitions- und Installations- Schon im Hauptvortrag zur Namur-Hauptsitzung im kosten“, sagt André Boer, einer der beiden Geschäftsfüh- November 2015 hatte Krohne gezeigt, wie sich der Ge- rer des neuen Unternehmens, das seinen Sitz im nieder- rätehersteller die Integration von Sensorik und Aktorik ländischen Dordrecht hat. vorstellt: „Wir sind sogar so weit gegangen, dass wir die Zudem rechnet der Hersteller damit, dass sich das zentrale Steuerung und das Durchflussmessgerät integ- Engineering deutlich vereinfacht: Weil lediglich eine riert haben. Das Leitsystem muss nur noch einen Soll- Sensor-Aktor-Stelle geplant werden muss, sinkt die wert vorgeben“, beschreibt Dr. Attila Bilgic, CTO von Zahl der Engineering- und Einkaufsspezifikationen Krohne, die Vision. Das Potenzial eines solchen dezent- von vier auf eine. Auch die Zahl der Prozessanschlüsse ralen Regelgeräts verdeutlicht Bilgic anhand des Bei- und der damit notwendigen Flansche reduziert sich auf spiels einer Abfüllsteuerung: Mithilfe künstlicher Intelli- zwei Anschlüsse. Zudem sinkt das Risiko von Lecka- genz und unter Einsatz eines geschlossenen Regelkrei- gen, und auch die Verkabelung ist deutlich einfacher, CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020 9
Titelthema wodurch Installation und Inbetriebnahme vereinfacht eine Geräte- und Prozessdiagnose. „In der Praxis lassen werden. sich so präzise Vorhersagen zu Kavitationszuständen „Wir schätzen, dass wir durch das Einsparen von machen“, berichtet Steckenreiter. Weitere Überlegungen Flanschen und Verkabelung, aber auch im Engineering gehen dahin, die Ultraschallmessung für Analytik-Auf- und der Inbetriebnahme gegenüber klassischen Regel- gaben zu nutzen: beispielsweise um Viskosität und Dich- kreisen bis zu 50 Prozent Kosten sparen“, rechnet Kav- te zu bestimmen, Feststoffpartikel zu identifizieren und reet Bhangu, ebenfalls Geschäftsführer von Focus-On: Verschleiß in der Anlage zu überwachen. „Im Betrieb profitieren die Anwender von einer höheren Um die neue Technik auch für existierende Anlagen Regelgüte und höheren Regelgeschwindigkeit. Dort nachrüsten zu können, haben die Entwickler nicht nur spielt es eine Rolle, wie schnell ein vorgesehener Prozess konventionelle elektrische Anschlüsse wie beispielsweise punkt erreicht wird.“ Zusätzlich lassen sich durch die 4 bis 20 mA und Hart vorgesehen, sondern die Geräte permanente Optimierung des Regelkreises Betriebskos- auch so dimensioniert, dass sie sich einfach in bestehen- ten sparen. „Wir stehen noch ganz am Anfang, und de Anlagen integrieren lassen. „Anwender können die können die neuen Möglichkeiten noch gar nicht alle Technik dadurch einfach in bestehenden Anlagen aus- abschätzen“, so Bhangu. probieren“, sagt Stefan Neuburger, CEO von Krohne. Doch bei allem Enthusiasmus wissen die Manager Gleichzeitig können nach der Namur Open Architecture aber auch, dass für die Umsetzung des neuen Ansatzes NOA aufgebaute, rückwirkungsfreie Kommunikations- erst einmal organisatorische Hürden zu nehmen sind. kanäle für Diagnosefunktionen genutzt werden. Dies Denn bislang werden Rohrleitungen, Ventile und Mess- geschieht entweder per WLAN oder Bluetooth. instrumentierung getrennt voneinander geplant. Dazu Einen ersten Kundenkreis sieht Neuburger in den sind Änderungen an den Fließbildern notwendig, wel- Herstellern von Skids, die als Module in Prozessanlagen che die Grundlage für den Engineering-Prozess bilden. beispielsweise der Lebensmittelindustrie, aber auch der „Wir müssen den Planungsprozess überarbeiten, wenn Öl und Gasindustrie eingesetzt werden: „Für diese spie- wir den Nutzen der Digitalisierung heben wollen“, sagt len der Platzbedarf und das Gewicht eine entscheidende Steckenreiter, und Bilgic ergänzt: „Wenn die Planungs- Rolle. Skid-Hersteller werden sich diese Vorteile sehr prozesse so bleiben, dann wird man die Vorteile nicht schnell zunutze machen wollen.“ heben können. Aber irgendjemand auf der Welt wird das tun, und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil ver- Flexible Hard- und Softwarearchitektur schaffen“, ist Bilgic überzeugt. Um offen für zukünftige Entwicklungen zu sein, hat das Entwicklungsteam eine mehrstufige Hard- und Soft- Digitaler Zwilling im Ventilknoten warearchitektur entwickelt. „Unser Ansatz beruht ähn- Im Betrieb zeichnet sich der neue Ventilknoten gegen- lich wie bei der Entwicklung von Mobiltelefonen auf drei über dem klassischen Aufbau auch aufgrund der kurzen Schichten: Einem Application Layer, in dem Cloud- Wege und der Abstimmung von Sensorik und Aktorik Dienste abgebildet werden, und ganz unten einem Phy- durch eine bessere Regelgüte aus. Die Kooperationspart- sical Layer, der das Produkt selbst darstellt. Dazwischen ner haben in das Gerät nicht nur einen Mikroprozessor schafft der Orchestration Layer die Verbindung. Über mit hoher Rechenleistung integriert, sondern legen auch diese Architektur sind wir in der Lage, jedem Gerät be- die Betriebsdaten im Gerätespeicher ab. Dadurch kann liebige Funktionen anzudienen“, beschreibt Dr. Andreas der autonome Ventilknoten eigenständige Optimierun- Widl, Vorstandsvorsitzender von Samson, die Überle- gen vornehmen und den aktuellen Betriebszustand mit gungen und ist überzeugt: „Bei Focus-On geht es um einem im Gerät hinterlegten Modell ständig abgleichen. mehr als die Integration von Sensorik und Aktorik – wir „Aus meiner Sicht ist die Anlagensteuerung heutzutage gehen hier den Schritt von der analogen in die digitale alles andere als optimal. Häufig stellen die Ingenieure die Welt.“ ● Messgenauigkeit über die Regelgüte. Dadurch kommt es oft zu unsinnigen Prozessführungskonzepten“, sagt Tho- www.chemietechnik.de/1910ct650 mas Steckenreiter. Oft führe dies dazu, dass zusätzliche Sensoren und Aktoren verbaut werden, mit denen eine Entscheider-Facts sichere Fahrweise erreicht werden soll: „Das geht zu ●● Der neue Prozessknoten misst gleichzeitig Durchfluss, Druck Lasten der Prozesseffizienz.“ und Temperatur und agiert als autonomes Regelgerät. Ein im Gerät abgelegter digitaler Zwilling des Regel- ●● Neben einer besseren Regelgüte sollen vor allem auch gerin- kreises vergleicht die Messwerte mit den aus dem Pro- gere Investitions- und Installationskosten erreicht werden. zessmodell berechneten. So können die aktuellen Mess- ●● Das Gerät wird im 50:50-Joint Venture Focus-On entwickelt, werte verifiziert werden und entsteht die Grundlage für produziert und vermarktet. Eigenschaften des Prozessknotens Der neue Prozessknoten beinhaltet ein Re- fährdeten Bereichen in den Zündschutzar- Durchflussmessung gibt der Hersteller mit gelventil, eine Ultraschall-Durchflussmes- ten Ex d und Ex e angeboten werden und besser als ein Prozent vom Messwert an, sung, eine Differenzdruckmessung und die sollen ab dem ersten Quartal 2020 in der damit wird eine exzellente Regelgüte er- Temperaturmessung. Die Geräte sollen Nennweite DN 80 und Druckstufe PN reicht. künftig für den Einsatz in explosionsge- 16/40 verfügbar sein. Die Genauigkeit der 10 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020
Automatisierung Profi-Guide Branche Anlagenbau ● ● ● Chemie ● Pharma Ausrüster ●●● Funktion Planer ●● Betreiber ●●● Einkäufer ● Manager ●●● Namur definiert Rolle der Sensoren in Prozessanlagen Das Feld gewinnt E s war Paukenschlag und Weckruf zugleich, als der stand Dr. Wilhelm Otten damals gleich zu Beginn vor damalige Noch-Vorstandschef der Anwenderver- dem mit 650 Automatisierungsexperten voll besetzten einigung Namur im November 2018 seine Sicht Saal einen Pflock ein. „Feldgeräte werden dagegen über- auf die zukünftige Rolle smarter Sensoren in der Prozes- leben“, so Otten. Denn diese haben als Augen und Oh- sautomatisierung formulierte: „Ich glaube, das eine oder ren der Prozesse eine Zukunft. Allerdings zeichnen sich andere System der Automatisierung wird von der Digi- auch hier Veränderungen ab: Längst wünschen sich die talisierung weggewischt werden“, rammte Namur-Vor- Automatisierungsanwender, dass Feldgeräte nicht mehr Bild: Markus Herrmann – AdobeStock CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020 11
Automatisierung Wir verstehen uns als Treiber und Gestalter der Feldgeräte ein sicherer Bestandteil der OT- und IT-Welt werden, denn es geht darum, Wissen überall dort ver- digitalen Transformation. Mit unseren Kernthe- fügbar zu machen, wo dieses benötigt wird“, erläutert men Modularisierung und Namur Open Ar- CEO Matthias Altendorf. Das erfordert allerdings eine chitecture und dem einheitlichen Datenmodell neue Kommunikationsstruktur, denn die für smarte haben wir die wichtigsten Themen angespro- Feldgeräte benötigten Bandbreiten sind in den vorhan- chen, um die Digitalisierung voranzubringen. denen klassischen Leitsystemen nicht vorhanden. „Pro- zessleitsysteme sind der Flaschenhals, deshalb wollen Dr. Felix Hanisch, Bayer, ist Vorstandsvorsitzender wir das Feld stärken“, erklärt Dr. Andreas Mayr, der Namur Endress+Hauser. An entsprechenden Kommunikati- onstechniken, welche die benötigte Bandbreite bieten, arbeiten die Hersteller bereits. So soll im Projekt Ad- Ich glaube, das eine oder andere System der Au- vanced Physical Layer (APL) eine 2-Draht-Ethernet- tomatisierung wird von der Digitalisierung verbindung entstehen, mit der Feldgeräte künftig auch weggewischt werden. Feldgeräte werden aber im Ex-Bereich angebunden werden können. Daneben entstehen neue Lösungen zur Nachrüstung von Wirel- überleben. ess-Hart-Drahtloskommunikation, die auch die Funk- Dr. Wilhelm Otten, Evonik, ist Vorstandsmitglied tion der rückwirkungsfreien Kommunikation (Namur- der Namur Diode) unterstützen sollen. „Allerdings wird sich APL nur dann durchsetzen, wenn die Integration in die Anlagen einfach ist – denn das war der Grund, weshalb sich der digitale Feldbus bislang nicht durchgesetzt hat“, so Mayr. allein Messungen wie Druck und Temperatur liefern, „Es sind die einfachen Lösungen die sich durchset- die lediglich indirekt Rückschlüsse auf die Produktei- zen“, zeigt sich auch Ulrich Schünemann, BASF, über- genschaften und den Prozesszustand zulassen, sondern zeugt und definiert gemeinsam mit Frank Grümbel, direkte Aussagen zu Massenströmen, Konzentrationen Lanxess, die Faktoren, die für eine erfolgreiche Digita- und Produktqualität. Und natürlich sollen die Feldinst- lisierung der Prozessanalysentechnik wichtig sind: rumente auch die digitale Transformation der Branche ●● Komplexität ist gekapselt. unterstützen. Wie dies geschehen kann, dafür wurden ●● Hoher Grad an Standardisierung. in Bad Neuenahr sowohl praktische Beispiele als auch ●● Infrastruktur im Feld vorhanden. Visionen gezeigt. Schon seit vier Jahren arbeitet die ●● Mindset der Anwender. Namur beispielsweise intensiv an der Frage, wie Gerä- ●● Anwender hat von der Digitalisierung einen unmit- te- und Prozessinformationen über einen zweiten In- telbaren Nutzen. formationskanal aus der Anlage in moderne Auswer- Vor allem der letzte Punkt wurde in vielen Beiträgen tungssysteme übertragen werden können, ohne die der Anwender betont: Nur wenn die Anwender einen klassischen Regelkreise zu belasten. Dazu unmittelbaren Vorteil für ihr eigenes Auf- wird fieberhaft an der Namur Open Ar- gabengebiet haben, werden sie auch bereit chitecture gearbeitet. „Wir erwarten, dass Es sind die einfa- sein, zusätzlichen Aufwand, beispielsweise NOA 2019 reif für konkrete Produkte sein zur elektronischen Dokumentation von chen Lösungen wird“, meldete Jan De Caigny, BASF in Veränderungen, zu leisten. So setzt die seinem Statusbericht zur NOA. die sich durchset- Beschleunigung von Optimierungen und „Wir verstehen uns als Treiber und Ge- zen – deshalb Erweiterungen, aber auch die vorbeugen- stalter der digitalen Transformation. Mit muss Komplexi- de Wartung und Instandhaltung eine kon- unseren Kernthemen Modularisierung tät gekapselt sistente Anlagendokumentation über den und Namur Open Architecture und dem gesamten Lebenszyklus voraus. Ein Mehr- werden. einheitlichen Datenmodell haben wir die aufwand, der vom Betriebspersonal nur wichtigsten Themen angesprochen, um dann geleistet wird, wenn daraus unmittel- die Digitalisierung gemeinsam mit den Herstellern vo- barer Nutzen entsteht. Mit Anwendungsbeispielen – ranzubringen“, erklärte Dr. Felix Hanisch, Bayer, der sogenannten „use cases“ – will die Anwendervereini- den Vorstandsvorsitz der Namur inzwischen von Dr. gung den Betreibern Lust auf Digitalisierung machen Wilhelm Otten übernommen hat. und den Nutzen zusätzlicher Sensoren in den Anlagen rechtfertigen. „Wir wollen mehr Daten schneller und Prozessanalysentechnik hat Potenzial einfacher nutzen. Das Feldgerät muss von Anfang an in Aus Sicht der Anwendervereinigung hat insbesondere die Überwachung eingebunden werden, und über den Autor die Prozessanalysentechnik noch sehr viel Potenzial. gesamten Asset Lifecycle müssen alle Informationen „Wenn wir in der Lage sind, Konzentrationen und Stoff- zur Verfügung stehen“, erklärt Thomas Schwerwietes, eigenschaften im Prozess zu messen, dann haben wir in Evonik. Verbindung mit APC die Möglichkeit, unsere Prozesse Dass sich die Digitalisierung allerdings nicht nur in am absoluten Optimum zu fahren“, so Otten. der Betriebsphase auszahlt, sieht Endress+ Hauser- Armin Scheuermann Eine Kerbe, in die auch Hauptsitzungssponsor Manager Nikolaus Krüger: „Auch bei den vor- und ist Chefredakteur der Endress+Hauser mit dem selbst gewählten Motto „em- nachgelagerten Prozessen lässt sich viel Geld sparen. So CHEMIE TECHNIK power the field“ schlug: „Wir wollen, dass die smarten ermöglichen es digitale Abläufe in der Beschaffung, die 12 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020
Automatisierung Prozesskosten massiv zu reduzieren. Wir müssen mit Kunden häufig über Rabatte im Promillebereich disku- Wir wollen, dass die smarten Feldgeräte tieren, dabei werden Prozesskosten in Millionenhöhe ein sicherer Bestandteil der OT- und IT-Welt vergeigt.“ werden, denn es geht darum, Wissen überall dort verfügbar zu machen, wo dieses Module kapseln die Komplexität benötigt wird. von Geräten und Anlagenteilen Das Verringern von Komplexität sehen die Anwender Matthias Altendorf, CEO von Endress+Hauser als Schlüssel, um die digitale Transformation zum Erfolg zu führen. Dies soll beispielsweise durch die Modulari- sierung von Anlagen und Automatisierungssystemen erreicht werden. „Weil in Modulen verfahrenstechnische Funktionen gekapselt werden, sinkt die Komplexität im Modularisierung und Kapselung kann dazu füh- Engineering, bei der Inbetriebnahme und in der In- standhaltung“, ist Dr. Michael Maiwald von der Bundes- ren, dass Prozessautomatisierung nur noch aus anstalt für Materialforschung überzeugt. Konsequent zu intelligenten Feldgeräten besteht. Ende gedacht, könnte die Modularisierung und Kapse- Dr. Michael Maiwald, BAM lung dazu führen, dass Prozessautomatisierung irgend- wann nur noch aus intelligenten Feldgeräten besteht, so Maiwald. Eine Vision mit ähnlicher Automatisierungsstruktur verfolgt beispielsweise auch eine Gruppe von Anwen- dern um den Energieriesen Exxon-Mobil mit der Open Process Automation. Dass The Open Group mit „OPA“ Digitale Abläufe in der Beschaffung ermögli- ernst macht, wurde im Workshop-Beitrag von Don chen es, die Prozesskosten massiv zu reduzieren. Bartusiak deutlich: Mit für die Verhältnisse der Prozes- Nikolaus Krüger, Vertriebsvorstand Endress+Hauser sindustrie schwindelerregender Geschwindigkeit Bilder: Redaktion stampfen die Amerikaner eine neue Automatisierungs- struktur aus dem Boden, in der das klassische Prozess- leitsystem ausgedient hat und künftig Hard- und Soft- ware beliebiger Hersteller kombiniert werden sollen. Konkret arbeitet die Gruppe bereits an Prototypen für Feldtests. Ebenfalls bereits sehr konkret ist die von der Namur zugetraut. „Allerdings gibt es nicht die eine Connectivi- bereits vor sechs Jahren angestoßene Modulautomation ty-Lösung für alle Anwendungsfälle“, verdeutlicht Mar- – Stichwort „Module Type Package“, MTP: Auch hier tin Schwibach, BASF. Vielmehr muss für jeden Anwen- kommt die Intelligenz aus dem Feld. „Mit modularen dungsfall unter den verfügbaren Systemen wie 5G, Lora, Prozesseinheiten ändert sich der Engineering-Prozess Bluetooth oder Wifi die Lösung mit dem besten Kosten- – das ist einen neue Art zu denken und zu planen“, er- Nutzen-Verhältnis ausgewählt werden. Dazu will die klärt Dr. Frank Stenger, Evonik. Statt Anlagen jedes Mal Namur ein Connectivity-Portfolio für verschiedene An- wieder komplett auszulegen, so die Vision, sollen künf- wendungsfälle definieren. „Wenn Daten das Erdöl des tig lediglich verfahrenstechnische Einheiten konfigu- 21. Jahrhunderts sind, dann ist Connectivity die Tank- riert werden. Langfristig ist auf diese Weise sogar eine stelle“, verdeutlicht Schwibach. Um das Thema vertieft neue Definition des Anlagenbetreibers denkbar: „War- zu behandeln, wird die Namur-Hauptsitzung 2019 des- um sollen Betreiber noch selbst in Anlagen investieren halb unter dem Motto „Enhanced connectivity for smart und diese nicht einfach leasen und für deren Nutzung production“ stehen. ● bezahlen“, so Stenger. Namur will Connectivity-Portfolio für verschiedene Anwendungsfälle definieren Auch wenn die bisherigen Ergebnisse ermutigend sind und zeigen, dass „Plug & Produce“ Realität werden wird, für die Digitalisierung der Prozessindustrie ist noch viel Entscheider-Facts zu tun. Ein wesentliches Arbeitsfeld bleibt die Kommu- ●● Feldinstrumente sollen die digitale Transformation nikation. Neben dem erwähnten ex-fähigen 2-Draht der Prozessindustrie unterstützen. Wie dies gesche- Ethernet (APL) und der Drahtloskommunikation arbei- hen kann, dafür wurden in Bad Neuenahr sowohl tet die Namur gemeinsam mit anderen Industrieorgani- praktische Beispiele als auch Visionen gezeigt. sationen daran, dass der Industrie im künftigen Mobil- ●● Damit sich neue Lösungen zur Digitalisierung durch- funkstandard 5G eigene Frequenzen reserviert werden. setzen, müssen diese für den Anwender einfach sein Ermutigt von Erfahrungen mit einem eigenen 4G-Netz, – Komplexität muss gekapselt werden. das beispielsweise die BASF bereits am Standort Lud- ●● Ein Mehraufwand zur Digitalisierung wird vom Be- wigshafen für autonome Transportsysteme betreibt, triebspersonal nur dann akzeptiert werden, wenn da- wird der leistungsfähigen 5G-Technik großes Potenzial raus unmittelbarer Nutzen entsteht. CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020 13
Automatisierung Profi-Guide Branche Anlagenbau ● ● Chemie ●●● Pharma ●●● Ausrüster ●● Funktion Planer ●● Betreiber ●●● Einkäufer ● Manager ●● Konnektivität als Grundlage der Digitalisierung Anschluss mit Kontext Ohne Kontext sind Daten nichts wert. Diese Feststellung gilt insbesondere in Anlagen der Prozessindustrie. „Enhanced Connectivity“ lautet deshalb die Devise des diesjähri- gen Namur-Sitzungssponsors Phoenix Contact, der neben dem physikalischen Anschluss künftig vor allem auch die Logik einbringen will, damit die Namur Open Architecture Realität werden kann. M ehr Effizienz in der Produktion, weniger Aussagen über Prozesszusammenhänge zu erlangen? Energieeinsatz und eine vorausschauende Der Schlüssel dazu liegt in den Feldgeräten, die in den Wartung bei geringerem Engineering-Auf- bestehenden Anlagen bereits verbaut sind. Denn obwohl wand: Diese drei Wünsche sind nur einige Beispiele da- es schon seit vielen Jahren digitale Bussysteme wie Foun- für, welchen Nutzen sich die Prozessbetreiber von der dation Fieldbus oder Profibus PA gibt, beherrscht aktuell Digitalisierung erhoffen. Mit der Namur Open Architec- nach wie vor analoge Technik die Szene. „In 80 % der ture hat die Interessengemeinschaft Automatisierungs- Anlagen wird auch heute noch das 4…20-mA-Signal Autor technik in der Prozessindustrie – kurz „Namur“ – einen genutzt. Die Geräte verfügen in der Regel über Hart- Weg skizziert, wie in Zukunft schnelllebige Technik der Funktionen, doch diese sind in den Sensoren und Akto- IT-Welt dazu genutzt werden kann, ohne die leittechni- ren meist gestrandet und werden nicht verwendet“, be- sche Struktur einer Anlage zu überfrachten. Doch wie richtet Wilfried Grote, Global Industry Manager Chemi- können Informationen rückwirkungsfrei aus bestehen- cals and Pharmaceuticals bei Phoenix Contact. Armin Scheuermann den Anlagen gewonnen werden? Wie lassen sich vor- Erschwerend kommt hinzu, dass die einzelnen per ist Chefredakteur der handene Feldgeräte dafür verwenden, um beispielsweise Hart-Protokoll verschlüsselten Parameter zum Teil un- CHEMIE TECHNIK Wartungsinformationen zu Geräten oder zusätzliche terschiedlich und auch herstellerspezifisch sind. „Darin 14 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020
Automatisierung Mit einer offenen Architektur werden die über ein Prozess-Interface ausgele- senen Felddaten kontextualisiert. stecken sehr interessante Informationen für die Diagno- die in einer zentralen Datenbank existierende Gerätebe- se von Geräten, aber ebenso von Anlagen, die man für schreibung mit den Geräteeigenschaften verglichen. Die eine vorausschauende Wartung einsetzen könnte“, ist ebenfalls per Hart-Kommunikation übertragene TAG- Grote überzeugt: „Wir wollen auf der Namur-Hauptsit- Nummer eines Geräts ermöglicht es, die angereicherten zung zeigen, dass sich Hart-Daten auslesen lassen und Informationen zu einem Gerät der im CAE-Werkzeug kontextualisiert bereitgestellt werden können.“ Kontext hinterlegten Messstelle zuzuordnen. bedeutet in diesem Zusammenhang, dass beispielsweise Für die lesende Kommunikation wird einerseits ein Informationen der Messstelle, wie die Seriennummer Hart-Gateway, andererseits ein Edge Device genutzt. des Gerätes, verknüpft werden mit externen Datenban- „Wir sehen Enhanced Connectivity als ein System, das Zur Digitalisierung ken, in denen Informationen abgelegt sind, wie die aus einer Architektur von drei Schritten besteht: dem von existierenden Hart-Signale eines spezifischen Gerätes zu interpretie- Prozess-Interface, über das Daten rückwirkungsfrei aus- Anlagen sollen ren sind. Erst dieses „Mapping“ erlaubt es, Prozess- und gelesen werden, der Kontextualisierung, bei der Daten weitgehend Daten dienen, die in den Diagnosedaten für weiterführende Auswertungen zu aggregiert und strukturiert bereitgestellt werden, und Feldgeräten bereits nutzen. der Informationsverarbeitungsebene, in der Informatio- vorhanden sind. Das In der Praxis ist dies bislang auch deshalb nicht mög- nen aufbereitet werden, um sie beispielsweise für die erfordert sowohl lich, weil die As-Built-Dokumentation in der Regel un- vorausschauende Wartung zu verwenden“, erklärt Wil- Hardware- als auch vollständig ist, wenn sie nach der Inbetriebnahme einer fried Grote. logische Verbindun- Anlage nicht lückenlos weitergeführt wird – zum Bei- Wo die Informationsebene realisiert wird, wird der- gen. spiel dann, wenn defekte Geräte ausgetauscht wurden, zeit zum Teil kontrovers diskutiert: Cloud-Lösungen die zwar Messwerte liefern, aber nicht exakt den zuvor werden von Unternehmen der Großchemie vor dem eingebauten entsprechen. „Es gibt in der Praxis wenig Hintergrund der IT-Sicherheit und des Know-how- Transparenz über den Anlagenzustand und die Assets. Schutzes kritisch betrachtet. Komplexe Algorithmen Um den Nutzen der Digitalisierung zu heben, ist die sollen daher künftig nicht nur in Cloud-Systemen, son- Transparenz der Assets über deren Zustand jedoch un- dern auch direkt im Edge- oder Connectivity-Gateway verzichtbar“, ist Grote überzeugt. verarbeitet werden. Dazu will der Hersteller sein aktuel- les PLCnext-System nutzen. Applikationen, wie zum Abgleich zwischen Planungswerkzeug Beispiel eine Motor- oder Pumpenüberwachung, wer- und Datenbank mit Gerätebeschreibungen den über einen App-Store zur Verfügung gestellt und Der Schlüssel dazu liegt in den Gerätebeschreibungen, können entweder in Cloud-Systeme oder in das Edge- die heute entweder als EDD, als FDT-DTM oder FDI- Gateway gelangen und mit niedrigem Engineering-Auf- Package zur Verfügung gestellt werden. Den Abgleich wand verwendet werden. zwischen „As Planned“ und „As Built“ stellen sich die Neu an diesem Ansatz ist nicht nur, dass Informatio- Automatisierungsspezialisten aus Blomberg wie folgt nen aus der Feldebene zugänglich werden, ohne die vor: Zwischen dem Planungs- bzw. CAE-Werkzeugen leittechnische Struktur zu belasten, sondern ebenfalls und den in der Anlage vorhandenen Geräten findet ein die Verknüpfung mit externen Datenbanken und die automatischer Abgleich statt. Die per Hart-Kommunika- Möglichkeit, diese Informationen beispielsweise in tion übermittelte Seriennummer eines Geräts wird über Cloud-Applikationen zu nutzen. Zudem erlaubt der CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020 15
Automatisierung weise für die Überwachung von Motoren und Pumpen (Rotating Equipment): Längst verwenden beispielsweise Insellösungen zur Überwachung von Pumpen und Kompressoren Informationen wie die Stromaufnahme, die Wirkleistung und Phasenverschiebung, um Aussa- gen über den Zustand der Maschine zu gewinnen. Tiefere Einblicke in den Zustand der Anlage mit weniger Aufwand gewinnen Dies könnte zwar theoretisch ebenso mit Leitsystemen oder Wartungskonsolen umgesetzt werden, doch die Integration in die Leittechnik sowie die Installation zu- sätzlicher Sensoren scheitert oft an dem dafür entstehen- den Aufwand: Neben den Anforderungen an die Hard- ware geht es auch um die Einbindung in das Leitsystem und die notwendige Dokumentation. „Die Namur Open Architecture ermöglicht es uns, diesen Aufwand deut- lich zu reduzieren“, ist Grote überzeugt und sieht darin ebenfalls eine Option, mit weiteren Low-Cost-Sensoren tiefere Einblicke in den Zustand von Maschinen und Anlagen zu erhalten. Die neue Offenheit erlaubt es dem Verbindungstech- nik-Spezialisten aus Blomberg, eigene Monitoring-Lö- sungen für unterschiedliche Anwendungsfälle zu entwi- ckeln. „Wir verstehen uns nicht als künftige Systeminte- gratoren für Großanlagen, sondern wollen verschiedene Das Enhanced Applikationen und Lösungen gemeinsam mit den An- Connectivity System NOA-Ansatz offene Prozessschnittstellen, die nicht wendern erarbeiten, die den Betrieb von Prozessanlagen besteht aus den drei Ebenen Prozess- mehr herstellerspezifisch sind. Das Datenmodell für erleichtern helfen“, so Grote. Die Apps sind dabei nicht Interface, Kontextu- NOA, „PA DIM“ genannt, wird von den Anwendern nur neue Software-Funktionen, sondern sollen gleich- alisierung der Daten selbst gemeinsam mit den Herstellern erarbeitet und zeitig dabei unterstützen, die Komplexität der erweiter- und der Informati- basiert auf dem existierenden Profil Profibus PA 3.0. ten Konnektivität zu kapseln. Der Anbieter arbeitet onsverarbeitungs- Eingesetzt werden soll die neue Konnektivität beispiels- derzeit an drei Pilotprojekten, in denen NOA und der ebene. So lassen sich Hart- Daten rückwirkungs- frei sowie NOA-kon- form für Monito- ring- und Optimie- rungszwecke ohne Programmierauf- wand nutzbar ma- chen. Bilder: Phoenix Contact 16 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020
Automatisierung Kontextualisierung durch Geräteinformationen führt zu semantischen Daten, aus denen Spezialisten Anwendun- gen für die vorausschauende Wartung entwickeln können. Wilfried Grote, Global Industry Manager Chemicals and Pharmaceuti- cals bei Phoenix Contact „Enhanced Connectivity“ genannte Ecosystem-Ansatz werden können. Das Edge-Gerät übermittelt zudem In- Realität werden sollen: In einer Testanlage der IGR bei formationen via OPC UA in die Cloud oder an ein beste- Bilfinger im Industriepark Höchst wird der Einsatz einer hendes Monitoring- und Überwachungssystem. In der generischen Hart-Diode untersucht: Hart-Diagnoseda- dritten Ausbaustufe wird ein IIOT-Server von Code- ten aus dem Feld werden NOA-konform ausgelesen und wrightseingesetzt, um den Abgleich der „As Built“- mit per Edge-Computing aggregiert. Dabei wird auch die den „As Planned“-Informationen zu bewerkstelligen. Verwendung weiterer Apps für Cloud-Lösungen ergrün- „Durch Enhanced Connectivity wird NOA anwend- det. In einem anderen Pilotprojekt wird analysiert, wie bar und können Daten aus dem Feld einfach für die die Nutzung des MTP-Konzepts sowie der erweiterten Prozessoptimierung und vorausschauende Wartung ver- Konnektivität helfen kann, den Engineering-Aufwand wendet werden“, resümiert Wilfried Grote „Das Enhan- zu reduzieren. Und schließlich geht es in einem Pilotpro- ced Connectivity-System sammelt Daten ein, bringt jekt bei der BASF um die Umsetzung der Open Process diese in einen Kontext und stellt sie auf der Informati- Automation, OPAF – einem von Exxonmobil initiierten onsebene bereit. Dort können dann weitere Analysen Ansatz, bei dem Prozessautomation in Zukunft auf kom- sowie komplexere Algorithmen – auch durch Drittan- plett offenen Standards basieren soll und proprietäre bieter – ausgewertet werden.“ ● Leittechnik vermieden wird. Für das Enhanced Connectivity-Projekt plant der www.chemietechnik.de/1910ct600 Automatisierungs- und Verbindungstechnikhersteller drei Ausbaustufen. Zunächst wird das Hart-Signal zwi- schen Feldgerät und Leitsystem abgegriffen. Dazu setzt der Hersteller eine eigene Schneidklemme ein, mit der Entscheider-Facts die 4…20-mA-Leitung „angezapft“ wird, ohne die Ver- ●● Daten aus Feldgeräten lassen sich nur dann zur Digitalisie- fügbarkeit des Feldgeräts zu beeinträchtigen. In der ers- rung nutzen, wenn sie mit Kontext angereichert werden. ten Ausbaustufe wird ein Hart-IP-Gateway verwendet, ●● Neben der Verbindungstechnik geht es deshalb um die se- um Diagnoseinformationen auszulesen und in Cloud- mantische Verknüpfung von Daten und Informationen. Applikationen zu nutzen. In der zweiten Ausbaustufe ●● Mit einem dreistufigen Ansatz will Phoenix Contact dazu wird dem Hart-IP-Gateway das Edge-Gateway nachge- beitragen, dass die Namur Open Architecture anwendbar schaltet, das Daten aggregiert und in das Apps geladen wird. Feldgeräteanbindung – smart und flexibel Der systemübergreifende Austausch von Produktions- und Anlagendaten bildet die Basis für höhere Effizienz und Flexibilität in der Prozessautomatisierung. Die Gateways von Softing für protokoll- übergreifende Prozesssteuerung und Asset Management helfen dabei, diese Basis zu schaffen. Optimieren Sie Ihre Anlagen und Prozesse durch nahtlose digitale Kommunikation. +++ Die Nase vorn bei digitaler Kommunikation in der Prozessautomatisierung +++ https://industrial. softing.com
Automatisierung Profi-Guide Branche Anlagenbau ● ● Chemie ●●● Pharma ●●● Ausrüster ●●● Funktion Planer ●● Betreiber ●●● Einkäufer ● Manager ● Bild: dusanpetkovic1 – AdobeStock Mobile Konfiguration von Feldgeräten der Prozessindustrie Anschluss an die Moderne Intelligente Feldgeräte liefern deutlich mehr als nur Messwerte. Über verschiedene In- tegrationstechnologien werden Informationen zugänglich, die zur Prozessoptimierung genutzt werden können. Doch erst geeignete Asset-Management-Tools und geeignete Schnittstellen ermöglichen vor Ort einen mobilen Zugriff auf die Feldgeräte. I ntelligente Feldgeräte bieten unzählige konfigurier- nicht auf eine allgemein gültige Lösung einigen. Aktuell bare Parameter. Bei einem Radarfüllstandsensor stehen dem Endnutzer die folgenden Integrationstech- zum Beispiel liegt die Zahl der zu konfigurierenden nologien mit unterschiedlichen Ansätzen zur Verfü- Parameter in der Regel bei mehr als 500. Hinzu kommt, gung: dass in typischen Installationen der Prozessindustrien ●● EDD (Electronical Device Descriptions) – eine textu- sowie in explosionsgeschützten Bereichen Feldgeräte elle Gerätebeschreibungsdatei, mit unterschiedlichen Protokollen im Einsatz sind. Die ●● FDT/DTM (Field Device Tool, Device Type Mana- gängigsten Protokolle sind dabei Hart, Foundation ger) – Gerätetreiber mit integrierter Bedienober Fieldbus und Profibus PA. Es ist keine Seltenheit, dass in fläche, Prozessanlagen mehrere Hundert oder sogar mehr als ●● FDI (Field Device Integration) – eine Kombination Tausend Feldgeräte verschiedener Hersteller mit unter- aus FDT und EDD. schiedlichen Protokollen im Betrieb sind. Die unter- schiedlichen Gerätehersteller liefern meist noch unter- Mobile Enterprise-Lösungen schiedliche Schnittstellen zur Gerätekonfiguration. Das Digitale, mobile, vernetzte und standardisierte Lösun- erhöht die Investitionskosten und macht das Sammeln gen sind gefragt, welche Daten von Anlagen, Maschinen und Auswerten von Daten unnötig kompliziert und w und Feldgeräten einfach zugänglich machen und War- Autor enig effizient. tungsabläufe für die Konfiguration, Inbetriebnahme und Anfänglich schien es unmöglich, bei der Vielzahl Fehlerbehebung der Geräte verbessern und rationalisie- Shkelqim Shala, unterschiedlicher Technologien den Überblick zu behal- ren. Hier bieten sich tabletgebundene Asset Manage- Product Manager, Softing Industrial ten, um den anfallenden Aufgaben gewachsen zu sein. ment Tools an, die es dem Wartungspersonal erlauben, Automation Verschiedene Organisationen und Institutionen erkann- vor Ort den gesamten Lebenszyklus der Feldgeräte zu ten schon früh die Notwendigkeit der Standardisierung verwalten und über standardisierte Integrationstechno- Erstveröffentlichung in CT 7/2019. Die und entwickelten Integrationstechnologien und Techno- logien zu konfigurieren. Durch die Vernetzung des Tab- Zweitveröffentli- logien zur Datenbereitstellung, die auf offenen, proto- lets mit einem Gesamtsystem sind die Daten an jedem chung in dieser Aus- koll- und herstellerunabhängigen Architekturen basie- Ort jederzeit verfügbar. Solche Komplettlösungen wer- gabe wurde von ren und eine nahtlose Interoperabilität sowie Flexibilität den durch Schnittstellen ergänzt, die einen mobilen Softing gesponsert. bei der Integration bieten. Allerdings konnte man sich Zugriff auf die Feldgeräte über die entsprechenden Inte- 18 CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020
Automatisierung grationstechnologien und Protokolle vor Ort ermögli- Damit Daten chen. aus Feldgeräten an Im Sinne der präventiven und vorausschauenden jedem Ort und zu Wartungsstrategie werden Feldgeräte, noch bevor sie jeder Zeit genutzt werden können, ausfallen, ausgetauscht. Bevor es jedoch für das War- sind Schnittstellen tungspersonal in die Anlage geht, wird das Ersatzgerät notwendig. schon auf der Werkbank vorkonfiguriert. Auch hier kommt das vernetzte Tablet in Kombination mit der Schnittstelle zum Einsatz, um einen schnellen und einfa- chen Geräteaustausch mit möglichst geringer Ausfallzeit zu ermöglichen. Es lässt sich auch eine Offline-Konfigu- ration der Geräte vorab durchführen, ohne dass das Gerät physikalisch vorhanden ist. Anhand der Beschrei- bungsdateien der Integrationstechnologien werden Pa- rameter in der Applikation hinterlegt und bei der Inbe- triebnahme des Gerätes geladen, was Zeit und Aufwand Profibus PA über eine einzige Schnittstelle. Die Verbin- spart. dung zum mobilen Endgerät kann über USB oder Blue- Ein ineinander verzahntes, kompatibles Lösungs- tooth erfolgen, dabei ist das Gerät mit Windows-, And- portfolio aus Tablet, mobilen Schnittstellen und profes- roid- sowie iOS-Betriebssystemen kompatibel. Treiber sionellen Applikationen ermöglicht den Technikern vor zur Anbindung von Feldgeräten über FDT/DTM sowie Ort, Prozesse umfassend zu überwachen und zu steuern, FDI-Technologie sind im Lieferumfang enthalten. Über trägt zu mehr Flexibilität bei und steigert die Produktivi- die zusätzlich erhältliche Devcomdroid-App von tät der Mitarbeiter. Mit mobilen Lösungen sind Informa- Procomsol, einem in den USA ansässigen führenden tionen zu Assets über die gesamte Prozesskette perma- Anbieter von Kommunikationslösungen für den Hart- nent in Echtzeit verfügbar. Mensch, Prozesse und Syste- Markt, ist sogar die Konfiguration von Feldgeräten über me sind somit im Sinne der Industrie 4.0 vernetzt. EDD einfach und intuitiv möglich. Das Interface scannt Entscheider-Facts automatisch den Bus und meldet die gefundenen Geräte ●● Durch die Vernet- Flexible Konfigurationsschnittstelle einschließlich Gerätestatus und grundlegenden Geräte- zung des Tablets mit Die Anforderungen an Schnittstellen zwischen mobilen parametern und öffnet die richtige Gerätebeschrei- einem Gesamtsys- Endgeräten wie Tablets oder Smartphones und Feldgerä- bungsdatei. Von dort aus kann der Benutzer intuitiv zu tem sind die Daten ten sind sehr spezifisch. Je nach Use-Case und verwen- den Gerätedetails navigieren, wie z. B. Diagnose, Zu- an jedem Ort zu je- detem Endgerät sollte die Schnittstelle mit verschiede- standsüberwachung, Parametrierung und Konfigurati- der Zeit verfügbar. nen Technologien kompatibel sein. Häufig decken die on. Anwender, die Schnittstellen für mehrere Protokolle ●● Schnittstellen erlau- verfügbaren Schnittstellen aber nur einen definierten benötigen, sparen durch den Einsatz von Mobilink ben den mobilen Zu- Bedarf ab und sind nicht flexibel für verschiedene Ein- Kosten bei der Anschaffung, da sie nur ein Interface griff auf die Feldge- satzszenarien in den oft komplexen Anlagen verwend- benötigen. Außerdem haben sie durch den Einsatz nur räte über Integrati- bar. Oft ist das Wartungspersonal gezwungen, mehrere einer Schnittstelle deutlich weniger Aufwand bei Inbe- onstechnologien wie verschiedene Schnittstellen zu verwenden, um den viel- triebnahme und Wartung ihrer Feldgeräte. Aufgrund EDD, FDT oder FDI. fältigen Aufgaben in der Anlage gerecht zu werden. seiner Atex-Zulassung für Zone 1, seinem robusten De- ●● Ein mobiles Inter- Für Anwender, die nach einer Multiprotokoll-Lösung sign und der Anschlussmöglichkeit an eigensichere face ermöglicht den suchen, bietet Softing Industrial sein mobiles Interface Schaltkreise eignet sich das Mobilink für den Einsatz in Zugriff auf Hart-, Mobilink an. Das Interface ermöglicht den Zugriff auf explosionsgefährdeten Bereichen. ● Foundation-Field- die drei wichtigsten Kommunikationsprotokolle in der bus- und Profibus- Prozessautomatisierung Hart, Foundation Fieldbus und www.chemietechnik.de/1907ct609 PA-Geräte. Das mobile Interface ermöglicht den Zu- griff auf Hart-, Foun- dation Fieldbus- und Profibus-PA-Geräte. Die Verbindung zum mobilen Endgerät kann über USB oder Bluetooth erfolgen. Bilder: Softing CHEMIE TECHNIK · Special Prozessautomation 2020 19
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