Stiftungswelt - Bundesverband Deutscher ...
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Stiftungswelt FRÜHLING 2021 CORONA: Die Leiter dreier NEUES FÜHRUNGSDUO: STIFTUNGSRECHTSREFORM: Sozialunternehmensstiftungen Friederike v. Bünau und Kirsten Forderungen des Bundesverbandes über Lehren aus der Krise Hommelhoff im Gespräch zum Regierungsentwurf Gemeinsam gewinnt Wie Sozialstiftungen die Corona-Zeit meistern
Man kann den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen. Es ist die beste Crew, welche Sie zum Erfolg führt. Teil einer Gruppe zu sein, die selbst eine erfahrene Investorin ist, bedeu- tet, dass wir genauso denken, investieren und uns um Vermögenswerte kümmern wie Sie selbst. Diese Ausrichtung führt zu hohen langfristigen Renditen für unsere Kunden und zu einer exzellenten Kundenzufriedenheit. Wir verfolgen jederzeit den Blickpunkt des Anlegers: www.jsafrasarasin.de Frankfurt am Main – J. Safra Sarasin (Deutschland) GmbH, Kirchnerstraße 6–8, DE-60311 Frankfurt am Main, T: +49 (0)69 714497 300 München – J. Safra Sarasin (Deutschland) GmbH, Ottostraße 3, DE-80333 München, T: +49 (0)89 558999 480
Intro Liebe Leserinnen und Leser, man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die sozialen Spannungen und Nöte durch die derzeitige Krise zunehmen wer- den. Umso wichtiger wird das Wirken der Sozialstiftungen – darum wollen wir sie in dieser Ausgabe besonders in den Blick nehmen. Schon vor der Corona-Krise haben Sozialstiftungen einen unverzichtbaren Beitrag geleistet, damit unser gesellschaftliches Zusammenleben gelingt. Im Bundesverband stellen sie die größ- 1 te Gruppe dar. Das Spektrum reicht dabei von großen Sozial- unternehmensstiftungen bis hin zu kleinen Förderstiftungen, die STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Intro sich für einzelne soziale Projekte engagieren. Eines haben sie alle gemeinsam: Hinter ihnen stehen hilfsbereite Menschen, die ein soziales Problem erkennen und mit ihren Mitteln und Möglich- keiten versuchen, es langfristig zu lösen. Es gilt, vermögende Menschen für ihre Arbeit zu gewinnen, ebenso wie engagierte Ehrenamtliche und da, wo gebraucht, gute Foto: Tanja Griesel/Paul Gerhardt Stift zu Berlin. Coverfoto: Erik Weiss Mitarbeitende. Nutzen wir auch die Chancen, die sich durch die Digitalisierung bieten. Und lassen Sie uns weiterhin für das ein- treten, wofür wir stehen: Zusammenhalt und Verlässlichkeit. Bleiben Sie behütet! Pfarrer Martin von Essen Vorstandsvorsitzender des Paul Gerhardt Stiftes zu Berlin Sprecher des Arbeitskreises Soziales
41 10 2 58 STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Inhalt Die Fotos im Schwerpunktteil dieser Ausgabe wurden in zwei Stiftungsinfo Servicebeilage exklusiv für unsere Mitglieder Berliner Stiftungen aufgenommen, die sich in vielfältiger Weise für Stiftungsinfo benachteiligte und hilfebedürftige Menschen einsetzen. Wir danken Frühling 2021 dem Paul Gerhardt Stift und der Koepjohann’schen Stiftung für 02 Wie Stiftungen die die freundliche Erlaubnis, in ihren Einrichtungen zu fotografieren. erste Welle der Corona- Pandemie überstanden Informationen über die Stiftungen unter: haben 24 Worauf es paulgerhardtstift.net · www.koepjohann.de bei der Betreuung von Großspendern ankommt 28 Warum der Alle von uns in Auftrag gegebenen Fotos in dieser Ausgabe sind Ratgeber „Finanztip“ unter Einhaltung der geltenden Abstands- und Hygieneregeln jetzt eine Stiftung ist entstanden. Für manche Aufnahmen wurden die Mund-Nase- Bedeckungen kurz abgenommen. Das Coverfoto zeigt einen Ehrenamtlichen beim Schachspiel mit zwei aus Dagestan stammenden Brüdern im Paul Gerhardt Stift (siehe auch Seite 15). STIFTUNGSINFO Unsere Mitglieder erhalten zu jeder Stiftungswelt diese Die Fotos auf dem Cover und im Schwerpunkt dieser Ausgabe hat der hilfreiche Servicebeilage. Berliner Fotograf Erik Weiss für uns aufgenommen. www.erikweiss.de
Inhalt Stiftungswelt Frühling 2021 6 – 39 Titel Gemeinsam gewinnt 1 Intro 36 „Wir haben den Prozess des Sterbens 4 Panorama ausgelagert“ Dr. Simon J. Walter von der Stif- tung Deutsche Bestattungskultur über den Um- gang mit Tod und Trauer in unserer Gesellschaft Titel 8 „Wir stehen auf gelebter Kultur“ 41 „Ein lebendiges Stiftungswesen für eine Annette Noffz, Walter Herberth und Johannes starke Zivilgesellschaft“ Vorstandsvorsitzen- 3 Spielmann leiten große Sozialunternehmens de Friederike v. Bünau und Generalsekretärin stiftungen in Würzburg. Ein Gespräch über STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Inhalt Kirsten Hommelhoff über ihre ersten Monate im Agieren im permanenten Krisenmodus und Amt und ihre Pläne für den Bundesverband Forderungen an die Politik 48 Viel erreicht und noch einiges zu tun 16 Was Corona uns gelehrt hat Sechs Stiftungs- Eine Zwischenbilanz zum Stand der Stiftungs- vertreterinnen und -vertreter berichten, wie die rechtsreform Pandemie ihre Arbeit verändert 53 Neuer Schwung für den Dritten Sektor 24 „Die Leistungsfähigkeit kann nicht diesel- Der Gesetzgeber hat ein steuerrechtliches be sein“ Dr. André Lottmann von der Stiftung Reformpaket verabschiedet, das für Stiftungen Charité über den Kampf gegen das Coronavirus relevant ist. Eine Übersicht und die Folgen für die Medizinforschung Fotos: David Ausserhofer (41), Anatol Kotte (54), Erik Weiss (10 und 6-39) 58 „Ein gutes Demokratieprojekt wirkt 26 „Zu beliebiger Verwendung für wie ein Hebel“ Die Journalistin Elisabeth wohltätige Zwecke“ Ein Blick zurück in die be- Niejahr ist seit gut einem Jahr Geschäftsführerin wegte Geschichte der Sozialstiftungen der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. 29 Resilient durch die Krise Ein Corona-Erfah- Ein Gespräch rungsbericht der Vereinigten Hospitien Trier 31 Verband Deutscher Wohltätigkeitsstiftungen 62 Personalia Ein Kurzporträt 66 Meldungen 33 Aus der Praxis für die Praxis Der Arbeitskreis 70 Medien Soziales ist derzeit wichtig wie selten zuvor 74 Exklusiv für Mitglieder 34 Unterstützung für Unterstützer Das Stiftungs- netzwerk des Deutschen Caritasverbandes bietet 75 Outro/Impressum Sozialstiftungen Beratung und mehr 76 Abgestaubt
Panorama Anstifter Grundschul-App unterstützt Lehrkräfte Die Stiftung Haus der kleinen Forscher hat in Zusammenarbeit mit Grundschullehrkräften und der E.ON Stiftung die kosten- freie App „Potz Blitz! Meine Stromwerkstatt“ entwickelt. Sie richtet sich an Schülerinnen und Schüler der dritten und vierten Klasse und soll Lehrkräfte dabei unterstützen, die Themen Strom und Energie im Unterricht interaktiv zu vermitteln. Dazu stellt die App Texte zum Lesen und Anhören, Spiele, Simulationen und ein eigenes „Strom TV“ zur Verfügung. So können Grund- schulkinder mit unterschiedlichen Vorkenntnissen durch einzel- ne Lernstationen ihr Wissen rund um die Themen Stromgewin- nung, -verbrauch und -sparen erweitern. Lehrkräfte haben außer- dem Zugriff auf einen Leitfaden zur Unterrichtsbegleitung und Handout-Vorlagen für den Unterricht. 4 »Wir können das Netz nicht STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Panorama den Hatern überlassen. Deswegen kämpfen wir für eine digitale Zivilgesellschaft.« Anetta Kahane, Stiftungsgründerin und Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, im Goodcast, dem Podcast des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen www.stiftungen.org/goodcast 42 % der im Stiftungspanel befragten Stiftungen haben während der ersten Corona-Pandemiewelle andere gemeinnützige Organi- sationen unterstützt. Mehr Zahlen aus unserer großen Corona- Umfrage finden Sie in der beiliegenden „Stiftungsinfo“.
Meistgelesen auf stiftungen.org Drei Fragen an Hilke Ohsoling Günter und Ute Grass Stiftung Was liebte Grass noch mehr als die Literatur? Ich kenne keinen anderen Menschen, der vergleichbar vielseitig interessiert ist, wie es Günter Grass war. Zusammenfas- Gebührenbefreiung für Gemeinnützige send kann man sagen, dass er sein Leben Fotos: Stiftung Haus der kleinen Forscher (Grundschul-App), inimalGraphic/AdobeStock (Gemeinnützigkeitsrechts), Markus Winkler/Unsplash (Trends 2021), lovelyday12/Adboe Stock (Transparenzregister), Ida Ohsoling (Porträt Ohsoling) beim Transparenzregister liebte. Er genoss es, ganz unterschiedli- che Talente zu besitzen: Wenn er nicht an Viele Stiftungen haben Ende Dezember 2020 Gebührenbescheide einem Manuskript arbeitete, engagierte vom Bundesanzeiger Verlag erhalten. Was die Bescheide bedeuten er sich, zeichnete, malte, diskutierte oder und wie sich Stiftungen befreien lassen können. arbeitete gern mit Ton, liebte das Kochen www.stiftungen.org/transparenzregister und das Essen, das Tanzen, das Reisen – ich könnte meine Aufzählung fortsetzen. Welche Schätze verbergen sich im Nachlass? Der Nachlass, den Gün- ter Grass unserer Stiftung hinterlassen hat, enthält eine Fülle von Material, das dokumentiert, wie er gelebt und gear- beitet hat. Dazu gehören mehrere Ma- nuskripte, viele Terrakotten, Grafiken, Belegexemplare von Büchern, zudem Reform des Gemeinnützigkeitsrechts Recherchematerial, Fotos und andere Dokumente. All diese Dinge bieten die 5 Der Einsatz des Bundesverbandes hat sich ausgezahlt: Der Gesetz- Möglichkeit, neben dem Schriftsteller STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Panorama geber hat mit Steuerentlastungen und Bürokratieabbau die Arbeit den vielseitigen Künstler und Zeitgenos- gemeinnütziger Organisationen erleichtert. Dennoch besteht Nach- sen kennenzulernen. besserungsbedarf. Eine Übersicht: www.stiftungen.org/gemeinnuetzigkeitsrechtsreform Butt, Rättin, Eintagsfliegen – war Grass ein Tierfreund? Grass nahm oft Tiere zum Motiv – begonnen mit den Windhühnern, dann darf man die Schne- cke nicht vergessen, Katz und Maus, zu- dem sind da seine „Hundejahre“. Doch er beschrieb und zeichnete auch immer wieder Menschen und setzte sich intensiv mit seiner Umwelt auseinander. ← Welche Themen beschäftigen Stiftungs- aufsichten in der Corona-Pandemie? Was wird Stiftungen, NGOs und die Philanthropie 2021 beschäf- tigen? Diese Faktoren werden unseren Sektor in den nächsten Mo- naten prägen. Stiftungen haben es in der Hand mitzugestalten, wie Hilke Ohsoling ist Geschäftsführerin der unsere Zukunft aussieht. www.stiftungen.org/trends2021 Günter und Ute Grass Stiftung.
Sozialstiftungen in der Corona-Zeit FLÖTENUNTERRICHT DIGITAL Im Familienzentrum des Paul Gerhardt Stiftes im Berliner Stadtteil Wedding haben Grundschulkinder aus dem Kiez die Möglichkeit, Block- oder Querflöte zu lernen. Aufgrund von Corona findet der Flötenunterricht derzeit digital statt: Lehrer und S chüler musizieren gemeinsam per Video.
„Wir stehen auf gelebter Kultur“ „Dienst-Tag für Menschen“ heißt das Bündnis, zu dem sich mitten in der Corona-Krise drei große Würzburger Stiftungen zusammengeschlossen haben. Ihr Ziel: bessere Arbeitsbedingungen für Menschen in helfenden Berufen. Wir sprachen mit den Initiatoren über die Situation in ihren Einrichtungen, Solidarität in der Pandemie und den langen Schatten der Stiftungsgründer 8 STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise Stiftungswelt: Frau Noffz, Herr Herberth, Herr Spiel- am 12. März, dem Gründungstag unserer Stiftung, fei- mann, Sie alle drei leiten große Sozialunternehmens- ern, musste ich absagen. Wir werden nun versuchen, ihn stiftungen in Würzburg. Wie geht es Ihnen in Jahr im Sommer nachzuholen. Dieses Nichtwissen, was dem- zwei der Corona-Pandemie, wie lebt es sich in die- nächst möglich sein wird und was nicht, erlebe ich als sehr sem monatelangen Krisenmodus? zermürbend. Johannes Spielmann:Wir spüren schon, dass das ein Ma- rathon ist – allerdings einer, bei dem wir die Kilometerzahl, Frau Noffz, in einer Einrichtung Ihrer Stiftung gab die noch zu laufen ist, nicht kennen. Das macht das Ganze es einen Ausbruch, an dem über 20 Bewohnerin- so mühsam. nen und Bewohner gestorben sind. Das war im März Annette Noffz:Und es ist ein Marathon, für den wir alle 2020, gleich zu Beginn der Pandemie; entsprechend zu Beginn sehr schlecht ausgerüstet waren. Erfreulich ist, viel wurde darüber berichtet. Wie haben Sie diese dass sich unterwegs viele finden, die auf dem gleichen Weg Zeit erlebt? sind wie wir. Und dass wir versuchen, die Themen gemein- Noffz:Es war eine schreckliche Zeit, eine, die ich als Alb- sam anzugehen und um langfristige Lösungen zu kämpfen. traum bezeichnen würde. Leider bin ich mir relativ sicher, Walter Herberth:Einerseits stimmt mich die Aussicht, dass viele der psychischen Belastungen aus den vergange- dass sich durch die Impfungen das Leben in unseren Ein- nen zwölf Monaten erst noch an die Oberfläche gelangen richtungen im Laufe des Jahres wieder normalisieren wird, werden. Das wird dann sein, wenn wieder mehr Zeit ist, hoffnungsvoll. Andererseits ist die Planung für dieses Jahr um nachzudenken. Im Moment ist noch zu vieles zu tun, extrem schwierig. Unseren Stiftungstag, den wir jedes Jahr um all diejenigen, die noch nicht geimpft werden konn-
ten, zu schützen. Und dennoch versuchen wir alles dafür zu tun, dass unsere Bewohner ein in dieser Zeit möglichst hohes Maß an Betreuung erfahren. Es gibt aber auch einen positiven Aspekt aus dieser Zeit: ein sehr großer Teamgeist, te Dame, die selber an Corona erkrankt war, hatte alle ihre der gerade damals zu spüren war. Bilder und sonstigen Erinnerungsgegenstände in diesem Spielmann:Dieses Gefühl der Ohnmacht, gerade auch in Zimmer, in ihrer gewohnten Umgebung. Nicht alles konn- der Rolle als Führungskraft, ist eine neue Erfahrung, die te mit umgezogen werden, sondern einige Dinge wurden mit dieser Pandemie verbunden ist. Dass man alles getan verpackt und verschlossen aufbewahrt. Wir müssen uns an hat, was präventiv notwendig ist, und dennoch geschieht dieser Stelle vergegenwärtigen, dass wir es hier mit Bewoh- es. Gleichzeitig hat man ja auch Verantwortung als Füh- nern eines Seniorenheimes zu tun haben, die dauerhaft in rungskraft, die Mitarbeiterschaft zu stärken und ihr Ver- ihren Zimmern leben, und nicht mit Patienten, die sich vo- trauen zu vermitteln. Ich denke, dass wir alle gelernt ha- rübergehend in einem Krankenhaus aufhalten. ben, wie wichtig Kommunikation ist, und zwar in ganz kleinen Schritten und ständig. Denn nur eine gute Kom- munikation schafft wirklich Vertrauen, zumindest in die eigenen Häuser hinein. „Diese Pandemie ist wie ein In den Medien wird derzeit viel über die Situation al- ter und pflegebedürftiger Menschen in der Corona- Marathon. Noch dazu einer, Krise berichtet. Diese selbst hingegen kommen mei- nem Eindruck nach kaum selbst zu Wort. Sie sind ja für den wir alle zu Beginn sehr nah dran an diesen Menschen. Was war für Sie schlecht ausgerüstet waren.“ in dieser Hinsicht das eindrücklichste Erlebnis in den vergangenen Monaten? Annette Noffz Noffz:Wir hatten einige Monate nach Beginn der Pande- mie eine Journalistin bei uns, die von einer Bewohnerin wissen wollte, was denn das Schlimmste für sie in der Co- rona-Zeit gewesen sei. Die Dame, die in dem Haus lebt, in dem es zu diesem schlimmen Ausbruch gekommen war, Sie hatten vorhin von der Solidarität gesprochen, die hat geantwortet: Das Schlimmste war, dass ich aus meinem Sie im Zuge der Corona-Krise wahrnehmen. Wie äu- 9 Zimmer ausziehen musste. Die Journalistin hat im Laufe ßert sich die? STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise des Gespräches noch zwei-, dreimal nachgefragt, weil sie Noffz:Ein Beispiel: Als wir im März vergangenen Jah- das nicht glauben wollte. Es war spürbar, dass sie damit res bei uns im Bürgerspital den Corona-Ausbruch hatten, gerechnet hatte, dass die Vereinsamung, die Isolation das sind wir in Teilen der Presse recht hart angegangen wor- Schlimmste war. den. Nicht im Sinne direkter Vorwürfe, aber unterschwel- lig schwang in einigen Berichten doch die Frage mit, war- Wie erklären Sie sich die Antwort der Bewohnerin? um es gerade unser Haus getroffen habe. In dieser für uns Noffz:Bei uns hatte eine sogenannte Kohortierung statt- sehr schwierigen Zeit hat Herr Herberth in einem Gastbei- gefunden. Das heißt, die Leute sind drei Wochen nach dem trag für die „Main-Post“ geschrieben, dass es jedes Senio- Ausbruch im Haus verlegt worden, um in einzelnen Wohn- renheim hätte treffen können, und die Frage aufgeworfen, bereichen Covid-19-Stationen einzurichten und die ande- was uns Medizin und Pflege eigentlich wert sind. Das war ren möglichst freizuhalten. Vor dem Hintergrund einer für mich ein unglaublich wichtiges Zeichen der Solidarität. notwendigen Isolierung und um eine weitere Übertragung Spielmann:Ich will Ihnen eine kleine Geschichte über So- zu verhindern, macht das alles viel Sinn. Doch für einige lidarität erzählen, die uns total gefreut hat: Im Sommer der betroffenen Menschen war das sehr schlimm. Die al- kam ein Unterstützerpaar auf uns zu und sagte: „Ihr habt so eine schwere Zeit, wir spendieren euch allen, also Klien- Foto vorherige Doppelseite: Erik Weiss ten wie Mitarbeitern, ein Eis.“ Das war eine wunderschöne Geste, die bei unseren Kollegen und Kolleginnen als echte Solidaritätsbekundung ankam. Herberth:Solidarität erlebe ich auch in der Kommunika- tion mit anderen Einrichtungen. Die Pflegeheimbetreiber in Würzburg etwa stimmen sich regelmäßig ab, was ihre
SPASS IM BEWEGUNGSRAUM Eigentlich bietet das Familien- zentrum des Paul Gerhardt Stiftes hier Bewegungskurse für junge Familien an. Da diese wegen Corona zurzeit nicht stattfinden können, wurde der Bewegungsraum kurzerhand umfunktioniert: Nach Anmel- dung und zu festen Zeiten kön- nen Eltern mit ihren Kindern hier gemeinsam spielen, toben oder malen – wie dieser Vater mit seinen beiden Kindern.
Besuchsregelungen betrifft. Denn wenn das jeder nach sei- nem Gutdünken handhabt, sehen wir uns schnell dem Vor- wurf ausgesetzt, dass die benachbarte Einrichtung das an- geblich besser regelt als wir. Darüber miteinander zu reden und sich in diesen und anderen Fragen abzustimmen, er- als Bürgerspitäler – so heißt das bei uns – begreifen und leichtert vieles im täglichen Betrieb. zusammenhalten. Das gibt es und das tut verdammt gut. Herberth:Ich kann mich dem nur anschließen. Als ich aus Mit Ihren Einrichtungen repräsentieren Sie drei gro- dem bayerischen Staatsdienst zur Stiftung Juliusspital ge- ße soziale Bereiche: Behindertenhilfe, Altenpflege wechselt bin, habe ich sofort gewusst: Das ist wirklich die und Krankenhäuser. Wie erleben Sie die Sicht des je- Aufgabe, die ich machen möchte. Diese Faszination rührt weils anderen auf Ihren eigenen Bereich? Wo hat So- tatsächlich aus der Historie, aus der Idee des Stiftungsgrün- lidarität da vielleicht auch ihre Grenzen? ders und aus klugen Sätzen, die er geprägt hat. Spielmann:Das Besondere an der derzeitigen Situati- on ist, dass man dieses Spartendenken überwindet. Klar, Welchen zum Beispiel? manchmal gibt es Situationen, in denen ich denke, das hät- Herberth:Dass die Stiftung immer den Mangel der jewei- te ich auch gern für meine Klienten. Aber nicht im Sinne ligen Zeit erkennen und nach Möglichkeit beheben soll. von Neid. Was uns eint, ist das Übergreifende: Wir stehen für Menschen, die Unterstützung und Hilfe brauchen, weil Wie gehen Sie heute mit diesem Auftrag Ihres sie in einer Phase ihres Lebens sind, die sie nicht alleine be- Stifters um? wältigen können. Das ist es, was uns Sozialunternehmens- Herberth:Im Jahr 2000 haben wir uns intensiv mit dem stiftungen verbindet. Ich finde, dass Corona diese Verbun- Thema Palliativmedizin befasst. Dem ging die Erkenntnis denheit noch gestärkt hat. voraus, dass der Mangel unserer Zeit der Umgang mit ster- benskranken Menschen ist. Und wir haben uns entschie- Was Sie darüber hinaus gemeinsam haben: Sie leiten den: Wir müssen etwas dagegen tun, auch wenn Palliativ- alle drei Stiftungen, die auf eine lange Geschichte betreuung finanziell noch nicht abgesichert ist. Wir steigen zurückblicken. Wie sehr prägt diese teils jahrhunder- ein in diesen Bereich. Das ist das, was die Faszination Stif- tealte Tradition Ihre eigene Tätigkeit? tung ausmacht. Natürlich muss dieser Stiftungsgedanke Noffz:Das Wissen darum verändert schon die innere Hal- weiterentwickelt und an die jeweilige Zeit angepasst wer- tung. Wenn ich für eine Stiftung arbeite, die im Jahr 1316 den. Aber er geht tatsächlich nie verloren. gegründet wurde, steigert das Wissen um diese Historie das Spielmann:Wir haben gerade unsere Chronik herausge- 11 Verantwortungsgefühl noch einmal. Das ist schon etwas Be- geben und beziehen uns darin ganz oft auf unseren Grün- STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise sonderes, und es ist auch ein Glück und eine Herausforde- der, der kein reicher Adliger war. Aber er war ein Mensch, rung. Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich mir über- der die Menschen um sich in ihrer Not gesehen hat. Er hat lege, dass vor über 700 Jahren ein Ehepaar die großartige damals, weil er selbst nicht vermögend war, einen Gedicht- Idee hatte, diese Stiftung zu gründen, die ja bis heute den band geschrieben, hat damit die ersten 1.400 Gulden ge- gleichen Stiftungszweck hat. Die beiden haben sich damals sammelt, um die erste Schule für blinde Kinder in Unter- etwas Sagenhaftes überlegt, etwas, bei dem es um Mensch- franken zu gründen, die vorher als nicht bildbar galten. lichkeit, um gegenseitige Unterstützung geht. Das ist ein tolles Ziel, da lohnt es sich immer weiterzuarbeiten. Wie macht sich diese Verbundenheit mit dem Stif- Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist tergedanken im Alltag bemerkbar? Die im Jahr 1316 von dem Würzburger Patrizier- Noffz:Während der letzten Monate haben wir stiftungs- ehepaar Johannes und Mergardis von Steren intern oft sehr kurzfristig einen Aufruf gestartet, zum Bei- gegründete Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist spiel: Wir brauchen ganz schnell zehn Kräfte, die bei der betreibt Seniorenheime und -wohnstifte, einen Essensausgabe helfen, und zwar in Vollmontur. Und es hat Ambulanten Pflegedienst, ein Geriatriezentrum, keine zwei Stunden gedauert, dann standen die Pläne für ein Weingut und verwaltet ihren Immobilienbesitz. die nächsten Tage, weil unsere Handwerker, unsere Leu- Zudem verwaltet sie weitere Stiftungen, die auf te aus der Verwaltung, und auch diejenigen, die im Wein- unterschiedlichen Gebieten fördernd tätig sind. Die Fotos: Erik Weiss gut arbeiten, gesagt haben: Ich bin da, teilt mich ein. Das Stiftung beschäftigt rund 700 Mitarbeiterinnen ist eine Solidarität untereinander, die ist großartig. Da bin und Mitarbeiter. ich jeden Tag aufs Neue dankbar, dass sich die Mitarbeiter
Jetzt in der Krise stehen wir wirklich auf einer gelebten Kultur, die geprägt wurde durch den Stifter, der den Men- schen in den Mittelpunkt gestellt hat. Das klingt, als ob sich durch Corona neue Gräben auf- Herberth:Dieses Selbstverständnis empfinde ich manch- tun zwischen gemeinnützigen Einrichtungen und sol- mal fast wie eine geschlossene Haltung in dieser etwas ei- chen, die privatwirtschaftliche Interessen verfolgen. genen, sehr positiv gestimmten Stiftungswelt. Die große Herberth:Der Begriff Gräben beschreibt es ganz gut. Pri- Frage ist: Wie bringen wir diese Haltung, diese Ideen aus vate Klinikketten haben eine Renditeorientierung. Und der Stiftungswelt in die Welt da draußen, um etwas zum wir Stiftungshäuser kommen eben aus dieser mittelalterli- Positiven zu verändern? Denn dieser Grundsatz „Mensch- chen Einstellung zum Menschen. Es gibt Klinikketten, die lichkeit vor Ökonomie“ gilt ja nicht in der großen Welt. Das aus gescheiterten Immobilienprojekten entstanden sind. war vielleicht auch der Anstoß für unser Bündnis „Dienst- Die Immobilie hat sich nicht gelohnt, deshalb hat man Tag für Menschen“. entschieden, eine Klinik daraus zu entwickeln. Das stellt schon mal die unterschiedlichen Positionen dar. Mit einem Dieses Aktionsbündnis, das sich für konkrete Ver- Geschäftsführer einer privaten Klinikkette über dieses The- besserungen der Rahmenbedingungen für Menschen ma zu sprechen, stelle ich mir sehr schwierig vor. in den sogenannten helfenden Berufen einsetzt, ha- ben Sie im September 2020 gemeinsam gegründet. Sind große Stiftungen wie die Ihren, die über Land- Wie kam es dazu? besitz und Immobilien verfügen, nicht in einer privi- Noffz:Wir drei sind schon lange der Überzeugung, dass legierten Situation, weil sie finanziell auf solider Ba- sich hier etwas grundlegend ändern muss, was durch Coro- sis stehen und daher anders agieren können als pri- na noch deutlicher wurde. Wir wollen die Aufmerksamkeit vate Anbieter von Gesundheitsleistungen? auf die Missstände lenken, die in den Bereichen vorhanden Herberth:Dem will ich sofort widersprechen. Natürlich ha- sind, die wir vertreten. Aus diesem einen Treffen hat sich ben Stiftungen einen finanziellen Hintergrund, Einnahmen das in einer rasanten Geschwindigkeit entwickelt. Wir hat- aus ihren verschiedenen Geschäftsbereichen. Aber das Fi- ten sehr schnell viele Unterstützer, die gesagt haben, dass nanzpolster ist nicht so dick, wie man sich das gern von au- sie mitmachen. ßen vorstellt. Hinter kommunalen Häusern steht eine Ge- bietskörperschaft, eine Stadt oder ein Landkreis. Wenn der Drei Stiftungen als Bündnisinitiatoren: Zufall oder die Kreisumlage für seine Gemeinden erhöht, dann kom- innere Logik? men schnell Millionen in die Kreiskasse, aus der dann das 12 Herberth:Das würde ich jetzt nicht so hoch hängen. Wir Kreiskrankenhaus finanziert werden kann. Und die Privaten drei können einfach gut miteinander. Wenn wir damals auf machen das am Aktienmarkt – natürlich immer mit der In- STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise die Suche gegangen wären nach anderen gleichgesinnten tention, noch mehr Geld zu verdienen. Die Stiftungen sind, Trägervertretern, hätte das Zeit gekostet. So konnten wir was das Finanzielle anbelangt, sicher nicht bevorzugt, son- einen Schnellstart hinlegen. dern müssen im Gegenteil auf die Wirtschaftlichkeit achten, Spielmann:Ich glaube schon, dass wir als Vertreter großer, um ihren Auftrag tatsächlich auf Dauer, auf Ewigkeit erfül- traditionsreicher Stiftungen ein Stück Vertrauensvorschuss len zu können. bekommen. Stiftungen genießen ein hohes Ansehen, auch bei anderen sozialen Einrichtungen. Und man nimmt uns unsere Forderungen im Rahmen des Bündnisses eher ab, weil wir das, was wir da fordern, in unseren eigenen Häu- Stiftung Juliusspital Würzburg sern bereits realisieren. Umgekehrt macht Stiftung auch ein Die Stiftung Juliusspital Würzburg wurde 1576 von bisschen selbstbewusst. Julius Echter von Mespelbrunn gegründet mit dem Noffz:Zudem denken Stiftungen in ganz anderen Zeit- Auftrag, kranken, alten und armen Menschen zu räumen als andere Organisationen; ihnen ist ja schon qua helfen. Heute ist die Stiftung unter anderem in der Rechtsform der Ewigkeitsgedanke inhärent. Privatunter- Seniorenpflege und Krankenversorgung tätig. Ein nehmen hingegen müssen an die Rendite am Ende eines Schwerpunkt liegt seit dem Jahr 2000 auf der Palliativ- Jahres denken. Es ist nicht so, dass Stiftungen nicht ökono- versorgung schwerstkranker und sterbender Men- misch denken könnten, im Gegenteil, aber sie haben ande- schen. Die Stiftung zählt zu den größten Landwirten re Zeiträume im Blick. und privaten Waldeigentümern Bayerns und betreibt unter anderem ein Tagungszentrum, ein Weingut sowie gastronomische Einrichtungen.
Blindeninstitutsstiftung Spielmann:Ich erlebe das manchmal fast als ein Hinder- Seit ihrer Gründung 1853 durch Graf Moritz zu nis, dass Außenstehende immer denken, Stiftungen hät- Bentheim-Tecklenburg-Rheda ist es das Kernan- ten ganz viel Geld. Es gibt Stiftungen, bei denen das so liegen der Blindeninstitutsstiftung, blinden und ist. Aber wir haben eigentlich wie jede soziale Einrichtung sehbehinderten Menschen ein möglichst selbst- das, was wir erwirtschaften. Was natürlich hinzukommt, bestimmtes Leben zu ermöglichen – damals durch ist, dass es immer wieder Menschen gibt, die mit uns Ver- die Gründung einer Blindenschule in Würz- lässlichkeit und Glaubwürdigkeit verbinden und uns un- burg, heute durch Unterstützungs-, Förder- und terstützen, indem sie uns eine Erbschaft hinterlassen. Ich Beratungsangebote für rund 5.000 Klientinnen denke schon, dass es ein größeres Vertrauen in Stiftungen und Klienten aus ganz Bayern und Thüringen. Die gibt als in andere Organisationen, aber sonst haben wir die Blindeninstitutsstiftung ist eine Stiftung des öffent- gleichen Bedingungen. lichen Rechts, hat ihren Sitz in Würzburg und beschäftigt etwa 2.500 Mitarbeiterinnen und Was sind konkret die Forderungen des Bündnisses? Mitarbeiter. Noffz:Eine unserer Forderungen ist die bundesweite Ein- führung eines allgemeingültigen Tarifvertrags für die hel- fenden Berufe und die Festschreibung einer 35-Stunden- Woche. Hintergrund ist, dass unsere Mitarbeitenden ein- Herberth:Das dritte Thema ist Bürokratie. Der Zeitanteil fach mehr Ausgleichszeiten im Sinne von Erholungszei- für Dokumentation und Bürokratie liegt bei 25 Prozent und ten brauchen. Wir merken ja bei unseren Kolleginnen und mehr. Eine erschreckende Zahl. Denn diese Zeit geht für die Kollegen, wie schnell sie unter den extremen Bedingungen Betreuung der uns anvertrauten Menschen verloren. Eng da- dieses Berufs ausbrennen und ihn dann auch verlassen. mit zusammen hängt unser Anliegen, die Digitalisierung zü- Und für die ganze Pflegebranche und deren Ruf wäre eine gig voranzubringen. Dafür braucht es natürlich Mittel. Die insgesamt gute Bezahlung sehr förderlich. sind jetzt vom Bund für die Krankenhäuser freigegeben wor- den. Hier ist übrigens überraschend, dass jetzt von der Bun- desregierung plötzlich vier Milliarden Euro ins System ge- schossen werden, um länderspezifische Defizite in diesem Bereich beheben zu können. Das ist für mich auch ein Einge- „Die Faszination Stiftung ständnis der Fehlentwicklung in den letzten 20 Jahren. 13 Noffz:Ich will noch einen Aspekt ergänzen: Das Problem rührt aus der Idee des STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise ist ja nicht nur, dass sich auch gemeinnützige Organisatio- nen aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen immer Stifters und klugen Sätzen, schwerer tun, ihre Aufgabe sinnvoll und verantwortungs- die er geprägt hat.“ voll zu erfüllen. Es steht viel mehr auf dem Spiel. Wenn wir die Probleme in den Bereichen Behindertenhilfe, Gesund- Dr. Walter Herberth heitswesen und Altenpflege nicht versuchen zu lösen, dann ist irgendwann auch der soziale Friede in Gefahr. Leider gibt es für die zu lösenden Probleme keine einfachen Antworten. Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie bisher erreicht Spielmann:Herr Herberth hat ja vorhin schon die Unter- haben? schiede zu kommerziellen Anbietern angedeutet. Wir for- Noffz:Ein klares Jein. Einerseits finde ich es erstaunlich, dern, dass mit Dienstleistungen, die der allgemeinen Da- was wir über dieses Bündnis bereits erreicht haben. Ande- seinsvorsorge dienen, kein Gewinn gemacht werden darf. rerseits wäre ich gern schon weiter. Ich würde mir mehr Dis- In diesem Bereich muss es wirklich darum gehen, kosten- kussionen mit politischen Entscheidungsträgern über die deckend zu arbeiten. Frage wünschen, wie mögliche Lösungen aussehen könnten. Spielmann:Ich bin schon zufrieden. Neulich habe ich in der Zeitung gelesen, dass sich eine CSU-Politikerin für die Einführung der 35-Stunden-Woche für Pflegekräfte ein- setzt, nachdem wir miteinander gesprochen hatten. Das hat mich sehr gefreut. Ich finde es erstaunlich, mit wie vie-
len Menschen, die politische Verantwortung tragen, wir waren.“ Und als Zweites kam dann: „Was Ihr hier macht, das bereits sprechen konnten. Dieses Jahr ist Bundestagswahl. könnte ich nicht.“ Das Problem ist, dass wir als Gesellschaft Und in einigen Wahlprogrammen wurden unsere Themen diese Tätigkeiten an bestimmte Berufsgruppen wegdelegie- bereits aufgegriffen. Daran haben auch wir einen Anteil. ren und selbst viel zu wenig Berührung damit haben. Herberth:Das ist eine philosophische Frage, die Sie stel- Im Grunde sind die Missstände seit Jahrzehnten be- len. Und die hat ja einen Hintergrund. Die Entwicklung kannt. Sehen Sie die aktuelle Ausnahmesituation als weg von der Großfamilie hin zur Kleinfamilie bzw. zum Chance, dass sich endlich etwas ändert? Singlehaushalt hat dazu geführt, dass diese Themen jetzt Herberth:Ich möchte nicht sagen, dass ich es glaube. Aber von Spezialisten erledigt werden, von Spezialkräften in ich hoffe es stark und will diese Hoffnung festmachen am Pflegeheimen, in Hospizen. Ich werde nie eine Diskussi- Thema Intensivbetten. In der ersten Corona-Welle wurde die Zahl der Intensivbetten massiv ausgebaut. Jedes Kran- kenhaus bekam 50.000 Euro pro neu eingerichtetem Bett. Doch schnell stellte sich heraus: Das Bett ist nicht das Pro- blem. Das Problem ist die Verfügbarkeit des Personals. „Dieses Gefühl der Ohnmacht Wir können noch so viel Material bereitstellen – wenn wir das Personal nicht haben, überstehen wir die nächste Kri- ist eine neue Erfahrung, die mit se nicht. der Pandemie verbunden ist.“ Spielmann:Ich glaube tatsächlich, dass wir in der Krise wie unter einem Brennglas die Schwachpunkte erkennen. Der Johannes Spielmann Spruch „In jeder Krise steckt eine Chance“ klingt ja ein biss- chen abgedroschen. Ich würde es eher als Wachrütteln be- zeichnen: Wenn ihr jetzt nicht aufwacht und begreift, was braucht ihr denn dann? on vergessen, die wir vor einigen Jahren über den Stand- Fotos: Katrin Heyer/Stiftung Bürgerspital (Porträt Noffz), Stiftung Juliusspital (Porträt Herberth), Thomas Berberich (Porträt Spielmann). Rechte Seite: Erik Weiss Ihr Bündnis stellt sehr konkrete Forderungen mit Blick ort unseres Hospizes in Würzburg geführt haben. Wir auf die Arbeitsbedingungen von Menschen in helfen- wollten es mitten in Würzburg errichten, wo es übrigens den Berufen. Müsste es aber nicht viel weitergehen? jetzt auch steht. Damals hat eine Stadträtin unser Vorha- Bräuchten wir nicht einen grundlegend anderen Um- ben mit den Worten kommentiert: „Ach, so was macht 14 gang der Gesellschaft mit Alter, Krankheit, Tod? man doch am Rande der Stadt.“ Dieser Satz hat es auf den Spielmann:Ich gebe Ihnen sehr recht. Und ich habe das Ge- Punkt gebracht: Ich möchte damit nicht konfrontiert wer- STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise fühl, dass wir uns in Deutschland tatsächlich sehr schwer da- den, es soll nicht vor meinen Augen passieren. An dieser mit tun. Einmal hat mich ein Freund im Blindeninstitut be- Haltung, die typisch ist für unsere Gesellschaft, hat sich sucht und danach zu mir gesagt: „Ich habe noch nie in mei- meines Erachtens durch die Corona-Krise nicht spürbar nem Leben Menschen gesehen, die so schwer beeinträchtigt etwas verändert. ← Interview Nicole Alexander Über die Gesprächspartnerin und die Gesprächspartner Annette Noffz (links), Juristin und Steuerberaterin, ist seit Mitte 2012 Leitende Stiftungsdirektorin der Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist in Würzburg. Walter Herberth (Mitte) war von 1999 an zehn Jahre lang Leiter des Krankenhauses der Stiftung Juliusspital Würz- burg. Seit April 2009 hat der Jurist die Gesamtleitung der Stiftung inne. Johannes Spielmann (rechts) ist seit 1992 in der Blindeninstitutsstiftung tätig. Seit 2006 ist der Theologe und Heilpädagoge Vorstand der Stiftung.
SCHACHPARTIE ZU DRITT Im Offenen Spielzimmer des Paul Gerhardt Stiftes treffen sich normalerweise zweimal in der Woche Kinder aus geflüch- teten Familien mit Ehrenamtli- chen zu gemeinsamen Spiele- nachmittagen. Zurzeit finden die Treffen nur einzeln statt. Viele der älteren Ehrenamt- lichen sind inzwischen gegen Corona geimpft – so auch der Herr auf den Fotos, der mit zwei aus Dagestan stammen- den Brüdern Schach spielt.
Was Corona uns gelehrt hat Die Pandemie zeigt, worauf es im sozialen Miteinander wirklich ankommt. Stiftungsvertretende aus ganz unterschiedlichen Bereichen haben uns erzählt, wie das zurückliegende Jahr ihre Arbeit und ihre persönlichen Ansichten verändert hat Mehr Hilfsbereitschaft „Man muss sein eigenes Einsatzspektrum erweitern.“ Susanne Friess, Vorsitzende der Stiftung Palliativpflege → Im letzten Jahr haben wir die An- und Krankenpfleger geworden. Um Für die Stiftungsarbeit hat schaffung von sogenannten Maxi-Co- sie zu entlasten, habe ich freiwillig im mich Corona gelehrt, dass man sein sis für Schwerstpflegebedürftige in ersten Lockdown auf der Demenzsta- eigenes Einsatzspektrum erweitern Pflegeheimen gefördert – mein abso- tion eines Pflegeheimes ausgeholfen. muss. Es sind bei Weitem noch nicht lutes Stiftungs-Highlight! Denn wenn Am Muttertag habe ich zusammen alle Lücken gefüllt, um so viele Men- unheilbar Kranke immer schwächer mit der Pflegeleitung allen Bewohne- schen wie möglich zu unterstützen. werden, können sie kaum noch am rinnen und Bewohnern neue Tisch- In den kommenden Vorstands- Leben teilhaben. Mit dem Cosi-Chair decken gebracht. So sind wir ganz toll sitzungen werden auch wir uns Ge- können wir sie durch die Gegend fah- mit ihnen ins Gespräch gekommen. danken darüber machen, wie wir uns 16 ren und ihren Alltag etwas abwechs- unter den aktuellen Umständen enga- lungsreicher gestalten. Das ist echt Engagierte sind gefragt gieren können. Ich würde gern in Pfle- STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise klasse! Solche Erlebnisse zeigen, dass Ich finde, dass genau diese täglichen geheime gehen, um mehr Kontakt zu es trotz Corona weitergeht und wir in Unterhaltungen fehlen. Denn die Pfle- den Bewohnerinnen und Bewoh- unserem Tätigkeitsbereich immer ver- gebedürftigen sind unglaublich dank- nern aufzubauen. Auch wenn dieser suchen müssen, das Bestmögliche aus bar über jeden Austausch, zumal wäh- Wunsch momentan fast nicht zu er- einer Situation zu machen. rend des Lockdowns ja keine Besuche füllen ist, werden wir versuchen, da- Unglaublich wichtig für unser von Angehörigen erlaubt waren. Da- für Möglichkeiten zu finden. Stiftungsteam ist unsere Fachkran- durch ist mir noch klarer geworden, Eins zeigt die Pandemie für kenschwester Onkologie/Palliati- dass man in sozialen Einrichtungen mich ganz deutlich: Die Hilfsbereit- ve Care, die uns immer wieder einen mehr mit Ehrenamtlichen arbeiten schaft in der Gesellschaft nimmt zu. Einblick in ihren Arbeitsalltag unter sollte, die sich vor allem mit den Be- Jemandem zu helfen und durch kleine Corona-Bedingungen gibt. Sie ist sich wohnerinnen und Bewohnern unter- Gesten zu unterstützen ist viel schö- manchmal nicht ganz sicher, wie viel halten. Es ist so wichtig, dass Engagier- ner, als immer nur nach Größerem Berührung und Kontakt zwischen ihr te die Zeit haben, am Bett zu sitzen und und Tollerem zu streben. ← und den Kranken überhaupt noch to- sich Kummer und Nöte anzuhören. Protokoll Miriam Koch leriert wird und erlaubt ist. Dadurch fehlt die persönliche Basis und Nähe zu den Betroffenen, die sie sich eigent- Über die Stiftung Die Stiftung Palliativpflege mit Sitz in Reutlingen fördert die öffentliche lich wünschen würde. Gesundheitspflege auf dem Gebiet der Palliativversorgung. Ihr Schwerpunkt ist die finanzielle Außerdem ist der Arbeitsalltag und ideelle Förderung von lokalen Einrichtungen und Diensten der ambulanten Palliativver- durch das Virus noch schwieriger und sorgung. www.stiftung-palliativ.de belastender für Krankenpflegerinnen
Mehr Kreativität „Man muss Neues ausprobieren und sich fragen, was hilfsbedürftige Menschen erfreuen könnte.“ Werner Kramer, Vorstandsvorsitzender Bürgerstiftung Westmünsterland → Unsere Bürgerstiftung schreibt al- Musiker in Altenheimen der Region se beiden Gruppen zusammenzubrin- le drei bis vier Jahre den Stiftungs- auf. Sie glauben gar nicht, was bei die- gen war unser Ziel. Und das ist uns ge- preis Stark ohne Gewalt mit dem Fo- sen Konzerten los war! Die Seniorin- lungen. Es ist ein Projekt, an das wir kus auf Gewaltprävention aus. 2019 nen und Senioren sind teilweise auf- vor Corona nicht gedacht haben. hatten wir Jugendliche aufgefordert, gesprungen und haben mitgemacht. sich szenisch mit dem Thema Lebens- Ein älterer Herr hat seine Mundhar- Neues ausprobieren welten zu beschäftigen. Wegen Coro- monika ausgepackt und mitgespielt. Normalerweise trifft sich unser Vor- na haben wir die für April 2020 ge- Ein schöner Erfolg! stand alle paar Monate zu Bespre- plante Preisverleihung leider absagen Insgesamt haben wir im Som- chungen. Das Projekt und damit die müssen. Fast jeden Monat mussten mer mehr als 20 Veranstaltungen die- Abstimmung mit den Gremien musste wir uns etwas Neues überlegen, wie ser Art organisiert. Eine klassische in diesen Wochen aber schnell und un- wir den Jugendlichen gerecht werden Win-win-Situation: Den Seniorin- kompliziert auf die Beine gestellt wer- könnten. Denn keinesfalls wollten wir nen und Senioren wurden durch die den, denn die Pandemie stahl uns die ihnen ihren öffentlichkeitswirksamen Auftritte ein wenig Lebensfreude ge- Zeit für längere Planungen. Wir haben Auftritt nehmen. Deswegen hatten schenkt und den Künstlern eine Büh- deshalb überlegt, wie wir intern leich- wir vor, die Preisverleihung mit Schü- ne geboten. Manche der Musiker wur- ter miteinander arbeiten und unterein- lerbeiträgen in abgespeckter Form im den danach von anderen Organisa- ander besser kommunizieren können. Oktober durchzuführen. Doch auch tionen, die von den Aufritten gehört Über Telefonkonferenzen und E-Mail- diese Veranstaltung fiel der Pandemie hatten, angesprochen und gewannen Kontakt haben wir dann angefangen, zum Opfer. Wir haben den Finalisten dadurch neue Auftraggeber. Es gab uns im Team abzustimmen, und fest- 17 anschließend Urkunden und Preis- auch Menschen, die durch die Medi- gestellt, dass wir so innerhalb des Vor- STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise geld – einen Großteil davon spende- en auf unser Projekt aufmerksam ge- stands und der Gremien näher zusam- ten die Jugendlichen vereinbarungs- worden sind und uns eine Spende ge- menrücken können. Das hat uns ge- gemäß an regionale soziale Einrich- schickt haben. Im letzten Jahr gab es lehrt, mehr miteinander zu kommu- tungen – übersandt. eigentlich kein großes Spendenauf- nizieren – darüber zu diskutieren, was kommen, aber dieses Projekt hat dazu man tun kann und wie man bestimmte Wir gestalten unsere Zukunft geführt, dass wir sogar mehr Einnah- Dinge am besten angeht. Als während des Lockdowns das ge- men hatten als üblich. Das Jahr hat uns gezeigt: Man sellschaftliche Leben fast auf null zu- Wir waren so glücklich über muss Neues ausprobieren, kreativ Fotos: FotoMarkt Studio Reutlingen (Porträt Friess), privat (Porträt Kramer) rückgefahren wurde, haben wir über- den Erfolg des Projektes, dass wir es sein, anders denken und sich fragen, legt, wo wir als Bürgerstiftung gemäß im kommenden Sommer weiterfüh- was hilfsbedürftige Menschen erfreu- unserer Devise „Wir gestalten unse- ren möchten, um die Leute zu unter- en könnte. Die Pandemie hat uns und re Zukunft“ Verantwortung über- stützen, die es in unseren Augen in unsere Stiftungsarbeit vollkommen nehmen könnten. Unter dem Motto solch einer schwierigen Zeit beson- durcheinandergewirbelt, aber ich „Künstler fördern – Senioren erfreu- ders nötig haben: die Senioren sowie glaube, wir haben es gemeinsam gut en“ ist ein Projekt entstanden, bei dem die Künstlerinnen und Künstler. Die- hinbekommen. ← Protokoll Miriam Koch wir Künstlern aus der Region eine Bühne geben und gleichzeitig älteren Menschen etwas Abwechslung in den Über die Stiftung Die Bürgerstiftung Westmünsterland engagiert sich seit 2005 für soziale und Alltag bringen konnten. In diesem kulturelle Belange in der Region. Tätigkeitsbereiche der Stiftung sind unter anderem Bildung und Erziehung, Jugend- und Altenhilfe sowie Landschaftspflege, Umwelt- und Naturschutz. Rahmen traten im Sommer 2020 ein www.buergerstiftung-westmuensterland.de Clown-Duo sowie Musikerinnen und
ANDACHT Jeden Tag um 12 Uhr rufen die Glocken der kleinen Kirche des Paul Gerhardt Stiftes zum Gebet. Vor der Pandemie waren zur Andacht alle eingeladen, die auf dem Gelände der Stiftung und in der Nach- barschaft wohnen oder arbeiten. Zurzeit kann sich hier nur die Hausgemein- schaft treffen.
Mehr Zuwendung „Der Wunsch nach seelsorgerischer Begleitung hat durch die Corona-Pandemie zugenommen.“ Dr. Jürgen Reifarth, Vorstand der Stiftung Krankenhausseelsorge des evangelischen Kirchenkreises Bonn → Corona hat die Arbeit der Kran- Gerade in den ersten Mona- aber dazu geführt, dass in den meis- kenhausseelsorgerinnen und Kran- ten der Pandemie hat dieser Zwiespalt ten Krankenhäusern private Geräte kenhausseelsorger, also der Men- zwischen eingeschränkten Kontakt- für den digitalen Austausch mit den schen, mit denen unsere Stiftung in möglichkeiten und der verstärkten Seelsorgern genutzt werden können, der Regel zusammenarbeitet, grund- Nachfrage viele Seelsorgerinnen und ohne dass das IT-Netz der Kranken- legend verändert. Vor Beginn der Pan- Seelsorger sehr belastet. Wir haben häuser genutzt werden muss. Insofern demie haben sie die Kranken so oft eine große Unsicherheit gespürt und haben wir unser Ziel erreicht – wenn wie möglich im Krankenhaus besucht. oft darüber diskutiert, wie wir in der auch anders als gedacht. Das geht jetzt oft nicht mehr. Vie- schwierigen Situation am besten hel- le Krankenhäuser haben pandemie- fen können. Manche Seelsorger haben Großzügigkeit in der Krise bedingt sehr strenge Besuchsregeln, sich in Schutzkleidung geworfen und Sehr gefreut hat uns, dass unsere was die Arbeit der Seelsorgerinnen sind damit an die Betten der Kranken Spendeneinnahmen durch die Pande- und Seelsorger schwierig bis unmög- gegangen. Andere waren vorsichtiger mie nicht zurückgegangen sind. Unse- lich macht. Dazu kommt, dass viele und haben sich entschieden, lieber re Einnahmen aus Kollekten sind na- von ihnen selbst über 60 Jahre alt sind aufs Telefon zurückzugreifen. türlich weggefallen, weil es keine Got- und damit zur Risikogruppe gehören. Als Stiftung haben wir zu- tesdienste mehr gab. Dafür haben wir nächst eine Initiative gestartet, in de- eine sehr großzügige Großspende be- Viele Patienten fühlen ren Rahmen wir Krankenhäuser mit kommen. Das war eine der schönen sich einsam Tablets für die Patienten ausstatten Überraschungen während der Pande- Gleichzeitig haben wir bemerkt, dass wollten. Unser Gedanke war, dass die miezeit. 19 der Wunsch nach seelsorgerischer Be- Kranken dann digital mit ihren Fami- Wir haben unsere Seelsorge- STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise gleitung durch die Corona-Pandemie lien und den Seelsorgern kommuni- rinnen und Seelsorger gefragt, wie zugenommen hat. Die Seelsorger be- zieren können. Mit der Idee sind wir wir das Geld am besten einsetzen kön- richten uns, dass sie deutlich mehr An- bei vielen auf sehr positives Feedback nen und verschiedene Vorschläge be- fragen bekommen als vor Corona. Wir gestoßen. Gleichzeitig hat unser Vor- kommen. Unter anderem finanzieren vermuten, dass hier die Angst vor einer stoß in vielen Krankenhäusern zu wir jetzt für zwei Kliniken Hochbeete. Infektion mit dem Virus und die mit großen Diskussionen geführt. Ganz Gerade Menschen mit psychischen Er- der Krankheit verbundene Unsicher- einfach, weil die digitale Sicherheit krankungen tut die Arbeit in der Na- heit eine Rolle spielen – außerdem na- für ein solches Projekt in vielen Fäl- tur gut – und coronakonform ist das türlich die Tatsache, dass die Besuchs- len noch nicht gewährleistet werden Gärtnern im Freien auch. ← regelungen sehr stark eingeschränkt konnte. Letztendlich hat unsere Idee Protokoll Esther Spang wurden. Viele Patienten fühlen sich momentan einfach sehr einsam. Über die Stiftung Die Stiftung Krankenhausseelsorge fördert die evangelische Seelsorge in den Krankenhäusern und Kliniken in Bonn. Ihre Tätigkeit sieht sie als Antwort auf die eigene Erfahrung christlicher Nächstenliebe. www.stiftung-krankenhausseelsorge.de Fotos: privat. Linke Seite: Erik Weiss
Mehr Solidarität „Wir sind alle aufgefordert, mehr aufeinander zu achten und Rücksicht zu nehmen.“ Anja Wenk, Geschäftsführerin Kroschke Kinderstiftung (Ahrensburg) → Die Kroschke Kinderstiftung ist ei- Familien sind durch die Extremsitua- im Jahr zusammen. Jetzt tauschen wir ne Förderstiftung, die vor allem chro- tion einer Pandemie besonders gefor- uns verstärkt digital aus und konnten nisch kranke sowie behinderte Kinder dert. Aber auch unter normalen Um- spontan und schnell bewilligen. und Jugendliche unterstützt. Anträge ständen benötigen sie Hilfe, um den können von gemeinnützigen Organi- Alltag zu bewältigen. Die Solidarität muss bleiben sationen an uns gestellt werden. Wir Wir sollten als Anwalt dieser Für mich ist das auch ein Learning fördern zum Beispiel beim Kinder- Gruppe noch stärker an die Öffent- für unsere zukünftige Stiftungsarbeit: netzwerk – einem Dachverband der lichkeit gehen und helfen, dass ihre Wir sind mithilfe der Digitalisierung Selbsthilfe – ein Projekt, das sich ge- Bedürfnisse anerkannt werden und in der Lage, schnelle, fundierte und zielt an Familien mit chronisch kran- dass sie die Unterstützung bekommt, weitreichende Entscheidungen zu ken Kindern und Kindern mit Behin- die sie braucht. Dann haben diese Kin- treffen, wenn es die Situation erfor- derung in Zeiten der Pandemie richtet. der die Chance, ihren Alltag gut zu be- dert. Es macht mich sehr glücklich, Im Rahmen dieses Projektes ist unter wältigen. Corona hat mir vor Augen dass wir dazu beitragen, dass zukünf- anderem eine Expertensprechstunde geführt, wie wichtig die Arbeit unse- tig kluge Entscheidungen auf wissen- für Eltern und eine Peer-to-Peer-Be- rer Stiftung ist – das hat mich schon schaftlicher Datenbasis getroffen wer- ratung von Betroffenen für Betroffe- sehr bewegt. Für die Zukunft hoffe den können, die Kindern und Jugend- ne entstanden. Dieses Projekt ist uns ich, dass unsere Gesellschaft intensi- lichen in der aktuellen Krise – aber ein echtes Herzensanliegen. Denn es ver als bisher Lösungen für die Pro- auch danach – zugutekommen. berührt den Kern unserer Stiftung, Fa- bleme von Menschen mit einer Be- Insgesamt ist es vermutlich 20 milien, die ein Kind mit einer chroni- hinderung oder einer chronischen Er- leichter zu sagen, dass man positi- schen Erkrankung oder Behinderung krankung findet. ve Lehren aus der Corona-Zeit mit- STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise großziehen, durch organisierte Selbst- Während der Corona-Krise nimmt, wenn man durch die Krise hilfe zu unterstützen. sind wir außerdem vom Universitäts- nicht so sehr beeinträchtigt ist. Das klinikum Hamburg-Eppendorf ange- ist schwerer, wenn man stärker da- Familien sind jetzt besonders sprochen worden, ob wir zwei Studi- von betroffen ist. Wir sind alle aufge- gefordert enprojekte unterstützen wollen. Eine fordert, mehr aufeinander zu achten Durch dieses Projekt wollen wir den der Studien untersucht die Auswir- und Rücksicht zu nehmen. Das kön- betroffenen Familien etwas von der kungen der Pandemie auf das psychi- nen wir auch als Lehre sehen: Dass Last in dieser herausfordernden Zeit sche Wohlbefinden von Kindern und uns echte Solidarität auch in norma- nehmen. So werden sie bei wichtigen Jugendlichen. Hier waren schnelle len Zeiten gut zu Gesicht steht. ← Entscheidungen beraten und beim Entscheidungen gefragt. Normaler- Protokoll Miriam Koch Organisieren etwa von Arztbesuchen weise kommt unser Vorstand dreimal und Krankenhausaufenthalten unter- stützt. Das ist sehr wichtig, denn diese Über die Stiftung Die Kroschke Kinderstiftung unterstützt als Förderstiftung Projekte in Norddeutschland, die der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zugutekommen. Sie setzt sich vor allem für chronisch kranke und behinderte, insbesondere für herzkranke, blinde und sehbehinderte Kinder ein. www.kinderstiftung.de
Mehr Achtsamkeit „Wir sind keine Einzelgänger, sondern soziale Wesen.“ Martin von Essen, Stiftsvorsteher und Vorstandsvorsitzender des Paul Gerhardt Stifts zu Berlin → Die Pandemie lehrt uns, wie sen- Kontakt nicht ersetzen, aber sie bietet schützen können. Dazu gehört auch, sibel unser Miteinander ist, und stellt immerhin eine Möglichkeit, um über- dass wir ihnen zeigen, wie es gelingen uns gleichzeitig vor Augen, wie glo- haupt miteinander zu kommunizie- kann, Verantwortung für ihre eigene bal vernetzt wir alle sind. Viele haben ren. So verlieren wir uns nicht ganz Gesundheit zu übernehmen. das bisher vielleicht nicht wahrhaben aus den Augen. wollen. In den vergangenen Monaten Viele soziale Stiftungen beglei- Eine neue Dringlichkeit haben wir außerdem gelernt, dass wir ten Menschen ganz unmittelbar. Sie Im Arbeitskreis Soziales sind ganz achtsamer mit unserer Umwelt um- alle stehen derzeit vor einer beson- unterschiedliche Stiftungen vertreten gehen müssen. Dabei meine ich mit deren Herausforderung, egal ob sie – große operative Stiftungen eben- Umwelt nicht nur die Natur. Auch in einem Krankenhaus, einem Pfle- so wie kleine Förderstiftungen. Wäh- unser menschliches Miteinander hat geheim, in einer Einrichtung für Ge- rend der Krise waren auch die kleinen sich aus meiner Sicht drastisch ver- flüchtete oder – wie unsere Stiftung – sehr aktiv und entsprechend personell ändert. Viele Dinge, die früher mög- in einem Stadtteilzentrum tätig sind. und finanziell stark gefordert. Dabei lich waren, sind es seit Monaten nur Herausforderung meine ich dabei in standen sie immer wieder vor der He- noch eingeschränkt oder gar nicht doppelter Hinsicht: Einmal ist natür- rausforderung, neue Wege gehen und mehr. Das brachte unter anderem die lich die Arbeitsbelastung in den ver- sich neu aufstellen zu müssen, um Erkenntnis mit sich, wie wichtig uns gangenen Monaten extrem gestiegen. möglichst wirksam helfen zu können. 21 Menschen Kommunikation ist. Wir Dazu kommen die Ängste, Sorgen Auch die Frage, über welche Kom- STIFTUNGSWELT Frühling 2021 Sozialstiftungen in der Corona-Krise sind keine Einzelgänger, sondern so- und Risiken, die die Menschen täg- munikationswege Stiftungen künftig ziale Wesen. Damit sind wir auch von lich begleiten. Viele konnten sich in sichtbar werden können, wie sie über Kommunikation und menschlichem ihre Homeoffices zurückziehen. Viele ihre Arbeit berichten und Ehrenamt- Miteinander abhängig. Ich denke, das andere, vor allem die Menschen, die liche für sich begeistern können, hat Fotos: Thies Raetzke (Porträt Wenk), Tanja Griesel/Paul Gerhardt Stift zu Berlin (Porträt von Essen) war es, was mich Corona als Erstes ge- im sozialen Bereich tätig sind, konn- in den vergangenen Monaten oft ei- lehrt hat. Außerdem habe ich gelernt, ten und können das nicht. Sie haben ne ganz neue Dringlichkeit erfahren. neue Wege zu gehen – gerade auch, Besonderes geleistet und tun es noch. Die Krise hat große und kleine Stif- was die digitale Kommunikation an- Die Pandemie hat uns als Gesellschaft tungen gelehrt, dass es unausweich- geht. Ich gestehe, dass ich diesbezüg- gelehrt, dass wir mit diesen Men- lich ist, neue Kommunikationswege lich nicht der Fitteste war. In den ver- schen deutlich behutsamer umgehen zu gehen. Auch hier müssen sich alle gangenen Monaten habe ich viel Neu- müssen. Wir müssen uns nicht nur auf die Herausforderungen der Digi- es lernen dürfen, um mit Menschen, überlegen, wie wir für eine gute Be- talisierung einstellen – eine Heraus- die mir wichtig sind, privat und beruf- zahlung sorgen können, sondern uns forderung, die uns noch die nächsten lich in Kontakt zu bleiben. Für mich auch Gedanken darüber machen, wie Jahre über begleiten wird. ← war es eine wichtige Erkenntnis, dass wir die Gesundheit dieser Menschen Protokoll Esther Spang auch virtueller Kontakt möglich ist. Diese Form ist vielleicht nicht immer schön – und kann den persönlichen Über die Stiftung Das Paul Gerhardt Stift wurde 1876 als Diakonissenmutterhaus gegründet. Heute fördert es als Stiftung verschiedene soziale Projekte sowie das kulturelle und geistliche Leben. Unter dem Dach des Paul Gerhardt Stiftes wird nach christlich-diakonischem Vorbild gelebt und gearbeitet. paulgerhardtstift.net
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