Yellow Paper Europas Energiewende - Positionen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und dem Netzwerk EurActiv - EURACTIV.fr
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Yellow Paper Europas Energie- wende Positionen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und dem Netzwerk EurActiv
2 EurActiv – in 15 Sprachen am Puls der Politik Das Gelb von EurActiv signalisiert unabhängige, verlässliche, verständliche Die Deutschland-Redaktion ist noch ziemlich jung: Sie besteht erst seit Juni - und kostenfreie! – Information über alles, was mit Europa los ist, von den 2009. Dennoch verzeichnet allein die deutsche Ausgabe schon mehr als Höhen der Gipfelserien bis zu den Tiefen der Krisenexzesse. 60.000 Unique User im Monat. Unser täglicher Newsletter erreicht 9.000 Leser, überwiegend Multiplikatoren. 13 Jahre ist es her, dass EurActiv.com in Brüssel als das Portal für politische Nachrichten, Hintergründe und Positionen gegründet wurde. Mittlerweile EurActiv.de ist Medienpartner bedeutender Institutionen und Konferenzen. ist ein paneuropäisches Netzwerk daraus geworden – mit Redaktionen in Auch mit seinen zahlreichen Stakeholder Workshops zu topaktuellen The- 15 Ländern und 15 Sprachen. 13 Redaktionen befinden sich in der EU, eine men aus Energie- und Ressourcenpolitik, Finanz- und Währungspolitik, Um- weitere in der Türkei und eine in Serbien. Weitere Büros sind in Planung. welt- und Klimapolitik, Außen- und Erweiterungspolitik hat sich EurActiv.de in Fachkreisen sehr schnell einen Namen gemacht. Unverzichtbar für Multiplikatoren Die Redaktionen des gesamten EurActiv-Netzwerkes bestehen aus rund Das ergibt ein einzigartiges Medium. Unverzichtbar für alle, die mit EU-Fra- fünfzig Journalistenkollegen. Somit hat kein anderes Medium, das aus- gen zu tun haben – für Politiker, Diplomaten, Beamte, Unternehmer, Lob- schließlich über die EU berichtet, eine so große Redaktion wie EurActiv. Die byisten, Wissenschaftler, Studenten, Think Tanks, NGOs, Journalisten und Deutschland-Redaktion besteht aus einem kleinen Team fester Redakteure andere Multiplikatoren. und einem Netz freier Mitarbeiter und Gastautoren, das sich wie ein Who- is-Who Europas liest und auf die wir sehr stolz sind. EurActiv bringt Nachrichten aus dem Spannungsfeld zwischen Berlin (und neuerdings auch Wien) und Brüssel, zwischen Deutschland (und Öster- Und kein Medium, das Europathemen behandelt, erscheint in so vielen reich) und der Europäischen Union. Es liefert Analysen und Hintergründe, nationalen Sprachen. So werden Brüsseler Vorgänge für das jeweilige Land erkennt frühzeitig Themen, erzeugt Debatten. EurActiv ist Plattform für übersetzt und aufbereitet – und umgekehrt regionale Themen nach Brüssel Positionen und Gegenpositionen. Großzügige Verlinkungen zu Dokumen- transportiert und auch in anderen Hauptstädten aufgegriffen. ten, Studien, Interviews und Medienberichten machen es zum wertvollen Arbeitsinstrument. Mit diesem YellowPaper setzt EurActiv.de seine Reihe mit monothemati- schen Print-Magazinen fort. Weitere „Gelbbücher“ werden folgen. EurActiv ist ein unabhängiges Unternehmen. Unabhängig auch von EU-Ins- titutionen, von großen Medienhäusern und von politischen Parteien. Diese Europathemen sind bei uns in guten Händen. Gerade wenn die EU, der Euro Unabhängigkeit wissen die Leser und User zu schätzen. und so mancher Europäer schwere Zeiten durchmachen, fühlen wir uns journalistisch gefordert und wollen umfassend und unabhängig informie- Die Redaktion für den deutschsprachigen Raum hat ihren Sitz im Haus der ren. Bleiben Sie uns gewogen, empfehlen Sie uns weiter. Bundespressekonferenz im Berliner Regierungsviertel. Am Puls der Politik. Noch näher kann man den politischen Akteuren nicht sein. Ähnlich zentral liegt unser Headquarter in Brüssel: Es befindet sich direkt neben dem Ge- IHR EWALD KÖNIG, bäude der EU-Kommission im International Press Center. HERAUSGEBER UND CHEFREDAKTEUR Das deutsche Portal EurActiv.de ist Teil des europaweit führenden Netzwerks EurActiv. Das paneuropäische M edium ermöglicht Ihnen effiziente und zielgruppenspezifische Kommunikation – direkt, transparent, in 15 Ländern und auf 15 Sprachen! Vilnius Vilnius London London Berlin Berlin EurActiv-Länder Warschau Warschau Brüssel Brüssel EU-Mitgliedsländer PragPrag Keine EU-Mitgliedsländer ParisParis Bratislava Bratislava Budapest Budapest Bukarest Bukarest Belgrad Belgrad Besuchen Sie uns unter: SofiaSofia Madrid Madrid RomRom Istanbul Istanbul www.euractiv.de Ankara Ankara Athen Athen
INHALTSVERZEICHNIS3 2 EurActiv – in 15 Sprachen am Puls der Politik 4 EurActiv.de – Ihr Zugang zu Europa 5 Vorwort: The German Energiewende und der Rest Europas 7 Aus dem EurActiv-Netzwerk 8 Türkei, Tschechien, Slowakei 9 Belgien, Frankreich, Serbien 10 Österreich, Polen 11 Interview mit Gregor Czisch: „Es fehlt der Blick fürs Ganze“ 19 Positionen der Wirtschaft 20 VKU: „Es geht nur mit ganzheitlichen Ansätzen!“ 21 Die Energiewende im Straßenverkehr kann gelingen 22 Klimaeffekte des Batterieeinsatzes in der Primärregelung 24 EFET Deutschland: Markt zulassen! 25 Die Energiewende beginnt in den Kommunen 26 Die Energiewende in Europa ist möglich 28 Der Klimaschmutz und die Kohlepläne in Europa 29 Der ländliche Raum als Schauplatz der Energiewende 30 Deutsche Telekom: Die Flut der Daten 31 Positionen der Politik 32 CDU/CSU: Europas Energiewende und die nationale Karte 33 SPD: Schwerpunkt bleibt Energieeffizienz 34 Grüne: „Alleingänge brachten die Energiewende voran“ 35 FDP: „Von europäischer Energiewende weit entfernt“ 36 Die LINKE: Energiewende jetzt! 37 Positionen der Wissenschaft 38 Die Energiewende global denken 41 Skandinavien und die Energiewende 42 Die deutsche Energiewende europäisch denken 44 Impressum
EurActiv.de – Ihr Zugang zu Europa EurActiv.de ist das führende deutschsprachige Europa-Medium. Das unab- hängige Portal bietet seinen Lesern und Partnern Nachrichten, Hintergründe, Debatten und individuelle Kommunikationspakete rund um Europa. Die Berichterstattung auf EurActiv.de umfasst alle Ebenen europäischer und nationaler Entscheidungs prozesse und gibt Ihnen einen 360-Grad-Blick auf europäische Entscheidungen: Maßnahmen und Pläne der Positionen der Bundesregierung sowie EU-Kommission der Länder und Kommunen 360° Debatten im EU-Parlament Verhandlungen im Europäischen Rat Diskussionen der NGOs Entscheidungen des EuGH Standpunkte aus Wirtschaft und Wissenschaft Mehr als 60.000 Nutzer im Monat lesen das deutsche Portal EurActiv.de – aus allen Städten und Regionen Deutschlands sowie aus Brüssel, Österreich, Luxemburg und der Schweiz. Europaweit erreicht das Netzwerk EurActiv monatlich mehr als 609.000 Nutzer. EU-Institutionen (7,18 %) Private Bund, Länder und Kommunen (8,29 %) (13,81 %) Unternehmen, Verbände, Berater Think Tanks und Universitäten (24,31 %) (24,31 %) NGOs Medien (11,60 %) (11,60 %)
VORWORT The German Energiewende und der Rest Europas Rucksack, Kindergarten – und jetzt die Energiewende: Wieder ein deutsches Wort, das Eingang in andere Spra- chen gefunden hat und als typisch deutsch gilt. Dieses YellowPaper beantwortet nicht alle Fragen, aber viele. Es konzentriert sich auf einige Schwerpunkte: Beiträge aus den Redaktionen des EurActiv-Netzwerks, ein umfassen- des Interview mit einem Experten, diverse Positionen aus Politik und Wirtschaft sowie gut verständliche Analysen von Wissenschaftlern der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. „Energiewende“ findet man neuerdings immer Petitesse der Weltgeschichte. Sobald die Deut- Die Handlungsfelder: öfter auch in angelsächsischen Texten. Das sagt schen aus der Kernkraft ausgestiegen seien, wür- viel aus. Tatsächlich spielt Deutschland offenbar den die Polen gerade erst voll einsteigen. • Die zukünftige Energieversorgung soll vor allem eine Vorreiterrolle in der Energiewende. Sucht durch Erneuerbare Energie erfolgen dennoch jemand eine englische Entsprechung, Oettinger macht Tempo beim EU-Energiebin- würde „energy transformation“ oder auch „ener- nenmarkt und fordert von den Mitgliedsstaa- • Schlüsselfrage Energieeffizienz gy shift“ passen. ten mehr Anstrengungen zur Umsetzung und Durchführung der bestehenden EU-Gesetze für • Ausstieg aus der Kernenergie: Ab spätestens Die deutsche Vorreiterrolle findet in Europa nicht den Energiebinnenmarkt. „Wenn es um Gas und Ende 2022 soll Deutschland auf Atomstrom nur Begeisterung. Sie provoziert eine Menge Fra- Strom geht, interessieren Bürger und Unterneh- gänzlich verzichten. gen, sowohl im europäischen Binnenmarkt als men zwei Dinge: eine jederzeit sichere Versor- auch in Deutschland selbst. Wieviel echte Wen- gung und erschwingliche Preise. Dieses Ziel errei- • Fossile Kraftwerke, Abschied vom fossilen Zeit- de steckt eigentlich in der Energiewende? Wo ist chen wir am besten mit einem funktionierenden alter eine Wende dieser Wende angezeigt? europäischen Energiemarkt.“ • Leistungsfähige Netzinfrastruktur für Strom, Wie sich Deutschland als Pionier für die europä- Will man den Europäern erklären, was die deut- Integration erneuerbarer Energien: Das Netz- ische Energiewende sieht, so hätte Europa das sche Energiewende bedeutet, muss man weit ausbaubeschleunigungsgesetz ermöglicht, Pla- Potenzial, die Pionierrolle für die globale Energie- ausholen. Der Begriff steht für den Aufbruch in nungsverfahren für Höchstspannungsleitungen wende zu übernehmen. Dafür aber fehlt es noch Richtung Erneuerbare Energien und Energieef- über Landesgrenzen hinweg von zehn auf vier an vielem – nicht nur an realer Politik, sondern fizienz. Wenn bis 2050 die Energieversorgung Jahre zu verkürzen. auch an der Vision. Deutschlands überwiegend durch Erneuerbare erfolgen soll, müssen die Energieversorgungs- • Energiespeicher sollen zum „Parken“ von Ener- Europa schaut den Deutschen interessiert und systeme komplett umgebaut werden. Fast 200 gie zwecks Versorgungssicherheit entwickelt skeptisch zu. EU-Energiekommissar Günther Maßnahmen sieht die deutsche Regierung vor. werden. Der Bund steckt 200 Millionen Euro in Oettinger tourt erfolgreich durch die Vortragssä- Bis Mitte des Jahrhunderts sollen bis zu 550 die Forschung. le, mokiert sich in anschaulichen Sprachbildern Milliarden Euro für die Energiewende investiert über deutsche Alleingänge und hält sie für eine werden. EU-Kommissar Günther Oettinger (Mitte) nimmt in Berlin das YellowPaper von EurActiv.de zum Thema EU-Energiepolitik entgegen, flankiert von Dieter Spöri (re.), dem damaligen Präsidenten der Europäischen Bewegung Deutschand (EBD), und Ewald König, Chefredakteur von EurActiv. de (Foto: Berndt Brussig)
VORWORT6 A common European goal and national targets EU Directive 2009/28 sets targets for Member States‘ Renewable Energy Consumption www.unendlich-viel-energie.de/english Das sind die Erneuerbare-Energie-Ziele, welche die EU-Richtlinie 2009/28 den einzelnen Mitgliedsländern setzt. Grafik: Renewable Energies Agency • Energetische Gebäudesanierung, energieeffizi- künftig noch mit Strompreisnachlässen rechnen, die durch Subventionen bedingt sind, mit Markt- entes Bauen: Bis 2050 sollen fast 90 Prozent der um international wettbewerbsfähig zu bleiben? mechanismen zu neutralisieren, setzt der Staat Wohnfläche in Deutschland energetisch saniert auf neue Regulierung, um das Defizit zu besei- werden Wie sehr werden künftig eine Energie-Außenpo- tigen. Diese Entwicklung hat inzwischen alle litik und eine Energie-Diplomatie gefordert sein? Teile der Wertschöpfungskette erfasst. Damit • Mobilität: Bis 2020 sollen in Deutschland eine Welche Rolle nehmen die Landkreise und die geht eine kontinuierliche Abschaffung des so oft Million Elektrofahrzeuge fahren, bis 2030 sogar Kommunen ein? Arbeiten Bund und Länder aus- gepriesenen liquiden Energiemarktes in Raten sechs Millionen. reichend an einem Energiekonzept zusammen? einher. Wird Energiewende als nationale, geschweige • Energieforschung für Innovationen, neue Tech- denn europäische Anstrengung empfunden? Wie in allen bisherigen YellowPapers von EurAc- nologien tiv.de kommen viele Seiten zu Wort. Der unab- Wie weit gehen die Maßnahmen zu Lasten der hängige und anerkannte Energieberater Gregor • Energieversorgung im europäischen und inter- Umwelt, wenn der Bau von Stromleitungen und Czisch gab uns ein ausführliches und grundle- nationalen Kontext Kraftwerken beschleunigt wird? Wie weit verän- gendes Interview; dann lassen wir zahlreiche dern Infrastruktureingriffe in den Untergrund Stakeholder aus der Wirtschaft zu Wort kom- • Akzeptanz, ideologische Grenzen (Stauseen, Bergbau, Geothermie, Gasspeicher) men, die keinesfalls immer einer Meinung sind, die tektonischen Verhältnisse? Drohen mehr Erd- gefolgt von den Positionen der politischen Partei- • Transparenz und Information, mediale Kontro- beben? en. Im letzten Kapitel durften wir Analysen von versen SWP-Wissenschaftlern übernehmen, die äußerst Wenn die Energiewende schon eine Jahrhun- lesenswert sind. Diese Handlungsfelder zeigen, welche Dimensi- dertaufgabe darstellt, wird sich die nächste onen die Energiewende hat, abgesehen von der Bunderegierung zur Schaffung eines Energiemi- rein technischen und der umweltpolitischen Di- nisteriums aufraffen, um die häufigen Konflikte mension. Gefährdet sie Arbeitsplätze, weil we- zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium gen der hohen Kosten die De-Industrialsierung zu vermeiden? Deutschlands droht? Oder hilft sie, Jobs zu si- chern? Schafft sie neue Stellen? Gelingt es, die Jedenfalls beklagen nicht nur die Energiehändler industriellen Wertschöpfungsketten in Deutsch- schwere Verfehlungen der derzeitigen deutschen land zu halten? Können Grundstoffindustrien Regierungspolitik. Anstatt Regulierungsdefizite, EWALD KÖNIG
Aus dem EurActiv- Netzwerk Er strotzt vor Kraft und Energie: Der Stier, auf dem die Europa sitzt. Doch dem heutigen Europa fehlen Kraft und Energie. Es bringt keine europäische Energiepolitik zustande. Das machen die Berichte, die uns die Redaktionen des Netzwerks EurActiv geschickt haben, mehr als deutlich. Das Bild zeigt die Bronzeskulptur "Europa und der Stier" des Berliner Bildhauers Michael Jastram, die der Deutsche Bundestag vor zwei Jahren für seine Kunstsammlung erworben hat. Foto: © DBT/Stefan Erfurt
AUS DEM EURACTIV-NETZWERK 8 TÜRKEI Wasserkraft, Atomkraft, Überzeugungskraft Das Kapitel Energie wurde in den türkischen auch den Anteil an Erneuerbaren Energien aus- Beitrittsverhandlungen mit der EU noch nicht bauen. geöffnet. Die türkische Regierung spricht dieses Insgesamt sind die Ziele für Thema allerdings häufig an, wenn es um die stra- Wasserkraft ist ein eher sensibles Thema in der den Energiemix der Türkei tegische Bedeutung der Türkei für die Energiesi- öffentlichen Debatte der Türkei. Oft sprechen bis 2023 folgende: cherheit Europas geht. sich die betroffene Bevölkerung, die an den Pro- jektstandorten lebt, Umweltverbände und Oppo- Bei Pipelineprojekten, die Gas aus Aserbaidschan sitionsparteien im Parlament dagegen aus. nach Europa transportieren sollen, wartet die 30 % Erneuerbare Energien Türkei noch auf die Positionen der anderen Be- Die Türkei arbeitet derzeit am Bau ihres ersten 30 % Erdgas teiligten. Atomkraftwerkes, das in Akkuyu an der Mittel- 30 % Kohle meerküste stehen soll. Das Projekt wurde nach Der Großteil der türkischen Importe betrifft Öl der Reaktorkatastrophe von Fukushima stark 10 % Kernenergie und Gas. Das trägt wesentlich zu ihrem perma- diskutiert. Die Debatte hat jedoch nachgelassen, nenten Problem mit dem Leistungsbilanzdefizit und das Projekt wird wahrscheinlich weiter ge- in einer Zeit hoher Wachstumsraten bei. Deshalb plant werden. Außerdem ist ein weiteres Atom- will die Regierung nicht nur ihre zur Verfügung kraftwerk in Sinop an der Schwarzmeerküste in stehenden Ressourcen diversifizieren, sondern Planung. EurActiv Türkei TSCHECHIEN Kernkraftwerke im nationalen Energiekonzept Eine große Rolle in der Frage der Energiewende dass die Preise für die Endverbraucher infolge Die Erneuerbaren Energien sollten zwar weiter- spielt der Faktor, dass die Tschechische Republik der Subventionierung der erneuerbaren Energien entwickelt werden, allerdings wird dies finanziell ein Nachbarland von Deutschland ist. Dies wird ansteigen. Das ist ein willkommenes Argument nur wenig durch die Regierung unterstützt. Es aus energiepolitischer Sicht durchaus mit Skep- für die tschechische Regierung, die nicht gewillt soll sich alles auf gleichsam natürlichem Wege sis gesehen. Das Hauptproblem ist der Verlauf ist, den Ausbau erneuerbarer Energien in Zukunft und über den Markt von selbst regeln. des Stromkreislaufs in Form von Parallelflüssen zu unterstützen. Generell wird die Energiewende (sogenannten „loop flows“) auf Grund der Unzu- in der öffentlichen Debatte Tschechiens nicht als Obwohl Energieeffizienz ein Hauptanliegen des länglichkeit des deutschen Stromnetzes und der sonderlich gute Idee wahrgenommen. Die Men- nationalen Konzeptes ist, gibt es starke Kritik von hohen Kapazitäten an Windkraft im Norden. schen warten eher darauf, was als Ergebnis des Umwelt- und anderen Verbänden, die an dem gesamten Prozesses herauskommt. Dokument das Fehlen wirklicher Maßnahmen Die Tschechische Republik würde dieses Problem für die Energieeffizienzsteigerung bemängeln. gern gelöst sehen, und zwar mit Hilfe europäi- Zur Zeit bereitet die Tschechische Republik ein Im Allgemeinen sind jedoch das Hauptproblem scher Finanzierung und nach Möglichkeit auch neues nationales Energiekonzept vor, das den in der tschechischen Energiediskussion die Gren- mit Hilfe von Deutschland selbst. Fokus auf die weitere Entwicklung von Kernkraft- zen im Kohleabbau. werken legt. Diese KKWs sollen die Kohle erset- Was im Zusammenhang mit der Energiewende zen – die für eine bessere Nutzung verwendet ebenfalls hervorgehoben wird, ist die Tatsache, und nicht bloß verbrannt werden soll. EurActiv Tschechien SLOWAKEI Viel Kernkraft, wenig Energiewende Alle wichtigen politischen Parteien (einschließ- Der slowakische Energiekonzern SE (Slovenské ventionen hierfür wurden stark gesenkt. lich der regierenden Sozialdemokraten) und die Elektrárne) investiert 2013 rund 2,8 Milliarden Bevölkerung sind für die Kernenergie. Und seit Euro in zwei neue Kernkraftanlagen. Weitere Die aktuelle Debatte stellt die Nutzung der Ein- diese Technologie einen geringeren CO2-Ausstoß 500 Millionen Euro sollen jedoch dem Ausbau nahmen aus dem Emissionshandel in den Mittel- erwägt, wie ihn die EU-Richtlinie für wirtschaftli- der Erneuerbaren Energien zugutekommen.Au- punkt. Die Einnahmen sollen laut EU-Richtlinie che Entwicklung vorgibt, gibt es keinen sichtba- ßerdem wird das älteste AKW wahrscheinlich zur weiteren Senkung des CO2-Ausstoßes und ren Protest. länger am Netz bleiben als ursprünglich geplant. zum Ausbau der Erneuerbaren Energien genutzt Die eigentliche Laufzeit von 30 Jahren (bis 2015) werden. Die Umweltverbände kritisieren die Obwohl der slowakische Wirtschaftsminister soll durch Modernisierungen bis 2046 verlängert Regierung dafür, dass sie die Einnahmen an die (der auch für Energie zuständig ist) zugesagt werden. „Umweltverschmutzer“ zurückzahlen wollen. hat, auch den Anteil der Erneuerbaren Energien Außerdem wird darüber debattiert, ob die Ein- erhöhen zu wollen, liegt der Schwerpunkt deut- Gemäß dem slowakischen Aktionsplan für Er- nahmen zur Reduzierung der Treibhausgase oder lich auf dem Ausbau der Kernenergie. So soll 2025 neuerbare Energien ist Biomasse eine Priorität. zur Senkung des Staatsdefizits genutzt werden wahrscheinlich ein weiteres Kernkraftwerk in Sie wird in den Kohlekraftwerken und beim Hei- sollen. Jaslovske Bohunice entstehen. Mit dem Bau soll zen verwendet. schon 2014 begonnen werden. Schlussfolgerung: In der Slowakei gibt es keine Die Stromgewinnung aus Solarenergie spielt wirkliche Energiewende. In den nächsten Jahren werden sogar zwei neue keine große Rolle: Nur 1,1 Prozent des erzeugten Blöcke im AKW Mochovce ihre Arbeit aufnehmen. Stroms stammt aus Solarenergie, und die Sub- EurActiv Slowakei
AUS DEM EURACTIV-NETZWERK 9 BELGIEN AKW-Abschaltung zu ambitioniert In Belgien hat sich eine Debatte darum gebildet, Eine Steuer auf diesen Geldsegen wurde bereits ka vierzig Prozent) und Erneuerbaren Energien wie man das Geld aus der Kernenergiesteuer 2008 eingeführt. Für das Jahr 2013 sind 475 Mil- (vier Prozent). nutzen sollte. lionen Euro angesetzt. Das sind allerdings 75 Millionen weniger als 2012. Der Grund für den Der Zeitplan für die Endphase wurde jedoch Die Atomkraftwerke in Belgien wurden haupt- Rückgang liegt in der vorübergehenden Abschal- ziemlich stark verschoben. Das anfängliche Ziel, sächlich in den 1960er und 1970er Jahren erbaut, tung der Kernreaktoren in Doel und Thiange aus alle Atomkraftwerke bis 2015 abzuschalten, sind seit langem abbezahlt und haben sich längst Sicherheitsgründen. musste großzügig verlegt werden. Der Plan, der rentiert. Sie erwirtschaften für die betreibenden 2003 von der Regierung beschlossen worden war, Energieunternehmen, vor allem Electrabel, eine Langfristig will Belgien alle seine Kernreaktoren war denn doch allzu ambitioniert. Tochterfirma der GDF-Suez, eine stetig wachsen- bis 2025 abschalten. Diese liefern momentan die de Geldmenge. Hälfte des Stroms. Der Rest stammt aus Gas (zir- EurActiv Belgien FRANKREICH Neuer Energiemix, aber unklare Regierungsstrategie Als Kandidat hatte der neue französische Prä- Seit der Umweltkonferenz ist die Regierungsstra- anderen Nicht-Regierungsorgansationen zeigt sident François Hollande versprochen, für eine tegie für Energie sehr unklar, aber ein Energie- die Zusammensetzung des führenden Komitees, breite Diskussion über die Energiewende zu sor- preisgesetz wurde bereits diskutiert. dass die Regierung bereits zur Kernkraft tendiert. gen. Kaum war er gewählt, bestätigte er seine Zu- Die NGOs wollen nicht quasi die grünen Alibis in sage und kündigte an, bis 2025 die Kernenergie in Die offizielle Debatte über die Energiewende der Diskussion sein. Sie beschlossen daher, die Frankreichs Energiemix auf 50 Prozent – gegen- läuft zur Zeit an. Daran schließt sich eine vier- bis Konferenz zu verlassen. über den aktuellen 78 Prozent – zu reduzieren. sechsmonatige Beratungsperiode an. Alle Inter- essenvertreter und Bürger sind beteiligt. Ende des ersten Halbjahres 2013 wird der Diskus- Im September startete er die „Umweltkonfe- sion vermutlich ein Programm zur Energiegesetz- renz“, die seine Version zur Energiewende dar- Vier verschiedene Themen werden diskutiert: gebung folgen. legt. Seine Rede wurde von Nicht-Regierungsor- Energiespeicherung, Erneuerbare Energien, die ganisationen (NGOs) begrüßt, von der Industrie Finanzierung und der Energiemix (mit den An- aber sehr stark kritisiert. „Welche Rolle spielt die teilen an Kernenergie, Wasserkraft, Solarenergie, Wirtschaft in dieser Debatte?“, fragte die Franzö- Gas und so weiter). sische Union für Elektrizität. „Die Größe unserer Delegation spiegelt nicht das Gewicht in der In der Debatte werden jedoch einige Schlüsselak- Wirtschaft wider“, erklärte die Organisation. teure vermisst. Laut Greenpeace Frankreich und EurActiv Frankreich SERBIEN Zwischen Bürokratie und vielfältigem Potenzial In der Energiepolitik ist es Serbiens Ziel, die Nut- Quellen werden kaum oder gar nicht genutzt. Mehrwertsteuer) festgesetzt ist. Das ist fast drei zung von Erneuerbaren Energien zu steigern. Abgesehen von den Wasserkraftwerken gibt es Mal niedriger als im EU-Durchschnitt. Zudem ist Damit würde es einer Verpflichtung aus dem nur wenige Anlagen zur Stromgewinnung. Aller- fraglich, ob das Stromnetz überhaupt für den EU-Beitrittsprozess nachkommen. Serbien geht dings wurde der Bau weiterer Anlagen angekün- Transport Erneuerbarer Energien geeignet ist. davon aus, dass es die europäischen Richtlinien digt. Serbien hat bis dato 128 Energielizenzen für über Erneuerbare Energien bis 2020 umsetzt, in- Kraftwerke mit einer Leistung von mindestens Serbiens geothermische Ressourcen sollten dem der Anteil der Erneuerbaren am Gesamtver- einem Megawatt vergeben und insgesamt 34 ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Laut Da- brauch von 21,2 auf 27 Prozent erhöht wird. Anlagen mit dem Stromnetz verbunden. ten der Fakultät für Bergbau und Geologie in Belgrad hat Serbien die größte Pro-Kopf-Anzahl Das Potenzial von erneuerbaren Quellen in Serbi- Obwohl die wichtigsten Regularien weitgehend an geothermischen Quellen in Europa (238 – bei en wird auf mehr als vier Millionen Tonnen Ölein- übernommen wurden, beschweren sich poten- einer Bevölkerung von 7,2 Millionen Menschen). heiten pro Jahr geschätzt, wobei das größte in zielle Investoren über Verzögerungen in den der Biomasse (63 Prozent des Gesamtpotenzials) Verwaltungsverfahren und über die lange Bear- Mit dem Ziel, deutsche Geschäftsleute über das liegt. Dennoch wird in Serbien die meiste Ener- beitungsdauer der zahlreichen Lizenzanträge. geothermische Potenzial in Serbien zu informie- gie zur Stromherstellung aus Kohle gewonnen Kürzlich wurde festgestellt, dass es vier Jahre ren, organisierte die Delegation der Deutschen – zwei Drittel der Elektrizität stammen aus ther- dauert, um Lizenzen für ein Elektrizitätswerk zu Wirtschaft in Serbien vergangenen September moelektrischen und ein Drittel aus Wasserkraft- erhalten, das erneuerbare Energien nutzt. Für ein eine Konferenz in Belgrad. Unter der Schirm- werken. Wegen des hohen Erdgaspreises weicht Wasserkraftwerk werden 27 Lizenzen benötigt, herrschaft des Bundeswirtschaftsministeriums die Bevölkerung zunehmend auf die billigeren für Windkraftanlagen 22. nahmen Repräsentanten sechs deutscher Unter- elekrischen Heizungen aus. nehmen sowie Vertreter von serbischen Instituti- Eines der größten Probleme ist der Strompreis, onen und Unternehmen teil. Die meistgenutzten Erneuerbaren Energien in der nicht durch den Wettbewerb geregelt wird, Serbien sind Wasserkraft und Biomasse. Andere sondern auf 5,5 Cent pro Kilowattstunde (ohne EurActiv Serbien
AUS DEM EURACTIV-NETZWERK 10 ÖSTERREICH Gänzlich anders als in Deutschland Wäre es nach dem Willen des ehemaligen sozi- europäischen Ländern. Österreich produziert be- dungsprozessen Eingang finden. Spätestens die aldemokratischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky reits jetzt 60 Prozent seines Stroms aus Wasser- nächste Regierung, die nach den Nationalrats- gegangen, so stünden heute in Österreich wahr- kraft und Windenergie. Bis 2020 soll dieser Wert wahlen 2013 antritt, wird daher auch weitere scheinlich zwei bis drei Atomkraftwerke in Be- auf 70 Prozent ansteigen, parallel dazu kommt Handlungen setzen müssen. trieb, und die politischen Parteien würden heftig der Ausbau der Stromerzeugung aus Photovol- über einen Atomausstieg diskutieren. Weil aber taik. Österreich hat aktuell ein jährliches tech- Steigende Lebensqualität durch Kreisky 1978 sein politisches Schicksal mit der nisches und ökologisch verträgliches Nutzungs- sinkende Umweltbelastung Inbetriebnahme des damals gerade fertiggestell- potenzial von 91 Terawattstunden (TWh) aus ten Atomkraftwerkes Zwentendorf verbunden regenerativen Energien, davon alleine 21 TWh aus Für das Institut für Höhere Studien (IHS) steht und die damit verbundene Volksabstimmung Wasserkraft. Der derzeitige österreichische Elek- auch fest: „Eine Energiewende ist umsetzbar, verloren hatte, blieb die Alpenrepublik „atom- trizitätsbedarf liegt bei 68 TWh pro Jahr. leistbar, belebt den Arbeitsmarkt und fordert kei- frei“. Mehr noch, man begann sich schon sehr nerlei Einbußen in der Lebensqualität der Öster- frühzeitig mit neuen Energieformen intensiv Temporäre Energieträger und reicherInnen – ganz im Gegenteil: Bei sinkender auseinanderzusetzen. „flexible Kraftwerke“ Umweltbelastung steigt diese sogar.“ Wie wenige Länder hatte Österreich nach dem Da der Elektrizitätsbedarf weiter ansteigt, wird So könnte allein die CO2-Jahresbilanz in den Zweiten Weltkrieg schon frühzeitig auf den Aus- nicht nur auf den Einsatz neuer Energiequellen, nächsten vier Jahrzehnten um mehr als 90 Pro- bau der Wasserkraft gesetzt, wovon unter ande- sondern zusätzlich auf Energieeffizienzmaß- zent zu Gunsten des Klimas eingespart werden, rem die Donaukraftwerke von Engelhartszell bis nahmen besonderes Augenmerk zu legen sein. vor allem durch den Ausbau erneuerbarer Ener- Wien und zahllose Speicherkraftwerke in den Al- Eine weitere Herausforderung ergibt sich durch gieträger für die Stromerzeugung. pen Zeugnis ablegen. Zwischenzeitlich wird dank die zunehmende Schwankungsbreite bei der der Förderungspolitik in den Bundesländern vor Stromerzeugung aufgrund oft nur temporär zur Großes Energiesparpotenzial zeigt die Studie allem in die Nutzung alternativer Energieformen Verfügung stehender Energiequellen (Wind- und vor allem im Wohnbau und Verkehrssektor auf. (Biogene Brennstoffe, auch Windenergie) inves- Photvoltaiktechnik), was die Bereitstellung von Durch Einsparungen ließe sich der gesamte ös- tiert. entsprechenden Ausgleichsleistungen erfordert. terreichische Energieverbrauch in den nächsten Die beste Lösung für den Verband der Elektro- vier Jahrzehnten beinahe halbieren. Ein rund Das Resultat spiegelt der jüngste, erst vor kurzem technik sind die Errichtung so genannter „flexi- 85-prozentiger Anteil an erneuerbaren Energie- veröffentlichte Bericht von „Statistik Austria“ wi- bler Kraftwerke“, die in der Lage sind, kurzfristig trägern ist laut IHS-Studie bis 2050 realistisch. der. So reduzierten sich zwischen 1995 bis 2010 hohe Leistungen zu erbringen. Die Nutzung fossiler Energien beschränkt sich die Emissionen der meisten Luftschadstoffe und dann lediglich auf einen Restanteil in der Indust- Treibhausgase deutlich, bei Schwefeldioxid um Die Energiewende nicht nur weiter zu betrei- rie und teilweise im Verkehr. Innerhalb einer Ge- 57,6, bei Kohlenstoffmonoxid um 48,9 Prozent. ben, sondern vor allem auch zu intensivieren, neration wäre bei entsprechendem politischen Rückgänge gab es auch bei Feinstaubformen. An- verlangt nach entsprechenden Investitionen, die Begleitprogramm und Willen die Energiewende stiege verzeichneten hingegen Kohlenstoffdioxid wiederum mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze möglich. und Stickoxide, deren Werte bis 2005 um 22,1 Pro- verbunden sind. Hier ist die Politik gefordert: Die zent bzw. 28,4 Prozent anstiegen, seit 2006 aber österreichische Bundesregierung hat im Oktober Und notwendig: Nicht nur die Arktis leidet unter im Sinken begriffen sind, genau um 4,3 Prozent 2012 eine umfassende Anpassungsstrategie für dem Klimawandel. Auch Österreich ist vom Kli- bzw. 10,2 Prozent. Eine Entwicklung, die die Sta- die langfristigen Auswirkungen des Klimawan- mawandel betroffen. Die Temperaturen liegen tistiker auf den vermehrten Umstieg auf Erneu- dels verabschiedet. jetzt anderthalb Grad höher als im langjährigen erbare Energieträger zurückführen. Schnitt. Die Gletscher in den Alpen schrumpfen Nicht weniger als 14 Themenfelder werden dabei immer mehr. Hitzewellen oder Überschwem- Wasser und Wind decken 60 Pro- angesprochen: Landwirtschaft, Forstwirtschaft, mungen häufen sich. Die Weinernte beginnt fast zent des Bedarfs Wasserwirtschaft, Tourismus, Energie, Bauen, einen Monat früher als noch vor etwa fünfzehn Naturgefahren, Katastrophenvorsorge, Gesund- Jahren. Für Günther Brauner vom Institut für Energiesys- heit, Natur, Verkehr, Raumordnung, Wirtschaft teme der Technischen Universität Wien stellt sich und Städte. Mit einem „Papier“ allein ist es frei- die Energiewende in Österreich gänzlich anders lich nicht getan. Vielmehr müssen die Folgen des dar als beispielsweise in Deutschland und vielen Klimawandels in alle Planungs- und Entschei- Herbert Vytiska (Wien) für EurActiv Deutschland POLEN Unbeirrt von deutschen Einwänden Polens Strategie ist es, seine Energiequellen zu di- Ansicht einiger Analysten sollte Polen beide Pro- Allerdings behaupten einige Experten, dass aus versifizieren. Polen hat sich zum Ziel gesetzt, sein jekte parallel austragen, zumindest solange, bis einer ganzen Reihe von Gründen nicht beide erstes Kernkraftwerk zu errichten – und das im das Volumen der polnischen Schiefergasvorkom- Projekte gleichzeitig verfolgt werden können. Gegensatz zur deutschen Energiewende und in men und die Wirtschaftlichkeit der Shale-Gas- Sie sind der Auffassung, dass sich Polen bald für Opposition zum deutschen Einspruch gegen die Produktion exakt bestimmt werden können. eines der beiden entscheiden müsste, da sich Kernkraft in Polen. Darüber hinaus treibt es auch Investitionen in beide Projekte als zu kostspielig die nicht unumstrittene Förderung von Schiefer- Eine endgültige Entscheidung über das Kern- erweisen könnten. gas voran. Die Regierung versichert, dass beide kraftprogramm wird indes nicht vor 2014/15 fal- Programme die gleiche Priorität genießen. Nach len. EurActiv Polen
Interview Interview
INTERVIEW12 Energiewende: „Es fehlt der Blick fürs Ganze“ Der Energieexperte Gregor Czisch kritisiert den konzeptionellen Notstand der Politik in Sachen Energiewende und beklagt, wie wenig kompetent er beseitigt wird. Wildwuchs von unten und widersprüchliche Signale ersetzten die notwendige Koordinierung. Czisch erläutert im Interview mit EurActiv.de, warum in seiner Benotung oft das Urteil „Allenfalls mangelhaft“ fällt. Der Druck zu schnellen und rationalen Entscheidungen wächst rasant – allein schon durch die beängstigenden Signale von der Klimafront. Was halten Sie ganz generell von der Energie- CZISCH: Nach wie vor fehlt die notwendige Koor- zu eskalieren drohten, wenn unsere Nachbarn wende in Deutschland und der Energiewende dinierung. Stattdessen gibt es einen Wildwuchs tatsächlich ihre neuen Mittel einsetzten und in Europa? von unten, der an die babylonische Sprachver- ihre Netze gegen unliebsame Stromflüsse aus wirrung erinnert und schwerwiegende Fehlallo- Deutschland abschotteten. CZISCH: Schon beim rot-grünen Atomausstieg kationen geradezu heraufbeschwört. Es fehlt der war hauptsächlich klar, was man nicht wollte. Blick fürs Ganze. Die Frage der Kosten und Effizi- Das könnte in kurzer Frist schon zu schwerwie- Die Mühen der gestalterischen Planung des re- enz unserer zukünftigen Stromversorgung droht genden Netzengpässen mit gravierenden Folgen generativen Nachfolgesystems hat man weitge- sich auf ungünstigste Weise von selbst zu beant- für die Versorgungssicherheit führen. Nicht aus- hend gescheut. Die Antworten dazu beschränk- worten. Ständig werden widersprüchliche Signa- zumalen, welche internationalen politischen Fol- ten sich weitgehend auf blumige Bilder statt auf le gesandt, die den Planungsmangel offenbaren, gen sich aus großflächigen Blackouts aufgrund Weichenstellungen, die einer eingehenden Ana- sei es bei der Förderung verschiedener erneuer- aktiver Stromexportkontrolle aus unseren Nach- lyse der Möglichkeiten gefolgt wären. Da waren barer Energien, der zukünftigen Rolle von Kohle- barländern ergeben würden. viel Show und wenig belastbare Konzepte. Wis- und Gaskraftwerken oder beim Leitungsbau. senschaftliche Erkenntnisse wurden und werden Wenn Sie Noten zu vergeben hätten, wie wür- teils schlicht nicht wahrgenommen oder beach- Bei der Netzplanung ist der Missstand inzwi- den Sie die Bundesregierung in Berlin für ihre tet und bei der Politikgestaltung offensichtlich schen so weit voran geschritten, dass sowohl Energiewende beurteilen? weitgehend ignoriert. in den Niederlanden als auch in Polen Anstren- gungen unternommen werden, sich durch tech- CZISCH: Allenfalls mangelhaft. Das Eingeständ- Merkels Politik vor Fukushima wies eher in Rich- nische Maßnahmen von den deutschen Netzen nis, den Koordinierungsbedarf unterschätzt zu tung längerer Kernkraftnutzung. Als danach abkoppeln zu können. Die Nachbarn sehen zu haben, könnte aber ein erster Schritt auf dem hopplahopp entschieden wurde, wieder in den Recht nicht länger ein, warum sie, aufgrund der Wege zur Besserung sein. Ausstieg einzusteigen, war zwangsläufig die kon- deutschen Unfähigkeit Netzplanung und -aus- zeptionelle Not groß. So wichtig der Ausstieg ist, bau entsprechend den Erfordernissen voran zu Freilich kommt die Einsicht spät, denn der Koor- so wenig kompetent, offen und zielstrebig wurde bringen, mit ihren Netzen aushelfen und damit dinierungsbedarf war ja kein streng gehütetes bisher aber die Beseitigung des konzeptionellen selbst in Schwierigkeiten geraten müssen. Geheimnis. Im Gegenteil, ich habe ihn in vielen und planerischen Notstands angegangen. Gremien, in Landes- und Bundesministerien, in So führt die deutsche Planlosigkeit sogar zu Interviews und Artikeln, in Impulspapieren für Was vermissen Sie konkret? Spannungen mit unseren Nachbarstaaten, die Bund-Länder-Gespräche und und und immer
INTERVIEW 13 wieder betont und teils auch detailliert beschrie- CZISCH: Umweltminister Röttgen lehnte ein ein- Ein Blick aufs Europäische Parlament: Wie be- ben. Es wäre also seit vielen Jahren möglich ge- heitliches Fördersystem für erneuerbare Energien urteilen Sie die Haltung der einzelnen Fraktio- wesen, sich der Koordinierung rechtzeitig anzu- in Europa ab. Das war ein unverzeihlicher Kardi- nen? nehmen. Stattdessen hat man auf Wildwuchs nalfehler. Er hätte sich hier gestaltend betätigen gesetzt und bis hinunter zur untersten Ebene müssen, um die internationale Kooperation im CZISCH: Die Grünen haben Oettingers Vorstoß die Entscheidungsträger ziemlich allein gelas- Bereich erneuerbare Energien voranzubringen. für das europäische EEG mit zum Scheitern sen. Kein Wunder, dass da der Blick fürs Ganze Altmaier könnte diesen Ball wieder aufgreifen. gebracht, ohne sich mit Oettinger überhaupt verloren gegangen ist. Hier gilt es also dringend auszutauschen und den Versuch einer Verstän- nachzulegen. Welche Noten bekommt die Europäische Kom- digung zu unternehmen. Sven Giegold hat für mission? Namentlich EU-Kommissar Günther die Grünen in der EU eine Mailingaktion zur Ver- Und speziell den neuen Umweltminister Peter Oettinger? hinderung des europäischen EEG gestartet. Rein- Altmaier? hard Bütikofer hat sich durch nichts bewegen CZISCH: Wenn Oettinger fordert, dass der EU lassen, mit Oettinger überhaupt zu diskutieren. CZISCH: Altmaier hat erkannt, dass etwas nicht Energie-Binnenmarkt ausgebaut werden soll, stimmt an der Energiewende, er zieht aber teils weiß man nicht, wo das hinführen soll. Mit Wessen Interessen sie damit vertreten haben, ist die vollkommen falschen Schlüsse: Marktglauben allein kommt man nicht zu einer nicht ganz klar – die der europäischen Menschen vernünftigen Energie- in ihrer Gesamtheit und So sind beispielsweise Pläne, neue Kohlekraft- versorgung und schafft „Auch mehr Rationalität ist drin- der Stromverbraucher werke zu bauen, vollkommen kontraindiziert. In auch nicht die notwen- einem Stromversorgungssystem mit wachsen- dige Infrastruktur. Ein gend geboten, um ideologiefreie im Allgemeinen waren es sicher nicht. Es ist zu den Anteilen der Erzeugung aus fluktuierenden Börsenhandel mit Strom Sachpolitik gestalten zu können.“ fürchten, dass es auch regenerativen Energien führte ihr Bau unweiger- ist alleine - auch wenn er um Klientelpolitik ging lich zu Stranded Investments. mit einer ausreichenden Netzinfrastruktur hin- und um die Verteidigung parteipolitischer Ideo- terlegt wäre - nicht hinreichend für eine Energie- logien. Daher: Ungenügend und kontraproduktiv. Nicht falsch ist hingegen, dass bei der Debatte wende hin zu erneuerbaren Energien. Hier pas- um die Gestaltung des EEGs die verschiedenen siert zu wenig Konkretes. Es braucht gestaltende Auch die Sozialdemokraten haben sich da wohl Erzeugungsarten - Fotovoltaik, Wind, Biomasse Eingriffe in das Marktgeschehen von Seiten der nicht mit Ruhm bekleckert. Ein Gegner eines eu- und so weiter - gesondert betrachtet werden. Politik. Daher hier: Nicht ausreichend. ropäischen EEG war auch Jochen Flasbarth, der unter Rot-Grün als Leiter des Umweltbundesam- Die Kostenexplosion durch Photovoltaik wurde Dass ein europäisches EEG prinzipiell wichtig ist, tes (UBA) eingesetzt wurde. inzwischen immerhin erkannt. Hier muss man das hat er erkannt. Also: Sehr gut. sich ernsthaft Gedanken machen, wie man mit Auch in der SPD haben sich die Anhänger des dieser Technik weiter verfährt. ber wie soll es konkret aussehen? Er hat ver- inzwischen verstorbenen Hermann Scheer und säumt, die EEG-Pläne breit zu diskutieren und seiner unausgewogen auf dezentrale Strukturen Bei der knappen Ressource Biomasse drohen nach Kompromisslinien mit allen Parteien zu su- ausgerichteten Politik als höchst problematisch Fehlallokationen, die eine Vollversorgung aus chen. Er war schlecht beraten, deshalb wurde das erwiesen. Genauso wie die Kohlelobby in der SPD erneuerbaren Energien arg in Bedrängnis brin- Projekt vorerst mit in den Sand gesetzt. Daher: wirken auch sie sehr kontraproduktiv in das Eu- gen könnten. Dieses Problem muss diskutiert Mangelhaft. ropäische Parlament hinein. Meine Bewertung: und gezielt angegangen werden. Dabei ist auch Mangelhaft und zerrissen. relevant, dass die Folgen einer zu sehr auf dezen- Aber er hat für afrikanische Länder die Perspekti- trale Strukturen ausgerichteten Energiepolitik ven durch Energiekooperation erkannt, was poli- Und auch der Ex-Umweltminister Norbert Rött- offensichtlich noch nicht ganz verstanden wor- tisch sehr wichtig ist. Hier: Sehr gut. gen von der CDU hat sich gegen das so überaus den sind. Die deutliche finanzielle Bevorzugung wichtige Förderinstrument und gleichzeitig ge- kleiner Anlagen durch das heutige EEG stellt eine Da er jedoch wegen der zu einseitigen Verknüp- gen den Vorstoß seines Parteigenossen Oettinger teilweise hoch problematische Weichenstellung fung mit Solarenergie aus dem Süden einen viel gestellt. Demnach: Ungenügend und kontrapro- dar, die neben hohen Kosten eben auch Fehlallo- zu langen Zeithorizont vorsah: Hierfür ein Man- duktiv. kationen natürlicher Ressourcen bedingt. gelhaft! Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nicht gegen- Letztlich muss man aber die Versorgungsaufga- Er hat nicht erkannt, dass die interessanteste gehalten. Deshalb verdienen hier beide schlechte be immer auch als Ganzes verstehen. Auch wenn Ressource der afrikanischen Revolutionsländer Noten. Nicht ausreichend! man einzelne Aspekte getrennt diskutiert, dürfen die Windenergie ist, obwohl ihm und seinen Be- systemische Zusammenhänge nie unberücksich- ratern dazu genug Informationen zugegangen All die Fraktionen, die sich gegen dieses europä- tigt bleiben. sind. Deshalb: Nicht ische EEG gestemmt haben, haben sich damit „Die Kostenexplosion durch ausreichend. auch gegen die internationale Kooperation im Die heutige Auftrennung Bereich erneuerbarer Energien und gegen die des Versorgungssystems Photovoltaik wurde inzwischen Oettingers Positionen Erneuerbare-Energien-Kooperation in Europa in Netz und Produktion immerhin erkannt.“ erscheinen von außen und mit Afrika gestellt, die ohne ein solides Fi- macht das gezielte Steu- betrachtet nicht immer nanzierungsinstrument keine Entfaltungsmög- ern der Entwicklung faktisch schon schwer ge- stringent. Das macht ihn schwer berechenbar lichkeiten hat. nug. Hier muss unbedingt lenkend von überge- und fördert Ressentiments, die es anderen Politi- ordneter Stelle eingegriffen werden. Wenn man kern wiederum schwer machen, das notwendige Wann wird man von einer europäischen Ener- nun auch noch versäumte, die verschiedensten Vertrauen aufzubauen, um die Dinge gemein- giepolitik sprechen können? Erzeugungsarten mit ihren unterschiedlichen sam mit ihm voranzubringen. Zumindest liefert Beiträgen für die Versorgung zusammen zu den- er so Vorwände, hinter denen andere politische CZISCH: Wenn die Länder davon abkommen, vor- ken, würde man den Planungsaufgaben nicht Entscheidungsträger ihre wahren Beweggründe wiegend Partialinteressen ihrer heimischen Kli- gerecht werden. allzu leicht verstecken können. Das reicht nicht entel zu bedienen und endlich anfangen, mehr für ein Befriedigend. im Interesse der europäischen Bevölkerung als Wie sich Altmaier in diesem komplexen Umfeld Ganzes zu handeln. bewährt, ist noch nicht endgültig ausgemacht. Insgesamt ist die Leistung Oettingers also durch- wachsen und changiert zwischen teils sehr gu- Auch mehr Rationalität ist dringend geboten, um Und im Vergleich zu seinem Vorgänger Norbert ten Einzelleistungen und partiellem Versagen. ideologiefreie Sachpolitik gestalten zu können. Röttgen?
INTERVIEW14 Sie sehen das deutsche EEG offenbar nicht als Auch Photovoltaik (PV) ist und bleibt extrem teu- Deshalb meine ich, dass man die Sinnhaftigkeit Exportschlager für andere Länder, sondern eher er. Bisher wurden in Deutschland PV-Anlagen im in der Öffentlichkeit gut vermitteln kann, wenn als Importprodukt. Wieso denn das? Wert von ca. 90 Milliarden Euro installiert. man wirklich sinnvoll plant und dann die Fakten transparent macht und diskutiert. CZISCH: Das EEG war als Stromeinspeisegesetz Die Kosten inklusive Verzinsung sowie Wartung Anfang der 1990er ein Importprodukt! Es wurde und Instandhaltung belaufen sich allein für die- ähnlich dem ehemaligen Förderinstrument in se Anlagen über deren Lebensdauer auf ca. 200 Dänemark konzipiert, das es schon viele Jahre Milliarden Euro – und das für ca. vier Prozent des Wäre denn nicht Dezentralisierung die intelli- eher gab, und Ähnliches hatten auch Teile der Stroms. Das ist der falsche Weg. gente Lösung? USA schon lange vor uns. In beiden Fällen bo- ten diese Instrumente eine feste Vergütung für Eine zu starke Konzentration auf dezentrale – CZISCH: Dezentralisierung bedeutet – je klein- Strom aus Erneuerbaren Energien, sie haben die kleinräumige – Elemente der Stromversorgung teiliger sie angegangen wird – einen Verzicht Integration und Vermarktung geregelt und einen macht die Stromversorgung ineffizient und auf Skaleneffekte in Form von Kostensenkungen Boom bei der Nutzung erneuerbarer Energien teuer. Sie bedingt schon jetzt und insbesondere und Effizienzsteigerungen, die beim Übergang zu ausgelöst. Trotzdem war die deutsche Förderpo- langfristig einen Ausbau der teuersten Netzinf- größeren Einheiten geschöpft werden können. litik dann ein wichtiger Meilenstein. rastruktur, der Verteil- Bei kleinen Erzeugungs- netze. „Mit steigenden Wirkungsgraden einheiten zeigen sich Welche Sektoren auf dem Energiemarkt soll- fallen überdies die erzeugungs- verschiedenste negative te man am besten vergessen, welche fördern? Zudem macht sie ab ei- Skaleneffekte. Und warum? nem gewissen Ausbau- spezifischen Brennstoffkosten. “ grad lokale Energiespei- So sind beispielswei- CZISCH: Kohle hat keine Zukunft. cherung notwendig, die ebenfalls sehr teuer und se die elektrischen Wirkungsgrade von Fest- ineffizient ist. Bei der – leider nur in begrenztem brennstoff nutzenden Biomassekraftwerken In einer zunehmend von regenerativen Energi- Maße verfügbaren – Biomasse drohen im Falle im Sub-Megawatt-Bereich oft unter 10 Prozent. en geprägten Stromversorgung werden in der zu dezentraler Nutzung schwerwiegende Fehlal- Wirkungsgrade über 20 Prozent sind für solche Übergangszeit zur regenerativen Vollversorgung lokationen, wobei sie dann viel weniger als mög- kleinen Kraftwerke noch immer nicht trivial. Da- schnell regelbare Kraftwerke mit niedrigen Ka- lich systemstützend zur Stromversorgung beitra- gegen sind größere Kraftwerke in Stadtwerkedi- pitalkosten wichtig, die übers Jahr nur relativ gen kann und gleichzeitig auch Möglichkeiten mension von einigen -zig Megawatt bis zu Wir- wenig und mit wachsendem Anteil erneuerbarer der Wärmenutzung in Kraft-Wärme-Kopplung kungsgraden über 40 Prozent realisierbar. Energien immer weniger erzeugen. Dafür sind verspielt werden. neue Kohlekraftwerke die falsche Wahl. Stranded Die kleinen Kraftwerke weisen zudem ein Mehr- Investments! Deutschland steht vor großen Infrastruktur- faches der spezifischen Investitionskosten auf, aufgaben, um Windenergie vom Norden und und auch die Kosten für Wartung und Instand- Allenfalls die Nutzung und Aufrechterhaltung Sonnenenergie vom Süden mit den Regionen haltung weisen starke Skaleneffekte auf, die die alter Kraftwerke für den Einsatz in Engpasssitu- des höchsten Energiebedarfs zu verbinden, und Stromerzeugung von Kleinkraftwerken deutlich ationen ist sinnvoll. So können größere Fehlin- steht daher auch vor vielen Bürgerprotesten verteuern. vestitionen vermieden und gleichzeitig Versor- nach dem Muster von Stuttgart 21. Was raten gungssicherheit kostengünstig auch während Sie? Mit steigenden Wirkungsgraden fallen überdies der Umstellungsphase gewährleistet werden. die erzeugungsspezifischen Brennstoffkosten. Diese Überlegungen sollten jedem, der sich et- CZISCH: Ja, das Thema ist unbedingt zu erwäh- Ähnliche Skaleneffekte finden sich bei fast allen was eingehender mit der Materie befasst, geläu- nen, es gibt ja teilweise – und zum Teil auch Erzeugungs- und Transporttechniken, wenn auch fig sein. Warum hier trotzdem noch allzuoft das zu Recht – starke Vorbehalte gegenüber dem nicht immer so ausgeprägt wie im vorgenannten Kohlelied gesungen wird, lässt an der Glaubwür- Leitungsbau: In Deutschland haben wir be- Beispiel. digkeit der Protagonisten zweifeln. reits ungefähr 100.000 Kilometer Hoch- und Höchstspannungs-Freileitungen. Was derzeit in Dazu kommt der schon zuvor genannte Effekt Deutschland an Leitungen geplant wird, berück- des zusätzlichen Speicherbedarfs und des not- sichtigt nicht den Stand der Technik und nicht wendigen Ausbaus der Verteilnetze, da der den zukünftigen Bedarf. Ausgleich von Erzeugung und Bedarf mit ab- nehmender Größe des Einzugsgebiets immer Die Planung beschränkt sich auf 400 kV Dreh- schwieriger wird. Wenn ein Stromversorgungs- stromtechnik und bestenfalls auf 400 kV Gleich- system in wesentlichen Anteilen auf die Nutzung stromtechnik. So wird der zukünftige Platzbedarf fluktuierender Erzeugung aus erneuerbaren der Übertragungsleitungen langfristig unnötig Energien zurückgreifen soll, kommt dem Aus- riesengroß. Vielleicht merken das die Menschen. gleich von Erzeugung und Verbrauch ein beson- deres Gewicht zu. Ein solches Netz wird auch kein wirklich sinn- Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Gregor voller Bestandteil unseres zukünftigen Erneu- Sind die kleinräumigen Lösungen demnach an- Czisch erbaren Super-Grids sein. Wenn man es richtig strengender? Transnational Renewables Consulting (Kassel), angehen würde, wäre der zusätzliche Ausbau- gelernter Landwirt, Wissenschaftler, unabhängi- bedarf selbst für die regenerative Vollversorgung CZISCH: In einem großräumigen Verbund ver- ger Berater und Autor zahlreicher Publikationen. dagegen überschaubar. Mit der neuesten markt- gleichmäßigen sich bei wachsendem Einzugs- Seine Dissertation „Szenarien zur zukünftigen verfügbaren HGÜ-Technik (Hochspannungs- gebiet zuerst die kurzfristigen Fluktuationen der Stromversorgung - Kostenoptimierte Variationen Gleichstrom-Übertragung, Anm.d.Red.) läge der regenerativen Erzeugung, dann über die stünd- zur Versorgung Europas und seiner Nachbarn mit zusätzliche Trassenbedarf in Deutschland dage- lichen, die täglichen und zuletzt bei geeigneter Strom aus erneuerbaren Energien“ zeichnete den gen nur bei etwa bei 6 bis 7 Prozent dessen, was Wahl der Erzeugungsgebiete selbst die saisona- Berufsweg vor. wir heute schon haben. len Erzeugungsmuster. In sich selbst überlasse- Kontakt: g.czisch@transnational-renewables.org nen Micro-Grids können allenfalls ganz kurzfris- Weitere Informationen: Teilweise könnten wahrscheinlich auch be- tige Ausgleichseffekte erzielt werden. http://transnational-renewables.org/Gregor_ stehende Trassen durch HGÜ-Trassen er- Czisch/Home.htm setzt werden. Der Aufwand wäre jeden- Dementsprechend müssen für die Anpassung falls gemessen am Bestand nicht sehr hoch. von Erzeugung und Bedarf mehr Anstrengun- gen unternommen werden, je kleinräumiger das
INTERVIEW 15 Versorgungs- und Erzeugungsgebiet ist. Es muss CZISCH: Speichertechniken für längere Fristen Liegt hier nicht kleinteiliges Denken im Wider- also zunehmend mehr Erzeugung aus gezielt könnten aus der elektrochemischen Erzeugung spruch zu grenzüberschreitenden Anforderun- einsetzbaren Ressourcen stammen, je kleiner das von Wasserstoff oder Methan und deren Spei- gen? Gebiet ist. cherung bestehen. Ja, Methanerzeugung wird gerade in Deutschland eingehend diskutiert. CZISCH: Der Klimaschutz ist eine internationale Sollen dazu nicht fossile Energien eingesetzt Für die Schritte der Methangaserzeugung auf Aufgabe. Es macht also allein schon deshalb we- werden, muss auf Speichertechnologien zurück- elektrochemischem Weg, der Kompression auf nig Sinn, die Entwicklung mit einem eng gefass- gegriffen werden. Im großräumigen Verbund Drücke, mit denen eine effiziente Speicherung ten nationalen oder noch kleinerem Fokus voran wären solche eventuell in Form vorhandener möglich wird, sowie der Speicherung und des zu treiben. Warum sollten sich alle Nationen Speicherwasserkraftwerke ohne zusätzliche Transports des Gases wird ein Gesamtwirkungs- gegeneinander abschotten, um in ihrer Abge- Speicherverluste nutzbar, oder großräumig ver- grad von unter 60 Prozent genannt. schiedenheit letztlich doch jeweils einen ähnli- teilte Pumpspeicherkraftwerke könnten mit Wir- chen Weg einzuschlagen, allerdings eifersüchtig kungsgraden von etwa 80 Prozent für diesen Eine Rückverstromung ist in kleinen Aggregaten darüber wachend, dass der Nachbar nichts davon Zweck mit herangezogen werden. mit Wirkungsgraden von etwa 40 Prozent und in hat? den effizientesten großen Gaskraftwerken mit Es könnten auch andere erneuerbare Kraftwerke Wirkungsgraden von maximal 60 Prozent mög- Die Energieversorgung mit regenerativen Ener- – zum Beispiel Biomassenkraftwerke – aus ande- lich. gien ist DER Schlüssel für den Klimaschutz und ren Gebieten mit zur Versorgung herangezogen längerfristig auch für eine Ablösung der schwin- werden. Im kleinräumigen Micro-Grid entfallen Damit ergibt sich bei diesen schon sehr freundli- denden fossilen Energieressourcen. all diese Möglichkeiten. Hier muss die gesamte chen Annahmen der Gesamtwirkungsgrad – von benötigte Reserveleistung- und Reserveenergie Strom über Gas zu Strom – in kleinen Systemen Wenn man die Frage angemessen, also aus in- vor Ort zur Verfügung gestellt werden. Die relati- zu 24 Prozent (36 Prozent bei Verwendung der ef- ternationaler Perspektive betrachtet, muss man ve installierte Spitzenleistung – und damit auch fizientesten Großkraftwerke). Entsprechend wä- zu dem Schluss kommen, dass die Energieversor- deren Kosten – steigt mit sinkender Größe des ren 76 Prozent als Verlust zu verzeichnen. gung auf eine Weise umgebaut werden muss, die Versorgungssystems. weltweit den notwendigen Wandel rechtzeitig Wie hoch wäre hier der wirtschaftliche Mehr- ermöglicht. Wenn dann die Reserveenergie vor Ort erzeugt aufwand? und vorgehalten werden soll, müssen lokale Viele ärmere Länder werden nicht auf teure Speicher diese Aufgabe übernehmen. Kurzfris- CZISCH: Für die gleiche Menge Strom, die vom kleinteilige Lösungen setzen können, die sich ihre tige Speicherung ist auf elektrochemischem Endverbraucher genutzt wird, werden dann im Bevölkerung noch viel weniger leisten kann als Weg machbar, wenn auch relativ teuer und mit Falle der vorherigen Speicherung fast die vierfa- schon einige Bevölkerungsteile in den verhältnis- Verlusten behaftet, aber bei relativ kleinen Vo- che Primärproduktion und damit auch das annä- mäßig reichen Industrienationen. Auch deshalb lumina eventuell wirtschaftlich und technisch hernd vierfache Erzeugungspotenzial - vierfacher bieten sich internationale Kooperationen an, darstellbar. Materialaufwand, vierfacher Flächenverbrauch die insbesondere den ärmeren Ländern Entwick- etc. – benötigt. Das erfordert einen entsprechen- lungsperspektiven erschließen und gleichzeitig Aber gerade auch der Anteil der längerfristigen den wirtschaftlichen Mehraufwand. eine kostengünstige nachhaltige Energieversor- Speicherbedarfe würde mit sinkender Größe des gung für alle versprechen. Gebiets wachsen. Hierzu zeichnet sich aber bis- Die zusätzlichen technischen Anlagen in der her keine wirtschaftlich Kette bringen darüber Wird diese Entwicklung so schnell und effektiv wirklich darstellbare „Die Energieversorgung mit hinaus auch noch wei- angestoßen, dass sie der drängenden Klimapro- Option ab. Insgesamt tere Kosten mit sich. blematik gerecht wird, wird sich eine weltweite wächst also der relative regenerativen Energien ist DER Selbst bei Großanlagen Dynamik entfalten, von der natürlich auch all Speicherbedarf – für alle Schlüssel für den Klimaschutz “ läge der Mehraufwand jene profitieren werden, die heute im Bereich Speicherdauern – mit aber noch etwa beim der erneuerbaren Energien schon gut aufgestellt kleiner werdendem Versorgungsgebiet, und dies Dreifachen. Das würde aber schon einen Bruch sind. Ihr Fokus würde sich dann noch mehr vom hat Rückwirkungen auf Kosten und Effizienz des der Dezentralisierungslogik bedeuten. Solche begrenzten nationalen Markt auf den expan- Versorgungssystems. Überlegungen zeigen exemplarisch, wie wichtig dierenden Weltmarkt ausrichten, als dies heute die Vermeidung von Speicherschritten ist und ohnehin schon der Fall ist, mit entsprechenden Nun wird in Deutschland viel über Methaner- welcher Stellenwert ihr bei der Systemauslegung positiven Auswirkungen auf die Beschäftigungs- zeugung geredet... beigemessen werden sollte. verhältnisse.
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