Digitalisierung - ein Querschnitt - Die Rheinische Fachhochschule Köln
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Ausgabe November 2017 Das Hochschulmagazin der Rheinischen Fachhochschule Köln Digitalisierung - ein Querschnitt
Präsident Prof. Dr. Martin Wortmann Rheinische Fachhochschule Köln Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Digitalisierung ist in aller Munde und vielleicht fragen Sie sich, ob Es ist fast schon eine Binsenweisheit, dass die Digitalisierung eine wir Ihnen in unserem neuen Hochschulmagazin VORSPRUNG mit dem Herausforderung ist und das Lernen verändern wird wie kaum eine Fokus „Digitalisierung“ noch etwas Neues erzählen können. Ja, viel- gesellschaftliche Entwicklung zuvor. Als Fachhochschule ist unsere leicht können wir das. Auch wenn es im Zuge der rasanten techni- Sicht auf die Digitalisierung daher zum einen auf das Lernen und Leh- schen Entwicklungen nicht immer nur um Neues geht, sondern um ren gerichtet und zum anderen – das liegt in der Natur einer Fach- Transparenz und um gezielte Unterstützung in der Bildung und hochschule – auf die konkrete Anwendung. Die RFH versteht sich als Weiterbildung. Bildungspartner, auch in der Digitalisierung. Sie bietet neben persona- lisiertem Lernen digitale Lern- und Medienformate an, die den neuen Die Transformation dieser weltumspannenden Innovation ist ein Pro- Anforderungen in einer flexiblen Arbeitswelt Rechnung tragen. Inner- zess, der sich auf vielen Ebenen abspielt, unterschiedliche Reaktio- halb unserer vier Fachbereiche setzen wir daher Schwerpunkte, die Die Rheinische Fachhochschule Köln ist eine staatlich anerkannte nen auslöst, gesellschaftliche Strukturen verändert, Ängste erzeugt, eine fortschreitende Digitalisierung in den Fokus rücken. Darüber und Fachhochschule in privater gemeinnütziger Trägerschaft und bietet aber auch neue Möglichkeiten eröffnet. Diese Möglichkeiten möchten über die Menschen an der RFH erfahren Sie in unserer neuen 19 Bachelor- und 12 Masterstudiengänge Vollzeit, dual und berufsbeglei- wir Ihnen aufzeigen. Anhand von Einblicken in Bildungs- und Weiterbil- VORSPRUNG-Ausgabe. tend an. Das Studium zeichnet ein hohes Maß an Praxisnähe aus, auch dungsangebote für Studieninteressierte und Unternehmen, zukunfts- durch die enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Die RFH versteht weisenden Arbeiten von Studierenden, konkreten Tipps sowie persön- sich als Bildungspartner – auch in der Digitalisierung. Neben personali- lichen Einschätzungen. Ihr siertem Lernen im engen Austausch zwischen branchenerfahrenen Dozent/-innen und Studierenden in realer Lernumgebung bietet die RFH Martin Wortmann auch digitale Lern- und Medienformate an, besonders für die berufsbe- gleitenden Studiengänge. Mit ca. 6.500 Studierenden gehört die RFH Köln zu den größten Bildungsträgern in Köln. 3
Inhalt FORSCHEN & WISSEN Erfahrungen teilen BLICKPUNKT Wie digital ist der Rhein-Erft-Kreis? Online-Umfrage Denken und diskutieren Prof. Dr. Beate Braun, Wirtschaftsförderung Rhein-Erft GmbH (WFG) im Interview über Ergebnisse und Pläne Was ist Digitalisierung für Sie? 43 Acht Professorinnen und Professoren verraten uns ihre Meinungen und Digitaler Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen Visionen. Erste Ergebnisse der Studie BLIKK-Medien 06 46 „Wir brauchen neues Wissen und Denken“ Ein Überblick von Prof. Dr. Dietmar Barzen über den Status quo der Digitali- PROFIL sierung, über Auswirkungen sowie wirtschaftliche wie gesellschaftliche Wissenschaftliche Mitarbeiter im Dialog Herausforderungen. 10 Take a chance RFH-Professor Kai Buehler über seine Erfahrungen im Silicon Valley Konkrete Tipps 48 Für die Unternehmensstrategie klein- und mittelständischer Unternehmen 14 Don’t make me think – wie Designer die Welt ein bisschen leichter machen „Das richtige Personal für die Industrie 4.0“ Prof. Marie-Susann Kühr im Interview 16 52 „Management von Industrie-4.0-Projekten“ 18 CAMPUS & MENSCHEN E-Learning – Hype oder neue Lernwirklichkeit? Der Mensch und seine Position in der Digitalisierung Ein Plädoyer von Prof. Dr. Stefan Ludwigs Erklärungen zum Titelbild 20 56 „Digitale Produkte ermöglichen ein höheres Nutzer-Potenzial Jung.digital.innovativ – Ein Reverse-Mentoring-Programm und wirtschaftliche Effizienz“ für das obere Management Interview mit Prof. Dr.-Ing. Sebastian Mader 58 24 Stilvorlagen. 10 Jahre Studiengang „Mediendesign“ 60 GLANZSTÜCK Loben und ehren Probieren geht über Studieren – Orientierungsstudium Ausgezeichnete Arbeiten von Studierenden und Absolvent/-innen an der RFH 61 yDaylivery – ein neues Zeitalter der Kurierfahrt m RIDEUS Innovative Auftragsvergabe, praktisch, leicht zu handhaben und Rheinisches Institut für deutsche Sprache, Kommunikation und Marketing ökologisch wertvoll. 62 28 Die kulturelle Bewältigung der technischen Zivilisation FH-Absolventin beim Kölner DESIGN Preis ausgezeichnet R Über die Bedeutung des Designs und die Aufgabe der Konzeption zur Neugestaltung der Wohnraumsituation in Köln Designausbildung 30 64 tudie: Chancen und Einsparpotenziale durch Virtual- und S Wissen für die Regionen Augmented Reality für große deutsche produzierende Unternehmen Die RFH und die „Dritte Mission“ Eine empirische Untersuchung 66 32 Mit Native Advertising in der Virtual Reality werben? Ein visionärer Ausblick 36 IMPRESSUM HERAUSGEBER REDAKTION FOTO KORREKTORAT Virtual-Reality-Kino? Rheinische Fachhochschule Köln gGmbH Beate Czikowsky fotolia.com (S.10, 11, 23, 40, 61) Julia Offermann University of Applied Sciences Fritz Kahn, Der Mensch als Industriepalast aus Eine empirische Untersuchung zur Akzeptanz von Virtual-Reality-Kino im GESTALTUNG Schaevenstraße 1 a–b „Das Leben der Menschen“, 1926, Stuttgart (S.55) Sie haben Fragen, Anregungen oder europäischen Raum 50676 Köln Grafik: Imke Fuhl Privat (S.50) Wünsche zum Hochschulmagazin? Grafisches Konzept: 38 Grafik-Verfremdung mit der App „Prisma“ (S.6-9) GESCHÄFTSFÜHRER der schrittmacher, Köln KONTAKT: www.der-schrittmacher.de redaktion@rfh-koeln.de Emojis haben keine Wirkung bei Online-Rezensionen Prof. Dr. Martin Wortmann VIDEO Thore Eggert Carsten Jezewski Studie im Zusammenhang mit Emojis im Konsumgüterkontext FOTOGRAFIE Amtsgericht Köln HRB 58883 40 UStID-Nr. DE251559067 Philippe Moosmann ILLUSTRATION Marcel Trauzenberg (Titelmotiv und S. 54) 4 5
Was ist Digitalisierung für Sie? Die Digitalisierung ist für Designer ein ständiger Begleiter. Unsere Gestaltungswerkzeuge sind digitalisiert worden und auch unsere Gestaltungsthemen spielen sich zum größten Teil in der digitalen Welt ab. D igitalisierung ist ein weites Feld, das von Menschen ganz verschieden betrachtet wird. Wir wollten In diesem Kontext stehen wir immer wieder vor Herausforderungen: So wissen, was jeder Einzelne damit verbindet. Ganz spontan, vielleicht auch sehr persönlich. Wir müssen neueste Technologien und Trends erkannt, verstanden und nach haben uns bei acht Professorinnen und Professoren aus unterschiedlichen Fachbereichen der RFH Relevanz überprüft werden. Ebenso fordert die Entwicklung von digitalen umgehört und festgestellt, dass die Gedanken und Anmerkungen zu dem Thema häufig eng an die Profes- Anwendungen große Empathie für Zielgruppe und Nutzerszenarien, um eine sion gekoppelt sind. positive ‚User Experience‘ zu erschaffen. Sehr spannend im Interface Design ist zurzeit der Kontrast zwischen glatten digitalen Oberflächen und nahbaren analog gestalteten Brüchen, wie Zeichnungen, Collagen oder klassische Druckverfahren. Und immer wieder bietet uns die Multimediali- tät viel kreativen Spielraum bei der Vermittlung von Informationen. Für mich ist die Digitalisierung neben einer kritischen Betrachtung immer wieder ein spannendes Gestaltungsfeld, das Mut erfordert und uns zum Experimentieren einlädt. Prof. Dipl. Des. Karen Nennen, Professorin für Print- und Webdesign, Medien-/Kommunikations- und Informationsdesign Etwas in Nullen und Einsen abzubilden, ist ganz offensicht- Wir werden von unserer Technologie stumm lich zunächst einmal die so ziemlich langweiligste Sache der geschaltet”, schreibt die Soziologin Sherry Welt. Treibt man diesen Gedanken aber weiter, dann impliziert eine Turkle, „und in gewisser Weise vom Sprechen geheilt.” binäre Darstellung, dass völlig isolierte ‚Dinge‘ wie Prozesse, Es gäbe zu viele Bildschirme und zu wenig Blickkontakt. Maschinen, Bedürfnisse, Verhaltensweisen, Zustände gleichwohl In der Tat lässt zu viel Elektronik die menschlichste aller standardisiert mess- und abbildbar werden. Dies wiederum bedeu- Kommunikationsformen, nämlich die ganz normale tet, dass Schnittstellen zwischen vormals getrennten ‚Dingen‘ Unterhaltung, das Gespräch von Mensch zu Mensch, geschaffen werden (können), was dazu führt, dass vollkommen langsam aber sicher erodieren. Turkle: „Und so auch die neue Wertschöpfungsprozesse möglich werden: Zum Beispiel kön- Für mich ist Digitalisierung im ersten Fähigkeit der Menschen, sich in ihr Gegenüber einzufüh- nen Kundenbedürfnisse automatisiert und in Echtzeit analysiert und Moment lästig, weil es heißt, ausgetretene len.” Aber so, wie wir durch das Fliegen, Autofahren passgenau, personalisiert beantwortet werden. Wir können näher Pfade verlassen zu müssen. Aber gerade dies ist und Bahnfahren das Laufen nicht verlernt haben, an den Kunden und sein Bedürfnis rücken, bessere Problemlö- eine Chance, die ‚alten Pfade‘ zu überdenken, zu werden wir auch durch die fortschreitende Digitali- sungen bieten (more value). Und gleichzeitig können wir unsere prüfen und zu verbessern. Daher stehe ich der Digi- sierung unsere Empathie nicht verlieren. Ich teile des- Prozesseffizienz massiv steigern, die Kosten von Produktion talisierung nicht ablehnend gegenüber, auch wenn halb die Skepsis vieler Wissenschaftler nicht, dass wir und Personalisierung senken (less outlay). der Mensch immer ‚gläserner‘ wird und dadurch uns im Kern der menschlichen Existenz verändern wer- Somit kann Digitalisierung nicht nur zu einer Lösung des Zielkon- Grundrechtspositionen gefährdet werden können. den. Die Grundbedürfnisse und auch unsere Sehnsüchte flikts zwischen Effektivität (value) und Effizienz (outlay) beitragen, Hier kann und muss letztendlich der Gesetzgeber werden bleiben und unser Verhalten weiter bestimmen, sondern sogar dafür sorgen, dass sich diese beiden – vormals kon- gegensteuern, dass dies nicht passiert. Somit egal wie viel Technik wir mit uns herumführen. Die Opti- trär wirkenden Dimensionen – gegenseitig sogar unterstützen. Ganz bedeutet für mich Digitalisierung die Chance auf onen hingegen, die werden natürlich erweitert, das heißt offensichtlich ist Digitalisierung also mitnichten langweilig – son- Erneuerung und Verbesserung, wenn diese durch die sozialen Verhaltensmöglichkeiten und Ausdruckswei- dern die vielleicht spannendste Angelegenheit seit der Industriellen sinnvolle Gesetzgebung gelenkt wird.“ sen der Kommunikation werden ausgebaut.“ Revolution.“ Friederike Scholz, Rechtsanwältin, Prof. Dr. Werner Bruns, RFH-Senior Fellow, Prof. Dr. Stephan Erlenkämper, Professor für Digital Business Studiengangsleiterin Wirtschaftsrecht Europa-Institut für Erfahrung und Management – METIS Management und Studiengangsleiter Retail Management 6 RUBRIK BLICKPUNKT 7
Digitalisierung ist für mich in allererster Linie ein Modewort. Digitalisierung ist für mich die Jahrhundertworthülse, die für Fast grotesk, dass so ein ‚alter Hut‘ allerorten als Dernier alles Gute und Schlechte herhalten muss. Je nach Gusto. Mal Cri der technologischen Entwicklung gehandelt wird. Schließlich verteufelt, mal die einzig wahre Rettung. Für mich bedeutet Digitali- kamen die ersten Digitaluhren bereits in den 1970er-Jahren auf den sierung: Mut zur Größe. Big Data. Think Big and Act Small. Groß Markt. Auch das digitale Fernsehen oder die digitale Datenübertragung denken, um im Kleinen immer besser und vor allem sehr viel schnel- haben bereits ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel. Dem neutralen ler zu handeln und zu behandeln, womit wir direkt beim Gesundheits- Beobachter drängt sich der Verdacht auf, dass unter dem Begriff oft bereich sind. Personalisierte Medizin, Individualkonzepte – genauer, nur alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird.“ besser – artificial intelligence, selbst lernende Programme, die Selbstvermessung des Ichs, die Verknüpfung von evidence based Prof. Dr. Alexander Pollack, Professor und Studiengangsleiter für Medicine mit Real World Data und noch vieles mehr bedeuten mehr Produktionstechnik, Studiengangsleiter Technical Management Qualität und bessere Ergebnisse für den Einzelnen. So viel mehr Chancen als Risiken. Doch wir hinken hinterher. Die Kommunikation ist einseitig und für die meisten zu abgehoben. Klar, dass man auf so breiter Basis auf Ablehnung stößt. Disruption – noch so ein häufig benutztes Wort – das ist es, worauf wir uns wirklich einstellen müs- sen. Und zwar schnell. Denn Digitalisierung heißt endgültiger Abschied von gewohnten Mustern.“ Prof. Dr. Stefanie Clemen, Professorin und Studiengangsleiterin für Pharmaökonomie Auch wenn viele Ökonomen beschwichtigen, dass die Arbeit im digitalen Zeitalter nicht verschwindet, sondern sich lediglich wandelt, ist unbestritten, dass die Digitalisierung vor Ich betrachte diese Frage aus der Designper- allem im Niedrig- und Mittellohnsektor viele Arbeitsplätze kosten spektive. ‚Die kulturelle Bewältigung der tech- und zu einer weiteren Dualisierung des Arbeitsmarktes (befristete nischen Zivilisation‘, lautete die selbst gestellte Auf- versus nicht befristete Erwerbsformen) führen wird. Allerdings gabe der ehemaligen Hochschule für Gestaltung in Ulm müssen sich auch die vermeintlichen Gewinner der Digitalisie- (HfG). Dafür wird die HfG bis heute weltweit zitiert, dis- rung, das heißt qualifizierte Fach- und Führungskräfte, auf drama- kutiert und bewundert. Denn nur mit dieser kritischen tische Veränderungen einstellen. So werden sich Jobprofile stark Haltung lassen sich solche Aufgaben systematisch wandeln, die Veränderungsdynamik weiter erhöhen und die indivi- lösen, die völlig neu sind – zum Beispiel all das, was duelle Ergebnisverantwortung drastisch steigern. Bei der Förde- mit der Digitalisierung zusammenhängt. Auch hierbei rung der notwendigen individuellen Resilienz, der Entwick- handelt es sich um ein Phänomen, dessen Dynamik und lung digitaler Mitarbeiterkompetenzen, der Gestaltung Allgegenwärtigkeit noch vor wenigen Jahren als völlig digitaler Arbeits- oder Organisationsformen und der Schaf- unrealistisch erschienen ist. Womit sich also Design- fung einer digitalen Unternehmenskultur nimmt das Personal- hochschulen in aller Welt beschäftigen, könnte im Duk- management eine besondere Rolle ein. Entsprechend bedarf es tus der HfG als Beitrag zur kulturellen Bewältigung der einer stärkeren strategischen Positionierung des Personalma- digitalen Zivilisation bezeichnet werden.“ nagements, um gemeinsam mit den IT-Experten im Unternehmen die digitale Transformation zu gestalten und die Mitarbeiter Prof. Dr. René Spitz, Professor für Designtheorie und zukunftsfähig zu machen.“ Internationales Design Prof. Dr. Matthias Groß, Professor für Betriebswirtschaftslehre 8 RUBRIK BLICKPUNKT 9
„Wir brauchen neues Wissen Post, Deutsche Telekom, E.ON, Fresenius, Fresenius Medical Care, HeidelbergCement, Henkel, Infineon, Linde, Lufthansa, Merck, Mün- chener Rückversicherung, ProSiebenSat.1 Media, RWE, SAP, Sie- und Denken“ mens, Thyssenkrupp, Volkswagen, Vonovia). Für Unternehmen in der digitalen Wirtschaft sind nationale, kontinen- tale und weltweite Rechtsfragen elementar. Insbesondere die gefor- derte Veränderung des Kartellrechts in Richtung Daten-Monopol-Kon- trolle ist bedrohlich für alle digitalen US-Konzerne in Europa. E s vergeht kaum ein Tag, an dem in Der Integrationseffekt durch die digi- Die EU- Wettbewerbskommission verurteilte Google vor Kurzem zu Deutschland nicht irgendwo ein tale Wirtschaft fasst somit ursprünglich einer Strafe in Höhe von 2,4 Milliarden Euro aufgrund von Missbrauch Kongress, ein Start-up-Pitch oder getrennt ablaufende Teilprozesse des von Marktmacht bei Anzeigen im Shopping-Netzwerk. Einen fairen Expertenrunden zusammenkommen und Marktgeschehens in integrierte, digital Wettbewerb wird es im Digitalsektor jedoch kaum geben kön- das Thema Digitalisierung erörtern. Die unterstützte Abläufe zusammen. nen. Das liegt in der Natur der Sache der oben skizzierten Effekte. Digitalisierung ist aus dem Arbeits-, Wirtschafts- und Privatleben nicht mehr Zahlreiche digitale Anbieter streben zu Auch das Thema Online-Kommunikation mit einer Vielzahl von wegzudenken. Sie erschafft eine infor- Monopolen und nicht zum Wettbewerb neuen Channels gewinnt an Bedeutung. Von hochautomatisierter mationsbasierte und vernetzte Welt. Ins- (z. B. Google, Facebook, Amazon, Alibaba). Display-Ausspielung mittels Programmatic Advertising bis Search besondere für die Wirtschaft und die Dies hängt mit den angestrebten direkten Engine Advertising und Optimization (SEA/SEO), Video-Ads, Soci- Arbeit ergeben sich neue Paradigmen. oder indirekten Netzwerkeffekten in der al-Media, Influencer-Marketing, Blogs, Vlogs und E-Mail-Marketing Einen kommentierten fachlichen Über- digitalen Wirtschaft zusammen. Nutzer die Touchpoints der Customer Journey werden vielfältiger, wechselsei- blick über den Status quo der Digitalisie- kaufen oder nutzen nicht mehr nur das tiger und komplexer und müssen mit traditionellen Werbekanälen rung, über Auswirkungen, wirtschaftli- physische Produkt oder die Dienstleis- abgestimmt und zu einer Gesamtkampagne integriert werden. Die che wie gesellschaftliche Heraus- tung, sondern vielmehr den Zugang zu Kommunikationspolitik von Unternehmen erfordert somit tiefe Kennt- forderungen gibt RFH-Vizepräsident diesem Netzwerk. Je größer dieses Netz- nisse der Daten von Kunden und Informationssuchenden bei der Medien, Prof. Dr. Dietmar Barzen. Er hat werk ist, desto attraktiver erscheint es. Die Mediaplanung. Hinzu kommen hohe kreative Ansprüche an die an der Rheinischen Fachhochschule Netzwerkeffekte bestimmen die weiteren Köln den Fachbereich Medien aufgebaut, Regeln für den Wettbewerb in der digitalen Prof. Dr. Dietmar Barzen hat an der RFH den Fachbereich Medien aufgebaut. der mit über 1000 Studierenden an Wirtschaft. Dazu zählen Lock-in-Effekte, einem Standort zu den größten Fakultä- Feedback-Standards, Informations- Silicon Valley Marktkapitalisierung Umsatz in Mrd. Gewinn in Mrd. ROS in % F&E Ausgaben Mitarbeiter ten Media Management und Mediende- und Unterhaltungskonzentration auf Unternehmen in Mrd. Dollar Dollar (2016) Dollar (2016) (2016) in Mrd. Dollar (2016) sign in Deutschland zählt. Für die RFH der Anbieterseite und damit insgesamt (USA) (24.07.2017) (2016) hat Prof. Dr. Barzen als erste Hochschule die Tendenz zur Monopolbildung. In der in Deutschland einen Master zum „Digi- Folge sind Google, Amazon, Facebook und Google 679,4 90,3 19,5 21,5 14 72.100 tal Business Management“ entwickelt. Apple heute die teuersten Unternehmen der Welt, gemessen an der Markt- Amazon 496,4 136,0 2,4 1,7 16,1 341.400 kapitalisierung. TEXT: PROF. DR. DIETMAR BARZEN Facebook 479,7 27,6 10,2 36,9 5,9 17.000 Nimmt man Ebay noch hinzu, so kommen Die digitale Fabrikvernetzung (vertikal die fünf US-Unternehmen insgesamt auf Apple 792,1 215,6 45,7 21,2 10,1 116.000 und horizontal) von Fertigung, Robotern eine Marktkapitalisierung von über 2,4 Billi- Ebay 39,3 8,9 3,6 40,4 1,2 12.600 und Fließband über mehrere Wertschöp- onen Dollar. Die Marktkapitalisierung der fungsstufen hinweg verändert die Wettbe- fünf US-Unternehmen ist damit über Gesamt Durchschnittlich 2.486,9 478,4 81,4 werbskräfte massiv. Der Wettbewerb findet eine Billion wertvoller als alle 30 deutschen GAFAE 24,3 heute nicht mehr allein zwischen Marken DAX-Unternehmen zusammen (Adidas, Gesamt alle 30 statt, sondern zwischen den Wertschöp- Allianz, BASF, Bayer, Beiersdorf, BMW, 1.473,4 Dax fungsketten, die zur Produktion dieser Mar- Commerzbank, Continental, Daimler, Deut- ken geführt haben. sche Bank, Deutsche Börse, Deutsche Wirtschaftliche Kenngrößen der US-Digitalkonzern, basierend auf Börsendaten und Annual Report-Auswertungen (Quelle Skript Barzen MDB: Online-Marketing 2017) 10 RUBRIK BLICKPUNKT 11
Copy-Strategie, um die nötige Aufmerksamkeit zu Geschäftsmodellen und enormer Geschwindigkeit in die erzielen. Märkte. Schließlich ist der Markteintrittszeitpunkt in digi- Digitalisierung stellt aber auch neue Herausforde- tale Märkte relevant und die zunehmenden Grenzer- rungen an Menschen, Politik und Unternehmen. Digi- träge (im Gegensatz zu abnehmenden Grenzerträgen in tale Infrastrukturen müssen weiterentwickelt, Datensou- der alten Ökonomie). Die Dominanz der fixen Kosten in veränität und vor allem Datensicherheit gewährleistet Technologie, verbunden mit den hohen Anfangsinvestitio- werden. Weiterbildung und das Verstehen und Finden nen in Off- und Online-Werbung, verursachen insgesamt attraktiver Anwendungsmärkte für neue Technologien eine lange Zeitspanne bis zum Erreichen des Break-Even. sind die Herausforderungen. Auch die Kultur des Schei- Hinzu kommen die oft schnelle internationale Skalie- terns und Wieder-Aufstehens sowie des Change-Ma- rung und die hohe Bereitschaft, auch börsennotierter nagements sind Teile der neuen Herausforderung der Unternehmen, längere Zeit Verluste zu akzeptieren. Digitalisierung. Die Beispiele machen deutlich, dass die herkömmlichen Der Begriff Internet der Dinge deckt zwei Teilbereiche Paradigmen und Theorien nur begrenzt auf die digitale ab. Zum einen alle Anwendungsfelder auf Endverbraucher- Wirtschaft übertragen werden können. Daher brauchen ebene. Die Zahnbürste, welche die Putztechnik des Besit- nächsten fünf Jahren verdoppeln. Die japanische Regierung hat 9-17-Uhr-Job wird in wenigen Jahren eher die Ausnahme wir neues Wissen und Denken. zers überwacht, das Thermostat, das sich per App aus eigene Telefonnummern für die Vernetzung und Steuerbarkeit sein. Homeoffices, mobile-Offices und ganz neue Arbeits- der Ferne regulieren lässt, der Kühlschrank, der eigen- von Dingen eingeführt. plätze und -aufgaben werden die Arbeitswelt verändern. Es geht nicht um die Macht der Lieferanten und Kunden ständig seinen Inhalt über EAN-Codes erfasst und Out- Mit einer Roboterdichte von rund drei Prozent pro 10.000 IT-Kenntnisse sind dabei grundlegende Voraussetzungen und im Porter Modell, sondern um deren Vernetzung und of-Fridge-Daten liefert oder die Blackbox im Auto, die alle Arbeitnehmer zählt die deutsche Wirtschaft weltweit zu gleichzeitig auch eine Herausforderung an das Bildungssystem Datenaustausch, basierend auf Vertrauen. Der Wettbe- relevanten Daten sammelt und den Herstellern und Versi- den am stärksten automatisierten Standorten. Eine wei- und die Weiterbildung. Es ist wahrscheinlich, dass zahlreiche werb verlagert sich in gemeinsame Netzwerke aus cherungen zur Verfügung stellt. tere Voraussetzung für die Umsetzung der Digitalisie- Low-Costs und Low-Level-Jobs der automatisierten Datener- Vorlieferanten, Lieferanten, Hersteller, Handel bis zum rung in der Wirtschaft ist ein radikales Kunden Nut- fassung und Vernetzung zum Opfer fallen werden. Auf der Kühlschrank oder Auto des Verbrauchers. Den „Schmier- Zum anderen fällt aber auch die Vernetzung der Maschi- zen-Denken, ein tiefgehendes Verständnis der jeweiligen anderen Seite werden auch zahlreiche neue Jobs geschaffen. stoff“ dieser Netzwerke bilden Daten und Datenanalysen nen und Anlagen in der Produktion unter den Begriff branchenrelevanten Parameter, deren Identifizierung und (Big und Smart Data). Internet der Dinge, inklusive der Vernetzung der weltum- Datenreduktion auf sogenannte Key Performance Indicators Kreativität grenzt den Menschen von Maschinen ab, die spannenden Logistikketten. Waren werden heute schon (KPIs). Die Erfassung und Visualisierung der KPIs ist ein zentra- wiederum vor allem Routinearbeiten übernehmen beziehungs- Es geht zudem um Speed- und Finanzierungsrunden mit RFID-Etiketten gekennzeichnet, die jeden Gegenstand les Element der Digitalisierung und erfolgt mithilfe der weise über Künstliche-Intelligenz-Algorithmen selber erler- bei Start-ups mit disruptiven Innovationen, um eine eindeutig identifizierbar machen und über seinen Aufent- Cyber-Physischen-Systeme und der IT-Infrastruktur. nen können. Insbesondere die menschliche Kreativität steht rasche Skalierung und Internationalisierung zu haltsort und den Zeitpunkt aufklären. Im Endstadium am Anfang der Digitalisierung und kann durch die Innovations- erreichen. Digitalisierung betrifft die gesamte Wert- des Internets der Dinge steuern sich die Dinge sel- Digitalisierung vollendet den Marketing-Gedanken mit einer methode des Design Thinking auf der Basis eines iterativen schöpfungskette von Unternehmen, inklusive Forschung ber durch die logistischen Netze wie die Datenpa- radikalen Paradigma-Änderung: Relevant ist nicht mehr der Prozesses nutzer- und kundenorientierte Ergebnisse zur & Entwicklung (Crowdsourcing), Beschaffung (E-Procure- kete im Internet. Das letzte Paket meldet, dass alle Gesamtmarkt oder Teilmarkt, sondern der einzelne Lösung komplexer Probleme liefern. Kognitive und kreative ment und Global-Sourcing), Industrie 4.0 in der Produk- da sind und der LKW losfahren kann und zwar Kunde mit seinen individuellen Wünschen und Bedürfnis- Fähigkeiten von Menschen stehen somit am Anfang der tion sowie im Marketing (SEA, SEO, Social Media, Influen- selbstfahrend, vollautomatisiert und im Hintergrund sen. Es gibt immer weniger einen einheitlichen Endverbrau- Digitalisierung. cer, Display, Video-Ads etc.) und in der Finanzierung sucht ein anderes System für diesen LKW E-Tank- cherpreis oder eine unverbindliche Preisempfehlung der Her- (Crowdfinancing und Investoren-Pitching). möglichkeiten, LKW-Parkplätze und die freie Entla- steller, sondern Dynamic Pricing. Zeitbezogene Preise, Am Ende geht es bei der Digitalisierung jedoch um den Pro- derampe am Zielort. Das ist heute zwar noch Zukunfts- individuelle Preise, Crowdgruppenpreise in Abhängigkeit von duktivitätsfortschritt durch Vernetzung und Informati- Nahezu alle Branchen sind oder werden davon musik, aber die Industrie ist auf dem Weg in diese den Kapazitäten. Amazon hat heute bereits 2–3 Millionen onsaustausch. Insbesondere hoch entwickelte Volkswirt- betroffen. Gestern die Musikindustrie, heute das Print-, Richtung. So erfasst und verarbeitet der Konsumgüterher- Preisänderungen täglich. Auch die Distributionspolitik verän- schaften wie Deutschland oder die USA benötigen Wachstum, Tourismus- und Taxi-Geschäft, morgen z. B. die Chemie-, steller Henkel heute bereits über 500 Mio. Datenpunkte dert sich in Richtung Omni-Channel und die Kommunikations- um ihre sozialen Aufgaben und vielfältigen Verpflichtungen ein- Auto- und Gesundheitsindustrie. Auch der Handel unter- von Sensoren in seiner weltweiten Supply Chain. politik nutzt alle Register der Individual-Kommunikation. lösen zu können. Auch wenn das Wachstumsparadigma als liegt tiefgreifenden Veränderungen durch das E-Com- Wohlstandsindikator nicht alternativlos ist, so geht es bei der merce. Wer heute „omnichannel-fähig“ sein will, benötigt Letztlich geht es bei der Digitalisierung um eine durch- Digitalisierung wird aber auch zu tiefgreifenden Verände- Digitalisierung in hohem Maße um Produktivitätsfortschritt im die volle Synchronisation von der Warenwirtschaft bis gängig digitale Kette und Vernetzung von Vorlieferanten, rungen in der Arbeitswelt führen. Menschen und Maschinen Bereiche von 20 bis 50 Prozent je nach Branche und damit zum E-Commerce und zur stationären Fläche. Lieferanten, Hersteller, Handel, Logistik bis zum digitalen bilden ein gemeinsames Kommunikationsnetzwerk. Im Ergeb- auch um Wachstum in einer alternden Gesellschaft. Device des Endverbrauchers. Es geht um die Ver- nis ist jede an einem Produktionsprozess oder einem Moderne Informations- und Kommunikationstechni- schmelzung von realen und virtuellen Welten. Online-Bestellvorgang beteiligte Entität – sei es Mensch, Volkswirtschaftlich bestehen gute Chancen, die nach ken führen zu einer radikalen Kundenorientierung. Voraussetzung dazu sind technische Geräte oder soge- Maschine, Werkstück, Vorprodukt oder Endprodukt – mit jeder China und in andere Billiglohnländer ausgelagerten Unternehmen und Wertschöpfungsnetzwerke werden fle- nannte Cyber-Physische-Systeme: Sensoren, Kame- anderen vernetzt. Abläufe können so optimiert werden und Werkbankjobs durch Digitalisierung wieder zurückzu- xibler, effizienter, schneller und vor allem individueller. ras, VR- und AR-Brillen, Wearables, Roboter, Drohnen, sich im Endstadium selbst organisieren. holen. Insbesondere dann, wenn die durch Digitalisierung Neue Geschäftsmodelle entstehen und Unternehmen Clouds, 3-D-Drucker. Prozessorkomponenten, intelligente erzielten Produktivitätsgewinne in Deutschland die steigenden können zusätzliche datenbasierte Produkte und Dienste Netze und neue Technologien wie Blockchain und mit Welche gesellschaftlichen Konsequenzen die Digitalisierung Lohnkosten in Asien mehr als ausgleichen. So verlagert etwa anbieten. Es geht nicht mehr allein um Märkte, sondern künstlicher Intelligenz ausgestattete Quantencomputer. mit sich bringt, kann heute noch nicht abschließend beurteilt Adidas eine Schuhsohlenfabrikation mittels 3-D-Druck zurück um jeden einzelnen Kunden. Die Grenzen zwischen werden. Es ist absehbar, dass die Mehrzahl der konventio- nach Deutschland. Zwar ist dies nur ein kleiner Teil der Unternehmen und Branchen verschieben sich und Start- Sind derzeit rund 6,4 Milliarden Geräte und Maschinen nellen Arbeitsmodelle nicht mehr funktionieren wird. Gesamtproduktion, aber es zeigt die vielfältigen Chancen der ups kommen mit inkrementellen oder disruptiven miteinander verbunden, so wird sich diese Zahl in den Arbeit 4.0 bedeutet mehr Flexibilisierung. Der typische Digitalisierung auf. 12 RUBRIK BLICKPUNKT 13
Christian Manzei · Linus Schleupner Manzei · Schleupner LESER Ronald Heinze (Hrsg.) Dieses Buch bietet eine Strukturierungshilfe zu Industrie 4.0 und ähnlichen, internationalen Heinze (Hrsg.) Aktivitäten (z. B. IIC und IVI) und wendet sich insbesondere an: • Anwender, die mehr über die mit I4.0 • Technische Entscheider und Geschäftsführer, zusammenhängenden Technologien, die ihr Unternehmen auf die vierte industrielle Standards und Initiativen erfahren wollen, Revolution vorbereiten wollen und • Anbieter, die sich einen Gesamtüberblick • Mitarbeiter aus anderen Bereichen, die wis- verschaffen wollen, sen möchten, was Industrie 4.0 bedeutet. Industrie 4.0 INHALT Nach Mechanisierung, Massenfertigung und Automatisierung folgt jetzt die Digitalisierung. Industrie 4.0 wird die gesamte Wertschöpfungskette der meisten Unternehmen entscheidend verändern! Weltweite Initiativen bilden sich, um Produktionsmethoden durch globale Vernetzung zu revolutionieren und die Effizienz zu steigern, und ebnen so den Weg zur „intelligenten Fabrik“: im internationalen Kontext Neben dem Industrie-4.0-Konsortium das Industrial Internet Consortium (IIC) in Nordamerika, in Asien die Industrial Value-Chain Initiative (IVI) und die Initiative „Made in China 2025“. Passt ein Unternehmen zur Um für ein besseres Verständnis des Gesamtkonzepts „Informatisierung der Wertschöpfungs- kette“ und dessen weiterer Konsequenzen zu sorgen, stellt dieses Buch in zahlreichen Beiträgen namhafter Autoren die wichtigsten Bestandteile und wesentlichen Aspekte dieses übergreifenden Konzepts vor. Ziel ist es, dass in Zukunft in der industriellen Automation und im Maschinenbau Kernkonzepte, Ergebnisse, Trends die unterschiedlichsten Systeme verschiedener Hersteller verlässlich und effizient zusammen- wirken, die global aufgestellten Anwender überall auf der Welt auf ihre gewohnten Produkte und 2., neu bearbeitete und erweiterte Auflage Digitalisierung? 01110010100101011 110101101010010001110011 Lösungen zugreifen können und die Einsatzfähigkeit und systemübergreifende Durchgängigkeit Industrie 4.0 im internationalen Kontext der Fertigungslösungen sichergestellt ist. Hierzu werden in den verschiedenen Kapiteln die Kern- konzepte und die zugrunde liegenden Basistechnologien beschrieben, der Standardisierungspfad 0111010 100100011010 00011101 10100011010 industrie aufgezeigt, die internationalen Konsortien und andere Initiativen (z. B. it‘s OWL) vorgestellt und über mehrere Praxisbeispiele berichtet. Neben rechtlichen Aspekten sowie den Themen Safety 010001 10110 11 Passt Digitalisierung zu einem und Security werden außerdem die Konsequenzen für die Bereiche Ausbildung und Arbeitswelt diskutiert. 0101011 110101101010010001110011 Damit erschließt das Buch dem Leser die Potenziale, die sich aus der massiven Nutzung des Internets, der Integration von technischen Prozessen und Geschäftsprozessen, der digitalen Ab- 0111010 100100011010 00011101 001101010 bildung und Virtualisierung der realen Welt und der Möglichkeit „intelligenter“ Produkte ergeben. 110101101010010001110011 00011101 Unternehmen? HERAUSGEBER Christian Manzei ist nach diversen Management-Aufgaben bei einem Automatisierungshersteller nun Vertriebs- und Marketing-Leiter bei Uticor Automation. Prof. Dr.-Ing. Linus Schleupner ist Professor für marktorientierte Unternehmensführung an der Rheinischen Fachhochschule Köln. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Bereich 0101011 10110 110101101 10001110011 0111010 100100 00011101 100 1010 011 0 010 Industrie 4.0. 0101011 11010110101 01110011 0111010 Dipl.-Ing. Ronald Heinze ist Chefredakteur der Fachmedien Digital Factory Journal, etz elektro- technik & automation sowie openautomation aus dem VDE VERLAG und Mitglied des Vorstands des 100 11100100011010 00011101 101 11010 MES D.A.CH Verbands e. V. 010001 10110 11 Zahlreiche Beiträge wurden von namhaften Spezialisten aus Indust- www.beuth.de ISBN 978-3-410-27602-9www.vde-verlag.de ISBN 978-3-8007-4336-0 0 0101011 11010110101 0011 rie und Verbänden verfasst, die mit ISBN 978-3-410-27602-9 ISBN 978-3-8007-4336-0 ihrer hohen Kompetenz das jeweilige 0111010 100100011010 000111 101 Thema detailliert und anschaulich TEXT: PROF. DR. LINUS SCHLEUPNER vermitteln und so dieses einzigartige Buch ermöglichen. D er erste Schritt in eine strategische Veränderung des Folgende Fragen sollte sich jedes Unternehmen zunächst Prof. Dr.-Ing. Linus Schleupner, Professor für marktorientierte Unternehmensführung eigenen Unternehmens fällt oftmals schwer. Zu unsicher stellen: ist die Zukunft, der neue Weg scheint noch nicht tritt- fest, mögliche Fehlinvestitionen lassen sich nicht mehr zurück- Ist Digitalisierung für das Unternehmen relevant? Prof. Dr. Linus Schleupner war nach seinen Abschlüssen holen. Schnell sind Marktvorteile durch eine unglückliche Stra- - Haben Wettbewerber schon etwas unternommen? 1991 an der RFH als Diplom-Ingenieur Elektrotechnik und Konkrete Tipps für die Unternehmens- tegieanpassung verspielt. - Verlangt der Kunde oder der Kunde des Kunden Technischer Betriebswirt in verschiedenen international täti- Technologieschritte? gen Unternehmen insgesamt fast 25 Jahre im technischen strategie klein- und mittelständischer Mit den Megatrends „Big Data“, „Digitalisierung“ und „Industrie - Haben die Lieferanten schon Schnittstellen, die vorteilhaft Vertrieb tätig, zuletzt in europäischer, dann in globaler Verant- Unternehmen 4.0“ kommen allerdings Herausforderungen auf alle Unterneh- sind? wortung eines amerikanischen Konzerns. Nach seiner Promo- men zu, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Wir sind also - Gibt es Ideen anderer Stellen, z. B. von Verbänden oder tion 2012 an der Fernuniversität in Hagen, wechselte Schleup- Grundlegende Kompetenzen zu vermitteln, ist das „Kerngeschäft“ gezwungen, auf diese Themen zu reagieren. Aus meiner Erfah- staatlichen Institutionen, die für das Unternehmen geeignet ner aus der Industrie an die Rheinische Fachhochschule Köln einer Hochschule und kann gerade in einem multidisziplinären rung ignorieren viele klein- und mittelständische Unternehmen sind? und ist hier seit 2013 Professor. Er ist Mitherausgeber des Bereich wie Industrie 4.0 auch Privatpersonen und Mitarbeiterinnen die Digitalisierung. Sie warten ab und reagieren erst dann, wenn - Welche Vorteile bietet Digitalisierung bei eigenen Buches „Industrie 4.0 im internationalen Kontext“. und Mitarbeiter von Unternehmen genau die Kompetenzen es nicht mehr anders geht. Die Dynamik der Themenfelder Prozessen? vermitteln, die konkret benötigt werden. Denn im Zuge der Digitali- sowie alle Zukunftsprognosen zwingen einen jedoch geradezu, - Welche Technologien, Prozesse und Ressourcen (Personal Kontakt: Linus.Schleupner@rfh-koeln.de sierung stellen sich für Unternehmen viele Fragen: Passt mein sich dem Thema zu widmen. und Finanzen) werden benötigt, um Digitalisierung vorteilhaft Unternehmen zur Digitalisierung oder passt Digitalisierung zu mei- Dafür gibt es Lösungen und Anregungen. Denn wer heute über- zu nutzen? nem Unternehmen? Wie finde ich das richtige Personal? Und wel- legt, welche Möglichkeiten mit Potenzial bestehen und wie mor- ches Projektmanagement brauche ich in Zukunft? gen der größtmögliche Nutzen aus diesen Möglichkeiten gezo- Mit den Antworten auf diese Fragen lassen sich für die Unter- gen werden kann, profitiert langfristig. nehmensstrategie nun die ersten Schritte einleiten. Die Richtig- Die drei RFH-Professoren, Institutsleiter und Buchautoren keit der Schritte muss anhand von entsprechenden Key Perfor- Dr. Silke Schönert, Dr. Thomas Barth und Dr. Linus Schleupner Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit einer geeigneten und vali- mance Indicators (KPI) ständig überprüft werden. Die hohe verraten im Folgenden konkrete Tipps zu diesen Fragen und den Vorschau lassen sich die Risiken einer Strategieänderung Dynamik des Themas könnte sonst dazu führen, dass Chancen stellen in diesem Zusammenhang Angebote von RFH-Bera- zwar nicht eliminieren, zumindest aber auf ein kalkulierbares oder Risiken nicht erkannt werden und somit die Gefahr des tungs-, Qualifizierungs- und Weiterbildungsleistungen vor. Die Maß reduzieren. Chancen und Risiken werden bewertbar. Scheiterns steigt. RFH und das Institut für Projekt- und Informationsmanagement Daraus lässt sich eine Roadmap entwickeln. (IPMI) der RFH sind qualifizierte (Weiter-)Bildungspartner in der Digitalen Transformation. 14 RUBRIK BLICKPUNKT 15
Das richtige Personal für die Industrie 4.0 Lösungsansätze zur Sicherung des Personalbedarfs müs- sen sich angesichts der Demografie auf mehrere Zielgruppen beziehen: Zum einen natürlich das passende Studium als zunehmend „normaler“ Weg in das Berufsleben (in den letz- ten zwei Jahren haben erstmals mehr Studierende ein Stu- dium begonnen, als Auszubildende einen Ausbildungsplatz TEXT: PROF. DR. THOMAS BARTH angetreten haben), zum anderen aber auch die Weiterqualifi- kation des bestehenden Personals in den Konzepten und D as Thema „Industrie 4.0“ hat – genauso wie Technologien, die für die Industrie 4.0 relevant sind. die nahezu identischen Begriffe „Digitalisie- rung“ und „Digitale Transformation“ – in ver- IPMI Die RFH Köln bietet dazu über die komplette Laufbahn gleichsweise kurzer Zeit eine erhebliche Reichweite das je nach Karrierephase passende Modell, um das erlangt. Sowohl in der Industrie, der Politik, in der Das Institut für Projekt- und Informationsmanagement (IPMI) der RFH Know-how von Fachkräften weiterzuentwickeln: von Bache- akademischen Diskussion als auch in der Bevölke- unterstützt Unternehmen im Projekt- und Informationsmanagement lorstudiengängen im Ingenieurwesen, BWL- und Wirtschafts- rung durch breite Berichterstattung in den Medien. sowie in IT-Projekten. Das Angebot des Institutes umfasst drei informatik, sowohl dual als auch Vollzeit oder berufsbeglei- Es ist ganz klar, dass diese unterschiedlichen Grup- Kernthemen, jeweils mit Schwerpunkt Projektmanagement und/oder tend. Darüber hinaus gibt es entsprechende pen unterschiedliche Aspekte interessieren. Diese Informationsmanagement. Masterstudiengänge in diesen Bereichen und – sowohl wäh- Aspekte reichen von rein wirtschaftlichen Überle- - Know-how und Wissenstransfer: Training bzw. Schulungen rend als auch nach dem Studium und insbesondere während gungen – „Kann oder muss ich mit den neuen und Zertifizierungen der beruflichen Praxis – die Möglichkeit der kontinuierli- Optionen und Technologien umgehen, um als - Projektunterstützung für Unternehmen und Einrichtungen der chen Weiterqualifikation in Form von Schulungen, Trai- Unternehmen erfolgreich zu sein?“ – bis hin zu öffentlichen Hand nings, Workshops. Gerade die Weiterqualifikation eröffnet Ängsten vor Job- und Bedeutungsverlust, Überfor- - Internationale Netzwerke mit Hochschulen und Unternehmen auch denen die Möglichkeit der stetigen Weiterentwicklung, derung oder übermächtiger „künstlicher die kein Interesse oder keine Möglichkeit haben, die Berufstä- Intelligenz“. Kontakt tigkeit für ein Bachelor- und/oder Masterstudium über Jahre Silke Schönert (Dr. rer. pol.), Professorin für Business Information Prof. Dr. Thomas Barth hinweg einzuschränken. Für viele, insbesondere für kleine und mittelständi- Systems und Projektmanagement, Studiengangsleiterin für das Studi- sche Unternehmen, ist das Thema „Personal für enfach Wirtschaftsinformatik, Vollzeit Institut für Projekt- und Informationsmanagement (IPMI) die Industrie 4.0“ essenziell – insbesondere in schoenert@rfh-koeln.de Für Berufstätige spielt der Erwerb eines eventuell weiteren Gegenwart des seit Jahren diagnostizierten Fach- Bestandteil sein muss, kommt dieser Aspekt dazu; in Studi- akademischen Abschlusses nicht immer eine entscheidende kräftemangels, gerade im MINT-Bereich – da ohne Thomas Barth (Dr.-Ing.), Professor für das Studienfach Anwendungs- engängen wie Wirtschaftsingenieurwesen oder Wirtschafts- Rolle. Dafür können Zertifikate über das Erlangen bestimmter, entsprechend qualifizierte Mitarbeiter/-innen in entwicklung und IT-Systemarchitektur, Studiengangsleiter für das Stu- informatik wird diesem Umstand bereits langjährig und spezieller Kompetenzen die berufliche Weiterentwicklung ausreichender Anzahl die komplexen Herausforde- dienfach Wirtschaftsinformatik, berufsbegleitend erfolgreich Rechnung getragen, die neuen, stärker Informa- erheblich unterstützen. Dazu bietet die RFH im IPMI maß- rungen nicht zu beantworten sind. Die Universitä- barth@rfh-koeln.de tik-lastigen Herausforderungen der Industrie 4.0 stellen geschneiderte Zertifikate an. Für Unternehmen besteht ten und Hochschulen, die sich neben den For- aber auch hier neue Anforderungen an die Studiengänge. dabei in einer Kooperation auch die Möglichkeit, ein akade- schungsthemen auch um die Weiterentwicklung der Interessierte Unternehmen oder Institutionen können sich direkt misch fundiertes, gleichzeitig praxisrelevantes und effizientes akademischen Lehre kümmern, stehen angesichts an die beiden Ansprechpartner wenden. Auch für Studierende erge- Unternehmen, die Fachkräfte für die Industrie 4.0 benö- Schulungsprogramm mit dem IPMI zu entwickeln, das die einer wachsenden Anzahl von zunehmend ausdiffe- ben sich durch das neu gegründete Institut weitere Optionen für eine tigen, lassen sich grob wie folgt klassifizieren: passenden Kompetenzen vermittelt und Irrelevantes renzierten Studiengängen (derzeit stehen über Mitarbeit mit Perspektiven. Drei Workshops zu diesen Themen vermeidet. 18.000 Bachelor- und Masterstudiengänge in bietet das IPMI am 29.1.2018 an. Anwender von Maschinen, Steuerungen und Software-Lö- Die RFH und das IPMI können als unabhängige und akade- Deutschland zur Wahl) vor der Herausforderung, Weitere Informationen: sungen, die Industrie-4.0-Anforderungen wie Autonomie, misch fundierte Anbieter von Weiterqualifikationen für eine passende Antwort auf die Frage nach der Kooperationsfähigkeit, Flexibilität entsprechen. Privatpersonen und Unternehmen Angebote bereitstellen, „optimalen Qualifikation für Industrie 4.0“ IPMI: www.rfh-koeln.de/ipmi die nicht lediglich auf ein Produkt fixiert sind. Viele der zu finden. www.rfh-koeln.de/w_u_r Hersteller von Maschinen, Steuerungen beziehungsweise kommerziellen Hersteller-Schulungen vermitteln dagegen Software-Lösungen, die im Kontext Industrie 4.0 die breite oft „vergängliches“ Wissen, eben weil sie sich zu sehr auf Aus Industrie 4.0 resultiert eine Industrie- Lücke zwischen „Produktionshalle“ und „betriebswirt- ein Produkt fixieren, das lediglich bis zur nächsten oder 4.0-Qualifikation aus mehreren Bereichen, ins- schaftlicher Sicht auf die Produktion“ abdecken. übernächsten Produktversion gültig ist. Unternehmen besondere aus der Schnittmenge zwischen den benötigen für die Bewältigung der Herausforderungen von klassischen Ingenieurstudiengängen wie Maschi- Dienstleister aus dem Ingenieur- und IT-Bereich, beispiels- Industrie 4.0 keine Mitarbeiter, die ein Produkt beherrschen, nenbau, Elektrotechnik und Informatik. Da die wirt- weise Software-Hersteller oder Anbieter von Beratungsleis- sondern Mitarbeiter, deren Denkweise und Problemlösungs- schaftliche Betrachtung von Konzepten, Methoden tungen zum Einsatz von Industrie-4.0-Lösungen (Maschi- strategien die Möglichkeiten der unterschiedlichen Konzepte und Werkzeugen der Industrie 4.0 inhärenter nen, Software-Systeme) in Unternehmen. und Technologien aus allen Bereichen ausnutzen können. 16 RUBRIK BLICKPUNKT 17
Prof. Dr. Silke Schönert (Dr. rer. pol.) ist Professorin für Business Information Systems und Projektmanage- ment sowie Studiengangsleiterin für das Studienfach Wirtschaftsinformatik, Vollzeit. Sie leitet, gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Barth, das Institut für Projekt- und Informationsmanagement (IPMI). 2016/2017 war sie für mehrere Monate Gastdozentin an der University of South Australia in Adelaide, Australien. Management von Kontakt: schoenert@rfh-koeln.de Industrie-4.0-Projekten Industrie 4.0 beherrschbar und übersichtlicher gestaltet. Ebenso wird Gesamtheit klassisch gesteuert werden, während die Entwicklungsar- TEXT: PROF. DR. SILKE SCHÖNERT die Komplexität der Wertschöpfungskette durch das Aufteilen der Auf- beit in der Steuerungsphase des klassischen Projektmanagements gaben in Teilpakete verringert. durch den Einsatz agiler Methoden optimiert und flexibler gestaltet D er Wunsch nach schneller, kostengünstiger und effekti- werden kann. ver Entwicklung und Fertigung von komplexen Produk- „Scrum“ wirkt aus meiner eigenen Erfahrung im Projektmanagement ten ist einer der zentralen Beweggründe für Industrie von Unternehmen richtig eingesetzt als flexibler Standard und schafft Anforderungen an Unternehmen und Mitarbeiter 4.0. Das Konzept sieht vor, dass alle am Prozess beteiligten mit einer Kombination aus Handlungsspielraum und Leitfäden genau Es gibt nicht die standardisierte Methode für alle Industrie-4.0-Pro- Anlagen und Maschinen kontinuierlich standort- und unterneh- den Raum, der im klassischen Projektmanagement mitunter fehlt. Die jekte. Jedes Projekt ist einzigartig und hat seine Besonderheiten. Die mensübergreifend relevante Informationen austauschen und Mitarbeiter können das „Springen“ zwischen verschiedenen Projekten angemessene Kombination von klassischem und agilem Projektma- dadurch den gesamten Entwicklungs- und Produktionsprozess beispielsweise eigenverantwortlich organisieren und so Vorbereitungs- nagement ist demnach entscheidend für den Projekterfolg. optimieren. zeiten und Doppelarbeit minimieren. Prof. Dr. Silke Schönert Aber auch die Anforderungen an Projektmanager ändern sich. Die Diese Evolution hat neben der Arbeitsorganisation auch erhebli- Darüber hinaus sahen 67 Prozent der befragten Unternehmen Lösungsansatz hybrides Projektmanagement Zukunft ist bei derart starken Technologiesprüngen, wie sie in den che Auswirkungen auf die Projektorganisation, die in der Pro- eine Veränderung hinsichtlich der Aufgaben eines Projekt- Als Lösungsansatz bietet es sich an, auf bewährte Methoden aufzu- letzten Jahren zu sehen waren, sehr ungewiss. Deshalb wird die jektplanung und im Management berücksichtigt werden müssen. managers von Industrie-4.0-Projekten. bauen und agile Projektmanagement-Elemente zu integrieren. Ein Projektarbeit künftig noch mehr einer Pionierarbeit mit klaren sogenanntes hybrides Projektmanagement bietet eine gute Ausgangs- Visionen und unklaren Lösungswegen gleichen. Die herkömmlichen Methoden, Techniken und Tools im Herausforderungen klassischer Projektmanagementansätze basis, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Bereich Projektmanagement bieten in der digitalen Gesell- Das klassische Projektmanagement ist gekennzeichnet durch Wichtig sind in diesem Zusammenhang eine zukunftsfähige Qualifi- schaft für komplex vernetzte Projekte kaum brauchbare feste Projektphasen und Meilensteine, die sequenziell durchlau- Das klassische Projektmanagement wird beibehalten und bildet kation von Mitarbeitern, bei Bedarf eine Begleitung bei der Einfüh- Lösungen, um die zunehmende Dynamik zu meistern (BIT- fen werden. Dieser Aufbau führt zwar zu einer relativ hohen Pla- den Rahmen. Dadurch wird die Zielrealisierung sichergestellt und die rung von agilen und hybriden Vorgehensmodellen, eine kontinuier- KOM, 2012). nungssicherheit bei komplexen, umfangreichen Projekten, nötige Stabilität und Sicherheit gewährleistet. Die Anwendung von liche Weiterentwicklung der organisationalen Kompetenz, damit schränkt hingegen in Bezug auf Flexibilität und schneller Reakti- „Scrum“ in der Steuerungsphase des klassischen Projektmanage- als Erfolgsmotor das Beste aus beiden Welten in Industrie-4.0-Projek- Das Ergebnis der gestiegenen Konnektivität ist auch eine Verän- onsfähigkeit ein (Jakoby, 2015). ments gibt zusätzliche Flexibilität, und die Möglichkeit auf sich ten genutzt werden kann. derung der Zusammenarbeit des Projektteams. Projekte sind im schnell ändernde Anforderungen zu reagieren. Unternehmen vernetzt, da Mitarbeiter aus verschiedenen Berei- Häufig ist es bei Projekten im Umfeld von Industrie 4.0 nicht chen beteiligt sind. Aber nicht nur die Teammitglieder müssen möglich, zu Beginn des Projektes alle Anforderungen und Ziele vernetzt sein, sondern alle Stakeholder, um an den unterschied- vollständig zu erfassen. Neue Fertigungstechnologien werden in lichen Phasen des Projekts mitzuwirken. Da die Aufgaben im sehr hohem Tempo entwickelt und bereits bestehende Projekte Produkte im Umfeld von Industrie 4.0 sollten demnach in ihrer Projekt immer komplexer werden, ist es notwendig, dass müssen kurzfristig an diese Technologien angepasst werden. Teammitglieder nicht mehr „nacheinander arbeiten“, son- dern „miteinander arbeiten“, um diese Aufgaben zu bewältigen. Zudem definieren Kunden aufgrund des schnellen Technologie- fortschritts immer häufiger auch in späten Projektphasen neue PROJEKTMANAGEMENT Anforderungen oder passen die zuvor definierten Ziele und Wir haben 2016 an der Rheinischen Fachhochschule eine Eigenschaften kurzfristig an. Umfrage in allen Branchen zu den Anforderungen eines Pro- jektmanagements in der Digitalisierung durchgeführt. Die Agiles Projektmanagement – die Lösung? TRADITIONELLES PM AGILES PM Befragung ergab insgesamt, dass die schnelle und flexible Reak- Die Unternehmensbefragung hat gezeigt, dass einige Unterneh- Struktur Stabilität Top-down-Planung Dynamik Lernen Interaktion tion auf sich ändernde Anforderungen in jeder Projektphase men bereits auf „Scrum“ (ein Vorgehensmodell des Projekt- und eines Managements von Industrie-4.0.-Projekten eine große Produktmanagements, Anm. der Redaktion) als agile Projektma- Herausforderung darstellt: nagement-Methode setzen. - Höherer Lenkungsaufwand „Scrum“ bietet ein formuliertes Set an Regeln aus der Soft- - Komplexere Aufgabenpakete wareentwicklung. Diese Regeln können grundsätzlich auch auf - Hohe Anforderungen an Flexibilität die Entwicklung physischer Produkte übertragen werden. Durch - Flexible interdisziplinäre Teamzusammenstellung klare Kommunikationsstrukturen, Fokussierung auf Aufgabenpa- Sinnvolle Integration: - Gleichzeitig wurden die klassischen Methoden des kete und überschaubare zeitliche Horizonte schafft „Scrum“ Projektmanagements als zu starr eingeschätzt. Transparenz über die zu leistende Arbeit. Dadurch werden die HYBRIDES PROJEKTMANAGEMENT zunehmend komplexen Aufgabenpakete im Zeitalter von 18 RUBRIK BLICKPUNKT 19
Ansprechpartner Prof Dr. Ludwigs Gesamtprojektleitung E-Learning – Hype oder neue Rheinische Fachhochschule Köln GLARS ist ein spielbasiertes Lernarrangement, Schaevenstraße 1 a/b, 50676 Köln das Schule und Unternehmenswelt verbindet. +49 221 420 377 - 20 Lernwirklichkeit? ludwigs@rfh-koeln.de Katharina Tillmanns Projektleitung Cologne Game Lab Cologne Game Lab / TH Köln Schanzenstraße 28, 51063 Köln I nverted Classroom, MOOC oder Learning Analytics – das TEXT: PROF. DR. STEFAN LUDWIGS +49 221 82 75 - 30 95 sind einige der Stichworte, die die derzeitige Diskussion kt@colognegamelab.de um die Veränderung des Lernens an deutschen Hoch- Im Gegensatz zu allen anderen Wirtschafts- und Lebensberei- schulen bestimmen. Doch was ist dran an diesen neuen chen, hat sich die Hochschule in den über 500 Jahren seit ihrer Fabian Rummrich Lehrformen? Werden sie den Hochschulalltag tatsächlich Entstehung kaum gewandelt. Doch nun dringt die viel beschwo- Fachverantwortlicher RAK verändern? Und wie geht die RFH mit den Themen um? rene Digitalisierung in weite Teile des Bildungssektors vor und Rheinische Akademie Köln Ein Plädoyer von Prof. Dr. Stefan Ludwigs. wird den hochschulischen Lehrbetrieb massiv verändern. Vogelsanger Str. 295, 50825 Köln +49 221 54 687 - 30 Stefan Ludwigs ist RFH-Studiengangsleiter für den Bachelor- Schon jetzt werden Vorlesungen – auch an der RFH – ins Inter- rum@rak.de studiengang Mediendesign (Vollzeit), den Weiterbildungsmaster net übertragen und stehen den Studierenden als Aufzeichnung Digital Business Management, den die RFH im Blended- zur Verfügung. Smartboards und Tablets lösen PowerPoint oder Learning-Verfahren anbietet und Projektleiter für das multimediale gar den Overheadprojektor ab und Dozent/-innen betreuen ihre Forschungsprojekt GLARS. Er koordiniert die E-Learning- Lernenden in virtuellen Klassenräumen. Aktivitäten an der RFH und unterstützt mit studentischen Hilfskräften die Erstellung von Inhalten und Nutzung der Es sind vor allem drei Dinge, die diese Entwicklung vorantrei- In Kooperation mit technischen Infrastruktur. ben: Die technische Entwicklung mit wachsenden Bandbrei- Gefördert von ten, die Anforderungen einer digitalisierten, hoch flexiblen Arbeitswelt mit permanentem Lernbedarf und nicht zuletzt eine neue Generation von Lehrkräften, die mit dem Internet Rheinische RheinischeAkademie Berufskolleg Akademie Berufskolleg Köln Köln groß geworden ist und für die außer Frage steht, Wissen mithilfe digitaler Kanäle zu vermitteln. Auch wenn diese Perspektive vielleicht etwas zu negativ anmu- - Komplexe Erklärungen können beliebig häufig wiederholt Wir müssen Bildung für eine digitalisierte Arbeitswelt tet, ist völlig klar, dass die Digitalisierung nicht etwa nur werden. anbieten. „Tele-Angebote“ mit sich bringt, sondern dass sie auch den - Lernen wird orts- und zeitunabhängig. Mikro-Lern- Die RFH pflegt traditionell eine besonders intensive Vernetzung Charakter der Präsenzlehre verändern und dem Trend zur einheiten können am Smartphone konsumiert werden mit der Wirtschaft und möchte ihre Absolvent/-innen zielge- Einbindung von Deeper-Learning-Lehrmethoden Rechnung und sich quasi nahtlos in den Alltag einfügen. nau für deren Bedarf qualifizieren. Es versteht sich von selbst, tragen wird. - Lernprozesse können gemessen werden (Learning dass sie dieser engen Beziehung mit technisch modernen, orga- Diese aktiven Lehr- und Lernmethoden zielen auf das for- Analytics) und Lernenden ihren Fortschritt transparent nisatorisch flexiblen und inhaltlich innovativen Angeboten schende Lernen ab, auch häufig als problem- oder projekt- machen. Lerndaten dienen dann dazu, individuelles begegnen muss. Dazu gehört selbstverständlich die Herstellung basiertes Lernen bezeichnet, bei dem Studierende authenti- Feedback zu geben, Lernplanungstools oder individuelle und Einbindung digitaler Lernressourcen, wie Online-Vorle- sche Probleme bearbeiten. Die Vorgehensweise orientiert Reflexionstools bereitzustellen und letztlich adaptive sungen oder Erklärvideos und Tests. Es gilt, diese Entwicklung sich dabei am Modell des „Inverted Classroom“. E-Learning Lernwege anzubieten, um die Lernenden in die Verant- aktiv mitzugestalten. Präsenzlehre und E-Learning sollten sich stellt Basisinhalte für das Selbststudium zu Hause zur Verfü- wortung zu bringen. die Waage halten. Denn schließlich kann niemand wollen, dass gung, während die Vorlesung als Ort von Austausch und - Die multimedialen Inhalte (Video, Bild, Text, Ton) wir in Zukunft nur noch Abschlussprüfungen für Studierende kooperativer Problembewältigung verstanden wird. Doch was – unterstützen die Herausbildung multimodaler durchführen, die sich weltweit die besten Kurse „zusammenge- neben diesen didaktischen Veränderungen – kann E-Learning Gedächtnisspuren. Lernen kann hierdurch effektiver sein klickt“ haben. eigentlich wirklich im Sinne von Lerneffizienz leisten? als eine Vorlesung oder ein Buch. Möglicherweise dürfen wir in diesem Bereich von Virtual-Reality-Lernen, vor allem E-Learning bietet viele Chancen für den individuellen in den Ingenieurwissenschaften sehr viel erwarten. Wissensaufbau. - Multimedialität und Interaktivität können sehr anregend Jeder lernt anders. Bildung ist immer das hoch individuelle sein und die Anwendung tiefenorientierter Lernstrate- Produkt eines persönlichen Lernwegs mit dem Aufbau indivi- gien fördern (deep-level-processing). dueller Wissensstrukturen. E-Learning unterstützt diese kom- Das Ergebnis sind reichhaltigere und beständigere plexe Lernarbeit und bietet vielfältige Vorteile: Wissens-Schemata. 20 RUBRIK BLICKPUNKT 21
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