TAPETEN-WECHSEL NEUES DESIGN FÜR DIE STROMVERSORGUNG GESUCHT - FACHMAGAZIN DER ÖSTERREICHISCHEN E-WIRTSCHAFT
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Fa c h m a g a z i n d e r ö s t e r r e i c h i s c h e n E - W i r t s c h a f t Tapeten- P.b.b. Verlagspostamt 2340 Mödling · Zul.-Nr. GZ 02Z031249 M · Postnummer: 8 wechsel Neues Design für die Stromversorgung gesucht September 2013
Energie bewegt die Welt. Unsere Lösungen geben die Richtung vor. Wir liefern Antworten auf die Kernfragen des Energiemarkts. siemens.com/energy Energieversorger und -verbraucher mögen unterschiedliche auf eine zuverlässige Stromversorgung angewiesen sind. Bedürfnisse haben, doch alle stehen vor denselben zentralen Mit unserem tiefen Verständnis dieser Herausforderungen Herausforderungen: Knappe Ressourcen und steigender entwickeln wir optimale Lösungen. Unseren Werten Energiebedarf erfordern höhere Energieeffizienz und Verantwortlichkeit, Exzellenz und Innovation folgend Wirtschaftlichkeit. Der Klimawandel zeigt uns, dass ein bieten wir wegweisende Technologien für eine saubere, ausgewogener Energiemix notwendig ist, während effiziente und verlässliche Stromversorgung innerhalb Gesellschaft und Wirtschaft gleichzeitig mehr denn je der immer komplexer werdenden Strom-Matrix. Answers for energy.
Inhalt · Editorial 4 Heißer Herbst für die E-Wirtschaft Wirrer Wandel Europas Stromversorgung braucht einen Vor dreizehn Jahren, als die Liberalisie- tragfähigen Rahmen. Die Wege dazu sind rung des europäischen Strommarkts in vielfältig und müssen in diesem Herbst vorgezeichnet werden Angriff genommen wurde, war Österreich bei Strom praktisch Selbstversorger. Im 15 Real gegen Finanz – eine Chimäre Heft 8/2000 titelte das VEÖ-Journal, so Milan Frühbauer über den künstlichen der damalige Name unseres Mediums, Gegensatz zwischen Sach- und „Volle Strommarktöffnung für Herbst 2001 Finanzwirtschaft Ende September werden die Wahlen fixiert“. VEÖ-Präsident Max Stockinger, 16 Europa-Premiere für „Cosima“ in Österreich und plädierte damals in seinem Editorial für Ab Anfang Oktober werden die Gasmarkt- Deutschland geschla- „Weise Voraussicht statt Zukunftsangst“ gebiete Tirol und Vorarlberg grenzüber gen sein und ganz oben auf der Agenda und zitierte Laotse: „Handle, ehe es da ist, schreitend mit einem deutschen Gasmarkt gebiet zu einer Handelszone verbunden wird dann die Ener- lenk es, ehe es wirr wird.“ giepolitik stehen. Stockinger zog aus diesem Zitat den Seite 4 21 Boom mit Folgen Schluss, dass es eine Herausforderung für Christof Zernatto über den Boom der Verantwortliche gebe, rechtzeitig her- erneuerbaren Energien, der erfreulich aber auszufinden, was die Zukunft bringt und gleichzeitig auch herausfordernd ist darauf angemessen zu reagieren, so dass 22 Energiewende am Scheideweg Gefahren vorgebeugt und Chancen genutzt Beim BDEW-Kongress in Berlin zeigte sich, werden können. Dem ist heute, dreizehn dass den Deutschen ihre Energiewende unter Jahre später, nichts hinzuzufügen. den Nägeln brennt Und noch ein Satz aus dem damaligen Edi- 28 Regulatoren auf dem Prüfstand torial hat auch 2013 brennende Aktualität: In einer aktuellen Untersuchung hat „Sicher ist lediglich, dass alles unsicher Oesterreichs Energie die Regulatoren in geworden ist, dass das Produkt Strom und unterschiedlichen europäischen Ländern die mit ihm verbundenen Dienstleistungen verglichen mit neuen Werten, Gefühlen, Argumenten 34 Sommer, Sonne, Stromimporte und Bedeutungen ausgestattet werden Ein Rückblick auf den Jahrhundertsommer müssen, ohne dass die physikalischen 2013 zeigt, dass Österreich heuer hochgradig Tatsachen außer Acht gelassen werden von Stromimporten abhängig war können.“ 37 Kultur und Landschaft allein genügen nicht Die politisch eingeleitete Energiewende Zukunftsforscher Andreas Reiter rät, und die damit verbundene Transforma- Österreich endlich verstärkt als innovativen tion der Elektrizitätsversorgung – sowohl Standort zu kommunizieren wirtschaftlich als auch technisch – haben 38 Viele offene Fragen bei Smart Meter die Rahmenbedingungen unter denen Smart Meter hat trotz der jüngsten ElWOG- die E-Wirtschaft ihre Aufgaben erfüllt, Novelle noch einigen Erklärungsbedarf nun zum zweiten Mal innerhalb weni- ger Jahre grundlegend verändert. Damit 42 Energieeinsparung durch EU-Label Eine neue Verordnung verpflichtet die müssen die Unternehmen der Branche Industrie bald auch zur Ausstellung eines klar kommen. Doch auch die EU-Energielabels für Staubsauger Politik ist gefordert, denn kräftige Kurskorrekturen 44 Deutschland sucht das Marktdesign sind notwendig. Oester- Deutschland verzeichnet derzeit Stromflüsse zu den Nachbarländern wie nie zuvor reichs Energie hat längst Die E-Wirtschaft darauf hingewiesen und Foto: Christian Fischer hat derzeit viele 48 Brennpunkt Europa arbeitet gemeinsam mit Innovationen, etwa 50 Neue Technologien auf breiter Front ein neues System zur allen Mitgliedern an induktiven Ladung Lösungsvorschlägen. Ein Blick auf die technischen Innovationen von E-Fahrzeugen, zeigt, dass Energiefragen und intelligente vorzuweisen. Details dazu können Antworten in jeder Sparte für Zündstoff sorgen Seite 50 Sie in diesem Heft lesen. 58 Standardisation Corner 60 Blitzlichter Ihre 62 Termine 63 Impressum September 2013 Oesterreichs Energıe. · 3
Coverstory Herbst für -Wirtschaft Europas Stromversorgung braucht einen tragfähigen Rahmen, um eine sichere und umweltfreundlichere Versorgung garantieren zu können, ihre Aufgaben zu erfüllen zu und den Volkswirtschaften eine gute Basis im globalisierten Wettbewerb zu sichern. Die Wege dazu sind vielfältig, müssen aber in diesem Herbst vorgezeichnet werden. Von Ernst Brandstetter September 2013 Oesterreichs Energıe. · 5
Coverstory E nde September 2013 werden die nen jetzt die Früchte dieser Politik ernten Wahlen in Österreich und Deutsch- zu können. Das Land wird dank der wieder land geschlagen sein, und die Poli- zunehmenden Gas- und Ölförderung bis tik wird sich neu orientieren. Ganz oben 2020 wieder zum größten Ölproduzenten auf der Agenda steht sicher die Energie- der Welt werden. Die Energiekosten in den politik, denn Deutschland muss die Kosten USA sinken, Kohle wird verstärkt durch Gas der Energiewende in den Griff bekommen, ersetzt, sodass auch die CO2-Emissionen und auch Österreich spürt hier Auswir- zurückgehen. Der Importbedarf bei Gas ist kungen und hat Maßnahmen zu setzen. beendet, und zudem sinkt auch der Import- Auf der Liste ungelöster Aufgaben stehen bedarf bei Öl. aber nicht nur die Fragen des Marktde- Bis 2020 könnten die USA, die derzeit rund signs und der künftigen Förderung erneu- 20 Prozent ihres Energiebedarfs impor- erbarer Energien in Europa, sondern auch tieren, wieder zum Exporteur bei Gas und die Umsetzung der Effizienzrichtlinie, der eventuell sogar bei Öl werden – bei Kohle Ordnungsrahmen für den Ausbau der Netze sind sie es bereits wieder. Zudem greifen in und Speicher sowie der Weg in die smarte den USA Effizienzmaßnahmen, beispiels- Energiezukunft. weise der Umstieg von Öl auf Gas im Trans- Zu diskutieren sein wird auch die Frage, portsektor. wie Investitionen ins System der Elektrizi- Parallel dazu hat sich das Wirtschafts- tätsversorgung in Zukunft wachstum in den großen Schwellennatio- ermöglicht werden sol- nen China, Indien und Brasilien zumindest len, denn in der aktuellen entschleunigt. Experten sehen eine Marktsituation sind nur wenige Vorhaben auch Erneuerbare Revolution Rückkehr des Ölpreises wirtschaftlich. Und der Aufstieg der erneuerbaren Energien unter hundert Dollar. Schließlich werfen lang geht weltweit ungebremst weiter. Die Inter- verhandelte Vorhaben nationale Energieagentur IEA erwartet, dass ihre Schatten voraus: Die die Stromerzeugung aus Wasserkraft, Wind- Bescheide für die Netz- und Sonnenenergie und anderen erneuerba- tarife in der nächsten Regulierungsperi- ren Quellen in den kommenden fünf Jahren ode von 2014 bis 2018 sind verschickt, der um 40 Prozent wachsen wird. beschleunigte Anbieterwechsel ist im Wer- Schon 2016 werden dank dieser Entwick- den. lung die erneuerbaren Energien Gas als Energiequelle überholen und schon doppelt Globaler Wettlauf so viel Energie liefern, wie aus Kernenergie Global zeigt sich derzeit ein Wettlauf der gewonnen wird. Bereits 2018 wird mehr Wirtschaftsblöcke um eine bessere Aus- als ein Viertel des weltweiten Energiemix gangsposition für die Energiezukunft. aus erneuerbaren Quellen stammen, nach Die USA haben in den vergangenen Jahren 20 Prozent im Jahr 2011. stark auf die Erschließung unkonventionel- Österreich, das für 2020 ein 34-Prozent-Ziel ler Energieressourcen gesetzt und schei- anstrebt, wird sich also anstrengen müs- 6 · Oesterreichs Energıe. September 2013
Coverstory sen, um mit der weltweiten Entwicklung So könne es beispielsweise nicht angehen, Schritt halten zu können. dass Deutschland eigenen Windstrom för- dere, Dänen oder Norweger jedoch keine Katerstimmung in Europa Förderung erhielten, wenn sie Windstrom In Europa herrscht vor allem Dissonanz. dorthin lieferten. Zusätzlich zum tobenden Ideologiestreit Das bedeutet natürlich auch eine große über den Bau und Betrieb von Atomkraft- Herausforderung für die werken – England, Frankreich, Tschechien, geförderten erneuerbaren Schweden, die baltischen Länder, die Energien in Österreich. Balkanstaaten und Finnland sind dafür, Die freie Wahl der Pro- Die Vollendung des EU- Deutschland und Österreich sind dagegen jekte und die Ausrichtung Energiebinnenmarktes – gibt es die Probleme des Strommarkts im Zentrum Europas, ausgelöst von der deut- der nationalen Förde- rungen wären jedenfalls ist das wichtigste Ziel. EU-Energiekommissar Günther Oettinger schen Ökostromförderung, Dissonanzen dahin, denn weder bei bezüglich Fracking, die Krise der Gaskraft- Wind noch bei Fotovol- werke – aufgrund niedriger Strompreise taik gehört Österreich zu an der Börse und hohen Gaspreisen wegen den europäischen Top-Lagen. Eines steht langfristiger Lieferverträge mit Russland – jedoch fest: Österreich wird direkte Fol- und viele andere Schwierigkeiten. gen der Ausgestaltung europäischer Regeln Die EU, die sich als treibende Kraft im Kli- spüren. maschutz begreift, sieht sich mit dem Ver- sagen des Markts für CO2-Emissionszerti- Deutsche Herausforderung fikate und steigenden CO2-Emissionen im In Deutschland explodieren die Kosten wichtigsten Industrieland Deutschland für die Förderung erneuerbarer Energien, Info konfrontiert. und gleichzeitig brechen die Erträge der Bei einer von Oesterreichs EU-Energiekommissar Günther Oettinger E-Wirtschaft ein. Im vergangenen Jahr Energie im ersten Halbjahr beschreibt die Vollendung des EU-Ener- produzierte Deutschland mit Förderungen 2013 in Auftrag gegebenen giebinnenmarkts als wichtigstes Ziel der von rund 20 Mrd. Euro Ökostrom im Markt- Gallup-Umfrage erklärten europäischen Energiepolitik. Dies sei die wert von drei Mrd. Euro. RWE will etwa 59 Prozent der Befragten, oberste Maxime für die Ausgestaltung eines aufgrund der Marktverzerrungen die Kos- ihnen sei „wichtig“ bzw. „sehr wichtig“, woraus Strom neuen Marktdesigns im Strom- und Gasbe- ten des Unternehmens um zwei Mrd. Euro erzeugt wird. Damit nimmt reich. Zudem soll stärker auf Wirtschaft- senken und bis zu 10.000 MW fossile Kraft- die „Strom-Quelle“ den zwei- lichkeit geachtet werden. werksleistung stilllegen. E.ON hat ange- ten Rang hinter dem Preis Der Entwurf für neue Beihilfekriterien in kündigt, bis 2015 womöglich Kraftwerke ein, wenn es um verschie- Europa sieht vor, dass Wind stärker im Nor- mit einer Leistung von 11.000 MW stillzu- dene Aspekte, abgesehen von der Versorgungssicherheit, den und Sonnenenergie stärker im Süden legen. Von etwa 90.000 MW konventioneller beim Stromkonsum geht. und zum Beispiel weniger in Deutschland Stromkapazitäten in Deutschland könnten 73 Prozent glauben zudem, gefördert werden soll. Die Kommission ver- somit bis zu 20 Prozent zur Disposition ste- dass die Stromversorgung in langt für geförderte Projekte ein internati- hen. Österreich auch in Zukunft onales Ausschreibungsverfahren, um die Über 80 Prozent der deutschen Verbraucher gesichert ist. Kosten der Energiewende gering zu halten. unterstützten laut einer aktuellen Umfrage September 2013 Oesterreichs Energıe. · 7
Coverstory Grafik 1: Welche Aspekte sind Ihnen im Zusammenhang mit Strom am wichtigsten? Quelle: Gallup 2013 Mittlerer Rangplatz ein möglichst 2,27 42 22 16 8 4 4 1 7 niedriger Preis woraus der Strom 2,70 34 25 15 9 6 5 6 6 erzeugt wird Auswahlmöglichkeit 3,76 12 19 17 15 15 14 8 5 bei Tarifen und Stromprodukten Kundenservice 4,14 6 12 18 20 17 16 8 und umfassende4 Kundeninformation 4,34 verständliche 3 12 16 19 17 12 14 3 Rechnung 4,92 Energieberatung und 2 7 10 15 22 22 17 Effizienzmaßnahmen 2 5,67 einfacher 4 6 11 13 20 39 1 Lieferantenwechsel 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 nn 1. Platz = am wichtigsten nn 2. Platz nn 3. Platz nn 4. Platz nn 5. Platz nn 6. Platz nn 7. Platz = am wenigsten wichtig zwar die Ziele der Energiewende, mehr als aber keinen Abnehmer finden, drängen in 50 Prozent kritisieren aber bereits die in die Netze und bringen das europäische der Folge steigenden Strompreise. Die EEG- Stromversorgungssystem immer häufiger Umlage, mit der die Ökostromförderung an die Grenze der Belastbarkeit. Insbeson- finanziert wird, steigt von knapp 5,3 Cent dere Fernübertragungsleitungen laufen auf rund 6,3 Cent und liegt damit bereits häufiger an der Lastgrenze. über dem Arbeitspreis für die kWh Strom. Die Stromkosten eines durchschnittlichen Überstrapazierte Netze Haushalts in Deutschland waren infolge Allein Deutschland ist seit Jahresbeginn der überbordenden Abgaben und Steuern 2012 viermal an einem Blackout – mit um 357 Euro höher als 1998, und die vom wahrscheinlich europäischen Kaskadenef- Staat induzierten Abgaben liegen deutlich fekten – vorbeigeschrammt, berichtete die über den Kosten für die kWh Energie. Auch deutsche Bundesnetzagentur. Und auch ein Stopp des Ausbaus der erneuerbaren aus anderen Ländern sind ähnlich kriti- Energien würde diese Kosten nicht rasch sche Situationen bekannt. Zuletzt gab es in reduzieren, weil die Stromeinspeiser viele 60 Prozent der Stunden Preisgleichheit auf Jahre lang garantierte Tarife erhalten. dem Großhandelsmarkt in Deutschland, Gleichzeitig stört die unbegrenzte Einspei- Österreich, Frankreich, Belgien, den Nie- sung von Strom die Preisbildung an den derlanden und Luxemburg. Vor der Libe- Märkten, und die Förderung erneuerbarer ralisierung war dies nur in ein Prozent der Energien in Deutschland wirkt über die Jahresstunden der Fall. Marktkopplung auch auf die angrenzenden Diese – prinzipiell gute – Entwicklung Länder. transportiert jedoch nationale Fehlent- Strommengen, die in Deutschland aus wicklungen auch in andere Länder. Das erneuerbaren Energien erzeugt werden, Merit-Order-System des Kraftwerksein- 8 · Oesterreichs Energıe. September 2013
Coverstory satzes führt dazu, dass beispielsweise sich an Investitionssicherheit, Leistungs Wiener GuD-Kraftwerke unwirtschaft- fähigkeit und den kommenden großen Auf- lich sind, wenn in Deutschland die Sonne gaben orientiert. scheint. Oesterreichs Energie verweist in diesem Zusammenhang auf die intensive fach- Restriktive Regulierung liche Diskussion zwischen E-Wirtschaft Restriktiv präsentiert sich dagegen die und Regulierungsbehörde. Fachliche Argu- Stromnetzregulierung in Österreich, die mente wurden seitens der E-Control igno- damit zu einer schweren Hypothek für eine riert, obwohl weitere Kos- sichere und leistungsfähige Stromversor- tensenkungen sowohl das gung in den kommenden Jahren werden politische Ziel der Ener- könnte. giewende als auch jenes Der Ausbau der Die seitens der Regulierungsbehörde des weiteren Ausbaus Erneuerbaren geht in E-Control publizierte Ausgestaltung des der Stromversorgung aus Österreich ungebremst Regulierungssystems für die Jahre 2014 erneuerbaren Energien bis 2018 attestiert der E-Wirtschaft nach sowie die in Aussicht weiter. acht Jahren Anreiz-Regulierung nur rund gestellten Effizienzsteige- ein Prozent Effizienzsteigerung von knapp rungen gefährden. 89 auf 90,4 Prozent. Und das, obwohl die Im Widerspruch zum politischen Willen Unternehmen pro Jahr Kostenabschläge steht aus Sicht von Oesterreichs Energie von bis zu fünf Prozent verkraften mussten. schließlich die investitionsfeindliche und Aus Sicht von Oesterreichs Energie wurde überbürokratisiert geplante Vorgangsweise mit dieser Festlegung einem an politischen der E-Control bei der Anerkennung der Zielen orientierten Spardiktat der Vorrang Kosten bei der Implementierung der Smart vor einer Netzfinanzierung gegeben, die Meter und beim Aufbau von Smart Grids. Tabelle 1: Die Kosten der Ökostromförderung dürfen nicht mehr steigen Stimme stark zu Stimme zu Lehne ab Lehne stark ab Keine Beurteilung Angaben in Prozent 37 46 10 1 6 Quelle: Gallup 2013 Tabelle 2: Ökostromförderung 2010 bis 2012 Jahr Menge in GWh Vergütung in Mio. € Unterstützungsvolumen in Mio. € Marktpreis in € pro MWh 2010 5905 588 350 45.8 2011 5452 582 308 53,5 2012 6152 657 420 48,5 2013, Jänner bis Juni 3000 330 220 45,0 Summe 20509 2157 1298 Quelle: E-Control, Zahlen gerundet, Werte 2013 Schätzung Oesterreichs Energie September 2013 Oesterreichs Energıe. · 9
Coverstory Grafik 2: Haben Sie schon einmal etwas zum Thema „Energieeffizienzgesetz“ gehört oder gelesen? Quelle: Gallup 2013 26 74 6 Österreich total 33 67 5 Männer, n = 478 20 80 4 Frauen, n = 522 19 81 3 14–30 Jahre, n = 231 31 69 2 31–50 Jahre, n = 376 25 75 1 über 50 Jahre, n = 393 nn Ja nn Nein 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Österreichs Stromnetzbetreiber sehen erst um 2050 ist man dann billiger als bei zudem die geplante Systematik der Kos- Beibehaltung des alten Systems. Auch die tenprüfung und die bisher stets über- Übertragungsnetze und insbesondere die bordenden Vorschriften bezüglich Daten- regionalen Verteilnetze benötigen hohe sammlung und -übermittlung kritisch. Der Investitionen, um den neuen Anforderun- „Datenwahnsinn“ verteuere lediglich die gen gerecht werden zu können. Netzgebühren für die Konsumenten, ohne besondere Vorteile für die Weiterentwick- Gute Noten für lung der Netzinfrastruktur zu bringen oder die E-Wirtschaft die energiepolitischen Ziele Im Rahmen einer Gallup-Umfrage, die im Österreichs zu unterstüt- Auftrag von Oesterreichs Energie im ers- zen. ten Halbjahr 2013 durchgeführt wurde, In der Bevölkerung ist das Der Ausbau der erneu- erklärten 59 Prozent der Befragten, ihnen Thema Energieeffizienz erbaren Energien geht sei „wichtig“ bzw. „sehr wichtig“, woraus jedenfalls – laut einer Strom erzeugt wird (Grafik 1). noch wenig präsent. Untersuchung im Auftrag Damit nimmt die „Strom-Quelle“ den zwei- Auswertung der Gallup-Umfrage von Oesterreichs Ener- ten Rang hinter dem Preis ein, wenn es um gie – auch in Österreich verschiedene Aspekte – abgesehen von der ungebremst weiter. Fossile Versorgungssicherheit – beim Stromkon- Kraftwerke werden dagegen immer unwirt- sum geht. Die Zufriedenheit mit dem eige- schaftlicher und seltener gebraucht. Im nen Stromversorger hat 2013 mit 57 Pro- Jahr 2050 wird man in Österreich wahr- zent – nach den Rückgängen nach Fuku- scheinlich nur noch acht bis zehn Mrd. kWh shima – wieder in allen abgefragten Aspek- (TWh) Strom in fossil befeuerten Kraftwer- ten zugenommen. 73 Prozent glauben, dass ken produzieren, das sind bis zu zwei Drit- die Stromversorgung in Österreich auch in tel weniger als derzeit. Zukunft gesichert ist. Nach aktuellen Zahlen werden insbe- sondere Gaskraftwerke auf längere Frist Milliarde für den Ökostrom unwirtschaftlich bleiben. Der Ausbau der Die Zustimmung der Menschen zur Erneuerbaren vergrößert insgesamt über Ökostromförderung ist hoch, man wünscht Jahrzehnte die Kosten des Stromsystems; sich mit großer Mehrheit eine Stromversor- 10 · Oesterreichs Energıe. September 2013
Coverstory Oesterreichs Energie: Die Elektrizitätswirtschaft sieht sich derzeit vor großen Umwälzungen und Herausforderungen. Was sehen Sie als wichtigste Faktoren an? Peter Layr: Die Gewährleistung einer sauberen, sicheren und vor allem auch leistbaren Stromversorgung ist eine sehr große Herausforderung. Zentrale Kernthemen sind dabei die Erarbeitung eines neuen Marktdesigns, die künftige Förde- rung erneuerbarer Energien, die Umsetzung der Effizienz- richtlinie sowie der Ordnungsrahmen für den Ausbau der Netze und der Speicher. Alle müssen an einem Strang ziehen! M gung aus erneuerbaren Energien auf Basis inländischer Ressourcen. Mit dem Ausbau Oesterreichs Energie: Österreichs E-Wirtschaft hat die Libe- der Ökostromproduktion wird es aber ver- ralisierung hervorragend bewältigt. Wie gut sind wir auf die stärkt erforderlich, die Kosten transparent neuen Trends vorbereitet? Peter Layr: Österreich kann aus den Erfahrungen der deut- zu machen. 83 Prozent der Befragten sind schen Energiewende viel lernen. Der Umbau des Energiesys- der Ansicht, dass die Kosten der Ökostrom- tems in Richtung erneuerbare Energie ist sinnvoll, machbar förderung nicht mehr steigen dürfen und soll auch fortgesetzt werden, allerdings mit Augenmaß und im richtigen Tempo. (Tabelle 1). Oesterreichs Energie: Wie kann die aktuelle Phase der Unsicherheit In den vergangenen dreieinhalb Jahren am besten bewältigt werden? wurden in Österreich rund 2,2 Mrd. Euro Peter Layr: Es ist wichtig, dass alle Beteiligten – das heißt Energie- versorger, Kunden, der Regulator und natürlich auch die Politik – an für Ökostromförderung von den Strom- einem Strang ziehen! Denn trotz der zahlreichen Unsicherheiten kunden kassiert (Tabelle 2). Mit dieser müssen jetzt die Weichen für die Energiezukunft gestellt werden. Summe wurde Strom im Marktwert von Oesterreichs Energie: Was können die Partner und Kunden der E-Wirtschaft von der Branche erwarten? rund 860 Mio. Euro hergestellt. Die Strom- Peter Layr: Die E-Wirtschaft Österreichs sichert eine der besten kunden mussten also allein in diesem noch Stromversorgungen der Welt und ist bereit, viel Geld in die Neuge- jungen Jahrzehnt 1,3 Mrd. Euro „draufle- staltung des österreichischen Energiesystems zu investieren. Damit soll das hohe Niveau der Versorgungssicherheit auch weiterhin zu gen“. Auch die Arbeiterkammer hat bereits konkurrenzfähigen Preisen gewährleistet erkannt: Ökostrom wird überfördert, denn werden. die Umsatzrendite des größten Windkraft- Oesterreichs Energie: Was sind Ihre wichtigsten Forderungen an die betreibers liege bei dreizehn Prozent, wäh- Politik? rend jene der traditionellen Energieversor- Peter Layr: Ich wünsche mir von der ger im Vergleich dazu bei rund 5,5 Prozent Politik klare und stabile Rahmenbe- dingungen. Es gibt eine ganze Reihe liegt. von Zielkonflikten, die aufgelöst werden müssen. Etwa im Bereich Baustelle Energieeffizienz Wettbewerb versus Umweltschutz. Das passt nicht gut zusammen und führt Als Baustelle präsentiert sich die österrei- zu vermeidbaren Reibungsverlusten. Ich chische Umsetzung der Energieeffizienz- wünsche mir mehr Mut von Österreichs richtlinie, die vor dem Sommer 2013 im Par- Politikern, dem Energiesektor klare und erfüllbare Ziele vorzugeben, die Öster- lament gekippt wurde. Zwar kündigte der reich zu einem attraktiven Energiesprecher der SPÖ Wolfgang Katzian Ort für Menschen und im Rahmen des Trendforums von Oester- Wirtschaft machen! reichs Energie im Juni an, er erwarte, dass man sich nach den Wahlen wieder an der schon vorgestellten Systematik orientie- ren werde, Oesterreichs Energie hofft aber auf praktikable Regeln, die weniger auf bürokratisch aufwändige und marktferne Zwangsmaßnahmen und mehr auf durch- Dipl.-Ing. Dr. Peter Layr, EVN-Vorstandssprecher dachte Anreizprogramme setzen, die wirk- und Präsident von lich alle Sektoren des Energieverbrauchs Oesterreichs Energie gleichermaßen erfassen. Foto: EVN September 2013 Oesterreichs Energıe. · 11
Coverstory Grafik 3: Glauben Sie, dass sich dieses Gesetz auf ihren persönlichen Alltag auswirken wird? Quelle: Gallup 2013 49 Prozent 5 nur geringfügig 33 Prozent 4 eher stark 4% 3 sehr stark 6 Prozent 2 weiß nicht 9 Prozent 1 gar nicht 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 In der Bevölkerung ist das Thema Ener- wobei konkret gefragt wurde, ob sich die- gieeffizienz wenig präsent. In der Gal- ses Gesetz auf den Alltag der Befragten lup-Umfrage von Oesterreichs Energie auswirken würde. Lediglich vier Prozent erklärten im ersten Halbjahr 2013 nur 26 sahen sich „sehr stark betroffen“, ein Drit- Prozent der Befragten schon etwas vom tel „eher stark betroffen“. Kumuliert ergibt Thema „Energieeffizienzgesetz“ gehört sich daraus der Schluss, dass gerade in oder gelesen zu haben (Grafik 2). Eine Effizienzfragen enorme Kommunikations- deutliche Mehrheit fühlte sich davon auch aufgaben auf die Politik und die E-Bran- nur geringfügig bis gar nicht betroffen, chen zukommen (Grafik 3). n Forderungen der E-Wirtschaft 1. Neues Marktdesign schaffen Abgabenquote bei Strom ist damit um mehr als 100 Prozent ■■ Erneuerbare Technologien marktgerecht fördern – angestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg der Energie- und Netz- Konkurrenzfähige Technologien aus dem Förderregime anteil um gerade einmal rund 18 Prozent. Zum Vergleich: Die entlassen Inflationsrate lag bei 34 Prozent. ■■ Ausbaupotenziale dort nutzen, wo sie wirtschaftlich und In kaum einem anderen europäischen Land ist die absolute geografisch sinnvoll sind Steuer- und Abgabenbelastung auf Strom so hoch wie in Öster- ■■ Das Potenzial heimischer Wasserkraft als europäische USP reich. Während bei uns die Steuerbelastung beinahe ein Drittel (Unique Selling Proposition) nutzen und entsprechende Rah- ausmacht, liegt sie in Großbritannien unter fünf Prozent. Ähn menbedingungen setzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben liches gilt bei den Industriestrompreisen in Österreich. Nur in ■■ Die Reform des EU-Emissionshandels vorantreiben, um die Dänemark und Deutschland liegt die Stromsteuer für Indust- Wirtschaftlichkeit CO2-armer Technologien abzusichern riekunden noch höher als hierzulande. ■■ Einen koordinierten Ausbau der Erneuerbaren auf europäi- Für die energieintensive Industrie wird der Energiepreis daher scher Ebene unterstützen immer mehr zu einer entscheidenden Standortfrage. Um im Sinne der Stromkunden weitere Belastungen zu vermeiden, sind 2. Strom muss leistbar bleiben – Abgabenlawine beim folgende Maßnahmen wünschenswert: Strompreis stoppen ■■ Keine weiteren Abgabenerhöhungen auf Strom Steuern und Abgaben sind der wahre Strompreistreiber. ■■ Eine Zweckwidmung der Stromsteuer (Elektrizitätsabgabe, Während im Jahr 1996 noch 2,7 Cent pro kWh auf Steuern und Mehrwertsteuer) für erforderliche prioritäre Energieinfra- Abgaben entfielen, müssen Österreichs Haushaltskunden heute strukturprojekte bereits 5,5 Cent pro kWh Stromsteuer zahlen. Die Steuer- und ■■ Eine gerechte Lastenverteilung für soziale Akzeptanz ➔ 12 · Oesterreichs Energıe. September 2013
Coverstory 3. UVP-Verfahren beschleunigen ■■ Mehrjährige Programmplanung für Forschungs- &Entwick- Der förderbedingte Zuwachs an erneuerbaren volatilen Erzeu- lungs-Projekte etablieren gungskapazitäten, die in das Stromnetz eingespeist werden, ■■ Aufnahme des Wirtschaftsministeriums als Energieministe- hat Folgen: Es fehlt vermehrt an entsprechenden Netzkapazitä- rium in das Präsidium des Klima- und Energiefonds ten. Der Ausbau der Netzinfrastruktur ist daher unumgänglich. Um eine fristgerechte Umsetzung anstehender prioritärer Pro- 6. Regulierungssystem investitions- und jekte zu ermöglichen, sind die dazu notwendigen Umweltver- innovationsfreundlich gestalten träglichkeitsprüfungen (UVP-Verfahren) kompakt zu gestalten. Nach der Liberalisierung des österreichischen Strommarktes Gebraucht werden: ist es zu einem erkennbaren Rückgang der Investitionstätig- ■■ Ein nationaler Schulterschluss für effiziente Genehmigungs- keit gekommen. Eine maßgebliche Rolle dafür dürfte das neue verfahren regulatorische Umfeld gespielt haben, das gerade zu Beginn ■■ Maßnahmen zur Beschleunigung der Genehmigungsver- der Liberalisierung Planungsunsicherheiten und massive fahren für definierte prioritäre Projekte und Vorhaben im Rückgänge der Netztarife mit sich brachte. Künftig sind aber Energiebereich wieder massive Investitionen in unsere Energieinfrastruktur ■■ Eine verfahrenstechnische Gleichstellung prioritärer Netz- notwendig. projekte mit Projekten der Verkehrsinfrastruktur Um den Netzausbau voranzutreiben, benötigt man ein investi- ■■ Eine einheitliche Interpretation von Verfahrensregeln in der tions- und innovationsfreundliches Regulierungssystem, das UVP-Praxis mit einem entsprechenden Anreizsystem untermauert ist. Um die nächsten Planungsschritte setzen zu können, bedarf es 4. Energieeffizienz steigern einer entsprechenden Planungs- und Rechtssicherheit. Der Ausstieg aus fossilen Energien kann nicht durch einen Daher schlägt Österreichs E-Wirtschaft folgende Maßnahmen „Umstieg“ auf erneuerbare Energieträger allein bewältigt wer- vor: den. Es ist auch eine dauerhafte Senkung des Energiebedarfs ■■ Klare und langfristig geltende rechtliche Vorgaben für eine um rund 50 Prozent notwendig. Daher setzt die Branche bereits stabile Finanzierungsbasis heute Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, die ■■ Marktgerechte Finanzierungsbedingungen für prioritäre europaweit vorbildlich sind. Projekte schaffen Neben Effizienzverbesserungen bei der Erzeugung von Strom ■■ Regulierungsmechanismen für Investitionssicherheit zielge- und der ständigen Modernisierung der Netze gehören auch richtet anpassen umfangreiche Projekte auf Kundenseite dazu. Diese Maßnah- ■■ Eigenen Investitionsfaktor für zukunftsweisende Technolo- men der E-Wirtschaft sind speziell dazu geeignet, gerade gien implementieren die Energiekosten für sozial Schwache zu reduzieren. Statt 7. Internationale Strommärkte stärken und absichern periodisch Kosten zu ersetzen, käme es zu einer nachhaltigen Die Rolle der europäischen Strommärkte wird mit dem Umbau Verringerung der Ausgaben. der Stromversorgung in Richtung Nachhaltigkeit bedeutsamer. Klar ist freilich auch: Verursachergerechte Effizienzsteigerun- Strommärkte geben die entscheidenden Preissignale für den gen sind ohne die Einbeziehung anderer Sektoren, wie etwa des gesamten Sektor. Wichtige Teilmärkte für Regelenergie, Spot- Verkehrs, undenkbar. markt, Intraday- und Day-ahead-Markt sind unverzichtbare Aus Sicht von Österreichs E-Wirtschaft bedarf es daher folgen- Faktoren für eine sichere und leistbare Stromversorgung der der Maßnahmen: Zukunft. Damit das so bleibt, sind folgende Schritte notwendig: ■■ Ausarbeitung einer umfassenden österreichischen Energie- ■■ Integrierte europäische Strommärkte vor einer Zersplitte- effizienzstrategie rung bewahren ■■ Energieeffizienzprojekte und Energieberatungen forcieren, ■■ Aufrechterhaltung von staatenübergreifenden gemeinsamen um eine nachhaltige Verringerung der Kosten gerade für Preiszonen als entscheidendem Indikator für einen funktio- sozial Schwache zu erreichen nierenden europäischen Binnenmarkt ■■ Gewährleistung von Rechtssicherheit und Planbarkeit von ■■ Länderübergreifende energiepolitische Initiativen weiter Maßnahmen ausbauen und forcieren ■■ Klare Zielhöhen, transparente Berechnungen der Einspar- ziele und praktikable Ausgestaltung von Energieeffizienzvor- 8. Realistische Zielvorgaben gaben Eine Lehre für die Energiepolitik aus den vergangenen Jahren liegt auf der Hand: Es braucht Realismus bei der Umsetzung 5. Energieforschung forcieren ambitionierter Ziele. Zuletzt setzte in Deutschland nach der Die Energieversorgung ist ein zentrales Zukunftsthema. In den Formulierung hochtrabender, aber illusorischer Zeitpläne kommenden Jahren müssen daher innovative Technologien und Ernüchterung ein. Services forciert werden. Wir benötigen neue Lösungen für alle Dass der Umbau des Energiesystems auf dem Ausbau von Bereiche der Energieversorgung und der Energieanwendung. erneuerbaren Quellen bei gleichzeitiger Reduktion von CO2- Erste Technologien existieren bereits: Power to Gas, Smart Emissionen beruht, steht dabei außer Streit. Am Weg dorthin Grids, Smart Services, die Brennstoffzellentechnologie und braucht es aber auch politischen Flankenschutz auf mehreren viele mehr. Aber: Auch wenn der Anteil der Energieforschungs- Ebenen. Vonseiten der Europäischen Union hat man sich für ausgaben zuletzt auf rund 0,04 Prozent des BIP angewachsen 2050 sehr ambitionierte Ziele gesteckt. Diese werden bald sind, gilt es diesen Anteil in den nächsten Jahren massiv zu durch Zwischenziele bis 2030 und ein konkretes Maßnahmen- steigern. bündel ergänzt. Die Zwischenziele bis 2030 werden auch in Nur so wird Österreich international zu einem „Frontrunner“ Österreich zu formulieren sein. Dabei sollte man sich an folgen- im Bereich der Energieforschung. Durch eine Anhebung des den Rahmen halten: Anteils der Energieforschung auf rund 0,08 Prozent am BIP ■■ Definierte und realistische Konzepte unter Beachtung der würde Österreich neben Ungarn und Finnland international zu vorhandenen Potenziale den drei führenden Nationen in der Energieforschung zählen. ■■ Eine koordinierte Umsetzung mit fixen Zeitplänen und defi- Folgende Ziele sind erstrebenswert: nierten Zielen ■■ Anhebung der Mittel für nichtnukleare Energieforschung ■■ Eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für auf zumindest 200 Mio. Euro jährlich binnen fünf Jahren alle zur Verfügung stehenden Systeme ■■ Forcierung einer zukunftsorientierten Technologie-, Innova- ■■ Jährliche Evaluierung der Ziele und der Maßnahmenwirkun- tions- und Investitionsstrategie der EU im Energiebereich gen September 2013 Oesterreichs Energıe. · 13
Politik Deutsche Kanzler gegen rechnen, betonte dena-Geschäftsführer Stephan Kohler. Verbraucher EU-Atomsubventionen Zur Zeit beträgt die Umlage 5,28 Cent je sind für die kWh, rund ein Fünftel der Stromrechnung eines Drei-Personen-Haushalts. Grund für Energiewende den befürchteten Preissprung sei der Bau Über 80 Prozent der neuer Solar- und Windkraftanlagen. Jähr- deutschen Verbraucher lich kämen so rund 9000 MW Ökostrom- unterstützten die Ziele der leistung hinzu, die mit der Umlage finan- Foto: Academu Energiewende, erklärte Gerd Billen, Chef des Ver- ziert werden muss, erklärte Kohler. braucherzentrale Bundes- Auch EU-Energie-Kommissar Günther verbands. Kritisiert wer- den hingegen die Kosten. Oettinger hat die Politik in Deutschland Steigende Preise hätten aufgefordert, den weiteren Anstieg der mehr als 50 Prozent der Bundeskanzler Werner Faymann will Strompreise zu verhindern. Deshalb müsse Befragten in einer von „alle rechtlichen Möglichkeiten“ gegen das EEG, welches für Oettinger seit einiger den Verbraucherzentralen beauftragten Studie als eine mögliche EU-Unterstützung für die Zeit zu immer mehr Fehlanreizen führe, Hauptnachteil der Ener- staatliche Förderung der Atomenergie dringend reformiert werden, betonte der giewende genannt. ausschöpfen. Er stellte eine Klage vor dem EU-Kommissar. Für mehr als zwei Drittel der Studienteilnehmer Europäischen Gerichtshof in den Raum, überwiegen aber dennoch um eine von Wettbewerbskommissar die Vorteile des Projekts. Joaquin Almunia geplante Änderung der Als Vorteil werde lang- EU-Förderrichtlinien zu verhindern. Fotovoltaik-Förderung fristig mehr Klima- und Umweltschutz sowie mehr Medien berichteten über den Entwurf der für 24.000 neue Anlagen Sicherheit durch den EU-Kommission für eine neue Beihilfe- Seitdem im April 2013 die Fotovoltaik-För- Verzicht auf Atomkraft richtlinie, die den Ausbau der Nuklear- derung in Österreich neu gestartet wurde, gesehen. energie als Ziel der Europäischen Union konnten bereits 5000 Fotovoltaik-Anlagen bezeichnen soll. Die EU-Kommission stritt installiert werden. Mit einem Förderbudget Geringere eine solche Absicht ab, allerdings hieß von 36 Mio. Euro können insgesamt rund Netzentgelt- es, man wolle prüfen, ob einzelne Staa- ten künftig Förderungen für den Bau und Rabatte Betrieb von AKW nutzen könnten. Die deutsche Bundesre- gierung hat eine Redu- zierung von Netzentgelt- Rabatten für die Industrie Deutschlands beschlossen. Merkel kündigt Die EU-Kommission hatte EEG-Reform an Foto: AEG zuvor entsprechend Druck gemacht. Während Angesichts drohender Erhöhungen beim bisher rund 200 besonders Strompreis hält die deutsche Bundes- energieintensive Betriebe kanzlerin Angela Merkel eine Reform des komplett von Netzentgel- Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 24.000 neue Fotovoltaik-Anlagen realisiert ten befreit waren, müssen sie nun mindestens zehn unmittelbar nach der Bundestagswahl für werden, erklärte Umweltminister Niki Ber- Prozent der allgemeinen dringend notwendig. Auch die Deutsche lakovich. „Wir sind auf dem richtigen Weg. Kosten für den Transport Energie-Agentur (dena) fordert eine rasche Mit der Förderung von 24.000 Anlagen in von Strom bezahlen – vor- ausgesetzt, sie verbrau- Reform des EEG. Sonst müssten Verbrau- diesem Jahr beschleunigen wir die Ener- chen pro Jahr zehn GWh cher mit einem deutlichen Anstieg der giewende und sorgen gleichzeitig für Green Strom und nehmen über Ökostrom-Umlage um 1,5 Cent pro Jahr Jobs. Die Fotovoltaik-Förderung schafft 8000 h Strom ab. Werden nur über 7000 h und sichert – von der Planung bis zur Strom abgenommen, sind Installation – Wertschöpfung und Arbeits- 20 Prozent der üblichen plätze in Österreich“, betonte der Minister. Netzentgelte zu zahlen. Das Oberlandesgericht Gefördert werden 300 Euro/KWpeak bis Düsseldorf hatte die von maximal fünf kWpeak für freistehende Foto: Ruben Demus Union und FDP beschlos- oder Aufdachanlagen und 400 Euro sene Komplettbefreiung kWpeak bis maximal fünf kWpeak für gekippt, die EU-Kommis- sion sah zudem wettbe- gebäudeintegrierte Fotovoltaikanlagen. werbsrechtliche Probleme. Zurzeit stehen noch über 25 Mio. Euro bereit. 14 · Oesterreichs Energıe. September 2013
E s gibt mittlerweile für alle Lebens- Es gibt nämlich keine Finanzdienstleistun- lagen Modetrends: Nicht nur für gen ohne die Herstellung von Sachgütern die herbstliche Damen- und Herren oder das Angebot von Dienstleistungen mode, sondern auch für die innovative in den verschiedenen Wirtschaftsberei- Gastronomie oder das Design von Play- chen. Volkseinkommen entsteht zu einem Stations. Deshalb dürfen die zahllosen überwiegenden Teil in diesen exponierten, Veranstalter von Symposien, Podiumsdis- dem harten internationalen Wettbewerb kussionen, Expertenforen und Fachtagun- unterliegenden Sektoren. gen nicht nachstehen. Obwohl die meisten Klassische Retailbanken sammeln jeweils Dkfm. Milan Frühbauer, in einem beinharten Verdrängungswettbe- einen Teil dieses Einkommens (Sparquote) langjähriger Chefredakteur der Wochenzeitschrift „industrie“, werb um die knappe Zeit eines eng defi- als Primärmittel ein und veranlagen diese Journalist und Universitätslektor nierten Kreises der Teilnehmer buhlen, ist in Form von Krediten an Unternehmen für Öffentlichkeitsarbeit von einem thematischen Alleinstellungs- und Private. Und auch bei diesen Kredit- merkmal kaum etwas zu merken. nehmern dominieren mit Abstand jene, Seit rund einem halben Jahr nämlich zieht die Waren oder Dienstleistungen anbieten sich ein Lieblingsthema diverser Veran- bzw. als Konsumenten handfeste Sachgüter stalter durch das einschlägige Angebot. – von langlebigen Konsumgütern bis zur Wer derzeit in Wirtschafts- und Gesell- Immobilie – erwerben. Real gegen Finanz – eine Chimäre schaftspolitik etwas auf sich hält und als Aktienmärkte sind Handelsplätze für die fortschrittlicher Geist gelten will, der kann Beteiligungen an überwiegend handfesten an diesem Thema nicht vorbei: Sachwirt- Unternehmen der Sachgüterherstellung. schaft contra Finanzwirtschaft! Will man Pfandbriefe sind mit Grundstücken zukunftsorientiert intellektuell noch ein besichert, die Bauspar-Milliarden fließen Schäuferl nachlegen, dann fügt man prak- in den Wohnbau, und die Gelder aus der tischerweise den fingerweisenden Unter- – horribile dictu – abreifenden Lebensver- titel hinzu: Steht die Realwirtschaft vor sicherung sind überwiegend zur Aufbes- einer Renaissance? serung der ASVG-Pensionseinkommen im Gut zwei Dutzend Diskussionen haben Ruhestand bestimmt. in Österreich zu dieser Frage in diesem Man kann es drehen, und wenden wie man Jahr in den unterschiedlichen Zusammen- will: Sachwirtschaft und Finanzdienstleis- setzungen schon stattgefunden. Natür- tung bedingen einander. Sie sind integ- lich endet das Ganze – so fordert es der rierter Bestandteil jedes ökonomischen amtierende Zeitgeist – meist mit einer Systems, das nicht auf dem Niveau der beschwörenden „Besinnung auf die Werte“ Tauschwirtschaft verharrt. Die Banken und der Sachwirtschaft und mündet folgerich- Versicherungen sind selbstverständlich tig in eine entsprechende Abrechnung mit ebenso unverzichtbarer Bestandteil einer der „Gier und der gesamtgesellschaftlichen prosperierenden Volkswirtschaft wie Lei- Nichtsnutzigkeit“ der Finanzwirtschaft, terplattenhersteller, Maschinenbauer oder vornehmlich der Banker. Hotelketten. Das Land diskutiert mit wachsender Inten- Es wird also ein künstlicher Gegensatz, der sität somit munter eine Frage, die keine keiner ist, ständig als Diskussionsthema ist. Mehr noch, die jeweils gewählte und angeboten. polarisierend gemeinte, konkrete Frage- Frei nach Nestroy: Das ist wohl nur stellung ist blanker ökonomischer Unsinn. Chimäre, aber die Veranstalter unterhalt’s. September 2013 Oesterreichs Energıe. · 15
Politik Europa-Premiere Ab Anfang Oktober werden die Gasmarktgebiete Tirol und Vorarlberg mit dem deutschen Marktgebiet NetConnect Germany zur ersten grenzübergreifenden Gashandelszone Europas verbunden. D er 1. Oktober ist der Stichtag für die Deutschland aus Kunden in Tirol bzw. Vor- erste, über Grenzen gehende, Gas- arlberg beliefern möchte, richtet im NCG handelszone in der EU. Sie umfasst Marktgebiet einen Bilanzkreis ein und etab- die westösterreichischen Gasmarktgebiete liert eine diesem zugeordnete Bilanzgruppe Tirol und Vorarlberg sowie das deutsche in den beiden österreichischen Marktge- Marktgebiet NetConnect Germany (NCG). bieten. Kauft er nun Erdgas am NCG ein, Innerhalb dieser Zone können Versorger steht ihm dieses auch in Tirol und Vorarl- ihre Kunden mit Erdgas beliefern, ohne sich berg zur Verfügung. Den Transport wickelt um allfällige Engpässe auf den grenzüber- die AGGM ab, welche die benötigten Lei- schreitenden Leitungen kümmern zu müs- tungskapazitäten („Exit-Kapazitäten“) bei sen. den Fernleitungsbetreibern im Marktgebiet Möglich wird das durch das Gasmarktmo- NCG bucht. dell Cosima (Cross Border Operating Stron- Da sie als Verteilergebietsmanager (VGM) in gly Integrated Market Area), das die AGGM ganz Österreich tätig ist und als solcher die Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) Verteilernetze steuert, ist sie in der Lage, gemeinsam mit den betroffenen Netzbetrei- sicherzustellen, dass jedem Kunden das bern, den Erdgasunternehmen sowie den von ihm bestellte Erdgas geliefert werden Regulierungsbehörden, der E-Control (ECA) kann. AGGM-Vorstandsdirektor Erich Jura- sowie der deutschen Bundesnetzagentur nek erläutert: „Die Lieferanten und Versor- (BNetzA) entwickelt haben. ger haben gleichsam barrierefrei Zugang Im Wesentlichen funktioniert das neue zum NCG. Sie können damit die von ihren Modell so: Ein Gasversorger, der von Kunden benötigten Gasmengen direkt bei 16 · Oesterreichs Energıe. September 2013
Politik für „Cosima“ Foto: Open-Grid-Europe den dort tätigen Händlern beschaffen. Die Exit-Kapazität buchen, um das von ihnen zur Belieferung der Kunden erforderlichen benötigte Gas in das Marktgebiet einfüh- Kapazitäten auf den Gasleitungen stellen ren bzw. es wieder aus diesem ausführen wir bereit.“ In Tirol und Vorarlberg werden zu können. pro Jahr etwa 500 Mio. m3 Erdgas benötigt. Im Marktgebiet Ostösterreich (also dem Laut Juranek sind das „relativ kleine Men- gesamten Bundesgebiet mit Ausnahme gen“, verglichen mit dem gesamtösterrei- Tirols und Vorarlbergs) betreibt die Cen- Info chischen Gasbedarf von rund acht Mrd. m3. tral European Gas Hub AG (CEGH) den Die NetConnect Germany virtuellen Handelspunkt. Tirol und Vorarl- GmbH (NCG) wurde mit Neues Gasmarktmodell berg sind nicht mit dem Gasnetz im übri- 1. Oktober 2008 von zwei Der Grund für die Einrichtung der Cosima gen Österreich verbunden. Schon bisher deutschen Gasnetzbetreibern, ist: Mit der geplanten Vollendung des Ener- erfolgte ihre Erdgasversorgung daher über der bayernets und der E.ON- Tochter Open Grid Europe, giebinnenmarktes – Stichwort 3. Binnen- Deutschland. Mit Cosima wird dies nun in gegründet. Mittlerweile sind marktpaket der EU – wurde ein neues Sys- das neue Gasmarktmodell überführt. auch die Netzbetreiber Fluxys tem für den Gasmarkt geschaffen, das so Wenn sich die Cosima, wie allgemein erwar- TENP, GRTgaz Deutschland, genannte Entry-Exit-Modell. Grob gespro- tet, bewährt, könnte das Modell im Ver- Terranets bw und Thys- chen, werden dabei die bisherigen „Regel teilergebiet auf ganz Österreich ausgewei- sengas GmbH beteiligt. Die NCG betreibt den Virtuel- zonen“ in „Marktgebiete“ umgewandelt. tet werden. Dies wäre relativ einfach, weil len Handelspunkt (VHP) im In jedem Marktgebiet wird ein virtueller die AGGM in allen drei österreichischen Marktgebiet NCG, das von Handelspunkt (VHP) eingerichtet, über Marktgebieten als Verteilergebietsmanager der deutschen Nordseeküste den der gesamte Gashandel inklusive der tätig ist. bis zu den Alpen reicht und Beschaffung der Regel- und Ausgleichs- Laut Franz Keuschnig, dem Vorstand der Hochdruckleitungen von rund 20.000 km Länge sowie energie erfolgt. Anders als bisher brauchen A&B, dem Bilanzgruppenkoordinator in über 500 regionale Gasnetze sich die Marktteilnehmer damit nicht mehr Tirol und Vorarlberg, sind die organisato- umfasst. Zurzeit sind im um den Gastransport innerhalb des Markt- rischen Umstellungen in Hinblick auf das Marktgebiet über 300 Erdgas- gebiets zu kümmern. Sie müssen ledig- neue Gasmarktmodell und die Umsetzung unternehmen registriert. lich an diesem Handelspunkt Entry- und der Gasmarktmodell-Verordnung weitge- September 2013 Oesterreichs Energıe. · 17
Politik hend abgeschlossen. Die Neuregistrierung lischer Ausgleichsenergie preislich zufrie- der Bilanzgruppen ist im Gange. Bestehende denstellend ist. Aus Sicht von Keuschnig Bilanzgruppen werden weiterhin tätig sein, ist es wesentlich, dass auch über die MOL indem sie die neuen Allgemeinen Bedingun- physikalische Ausgleichsenergiemengen gen der AGGM und der A&B akzeptieren bereitgestellt werden, insb in Hinblick auf und dementsprechende Verträge mit den Krisenzeiten (Kälteperioden, Einkürzungen, beiden Unternehmen schließen. technische Probleme und dergleichen). Aus Händlerkreisen ist allerdings zu erfah- Ausgleich über die EEX ren, dass es schwerlich Anbieter für die Im neuen Marktmodell gibt es bei der Aus- Merit-Order-Liste geben dürfte. Dies bestä- gleichsenergie-Abrechnung einen Mix aus tigt Keuschnig, da sich auch im Marktgebiet Tages- und Stundenbilanzierung, wobei nur Ost nach der Marktumstellung keine Anbie- der buchhalterische Saldo der Ausgleichs- ter mehr für die MOL gefunden haben. energie-Mengen der beiden Marktgebiete zur Abrechnung gelangt. Neu strukturiert Positive Prognosen wird darüber hinaus die Beschaffung der Positiv beurteilt wird die Cosima von Horst physikalischenAusgleichsenergie über die Gruber, dem Geschäftsführer der ETA Gasbörse EEX. Sie erfolgt künftig seitens Energy GmbH, die Großkunden sowie Wei- der AGGM im Namen und auf Rechnung der terverteiler in Österreich berät. Das Modell A&B am Net Connect Germany. Die Men- sei sehr einfach und damit nicht zuletzt gen werden vom Marktgebiet des NCG in auch für neue Anbieter gut geeignet. die Marktgebiete im Westen gebracht. Der Tirol und Vorarlberg ohne Kapazitätseng- Mengenfluss ist ähnlich dem bisherigen pass an den liquiden NCG-Markt anzukop- Mengenfluss, der Unterschied besteht im peln, ist ihm zufolge sowohl für die Kunden Grunde lediglich in der Organisation der als auch für die Versorger vorteilhaft. Denn Abwicklung. Nur, wenn an der Gasbörse der NCG biete einen vom Ölpreis unabhän- EEX keine ausreichenden Mengen verfüg- gigen, in ganz Zentraleuropa akzeptier- bar sind, kann auf die Merit-Order-Liste ten Referenzpreis. Wie an jeder Gasbörse zurückgegriffen werden. Angesprochen stünden unterschiedliche standardisierte auf das Risiko der Börseabwicklung meint Produkte zur Verfügung, aus denen sich Keuschnig, dass die Liquiditätssituation am das jeweils optimale wählen lasse. Darüber NCG ausreichend ist und auch der Spread hinaus könnten die Versorger die Portfo- zwischen Kauf- und Verkauf von physika- lios von Großkunden gezielt managen. Auch 18 · Oesterreichs Energıe. September 2013
Politik Foto: Wingas Einkaufsgemeinschaften sowie Strategien besseren Services führen. Davon würden zur gebündelten Gasbeschaffung für meh- letzten Endes alle Kunden profitieren, egal, rere Kunden sind laut Gruber denkbar. ob sie ihren Versorger nun wechseln oder Als potenzielles Hemmnis für den Eintritt nicht. Wie sich der Wettbewerb in Tirol neuer Anbieter betrachtet er allerdings die und Vorarlberg längerfristig entwickle, geringe Größe des Marktes von nur rund bleibe abzuwarten. Drittlieferanten ver- 500 Mio. m3 pro Jahr: „Wenn ein neuer fügten zumindest bei ihrem Einstieg nur Versorger gut ist, kann er vielleicht einen über einen geringen Anteil an einem ohne- Marktanteil von zehn Prozent erreichen. hin kleinen Markt. Lasse sich dieser Anteil Das wären 50 Mio. m3 pro Jahr. Ob das nicht in absehbarer Zeit auf den Aufwand für den Markteintritt wert ein attraktives Niveau ist, wird sich jeder gut überlegen.“ Hinzu steigern, „verliert man Wir begrüßen den komme, dass die „traditionellen“ Versorger irgendwann einmal das direkten Zugang zu den in Tirol und Vorarlberg ihr Gas bereits jetzt Interesse.“ am NCG einkaufen und dies natürlich auch Aus Grubers Sicht wäre Marktgebieten Tirol und künftig tun werden. es daher sinnvoll, das Vorarlberg. Von der Beschaffung her habe ein Alterna- Modell Cosima auf ganz EnergieAllianz Austria tivlieferant daher schwerlich einen Wett- Österreich und damit auf bewerbsvorteil. Auch hätten die „Incum- einen Markt mit seinem bents“ ihre Preise bisher stets denen neuer Gesamtvolumen von rund 8,5 Mrd. m3 aus- Konkurrenten angepasst. Überdies habe zuweiten – was eine logische Konsequenz sich bei Kundenumfragen, die sein Unter- einer zukünftig ohnehin stattfindenden nehmen durchführte, speziell in Tirol eine Konsolidierung der unterschiedlichen „starke Verbundenheit“ mit der dort ver- Hubs sein wird. wurzelten Erdgas-Tochter der Tiwag, der Tigas, gezeigt, berichtet Gruber: „Verein- Mehr Marktintegration zelt haben uns Vertreter mittelständischer Auch laut Manuel Giselbrecht von der Iner- Unternehmen gesagt, dass es ist schon in comp GmbH, einem unabhängigen Dienst- Ordnung sei, wenn es nur einen Versor- leistungsunternehmen mit dem Schwer- ger gibt.“ Um solche Kunden zu gewinnen, punkt Energiehandel, welches vor allem sei erhebliche Überzeugungsarbeit nötig. Großkunden bei der Energiebeschaffung Freilich könne schon allein das Auftreten unterstützt, „ist das Modell ein logischer neuer Anbieter zu Preisreduktionen und Schritt zu mehr Marktintegration.“ Hilf- September 2013 Oesterreichs Energıe. · 19
Politik Foto: Wingas reich sei für die Versorger, sich um den Zudem kennt die Tigas das Cosima-Modell Gastransport vom NCG nach Tirol bzw. Vor- bestens. Die notwendigen IT-technischen arlberg nicht mehr kümmern zu müssen, Umstellungen werden derzeit implemen- weil diesen die AGGM sicherstelle. tiert und rechtzeitig zum Start des neuen So werde der Portfolioeffekt bei der Kapa- Gasmarktmodells abgeschlossen. zitätsbuchung vollständig genutzt und Gut gerüstet sehen sich auch die illwerke- komme dadurch allen Verbrauchern in vkw, berichtet Quido Salzmann, der für gleichem Maße zu Gute. Hinsichtlich der Handel und Vertrieb zuständig ist. Per Bewirtschaftung des Terminmarktes biete 1. Mai wurde die vormalige Vorarlberger das neue Marktmodell den Vorteil, „dass das Erdgas GmbH (VEG) in die VKW integriert. Preissignal des liquiden virtuellen Handels- Ihre Produkte werden nun unter der Marke punktes NCG unmittelbar wirkt.“ Im Markt- „VKW Erdgas“ angeboten, auch neue Pro- gebiet Ostösterreich sei dies bis auf Weite- dukte sind in Entwicklung. Laut Salzmann res nicht der Fall. Wegen dessen geringer war die VEG-Integration bereits seit Län- Größe erwartet allerdings auch Giselbrecht gerem vorgesehen, um die Synergien zwi- nicht, dass große deutsche Energieunter- schen dem Erdgas- und dem Stromgeschäft nehmen ab 1. Oktober „besonders aggressiv konzernintern nutzen zu können und dem- in den Markt drängen“. Dennoch werde sich entsprechend den Kunden noch besseren der Wettbewerb vermutlich verschärfen. Service bieten zu können. Beispielsweise ergebe es für Anbieter, die „Natürlich gab es auch einen Konnex zur schon jetzt im Marktgebiet NCG Bündelkun- Cosima. Wir wollten mit der Integration den versorgen, Sinn, auch deren Standorte vor dem 1. Oktober fertig sein, und das ist in Tirol und Vorarlberg zu beliefern. Die dor- uns auch gelungen“, konstatiert Salzmann. tigen „Incumbents“ würden sich zweifellos Sowohl Industrie- und Gewerbekunden auf derartige Szenarien einstellen: „Es ist als auch Haushaltskunden hätten nun für damit zu rechnen, dass sie die Preise senken Strom und Erdgas einen einzigen Ansprech- und vermehrt auch Dienstleistungen anbie- partner. Bei den Großkunden sei das der ten speziell für Industriekunden.“ gewohnte Key-Account-Manager, die Klein- Die Tigas gibt sich angesichts der kom- kunden würden über ein einziges Call-Cen- menden Änderungen durch das Cosima- ter bedient. Modell jedenfalls entspannt. Richard Mas- Auch das Online-Kundenportal wurde ent- tenbroek, Technischer Geschäftsführer sprechend umgestaltet: Kunden haben nun des Unternehmens, formuliert: „Der Wett- über ein Login Zugriff auf ihre Strom- wie bewerb bei den Großkunden ist ohnehin auch Erdgasdaten. Noch vor dem Sommer seit Jahren sehr intensiv. Bei den Haus- hat die VKW eine Preissenkung für die Erd- haltskunden erwarten wir keine großen gaskunden angekündigt, die per 1. Oktober Veränderungen, da die Tigas im Vergleich wirksam wird und einem durchschnitt der österreichischen Landesversorger lichen Haushaltskunden eine Ersparnis von den niedrigsten Energiepreis anbietet.“ 35 Euro pro Jahr bringt. n 20 · Oesterreichs Energıe. September 2013
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