Alles neu macht ... Corona - GoingPublic.de
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02 hv-magazin.de 14,– EUR 2020 Alles neu macht ... Corona Virtuelle HV schreibt Kapitalmarktgeschichte ERSTE PRAXISERFAHRUNGEN COVID-19-NOTGESETZGEBUNG MEHR ALS EIN KONTROLLEUR Hauptversammlungen im Aktionärsrechte Der Aufsichtsrat als Zeichen der Digitalisierung im Blick behalten Sparringspartner
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03 EDITORIAL Zurück in die Zukunft SVENJA LIEBIG, Redaktionsleitung Kapitalmarktmedien liebig@goingpublic.de Liebe Leserinnen und Leser, „It was the best of times, it was the worst of times ...“ – so beginnt Das heimische Wohnzimmer wird für Aktionäre also zum neuen das literarische Meisterwerk „A Tale of Two Cities“ von Charles Eventraum – vor einigen Monaten wäre dieses Szenario noch einer Dickens. Und genau so fühlt sich die derzeitige Situation bedingt Fiktion gleichgekommen. Wir widmen uns in dieser Ausgabe des- durch die Coronapandemie sicherlich für viele an: Auf der einen halb vermehrt diesem Thema; dabei versuchen wir, eine gesunde Seite existieren zahlreiche Unternehmen, die in den letzten Mona- Mischung zwischen ersten Praxiserfahrungen, regulatorischen ten massiv an Wert einbüßten – so z.B. die Lufthansa, deren Insol- Hürden sowie denkbaren Zukunftsaussichten der virtuellen HV zu venz gerade noch abgewendet werden konnte und die nun jüngst beleuchten. aus dem DAX abhob. Hinzu kommen unzählige Kleinbetriebe, die vor einem möglichen Konkurs stehen, sowie eingetrübte Konjunk- Bei allen Vor- und Nachteilen, die diese neuen digitalen Möglichkei- turaussichten für die nächsten Monate. ten mit sich bringen, sollte man diese durchaus schwierige Phase zumindest als Chance betrachten und den neuen Entwicklungen Auf der anderen Seite hat man wiederum Aktienkurse, die gerade aufgeschlossen gegenüberstehen – auch wenn sie vielleicht am in die Höhe schießen: Der DAX hat allein in den vergangenen vier Anfang noch nicht reibungslos funktionieren. In diesem Sinne: Wochen mehr als 18% zugelegt und steht wieder knapp vor Errei- raus aus der Komfortzone und rein in neue Abenteuer. chen der 13.000er-Marke. Neben den vielen Leidtragenden gibt es also auch zahlreiche Unternehmen, die der Krise trotzen und gerade Bleiben Sie gesund und herzliche Grüße! jetzt Hochkonjunktur haben: z.B. Softwareunternehmen, Video- konferenzanbieter etc. pp. Zudem wurde in Sachen Digitalisierung gerade gefühlt die Uhr schlagartig nach vorne gedreht: Arbeiten von zu Hause aus ist plötzlich in Unternehmen möglich, bei denen es zuvor undenkbar schien. Homeschooling war vor Corona ein ab- strakter Begriff, den man eher aus anderen Ländern kannte – doch inzwischen gehört es bei vielen Familien fest zum Alltag. Und für die Finanzcommunity ergibt sich mit der COVID-19-Notfallgesetz- gebung wohl die gravierendste Änderung, die nun auch virtuelle Hauptversammlungen temporär für zulässig erklärt. Svenja Liebig HV MAGAZIN 02/2020
04 INHALT INHALT DR. AXEL CLAUDIA DR. OLIVER HOPPE SCHNECKEN- VÖLKEL Fieldfisher BURGER Stadler Völkel Link Marktet Rechtsanwälte Services Das rasche Handeln des Gesetzgebers Das „Social Distancing“ trifft uns nicht Virtuelle Währungen sind mittlerweile zur virtuellen HV ist zu begrüßen. Auf- nur im privaten und beruflichen Alltag, am Kapitalmarkt angekommen. Doch grund der Eile sind jedoch Lücken und sondern auch bei Aktionärsversamm- auch die Blockchain-Technologie selbst Ungenauigkeiten entstanden, die es aus- lungen. Ein erstes Fazit zur virtuellen ist im Begriff, den Finanzmarkt zu ver- zufüllen gilt. Seiten 18–19 HV. Seiten 20–21 ändern. Seiten 32–33 03 Editorial 20 Social Distancing Austria Corner 06 Daten & Fakten bei Aktionärstreffen 07 HV-Max – Die Kolumne Die virtuelle Hauptversammlung 32 Die Blockchain-Technologie Home alone in der Praxis in Österreich Claudia Schneckenburger, Innovation für den Kapitalmarkt? Titelthema Link Market Services Dr. Oliver Völkel, Stadler Völkel Rechtsanwälte 08 Alles neu macht ... Corona 24 Missachtung der Rechte bislang nicht festzustellen Legal 10 2021: Ein letztes Mal Interview für die Präsenz-HV? Dr. Alexander Thomas, 34 Begründung von Virtuelle HV mit vielen Vorteilen Pinsent Masons Germany Entsendungsrechten Torsten Fues, Urteil des LG München I v. 19.12.2019 Better Orange IR & HV 26 Ein Zukunftsmodell? (5 HK O 12082/18 = ZIP 2020, 915) Virtuelle HV betritt Neuland 14 Erste Erfahrungen mit der Christof Schwab, Ingo Wolfarth, Prof. Matthias Schüppen, virtuellen Hauptversammlung Computershare Graf Kanitz, Schüppen & Partner Ein Praxisbericht Klaus Schmidt, HV-Praxis 36 Aktuelle HV-Urteile ADEUS Aktienregister-Service Kommentiert von Dr. Thomas Zwissler, 28 Harmonisches Europa? ZIRNGIBL Rechtsanwälte Partnerschaft 18 Was ist denn nun mit ARUG II Aktionärsanträgen? Virtuelle HV nach der Sabine Wolff, HV-Splitter Clearstream COVID-19-Pandemiegesetzgebung Dr. Axel Hoppe, 38 Ausgewählte Hauptversammlungen 30 Vom Kontrolleur zum Rückblick, Ausblick, Fieldfisher LLP strategischen Sparringspartner Tipps & Spezialitäten Was die Coronakrise für Mit unserer Eventreihe „HV DIALOG“ bieten wir 4x den Aufsichtsrat bedeutet 39 HV-Kalender jährlich eine persönliche Diskussionsplattform. Dr. Klaus Weigel, Da dieses Jahr aus bekannten Gründen alles anders 39 Impressum Board Xperts ist, findet „HV DIALOG“ erstmalig als Webinar statt, gemeinsam mit unserem technischen Partner EQS. Wir laden Sie herzlich am 16. Juni ab 16 Uhr dazu ein. Liebe Leser, dieses Symbol weist Das komplette Heft ist Anmeldung: Sie auf zusätzlichen Inhalt im als E-Magazin online abrufbar: https://goingpublic-events.de/hv-dialog/ Internet hin. www.goingpublic.de/emagazine-archiv HV MAGAZIN 02/2020
(E-)MAGAZIN – ONLINE – EVENT – NETZWERK 02 hv-magazin.de 14,– EUR 2020 Alles neu macht ... Corona Virtuelle HV schreibt Kapitalmarktgeschichte ERSTE PRAXISERFAHRUNGEN EN COVID-19-NOTGESETZGEBUNG MEHR ALS EIN KONTROLLEUR LEUR LEU LE EEU UR Hauptversammlungenngen im Aktionärsrechte Der Aufsichtsrat Aufsichtsrratat als l isierung Zeichen der Digitalisierung im Blick behalten Sparringspa ppaartn rtner rt Sparringspartner JJahrespartner h t 2022020 Jahrespartner im Netz: www.goingpublic.de/jahrespartner-hvmagazin
06 DATEN & FAKTEN NEWS Zahl der Gewinnwarnungen Umfrage: virtuelle HV in der Pandemie akzeptabel – erreicht neues Rekordniveau Uneinigkeit über Zukunftsfähigkeit Aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie ist die Zahl der deut- DVFA Investment Professionals bewerten die Möglichkeit virtueller schen Unternehmen,die ihre eigenen Gewinn- oder Umsatzprog- Hauptversammlungen pragmatisch und als akzeptable Lösung in der nosen korrigieren mussten, laut einer aktuellen Analyse der Wirt- Corona-Sondersituation. Die Aktionärsrechte sehen sie zum größten schaftsprüfungsgesellschaft EY im ersten Quartal auf ein neues Teil gewahrt, sind aber skeptisch hinsichtlich der Regelungen zum Rekordniveau angestiegen: Insgesamt 77 Gewinn- oder Umsatz- Fragerecht. Die virtuelle Hauptversammlung als dauerhafte Option für warnungen wurden registriert – mehr als je zuvor in einem Quartal Unternehmen bewerten sie dagegen sehr unterschiedlich. Dies ergab und mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Besonders die aktuelle Monatsfrage des DVFA. Vor dem Hintergrund des aktuell betroffen waren Automobilunternehmen: Sieben der zwölf börsen- geltenden Versammlungsverbots halten mehr als 72% der Befragten notierten Hersteller und Zulieferer mussten ihren Ausblick nach die Möglichkeit, virtuelle Hauptversammlungen durchzuführen, unten korrigieren. In der Konsumgüterindustrie waren 44% der grundsätzlich für richtig, weitere 22% für eher richtig. In ihren Kom- Unternehmen betroffen, in der Medienbranche 38%. Keine War- mentaren verweisen die Investment Professionals darauf, dass die nungen erfolgten hingegen vonseiten der Telekommunikations- Onlineveranstaltungen ein Kompromiss seien, und vergleichen unternehmen und Energieversorger. In den meisten Fällen wur- die virtuelle HV mit den Geisterspielen der Fußball-Bundesliga. den die Investoren von den Gewinnwarnungen offenbar kaum Hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit und einer möglichen dauerhaften überrascht – zumindest hielten sich die Auswirkungen auf die Einführung virtueller Hauptversammlungen sind die DVFA-Mit- Aktienkurse insgesamt in Grenzen: Am Tag der Veröffentlichung glieder uneins: 25% würden diese Art der HV grundsätzlich als dauer- sank der Aktienkurs der betroffenen Unternehmen durchschnitt- hafte Option für Unternehmen befürworten, gesetzt, dass technische lich um 3% – in einem insgesamt ohnehin schwachen Markt. Im Schwierigkeiten behoben und inhaltliche Nachbesserungen aufgrund vergangenen Jahr hatte das durchschnittliche Minus am Tag einer der Erfahrungen mit den diesjährigen virtuellen Hauptversammlungen Gewinnwarnung noch bei 7% gelegen. erfolgen. Weitere 27% würden sie eher befürworten, 11% stehen ihr neutral gegenüber. Andererseits lehnen 17% die Beibehaltung solcher Hauptversammlungen ab; 20% lehnen sie eher ab. GEWINN- UND/ODER UMSATZWARNUNG IM PRIME STANDARD 77 33 19 16 10 9 10 3 6 3 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Q1 Q1 Q1 Q1 Q1 Q1 Q1 Q1 Q1 Q1 Quelle: EY HV MAGAZIN 02/2020
07 DATEN & FAKTEN HV-MAX den einzelnen Registerkarten meines Brow- zwar auch noch einen größeren Schreib- sers hin und her zu hüpfen. Ein Split-Screen- tisch zulegen, einen über Eck, und das Programm musste Ende April her, und dann Regal dafür rausschmeißen – aber egal, DIE KOLUMNE konnte ich vier HVs auf einmal verfolgen. Sehr cool. es hat sich gelohnt! HV total daheim – jetzt werde ich nichts Wichtiges auf den Home alone Bis mir dieses Kauderwelsch an Ton auf HVs verpassen! den Geist ging. Echt wahr! Ganz So bin ich auch gut durch die Manchmal sehne ich mich zurück nach schlecht zu verstehen, diese CEOs, Coronazeit gekommen, war dem Jahr 2019, als ich noch strukturier- wenn man vier immer beschäftigt. Und te Wochen hatte, jeden Tag eine HV, HVs gleichzeitig die kleinen Zusatzaus- manchmal auch zwei, wenn es Nachmit- auf dem Ohr gaben für die Technik tagsevents gab. Quer durch Deutschland hat. Also bin ich kann ich (rudimentär) ging es: heute München, morgen Frank- am HV-freien mit den gesparten Trans- furt, übermorgen Berlin – was für ein Le- Wochenende di- portkosten zu den HVs ben. Genießen konnte ich es zugegebe- gital shoppen kompensieren. Nur nermaßen nicht immer, es war schon gewesen – in der meine zusätzlichen auch Stress, aber es hat mich erfüllt. Stadt war ja alles zu – Verpflegungskosten, Und heute, Mitte Juni 2020, mitten in der und habe mir einen zwei- ja, die schlagen richtig Coronapandemie? Sitze ich in meinem ten Bildschirm mit separa- zu Buche. Und meine kleinen Büro daheim und besuche virtu- tem Lautsprecher angeschafft. Freunde auf den HVs, die elle HVs. Und wissen Sie, was das erst für Megatrendiger breiter Screen. vermisse ich. Wir waren ein Stress ist? Das fängt damit an, dass Perfektes Set-up für zwei HVs, schon immer eine einge- ich jetzt ja gleich mehrere HVs gleichzei- aber eben nur für zwei. Und schworene Gemeinschaft. tig besuchen kann. Ich bin zugleich in vor zwei Wochen konnte ich Vielleicht kann ich ja dann in München, Frankfurt und Berlin – schon dann nicht anders, da habe bei einem der kommenden HV-Saison meine Bild- ein tolles Feeling. Irgendwann hat es mir Schnäppchen zugeschlagen und mir weitere schirme wieder über eBay verhökern und dann aber nicht mehr gereicht, zwischen drei Monitore zugelegt. Musste mir dann mir eine BahnCard 100 zulegen. Coronakrise: Privatanleger sind pessimistisch sein sollten. Fast genauso viele Befragte (31%) sehen eine W-förmi- ge Entwicklung mit weiterhin starken Marktschwankungen voraus. Die Deutschen blicken sehr realistisch in die ökonomische Zu- Etwa jeder Vierte (24%) erwartet eine U-förmige Erholung, also dass kunft: Ihre Erwartungen, wie schnell sich die Wirtschaft nach der die Rezession zwar eine Weile anhält, es dann aber wieder steil Coronakrise erholt, sind angesichts der wieder munter steigen- nach oben geht. Nur rund jeder Zehnte hat indes die Hoffnung, den Börsenkurse fast schon als pessimistisch zu bezeichnen. So dass es mit der Erholung genauso schnell aufwärts geht, wie die erwartet rund ein Drittel (33%) eine L-förmige Wirtschaftsent- Märkte im März abstürzten. Diese Einschätzungen zeigt das wicklung, da die Auswirkungen der Krise noch jahrelang zu spüren aktuelle Krisenbarometer von J.P. Morgan Asset Management. GRÖSSTE SORGE DER PRIVATANLEGER 49% 28% 28% schleichende Enteignung des Vermögens kein Vermögenszuwachs wegen der Vernichtung des Werts meiner Investments durch INFLATION NIEDRIGZINSEN VOLATILITÄT Quelle: Krisenbarometer von J.P. Morgan Asset Management. _Grafik_Größte Sorge der Privatanlege HV MAGAZIN 02/2020
08 TITELTHEMA ??? ??? Alles neu macht ... Corona Foto: © Julien Eichinger – stock.adobe.com Was noch vor wenigen Monaten undenkbar schien, ist jetzt zum routinierten Alltag vieler (börsennotierter) Unternehmen geworden: das Abhalten virtueller Hauptversammlungen. Während die Vor-Corona-Gesetzgebung noch im wahrsten Sinne des Wortes aus einem anderen Jahrhundert stammte und allenfalls Vorstands- und Aufsichtsratsreden im Rahmen der HV online ermöglichte, hat die COVID-19-Pandemie nun in Windeseile neue digitale Möglichkeiten geschaffen. Doch wie tragfähig ist das Konzept mit Blick auf die Zukunft? Von Svenja Liebig Die Coronakrise zeigt aktuell erneut mehr Kollegen und Kunden zurück. Ein ähnli- Fakt ist aber – und da sind sich auch die als deutlich, wie unterschiedlich einzelne ches Bild zeichnet sich auch beim Thema meisten Branchenexperten einig –, dass die Personengruppen mit dem Thema Digitali- virtuelle Hauptversammlung ab: Die einen derzeitige Gesetzgebung aus der Not heraus sierung umgehen: Während die einen z.B. sehen darin den (langersehnten) Auf- geboren wurde und für die Zeit nach Corona das Homeoffice mit all seinen digitalen Tools, bruch in ein neues Zeitalter, während die dringend überarbeitet werden müsste – wie Microsoft Teams oder Zoom etc., für sich anderen nach der Pandemie am liebsten besonders auch im Hinblick auf Aktionärs- entdeckt haben und geradezu darin aufblü- die Uhr wieder zurückdrehen möchten. Die rechte. Bekanntestes Gesicht für die hen, sehnen sich andere verzweifelt nach Wahrheit/Lösung liegt wie immer wahr- Wahrung der Anlegerrechte ist Marc Tüng- ihrem Büro und dem Live-Austausch mit scheinlich irgendwo in der Mitte. ler von der Deutschen Schutzvereinigung HV MAGAZIN 02/2020
09 TITELTHEMA für Wertpapierbesitz (DSW): Er sieht das ger durch das virtuelle Format vermehrt ten Erfahrungen mit digitaler Technik aktuelle Gesetz als absolute Notlösung kritisch und auch intensiver mit dem dürften sich auch in die Zukunft retten, und forderte bereits im April in den Medien, Unternehmen auseinandersetzen: Eine und so könnte der Leitspruch gelten: Die dass die virtuelle HV so nah wie möglich schriftlich formulierte Eingabe fällt natur- Zukunft ist hybrid!“ der Präsenz-HV gleichen müsse. gemäß leichter als eine Wortmeldung vor großem Publikum – den Effekt kennt sicher- Fazit & Ausblick Mehr Raum für Spontaneität – lich ein jeder. auch virtuell Die oben aufgeführten Meinungen machen Kein „Kampf“ mehr am deutlich, wie vielfältig der Gestaltungs- Ein berechtigter Kritikpunkt an der virtu- Würstchenbuffet spielraum bei digitalen Hauptversammlun- ellen Hauptversammlung ist der Mangel gen ist. Zugleich ist es nahezu erschreckend, an Spontaneität bei der Frage-Antwort- Zudem fällt auf, dass prinzipiell mehr Akti- dass im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert, Runde zwischen Aktionär und Vorstand. onäre an den digitalen Hauptversammlun- wo digitale Kommunikation geradezu Norma- Das digitale Format sieht nun vor, dass gen teilnehmen als an physischen Events lität ist, in den letzten zehn bis 15 Jahren Fragen bis maximal zwei Tage zuvor einge- (siehe Beitrag von ADEUS, ab S. 16). Zu- kaum Entwicklungen in dem Bereich vor- reicht werden müssen, am besten via nächst auch erstmal keine so schlechte angetrieben worden sind. Zu sehr galt wohl Onlineformular. Der Vorstand hat jetzt zu- Entwicklung – gilt doch die Hauptver- der Leitspruch: „Das haben wir schon im- dem mehr Möglichkeiten, wie er die Fragen sammlung als eines DER Mittel zur demo- mer so gemacht.“ Wenngleich man auch Ver- beantwortet, etwa in gebündelter Form. kratischen Teilhabe des Aktionärs. ständnis haben sollte, dass IR-Abteilungen Hier könnte natürlich schnell der Verdacht und HV-Dienstleister im Angesicht zuneh- entstehen, dass unliebsame Fragen gar Unliebsame Begleiteffekte wie der Streit mend komplexer Aufgabenbereiche und nicht oder zu unspezifisch abgehandelt um das Mittagessen am Buffet sind zudem weitergehender Regulierung wahrschein- werden. eliminiert, was den Emittenten in erster lich schlicht nicht den Nerv dafür fanden, Linie kostenseitig wie auch nervlich ent- neue digitale Möglichkeiten zu erproben. Doch ist dies in der Praxis wirklich so benach- gegenkommen dürfte. Für Aktionäre Es brauchte wohl einen exogenen Schock, um teiligend für Aktionäre? Glaubt man den könnte dies wie eine Art „Läuterung“ sein, dem Ganzen einen (digitalen) Ruck zu geben. Erfahrungsberichten der letzten sechs bis sich auf das Wesentliche einer Hauptver- acht Wochen, zeigt sich für Anleger eher sammlung zu konzentrieren: Denn verant- Nun ist es bei der virtuellen HV so wie bei ein positives Bild. wortungsbewusste Anleger sollten eigentlich vielen anderen digitalen Entwicklungen: nicht wegen des Essens eine HV besuchen – Ist der Geist erst einmal aus der Flasche, „Redaktionelle Freiheiten wurden bisher vielleicht findet durch die neue, virtuelle will man ihn eigentlich gar nicht mehr kaum genutzt. Es wurden alle Fragen beant- Alternative also auch bei Anlegern ein wieder in diese hineinzwängen. Indisku- wortet, lediglich bei Doppelungen zusam- Umdenken statt. tabel ist aber auch, dass das derzeitige mengefasst“, konstatieren Christof Schwab „Aus-der-Hüfte-geschossen-Gesetz“ so und Ingo Wolfarth von Computershare in Claudia Schneckenburger vom HV-Dienst- nicht dauerhaft bestehen kann. Einige ihrem Beitrag ab S. 26. leister Link Market Services sieht in der Details bedürfen noch einer dringenden Digitalisierung für Hauptversammlungen Überarbeitung; charmant ist derweil aber Gerade beim Thema Fragerunde zeigen die viel Potenzial, auch nach der Coronapan- das Konzept der hybriden HV. Auf den fol- jüngsten Praxiserfahrungen – z.B. auf den demie – wenngleich sie zu bedenken genden Seiten werden wir deshalb eine HVs von Allianz oder Bayer –, dass sogar gibt, dass das aktuelle Format für 2021 Übersicht von Praxiserfahrungen mit der mehr Fragen eingereicht wurden als bei einer ff. einer gewaltigen Generalüberholung virtuellen HV der letzten Wochen geben Präsenzveranstaltung, was zunächst einmal bedarf: „Die Zukunft wird diese Form der als auch Zukunftsvisionen wagen und positiv zu werten ist. Dies könnte nämlich im HV allerdings nicht sein. Doch die unter rechtliche Rahmenbedingungen in die- Umkehrschluss bedeuten, dass sich Anle- dem ‚Schutzschirm‘ des Gesetzes gemach- sem Kontext beleuchten. HV MAGAZIN 02/2020
10 TITELTHEMA Virtuelle HV mit vielen Vorteilen 2021: Ein letztes Mal für die Präsenz-HV? TORSTEN FUES Senior-Berater & Vorstand, Better Orange IR & HV AG torsten.fues@better-orange.de Erst kam Corona – und dann innerhalb von wenigen Wochen eine Notgesetzgebung, die die gesamte Hauptversammlungswelt auf den Kopf gestellt hat. Ta da! Die virtuelle HV war geboren. Und viele alte Glaubenssätze waren obsolet. Präsenz-HV? Geht aus Vorsichtsgründen und Sicherstellung der Planbarkeit im Prinzip derzeit gar nicht mehr. Eine online stattfindende Versammlung mit einem verbleibenden Kernteam von Verwaltung der Gesellschaft, Notar und Technik ersetzt die Versammlung mit körperlicher Anwesenheit der Aktionäre komplett. Eine derart grundlegende Änderung in Alle müssen vor der Einberufung der HV Massenthematik bei den Mails (manuelle so kurzer Zeit hat es im deutschen Aktien- die gleichen Kernfragen für sich entschei- Sichtung jeder Mail ist notwendig) sowie recht noch nie gegeben. Nachdem das den: möglicherweise bei Fragen und Widersprü- Gesetz nun gut zwei Monate in Kraft gewesen chen, enthaltene Viren/Malware, inhaltlicher ist, haben bereits zahlreiche Versamm- Virtuelle oder Präsenz-HV? Missbrauch durch unangemessene Anlagen/ lungen unter den neuen Regeln stattge- Texte/Bilder, Spamfilter-Problematik). funden – und ein erstes Zwischenfazit Ein Wechsel von der einen zur anderen ist möglich. Variante ist nach Einberufung nicht mehr Ein Aktionärsportal bedeutet mehr Auf- möglich. wand in der Einrichtung und muss hohe Was sieht man in Anforderungen erfüllen, ist aber sicherer der Praxis? Aktionärsportal oder E-Mail in der Nutzung. Oben genannte Nachteile für Fragen und Widersprüche? werden weitgehend umgangen. Entspricht Die schon bisher mögliche Online-HV dem State of the Art. spielt in der Praxis keine Rolle, da mit ihr Beide Varianten sind als elektronische weitergehende Rechte der Aktionäre ver- Wege ausreichend. Verkürzen wir die bunden sind. Selbst Unternehmen, die bis- Einberufungsfrist? her parallel zur Präsenz- eine Online-HV E-Mail ist einfach in der Einrichtung, aber durchgeführt haben, stellen in diesem aufwendig in der Handhabung (Identifi- Bisher waren meist mindestens 37 Tage Jahr auf die virtuelle Variante um. kation der Aktionäre häufig schwierig, vor der HV im Bundesanzeiger festgelegt – HV MAGAZIN 02/2020
11 TITELTHEMA jetzt ist die Verkürzung der Frist bis zum Kann man Fragen unabhängig 21. Tag vor der Versammlung möglich. von Anzahl und Umfang Empfehlung: möglichst nicht verkürzen „Ausschließlich aussortieren? (außer in Notfällen). Bei Einberufungszeiten unter 30 Tagen vor der HV sind insbeson- dere – aber nicht nur – bei Inhaberaktien möglich ist die Kriterien für Ermessensausübung finden sich in der Gesetzesbegründung. Möglich Schwierigkeiten mit der Abwicklung der Stimmrechtsausübung durch die Stimm- Verlesung der sind die Bevorzugung von institutionellen Anlegern und Aktionärsvereinigungen sowie rechtsberater ISS und Broadridge sowie bei den großen Verwahrbanken vorpro- Antworten das Aussortieren unsachlicher Fragen; im Übrigen ist die Orientierung an §131 AktG grammiert. Eventuell schaffen es große Aktienbestände nicht, sich rechtzeitig während der HV – zweckmäßig. formgerecht anzumelden. Die Gefahr von Zufallsmehrheiten steigt. keine Nachfragen. Wie viele Fragen werden gestellt? Was bedeutet Möglichkeit Der Aufwand Bisher bewegen sich die bei der virtuellen zur Begrenzung der Frist HV eingereichten Fragen i.d.R. in ähnlichen zur Frageneinreichung? für ein während Größenordnungen wie bei der Präsenz-HV. Die Fragen werden meist in den letzten Die Praxis ist noch uneinheitlich: • zwei Tage freibleibend (also bis Ende des der HV aktives Tagen der Einreichungsfrist übermittelt, sodass sich die Vorbereitung der Antworten dritten Tags vor der HV, z.B. Bayer, DB, Deutsche Börse, E.ON, Lufthansa); Q&A-Backoffice auf die Tage vor der HV konzentriert. Da dies problemlos dezentral möglich ist, kann • ein Tag freibleibend (also bis Ende des zweiten Tags vor der HV, z.B. Talanx, SAP); entfällt.“ der Prozess der Antwortenvorbereitung systematisch erfolgen und führt aufgrund • Kompromisslösung: ca. 48 Stunden frei- der zur Verfügung stehenden längeren Re- bleibend (also bis zur Startzeit der HV cherchezeit häufig zu qualitativ hochwer- am zweiten Tag vor der HV oder bis 12:00 tigeren Antworten als während der Prä- Uhr mittags, z.B. Allianz, Münchener fest, anhand dessen das pflichtgemäße senz-HV. Rück, Schaeffler); und Ermessen des Vorstands von diesem aus- • die Möglichkeit, bis in die HV hinein Fra- geübt werden kann. Der Kriterienkatalog Wie behandeln wir Anträge? gen zuzulassen, ist in der Praxis bisher wird meist nicht veröffentlicht, kann aber bedeutungslos. bei einer gerichtlichen Überprüfung der Tagesordnungsergänzungsverlangen, Gegen- sachgerechten Ermessensausübung anträge und Wahlvorschläge – nach dem Vorteil der Nutzung der hilfreich sein. Die Auswahl der Fragen und Willen des Gesetzgebers sind die Antrags- Zweitagesfrist bei den Fragen die Vorbereitung der Antworten sollten rechte in der Notgesetzgebung ausgeschlos- dokumentiert werden. sen worden. Zitat aus der Gesetzesbegrün- Die strukturierte und endgültige Vorberei- dung: „Wird die Versammlung nur mit Brief- tung der Antworten vor der HV wird durch- Ist überhaupt ein Ermessens- wahl und Vollmachtstimmrecht durchge- führbar. Ausschließlich möglich ist die Ver- spielraum vorhanden? führt, fallen natürlich alle Antragsrechte in lesung der Antworten während der HV – keine der Versammlung weg.“ Trotzdem hat sich Nachfragen. Der Aufwand für ein während Ob ein Ermessensspielraum vorhanden in der Praxis die freiwillige Einbringung von der HV aktives Q&A-Backoffice entfällt. ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. vor der HV durch formgerecht angemeldete Die prognostizierte Dauer der HV ist wichtig Aktionäre angekündigten oben genannten Fragenbeantwortung im (entsprechend Maximaldauer nach DCGK Anträgen etabliert. In der Einladung wird pflichtgemäßen Ermessen von vier bis sechs Stunden); eine Orientie- dabei die Fiktion etabliert, der Antrag sei wäh- des Vorstands rung an gesellschaftsspezifischer Erfah- rend der HV mündlich gestellt worden. Häufig rung ist ebenfalls denkbar. Bei einer nicht wird dabei Bezug genommen auf Gegenan- Der Aufsichtsrat legt i.d.R. in Abstimmung zu hohen Anzahl an Fragen werden diesel- träge, die veröffentlichungspflichtig sind mit dem Vorstand einen Kriterienkatalog ben in der Praxis i.d.R. allesamt beantwortet. (weil korrekt gestellt bis 14 Tage vor der HV MAGAZIN 02/2020
12 TITELTHEMA Spielart davon beeinflussen wird. Trotz „Wird die Versammlung nur mit höherer Kosten für Rechtsberatung, Strea- ming, Portal usw. ist in den meisten Fällen in Summe eine erhebliche Überkompensa- Briefwahl und Vollmachtstimmrecht tion zu erzielen, nämlich mit Einsparun- gen: durch den weitgehenden Entfall des durchgeführt, fallen natürlich Messebaus, den Entfall des Q&A-Back- office während der HV, keine oder gerin- alle Antragsrechte in der gere Saalmiete (virtuelle HVs finden recht häufig in den Firmenzentralen statt), den Versammlung weg.“ Entfall von Catering, Sicherheitspersonal, Hostessen und großer Teile der Reisekos- ten. Die Gesamtkosten sinken häufig in einer Größenordnung von 50% und – ins- HV); dann können Weisungen dazu im Vor- ggf. spontane Zufallsmehrheiten zu erhal- besondere bei bisher sehr großen HVs – feld der HV eingeholt werden. In weniger ten, da nur wenige Aktionäre dann noch mit auch deutlich mehr. Fällen werden auch nicht-veröffentli- einer Weisung/Briefwahl reagieren können. chungspflichtige Anträge, die z.B. bis zwei Die vorgeschlagene Lösung, sich eine Blan- Zwischenfazit und Ausblick Tage vor der HV (orientiert an der Fragen- koweisung i.S.v. „gegen alle Gegenan- frist) oder in Einzelfällen sogar bis zum träge bzw. alternativen Wahlvorschläge“ Das Recht auf Verlängerung der Geltung Vortag der HV 24:00 Uhr gestellt werden, im Vorfeld einzuholen, birgt wesentliche der aktuellen Notgesetzgebung um ein in die HV eingebracht. Letztere Variante Nachteile. Echte Geschäftsordnungsan- Jahr bis Ende 2021 per Verordnung auf- bringt einen wesentlichen Nachteil der träge wurden bisher m.W. nicht zuge- grund weiter massiver Gefahren durch die Präsenz-HV vollkommen freiwillig in die lassen. Pandemie wird hoffentlich nicht gezogen virtuelle ein, nämlich im Fall der Ableh- werden müssen. nung der Verwaltungsvorschläge den Kosteneinsparung Aktionären unbekannte Anträge z.B. durch Durch die Erfahrungen der diesjährigen Verlesung durch den Versammlungsleiter Die Kostenseite ist ein zentraler Faktor, HV-Saison wird die Leistungsfähigkeit der in die HV einbringen zu müssen und dann der die Zukunft der virtuellen HV oder einer internetbasierten Kommunikations- und Abstimmungssysteme nachgewiesen sein und unstrittig anerkannt werden. Die erheblichen Kosteneinsparungen für die meisten Emittenten führen zu inten- siver Lobbyarbeit, eine die Präsenz- hauptversammlung ersetzende virtuelle HV als Möglichkeit in der Dauergesetzge- bung zu verankern. Dies wird vom Gesetzge- ber unter Rücknahme der diesjährigen Einschränkungen der Aktionärsrechte aufgegriffen und spätestens im Jahr 2021 umgesetzt werden. Daher kann es sein, Foto: © vegevox – stock.adobe.com dass 2021 noch ein letztes Mal Präsenz- HVs im bekannten Rahmen stattfinden. Es ist aber gut möglich, dass die virtuelle HV mit dann wieder erweiterten Aktionärs- rechten lückenlos an das Auslaufen der aktuellen Notgesetzgebung anschließen wird. HV MAGAZIN 02/2020
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14 TITELTHEMA Ein Praxisbericht Erste Erfahrungen mit der virtuellen Hauptversammlung KLAUS SCHMIDT Geschäftsführer, ADEUS Aktienregister-Service-GmbH Ein Unternehmen der Allianz klaus.schmidt@adeus.com Die Hauptversammlungssaison 2020 ist in vollem Gange. Aber dieses Mal ist alles anders: keine großen Präsenzveranstaltungen mit Tausenden Aktionären, sondern virtuelle Haupt- versammlungen, die aus einem Studio übertragen werden. Der Gesetzgeber hat dies mit einem Maßnahmenpaket im Rahmen eines Sondergesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie sehr kurzfristig ermöglicht. Das Gesetz trat am 28. März 2020 in Kraft. Etliche Gesellschaften haben inzwischen davon Gebrauch gemacht, sodass erste Praxiserfahrungen vorliegen. Die COVID-19-Pandemie hat das Format April oder Anfang Mai zu halten und so die der Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft der virtuellen Hauptversammlung (HV) vorgesehenen Beschlüsse, z.B. zur Aus- ist vor Ort. möglich gemacht – oder besser gesagt: zahlung der Dividende, zu fassen. Andere regelrecht erzwungen. Aufgrund behördli- entschieden sich für eine Verschiebung. Um die fehlende Präsenz auszugleichen, cher Einschränkungen und Veranstaltungs- Der klare Trend zur virtuellen Hauptver- muss die gesamte Veranstaltung in Bild verbote war es das Mittel der Wahl, die HV – sammlung kann für die Saison 2020 bereits und Ton übertragen, also ein Livestreaming eine jährliche Pflichtveranstaltung – schlicht heute festgestellt werden. mindestens für Aktionäre angeboten ins Internet zu verlegen. werden. Coronakrise! – Die Gesellschaften standen vor der Heraus- Was ist zu tun? Zusätzlich muss die Stimmrechtsausübung forderung, schnell zu reagieren und mit der Aktionäre auf dem Weg der elektronischen ihren Dienstleistern die für die Vorbereitung Die Vorbereitung, also Einberufung, Einla- Kommunikation offeriert werden. Für viele und Durchführung der HV notwendigen dung und Anmeldung, verläuft weitgehend Gesellschaften nichts Neues: Vollmacht und Prozessanpassungen vorzunehmen. Nach- identisch wie bei Präsenz-HVs. Es besteht Weisung an den Stimmrechtsvertreter wer- dem bereits einige für Ende März bzw. jedoch die Möglichkeit, ein verkürztes Fristen- den schon länger angeboten und haben sich Anfang April geplante HVs abgesagt worden regime anzuwenden oder die HV erst spä- bewährt. Einige mussten jedoch noch die waren, setzten sich einige Häuser wie ter im Jahr durchzuführen. Die virtuelle HV Briefwahl einführen, auf Formularbasis, aber Bayer, Munich Re, Lufthansa und Allianz findet ohne physische Präsenz der Aktionä- auch über den Onlineservice für Aktionäre. zum Ziel, den geplanten HV-Termin Ende re oder ihrer Bevollmächtigten statt. Einzig Die Annahme von Briefwahlstimmen und HV MAGAZIN 02/2020
15 TITELTHEMA Alles in allem in der gegebenen Situation großen Publikumsgesellschaften loggen ein praktikables Paket für die rechtssi- sich nach bisherigen Erfahrungen einige chere Durchführung einer HV. Insbeson- Tausend Aktionäre ein. Als Faustregel kann dere für die Gesellschaften, die ihre HV be- man in etwa das 1,5- bis Zweifache der reits für Ende April oder Anfang Mai an- bisher in einer Präsenz-HV teilnehmenden gesetzt haben, kam eine Menge neuer Aktionäre ansetzen. So waren beispiels- Aufgaben hinzu. Da blieben den Verant- weise bei der Allianz weit über 6.000 Aktio- wortlichen nur wenige Tage, die HV zu näre im geschlossenen Livestream bei der „retten“. Umso erfreulicher, dass der Start Frage-und-Antwort-Runde über den Online- in dieses neue Format gut geklappt hat service dabei. Über 100.000 der 700.000 und die ersten virtuellen HVs mit Bravour Aktionäre waren angemeldet. In der Foto: © ADEUS absolviert wurden. Kritik von Aktionären Münchner Olympiahalle waren zuletzt ca. zu den damit verbundenen Einschränkun- 4.000 bis 4.500 Aktionäre und Aktionärs- gen und der mangelnden Interaktivität ist vertreter anwesend. Die Reden von Vor- verständlich. Es gibt aber auch deutliches stand und Aufsichtsrat waren schon bisher Weisungsänderungen muss auch wäh- Lob von Investoren für dieses Format. Be- öffentlich übertragen worden. rend der HV möglich sein. grüßt wurde nicht zuletzt, dass angekün- digte Dividenden fristgerecht ausgezahlt Das Einreichen von Fragen im Vorfeld der Da Aktionäre bzw. ihre Vertreter nicht per- werden können. Mit diesem Gesetz wurde HV wird über eine entsprechende Funktion sönlich vor Ort sein können, muss ihnen auf die Notsituation schnell reagiert, es im Onlineservice ermöglicht. So kann der eine Möglichkeit eingeräumt werden, Fragen wurden neue Funktionen wie das Einrei- Aktionär unmittelbar identifiziert werden. einzureichen. Dies passiert auf elektroni- chen von Fragen auf elektronischem Weg Das Zeitfenster für die Eingabe durch den schem Weg und kann zwei Tage vor der eingeführt – mehr, als andere Länder wie Aktionär und der Umfang des Textfelds HV beendet werden. So können alle ein- z.B. die Schweiz ihren AGs abverlangten. sollten flexibel festgelegt werden können. gegangenen Fragen gesichtet, aufberei- Mit der virtuellen HV konnten durch eine Als üblich hat sich herausgestellt, Fragen tet, thematisch gruppiert und für die Be- Kompromisslösung monatelange Hänge- direkt nach Anmeldung durch den Aktionär antwortung während der HV aus dem Stu- partien vermieden und vor allem die oder nach Anmeldeschluss bis zwei Tage vor dio vorbereitet werden. Die Möglichkeit Stimmrechtsausübung der Aktionäre si- der HV, entweder zwei volle Tage oder sogar der Vorabeinreichung wird von den meis- chergestellt werden. bis zum zweiten Tag um zwölf Uhr, zuzulas- ten Gesellschaften favorisiert. Eine direkte sen. Bei der Länge des Eingabeblocks, der Online-Frageeinreichung während der Digitalisierungsschub für die beliebig oft, also ohne Begrenzung der Fra- Hauptversammlung, die auch bisher bei deutsche Hauptversammlung genzahl, übermittelt werden kann, zeichnet entsprechender Satzungsermächtigung sich ein Standard von jeweils 5.000 Zeichen möglich war, wird – nicht zuletzt wegen Gesellschaften mit einem modernen Online- ab. Anfängliche Befürchtungen, dass eine ungeklärter Rechtsfragen – nur sehr service für Aktionäre waren gut gerüstet Flut von Fragen auf die Gesellschaft herein- vereinzelt bei kleineren Gesellschaften und konnten die neuen Funktionalitäten bricht und damit zu einer Vorauswahl durch genutzt. kurzfristig integrieren. Für das Livestrea- den Vorstand führen muss, haben sich nicht ming, bei einigen Emittenten schon länger bestätigt. Im Schnitt liegt das Fragenauf- Und schließlich sollen Aktionäre, die ihr im Angebot und daher mit Erfahrungs- kommen höher als bei der Präsenz-HV der Stimmrecht ausgeübt haben, auf elektroni- werten belegt, wurden Kapazitätserweite- letzten Jahre, kann also durchschnittlich schem Weg Widerspruch gegen Beschlüsse rungen angestoßen, um so für steigende einen Umfang von rund 100 bis 300 Fragen der HV erklären können. Nutzerzahlen gewappnet zu sein. Bei bei DAX-Gesellschaften erreichen. Bei der HV MAGAZIN 02/2020
16 TITELTHEMA Foto: © ADEUS Allianz waren es 156, die Deutsche Bank direkt reagieren und abstimmen, entweder Fazit und Ausblick erreichten sogar 366 Fragen, die alle be- per Formular mit Freiumschlag oder über den antwortet werden konnten. Das spiegelt Onlineservice. Die HV-Einladung per E-Mail Das Format „virtuelle Hauptversammlung“ das bisherige Aktionärsverhalten. Theore- bietet große Vorteile, weil mit einem persona- funktioniert. Die Erfahrungen der Emittenten tisch hätten alle Aktionäre (bei der Allianz lisierten Link direkt zum Onlineservice sind positiv. Pflicht sind ein Onlineservice, rund 700.000) die Möglichkeit gehabt, Fra- gewechselt werden kann. Für den Aktionär der alle essenziellen Funktionen abdeckt, gen einzureichen. Bei erhöhtem Frageauf- eine Sache von wenigen Minuten; mit einem sowie stabile und sichere IT-Systeme. Kür kommen käme man leicht an die Grenze der modernen und intuitiv bedienbaren Online- sind Showeffekte im HV-Studio oder Film Beherrschbarkeit – auch ein Grund dafür, service eine Möglichkeit, auf mobilen End- einspielungen. Kosten können eingespart dass bisher von der Möglichkeit der Online- geräten wie Tablet oder Smartphone und werden, gerade bei Hallenmiete, Sicherheit teilnahme mit Online-Fragerecht bei Prä- ohne Medienbruch einfach zu agieren. So und Catering. Die weitere Entwicklung senz-HVs kein Gebrauch gemacht wurde. können problemlos Tausende Aktionäre sollte abgewartet werden, zumal noch schnell, unkompliziert und papierlos ihr zahlreiche virtuelle HVs bevorstehen. Doch Die Erklärung von Widersprüchen erfolgt Stimmrecht ausüben. Das fördert nachhal- eines ist jetzt schon klar: Die Digitalisie- meist analog zur Funktion Fragen einrei- tige HV-Prozesse und leistet einen Beitrag rung wird deutliche Spuren hinterlassen und chen über einen Textblock, allerdings nur zur Kosteneinsparung. zukünftig einen weiteren Ausbau der Vir- während der HV. In einigen Fällen wurde tualisierung von Hauptversammlungen auch eine Anklickmöglichkeit für Tages- Der HV-Tag verläuft im Studio, ähnlich einer bewirken. Auch wenn die HV-Saison 2020 ordnungspunkte ohne Texteingabe ange- Live-Fernsehsendung. Vor Ort sind wenige sicherlich im Lichte der Sondergesetzge- boten. Die Anzahl der eingereichten Wider- Personen: der Versammlungsleiter, einige bung zur COVID-19-Pandemie zu sehen ist, sprüche liegt leicht über dem Niveau von Vorstände, der Notar, der Stimmrechtsver- sollten sich alle Stakeholder zusammen- Präsenzveranstaltungen. treter sowie notwendige Mitarbeiter für HV- finden und die Erfahrungen zur konstruk- Technik, Bild und Ton. Einige Gesellschaften tiven Weiterentwicklung der rechtlichen Die Stimmabgabe oder Weisungsänderung lassen die eingereichten Fragen stellvertre- Rahmenbedingungen für die HV in während der HV hat deutlich zugelegt; gerade tend für die Aktionäre vom Rednerpult ver- Deutschland nutzen. Nicht vergessen bei der Briefwahl sind deutliche Steigerungen lesen. Dieses ungewohnte Set-up erfordert werden sollte dabei allerdings auch die zu verzeichnen. Die Mehrzahl der Aktionäre im Vorfeld einige Proben und vor allem eine anstehende Umsetzung von ARUG II, die stimmt auch weiterhin bereits im Vorfeld professionelle Beratung und Regieführung. u.a. die standardisierte europaweite Infor- der HV ab – das gilt auch für institutionelle Die virtuelle HV ist in der Regel deutlich kür- mation zu Unternehmensereignissen und Aktionäre. zer. Die Fragen und Antworten können the- verbesserte Mitwirkung der Aktionäre matisch gruppiert und ohne Redundanzen adressiert. Dafür werden bei Intermediä- Bei Namensaktien können die Gesellschaf- abgearbeitet werden, was das Zuhören ren entsprechend funktionierende HV- ten ihre Aktionäre auf Basis des Aktienre- erleichtert. Rückfragen sind jedoch nicht Prozesse benötigt; Emittenten sind ver- gisters direkt – ohne Einschaltung der Inter- möglich. Im Falle der Allianz war die HV pflichtet, Abstimmbestätigungen für Aktio- mediäre – zur HV einladen. Diese können bereits gegen 14 Uhr beendet. näre bereitzustellen. HV MAGAZIN 02/2020
KAPITALMARKT ICF BANK Media and Games Invest plc STERN IMMOBILIEN AG Wir gratulieren den Preisträgern des Journalistenpreises kumU 2020 für ihre Artikel über den kapitalmarktorientierten Mittelstand: 1. Platz: Dr. Martin Hock, Frankfurter Allgemeine Zeitung 2. Platz: Nils Wischmeyer, brand eins 3. Platz: Ludwig Riepl, €uro spezial Kontakt: Interessenverband kapitalmarktorientierter KMU e.V. Rechtsanwalt Ingo Wegerich (Präsident des Interessenverbandes) Telefon: +49 69 27229 24875 E-Mail: ingo.wegerich@luther-lawfirm.com www.kapitalmarkt-kmu.de
18 TITELTHEMA Virtuelle HV nach der COVID-19-Pandemiegesetzgebung Was ist denn nun mit Aktionärsanträgen? DR. AXEL HOPPE Partner, Rechtsanwalt, Fieldfisher LLP, Düsseldorf Axel.Hoppe@fieldfisher.com Bekanntlich hat der Gesetzgeber es AGs und SEs mit Art. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht („COVID-19-Gesetz“) ermöglicht, ihre Hauptversammlungen (HVs) trotz bundesweiter Beschränkungen von Zusammenkünften größerer Personenzahlen in geschlossenen Räumenabzuhalten. Hierzu hat er insbesondere die Durchführung virtueller HVs auch ohne entsprechende Satzungsermächtigung erlaubt. Das rasche Handeln des Gesetzgebers ist Bundesanzeiger hat die Bayer AG damit in Soweit die Beiersdorf AG in ihrer virtuellen uneingeschränkt zu begrüßen. Allerdings weniger als vier Arbeitstagen die Erleichte- HV eine elektronische Teilnahme zuließ, war der Gesetzeserlass naturgemäß von rungen des COVID-19-Gesetzes in ihrer war diese auf die Ausübung von Stimmrech- großer Eile geprägt; dadurch entstandene HV-Einberufung umgesetzt. Mittlerweile ten und die Einlegung von Widersprüchen Lücken und Ungenauigkeiten der Regelun- haben weitere DAX30-Unternehmen ihre beschränkt. Hintergrund ist u.a. die nicht gen sind nun von der Praxis sachgerecht virtuellen HVs durchgeführt, darunter die unbegründete Sorge der Gesellschaften, auszufüllen. Eine solche Ungenauigkeit Lufthansa AG, die Deutsche Bank AG, die dass sich bei einer virtuellen HV, die keine besteht in Bezug auf Aktionärsanträge. Allianz SE und die SAP SE. Dabei geht die physische Präsenz der Aktionäre vor Ort Tendenz eindeutig dahin, den Aktionären die erfordert, Wortmeldungen vervielfachen Die virtuelle HV nach dem HV entsprechend den Mindestanforde- und gestellte Fragen nicht mehr bewältigt COVID-19-Gesetz in der Praxis rungen in Art. 2 COVID-19-Gesetz lediglich werden könnten. Zudem werden aufgrund in Wort und Bild zu übertragen und ihnen der niedrigeren Hemmschwelle einer virtu- Die Erleichterungen der virtuellen HV nach das Stellen von Fragen, die Stimmrechts- ellen HV inhaltlich inakzeptable oder gar dem COVID-19-Gesetz sind von den Gesell- ausübung und die Einlegung von Wider- beleidigende Einwürfe befürchtet. schaften einhellig begrüßt und umgehend sprüchen gegen gefasste Beschlüsse zu genutzt worden. So trat Art. 2 COVID-19- ermöglichen. Hingegen wird den Aktionären Umgang mit Aktionärsanträgen Gesetz am 28. März 2020 in Kraft. Bereits in den meisten Fällen keine elektronische in der Praxis virtueller HVs am 6. April sagte die Bayer AG ihre Präsenz- Teilnahme im Sinne des Aktiengesetzes nach dem COVID-19-Gesetz HV ab und berief sie als virtuelle HV neu eröffnet, sodass Wortmeldungen oder das ein. Unter Berücksichtigung der üblichen Stellen von Anträgen in der HV nicht zuge- Erlaubt die Gesellschaft – insoweit in Über- Vorlaufzeiten für Veröffentlichungen im lassen werden. einstimmung mit den Vorgaben des COVID- HV MAGAZIN 02/2020
19 TITELTHEMA sei ausgeschlossen. Sofern die betreffende GESELLSCHAFTEN, DIE LAUT EINBERUFUNG BEI DER VIRTUELLEN HAUPTVERSAMM- Gesellschaft dies zulässt, was in ihrem freien LUNG 2020 GEGENANTRÄGE UND WAHLVORSCHLÄGE VON AKTIONÄREN ZULASSEN: Ermessen steht, können die Stimmrechtsver- treter hingegen sehr wohl auch zur Stellung von Anträgen bevollmächtigt werden. Fehlt es demnach an einem wirksamen Ausschluss 17% dieser Rechte durch das COVID-19-Gesetz, verlangt eine richtlinienkonforme Auslegung 57% anhand der europarechtlichen Vorgaben (bei Übersendung (siehe Art. 6 der Aktionärsrechterichtlinie), 26% vor HV) zumindest Gegenanträge, Wahlvorschläge Ja und Minderheitsverlangen zuzulassen. Für Verfahrensanträge folgt dies aus allgemeinen Nein aktienrechtlichen Grundsätzen. Unklar Fazit Quelle: AG, Ausgabe 11/2020 (Danwerth-Beitrag) Die Gesellschaften tun also gut daran, den 19-Gesetzes – keine Wortmeldungen, sprechend war in den ersten Einberufungen Aktionären in der virtuellen HV Anträge im sind auch Anträge von Aktionären in der virtueller HVs nach Inkrafttreten des Geset- Rahmen der bisherigen aktienrechtlichen HV unmöglich. Das heißt, dass zu den ver- zes – namentlich bei der Bayer AG – die Rede Vorgaben zu ermöglichen. Dies kann etwa öffentlichten Tagesordnungspunkten keine davon, dass Antragsrechte ausgeschlossen dadurch geschehen, dass die Stimmrechts- Gegenanträge oder abweichende Wahlvor- seien. Inzwischen versuchen die Gesellschaf- vertreter der Gesellschaft auch noch in der HV schläge unterbreitet werden können und ten, den Aktionären entgegenzukommen, entsprechende Aufträge entgegennehmen. Verfahrensanträge – etwa auf Vertagung von indem sie wie die Henkel AG & Co. KGaA das Alternativ kann die Gesellschaft eine auf das Tagesordnungspunkten – ausgeschlossen Stellen von Gegenanträgen und Wahlvor- Stellen von Anträgen beschränkte elektroni- sind. Geht man mit einer Ansicht im aktien- schlägen dann fingieren, wenn die Voraus- sche Teilnahme der Aktionäre ermöglichen. rechtlichen Schrifttum davon aus, dass auch setzungen für ihre Bekanntmachung nach Der ordnungsgemäße Ablauf einer virtuellen Beschlussanträge eines Minderheitsverlan- §§ 126, 127 AktG im Einzelfall vorliegen HV erscheint auch dann nicht gefährdet, gens (vgl. § 122 Abs. 2 AktG) der Antragsstel- und sie u.a. spätestens am 14. Tag vor der wenn man befürchtet, dass online mehr lung in der HV bedürfen, laufen auch solche HV der Gesellschaft zugegangen sind. solcher Anträge gestellt werden als bei einer Ergänzungsverlangen leer. Dies stellt einen Präsenzveranstaltung. Zum einen sind erheblichen Eingriff in die Aktionärsrechte Stellungnahme nach den aktienrechtlichen Grundsätzen dar – zumal wenn man bedenkt, dass hiervon nicht alle Anträge zur Abstimmung zu stellen. auch Großaktionäre betroffen sein können. Richtigerweise sind Anträge von Aktionären – Dies gilt insbesondere für Gegenanträge seien es Gegenanträge, Minderheitsver- und Wahlvorschläge, bei denen der Ver- Ausschluss von Aktionärs langen oder Verfahrensanträge – von den sammlungsleiter sicher davon ausgehen anträgen durch Gesellschaften auch während der Geltung kann, dass der entsprechende Verwal- das COVID-19-Gesetz? des COVID-19-Gesetzes in der HV zu ermög- tungsvorschlag die Mehrheit findet, und lichen. Dabei ist schon fraglich, ob der Gesetz- die sich bei Annahme des Verwaltungsvor- Insbesondere die ersten Stellungnahmen geber des COVID-19-Gesetzes die Antrags- schlags erledigen. Soweit Zufallsmehrheiten zum COVID-19-Gesetz gingen tatsächlich rechte der Aktionäre wirksam ausgeschlossen für Aktionärsanträge befürchtet werden, davon aus, dass bei virtuellen HVs ohne hat, da insoweit – anders als zum Fragerecht ist dem dadurch zu begegnen, dass die elektronische Teilnahmerechte der Aktionäre – eine ausdrückliche Regelung fehlt. Der dies- Vertreter von Großaktionären aktiv die HV Antragsrechte ausgeschlossen sind. Diese bezüglichen Passage in der Regierungsbe verfolgen und ggf. kurzfristig ihre Weisungen Stellungnahmen stützen sich auf eine ent- gründung liegt die Fehlvorstellung zugrunde, ändern. Insoweit stellt sich die Lage nicht sprechende Passage in der Regierungsbe- die Bevollmächtigung der Stimmrechtsvertre- wesentlich anders als bei einer Präsenz- gründung zum COVID-19-Gesetz. Dement- ter der Gesellschaft zum Stellen von Anträgen veranstaltung dar. HV MAGAZIN 02/2020
20 TITELTHEMA Die virtuelle Hauptversammlung in der Praxis Social Distancing bei Aktionärstreffen CLAUDIA SCHNECKENBURGER Geschäftsführerin, Link Market Services GmbH claudia.schneckenburger@linkmarketservices.de Spätestens seit März scheint die Welt aus den Fugen geraten, und alles, was bislang undenkbar war, musste auf einmal schnellstmöglich umgesetzt werden. Im Eilverfahren boxte der Gesetzgeber das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht durch, mit weitreichenden Folgen für die Hauptversammlungssaison 2020 – und wahrscheinlich auch für die darauffolgenden Jahre. Am 27. März 2020 beschloss der Deutsche Es musste also ein Ersatz her, um die aktien- durch eine Satzung oder Geschäftsord- Bundesrat in Art. 2 des eingangs genannten rechtlich notwendigen Beschlussfassungen nung. Gesetzes das Gesetz über Maßnahmen im für eine Dividendenzahlung, Kapitalmaß- Gesellschaft-, Genossenschafts-, Vereins-, nahme oder auch die Entlastung von Gremi- Möglich ist eine virtuelle Hauptversamm- Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht enmitgliedern sicherzustellen. lung, sofern zur Bekämpfung der Auswirkungen der 1. die Bild- und Tonübertragung der COVID-19-Pandemie (C19-MaßnahmenG). Die Lösung ist einfach: Gesellschaften gesamten Versammlung erfolgt, können bis Ende 2020 ihre Aktionäre zu 2.die Stimmabgabe der Aktionäre über Aus der Not geboren einer Hauptversammlung ohne physische elektronische Kommunikation (Brief- Präsenz einladen – auch ohne eine entspre- wahl oder elektronische Teilnahme) Schon am 28. März 2020 trat es in Kraft – chende Satzungsregelung. Aktionärsrechte sowie Vollmachtserteilung möglich ist, und am 2. April 2020 wurden die ersten werden im Wege elektronischer Kommuni- 3.den Aktionären eine Fragemöglichkeit Hauptversammlungen im Bundesanzeiger kation ausgeübt: im Wege elektronischer Kommunikation nach dem Gesetz einberufen, das zahlreiche eingeräumt wird, Grundfesten des deutschen Aktienrechts § 1 (1) C19-MaßnahmenG erlaubt die Ent- 4.den Aktionären, die ihr Stimmrecht quasi über Nacht ausgehebelt hat. Notwen- scheidung über die Teilnahme der Aktionäre ausgeübt haben, die Möglichkeit zum dig wurde es, nachdem Großveranstaltun- an der Hauptversammlung im Wege elektro- Widerspruch eingeräumt wird. gen, unter die zweifelsohne auch zahlreiche nischer Kommunikation, die Teilnahme des Was sich so einfach anhört, hinterlässt Hauptversammlungen fallen, zur Eindäm- Aufsichtsrats im Wege der Bild- und Tonüber- aber in der Praxis vielzählige Fragezeichen – mung des Infektionsrisikos mindestens tragung sowie die Zulassung der Bild- und denn dass das Gesetz durch das Gesetz- bis Ende August untersagt worden waren. Tonübertragung auch ohne Ermächtigung gebungsverfahren gepeitscht wurde, zeigt HV MAGAZIN 02/2020
21 TITELTHEMA für die Veröffentlichung von Gegenanträ- BEHANDLUNG VON GEGENANTRÄGEN IN DER VIRTUELLEN HAUPTVERSAMMLUNG gen zusammenfällt. DAX/MDAX WERTE MIT VERÖFFENTLICHUNG SEIT DEM 18. APRIL 2020 Aktionärsrechte beschnitten? 28% der Gesellschaften verfahren mit ordnungsgemäß gestellten, zulässigen Gegenanträge und Wahlvor- Bemerkenswert ist die neue Regelung, schlägen in der virtuellen Hauptver dass Fragen vorab an die Gesellschaft ein- sammlung so, als seien sie in der Hauptversammlung gestellt worden gereicht werden können und zum Teil auch 48% der Gesellschaften machen müssen: Das C19-MaßnahmenG erlaubt es keine näheren Angaben, wie mit Gesellschaften, dass Fragen bis spätes- Gegenanträgen verfahren wird tens zwei Tage vor der HV eingereicht werden können. Zudem entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen, welche Fragen er beantwortet. 24% der Gesellschaften verfahren in Dies rief – berechtigterweise – den Protest Übereinstimmung mit der Konzeption des COVID-19-Gesetzes so, dass ent- der Aktionärsschutzvereinigungen hervor. sprechende Gegenanträge und Wahlvor- Die Erfahrung aus den ersten virtuellen schläge in der Hauptversammlung nicht zur Abstimmung gestellt werden und HVs zeigt, dass Gesellschaften sehr ver- auch nicht anderweitig behandelt werden antwortungsvoll mit den ihnen gegebenen Ermessensspielräumen umgehen und die Fragen der Aktionäre zur Gänze beantworten Quelle: Link Market Services GmbH – so waren es beispielsweise 363 bei der Deutschen Bank und knapp 250 bei Bayer. sich, wenn man sich die weiteren Regelungen Tag vor der HV einberufen – der Record rund um die virtuelle Hauptversammlung Date bleibt jedoch beim 21. Tag (und fällt in- Rechtssichere im Detail ansieht. folgedessen mit dem Einberufungstag zu- Umsetzung sammen) bzw. der Record Stop beim 14. Tag Neues Fristenregime vor der HV. Dies stellt nicht nur Banken vor Entscheidend bei der praktischen Umset- praktische Probleme. zung der neuen gesetzlichen Anforderungen Neben den oben genannten vier Bestand- ist, dass auch die HV 2020 eine rechtssichere teilen ermöglicht das C19-MaßnahmenG Keine Regelung trifft das C19-MaßnahmenG ist. Zwar sind Anfechtungsrechte weitgehend auch vom Aktiengesetz abweichende Fris- jedoch zu einer Änderung der Anmeldefrist, eingeschränkt – dennoch sollte der Charak- ten: Statt der bislang 30 Tage plus Anmelde- sodass hier die gesetzlichen sechs Tage gel- ter einer HV als eine Versammlung für die frist kann eine Gesellschaft am 21. Tag vor ten, ist das Unternehmen nicht in der glückli- Aktionäre einer Gesellschaft erhalten blei- der Hauptversammlung (ohne Anrechnung chen Lage, dass die Satzung eine Verkürzung ben. Damit muss sichergestellt werden, dass der Anmeldefrist) einberufen. Hier scheint der Anmeldefrist ermöglicht. Was allerdings auch nur Aktionäre oder deren autorisierte es eindeutig, dass auch nicht 21 freiblei- verkürzt werden kann, ist die Einreichung des Vertreter Aktionärsrechte wie Stimm-, Teil- bende Tage gemeint sind, sondern wirklich Bestandsnachweises durch die Banken auf nahme- oder Antragsrechte wahrnehmen. am 21. Tag vorher die Veröffentlichung der den vierten Tag vor der HV. Diese Regelung ist Einberufung erfolgen muss. in der Praxis jedoch obsolet, denn die Anmel- Nun heißt elektronische Kommunikation dung bei Inhaberaktien erfolgt regelmäßig grundsätzlich, dass alle Kanäle digitaler Bei Anwendung der verkürzten Einberufung über die Banken direkt mit Bestandsnach- Medien hier zulässig wären. Ein Unterneh- muss auch der Record Date bei Inhaber- weis, sodass die Verkürzung hier nicht zum men könnte ein digitales Meeting aufset- aktien und der Versandtag bei Namensak- Tragen kommt. zen oder einen öffentlichen Stream anbie- tien (Record Stop) auf den zwölften Tag vor ten; die Kommunikation kann per E-Mail der Hauptversammlung verschoben wer- Ebenfalls verkürzt ist die Frist für die Ein- erfolgen, beispielsweise Vollmachten und den. Dieses gilt jedoch nur bei börsenno- reichung von Ergänzungsverlangen, die Weisungen gegeben, Fragen eingereicht tierten Gesellschaften. Nicht-börsennotierte bei verkürzten Fristen 14 Tage vor der HV werden etc. Dies bedeutet in der Praxis Gesellschaften können zwar auch am 21. eingehen müssen, sodass sie mit der Frist jedoch einen erheblichen Prüfungsaufwand, HV MAGAZIN 02/2020
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