ANTHROPOS - Nomos eLibrary

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ANTHROPOS
                                                                                                                  110.2015: 343 – 360

                                              Wir und die anderen
                     Wie die Wampar sich und Fremde sehen und benennen
                                                             Hans Fischer

Abstract. – The Wampar are a tribe with Austronesian language             Wampar über sich selbst und andere Ethnien, über
in the Morobe Province of Papua New Guinea. Their first con-              Nachbarn und Fremde. Aussagen und Feststellun-
tacts with the white man were around 1900. In 1911, a station of
the Lutheran mission was founded. The author performed several
                                                                          gen stammen teils bereits aus von Missionaren ge-
researches among them between 1958 and 2009. Several former               sammelten Texten seit Anfang des vorigen Jahr-
students of him did also research among them. The article analy-          hunderts. Die meisten Daten stammen jedoch aus
ses the concepts of the Wampar of themselves, other tribes and            eige­
                                                                              nen Feldforschungen seit 1958/59 (wei­   tere
nations: their looks, the areas in which they live, language and          1965, 1971–72, 1976, 1980, 1988, 1993, 1997,
mode of living. Their concepts have changed and are changing
with the modernization of their life. [Papua New Guinea, Wam-             1999–2000, 2003–04, 2009 und kürzere Besuche).
par, ethnography, cultural change]                                        Hinzu kommen die Aufzeichnungen und Publika-
                                                                          tionen von ForscherInnen des inzwischen entstan-
Hans Fischer, 1967–1998 Professor für Völkerkunde an der                  denen Schwerpunktprogramms “Wampar”.1
Universität Hamburg und 1967–1971 Direktor des Museums
für Völkerkunde in Hamburg; mehrere Feldforschungen in Pa-
pua Neuguinea und West Samoa zwischen 1958/59 und 2009.                     1 Innerhalb des Forschungsgebietes arbeiten Untersuchende
Forschungsgegenstand waren erste Kontakte mit den Yeghuye,                    teils an verschiedenen Untersuchungsorten (Dörfern), teils an
Prozesse des Kulturwandels bei den Watut und Wampar sowie                     jeweils dem selben Ort. Hinzu kommt der zeitliche Aspekt:
Untersuchungen zum Tourismus in West Samoa. Publikationen                     Es geht nicht um ein Projekt innerhalb eines vorgegebenen
neben Feldforschungsergebnissen: “Schallgeräte in Ozeanien”                   Zeitraumes, sondern um Wiederholungs- und letztlich Lang-
(Strasbourg und Baden-Baden 1956), “Studien über Seelenvor-                   zeitforschungen. 1958 begann Hans Fischer seine erste Feld-
stellungen in Ozeanien” (München 1965), “Völkerkunde im Na-                   forschung in Wampardörfern. 1976 untersuchte Heide Lie-
tionalsozialismus” (Berlin 1990) und “Randfiguren der Ethnolo-                nert als Studentin im Dorf Ngasawapum Fragen von Heirat
gie” (Berlin 2003); s. auch Zitierte Literatur.                               und Verwandtschaft und besuchte Ngasawapum kurz noch-
                                                                              mals 1984, 1994 und 2002. Christiana Lütkes führte 1993
                                                                              gemeinsam mit ihrem Mann Piotr im Dorf Tararan eine Un-
                                                                              tersuchung über Konzepte von „Arbeit“ durch. Begleitet von
Die Wampar sind eine Ethnie in der Morobe Pro-                                ihrer Tochter studierte Rita Kramp 1994/95 in Gabantsidz
vinz des heutigen Staates Papua New Guinea. Sie                               Fragen der Familienplanung. Bettina Beer untersuchte 1997,
sind aus älteren Veröffentlichungen auch unter dem                            1999/2000, 2002, 2003/04 und 2009 in Gabsongkeg intereth-
                                                                              nische Beziehungen und Ethnologie der Sinne. Die Studentin
Namen Laewomba bekannt, dem Namen, den Nach-                                  Paulina Reimann beschäftigte sich 2002 im Dorf Gabsong-
barethnien ihnen gegeben haben. Nach eigenen Un-                              keg während eines Feldforschungspraktikums mit Kinder-
tersuchungen seit den 1950er Jahren wurden sie zu                             spielen. 2002 lebte Juliane Neuhaus im Dorf Munun zu ei-
einem Forschungsschwerpunkt. Ehemalige Studie-                                nem Forschungsvorhaben über Dorfgerichtshöfe und kehrte
rende von mir und von Bettina Beer forschen seit                              2009 für einen Kurzaufenthalt zurück. 2009/2010 führte Do-
                                                                              ris Bacalzo bei einem gemeinsamen Forschungsaufenthalt
den siebziger Jahren zu unterschiedlichen Themen                              mit ihrem Mann Tobias Schwörer eine Untersuchung zum
in verschiedenen Dörfern der Wampar.                                          Thema „Kindheit und transkulturelle Sozialisation bei den
   Gegenstand dieses Beitrags sind Aussagen der                               Wampar im Dorf Dzifazing” durch.

                                                https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
                                         Generiert durch IP '46.4.80.155', am 25.10.2021, 22:45:46.
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    Wer waren und sind die “anderen”, mit denen die                1 Wer und was sind wir?
Wampar Kontakt hatten und haben? Vor dem Kom-
men der Weißen waren es benachbarte Eth­nien.                      Im Folgenden wird jeweils von den sprachlichen
Räumliche Verteilung und Nachbarschaft haben                       Benennungen, Kategorisierungen und Zuordnun-
sich jedoch schon früher nach allen Überlieferun-                  gen von Wörtern in dzob Wampar ausgegangen.
gen jeweils innerhalb relativ kurzer Zeit­ab­schnitte              Dass auch die Sprache sich in Veränderung befindet,
verändert. Das betrifft selbst das Siedlungsgebiet                 muss betont werden. Die Bedeutung des Pidgin (Tok
der Wampar. Ihre eigenen Erzählungen berichten                     Pisin) und selbst des Englischen nimmt ständig zu.
davon, dass sie von außerhalb kommend erst die                     Sehr geringe Dialektunterschiede zwischen den ein-
Südküste Neuguineas und dann ihren jetzigen Le-                    zelnen Dörfern lassen sich zwar feststellen, spielen
bensraum erreichten (Fischer 2013). Auch die Zu-                   jedoch im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle.
ordnungen von Teilgruppen (etwa Klans) zu Wam-                        Ngaeng Wampar, “Wampar-Menschen” oder
par und (früheren oder heutigen) Nachbarn haben                    “Wampar-Leute” nennen sie sich selbst. Die Ety-
sich nach diesen Überlieferungen verändert. Grup-                  mologie von wampar ist nicht zu rekonstruieren,
pen spalteten sich ab oder gliederten sich an.                     direkte Nachfragen erbrachten nichts. Es gibt in
    Eines der zentralen Probleme jeder ethnologi-                  der Sprache viele Wörter unterschiedlichster Be-
schen Feldforschung war und ist das Problem des                    deutung, die mit w-, wa-, wam- oder wamp- begin-
Zeitraumes, für den die aufgenommenen und pub-                     nen. Die Partikel w- vor Verben gibt Vergangenheit
lizierten Daten gelten. Jede Ethnie befindet sich in               an. Ein vorangestelltes wa- ist eine Aufforderung,
Prozessen der Veränderung, mit erheblichen Unter-                  so etwa wa-mu, “mach!”. Viele Wörter und Namen
schieden allerdings des Tempos solcher Prozesse.                   beginnen mit wa- oder wam-, etwa waga (eine Ba-
Das Ideal ethnografischer Darstellung besteht dar-                 nanensorte), wam-eran (lügen), oder wampop (al-
in, Gemeinsames, Gültiges, Gleichzeitiges, eine be-                ter Garten). Ein Stamm par kommt nicht vor, das
stimmte Lebensweise, kurz eine Kultur festzuhal-                   Adjektiv mpar hat Bedeutungen wie “quer, falsch,
ten. Für die Wampar ist festzuhalten, dass Prozesse                verkrüppelt” und dürfte damit kaum als Grundbe-
der Veränderung immer schneller ablaufen und die                   deutung des Namens “Wampar” infrage kommen.
individuellen Verschiedenheiten damit immer grö-                      Ngaeng hat die allgemeine Bedeutung “Mensch/
ßer werden. Sowohl die Beobachtung von Verhalten                   en” oder “Leute”. Es wird zur Bezeichnung ethni-
als auch Befragungen und Gespräche führten und                     scher Einheiten gebraucht, so ngaeng Wampar,
führen deshalb zu teils sehr unterschiedlichen Er-                 ngaeng Yalu, ngaeng Adzera, aber auch für zusam-
gebnissen.                                                         menfassende Benennungen wie ngaeng a ruts oder
    So schrieb etwa Lütkes über das von ihr unter-                 ngaeng momoa, “Küstenvölker” oder “Bergvöl-
suchte Wampardorf Tararan (1999: ​43): “Jeder Ta-                  ker”. Tatsächlich findet es für alle Arten menschli-
raraner, den ich befragte, hatte seine ganz indivi-                cher Plurale Anwendung, so auch als ngaeng a Gab-
duelle Meinung über die einzelnen Aspekte seiner                   songkeg (Leute von [Dorf] Gabsongkeg), ngaeng
Kultur – und stellte diese meist als unumstößli-                   Montar (Leute von [Klan] Montar), ngaeng Ameri-
che Tatsache hin”. Beer hat ähnliche Erfahrungen                   ka (Amerikaner), ngaeng a mpuf (Albinos, ­Weiße).
beschrieben (2002: ​154), ebenso Doris Bacalzo                     Es sind nicht nur Ethnien oder Gruppierungen, die
Schwörer (2011) über das Dorf Dzifasing. Solche                    mit ngaeng bezeichnet werden, sondern auch bloße
Feststellungen grenzen die hier vorgelegten Aussa-                 Menschenmengen: Ngaeng mangke etsenon ean a
gen notwendig ein: Es handelt sich um Aussagen                     ram wasif dempes da bobomots moatsets – “Wenn
und Urteile einzelner in bestimmten Situationen.                   viele Menschen zusammen kommen und essen,
Das bedeutet auch, dass nach über hundert Jahren                   dann bleibt nur Abfall zurück”.
Kontakten mit der “modernen Welt” die Kultur der                      Substantive unterscheiden im Wampar nicht zwi-
Wampar sich immer weniger einheitlich darstellt.                   schen Singular und Plural. Ngaeng bezeichnet also
Was in den fünfziger oder siebziger Jahren Älteren                 nicht nur eine Gesamtheit oder Mehrheit, sondern
noch selbstverständlich war oder zumindest erinnert                wird auch für einzelne Personen gebraucht. So be-
wurde, war bereits zehn Jahre später Jüngeren nicht                deutet ngaeng Wampar eben auch “Wampar-Mann”,
mehr bekannt. So konnte ich etwa in den siebziger                  ngaeng oso ist ein Zauberer, ngaeng faring ein gro-
Jahren von Älteren noch Informationen zu Stein-                    ßer, ein bedeutender Mann. Deutlich wird an ande-
beilen (einem zentralen Element der alten Kultur)                  ren Formulierungen, dass ngaeng aber eben auch
erhalten. Zur gleichen Zeit aber war vielen jungen                 “Mensch” im Gegensatz zu “Nichtmensch” bedeu-
Leuten selbst das Wort ge (Steinbeil) nicht mehr be-               ten kann: Ngaeng a mogamog etao ngantam derots
kannt. Der Wandel von Tatsachen und ihre Sicht da-                 ngaeng en – “Die Menschen früher sahen den Mond
rauf verläuft immer schneller.                                     und hielten ihn für einen Menschen”.

                                                                                                           Anthropos  110.2015
                                              https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
                                       Generiert durch IP '46.4.80.155', am 25.10.2021, 22:45:46.
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Wir und die anderen                                                                                                345

    Ngaeng wird zwar in der allgemeinen Bedeu-                     Wampar onon – “die Wampar-onon”. In gleicher
tung “Mensch” gebraucht, doch auch in der Bedeu-                   Weise lässt sich das jeweils für andere Ethnien for-
tung “Mann”. So lange kein Zweifel besteht, belässt                mulieren, etwa für die Labu oder die Deutschen.
man es bei dem einen Wort. Etwa in einer Formulie-                     Die Bedeutung von onon ist vielfältig. So be-
rung wie ngaeng ongan, gea moanton emar – “ein                     zeichnet es einerseits “Stamm, Stumpf” von Bäu-
Mann, dessen Frau gestorben ist”. Ngaeng ari afi                   men, andererseits einen “Haufen”. Man kann es für
ist “Mann und Frau” oder “Männer und ­Frauen”.                     Haufen von Kokosnüssen (mos onon) oder Bananen
Erst wenn das Geschlecht betont werden soll, un-                   (gaen onon) gebrauchen und als onon onon bedeu-
terscheidet man etwa zwischen afi poaru, “alte                     tet es sowohl “Abfallhaufen” wie “Haufen von Leu-
Frau” und ngaemaro poaru, “alter Mann”. Nga-                       ten”. Die Aspekte des Zusammenfügens aber auch
emaro (Mann, männlich) ist zusammengesetzt aus                     des Aufteilens scheinen damit verbunden. Das zeigt
ngaeng und maro, dem Adjektiv “männlich” (also                     sich in Formulierungen wie epangap onon ongan
etwa “männlicher Mensch”). Von einer Frau, Frauen                  irid eama kani – “sie trennten sich und eine onon
oder “weiblich” spricht man dagegen ausschließlich                 kam hierher”; efaran imu onon orots inin – “sie ka-
als afi.                                                           men zusammen und wurden nur eine onon”.
    Neben ngaeng gibt es jedoch ein zweites Wort                       Als gleichbedeutend mit onon wurde von meh-
für “Mensch/en” oder “Leute”: garagab. Eine der                    reren Befragten pama angegeben, und man erklärte,
dzob mamafe (Geistergeschichten) hat den Titel Ge                  eins könne jeweils durch das andere ersetzt werden.
imu garagab und erzählt davon, wie ein “Steinbeil                  Andere behaupteten, pama sei nur in Verbindung
zum Menschen” wird (Fischer 1994: ​263, 309).                      mit dem Namen Wampar zu benutzen, also in der
Aber auch unter modernen Umständen spricht man                     Form pama Wampar. Wiederum andere sagten, das
von garagab. So etwa in dem Satz: Aru dzain da                     Wort werde heutzutage überhaupt nicht mehr ge-
garagab epaem, afaring moneng namba en – “Ich                      braucht. Wie andere Wörter hat auch pama mehrere
hole Betelnüsse, die Menschen kaufen sie und ich                   Bedeutungen, deren möglicher etymologischer Zu-
nenne den Preis dafür” (Fischer 1996: ​250). In di-                sammenhang unklar ist. So ist pama das Öl der ro-
rekten Befragungen ließ sich ein Unterschied ge-                   ten Pandanusfrucht, das (früher) auch als Körper-
genüber ngaeng nicht feststellen. Befragte erklär-                 bemalung verwendet wurde. Rafe pama ist eine
ten, es bestünde kein Unterschied, und man könne                   “Beleidigung” oder “Beschimpfung”.
statt ngaeng ebenso garagab benutzen. Etwa ga-                         Frühe Textaufnahmen machen deutlich, dass
ragab Wampar, garagab a mpuf (Wampar-Mann,                         pama auch für andere als die eigene Ethnie verwen-
Weißer Mann), auch garagab orots oder garagab                      det wurde: Ngaeng Wampar ges pama orots, nga-
mangke (ein Mensch, viele Menschen). Gelegent-                     eng Labu ges pama ongan – “Die Wampar sind eine
lich finden sich in Texten Gegenüberstellungen zu                  pama, die Labu eine andere”. Auch für Klans (sa-
mamafe (Geist, Geister): Mamafe imu mog, da ga-                    gaseg) wurde es benutzt: pama Owang rompon –
ragab imu tsong – “Geister waren zuerst, Menschen                  “die Einheit (der Klan) Owang rompon”. In einem
waren danach”. Garagab a dzob sind Geschichten,                    Text zur Geschichte der Wampar werden verschie-
die von Menschen handeln – im Gegensatz zu dzob                    dene Einheiten als pama aufgezählt, die später die
mamafe, “Geistergeschichten”.                                      Lae-Bevölkerung bildeten. Diese Aufzählung macht
    Garagab ist eine Kombination aus gar (Körper)                  nicht klar, ob es sich jeweils um Klans oder um eth-
und gab (Dorf, Siedlung). Tatsächlich scheint die                  nische Einheiten gehandelt hat. Überlieferungen
Betonung von garagab im Körperlichen und auch                      machen aber deutlich, dass tatsächlich immer wie-
in Sterblichkeit zu liegen. So bedeutet gar in vie-                der Übergänge von dem einen zum anderen stattfan-
len Zusammensetzungen “Toter”: gar ono payap,                      den. Aus Ethnien oder Teilen von Ethnien wurden
“Totenschädel”, gar onon a mpru, “Leiche ohne                      Klans anderer Ethnien oder umgekehrt.
Kopf”. Im Zusammenhang mit der Bezeichnung                             2009 erst hörte ich die Formulierung: Germani
von Fremdgruppen allerdings konnte der Gebrauch                    a mpan its a tir ari Australia mpan – “Die mpan
von garagab jedoch kaum festgestellt werden.                       Deutschland führte Krieg gegen die mpan Austra-
    Was genauer auf Wampar eine “Ethnie”, ein                      lien”. Auf Nachfragen wurden dann die folgenden
“Volk” oder einen “Stamm” bezeichnet, ist nicht                    Möglichkeiten des Gebrauchs von mpan aufgezählt:
eindeutig zu bestimmen. In verschiedenen Zusam-                    ngaeng Wampar a mpan, ngaeng Labu mpan, nga-
menhängen aufgenommener Texte finden sich aber                     eng Watut a mpan. Es sind Namen von Ethnien in
neben ngaeng Formulierungen und Namen, die mit                     Verbindung mit mpan, die jeweils auch mit nga-
onon zusammengesetzt sind. Auf Befragen wur-                       eng (Leute, Menschen) formuliert werden können.
de formuliert: Wampar ngaeng onon orots – “Die                     Mpan scheint in diesen Zusammenhängen als “eth-
Wampar sind eine onon von Menschen”. Aber auch:                    nische Einheit” verstanden zu werden.

Anthropos  110.2015
                                         https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
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   Während früherer Forschungsaufenthalte wur-                     ngaeng a tir ja auch “Mann des Krieges” bedeuten.
de mpan jedoch deutlich eher im Sinne von “Nach-                   Doch die Wampar führten auch Kriege untereinan-
kommenschaft” gebraucht. So sprach man etwa von                    der, etwa zwischen Dörfern. Verschiedene Befragte
Hiob a mpan – “Hiobs Nachkommen”. Hiob selbst                      gaben dann auf die Frage nach einer Übersetzung
sagte: Egret imu edza mpan – “Egret [seine Enkelin]                von enemy unterschiedliche Antworten: ngaeng ya-
gehört zu meinen Nachkommen”. Aber man sprach                      ner, ngaeng a tir und ngaeng mimi moin. Mimi moin
auch von Orog renan a mpan, den “Angehörigen                       ist das Wort für “Galle” (mimi, “Eingeweide”; moin,
des Klans Orog renan”, ohne sich auf eine bestimm-                 “scharf, bitter”). Man drückt damit eher aus, dass
te Person und deren Nachkommen zu beziehen. Der                    man jemanden hasst oder wütend auf ihn ist. Nga-
Terminus mpan scheint ursprünglich – bzw. noch                     eng mimi moin wären “die Verhassten”.
vor einigen Jahrzehnten – für Ver­wandt­schafts­                        Stellen in von Missionar Panzer (1917) publi-
einhei­ten, Nachkommenschaft, für Lineages und                     zierten Texten machen eine andere Opposition zu
auch ganze Klans gebraucht worden zu sein. Die                     yaner und ngaeng a tir deutlich. Da heißt es, eine
(relativ seltene) Anwendung auf Ethnien scheint                    Folge der Missionierung sei: Ngaeng Wampar iri
erst in neuerer Zeit entstanden zu sein.                           ngaeng yaner imu neron en eran – “Die Wampar
   Das Verb mpan-eran bedeutet “beiseite gehen,                    und die Fremden wurden Freunde miteinander”.
beiseitelegen”, man kann es auch mit “ablegen”                     Dabei wird neron als Gegenteil von ngaeng a tir
übersetzen. Eine Bedeutungsähnlichkeit mit “Nach-                  verstanden. Doch ist die Bedeutung von neron et-
kommen” wird damit erkennbar.                                      was anders als “Freund” im Deutschen. Auch Ver-
                                                                   wandte etwa werden in diese Kategorie einbezo-
                                                                   gen. So wurde aufgezählt: Neron arits: rasen ma
2 … und die anderen?                                               farangan ma nafon ma sera – “Seine neron: Brüder
                                                                   und Vettern und Schwestern und andere”. Und auch
Wie nennt man Nichtwampar zunächst ganz allge-                     was im Englischen als girlfriend oder boyfriend ver-
mein? Die üblichste und häufigste Gegenüberstel-                   standen wird, drückt man im Wampar so aus: Nga-
lung im Zusammenhang mit anderen ethnischen                        eng ari afi ges imu neron en eran – “Der Mann und
Gruppen ist die von ngaeng Wampar / ngaeng ya-                     die Frau sind Freunde miteinander” (“sind verliebt”
ner – “Wampar-Leute” / “fremde Leute”. Ngaeng                      oder “haben ein Verhältnis”). Doch selbst ein ein-
yaner sind Nichtwampar, sind die “anderen”, die                    sames Schwein, das einzige Schwein eines Haus-
“Fremden”. Mehrfach wurde allerdings betont, dass                  halts, erhielt den Namen Neron ema – “es hat keine
man mit ngaeng yaner nur Einheimische meine,                       Freunde”. Hier wird also mit neron eher das Zusam-
also Menschen aus Neuguinea. Nicht Weiße oder                      mensein, das Miteinandersein betont.
Asiaten.                                                               Zum anderen wurde für neron die Bedeutung
    Das Wort yaner enthält Elemente, die Hin­weise                 “Frieden” angegeben als Opposition zu tir (Krieg).
auf seine Bedeutung geben. So bedeutet ya-ran als                  Der oben angegebene Satz “sie wurden wieder
Verb “gehen”. Die Form eya (wörtlich “er/sie/es                    Freunde”, wäre also auch mit “sie hatten wieder
geht”) bedeutet “hin” und damit “weg” vom Spre-                    Frieden” zu übersetzen. Neron hat allerdings meh-
cher. Das wird in Formulierungen deutlich wie: De-                 rere weitere Bedeutungen. Es wird auch im Sinne
reng eya Wantsef – “Sie schauten hin zum Mark­ham                  von “Besitzer”, “Eigentümer” oder im Deutschen
Fluss” oder: Anug epeng edza eya Rawe moatsets –                   “Halter” verwendet: Idzum neron sera? – “Wer ist
“Meine Mutter hat mich dort in Rawe moatsets ge-                   der Besitzer/Halter des Hundes?”.
boren”. Erläutert wurde, dass es sich bei einem nga-                   Was ist anders an einem ngaeng yaner? Die Fra-
eng yaner auch um jemanden handeln könne, der                      ge wurde mit verschiedenen Formulierungen beant-
“unbekannt” ist. Das kann auch ein anderer Wam-                    wortet. So antworteten einige Befragte: Ges a ga-
par sein. Auf die Frage, was denn dann das Gegen-                  ragab maran ongan, wörtlich übersetzt: “Sie sind
teil hierzu sei, wurde formuliert: ayatin – “ich ken-              Menschen mit anderem Aussehen”. Diese Über-
ne ihn”.                                                           setzung von maran ongan als “anderes Aussehen”
    Zunächst schien eindeutig, dass der Gegensatz                  ist allerdings problematisch. In den meisten Zu-
zu “Wampar” (ngaeng Wampar) eben “Fremde”                          sammenhängen bedeutet es schlicht “anders”. Das
(ngaeng yaner) sind. Doch wurde erläutert, dass alle               Substantiv mara-n steht zwar für “Auge, Gesicht,
Fremden früher gleichzeitig Feinde gewesen seien,                  Aussehen, Vorderseite, Oberseite”, aber in vielen
dass man gegen alle Krieg geführt hätte. Als “Fein-                verschiedenen Zusammensetzungen auch für “Art
de” wurde ngaeng a tir angegeben (tir, “Krieg”).                   und Weise”. Ongan bedeutet “ein / ein anderer”.
Allerdings bezeichnete man damit auch Wampar,                      Der angeführte Satz, der hier tatsächlich ein ande-
die gute Krieger waren. Wörtlich übersetzt kann                    res Aussehen betont, wurde von einigen Befragten

                                                                                                           Anthropos  110.2015
                                              https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
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Wir und die anderen                                                                                                 347

ausdrücklich auf Australier und Amerikaner bezo-                       Ein anderes Verb, tarator-eran (ähnlich sein),
gen, nicht auf Menschen aus Neuguinea. Er wurde                    wird ebenfalls auf Individuen bezogen, nicht auf
weiter erläutert: Ges rene gangkan maran ongan –                   Gruppen: Ngaeng okai mara nidzin etarator a gea
“ihre Haut ist anders”.                                            – “dieser Mann sieht ihm ähnlich”. Letztlich aber
    Hierzu meinten dagegen andere Befragte, es                     wurden damit eben doch Individuen zweier benach-
gehe bei maran ongan eben gerade nicht um das                      barter Ethnien als in mehrfacher Hinsicht den Wam-
Aussehen, auch nicht bei Wampar. Es gehe um Sit-                   par ähnlich bezeichnet: solche bei den südlich be-
ten. So wurde etwa formuliert: Ngaeng maran on-                    nachbarten Watut und den nordwestlichen Adzera.
gan inin – “Ein Mann ganz anders”. Gemeint sei                         Was man denn eigentlich als Wampar sage, wie
damit etwa ein Mann, der seine Frau schlägt oder                   man sich äußere, wenn Fremde anders seien, sich
geizig ist. Aber schon in älteren Texten steht ma-                 anders, falsch oder merkwürdig verhielten, fragte
ran ongan für “Unbekannter, Fremder”, eine For-                    ich. Da bleibe nur Spott sagte man: Ngaeng idzi­
mulierung, die 2009 als nicht (mehr) üblich abge-                  dzim­pi ip en ngaeng yaner, da ngaeng wasif efa-
lehnt wurde. Ein sprachlicher Wandel ist erkennbar.                ne – “Man imitiert die Fremden, und alle Leute la-
    Unterschiedlichkeit, Verschiedenheit kann auf                  chen”. Zwar sind die englischen Wörter joke und fun
mehrere Arten ausgedrückt werden. Als Frage wur-                   längst bekannt, doch gelang es mir nie, auch nur ei-
de formuliert: Mo, ngaeng Labu ges moadzi sera                     nen einzigen Witz auf Wampar über Fremde zu fin-
eran afis a non Wampar moadzi? – “Also, welche                     den. Die einzigen Beispiele für witzige Bemerkun-
Sitten der Labu sind anders als die Sitten der Wam-                gen waren die Pidgin-Formulierung bai mi laitim
par?”. Afis (anders) betont jeweils Verschiedenheit                lam nau – “ich mache jetzt die Lampe an”, wenn
und Unterschiedlichkeit. Die Bedeutung reicht von                  ein Buka in die Nähe kommt – ein Dunkelhäutigerer
“andersartig” und “verschieden” bis “andernorts”                   also, den man deshalb nicht sehen könne –, und die
und “abseits”. 2009 formulierte dann ein Befragter:                Bemerkung size twenty-eight, eine sehr kleine Klei­
Ngaeng Labu ges eran afis a non yaer – “Die Labu                   der­größe für einen Hochland-Mann, einen Klein-
sind anders als wir”. Tatsächlich ist die Formulie-                wüchsigeren. Beides sind keine Formulierungen auf
rung noch etwas betonter in Bezug auf Verschieden-                 Wampar. Die schon vor Jahrzehnten gehörte komi-
heit: non ist wörtlich “weg von”; hier im Sinne von                sche Formulierung double plug (Doppelstecker) für
“gegenüber” oder “entgegen”.                                       jemanden, der mehrere sexuelle Beziehungen hat,
    Auch das Adjektiv tsamo wird verwendet, zu                     ist sogar Englisch. Dabei gibt es im Wampar durch-
dem mehrfach erläutert wurde, es beziehe sich auf                  aus den Ausdruck dzob îp, der mit “Spaß, Witz” zu
Sitten, nicht auf Sprache oder Aussehen. So sagte                  übersetzen wäre. Doch erhielt ich auf Nachfragen
man, die Anga (Kukukuku, Menyamya) seien frü-                      immer nur Hinweise auf einzelne Personen, die sich
her ngaeng mara tsamo (Menschen anderer Art) ge-                   “witzig” ausdrückten.
wesen, und meinte damit ihre Lebensweise vor der                       “Beschimpfungen” von Fremdgruppen wurden
Missionierung. Danach seien sie ngaeng atro ge-                    nicht festgestellt. Es gibt zwar Beschimpfungen
worden, etwa: “fromm” (christlich).                                durch Vergleiche, aber sie vergleichen nur Einhei-
    Auch für das Verb rib-eran wurden die Bedeu-                   mische mit Tieren, nicht Fremde. Etwa yai ofa id-
tungen “fremd” oder “andersartig sein” angegeben.                  zum (du bist wie ein Hund), wenn jemand hinter
So in Formulierungen wie maran irib (sein Aus-                     Frauen her ist. Andere scheinbare Vergleiche sind
sehen ist anders) oder ngaeng irib (der Mann ist                   für die Wampar selbst nicht komisch, sie wirken
anders), die gelegentlich für eingeheiratete Nicht-                nur auf Europäer so. So werden etwa Leute vom
wampar verwendet wurden. Eine andere Bedeu-                        Sepik auch “Pukpuk” genannt. Pukpuk ist das Pid-
tung von rib-eran ist allerdings “arm sein, nichts                 gin-Wort für Krokodile, die eben am Sepik vorkom-
haben”. Auch das ist eine Betonung von Verschie-                   men. Doch ist kein Vergleich gemeint. Man sagt
denheit (und Abwertung).                                           also nicht, die Sepik-Leute seien “wie” Krokodile,
    Die umgekehrte Frage, ob andere Ethnien den                    sondern nennt sie nur nach einer Besonderheit ihres
Wampar ähnlich seien: Wampar efa bedeutet “wie”                    Siedlungsgebietes.
und damit Gleichheit. Als witziger Bei­spiel­satz                      In der Veröffentlichung “Wörter und Wandel”
wurde angeführt: fa wante efa kuwik – “lang­bei­nig                (2000: Kap. 4) hatte ich mich ausführlich mit dem
wie ein Kasuar”. Doch wird er auf Individuen bezo-                 beschäftigt, was auf Wampar dzob anawatu, dzob
gen und nicht kollektiv auf Fremdgruppen (Fischer                  watsots oder dzob mara gampoan heißt. Es handelt
2000: ​195). Zu Objekten, Praktiken, Sied­lungs­                   sich dabei um Redewendungen, Sprüche und Ver-
weise, Umwelt und anderem wurde aber in Einzel-                    gleiche. Als Beispiele seien hier angeführt: gea imu
fällen durchaus etwa ausgedrückt, das sei efa Wam-                 mois orofo – “er ist ein Eisenholz-Pfosten” (ein tap-
par – “wie die / wie bei den Wampar”.                              ferer Mann), oder idzum egaup nidzin ema – “der

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                                         https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
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Hund bellt, es gibt keinen Grund” (jemand, der im-                      Dziru erzählte mir diese Geschichte dreimal,
mer nur redet). Eine einzige vergleichende Rede-                   weil er meinte, jeweils etwas vergessen zu haben.
wendung bezog sich auf die Haut von Weißen: rene                   Es geht um “sehr kleine Menschen”, um “­Zwerge”.
gangkan efa misis ear ear – “Haut ist glänzend wie                 Nach der ausführlichsten Fassung waren (oder
die einer Weißen”. Damit war jedoch keine Wer-                     sind?) sie so klein, dass, als sie einmal gegen das
tung verbunden.                                                    hohe spitze (Kunai-)Gras in der Grasebene des
                                                                   Markham-Flusses kämpften, einige davon erstochen
                                                                   wurden. Das fanden Zuhörer sehr komisch. Dabei
3 Sie sehen anders aus                                             bezieht man diese Geschichten heute auf bestimm-
                                                                   te Ethnien, wie etwa die deutlich kürzeren Ku­ku­
Die Wampar wurden in frühen Berichten als beson-                   kuku oder Anga.
ders groß, größer als andere Völker Neu­gui­neas,                       2004 hörte ich wieder von den Zwergen. Man
beschrieben. Sie selbst empfanden sich wohl ihren                   erzählte mir, eine Frau hätte einige von ihnen an
Nachbarn gegenüber ebenso. Die zunehmenden                         ­einem Teich gesehen. Sie seien nur etwa einen Me-
Kontakte mit Angehörigen anderer Ethnien, vor al-                   ter groß gewesen und hätten dicke Bäuche gehabt,
lem mit den deutlich kleineren Hochlandleuten und                   ansonsten aber wie Menschen ausgesehen. Nach
schließlich auch mit Asiaten – Chinesen und später                  dieser Erzählung hielt man sie nun wohl doch eher
Japanern – machten immer mehr Unterschiede in                       für Geister. Nachdem ich mich 2009 nochmals über
der Körpergröße deutlich, die sich in Bezeichnun-                   diese Zwerge unterhalten hatte, wurde in der nächs-
gen für Fremde ausdrückten.                                         ten Umgebung plötzlich mit dem größten Vergnü-
     Ngaeng wante (lange Leute) ist teils noch heute                gen alles Mögliche ngaeng manaman genannt:
eine Bezeichnung für Weiße, die im Durchschnitt                     Schulkinder, Babies, die kleingeratene Tochter und
eben größer sind als Wampar, wobei darunter Deut-                   der unbeliebte Nachbar. Das ist ein Hinweis dar-
sche, Australier und Amerikaner verstanden werden.                  auf, dass solche Bezeichnungen auch kurzfristigen
Oppositionen zu “groß” zur Beschreibung Fremder                     Moden unterworfen sind. Diese fast vergessenen
werden allerdings deutlich bevorzugt. Das gilt für                  Zwergwesen, die man komisch fand, sind der An-
ngaeng a ngkoats (kurze/kleine Leute), ein Aus-                     lass für die Bezeichnung auch von Hochländern als
druck, der neben anderen auch auf Japaner bezo-                     ngaeng a manaman. Allerdings hatte ich 2004 auch
gen wurde, die man im Zweiten Weltkrieg kennen-                     erstmals gehört, dass man sie inzwischen auch auf
lernte. Ngkoats ist “kurz” (aom a ngkoats – “kurzer                 (fast) Englisch als dowôf verspottete, als “dwarfs”.
Speer”), “niedrig” (momoa ngkoats – “niedriger                          Asiatinnen, die man in der Stadt Lae sehen kann,
Berg”) und “klein” von Menschen. Gesteigert als                     werden gelegentlich auf Pidgin als liklik toi meri
ngaeng a ngkoatsangkoats (sehr kurze Leute), be-                    bezeichnet, etwa “kleine Spielzeug-Frauen” (Beer
zeichnet es Hochländer oder Anga (Kukukuku),                        2006b: ​113). Die zunehmende Kenntnis des Engli-
die im Durchschnitt kleiner als Wampar sind und –                   schen stellt nun also weitere Möglichkeiten zur Ver-
auch deshalb – in nicht besonders hohem Ansehen                     fügung.
­stehen.                                                                Mehrere Bezeichnungen für Fremdgruppen sind
     Erst 2004 tauchte in Unterhaltungen ein Bezug                  mit ono zusammengesetzt, so Ono wante, Ono gam-
 auf ältere Überlieferungen auf, als man von Hoch-                  pig oder Ono wabung. Diese Zusammensetzungen
 landleuten spöttisch auch als ngaeng a manaman                     enthalten das Substantiv ono-n (Kopf), das in der
 sprach. Allerdings warf einer der älteren Anwe-                    Form ohne Personalsuffix nur in Zusammensetzun-
 senden sofort zur allgemeinen Erheiterung ein, die                 gen vorkommt. Ob ein Zusammenhang mit dem
 Leute aus dem Hochland seien doch auch dafür zu                    vorher genannten, unveränderlichen onon besteht,
 klein. Dahinter stecken tradierte Erzählungen, die                 ist nicht klar. Ono wante (lange/hohe Köpfe) ist der
 tatsächlich meist von den ngaeng manaman a mpo                     Name einer Gruppe, von der man bei frühen Feld-
 berichten, etwa als “Zwergen vom Wasser”. 1965                     aufenthalten erzählte, sie hätten eine eigene Sprache
 hatte ich drei Fassungen dieser Erzählung von dem                  (“wie die der Yalu”) gehabt und am Markham Fluss
 ehemaligen Lehrer Dziru aus Ngasawapum aufge-                      gesiedelt. Sie wurden von den Wampar verjagt nach
 nommen und eine dieser Fassungen als Originaltext                  Busamang und Butibam (Lae) und übernahmen die
 und in Übersetzung publiziert (Fischer 1994: ​338 f.,              Sprache der Bukaua. Einige von ihnen aber wurden
 172 f.). In dem veröffentlichten Text spricht Dziru                Teil des Wampar-Klans Montar.
 von ngaeng a ngkaots taet ongan, von “ganz kurzen                      Zwei weitere Zusammensetzungen mit ono be-
 kleinen Leuten”. Tatsächlich liegt mir eine noch äl-               deuten beide etwa “großer Kopf”, wobei erläutert
 tere Fassung vor, die in dem ersten Lesebuch steht,                wurde, dies sei eine unbeliebte Kopfform. Doch
 das Karl Panzer veröffentlichte (1917: ​34).                       wurden keinerlei geistige Merkmale damit verbun-

                                                                                                           Anthropos  110.2015
                                              https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
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Wir und die anderen                                                                                               349

den. Beide dienten der (heimlichen) Bezeichnung                     deren hingewiesen. So erzählte man mir von zwei
von Deutschen: ono gampig und ono wabung. Wa-                       Kindern eines Mannes, der mit einer Tolai-Frau ver-
rum Deutsche so genannt wurden, konnte niemand                      heiratet war. Der ältere Sohn sehe aus wie ein Wam-
erklären. Von älteren Männern in Gabsongkeg wur-                    par. Aber die jüngere Tochter wie eine Tolai. Sie
de erinnert, man habe während des Krieges (heim-                    habe eine Tolai-Nase, kurz und breit (so bubung),
lich) von den Deutschen als den ono gampig gespro-                  eine unbeliebte Nasenform. Auf die Nase bezieht
chen, wenn Australier in der Nähe waren. In keiner                  man sich auch bei der Erwähnung von Japanern, die
der vielen aufgenommenen Erzählungen taucht eine                    man im Zweiten Weltkrieg in einigen Wampar-Dör-
dieser Bezeichnungen jedoch auf.                                    fern kennenlernte. Gewöhnlich spricht man von ih-
    Auch Haare, das Kopfhaar und auch Körper-                       nen zwar als ngaeng a ngkoats (kurzen Menschen),
behaarung werden gelegentlich zur Beschreibung                      jedoch auch als ngaeng a son a ngkoats (Kurz­nasen-
Fremder genutzt. So spricht man (spöttisch) von                     Menschen) und ähnlich auf Pidgin als sotnus (Kurz-
gwanang ono fofon und meint damit die hellen                        nasen).
Haarspitzen der Tolai von Neubritannien und ei-                         Hochland-Frauen wiederum wird ein starker
niger Ethnien der Nord-Salomonen. Ono fofon ist                     Bartwuchs (mu fofon) zugeschrieben. Sie müssten
“Kopfhaar”, gwanang ist der Kụs­kus, das Beutel-                    sich eigentlich rasieren. Vor allem aber sei dieser
tier, auf dessen Fellfarbe man sich bezieht. Übrigens               Bartwuchs Ausdruck ihres männlichen Charakters:
kann man das auch verkürzt als gwanang (Kụs­kus),                   Sie seien aggressiv und streitsüchtig (Beer 2002: ​
als ono waro dzung (Gelbkopf) und auf Pidgin als                    149).
yelotop ausdrücken (s. a. Beer 2002: ​138). Der Kụs­                    Auf die Augen, die Augenform, bezieht sich
kus hat in Redewendungen keine unbedingt positi-                    mara gumpug (großäugig), wie etwa mara gum-
ve Bedeutung. Da gibt es den Spruch: Imu gwanang                    pug efa kukuk – “großäugig wie der kukuk-Vogel”.
da emepemeap orog – “Sie ist ein Kụskus und steigt                  Große Augen scheinen eine unbeliebte Form dar-
von einem Baum auf den anderen”. Gemeint ist da-                    zustellen, was aus Bemerkungen über junge Mäd-
mit eine Frau, die Beziehungen zu mehreren Män-                     chen hervorgeht. Nach den Untersuchungen von
nern hat, also promiskuitiv ist.                                    Beer geht es dabei allerdings weniger um die Grö-
    Gegenüber Beer äußerte man in neuerer Zeit,                     ße der Augen als um die Form (hervortretende Au-
dass das Haar der Hochlandleute so fest und kraus                   gen, “Glubschaugen”).
sei, dass es “wie Stahlwolle zum Schrubben von                          Außer Beschreibungen, spöttischen Bezeichnun-
Töpfen geeignet” sei. Als noch merkwürdiger emp-                    gen oder Namen für Fremde, die sich auf den Kopf
findet man aber das blonde Körperhaar auf dunkler                   beziehen, spielt die Form des restlichen Körpers
Haut bei den Tolai (Beer 2002: ​148).                               kaum eine Rolle. Nur die Füße werden gelegent-
    Gesichter scheinen in der Beurteilung und Kate-                 lich erwähnt. So werden die Hochlandleute allge-
gorisierung Fremder eine geringe Rolle zu spielen.                  mein als fan bubung (Breitfüße) bezeichnet. Bubung
Zwei Ausdrücke wurden als “anders aussehen”, be-                    ist ziemlich allgemein ein Adjektiv für Merkmale,
zogen auf das Gesicht, angegeben: grapagrap und                     die nicht beliebt sind. So gibt es neben so bubung,
srupusrup. Maran egrapagrap wurde zunächst um-                      der hässlichen “breiten flachen Nase”, auch mpi bu-
schrieben mit “er hat ein Gesicht wie ein Geist oder                bung, die “volle Blase”, was ein Ausdruck für Feig-
jemand aus einem anderen Gebiet”, von anderen nur                   heit ist.
als “runzelig”. Gewöhnlich werden mit grapagrap                         Erst mit dem Kommen der Weißen dürften Un-
Oberflächen von Pflanzen beschrieben: Su ear da                     terschiede der Hautfarbe eine Bedeutung erhalten
orog yafan egrapagrap faring – “Die Sonne schien,                   haben. Von Weißen spricht man heute als ngaeng a
und die Blätter sind völlig schrumpelig”. Das Verb                  mpuf (weiße Menschen), was vielleicht eine Über-
grapagrap-eran taucht in aufgenommenen Texten                       setzung von Pidgin waitman ist. Das Adjektiv mpuf
in keinem anderen Zusammenhang auf. Man war                         bezeichnet “weiß”, allerdings auch “hell”, “blond”
sich einig, dass man so etwas nur von Menschen                      oder selbst “hellgrau”. Die Haut der Weißen wurde
sagt, auf die man wütend ist, aber eben gelegent-                   früher jedoch als renen a wi beschrieben, als “rote
lich auch zum Spaß. Maran isrupusrup beziehe                        Haut”. Man spricht heute dagegen (unter modernen
sich ebenfalls auf Gesicht oder Haare. Verschiede-                  Einflüssen?) von renen a mpuf bzw. rene gangkan a
ne Befragte beschrieben solches Aussehen als “un-                   mpuf (wörtlich: “weiße Haut”). Gemeint ist jeweils
rasiert”, “ungewaschen” oder “unausgeschlafen”.                     “Haut der Weißen”. Mit ngaeng a mpuf bezeichnet
Beide Ausdrücke beschreiben aber vor allem ande-                    man jedoch auch Albinos, und es ist wahrscheinlich,
re Wampar, seltener Fremde.                                         dass dies die ursprüngliche Bedeutung ist, die auf
    Gelegentlich wird in Einzelfällen auf Unterschie-               die ähnlich aussehenden Weißen übertragen wur-
de zwischen dem Aussehen von Wampar und an-                         de. Auch afi mpuf, heute wörtlich für “weiße Frau”,

Anthropos  110.2015
                                          https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
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hatte ursprünglich eine andere Bedeutung, die unter                ließen dann Charakteristiken und Werturteile über
modernen Bedingungen jedoch nicht mehr zutrifft.                   die verschiedenen Nationalitäten von Weißen und
Es war eine Bezeichnung für “Witwe”. Witwen                        Asiaten entstehen. Die drei bekannten Nationalitä-
pflegten sich früher mit weißer Erdfarbe als Zeichen               ten der Weißen wurden deutlich unterschiedlich be-
der Trauer einzureiben. Eine Sitte, die schon seit                 urteilt: Australier als unfreundlich und geizig, Ame-
Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten ist.                          rikaner als freundlich und freigiebig, Deutsche als
    Helle Haut scheint jedoch insgesamt als posi-                  zwar freundlich, aber nicht freigiebig. So machte
tiv betrachtet zu werden und schon früher betrach-                 ich die Erfahrung, dass ein unfreundlicher Deut-
tet worden zu sein. Junge Mädchen wurden vor der                   scher (ein Missionar) als “Australier” bezeichnet
Missionszeit während ihrer ersten Menstruation in                  wurde, ein freundlicher Australier (ein Kolonialbe-
einem Haus (pitsu) abgesondert, wo sie für eini-                   amter) als “Amerikaner”.
ge Zeit bleiben mussten. Man entzündete ein Feu-                       Die üblichste Bezeichnung für “Weiße” ist bum-
er unter dem Flechtboden des Hauses, sodass die                    pum, auch wenn sie als nicht besonders höflich gilt
Mädchen schwitzten. Wie es in einem aufgenom-                      (masta ist höflicher). Auch die verschiedenen Natio-
menen Text dazu hieß: “Ihr Schweiss lief und aller                 nalitäten von Weißen können mit bumpum bezeich-
Schmutz auf ihrer Haut ging weg. Und sie glänzten                  net werden, also bumpum Dzeaman oder bumpum
wie weisse Sago-Triebe. Sie blieben drinnen und ihr                Austrelia. Das Wort bumpum ist weit verbreitet, vor-
Schweiss lief und lief und danach glänzten sie wie                 wiegend in Gebieten der Neuendettelsauer Mission.
weisse Frauen” (Fischer 1978: ​64). Im Originaltext                Es stammt nämlich aus dem Jabêm, der von die-
heißt es zum übersetzten “wie weisse Frauen” aller-                ser Missionsgesellschaft in Gebieten mit aus­tro­ne­
dings “efa misis” (Fischer 1978: ​277). Tatsächlich                sischen Sprachen genutzten Missionssprache. Nach
spricht man von weißen Frauen fast immer als mi-                   dem Wörterbuch von Streicher (1982) handelt es
sis (Pidgin), so wie ein Weißer gewöhnlich als mas-                sich um Jabêm bômbôm, von dem es heißt: “origi-
ta bezeichnet wird.                                                nally bombom light coloured skin”.
    In mehreren Veröffentlichungen war ich bereits                     Der Gegensatz zu ngaeng a mpuf sind die ngaeng
auf Vorstellungen der Wampar von Weißen einge-                     fose, die “schwarzen Menschen” (Pidgin: bilakskin).
gangen. Zum Einen im Zusammenhang des eige-                        Darunter werden Menschen aus anderen Teilen
nen Erlebens, dass ich von einigen Leuten “meines                  Neuguineas, aber auch Afrikaner, australische Ur-
Dorfes” als zurückgekehrter Totengeist betrachtet                  einwohner und selbst Polynesier verstanden. Sehr
wurde. Und dies noch im Jahr 1965 (Fischer 1966,                   wahrscheinlich ist, dass dieser Gegensatz erst unter
1987). Zum Anderen im Zusammenhang der Be-                         europäischem Einfluss als Übersetzung entstanden
richte über erste Kontakte zwischen Wampar und                     ist. Denn so wie man die Haut der Weißen eigentlich
Weißen (Fischer 1992). Aus Texten in diesen Pu-                    ja als “rote Haut” beschrieb, und in Farben wi (rot)
blikationen geht hervor, dass man sich noch wäh-                   als Gegensatz zu fose (schwarz) verstanden wird, so
rend meiner Feldforschungen von Prophezeiungen                     hatte auch ngaeng fose ursprünglich eine ganz ande-
erzählte, die die Rückkehr der Geister eigener Ver-                re Bedeutung. Es bezeichnete (wie allerdings auch
storbener als Weiße ankündigten (Fischer 1992: ​                   ngaeng a wi) Zauberer (zu Farbbezeichnungen der
Kap. 6). In der Veröffentlichung wurden Aussagen                   Wampar siehe Fischer 2000: ​150).
zusammengestellt, die allgemein formulierten, dass                     Inzwischen sind den Wampar viele andere Eth-
die Toten ihre (dunkle) Haut abwerfen und zu Wei-                  nien in Papua New Guinea bekannt, auch Unter-
ßen werden. Totengeister sind weiß, Weiße können                   schiede in deren Hautfarben. Besonders die Buka,
daher als Geister betrachtet werden. In dem frühen                 Bewohner der nördlichsten Insel der Salomonen,
Lesebuch von Panzer (1917: ​26) findet sich ein auf-               gelten in dieser Hinsicht als extrem, als besonders
genommener Text, in dem von den ersten Weißen                      dunkelhäutig. So hörte ich vor längerer Zeit schon
als su naron a mpuf – “kleinen weißen Sonnen” –                    buka als Substantiv oder Adjektiv gebraucht für sehr
gesprochen wird.                                                   dunkelhäutige Menschen, meist allerdings in Pid-
    Nicht zuletzt aber ging es immer auch um die                   gin-Formulierungen. Spöttisch gemeinte Äußerun-
Güter der Weißen. Teils wurde sogar gesagt, die                    gen über Menschen dunklerer Hautfarbe wurden in
eige­nen Totengeister gingen nach Deutschland, pro­                letzter Zeit deutlich häufiger. So schreiben Beer und
du­zier­ten dort Güter und schickten sie mit ­einem                Lütkes (2004: ​140), sie hätten mehrfach die Äuße-
Schiff nach Neuguinea. Die Namen der Empfänger                     rung über Fremde gehört: “Die/Der hat ein Gesicht
stünden auf den Kisten. Es seien die bösen Austra-                 wie ein verrußter Kochtopf”. Erst 2009 notierte ich
lier, die diese Aufschriften änderten, so dass die Gü-             auch die Formulierung ngaeng min (etwa “Mann
ter an sie gingen (Fischer 1987: ​103). Vor allem die              der Dunkelheit”), und dass man, wenn so ein Dunk-
Ereignisse des Zweiten Weltkriegs in Neuguinea                     ler kommt (wenn die Dunkelheit kommt), folgen-

                                                                                                           Anthropos  110.2015
                                              https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
                                       Generiert durch IP '46.4.80.155', am 25.10.2021, 22:45:46.
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Wir und die anderen                                                                                                  351

de Bemerkung auf Pidgin machte: Moa beta bai mi                     und Lae und andere Küstenstämme hat man auch
laitim lam nau – “Ich zünde jetzt wohl besser die                   die Bezeichnung ngaeng a ruts – “Meeresleute”
Lampe an”.                                                          (ruts: “Meer”). Selbst für Inselbevölkerungen gibt
    1976 erschien im Journal of the Morobe Dis-                     es eine Bezeichnung, doch ist zu bedenken, dass die
trict Historical Society der Abdruck eines Vortrags,                Wampar vor modernen Kontakten gar keine Bevöl-
den Jesaja Kingasa aus dem Dorf Munun bei einem                     kerungen auf Inseln kannten. Man nennt diese daher
Treffen der Gesellschaft gehalten hatte. Der Vortrag                heute manchmal ngaeng dau mpes. Der Ausdruck
wurde auf Pidgin gehalten und so auch abgedruckt.                   dau mpes bezeichnet ein Waldstück in Grasland und
Es ging dabei um erste Kontakte der Wampar mit                      wurde wohl auf Inseln ausgeweitet. Häufiger scheint
Weißen und ihren Begleitern und die Diskussion da-                  jedoch ngaeng mra pan ongan zu sein, “Leute auf
rüber unter den Bewohnern von Munun. In diesem                      einem Stück Land”.
Text taucht neben der Bezeichnung buka auch ono                        Das Wort dau (Wald, Urwald, Busch) ist ein viel-
koko auf. Im Zusammenhang mit buka wurde ange-                      deutiger Begriff. Unter ngaeng dau werden nicht
nommen, dass dieser Mensch seine Haut mit Holz-                     nur “Waldbewohner” verstanden, sondern negativ
kohle eingerieben hätte. Die Bezeichnung ono koko                   und abwertend auch “Buschleute”. Eine Neigung ist
für eine dunkelhäutigere Person hörte ich vor länge-                erkennbar, alle ngaeng momoa (Bergvölker) auch
rer Zeit nur ein einziges Mal. Möglicherweise han-                  als ngaeng dau zu verstehen. Doch auch Zaube-
delt es sich neben dem Wampar-Wort ono (Kopf)                       rer werden so bezeichnet. So sind die Sangguma-
hier noch um das Pidgin-Wort für Kakao und der                      Zauberer der benachbarten Adzera nicht nur nga-
Begriff wäre mit “Kakao-Kopf” zu übersetzen?                        eng opang, sondern auch ngaeng dau. Sie betreiben
    Bei den Wampar kann es gelegentlich heißen:                     ihr Gewerbe ja verborgen im Wald. – Gelegentlich
Gotao mara ngorong faring! – “Sieh dieses schreck-                  hörte ich für Bewohner von Grasland auch die Be-
lich hässliche Gesicht!” Dem muss allerdings schon                  zeichnung ngaeng a poatse; wobei poatse das “lan-
eine ziemliche Wut zugrunde liegen. Mara ngorong                    ge Gras” ist, das auf Pidgin kunai heißt (Gramineae;
bedeutet “hässliches Gesicht”, wobei ngorong nur                    Imperata cylindrica).
in dieser Zusammensetzung auftaucht. Wahrschein-                       Überlieferungen berichten davon, dass die Vor-
lich hängt es etymologisch mit ngor (Schmutz,                       fahren der Wampar von Süden her zum Mark­ham
schmutzig) zusammen. Gelegentlich wurde es in                       Fluss (Wantsef) kamen. Heute ist er die zentrale
Zusammenhang mit Aussagen über Simbu (Hoch-                         Orientierung, auch für Nachbargruppen und inner-
land) und Buka (Salomonen) gebraucht, auch als                      halb der Wampar. So unterscheidet man zwischen
Beschreibung für “Neger”. Es hat also auf alle Fälle                ngaeng raon (Leute flussauf) und ngaeng wagog
etwas mit dunklerer Hautfarbe zu tun.                               (Leute flussab). Meist meint man damit jedoch in-
                                                                    nerhalb der Wampar die Bewohner der Dörfer Dzi-
                                                                    fasing und Tararan flussaufwärts und die von Gab-
4 Sie leben woanders                                                songkeg, Ngasawapum und Munun flussabwärts.
                                                                    Die noch weiter flussabwärts benachbarten Yalu
Menschen aus anderen Gegenden Neuguineas wer-                       werden als Riwagog bezeichnet, ein Name, der of-
den nach Regionen oder Provinzen benannt (High­                     fenbar mit wagog (flussab) gebildet ist.
lands, Papua, Samarai), nach Flussgebieten (Sepik,
Erap, Watut), nach den heutigen Städten (Rabaul,
Madang, Moresby) oder nach Stammesbezeichnun-                       5 … und sie haben andere Sitten
gen (Simbu, Tolai). Hierzu gibt es kaum Wörter auf
Wampar, denn die meisten Gebiete kannte man frü-                    Wenige Belege lassen sich für Benennungen ande-
her nicht. Nachbarn und weiter entfernte Ethnien                    rer Ethnien finden, die sich auf kulturelle Merk­male
wurden und werden von den Wampar meist nach                         beziehen. “Sitten” werden auf Wampar am häufigs-
der Landschaft benannt, in der sie leben. So sind                   ten mit moadzi beschrieben. Moadzi ist in seiner
Bergvölker ngaeng momoa (momoa: “Berg”), selte-                     üblichsten Bedeutung der “Weg”, “Pfad”, modern
ner auch ngaeng wengeran (Leute oben), in Flach-                    auch die “Straße”; im übertragenen Sinn ist es “Ge-
land Siedelnde heißen ngaeng a mpan (mpan: “Ebe-                    wohnheit”, “Sitte”, “Brauchtum”. Ngaeng Wampar
ne”). Für nahe der Küste lebende Ethnien gibt es                    moadzi sind die “Sitten der Wampar”. Man erläuter-
eine Reihe unterschiedlicher Bezeichnungen, so                      te etwa: Moadzi Austrelia efakani – “Die Sitten der
ngaeng a mpo – “Wasserleute” oder “Flussleute”                      Australier sind so”. Alte und neue Sitten der Wam-
(mpo: “Wasser”, “Fluss”), womit die Labu bezeich-                   par werden mit moadzi beschrieben: moadzi moge-
net werden. Die Bukaua nennt man ngaeng a mpo                       ran / moadzi wafu. Auch bestimmte Sitten werden
faring – “Leute vom großen Wasser”. Für die Labu                    so dargestellt: Fisin gea moadzi efakana: … – “Die

Anthropos  110.2015
                                          https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
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Sitte um die Nabelschnur war diese: …”. Man                        Nga­ro­mang­ki oder Ngafir (diese drei Namen wur-
spricht auch von ngaeng Feref moadzi, den “Sitten                  den angegeben). Sie bauten tatsächlich Häuser in
[des Klans] der Feref”. Und man kann das Beneh-                    Bäumen.
men einzelner damit bezeichnen: gea moadzi tsa­tse­                    Auch die benachbarten Watut im Süden fielen
ran – “sein schlechtes Benehmen”.                                  früher durch eine Besonderheit auf, nach der sie
    Es gibt eine Anzahl weiterer Ausdrücke, die mit                auch benannt wurden: ngaeng bangi wanti – “Pfeil-
“Sitte” zu übersetzen sind, wie etwa ram (Sache).                  Leute”. Die Wampar benutzten auch Pfeile (­wanti),
In einem aufgenommenen Text hieß es: Rabu eyatin                   ihre Hauptwaffe für Krieg und Jagd war jedoch der
Wampar a ram dengop – “Die Labu kennen die Sit-                    Speer. Bei der Gelegenheit der Nennung dieses Na-
ten der Wampar”. Ges a ram maran ongan – “Ihre                     mens erklärten mehrere Personen, ngaeng bangi
Sitten sind anders”. Bewertend wurde angegeben:                    wanti seien nicht nur die Watut, sondern alle Berg-
Ges a ram emam a faran – “Ihre Sitten sind nicht                   leute. Tatsächlich sind Bogen und Pfeil charakte-
richtig”, oder: ges a ram edaom wana – “ihre Sitten                ristisch für Hochland-Bevölkerungen, auch für die
sind nicht gut”.                                                   Anga (Kukukuku), die keine Speere benutzen. Viel-
    Mit dem ähnlich alltäglich gebrauchten emenari                 leicht deshalb nennt man zur Unterscheidung von
(immer) aus dem Verb men-eran (bleiben) und ari                    anderen die Watut-Leute manchmal ngaeng bangi
(bei) kann man ebenfalls Sitten und Gewohnheiten                   fadzur – “Bogen-Leute”.
ausdrücken; so mit dem Satz yaga amen ari damu –                       Die benachbarten (kulturell und sprachlich ver-
“wir tun das immer”, oder ngaeng emen ari deyab                    wandten) Watut sind nach allen Gesprächen die ein-
a gom – “Männer arbeiten immer im Garten”. In                      zige Bevölkerung, von der einige Wampar sagten,
der modernen Zeit werden damit Regelmäßigkeiten                    sie würden sich nicht von ihnen unterscheiden. Sie
ausgedrückt, wie etwa kar emenari deya Lae ari su                  hätten sehr gute Sitten, viel zu essen und viel Wild.
su – “das Auto fährt täglich nach Lae”.                            Vermutlich spielt außer der tatsächlichen kulturellen
    Auch das Substantiv mpe ist mit “Sitte, Gewohn-                Ähnlichkeit die Tatsache eine Rolle, dass die Wa-
heit, Benehmen” zu übersetzen, überwiegend in po-                  tut im Missionsgebiet der Wampar schon seit den
sitiver Bedeutung, manchmal direkt als “Großzü-                    zwanziger Jahren ansässig waren. Eine andere Be-
gigkeit”. Zwar formulierte man einerseits: ngaeng                  zeichnung für sie ist ngaeng ware, wobei ware eine
a mpe ngarobingin – “ein Mann mit guten Sitten”.                   Yamsart ist. Angebaute oder genutzte Pflanzen wer-
Doch bedeutet gea imu mpe en eindeutig “er ist                     den auch sonst zur Bezeichnung anderer Ethnien be-
großzügig”, auch ohne das positive Adjektiv nga-                   nutzt. So spricht man von ngaeng orab, den Buang
robingin.                                                          oder anderen Ethnien in der Umgebung, die so nach
    Schließlich werden Sitten der Wampar auch mit                  einer Sorte Zuckerrohr (Wampar: rif orab) benannt
dzob umschrieben, was “Sprache, Rede, Erzählung,                   werden. Sago (montam) wird von den Wampar we-
Wort” bedeutet. Es ist möglich, dass es sich dabei                 nig genutzt und ist ein deutliches Unterscheidungs-
um eine Neuentwicklung handelt, und es um alte                     merkmal. Menschen vom Sepik werden allgemein
Sitten geht, von denen man sich nur noch erzählt. So               ngaeng montam genannt. Und Hochlandleute wer-
ist dzob a mogeran, eine “alte Sitte”, wörtlich eine               den auch gempo, auf Pidgin man bilong kaukau oder
“alte Geschichte”, und ngaeng farifaring a dzob                    kurz kaukau genannt: “Süßkartoffel”, das wichtigste
sind die Sitten der Vorfahren, die “Erzählungen                    Anbauprodukt in Berggebieten.
der großen Männer / der Vorfahren”. In eine ähn-                       Bei Unterhaltungen und Befragungen in den letz-
liche Richtung geht die Formulierung dzob saforan                  ten Jahrzehnten wurden immer wieder einmal Un-
a ram (Rede darüber, etwas richtig zu tun) – gute                  terschiede betont, die sich allgemein auf “Fremde”
Sitten. Um welche Sitten es bei Fremden, bei ande-                 (ngaeng yaner) bezogen. Zunächst einige Elemen-
ren Ethnien tatsächlich geht, wird allerdings selten               te, bei denen die Urteile individuell unterschiedlich
ausgedrückt. In dem frühen Lesebuch des Missio-                    ausfielen, teils spöttisch, teils belustigt, teils nega-
nars Panzer findet sich eine einzige Stelle in einem               tiv. Im Zusammenhang mit Untersuchungen zur Ar-
aufgenommenen Text, die sich auf yaner und deren                   beitsteilung der Geschlechter wurden jeweils Listen
Sitten bezieht. Da heißt es in der Beschreibung von                mit Tätigkeiten vorgelegt, die Männern bzw. Frau-
Ohrringen (seas): Ngaeng yaner erem tsafi edenang                  en zugeordnet werden sollten. Bei zwei dieser Tä-
eya naegempon – “Fremde hängen sich Schildpatt                     tigkeiten fiel auf, dass von befragten Männern wie
in die Ohren” (Panzer 1917: ​18).                                  Frauen darauf hingewiesen wurde, dass – im Ge-
    Ngaeng orog a weng, wörtlich “Leute auf Bäu-                   gensatz zu den Wampar – in anderen Ethnien “auch
men”, ist die in Bezug auf andere Sitten deut­lichste              Frauen” sie durchführten. Das auffallendste dabei
Fremdbezeichnung. Sie bezieht sich auf die Be-                     war “Maultrommel spielen” (its a domoro), eine bei
völkerung des oberen Erap-Flusses: die Mungkip,                    den Wampar rein männliche “Tätigkeit”. Einige afi

                                                                                                           Anthropos  110.2015
                                              https://doi.org/10.5771/0257-9774-2015-2-343
                                       Generiert durch IP '46.4.80.155', am 25.10.2021, 22:45:46.
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