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27 Russischer Löwenzahn könnte sich zu einer regional anbaubaren Alternative für den tropischen Gummibaum entwickeln. Denn seine Wurzel enthält Naturkautschuk, der vielseitig einsetzbar ist – etwa bei der Produktion von Autoreifen. L euchtend gelbe Blüten und weiße Den neuen Anbauflächen würden wahr- Schon nach der Entdeckung der Art in den Kugeln, deren Schirmchen vom scheinlich Regenwälder zum Opfer fallen, 1930er-Jahren hat es unter anderem in der Wind verweht werden: Löwenzahn so die Befürchtung. Sowjetunion und in Deutschland Versu- ist hierzulande ein häufiger Farb Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- che gegeben, sie anzubauen. „Trotzdem tupfer auf Wiesen und zwischen Be ler haben sich daher zum Ziel gesetzt, den gehen wir von einer Wildpflanze aus, die tonplatten. Die wild wachsende Pflanze Russischen Löwenzahn als regionalen in der Landwirtschaft bisher überhaupt schmeckt Kaninchen, aber auch Men- Lieferanten von Naturkautschuk zu för- nicht Fuß gefasst hat“, erklärt Katja Thie- schen – zum Beispiel im Wildkräu dern. Im Rahmen des Verbundprojekts le. Denn der Russische Löwenzahn ist – in tersalat. Und sie hat das Potenzial, als „Takowind II“, an dem insgesamt acht seiner wilden Version – wenig ertrags- Kulturpflanze angebaut zu werden. Partner beteiligt sind, arbeitet das Julius stark. Es gab damals zwar schon züchte- Spannender als der alte Bekannte vom Kühn-Institut (JKI) daran, ihn züchterisch rische Versuche, aber die Entwicklung Straßenrand, der Gewöhnliche Löwen- so zu entwickeln, dass er als Kulturpflan- verlief zu langsam. Außerdem war nach zahn (Taraxacum officinale), ist dabei ze angebaut werden kann. „Wir haben dem Zweiten Weltkrieg in Asien erzeug- einer seiner vielen Verwandten: der festgestellt, dass sich der Russische Lö- ter Kautschuk auf dem Weltmarkt verfüg- Russische Löwenzahn (Taraxacum kok- wenzahn sehr gut bei uns im gemäßigten bar, wodurch der Löwenzahn-Kautschuk saghyz), zu Hause in den Hochtälern des Klima anbauen lässt“, sagt Katja Thiele, nicht mehr konkurrenzfähig war. Mit dem kasachischen Tian-Shan-Gebirges. Inte- Arbeitsgruppenleiterin am Institut für heute steigenden Bedarf nach Naturkaut- ressant ist er vor allem aufgrund des ho- die Sicherheit biotechnologischer Verfah- schuk wird er als Alternative jedoch wie- hen Kautschukanteils in seiner Wurzel. ren bei Pflanzen des JKI in Quedlinburg. der relevant. Kautschuk ist ein Naturrohstoff, der un- Dort ist sie zuständige Leiterin aller Auf mehreren Versuchsflächen haben ter anderem in der Autoreifenproduktion Forschungsprojekte rund um den Russi- Katja Thiele und ihr Team in den vergan- benötigt wird. Bisher ist der tropische schen Löwenzahn. genen Jahren erforscht, was die Pflanze Gummibaum, der nur im sogenannten Gegenüber dem Kautschukbaum hat die braucht: Wie funktionieren Aussaat, Kautschukgürtel rund um den Äquator Pflanze nicht nur den Vorteil, dass sie au- Düngung, Ernte oder Pflanzenschutz? wächst, der einzige Lieferant dieses Roh- ßerhalb der Tropen gedeiht, sie ist auch Welche Schädlinge könnten ihr gefähr- stoffs. Bleibt er das, wären bis 2024 etwa recht flexibel einsetzbar. Eine Kautschuk- lich werden? Dabei hat sich gezeigt: Der 8,5 Millionen Hektar zusätzliche Anbau plantage braucht etwa sieben bis zehn Jah- Russische Löwenzahn scheint eine recht Foto: Heiko Specht/laif fläche vonnöten, schätzt die Fachagentur re bis zur ersten Ernte. Nach 20 Jahren hat genügsame Pflanze zu sein, die sich auf Nachwachsende Rohstoffe (FNR), ein Pro- sie ausgedient. Der Russische Löwenzahn kargem, sandigem Boden wohlfühlt und jektträger des Bundesministeriums für dagegen kann bei Bedarf jedes Jahr gesät wenig anfällig für Krankheiten ist. In Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). und geerntet werden. den vergangenen Jahren sei er fast ohne
28 Stickstoffdüngung angebaut worden, be- Ziel sei, den Kautschukgehalt von fünf terial für die Reifenherstellung zu nutzen, richtet Dr. Brigitte Ruge-Wehling. Sie ist Prozent auf etwa 15 Prozent zu steigern, und eröffnete im Dezember 2018 in An- seit 2013 Leiterin der Arbeitsgruppe zum erklärt Brigitte Ruge-Wehling. Dazu klam ein Forschungs- und Versuchslabor. Löwenzahn und am Institut für Züch- entwickeln sie und ihr Team auch soge- Bei positiven Ergebnissen soll der Roh- tungsforschung an landwirtschaftlichen nannte Selektionsmarker, um Pflanzen stoff binnen zehn Jahren in der Serien- Kulturen des JKI in Groß Lüsewitz tätig. mit gewünschten Eigenschaften, wie zum produktion eingesetzt werden. Durch ihre lange Pfahlwurzel könne die Beispiel einem hohen Kautschukgehalt, Ein durchschnittlicher PKW-Reifen ent- Pflanze Wasser tief aus dem Boden holen, zu ermitteln. Bereits im Keimling können halte etwa ein bis drei Kilogramm Na erklärt die Gartenbau-Expertin. sie feststellen, ob er die gewünschte Ei- turkautschuk, erklärt Klaus Engelhart, „Wir haben in den letzten Jahren gelernt, genschaft hat. So weiß der Züchter oder Pressesprecher von Continental. Um eine dass es sich lohnt, den Russischen Löwen- die Züchterin, welche Pflanzen sich für Tonne davon zu gewinnen, benötige man zahn anzubauen“, sagt Katja Thiele. Die die Nutzung eignen. derzeit eine Kautschukbaum-Plantage Erträge auf den Versuchsflächen seien Das Projekt zeigt, wie groß das Interesse von rund einem Hektar Fläche. „Wir zwar wirtschaftlich noch nicht konkur- an einer regionalen Alternative zum wollen mit der Löwenzahnpflanze lang- renzfähig. Aber das könne sich in den Gummibaum ist – nicht nur in der For- fristig einen ähnlichen Ertrag erreichen“, nächsten Jahren ändern, wenn die Pflan- schung, sondern auch in der Industrie. erklärt Engelhart. Wollte man – ausge- ze züchterisch weiterentwickelt werde. Seit vielen Jahren ist der Reifenhersteller hend von diesem Zielertrag – den gesam- Das Saatgut für die Versuchsfelder liefert Continental mit an Bord. Schon 2014 stell- ten Naturkautschukbedarf Deutschlands Dr. Fred Eickmeyer vom niederbayeri- te das Unternehmen den ersten Testrei- decken, wären nach seiner Einschätzung schen Unternehmen ESKUSA. Gemein- fen vor, der Naturkautschuk aus Russi- fünf bis sieben Prozent der heutigen sam mit dem Team des JKI sucht er nach schem Löwenzahn enthält. Praxis-Tests Maisanbaufläche notwendig. Sein Un Wegen, einen Russischen Löwenzahn zu haben bestätigt, dass der regionale Roh- ternehmen wolle jedoch nur einen Teil kreieren, dessen Anbau sich lohnt. Mit- stoff qualitativ mit der tropischen Vari- seines Bedarfs aus Löwenzahn decken. hilfe von Kreuzungen versucht Eickmeyer ante mithalten kann. Das Unternehmen Da der Russische Löwenzahn neu in Euro- unter anderem, den Ertrag zu erhöhen. arbeitete seitdem weiter daran, das Ma- pa ist, prüfen die Forscherinnen und For- Löwenzahn in Reih und Glied ist aktuell noch ein seltener Anblick: Am Julius Kühn-Institut testen Forscherinnen und Forscher, ob er sich als Industriepflanze eignet. Foto: Eickmeyer/ESKUSA/ Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR)
29 Zähe Angelegenheit: Wurzeln des Russischen Löwenzahns sind Lieferanten von wertvollem Naturkautschuk. Der gummiartige Stoff wird aus dem Milchsaft der Pflanze gewonnen. scher auch, welche Auswirkungen er auf nah am Boden, was für die Ernte schwierig An der Wurzel des Russischen Löwenzahns die heimische Pflanzenwelt hat. „Die Ar- ist. Der Züchter und das JKI arbeiten des- ist nicht nur der hohe Anteil an festem tenvielfalt auf dem Acker erweitert er na- halb an einer Kreuzung mit dem Gewöhn- Kautschuk interessant. Auch die Latex ge- Fotos: Christian Schulze Gronover/Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und angewandte Oekologie IME türlich“, sagt Katja Thiele. Außerhalb der lichen Löwenzahn, dessen Blätter aufrech- nannte, flüssige Form des Kautschuks und Felder werde man ihn wohl kaum antref- ter stehen und maschinell besser erfasst den hohen Gehalt an Inulin könnte man fen. Dass sich die Pflanze auf dem Nach- werden können. Die Ernte könne man sich nutzen. Flüssiger Latex ließe sich für ge- barfeld ausbreitet, sei nicht zu erwarten. etwa so vorstellen wie bei der Zuckerrübe, tauchte Produkte wie Handschuhe und „Er ist in den Ökosystemen, die wir hier erklärt Ruge-Wehling. Die Blätter werden Kondome oder für geschäumte Produkte haben, nicht konkurrenzfähig.“ Versuche zunächst oben abgeschnitten und erst wie Matratzen nutzen. Inulin ist ein lös haben gezeigt, dass der Russische Löwen- dann das Objekt des Interesses aus der Erde licher Ballaststoff, der für die Lebensmit zahn unter einheimischen Kräutern – trotz geholt. „Es kommt bei dem Löwenzahn telindustrie interessant wäre. Momentan seiner Genügsamkeit – nicht überleben immer nur auf die Wurzel an“, sagt sie. aber liegt die Priorität auf der Gewinnung würde. Denn er ist sehr empfindlich ge- Die Kreuzung hat allerdings auch Nach- von Kautschuk. genüber Raum- und Lichtkonkurrenz, er- teile. Denn der Gewöhnliche Löwenzahn Als Salat würde Brigitte Ruge-Wehling die klärt Katja Thiele. Das könnte mit seiner ist anfällig für Mehltau. „Das ist ein Pilz, Pflanze übrigens nicht empfehlen. Denn Herkunft zu tun haben: In den kargen Tä- der bei feuchtwarmem Wetter innerhalb so gut er sich auch für die Reifenproduk- lern des Tian-Shan-Gebirges gibt es kaum kürzester Zeit einen Bestand komplett be- tion eignet – mit seinen harten und flei- Pflanzen, die wie er mit den extremen kli- fallen kann“, erklärt Ruge-Wehling. Das schigen, von einer Wachsschicht und matischen Bedingungen zurechtkommen. Problem wollen die Forscherinnen und kleinen Härchen überzogenen Blättern Um die Pflanze effizient säen und ernten Forscher in den Griff bekommen, indem lädt der Russische Löwenzahn nicht gera- zu können, fehlen noch die entsprechen- sie Resistenzen und Toleranzen identifi de zum Reinbeißen ein. den Techniken und Maschinen. Beim Rus- zieren und durch Kreuzung auf andere sischen Löwenzahn wachsen die Blätter Pflanzen übertragen. Von Inga Dreyer
Erträge steigern, Holz gewinnen und auf den gleichen Flächen Artenschutz fördern? Klingt schwierig. Doch Landwirtinnen und Landwirte können bedrohten Tierarten Lebensräume bieten – wenn sie Bäume auf ihre Äcker setzen. Genau das geschieht in den sogenannten Agroforstsystemen, die am Julius Kühn-Institut erforscht werden. Am Rande eines Versuchsfelds mit Som- steinbank. Besonders interessant ist die stoffwerte analysieren. Sie erwartet rela- mergerste steht Dr. Anita Swieter in ei- Mitte mit rötlichen Rostflecken und tiv hohe Werte, da die Bäume CO2 aus der nem Loch, das sie mit ausgehoben hat. Es hellgrauen Bleichzonen. Dieser schwere Luft filtern und als Kohlenstoff in ihrer ist mehr als einen Meter tief und weist Tonboden ist von den Pappeln durchwur- Biomasse und im Boden einlagern. Das dort, wo ein Baumstreifen mit Pappeln zelt – und wird somit gut durchlüftet. schützt das Klima und erhöht obendrein angrenzt, eine Steilwand auf. Ganz deut- Die Wissenschaftlerin geht in die Hocke, die Bodenfruchtbarkeit. lich sind hier drei verschiedene Boden- schaufelt ein wenig Erde aus der Steil- Anita Swieter erforscht solche Agroforst- schichten zu sehen: Die obere ist gleich- wand und füllt sie in eine Plastiktüte. Im systeme: streifenförmig angelegte Äcker, mäßig braun, die untere ist eine Kalk Labor wird die Forscherin die Kohlen- auf denen Getreidefelder oder Grünland
mit Gehölzflächen abwechseln. Auf Letz- ihren Versuchsflächen auch schon öfter Außerdem mindert Agroforstwirtschaft teren gedeihen zum Beispiel schnell Rehe und Feldhasen beobachtet. Das ab- den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. wachsende Pappeln. Im Laufe von sechs gefallene Laub der Bäume reichert zudem „In den Baumstreifen müssen Landwir- Jahren erreichen sie eine Größe von zehn den Boden mit fruchtbarem Humus an. tinnen und Landwirte diese Mittel nicht Metern und werden meist energetisch einsetzen, weil Holzgewächse auch so genutzt. Doch auch Walnuss- oder Obst- gedeihen“, erklärt die Geoökologin. „Auf bäume eignen sich für diese Form des den Getreideflächen gebrauchen wir sie Anbaus. Agroforstsysteme schonen nicht Noch vor 100 Jahren jedoch weiterhin.“ nur Böden, sondern auch Natur und Aktuell stehen in Deutschland nur weni- wuchsen unter Obstbäu- Artenvielfalt. ge Bäume auf den Feldern. Dabei war die Das konnten Fachleute des Julius Kühn- men Getreide, Kartoffeln Verbindung von Forst- und Landwirt- Instituts, der Universität Göttingen und und Karotten. schaft früher die Regel. Noch vor 100 Jah- der Brandenburgischen Technischen Uni- ren wurden in Deutschland unter Eichen versität im Rahmen des Projekts „SIGNAL“ Schweine gemästet. Unter Apfel- und sowie anderen Forschungsvorhaben zei- Birnbäumen wuchsen Getreide, Kartoffeln gen. Die Expertinnen und Experten wis- Obendrein schützen die Gehölze vor und Karotten. „Im Zuge der Industrialisie- Foto: Anita Swieter/JKI sen, dass sich die Gehölze positiv auf die Wind und wirken somit der Bodenerosi- rung der Landwirtschaft sind die Gehöl- Artenvielfalt auswirken. Denn sie sind on entgegen. Das tut not, denn weltweit ze von den Äckern verschwunden“, erläu- Kinderstube für Insekten und Vögel. Ani- gehen jedes Jahr viele Hektar fruchtbare tert Anita Swieter, „die ausgeräumten ta Swieter hat zwischen den Pappeln auf Erde verloren – auch in Deutschland. Landschaften ließen sich nun einfacher
mit den großen Landmaschinen befah Gehölzstreifen keine Rolle, Hauptsache, ren.“ Doch das bedeutet nicht, dass die Maschine passt gut durch die Baum- keine Bäume wachsen dürfen, wo Trak- reihen durch. toren unterwegs sind. Denn in modernen Agroforstsystemen befinden sich die Ge- Windschutz auf kargem Land hölze nicht mitten auf dem Feld, so wie einst üblich, sondern daneben. Außerdem Obwohl Weizen, Raps und Co. nicht di- ist die Größe der Flächen, auf denen Swie- rekt unter den Bäumen sprießen, sondern ter forscht, an die Maße der Mähdrescher neben ihnen, kommt es zu den wün- schenswerten Wechselwirkungen. Auf Versuchsflächen im Umland von Braun- Schon bei einem zehn Meter breiten Baumstreifen schweig haben Anita Swieter und ihr Team nachgewiesen, dass die Bäume am machen sich die positiven Auswirkungen bemerkbar. Feldrand besonders gut gedeihen, weil sie dort mehr Licht und Nährstoffe bekom- men. Allerdings gilt das nicht für Getrei- angepasst. Ein Getreidefeld ist deswe- de oder Gras: An der Grenze zu den Bäu- gen entweder 48 oder 96 Meter breit. Die men schrumpfen die Erträge. „Wenn man Baumstreifen sind in der Regel viel das ganze Agroforstsystem betrachtet, schmaler: Erstens, weil sich die positiven steigen die Biomasseerträge zwar, weil die Auswirkungen der Bäume meist schon bei Gehölzstreifen produktiver sind als ein einem zehn Meter breiten Streifen be- Weizenfeld oder eine Weide. Aber bei den merkbar machen, und zweitens, weil die Weizen-, Raps- und Graserträgen erge- Bäuerinnen und Bauern ein größeres ben sich geringe Einbußen“, sagt Swieter. Interesse daran haben, Getreide anzu „Dieses Ergebnis war ein Wermutstrop- bauen. Die Maße des Feldhäckslers für die fen.“ Ausgerechnet auf dem kargen Land Holzernte spielen für die Breite der in Brandenburg machten die Kollegin-
33 gen, beteiligt sich Swieter an der Grün- dung des Deutschen Fachverbands für Agroforstwirtschaft, die Ende Juni statt- finden soll. Mit diesem Verband wollen die Fachleute in die Politik hineinwir- ken. Ihr Ziel ist unter anderem die An erkennung von Agroforstwirtschaft als Agrarumwelt- und Klimamaßnahme. Denn dadurch hätten Landwirtinnen und Landwirte Anrecht auf mehr gesetzliche Förderung. „Wenn wir finanzielle Anreize schaffen, werden die Landwirte Bäume auf ihre Felder setzen“, ist sich Anita Swieter sicher. Holz vom Feldrand Der Verband soll den Menschen auf den Höfen auch bei der Vermarktung der Produkte helfen, die Agroforstsysteme abwerfen – damit es sich noch mehr rechnet, Bäume zu pflanzen. Eine gute Klimabilanz des gewonnenen Holzes er- Wie es um die Böden, Bäume und Äcker auf den Versuchsflächen für Agroforstsysteme gibt sich vor allen Dingen dann, wenn es steht, wird das ganze Jahr über beobachtet und präzise dokumentiert. nicht energetisch, sondern stofflich ge- nutzt wird: als Material zum Bauen von Häusern, Möbeln oder Instrumenten. Darüber hinaus taugt der Flaum von nen und Kollegen jedoch andere Erfah- Neben veränderten Düngeregelungen Pappeln als Füllmaterial von Kissen und rungen. „Dort fördern Bäume in der können Agroforstsysteme eine Lösung Decken. Agroforstsysteme fördern Viel- Nachbarschaft das Wachstum des Wei- sein. Sie schützen die Gewässer, da die falt, auch im Angebot der Betriebe. zens, weil sie die Windgeschwindig- Bäume überschüssige Nährstoffe auf Die Fachleute experimentieren mit un- keit reduzieren und den Boden so vor nehmen. Anita Swieter und andere Fach- terschiedlichen Abständen zwischen den dem Austrocknen schützen“, erklärt die leute ermitteln nun, ob das auch in Baumstreifen, um die optimale Bepflan- Wissenschaftlerin. Das zeigt: Agroforst Vechta funktioniert. Sie sind dabei, Ge- zung zu ermitteln. Außerdem setzen sie systeme eignen sich insbesondere auf hölzstreifen anzulegen. Wenn die Bäume verschiedene Sommer- und Winterkul- erosionsgefährdeten und trockenen Bö- größer sind, werden die Forscherinnen turen auf die Felder. Sie möchten da den. Dort macht sich ihre stabilisierende und Forscher in regelmäßigen Abstän hinterkommen, welche Ackerfrüchte in Wirkung am besten bemerkbar. den Bodenproben nehmen und sie mit Kombination mit den Bäumen besonders Bäume auf den Feldern können zum Ge- den Werten einer Ackerfläche ohne Bäu- gut gedeihen. „Wir stehen da noch ganz wässerschutz beitragen. Anita Swieter und me vergleichen. „Mit dem Landwirt aus am Anfang“, sagt Anita Swieter, „doch so- andere Fachleute ermitteln gerade, ob Vechta haben wir nun auch einen Praxis- bald wir Ergebnisse haben, geben wir sie das auch auf einem Hof in Vechta in Nie- partner an Bord”, sagt die Wissenschaft- an die Bäuerinnen und Bauern weiter.“ dersachsen funktioniert. In dem Land- lerin. „Das freut uns sehr.“ Und Anita Swieter hat noch einiges vor: kreis wird sehr viel Vieh gehalten, weshalb Alle zwei Jahre treffen sich Anita Swieter Sie plant, auf den Versuchsflächen bei große nährstoffhaltige Güllemengen auf und andere Fachleute im Rahmen eines Braunschweig Fasernessel anzubauen. den Feldern landen. Die Pflanzen können Agroforstforums mit Landwirtinnen und Brennnesselgewächse gedeihen bestens den Nährstoff nicht vollständig aufneh- Landwirten: „Die meisten schrecken da- in der Nähe von Bäumen. Die Wissen- men, stattdessen sickert er ins Grund vor zurück, Bäume auf ihre Felder zu set- schaftlerin will versuchen, daraus einen wasser und reichert sich dort in Form zen“, sagt sie, „denn anders als bei Weizen Torfersatzstoff herzustellen. Um Garten- von Nitrat an. In Deutschland weisen oder Raps müssen sie sich bei Bäumen für und Blumenerde zu gewinnen, müsste Foto: Anita Swieter/JKI 27 Prozent der 1.200 Grundwasserkör- viele Jahre festlegen und anfänglich mehr dann kein Torf mehr aus Moorland per zu hohe Nitratwerte auf – das Wasser Zeit und Geld investieren.“ Um die Men- schaften entnommen werden. muss aufwendig gereinigt werden, damit schen aus der Praxis zu unterstützen und es trinkbar ist. Agroforst in Deutschland voranzubrin- Von Stephanie Eichler
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