Auf und ab mitte deutschland - Metropolregion
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metropolregion mitte deutschland WIRTSCHAFT, WISSENSCHAFT & KULTUR IM ZENTRUM Das Info-Magazin für Mitteldeutschland Auf und ab
MEIN LAUF C H ER TS E U 14. OKTOBE R 2 018 L D I T TE ON M A T H M A R Der Metropolmarathon Mitteldeutschland zwischen Leipzig und Halle (Saale) www.mitteldeutscher-marathon.de
Editorial median 03 „Ich will nicht nach Berlin!“ „Auch wenn dort alle meine Freunde sind, ich will nicht nach Berlin!“ Mit diesen trotzig-rotzigen Zeilen aus ihrem ersten Studioalbum begann im Jahr 2012 der steile Aufstieg der Chemnitzer Band Kraftklub. Sie besang damit das Lebensge- fühl junger Menschen, die überall in Deutschland ihre Heimatregionen verließen, um sich Vogelschwärmen gleich in sogenannten Schwarmstädten wie Berlin, Hamburg oder München niederzulassen. Gleichzeitig wurden diese Textzeilen zum Vorreiter einer kurz danach einsetzen- den Entwicklung, die bis heute anhält. Fünf Jahre später wachsen Leipzig, Halle, Jena und andere mitteldeutsche Städte wieder und haben sich selbst zum Ziel von Schwärmen junger Menschen entwickelt. Das bringt neue Herausforderun- gen und manche Schmerzen mit sich, wenn vorhandene urbane Strukturen und liebgewonnene Freiräume durch den Wachstumsprozess aufgebrochen werden. Burkhard Jung Anderswo in Mitteldeutschland bestimmen dagegen weiter die Abwanderung Vorstandsvorsitzender der junger Menschen und eine alternde Bevölkerung das Bild in vielen Mittelzentren, Europäischen Metropol- Landkreisen und Dörfern. region Mitteldeutschland und Oberbürgermeister der Stadt Leipzig Mit dieser Ausgabe des „median“ widmen wir uns diesen ambivalenten Entwick- lungen zwischen Wachstum und Schrumpfung in der Region und stellen Ihnen Projekte und Akteure vor, die sich diesen stellen: Vom Strukturwandel im mit- teldeutschen Braunkohlerevier und einer neuen Vision für Halle-Neustadt über das Management des Wachstums in Leipzig bis zur mitteldeutschen Perspektive für den Landkreis Altenburg und privates Engagement für die Revitalisierung des Chemnitzer Stadtteils Sonnenberg. Eine erhellende Lektüre wünschen Ihnen Reinhard Kroll Burkhard Jung Reinhard Kroll 2. Vorsitzender der Euro- päischen Metropolregion Mitteldeutschland 04 median Inhaltsverzeichnis Inhalt 10 34 40 44 52 58 03 Editorial 28 Jena diskutiert Zukunft 38 Gemeinsam handeln Ein neues Stadtentwicklungs- Sachsen fördert Kooperationen 06 Aktuelles konzept soll den Rahmen für im ländlichen Raum mit knapp aus der Region. weiteres Wachstum vorgeben. zehn Millionen Euro. 10 Junge Leute schwärmen aus 29 Nächster Halt: Zukunft 39 Näher dran Interview mit Prof. Dr. Harald Gera und der Burgenlandkreis Merseburg und der Saalekreis Simons zu Schwarmstädten, wollen Teil des mitteldeutschen nehmen am Projekt „Modell- „Versteckten Perlen“ und S-Bahn-Netzes werden. kommune Open Government“ teil. ausblutenden Regionen. 30 Urbanität ist Veränderung 40 Innovatives Revier 14 Aktuelles Leipzigs Wachstum ist rasant Das Mitteldeutsche Revier aus den Arbeitsgruppen der und mitunter schmerzlich. steht vor einem tiefgreifenden Metropolregion Mitteldeutschland. Strukturwandel. 34 Nähe ist Trumpf 16 Gesichter der Region Landrätin Michaele Sojka setzt 43 Gestern, heute und morgen Sechs Oberbürgermeister und auf die mitteldeutsche Perspek- Der Landkreis Zwickau will den Landräte an symbolischen Orten tive für das Altenburger Land. Begriff Industriekultur ins Heute ihrer Stadt und Region. erweitern. 36 Totgesagte leben länger 26 Zuwachs erwünscht Einst Kohlebagger, heute Inves- 44 Ein Viertel im Aufbruch Das sächsische Döbeln wider- toren. Dreiskau-Muckern steht Der Chemnitzer Sonnenberg steht der Abwanderung. vor neuen Herausforderungen. verändert sein Gesicht.
Inhaltsverzeichnis median 05 16 Gesichter der Region 46 Stimmen der Stadt 58 Spiegel des Lebens Wachsende Städte und schrumpfende Der Blog „Viertelrausch” Das neue Bauhaus Museum in Gemeinden, boomende Zukunfts- porträtiert Bewohner Leipzigs Dessau-Roßlau soll ein urbaner cluster und Branchen im schmerzhaf- und damit den Wandel der Stadt. und lebendiger Ort werden. ten Strukturwandel: Wer mit offenen Augen durch Mitteldeutschland fährt, 49 Zahlendreher 60 Kulturtipps wird mit den vielen verschiedenen Die etwas andere Ausgewählte Höhepunkte aus Gesichtern der Region konfrontiert, Mitteldeutschland-Statistik. Kunst und Kultur in der Region. oft nah beieinander. Unsere Titel- strecke porträtiert sechs politische 50 Grenzen überwinden 62 Terminkalender Akteure aus Mitteldeutschland an Der Strukturwandel lässt sich Messen, Tagungen, Workshops Orten, die symbolisch für die aktu- nur gemeinsam gestalten, so und Events in Mitteldeutschland. ellen Themen und Herausforderun- Jörn-Heinrich Tobaben. gen ihrer Stadt oder ihres Land- 63 Partner der Wirtschaft kreises stehen. 51 Mein Lieblingsplatz Die Wirtschaftsförderer in Für Patrice Heine, Chef des Mitteldeutschland. Chemieparks Bitterfeld-Wolfen, ist es das Muldewehr in Greppin. 63 Impressum 52 Mit Kunst in die Zukunft Künstler, Bewohner und Stadt suchen neue Perspektiven für Halle-Neustadt. 06 median News Aktuelles aus der Region Chemnitz will Europas Kulturhauptstadt 2025 werden „Ich bin überzeugt, dass Chemnitz eine starke, faszinierende Kulturhauptstadt sein kann. Chemnitz steht in Vielem exemplarisch für die Gegenwart und Zukunft Europas“, so Oberbürgermeis- terin Barbara Ludwig zur Bewerbung von Chemnitz um den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2025. In den Mittelpunkt ihrer Bewerbung stellt die sächsische Metropole ihre vielfältigen Erfahrungen zu den The- men Strukturwandel und Stadtentwick- lung sowie ihren kulturellen Reichtum moderner Kunst. Die Geschichte vom „Sächsischen Manchester“ zur sozi- alistischen Vorzeigestadt unter dem Namen Karl-Marx-Stadt über den tief- Kulturhauptstadtbüro in der Innenstadt. und Mittweida statt. Die Europäische greifenden Einschnitt der Wendejahre Dort erhalten interessierte Bürger Kulturhauptstadt 2025 wird 2021 nach hin zu einem modernen Industriestand- Auskünfte, können mit den Akteuren einem mehrstufigen Verfahren vom Rat ort mit hoher Lebensqualität stehe ins Gespräch kommen und eigene der Europäischen Union ernannt – zwei beispielhaft für viele Entwicklungen in Projektideen einreichen. Die Bewer- Städte Europas tragen pro Jahr diesen Europa. Während die strategische Steu- bung wird von über 50 Vertretern der Titel, 2025 aus Deutschland und Slowe- erung des Bewerbungsprozesses durch freien Kunst- und Kulturszene unter- nien. Aus Deutschland bewerben sich eine Lenkungsgruppe erfolgt, wird das stützt. Darüber hinaus will Chemnitz auch Dresden, Magdeburg, Halle, Kob- inhaltliche Konzept der Bewerbung weitere Kommunen und Akteure aus lenz, Hannover, Nürnberg, Hildesheim durch einen Programmrat in Zusam- dem Umland in den Bewerbungspro- und Kassel. menarbeit mit internationalen Experten zess einbeziehen. Dazu fanden bereits entwickelt. Zentrale Anlaufstelle ist das erste Regionalkonferenzen in Thalheim www.chemnitz.de XX Fotos: Dirk Hanus, BMW AG, Stadt Leipzig, Tom Schulze, ARTwork-stewe BMW erweitert Leipziger Werk Der Autohersteller BMW wird bis 2020 von rund 980 Fahrzeugen pro Tag. weitere 300 Millionen Euro in sein Rund 5.300 Beschäftigte fertigen dort Leipziger Werk investieren. Mit der die 1er- und 2er-Modelle sowie das Erweiterung der Bereiche Lackiere- E-Auto i3 und den Hybridsportwagen rei, Montage und Karosseriebau soll i8 des Premiumherstellers. Zwei wei- die Kapazität des Standortes weiter tere Modelle könnten laut Branchen- erhöht und das Werk auf die Produk- experten ab 2019 folgen. In das 2005 tion künftiger Modellgenerationen vor- eröffnete Werk im Leipziger Norden bereitet werden. investierte BMW bislang insgesamt Nach Unternehmensangaben arbei- über zwei Milliarden Euro. tet das Leipziger BMW-Werk derzeit . an der absoluten Kapazitätsgrenze XX www.bmw.de
News median 07 Gute Aussichten für sächsische Metropolen Leipzig und Dresden gehören zu den und konnte mit fast zehn Prozent die Top Fünf der deutschen Großstädte höchste Bevölkerungszunahme und mit den besten Zukunftsaussichten. mit sieben Prozent das höchste Wachs- Leipzig liegt dabei auf Rang zwei hinter tum bei den Erwerbstätigen verbuchen. München und Dresden auf Rang vier Chemnitz belegte bei dem Vergleich hinter Frankfurt am Main. Das geht den 29. Rang und verbesserte sich aus dem Ranking der 30 größten deut- damit gegenüber 2015 um einen Platz. schen Städte des Hamburgischen Welt- Maßgeblich dafür war vor allem die wirtschaftsinstituts (HWWI) und der dynamische Entwicklung in den Berei- Privatbank Berenberg hervor. Danach chen Produktivität und Bevölkerung. zeigt Leipzig die höchste Dynamik bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit www.hwwi.org XX Positives Fazit der EXPO REAL Rundum zufrieden mit ihrem Auftritt ischen Metropolregion Mitteldeutsch- auf der EXPO REAL 2017 zeigten sich land auf Europas größter internatio- die 38 Aussteller aus Mitteldeutschland, naler Fachmesse für Immobilien und sowohl mit den Kontakten als auch den Standortmarketing in München. Neben erzielten Vertragsabschlüssen. So folg- den mitteldeutschen Oberzentren ten etwa 400 Gäste der Einladung zum Chemnitz, Dessau-Roßlau, Gera, Halle 12. Mitteldeutschen Investorenabend. (Saale), Leipzig und Magdeburg waren Drei Tage lang präsentierten sich die erstmals auch Jena sowie Stadt und Aussteller, darunter Kommunen, Land- Landkreis Wittenberg als Mitaussteller kreise, Wirtschaftsförderer, Kammern vertreten. und marktführende Unternehmen, auf dem Gemeinschaftsstand der Europä- www.exporeal.net XX Neue Kulturroute in Gera Mit einer neuen Kultur- und Freizeit- Knotenpunkten sowie ein begleiten- route wirbt Gera ab sofort für aus- der Infoflyer sollen die Sichtbarkeit gewählte kulturelle und touristische der Einrichtungen erhöhen und als Ziele im Stadtgebiet. Orientierungshilfe für Gäste der Stadt Neben allen städtischen Museen wur- dienen. Zum Start der neuen Route den auch das Haus Schulenburg, das wirbt Natalie Sudin auf City-Plakaten Kultur- und Kongresszentrum, das für die Marketingaktion ihrer Hei- Clubzentrum Comma, das Theater, matstadt. Die 24-Jährige spielt für der Tierpark, die Gera-Information das Frauenteam des RSC Gera in der sowie das Hofwiesenbad in die touris- 1. Rollhockey-Bundesliga. tische Route aufgenommen. Die neu montierte Beschilderung an wichtigen www.gera.de XX 08 median News Aktuelles aus der Region Millionen-Investitionen in Jena Der Optik- und Elektronikkonzern Carl Auch der österreichische Arzneimittel- Zeiss investiert an seinem Gründungs- hersteller EVER Pharma baut seinen ort Jena mehr als 300 Millionen Euro. Standort in Jena weiter aus. Für rund Bis 2023 sollen die Zeiss-Firmen mit 100 Millionen Euro sollen bis 2025 neue derzeit rund 2.000 Beschäftigten am Produktions- und Laborflächen entste- neuen High-Tech-Standort konzentriert hen, unter anderem der Neubau einer werden und 500 neue Arbeitsplätze hochmodernen Sterilproduktion. Das entstehen. Das Unternehmen will damit Unternehmen fertigt mit rund 270 Mit- auch die Zusammenarbeit mit Hoch- arbeitern unter anderem Fertigspritzen, schulen und Forschungsinstituten stär- Hormonpräparate und Narkosemittel. ken. Das Vorhaben ist die größte private Investition in Jena seit 1990. www.jena.de XX Dessau-Roßlau stellt Zukunftskonzept vor Fotos: Stadt Jena, IDT Biologika GmbH, Halle Saale Investvision, Bosch Group, Bentley Motors, Stadt Dessau-Roßlau, privat, HHL Etwa 80 Unternehmer sowie Vertreter Leitprojekte zur Stärkung der gewerbli- aus Wissenschaft und Landespolitik tra- chen Wirtschaft und der weiteren Opti- fen sich am 23. Oktober 2017 auf dem mierung des Standortes für Unterneh- 3. Dessauer Wirtschaftsforum. Im Mit- men, Investoren und Fachkräfte. Hierzu telpunkt stand die Frage, wie die Stadt gehören unter anderem Maßnahmen als attraktiver Wirtschaftsstandort in der Akquisition und Bestandspflege, der Metropolregion Mitteldeutschland der Gewerbeflächenentwicklung, Netz- weiter gestärkt werden kann. werk- und Marketingaktivitäten sowie Im Rahmen der Veranstaltung wurde Verbesserung der Forschungsinfra- der Entwurf des gesamtwirtschaftli- struktur in Dessau-Roßlau. chen Zukunftskonzepts für die Bau- hausstadt vorgestellt. Dieser enthält www.dessau-rosslau-wirtschaft.de XX Star Park füllt sich Die Liste der Ansiedlungen im Gewer- Montage- und Verpackungszentrums begebiet Star Park an der A14 bei für automobile Ersatzteile und Repa- Halle (Saale) wird länger. Die belgische raturlösungen angekündigt. Rund 900 Immobiliengruppe VGP NV will dort für Arbeitsplätze sollen ab 2019 so entste- 40 Millionen Euro drei Logistik- und hen. Zur aktuellen Liste der Investoren Fertigungshallen errichten. Das Unter- im Star Park gehören auch das italie- nehmen rechnet mit Ansiedlungen von nische Stahlbau-Unternehmen Manni zehn bis zwölf Firmen aus der Logistik- Group, die Post-Tochter DHL sowie der branche, dem Online-Handel und aus chinesische Verpackungshersteller der Automobil-Zuliefererbranche. Zuvor Greatview Aseptic Packaging. hatte bereits die Schaeffler-Gruppe den Bau eines 40.000 Quadratmeter großen www.halle-investvision.de XX
News median 09 Bosch baut neues Halbleiterwerk in Dresden Der Technologiekonzern Bosch errich- Ende 2021 beginnen. Insgesamt beläuft tet in Dresden ein neues Halbleiterwerk sich das Investitionsvolumen für den auf Basis der 300-Millimeter-Technolo- Standort auf rund eine Milliarde Euro. gie. Die dort gefertigten Mikroelektro- „Die neue Fertigung für Halbleiter ist mechanischen Systeme (MEMS) sollen die größte Einzelinvestition in der mehr in Zukunft unter anderem in Smartpho- als 130-jährigen Geschichte von Bosch“, nes, bei Smart-Home-Lösungen, E-Au- sagte Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender tos und Medizingeräten zum Einsatz der Geschäftsführung der Robert Bosch kommen. Bosch unterhält in Dresden GmbH. In Dresden sollen bis zu 700 bereits ein Entwicklungszentrum für neue Arbeitsplätze entstehen. solche MEMS. Die Produktion wird nach einer Anlaufphase voraussichtlich www.bosch.com XX Leipziger Porsche-Werk fertigt Bentley Aus dem Porsche-Werk in Leipzig kom- dem gleichen Modularen Standardbau- men künftig die Karosserien für den kasten aufbauen. Im Frühjahr soll der neuen Bentley Continental. Der Stand- Verkauf des rund 200.000 Euro teuren ort wird damit erstmals für eine andere Premiumfahrzeugs starten. Bislang Marke des VW-Konzerns tätig, weitere entstand das Blechkleid des Bentley Modelle sollen folgen. Möglich macht Continental im Zwickauer VW-Werk. dies der 2016 abgeschlossene Ausbau Dort werden zukünftig die Karosserien des Werkes, in den Porsche rund 500 für den Lamborghini Urus gefertigt. Das Millionen Euro investierte. Nun können erste SUV der italienischen VW-Tochter dort neben dem Panamera und dem soll 2018 auf den Markt kommen. Panamera Sport Turismo auch Bentley- Karosserien gefertigt werden, die auf www.porsche-leipzig.com XX Mitteldeutsche Köpfe Neuer Leiter der Wirt- Als erste deutsche Prof. Dr. Stephan Stub- schaftsförderung der Kunstturnerin seit 30 ner ist neuer Rektor der Stadt Dessau-Roßlau Jahren holte Pauline HHL Leipzig Graduate ist Stefan Horváth. Schäfer bei der Welt- School of Management. Der gebürtige Des- meisterschaft in Mon- Er löst damit Andreas sauer steht seit dem treal die Goldmedaille Pinkwart ab, der seit 1. Oktober 2017 als Ansprechpartner am Schwebebalken. Die 20-Jährige 2011 die private Hochschule leitete. Der für Unternehmen und Investoren zur kam vor fünf Jahren nach Chemnitz, 43-jährige gebürtige Münchner lehrt Verfügung. Als Rechtsanwalt war er wo sie beim TuS 1861 Chemnitz-Alten- seit zehn Jahren an der HHL und ist bisher im Steuerrecht, Handels- und dorf trainiert. Nach ihrem sensationel- Inhaber des Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG Gesellschaftsrecht sowie Immobilien- len WM-Triumph trug sich die Turnerin Lehrstuhls für Strategisches Manage- und Verwaltungsrecht tätig. ins Goldene Buch der Stadt ein. ment und Familienunternehmen. 10 median Interview Die Bevölkerung sortiert sich neu Junge Menschen wandern – Vogelschwärmen gleich – seit Jahren in bestimmte Städte. Für Prof. Dr. Harald Simons vom Forschungsinstitut empirica eine demografische Katastrophe. Interview: Kai Bieler / Fotos: Bertram Bölkow Sie haben im Sommer 2016 die Studie wie einzelne Vögelchen auf, bildeten Sind diese Schwarmstädte die 30 größten „Schwarmverhalten in Sachsen“ veröf- einen Schwarm und ließen sich dann Städte in Deutschland? fentlicht. Was genau war die Fragestel- an ausgewählten Orten nieder. Das sind Nein, das ist das Spannende. Wir haben lung dahinter? bundesweit rund 30 Kommunen, die wir Großstädte wie Essen, wie Dortmund Das hat eine längere Vorgeschichte. Schwarmstädte nennen. Seitdem kon- und mittlere Städte wie Bielefeld, Bre- Seit Mitte der 1990er Jahre haben wir zentriert sich jeder Geburtsjahrgang merhaven und Cottbus, die stagnieren unter dem Schlagwort „shrinking cities“ im Alter von 25 bis 30 Jahren räumlich oder schrumpfen. Gleichzeitig weisen nur über Schrumpfungsprozesse immer stärker an diesen Orten. kleinere Städte wie Koblenz oder diskutiert. Es wurden Stadtumbau- Regensburg ein starkes Wachstum auf. Programme aufgelegt und zehntau- Wo liegen die Gründe dafür? sende Wohnungen abgerissen. Wir haben schnell festgestellt, dass Warum genau diese Städte? So ab dem Jahr 2009 sprachen wir in die üblichen Erklärungsmuster dabei Tja, das genau ist die 1-Million-Dol- einigen Städten plötzlich wieder über nicht greifen. Es ist keine klassische lar-Frage. Junge Menschen scheinen steigende Mieten, Wohnungsknappheit Ausbildungswanderung, denn dafür heutzutage eine Liste mit Städten im und Kita-Neubauten. Da stellt sich die sind die Schwärmer zu alt. Die 20- bis Kopf zu haben, die sie grundsätzlich Frage: Wie schafft es eine schrump- 25-Jährigen gehen zum Studium in attraktiv finden. Da geht es eher um fende Bevölkerung, Wohnungsknapp- Hochschulstädte wie Frankfurt/Oder weiche Faktoren wie Image, Lebens- heit zu organisieren? Das haben wir und Mittweida, bleiben aber nicht. Das qualität und Coolness-Faktor. »Junge Menschen sind zunehmend zu einer Minderheit geworden. Diese Minderheit rückt räumlich in den Schwarmstädten zusammen.« Prof. Dr. Harald Simons 2013 erstmals in einer bundesweiten Verhalten lässt sich ebenfalls nicht Alle anderen Städte kommen einfach Studie untersucht und festgestellt: Die durch eine arbeitsmarktbedingte nicht in Frage, egal wie viele Jobs und Bevölkerung sortiert sich seit einigen Zuwanderung erklären. Die jungen bezahlbare Wohnungen sie bieten. Letz- Jahren innerhalb Deutschlands kom- Menschen arbeiten in Merseburg, ten Endes ist die Antwort auf die Frage plett neu. Wolfsburg, Salzgitter oder im Landkreis also ziemlich banal: Schwarmstädte Elbe-Elster, aber würden nie im Leben sind für junge Menschen attraktiv, weil Diese neuen Wanderungsmuster haben dort wohnen. Stattdessen wird eben in dort viele andere junge Menschen sind. sie Schwarmverhalten genannt. Was ver- die Schwarmstädte gependelt. birgt sich dahinter? Wir glauben, das Schwarmverhalten ist Welche Schwarmstädte haben wir in Bei der Betrachtung der einzelnen eine Folge des „Pillenknicks“, also des Mitteldeutschland? Geburtsjahrgänge, sogenannter Kohor- markanten Rückgangs der Geburten- An erster Stelle steht Leipzig, die der- ten, ist uns bei den ab Ende der 1970er rate. Junge Menschen sind zunehmend zeit am stärksten wachsende Stadt Geborenen ein völlig neues Verhaltens- zu einer Minderheit geworden. Diese Deutschlands. In Sachsen sind Dresden muster aufgefallen: Die 25- bis 30-Jäh- Minderheit rückt räumlich zusammen, und Chemnitz weitere Schwarmstädte. rigen stiegen überall in Deutschland und zwar in den Schwarmstädten. In Sachsen-Anhalt sind es neuerdings
Interview median 11 Prof. Dr. Harald Simons studierte Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Bamberg, Colchester (GB) und Bonn und legte 2008 seine Promotion an der Universität Magdeburg ab. 12 median Interview Prof. Dr. Harald Simons ist Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts empirica und hat seit dem Jahr 2010 eine Professor für Volkswirtschaftslehre an der HTWK Leipzig. Magdeburg und Halle (Saale), in Thürin- neue Kitas, Schulen und Wohnungen Diese „Versteckten Perlen“ verlieren gen Jena und Erfurt. Insgesamt beob- investiert und im ländlichen Raum zwar Einwohner an die Schwarmstädte, achten wir, dass aktuell ein paar neue müssen wir Steuermittel zur Organisa- verzeichnen aber einen Zuzug aus Städte dazukommen. Das liegt daran, tion von Schrumpfung ausgeben. Das ihrem Einzugsgebiet. dass die größten Anziehungspunkte ist nicht gesund. Das ist der entscheidende Unterschied Berlin und München seit Kurzem an zu den Städten und Dörfern, die in alle Attraktivität einbüßen, einfach weil die Wie lässt sich das ändern? Richtungen verlieren und so regelrecht Mieten und Lebenshaltungskosten so Durch einen anderen Blickwinkel. Die ausbluten. Unterm Strich ist das Wan- stark gestiegen sind. Politik fokussiert sich viel zu sehr auf derungssaldo einer „Versteckten Perle“ Davon hat Leipzig extrem profitiert. Es die Wachstumsschmerzen der wenigen immer noch negativ, aber es gibt eine wurde attraktiv für alle, die Berlin cool Schwarmstädte. Die sind aber die abso- Perspektive. Das macht Hoffnung. fanden, aber denen es zu teuer und lute Ausnahme, nicht die demografi- zu voll war. Aber auch das Leipziger sche Regel in Deutschland. Die politisch Inwiefern? Wachstum wird sich abschwächen, viel diskutierte Mietpreisbremse inter- Weil sie der Politik einen Ansatzpunkt wenn die Wohnkosten steigen. essiert in 99,5 Prozent der rund 12.000 für Strategien gegen die Abwanderung deutschen Kommunen niemanden! liefert. Die „Versteckten Perlen“ halten Das heißt, jede Schwarmstadt wird Ganz im Gegenteil, sie ist schädlich. junge Menschen in der Region. Deshalb irgendwann Opfer ihres eigenen Erfolgs? Denn sie verspricht jungen Menschen, müssen diese lokalen Zentren gezielt Ja, und ich bin darüber sehr froh. Denn sie könnten weiter verhältnismäßig gestärkt werden. sonst würden wir irgendwann alle günstig in Berlin wohnen und fördert so Aktuell macht die Politik aber genau in Berlin, München und Leipzig auf- die Abwanderung. das Gegenteil. Von zwei Mittelzentren einander hocken. Letztlich ist dieses wird gezielt das schwächere gefördert, Schwarmverhalten eine demografische Darüber hinaus identifizieren Sie in etwa durch Sanierungsvorhaben oder Katastrophe, die enorme Probleme mit Ihrer Studie für Sachsen sogenannte die Verlegung von Behörden. Wenn auf- sich bringt. In Leipzig und in Berlin gibt „Versteckte Perlen“. Was ist das? grund zurückgehender Schülerzahlen es Verteilungskämpfe um Kitaplätze Dabei handelt es sich um eine Reihe eine Schule geschlossen werden muss, und 30 Kilometer weiter demonstrieren von kleinen und mittleren Städten wie trifft es die stärkere Kommune. Das Eltern für den Erhalt des Kindergartens. Döbeln, Wurzen oder Eilenburg, die sich Ergebnis ist eine Nivellierung auf nied- Das heißt, in den Schwarmstädten wird erfolgreich gegen das Schwarmverhal- rigem Niveau, die keinem weiterhilft. wahnsinnig viel öffentliches Geld in ten und die Abwanderung stemmen. Hier müssen wir umdenken.
Interview median 13 Das bedeutet im Umkehrschluss, schon ist. Hier werden in vielen Städten die ein belebtes Zentrum, ein voller Markt- jetzt schwache Städte aufzugeben? falschen Entscheidungen getroffen. platz sein, wo ich regelmäßig meine Ja, das ist der unangenehme Teil der Ein Klassiker ist das Spaßbad, das am Nachbarn, meine Kollegen oder den Studie. Ich verstehe jeden Bürgermeis- Stadtrand gebaut wurde, weil es zwar Kumpel aus dem Sportverein treffe. ter, der mit Händen und Füßen um seine Fördermittel gab, aber kein passendes Das wird in kleinen Mittelzentren nicht Kommune kämpft. Aber Städte wie City-Grundstück. Oder typisch urbane an jedem Tag gelingen. Zumindest Zittau, Weißwasser oder Hoyerswerda, Konflikte um Lärm sorgen dafür, dass könnte man aber durch abgestimmte die seit 25 Jahren in alle Richtungen das Stadtfest oder die Disko aus der Öffnungszeiten von Einzelhandel, Ärz- Einwohner verlieren, werden diesen Innenstadt verbannt werden. Das alles ten, Gastronomie und Stadtverwaltung Negativtrend nicht mehr umdrehen. Wir sorgt für unbelebte Stadtzentren. dafür sorgen, dass die Bewohner an haben Abwanderungsgebiete in Ost- bestimmten Tagen im Zentrum alles sachsen, aus denen acht von zehn jun- Wie könnte es besser gehen? bekommen, was sie von einer funktio- gen Leuten weggehen. Das ist jenseits Am Anfang muss die Erkenntnis ste- nierenden Stadt erwarten. Denn wenn von Gut und Böse. Dagegen hat Görlitz, hen, dass eine Stadt nicht einfach eine dies nicht geschieht, wird die Stadt als das einen partiellen Zuzug von außen lange Liste von Infrastruktur, sondern tot wahrgenommen und der Abwande- verzeichnet, eine echte Chance. das Zusammenspiel räumlicher und rungswunsch wächst. funktionaler Bezüge untereinander ist. Sie schlugen eine „palliativ-medizinische Oberstes Ziel der Stadtplanung muss Vielen Dank für das Gespräch. Behandlung“ für ausblutende Regionen vor und haben dafür viel Gegenwind bekommen. Auch weil wir in der Studie erstmals konkrete Namen nannten. Trotzdem ist es aus meiner Sicht der richtige Begriff. Wir müssen anerkennen, dass es für manche Regionen keine Hoffnung mehr gibt. Es geht nur noch darum, es bis zum Ende so angenehm wie möglich für die Bewohner zu machen. Die öffentliche Hand hat nur geringe Einflussmöglichkeiten auf Wande- rungsbewegungen. Sie kann dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen, die Infrastruktur funktioniert. Letztlich ist es aber eine Abstimmung mit den Füßen. Das sollten wir akzep- tieren und die vorhandenen Mittel dort einsetzen, wo noch eine realistische Chance besteht. Was machen die „Versteckten Perlen“ besser als ausblutende Kommunen? Zum einen sind es Faktoren wie ihre Lage im Raum und die bauliche Attrak- tivität. Solche Städte sind meist kom- pakt, haben ein Zentrum, wo sich alles konzentriert. Viel entscheidender ist allerdings, was auf kommunaler Ebene geschieht. Unsere Analysen zeigen immer wieder, Er sitzt im Rat der Immobilienweisen und beriet als Mitglied der wie wichtig eine gute Stadtplanung Leerstandskommission die Bundesregierung zum Stadtumbau. 14 median News Aus den Arbeitsgruppen Machbarkeitsstudie untersucht Potenziale Zusammenarbeit bei für Radschnellweg Leipzig-Halle Gewerbeflächen Bereits seit dem Jahr 2009 kooperieren rund 20 Gebietskörperschaften aus der Region Leipzig/Halle bei der inter- kommunal abgestimmten Planung und Fotos: P3 Agentur / Total Real / wbp Landschaftsarchitekten GmbH / Stadt Mülheim an der Ruhr / Peter Obenaus, Henry Pfeifer, Vadim Guzhva - fotolia, Grüner Ring Leipzig Entwicklung von Gewerbe- und Indust- rieflächen. Dadurch sollen die Wettbe- werbsfähigkeit gestärkt, der Verbrauch neuer Flächen reduziert und die kom- munalen Haushalte entlastet werden. Für 2018 sind dazu gleich mehrere Vorhaben geplant. Dazu gehört die Evaluierung der vorhandenen Daten zur differenzierten Einschätzung der Flächenpotenziale in der Region. Ein weiteres Projekt widmet sich der Erstellung eines Thesenpapiers zur Das Fahrrad erfreut sich nicht nur als Städte und Straßen entlasten“, so Uwe Entwicklung der Flächennachfrage in sportliches Freizeitgerät steigender Stäglin, Beigeordneter für Stadtent- den vergangenen fünf Jahren sowie auf Beliebtheit. Auch immer mehr Pend- wicklung und Umwelt der Stadt Halle dieser Grundlage abgeleiteten Hand- ler nutzen es als Verkehrsmittel, um (Saale) und Mitglied der AG Verkehr lungsempfehlungen. Drittens wollen die täglich zur Arbeit, Schule oder Uni zu und Mobilität. Dank der zunehmen- Projektpartner eine Umsetzungsstrate- kommen. den Verbreitung von E-Bikes erhalte gie für ein regionales Monitoring reali- Diesen Trend greift das Konzept von das Thema Radschnellweg eine neue sieren, um sich abzeichnende Entwick- Radschnellwegen auf. Diese verbin- Dynamik, so Uwe Stäglin weiter. lungen auf dem Gewerbeflächenmarkt den Wohn- und Gewerbegebiete in Deshalb wird die Arbeitsgruppe Anfang besser erkennen und beschreiben zu Ballungsräumen über größere Entfer- 2018 eine Potenzial- und Machbar- können. Seit 2014 ist das Projekt in die nungen. Ihr besonderes Merkmal ist keitsanalyse für den Radschnellweg AG Wirtschaft und Standortentwicklung die Möglichkeit einer gleichbleibend Leipzig-Halle in Auftrag geben. Diese eingebunden. hohen Fahrgeschwindigkeit durch soll unter anderem mögliche Verläufe eine geradlinige und kreuzungsfreie der rund 30 Kilometer langen Strecke www.mitteldeutschland.com/ XX Streckenführung sowie eine größere zwischen den beiden Hauptbahnhö- gewerbeflaechenentwicklung Breite des Radweges. Bereits seit eini- fen von Leipzig und Halle (Saale), den gen Jahren existieren Pläne für einen notwendigen Planungs- und Kosten- Radschnellweg zwischen Leipzig und aufwand sowie die Nutzungspotenziale Halle (Saale). Vorbild sind bereits exis- untersuchen. Die Studie ist auch die tierende Strecken in Dänemark, den Voraussetzung für die Beantragung von Niederlanden und der Radschnellweg Fördermitteln für den Bau durch die RS 1 in der Metropolregion Rhein-Ruhr. Verkehrsministerien von Sachsen und „Mit einem Radschnellweg können wir Sachsen-Anhalt. Die Bundesregierung einen Teil des motorisierten Individu- will den Bau von Radschnellwegen alverkehrs durch umweltverträglichen zukünftig mit jährlich rund 25 Millionen Radverkehr ersetzen und unsere Euro fördern.
News median 15 Neue Projektgruppe Neuseenland: Startschuss für zum Thema MINT Wasser trifft Kultur IQ-Wettbewerb 2018 Seit 1990 entsteht durch die Transfor- Mit der offiziellen Auftaktveran- mation ehemaliger Braunkohlegebiete staltung startete am 13. November rund um Leipzig mit dem Gewässer- 2017 der 14. Clusterinnovations- verbund Leipziger Neuseenland eine wettbewerb der Europäischen einzigartige Landschaft für Freizeit und Metropolregion Mitteldeutschland. Zu Tourismus. Diese soll nach den Plänen der Netzwerkveranstaltung kamen der Projektgruppe Gewässerlandschaft rund 150 Förderer von Innovationen Mitteldeutschland der AG Kultur und sowie Gründer und Innovatoren aus Tourismus zukünftig stärker kulturell ganz Mitteldeutschland nach Leipzig. genutzt, um so ihre Sicht- und Erleb- Erstmals berichteten im Rahmen des barkeit weiter zu steigern. Events mit der COLDPLASMATECH Die Vernetzung regionaler Akteure und Auf Basis der gemeinsamen Überle- GmbH und der KUMATEC GmbH Projekte zum Thema MINT-Ausbildung gungen fand Anfang September mit zwei IQ-Gesamtsieger der Vorjahre will die neu gegründete Projektgruppe dem Open Air „Leinen los!“ ein erstes über die Erfahrungen bei der Markt- MINT Mitteldeutschland innerhalb der Pilotprojekt am Lindenauer Hafen statt. einführung ihrer Innovationen. AG Demographie und Bildung voran- Der IQ Innovationspreis Mittel- bringen. deutschland ist ein Projekt der „Eine hohe Attraktivität und Quali- Europäischen Metropolregion tät der Ausbildung in den Bereichen Mitteldeutschland und ihrer Part- Mathematik, Informatik, Naturwissen- ner in Halle (Saale), Leipzig und schaften und Technik ist ein zentraler Magdeburg. Bis zum 19. März 2018 Schlüssel für die Wettbewerbsfähig- können sich Unternehmen, Exis- keit des Industrie- und Forschungs- tenzgründer und wissenschaftliche standortes Mitteldeutschland“, so Einrichtungen mit ihren Innovationen Gerald Taraba, Geschäftsführer von aus den fünf Clustern Automotive, Actemium Deutschland. Nur so könne Life Sciences, Chemie/Kunststoffe, der Bedarf an technischen und wis- Energie/Umwelt/Solarwirtschaft senschaftlichen Fachkräften langfris- Im kommenden Jahr wird der Grüne und Informationstechnologie online tig gesichert werden. Gemeinsam mit Ring Leipzig in Zusammenarbeit mit unter www.iq-mitteldeutschland.de Kathrin Hinze, Leiterin des Kommu- der Projektgruppe eine Konzeption zur bewerben. Nach einem mehrstufigen nalen Bildungsbüros Dessau-Roßlau, künstlerischen Inszenierung besonde- Jury-Verfahren werden die Sieger leitet er die Projektgruppe. rer Orte am Wasser im mitteldeutschen des IQ Innovationspreises Mittel- Zu den derzeit in der diskutierten Gewässerverbund erarbeiten. In deren deutschland 2018 am 28. Juni 2018 Themenschwerpunkten gehören Rahmen sollen potenzielle Standorte der Öffentlichkeit vorgestellt. Neben unter anderem eine Online-Informa- auf ihre Eignung für Veranstaltungen Preisgeldern in Höhe von insgesamt tionsplattform rund um das Thema hin untersucht werden. Die Ergebnisse 70.000 Euro erhalten die fünf Clus- MINT, eine stärkere Zusammenarbeit werden in ein Location-Portfolio einflie- tergewinner sowie der Gesamtsieger zwischen Unternehmen und Schulen ßen, das Künstlern, Veranstaltern und eine einjährige Mitgliedschaft in der sowie die dauerhafte Förderung von touristischen Akteuren zur Verfügung Europäischen Metropolregion Mittel- MINT-Angeboten durch die Kommu- gestellt wird. deutschland. nen, Landkreise und Länder in der Region. www.gruenerring-leipzig.de XX www.iq-mitteldeutschland.de XX 16 median Titel Gesichter der Region Ansiedlungserfolge, steigende Mieten und Neubauprogramme für Kitas und Schulen, Abwanderung, demografischer Wandel und fehlende Breitbandver- sorgung: Die Themen und Herausforderungen, vor denen die lokalpolitisch Verantwortlichen quer durch Mitteldeutschland stehen, sind so verschieden wie die Gesichter ihrer Städte und Landkreise. Während einige Städte mit den Folgen eines mitunter zu rasanten Wachstums zu kämpfen haben, geht es anderenorts darum, die öffentliche Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten und gleichzeitig neue Perspektiven für die Bewohner zu entwickeln. Für unsere Titelstrecke haben sich sechs Landräte und Landrätinnen, Oberbür- germeister und Oberbürgermeisterinnen aus Mitteldeutschland an einen Ort begeben, der symbolisch für die aktuelle Situation ihrer Kommune oder ihres Landkreises steht. Das Bild, das diese oft nur wenige Dutzend Kilometer vonein- ander entfernten Orte und Protagonisten zeigen, ist nur auf den ersten Blick ein widersprüchliches. Denn sie alle sind Ausdruck eines demografischen und wirtschaftlichen Wandlungsprozesses, der ganz Mitteldeutschland erfasst hat. Fotos: Michael Bader, Thomas Ziegler (Halle/Saale) 18 20 22 23 24 25 Stadt Stadt Landkreis Stadt Landkreis Stadt Zwickau Gera Wittenberg Leipzig Mansfeld-Südharz Halle (Saale) Der Rückbau von In der thüringischen Um die Abwanderung Die Metropole erlebt Das Ende des Der Riebeckplatz Plattenbauten eröff- Stadt werden wieder junger Menschen zu eine neue Gründer- Bergbaus brachte war jahrzehntelang nete neue Chancen, mehr Kinder geboren. stoppen, entwickelt zeit. Jahrzehntelange einen industriellen ein unattraktiver zum Beispiel für die Für sie investiert die der Landkreis gezielt Brachflächen weichen Zusammenbruch. Verkehrsknoten. Jetzt Rückkehr auf die Kommune in einen Angebote für Familien neuen Wohnvierteln Trotzdem prägt er soll er das Eingangstor Fußball-Landkarte. neuen Campus. in kleinen Gemeinden. in Zentrumsnähe. das Leben bis heute. zur Stadt werden. • Bundesland • Bundesland • Bundesland • Bundesland • Bundesland • Bundesland Sachsen Thüringen Sachsen-Anhalt Sachsen Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt • Einwohner • Einwohner • Einwohner • Einwohner • Einwohner • Einwohner 91.138* 94.684* 128.447** 564.305* 141.408** 237.858* • Fläche • Fläche • Fläche • Fläche • Fläche • Fläche 102,50 km² 151,90 km² 1.930,31 km2 297,60 km² 1.449,00 km² 135,02 km² Quelle: Statistische Landesämter, * Stand 30.06.2016 ** Stand 31.12.2015
Titel median 19 50.728914° N, 12.519951° O Ab dem Jahr 2000 wurden hier in Eckersbach, einem „klassischen“ Plattenbau- gebiet, fast 5.500 Wohnungen zurückgebaut – gerade am Anfang ein schmerzlicher und von vielen Diskussionen begleiteter Prozess. Letztlich brachte dieser Struktur- wandel aber neue Chancen. Eine Möglichkeit haben wir genutzt: Den Bau des dringend benötigten drittligatauglichen Stadions. Dank des Aufstiegs des FSV wird nun in Zwickau endlich wieder Profifußball gespielt. Dr. Pia Findeiß Oberbürgermeisterin der Stadt Zwickau 20 median Titel Neubau der Sporthalle Stadtzentrum am Campus Rutheneum in Gera Gera wächst wieder. Im Jahr 2017 werden erstmals seit 26 Jahren mehr als 800 Kinder geboren. Und vor allem junge Familien zieht es in unsere Stadt. Um ihnen eine gute Zukunft zu eröffnen, setzen wir auf Bildung. Für die Sporthalle Stadtzentrum am Campus Rutheneum, eines der traditionsreichsten humanistischen Gymnasien Deutschlands, in die wir 2,2 Millionen Euro investieren, erfolgte gerade der erste Spatenstich. Dr. Viola Hahn Oberbürgermeisterin der Stadt Gera
Titel median 21 50.874675° N, 12.081825° O 22 median Titel Spielplatz „Am Kellerberg“ in Annaburg 51.728406° N, 13.045250° O Der demografische Wandel ist eine der großen Herausforde- rungen für unseren Landkreis. Um der Abwanderung junger Leute aus den kleineren Orten zu begegnen, entwickeln wir gezielt familien- und kinder- freundliche Angebote. Durch die enge Verknüpfung des Spielplatzes mit umliegenden Schulen und Betreuungsein- richtungen entstand in zentra- ler Lage ein generationen- übergreifender Ort der Begegnung. Jürgen Dannenberg Landrat des Landkreises Wittenberg
Titel median 23 Neue Wohnbebauung an Czermaks Garten in Leipzig 51.342063° N, 12.386971° O Jahrzehntelang war das Quartier „Innerer Osten“ geprägt von Kriegsschäden und Brachflächen. Jetzt ent- stehen hier in Zentrumsnähe rund 700 Wohnungen. Damit steht der Ort symbolisch für die neue Gründerzeit Leipzigs. Das bringt auch neue Heraus- forderungen, etwa im Umgang mit Grünflächen und durch den zunehmenden Verkehr. Burkhard Jung Oberbürgermeister der Stadt Leipzig 24 median Titel Halde des stillgelegten Schachtes „Fortschritt“ bei Volkstedt 51.559825° N, 11.548823° O Mit dem Ende des Kupfer- schieferbergbaus und der Kup- ferproduktion gab es einen bis dahin nicht gekannten Zusam- menbruch der industriellen Strukturen in der Region, der die Menschen des Landkreises hart getroffen hat. Dennoch prägt die 500-jährige Tradition des Bergbaus bis heute unser Leben und unsere Kultur. Wenngleich manche Zahl oder Statistik nicht immer für den Landkreis Mansfeld-Südharz spricht, so ist unsere Heimat dennoch eine liebens- und vor allem lebenswerte Region. Dr. Angelika Klein Landrätin des Landkreises Mansfeld-Südharz
Titel median 25 Riebeckplatz und Hauptbahnhof Halle (Saale) 51.479205° N, 11.982071° O Der Riebeckplatz ist einer der wichtigsten Entwicklungsstandorte der Stadt Halle (Saale). Mit Vorhaben wie dem Bau eines Wohn- und Geschäftshauses sowie eines Hotels, die bis Mitte 2019 abgeschlossen sein werden, werten wir den Riebeckplatz als Stadteingang weiter auf. Am Riebeckplatz stehen insgesamt rund 60.000 Quadratmeter Fläche für Gewerbe, Dienstleistung, Wohnen, Parken und Hotellerie zur Verfügung. Ziel ist es, dieses große Potenzial zielgenau und zügig zu ver- markten. Die städtebauliche Umgestaltung des Riebeckplatzes bekommt durch die 700-Millionen-Euro-Investition der Deutschen Bahn für die Modernisierung des Hauptbahnhofes, die Zugbildungsanlage und die Anbindung der Stadt an die ICE-Strecke Berlin-München einen großen Schub. Auch durch die schnellen Genehmigungsverfahren ist die Stadt Halle für Investoren aus ganz Deutschland attraktiv. Dr. Bernd Wiegand Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale) 26 median Demografie Das sächsische Döbeln gehört laut einer Studie zu den „Versteckten Perlen“ im Freistaat. Zuwachs erwünscht Der Studie „Schwarmverhalten in Sachsen“ zufolge gehört Döbeln zu den Mittelzentren, denen es gelingen kann, dem anhaltenden Trend zur Abwanderung zu widerstehen. Text: Katharina Kleinschmidt / Fotos: Stadt Döbeln, Lutz Weidler Die malerisch im Tal der Freiberger Mulde gelegene Stadt findet Hans-Joachim Egerer, der seit 2008 als Oberbürger- wächst, wenn auch bislang vor allem auf dem Papier. Denn meister der Stadt vorsteht. Er betont das komplexe Infra- es waren Eingemeindungen in den Jahren 1994, 2011, strukturangebot, das Bildung, Kultur, Freizeit und Gesund- 2013 und 2016, welche die Einwohnerzahl um 4.380 auf heitseinrichtungen vorhält. Moderne Schulen, Stadtbad, heute 24.160 Personen anwachsen ließen. Dem gegenüber Theater, Krankenhaus, Kino, Sporthallen, Volkshaus und »Um die flächendeckende Versorgung mit einer Bandbreite von 100 MBits/s beneiden uns viele Kommunen in Sachsen.« Hans-Joachim Egerer stehen rund 7.000 Menschen, die Döbeln seit der Wende zahlreiche Freizeitangebote – bis auf eine Hochschule sei verlassen haben. Doch die Perspektiven sind gut für das alles da und auf kurzen Wegen zu erreichen. Auch für die Mittelzentrum im Landkreis Mittelsachsen. Denn es gibt digitale Gegenwart und Zukunft sei Döbeln dank erhebli- auch echte Zuzüge, besonders junge Familien entdecken cher Investitionen in das Breitbandnetz gut aufgestellt. die Vorzüge von Döbeln zunehmend für sich. „Um die flächendeckende Versorgung mit einer Bandbreite von 100 MBits/s beneiden uns viele Kommunen in Sach- Wenn dieser Trend anhalten soll, muss das Paket stim- sen“, so der Oberbürgermeister. men: Wohnen, Arbeiten, Infrastruktur und Mobilität sind die Eckpunkte, ohne die ein Bevölkerungswachstum nicht Im Vergleich zu den sächsischen Großstädten ist auch die denkbar ist. Döbeln ist dabei bereits auf einem guten Weg, Wohnsituation in Döbeln entspannt. Immobilienportale
Demografie median 27 bieten modernen Wohnraum mit Preisen um fünf Euro pro 50 Kilometer nach Dresden sind eigentlich keine Entfer- Quadratmeter. Stabile Mieten und attraktive Wohnungen nung. Trotzdem ist bei der Verkehrsanbindung der Stadt sind das Ziel der Stadt, das auch in Zusammenarbeit mit längst nicht alles gut. Mit dem Zug und Bus ist Richtung verschiedenen Wohnungsgesellschaften verfolgt wird. So Dresden unter anderthalb Stunden nichts zu machen, realisierte die Wohnungsgenossenschaft Fortschritt auf Umsteigen inklusive. Das war nicht immer so. Doch mit dem Gelände einer alten Schule einen modernen Wohn- der Einstellung der Direktverbindung wurde Döbeln vom park. Bis Mai 2018 wird die TAG Wohnen 3,8 Millionen Bahnverkehr in die Landeshauptstadt abgehängt. Hans-Jo- Euro in die Modernisierung eines ihrer Häuser investieren. achim Egerer sieht dringenden Nachbesserungsbedarf Dadurch entstehen 87 seniorenfreundliche Wohnungen und fordert wieder eine direkte, schnelle und vor allem mit angeschlossenem Pflegedienst. Günstiges Bauland regelmäßige Zugverbindung nach Dresden. Hier sieht er wiederum soll junge Familien anziehen. In verschiedenen auch den Freistaat in der Pflicht. Auch eine verbesserte Ein belebtes Stadtzentrum sowie günstiges Bauland für junge Familien sollen die Abwanderung aus der Region stoppen. Bauabschnitten entstand in der Sörmitzer Au bereits ein Verkehrsanbindung nach Leipzig und Chemnitz steht auf stadtnahes Wohngebiet mit mehr als 130 Einfamilienhäu- der Wunschliste des Kommunalpolitikers weit oben. „Denn sern. wer in Döbeln wohnt, möchte vielleicht in Dresden oder Leipzig arbeiten“, so der Oberbürgermeister. Damit verbin- Wer in Döbeln lebt, arbeitet in der Regel in der Region. det sich die Hoffnung, die Stadt noch attraktiver für Pendler Gewerbeansiedlungen wurden von der Stadt von Anfang aus den drei großen sächsischen Metropolen zu machen. an gefördert. Dafür wurde bereits 1992 der erste bestätigte Flächennutzungsplan im Regierungsbezirk Leipzig erstellt. Mobilität ist also für Döbeln einer der Schlüssel zu einer Insbesondere mittelständische Unternehmen haben sich stabilen Bevölkerungsentwicklung. Das gilt nicht nur für die etabliert. Die Stadt setzt darauf, weitere Investoren anzu- Fortbewegung mit dem Zug oder Auto. Die Stadt hat bestän- ziehen. Über das gesamte Stadtgebiet verteilt stehen ver- dig in die vielen Radwege entlang der Freiberger Mulde und kehrstechnisch gut erschlossene Flächen zur Verfügung. der Zschopau investiert. Die Rechnung ist einfach, sagt Der Landkreis Mittelsachsen, in dem Döbeln umgeben von Hans-Joachim Egerer: „Dinge, die für Touristen interessant sieben Kleinstädten und mehreren Gemeinden liegt, trägt sind, machen Döbeln auch für seine Bewohner lebenswert.“ seinen Namen zu Recht. Nach Leipzig sind es von hier aus 69 Kilometer, nach Chemnitz sogar nur 46. Auch die knapp www.doebeln.de XX 28 median Stadtentwicklung Wirtschaftlich erfolgreich und trotzdem ein Standort mit Lebensqualität. Wie das zusammengehen kann, wird aktuell in Jena diskutiert. Jena diskutiert seine Zukunft Die Saalestadt platzt aus allen Nähten. Ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept soll die Richtlinien und eine breite Akzeptanz für den weiteren Wachstumsprozess hervorbringen. Text: Andreas Göbel / Foto: Stadt Jena Weit über Mitteldeutschland hinaus wird die Entwicklung Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Jena Jenas als Sinnbild einer florierenden Stadt wahrgenommen: mbH und ISEK-Themenpate. Nutzungskonflikte sollen so gar Die Kommune hat einen exzellenten Ruf als Wirtschafts- und nicht erst entstehen. „Meine Hoffnung ist, dass die im Dialog Wissenschaftsstadt. In den vergangenen zehn Jahren ist die entwickelten Ziele und Ideen des ISEK erhalten bleiben, wenn Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten um rund es in die Diskussion im Stadtrat geht“, betont Wilfried Röpke. 10.000 gestiegen, auch die Einwohnerzahl wächst kontinuier- lich. Doch wie verkraftet eine Stadt, die geografisch auf bei- Für die ehemalige Rektorin der Ernst-Abbe-Hochschule und den Seiten der Saale durch Berge flankiert ist, einen solchen Themenpatin Gabriele Beibst sind die Chancen einmalig: „Wir Aufschwung? Unter anderem hat die Wohnungsknappheit die haben die Möglichkeit, eine ganz neue Stadtmitte aufzubauen, Mieten im Stadtgebiet in die Höhe schießen lassen, auch beim in welcher Stadt geht das heutzutage noch?“ In ihr Themen- Öffentlichen Nahverkehr gibt es Handlungsbedarf. feld fällt unter anderem der Umbau des Uni-Campus am Inselsplatz und des zentralen Eichplatzes. „Wir haben bisher Angesichts dieser Herausforderungen diskutiert die Stadt einige Themen verschlafen und müssen jetzt aufholen“, findet mit ihren Bürgern und Unternehmen in Versammlungen Themenpate Frank Heuer, Sprecher der Interessengemein- und anderen Beteiligungsformaten aktuell über ein neues schaft Gewerbegebiet Jena-Süd. Für ihn liegt ein wichtiger Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) mit dem Zeit- Schlüssel in der Kommunikation mit dem Umland: „Stadt und horizont bis 2030. Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Kreise sollten die Strahlkraft Jenas als Technologiezentrum Wissenschaft sind Themenpaten für die sieben Handlungs- – das als Basis aber auch das Umland benötigt – gemeinsam felder. Der Tenor: Die Stadt muss enger zusammenrücken nutzen. Hier gibt es noch viel zu tun.“ Die ersten Bewährungs- und mehr miteinander sprechen. „Mit dem Integrierten Stadt proben sind bereits in Sicht: Als nächster großer Schritt entwicklungskonzept können wir einerseits auf die Bedürf- erfolgt die Anpassung des städtischen Flächennutzungspla- nisse von Bürgern und anderen Interessengruppen eingehen nes an das neue Konzept. und gleichzeitig Zukunftsvisionen entwickeln, die weit über den Ist-Zustand Jenas hinausgehen“, erklärt Wilfried Röpke, blog.jena.de/jena2030 XX
Mobilität median 29 Nächster Halt: Mitteldeutschland Eine S-Bahn-Verbindung nach Leipzig wird im Burgendlandkreis und in Gera als wichtige Maßnahme für den strukturellen Wandel gesehen. Der Weg dahin ist jedoch lang. Text: Andreas Göbel / Foto: Deutsche Bahn Mit der S-Bahn von Leipzig über Zeitz nach Gera: Mit die- Herz und Nieren prüfen – auf die „Intensität bestehender ser Idee des Ausbaus des mitteldeutschen S-Bahn-Netzes und potenzieller verkehrlicher Verflechtungen“ ebenso wie waren der Burgenlandkreis und die Stadt Gera im Sommer auf vertragliche und infrastrukturelle Randbedingungen, an die Öffentlichkeit gegangen. Für beide Regionen steht um die Sache dann im „sehr engen finanziellen Kontext viel auf dem Spiel, denn angesichts des demografischen des ÖPNV“ abzuwägen. Das Nachbarland Thüringen hofft Wandels und des sich abzeichnenden Endes der energe- auf ein Sonderprogramm des Bundes für die Elektrifizie- tischen Nutzung der Braunkohle steht der Kreis im Süden rung. Erst dann sei zu entscheiden, ob und wie ein Ausbau Sachsen-Anhalts vor tiefgreifenden strukturellen Verän- realisierbar wäre. Entsprechend realistisch werden die derungen. „Deshalb muss es in Zukunft mit vertretbarem Chancen in Gera wahrgenommen: „Unter den bisherigen Zeitaufwand möglich sein, im Burgenlandkreis zu wohnen, Bedingungen wird das ein sehr schwieriger Weg“, glaubt Stefan Prüger, Fachdienstleiter Verkehr der Stadt Gera. Das Projekt könne beschleunigt werden, wenn die Länder die Sache vorantreiben würden. Davon sei aber bisher »Für Gera würde dieses zusätzli- wenig zu erkennen. Um die Pläne wirklich eines Tages zu realisieren, seien deshalb die Akteure vor Ort gefragt: „Wir che Angebot im Schienenverkehr können andere Kommunen nur ermutigen, weiter gemein- einen deutlichen Attraktivitäts- sam bei den Landesregierungen zu trommeln. Nur so gibt es eine Chance auf eine Umsetzung.“ gewinn bedeuten.« Dr. Viola Hahn www.burgenlandkreis.de XX www.gera.de XX seine Kinder betreuen zu lassen und nach Leipzig oder Jena zur Arbeit zu pendeln“, betont Landrat Götz Ulrich. Auch im thüringischen Gera wird der Leipziger Hauptbahn- hof als wichtigster Zugangspunkt zu den Zügen Richtung Berlin und Hamburg gesehen. „Für Gera als größte Stadt zwischen den Metropolen Leipzig und Nürnberg würde dieses zusätzliche Angebot im Schienenverkehr einen deutlichen Attraktivitätsgewinn bedeuten“, so die Oberbür- germeisterin der Stadt Gera, Dr. Viola Hahn. Neben dem Personenverkehr würde von den Verbesserungen auch der Güterverkehr und damit die Industrie der gesamten Region profitieren. Die Strecke Leipzig–Gera ist derzeit jedoch nicht im Bedarfsplan des Bundes berücksichtigt. Auch die Stim- men aus Magdeburg und Erfurt sind zurückhaltend: Das Verkehrsministerium von Sachsen-Anhalt will die Erwei- Gera und der Burgenlandkreis wollen Teil des terungen des Netzes nach Halle (Saale) und Leipzig auf mitteldeutschen S-Bahn-Netzes werden. 30 median Fachkräfte Urbanität ist Veränderung Wenn eine Stadt ihr Bild verändert, ist das ein Vorgang, der auch wehtun kann, sagt Stefan Heinig, Abteilungsleiter für Stadtentwicklungsplanung in Leipzig. Um diesen Prozess aktiv zu gestalten und Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, hat die am stärksten wachsende Großstadt Deutschlands ein neues Stadtentwicklungskonzept aufgelegt. Text: Katharina Kleinschmidt / Fotos: Andreas Schmidt, Kai Bieler
Fachkräfte median 31 In den vergangenen fünf Jahren betrug der Wanderungsgewinn Leipzigs 65.813 Einwohner. Dazu kommt seit 2014 ein Geburtenüberschuss. Die Stadt wächst und will trotzdem kompakt bleiben. Es ist ein faszinierendes Schauspiel: Wie von einem Mag- in den 1990er Jahren gilt es zu vermeiden." Die Antwort neten angezogen, bewegt sich eine große Anzahl von Leipzigs steht auf 347 Seiten und heißt: INSEK, Integriertes Lebewesen scheinbar ungeordnet in eine Richtung. Das Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2030. Schwarmverhalten in der Tierwelt darf als Sinnbild für heu- tige Bevölkerungswanderungen herhalten. Auch Leipzig ist Zunächst stehen der Stadt einige Pflichtaufgaben bevor: seit einigen Jahren erklärtes Schwarmziel. Seit dem Jahr Von rund 70 Schulprojekten, Neubauten und Erweiterungen, 2000 hat die Stadt rund 100.000 Einwohner dazugewonnen. und 100 neuen Kitas ist die Rede. Rund 500 Millionen Euro Prognosen zufolge sollen bis 2030 140.000 weitere dazu- wird Leipzig dafür in die Hand nehmen müssen. Besonders kommen. Die Einwohnerzahl läge dann bei 720.000. Stefan Kitaplätze sind immer noch knapp, trotz der rund 260 Ein- Heinig, Abteilungsleiter für Stadtentwicklungsplanung in richtungen in der Messestadt, davon fast 50 Neueröffnun- Leipzig, schaut zurück: „Gerade unser Umgang mit der gen in den vergangenen drei Jahren. Im Oktober 2017 hat schrumpfenden Stadt hat dazu beigetragen, Leipzig wieder der Stadtrat den Neubau von 13 neuen Kitas beschlossen, attraktiv zu machen. Die hohe Eigendynamik kam allerdings die 1.760 neue Kita- und 490 Krippenplätze bringen sollen. überraschend.“ Prognosen seien wichtig, aber keine Garan- Die damit verbundenen Herausforderungen sind nicht nur tie, dass es nicht auch anders kommen könnte. „Manchen finanzieller Art, wie das Beispiel einer der geplanten Kitas im gefällt die Nachverdichtung schon heute nicht, andere lieben Stadtteil Dölitz zeigt. Wenn nicht genügend Grundstücke zur sie. Wir müssen an diesem Punkt der Entwicklung sehr gut Verfügung stehen, werden öffentliche Grünflächen zu Bau- überlegen, wie wir das Wachstum stemmen und gleichzeitig land – zum großen Unwillen der Nachbarschaft. Die Stadt Strategien entwickeln können, die mögliche negative Folgen als Wachstumsmanagerin setzt Prioritäten und schafft neue abfedern. Leerstände und strukturelle Unsicherheiten wie Formate. Überall findet Verdichtung statt. Eine neue Wohn- 32 median Fachkräfte Am Lindenauer Hafen entsteht ein komplett neues Wohnquartier am Wasser mit Miet- und Eigentums- wohnungen, Stadthäusern für Selbstnutzer, sozialem Wohnungsbau und Kindertagesstätte. Die ersten Wohnungen sind bereits bezogen. anlage bekommt dann eine Kita im Erdgeschoss, Stadtteil- erscheinen. Die Verknappung ist überall deutlich, ist doch bibliotheken könnten in Schulgebäuden residieren und der der Leerstand innerhalb von fünf Jahren von 14 auf sechs Quartiersspielplatz findet sich vielleicht auf dem Schulhof Prozent gesunken. Diese Folgen der neuen Anziehungskraft wieder. Stefan Heinig gibt zu, dass auf dem Weg dahin noch Leipzigs spüren auch die Kreativen, die – einst Vorreiter viele offene Fragen geklärt werden müssen und der finanzi- des Booms – nun aus den guten Lagen verdrängt werden. elle und personelle Aufwand nicht gering sein wird. Stefan Heinig bestätigt das: „Zum Schutz der gewerblichen Nutzung arbeiten wir als Stadt Bebauungspläne aus, um Überall in der Stadt entstehen aktuell neue Wohnquartiere die Verdrängung der vorhandenen gewerblichen Nutzung oder sind in Planung, etwa am Lindenauer Hafen oder auf durch neue Wohninvestments einzudämmen. Man muss einem ehemaligen Kasernengelände im Norden. Die Bebau- niedrigschwellige Freiräume auf jeden Fall erhalten, aber sie ung des Eutritzscher Freiladebahnhofs symbolisiert dabei stehen nicht mehr im Übermaß zur Verfügung wie zu Zeiten die angestrebte Qualität neuer Stadtteile. Bei dem Areal des Stadtumbaus.“ Die Nutzungsmischung kann planungs- nordwestlich des Hauptbahnhofes sind 30 Prozent der Brut- rechtlich in einem gewissen Maße gesteuert werden, nicht »Manchmal tun Veränderungen weh. Aber eine Stadt kann sich nur mit Veränderung weiterentwickeln.« Stefan Heinig togeschossfläche für die gewerbliche Nutzung vorgesehen. aber der Mietpreis. Räume, die vor wenigen Jahren noch für Daneben entstehen rund 2.000 Wohnungen. Grundschule, drei Euro pro Quadratmeter gemietet werden konnten, sind weiterführende Schule, Turnhalle, Quartierparks sowie heute kaum noch zu finden. Räume für experimentelles Wohnen – all das soll für eine gute soziale Infrastruktur mit kurzen Wegen sorgen. Wichtig Die Entwicklung und Verteuerung bisheriger "In"-Viertel wie ist der Stadt die Mischung in den Quartieren, die hohen Neu- der Südvorstadt oder Plagwitz sind aber auch eine Chance baumieten werden bei einem Drittel der Wohnungen durch für andere Stadtteile. Stimmt die Lagequalität, wächst dort sozialen Wohnungsbau gedeckelt. das Interesse der Kultur- und Kreativwirtschaft. Allerdings wandert nicht nur die kreative Szene: Auch die sozialen und Die Mieten in Leipzig steigen seit einigen Jahren wieder ste- städtebaulichen Problemlagen haben neue Schwerpunkte tig an, wenn sie auch im Bundesdurchschnitt noch moderat mit einer Tendenz von den westlichen hin zu den östlich und
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