DAS ÄQUIVALENZ-PRINZIP ALS GRUNDLAGE DER GLOBAL-ÖKONOMIE - Arno Peters

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Arno Peters

         DAS
 ÄQUIVALENZ-PRINZIP
   ALS GRUNDLAGE
DER GLOBAL-ÖKONOMIE
Klappentext des Originals

Mit dem Ende des europäischen Kolonialismus                In unserer Epoche sieht Arno Peters den Übergang
verband sich auch für den deutschen Universalhisto-        von der National-Ökonomie zur Global-Ökonomie.
riker Arno Peters die Hoffnung auf Überwindung von         Wenn Global-Ökonomie mehr sein soll als
Hunger und Not in Afrika, Asien und Lateinamerika.         die Summe weltweit operierender selbstsüchtiger
Inzwischen hat sich die Schere zwischen Arm und            National-Ökonomien, muss sie sich zum Prinzip
Reich noch weiter geöffnet. Einer Milliarde Menschen       der auf wertgleichen Güteraustausch beruhenden
in Wohlstand stehen vier Milliarden Menschen in            äquivalenten Ökonomie durchringen, wie sie vor
Armut und Not gegenüber, Tag für Tag verhungern            Beginn der Marktwirtschaft bestanden hat. Das setzt
weltweit 40.000 Menschen. Arno Peters fand die             die Verabsolutierung der von Smith und Ricardo
Ursache für die Verschlimmerung der Ausbeutung der         entwickelten Arbeitswertlehre voraus. Ohne sie ist alle
farbigen Vöker durch die Industriestaaten in der           Theorie über das Verhältnis von Preis und Wert bloße
Nicht-Äquivalenz der Weltmarktpreise, die Natur-           Spekulation. Peters analysiert die grundsätzliche
produkte im Verhältnis zu den Industrieprodukten           Unfähigkeit der Marktwirtschaft zur Heraufführung
von Jahr zu Jahr stärker benachteiligen.                   der äquivalenten Ökonomie. Erst wenn an Stelle
                                                           des privaten Profitstrebens der Marktwirtschaft die
Seit François Quesnay den Wirtschaftsprozess auf           der äquivalenten Ökonomie zugrunde liegende
einer einzigen Tafel als in sich geschlossenen Kreislauf   allgemeine Bedarfsdeckung weltweit zum Prinzip der
darstellte, haben viele Ökonomen von Marx bis Leon-        Wirtschaft geworden ist, kann Hunger und Not
tief dessen »Tableau Èconomique« verbessert. Arno          weltweit überwunden werden.
Peters weist nun nach, dass Quesnay, wie seine Nach-
folger, nur den Kreislauf der Preise, nicht aber der
Werte dargestellt hat – und er zeigt den Kreislauf der
Werte auf zwei bunten Tafeln (Äquivalente Ökonomie
und Nicht-äquivalente Ökonomie).

                                       (Original) ISBN 3-905019-08-8
                               © 1996 Akademische Verlagsanstalt, FL 9490 Vaduz

                                 Typographie und Umsetzung für das Internet
                                     (neue deutsche Rechtschreibreform)
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                      mit freundlicher Genehmigung durch Prof. Dr. Arno Peters, Bremen
Inhaltsverzeichnis

Der Anfang der Wirtschaftsgeschichte . . . . . . . . . . . 5                      Der räuberische Grundzug
                                                                                  aller Nationalstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Der Mensch produziert seine Nahrung selbst . . . . . 5
                                                                                  Gemeinwohl verbietet Bereicherung . . . . . . . . . . . 12
Der Mensch wird sesshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
                                                                                  Die Wirtschaft als geschlossener Kreislauf . . . . . . . 12
Übergang vom Tausch zum Handel . . . . . . . . . . . . . 5
                                                                                  Die Wirtschaft als selbstständige Erscheinung . . . . 13
Herausbildung fester Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
                                                                                  Die Ökonomie als autonome Wissenschaft . . . . . . 13
Die National-Ökonomie beginnt . . . . . . . . . . . . . . . 6
                                                                                  Selbstverantwortlich
Die Dienstbarmachung von Mitmenschen . . . . . . . 6
                                                                                  – aber im Staat eingebunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Die Käuflichkeit aller Güter und Werte . . . . . . . . . . 6
                                                                                  Die Wirtschaft als Basis der Geschichte? . . . . . . . . . 13
Mit dem Handel beginnen Krieg und Raub . . . . . . . 6
                                                                                  Die Hegemonie der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Täglich verhungern weltweit 40.000 Menschen . . . . 7
                                                                                  Bereicherung als einziger Antrieb
Jeder Dritte ist arbeitslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7         der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Spekulation beherrscht den Geldverkehr . . . . . . . . . 7                        Das Ende von Gemeinsinn und Solidarität . . . . . . 14

Armut und Reichtum                                                                Die äquivalente Ökonomie als Hoffnung . . . . . . . . 14
wachsen ins Unermessliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
                                                                                  Äquivalenz-Prinzip nur global realisierbar . . . . . . 14
Der Weltmarktpreis als Hebel der Ausbeutung . . . . 8
                                                                                  Das Fehlen eines absoluten Wertmaßes . . . . . . . . . 15
Die Überbewertung der Industrieprodukte . . . . . . . 8
                                                                                  Klassische Ökonomie
Das Ende der Epoche der National-Ökonomie . . . . 8                               begründet Arbeitswertlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Die Marktwirtschaft                                                               Historische Zuordnung
endet mit National-Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 8                   des Äquivalenz-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Die Prinzipien                                                                    Nicht-äquivalente Ökonomie
der nicht-äquivalenten Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . 9                     teilt Arbeitswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Alternative zur National-Ökonomie . . . . . . . . . . . . . 9                     Preis nicht vom Arbeitswert bestimmt . . . . . . . . . . 16

Archetypen der Wirtschaft (Schautafeln) . . . . . . . . 10                        Äquipretiär ist nicht äquivalent . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Entsprechung von Input und Output . . . . . . . . . . . 10                        Verbales Bekenntnis zur Äquivalenz wertlos . . . . . 16

Wie es zur Marktwirtschaft gekommen ist . . . . . . . 10                          Arbeit als Wertursache und Wertmaß . . . . . . . . . . . 16

Bereicherung ist nicht                                                            Das Wertmaß muss unveränderlich sein . . . . . . . . 17
Bestandteil der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
                                                                                  Sklaverei und Lohnarbeit
Gewinnstreben verdrängt Bedarfsdeckung . . . . . . 11                             nur graduell unterschieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Natürliche Eigenliebe und Egoismus . . . . . . . . . . . 11                       Produktionsmittel = akkumulierte Arbeit . . . . . . . 17

Natürliche Bedürfnisse und Unersättlichkeit . . . . . 11                          Profit mit Arbeitswertlehre vereinbar . . . . . . . . . . . 17

Der Ursprung des Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11               »Existenzlohn« verdunkelt Arbeitswertlehre . . . . . 18

Die Prinzipien der äquivalenten Ökonomie . . . . . . 12                           Das Wertmaß muss absolut und objektiv sein . . . . 18

                                                                            –3–
Die Forderung                                                                         Preisrelation
auf ungeschmälerten Arbeitsertrag . . . . . . . . . . . . . 18                        Industrieprodukt/Naturprodukt . . . . . . . . . . . . . . 24

Verbindung von                                                                        Gleichrangigkeit aller Völker der Erde . . . . . . . . . . 24
Äquivalenz-Prinzip und Wertlehre . . . . . . . . . . . . . 18
                                                                                      Industrialisierung durch alle Völker erkauft . . . . . 24
Mehrwertlehre relativiert Arbeitswertlehre . . . . . . 19
                                                                                      Weltweite Industrialisierung vermeidbar . . . . . . . . 25
Die Geschichte widerlegte Zukunftsvisionen . . . . . 19
                                                                                      Annäherung an Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Alle herkömmlichen Geschichtsbilder
                                                                                      Selbsterhaltungstrieb
europazentrisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
                                                                                      gegen Bereicherungsdrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Umetikettierung historischer Perioden . . . . . . . . . 19
                                                                                      Äquivalente Ökonomie
Geschichte kein Nacheinander                                                          schrittweise erreichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
von Geschichtskörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
                                                                                      Sofortige Überwindung
Geschichte auch kein Nebeneinander                                                    von Hunger und Not möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
von Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
                                                                                      Das Ende von Handel, Krieg und Raub . . . . . . . . . 26
Geschichtsverlauf
ohne naturgesetzliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . 20

Geschichte ist ein Miteinander von Prozessen . . . . 20                               Veröffentlichungen von Arno Peters . . . . . . . . . . . . 26

Spaltung als Ausdruck des Zerfalls . . . . . . . . . . . . . 20                       Biographische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Sozialreform oder Kommunismus? . . . . . . . . . . . . 20                             Fritz Fischer:
                                                                                      Der letzte Polyhistor.
Planwirtschaft überwand Marktwirtschaft . . . . . . 21
                                                                                      Leben und Werk von Arno Peters . . . . . . . . . . . . . . 27
Kommunismus brachte keine Äquivalenz . . . . . . . 21

Ausbeutung vermindert, aber nicht beseitigt . . . . . 21

Die Arbeitzeit als Maß des Lohnes . . . . . . . . . . . . . 21

Einfache Arbeit und differenzierte Arbeit . . . . . . . 21

Lohnfrage als Grundfrage der Wertlehre . . . . . . . . 22

Wertlehre der Klassiker nicht schlüssig . . . . . . . . . . 22

Rückkehr zur äquivalenten Ökonomie . . . . . . . . . . 22

Allein die Arbeitszeit
darf den Lohn bestimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Entlohnung von Dienstleistungen
nach Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Äquivalenz setzt Zeitlohn voraus . . . . . . . . . . . . . . 23

Auch Unternehmertätigkeit gegen Zeitlohn . . . . . 23

Boden und Gebäude als Gemeineigentum . . . . . . . 23

Computer steuern Produktion
nach Bedürfnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

                                                                                –4–
Die Wirtschaft ist, wie jede andere Erscheinung der            Der Mensch produziert seine Nahrung selbst
Gegenwart, nur in ihrer Gewordenheit zu begreifen.             Zähmung und Zucht von Tieren sowie die Erfindung
Sie beruht auf der Arbeit aller früheren Generationen          des Ackerbaus führten vor etwa 12.000 Jahren zu einer
und ist selbst Grundlage des Lebens der kommenden.             neuen Phase der Wirtschaftsgeschichte. Der Mensch
Dabei ist sie, wie Technik, Politik, Recht, Moral,             begann, seine Nahrung selbst zu produzieren. Damit
Wissenschaft und Kunst, mit allen anderen Seiten der           wurde er von der Natur unabhängiger. Er ist nun nicht
historischen Entwicklung in vielfältiger Weise                 mehr darauf angewiesen, zu nehmen, was die Natur
verbunden, durch sie beeinflusst, geprägt. So                  ihm bietet, er kann den Samen jener Früchte in den
entspricht jeder Stufe der Menschheitsentwicklung              Boden senken, die er zu ernten wünscht: Gerste,
eine bestimmte Ökonomie. Um die Frage zu                       Weizen, Erbsen, Linsen. Wohl schwankt die Menge
beantworten, ob unsere Wirtschaft heute sinnvoll               seiner Nahrung von Ernte zu Ernte, aber nicht mehr
organisiert ist, ob die Fülle der ökonomischen                 von Tag zu Tag. Seine Existenz wird sicherer.
Lehrmeinungen der Gegenwart und ihre Anwendung
unserer Epoche gemäß ist, müssen wir die                       Der Mensch baut für sich und seine Vorräte Hütten
Entwicklung der Menschheit unter dem besonderen                und Häuser, er wird sesshaft. Auch die zwischen-
Blickpunkt der Wirtschaft betrachten.                          menschlichen Beziehungen werden dauerhafter.
                                                               Überschüssige Nahrungsmittel werden gegen andere
Der Anfang der Wirtschaftsgeschichte                           Güter (wie Feuerstein, Kupfer, Bronze, Tongefäße)
Wenn wir unter »Wirtschaft« die Gesamtheit aller               eingetauscht. Es entstehen Dörfer. Ihre Wirtschaft ist
Tätigkeiten und Einrichtungen zur Befriedigung der             auf die Bedarfsdeckung von Familie, Sippe, Stamm
allgemeinen Bedürfnisse verstehen, liegt der Beginn            gerichtet. Werkzeuge und Waffen sind persönliches
unseres Wirtschaftens etwa 800.000 Jahre zurück                Eigentum, der Boden Gemeineigentum. Der Tausch
beim Beginn der Anfertigung einfacher Werkzeuge.               von Gütern wird weiterhin in der Regel durch die
                                                               Produzenten selbst vorgenommen.
Lebten die Menschen bis zu diesem Zeitpunkt wie
Tiere von der sie umgebenden Natur, so fingen sie nun          Der Mensch wird sesshaft
an, die von ihnen vorgefundenen Gegenstände                    Mit der Sicherung der Ernährung und der Errichtung
und Materialien zu bearbeiten, um sie ihren                    fester Dörfer vermehrt sich die Bevölkerung. Produk-
Zwecken nutzbar zu machen. Mit dieser Veränderung              tion und Konsum werden vielfältiger, weiter entfernte
der Natur durch Arbeit beginnt die Wirtschafts-                Güter werden begehrt, längere Wege schieben sich
geschichte. Beobachtungsgabe, Tatkraft und hand-               zwischen Erzeuger und Verbraucher. Damit ergibt
werkliche Geschicklichkeit befähigten den Menschen             sich die Notwendigkeit von Transport, Lagerung und
bald zu regelmäßiger Tätigkeit.                                Verteilung der auszutauschenden Güter. Diesen
Soweit Archäologen uns davon Kunde geben, ist die              Arbeiten wenden sich Männer zu, deren Tätigkeit als
Wirtschaft dieser frühen Zeit allein auf die Befriedi-         Jäger durch Einführung der Viehzucht an Bedeutung
gung der eigenen Lebensbedürfnisse des einzelnen               verloren hat.
Menschen gerichtet.
                                                               Übergang vom Tausch zum Handel
Mit der Verfeinerung der Werkzeuge beginnt inner-              Als Beauftragte der Produzenten bringen sie Güter zu
halb der Familie, der Sippe, des Stammes eine erste            den Konsumenten und erhalten dafür andere Güter,
Aufgabenteilung. Neben Messer, Ahle, Meißel und                die sie den Produzenten zurückbringen. Später kaufen
Nähnadel treten Angelhaken, Speer, Harpune, Pfeil              sie den Produzenten ihre Produkte ab und liefern sie
und Bogen. Die Männer werden zu Jägern, die Frauen             den Konsumenten auf eigene Rechnung, was ihnen
sammeln Beeren, Nüsse, Knollen und Früchte, und sie            mehr Nutzen bringt, als sie für ihre Leistung des
hüten die Kinder. Diese Phase der innerfamiliären              Transportierens, Lagerns und Verteilens erlangen
Aufgabenteilung begann etwa vor 80.000 Jahren, als             können. Dafür übernehmen sie das Risiko, dass Güter
der Mensch anfing, sich gegen die Unbill der Witte-            verderben oder geraubt werden oder erst nach Warte-
rung durch selbst gefertigte Fellkleidung zu schützen.         zeiten Abnehmer finden. In den wenigen zu Ackerbau
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und Viehzucht fortgeschrittenen Gemeinwesen                     geregelte Tätigkeit aller gesichert werden kann. So gibt
begann dieser Übergang vom Tausch zum Handel vor                der Mensch seine naturhafte Ungebundenheit auf, um
etwa 7.000 Jahren.                                              in der organisierten Gemeinschaft höhere Sicherheit
                                                                zu gewinnen. Zunehmende Aufgabenteilung steigert
Herausbildung fester Berufe                                     die Güte der Erzeugnisse und bewirkt eine höhere
Zu gleicher Zeit entwickelte sich der Beruf des                 Arbeitsergiebigkeit. Neue Berufe bilden sich heraus.
Kriegers, dessen Aufgabe die Unterwerfung und                   Die Menschen benennen alle Dinge und geben sich
Beraubung fremder Stämme war sowie der Schutz der               selbst Namen. Hebel und Rad vervielfachen ihre
Angehörigen und der Vorräte des eigenen Stammes                 Kraft. Warenaustausch und Handel führen zu einem
vor fremder Unterwerfung und Beraubung. Kämpfe                  geregelten Verkehr. Seetüchtige Schiffe werden
zwischen benachbarten Stämmen sind schon früher                 gebaut. Die Menschheit hat den Übergang vom
bezeugt, auch Raubzüge. Doch daran waren alle                   instinktiven Handeln zum überlegten Tun vollzogen,
Männer der betroffenen Stämme beteiligt. Der                    sie ist in die bisher letzte Epoche ihrer Entwicklung
Berufskrieger aber leistet, wie der Händler, für seinen         eingetreten. Metallverarbeitung bringt den Durch-
eigenen Lebensunterhalt keine produktive Arbeit                 bruch zu technischem Denken und Handeln. Schrift
mehr. Diese Berufe entstehen beim Emporwachsen                  macht menschliche Erfahrung mitteilbar, summier-
der ersten Dörfer zu Städten und Stadtstaaten.                  bar und vererbbar, Geschichte wird überlieferbar, die
                                                                schöpferische Leistung des Menschen unsterblich.
Vor gut 5.000 Jahren hat sich diese neue, von Handel
und Krieg geprägte Wirtschaftsordnung in einem so               Die Dienstbarmachung von Mitmenschen
großen Teil der damals besiedelten Welt durchgesetzt,           Handel und private Aneignung des Bodens führen zur
dass wir vom Beginn einer neuen Epoche sprechen                 Dienstbarmachung des Menschen durch den Mit-
können, der National-Ökonomie, die allmählich                   menschen, an die Stelle der alten Solidarität zwischen
überall die Lokal-Ökonomie ablöst. Wir begreifen                Freien und Gleichen treten Befehl und Gehorsam
»Nation« hierbei als historisch gewachsenes Staats-             zwischen Herr und Knecht. Der Staat entsteht als
wesen mit eigener Tradition und hegemonialer                    stabilisierender Ordnungsfaktor einer sich zu-
Ausrichtung, fassen darunter also alle, den lokalen             nehmend feindlich gegenüberstehenden Menschen-
selbstgenügsamen Rahmen überschreitende Gemein-                 gemeinschaft: Macht und Zwang im Innern, Krieg,
schaften, wie sie sich seit Entstehung der ersten               Raub, Unterwerfung, Ausbeutung im Verhältnis der
Stadtstaaten vor 5.000 Jahren in Struktur und                   Stämme und Völker untereinander. Militärische
Charakter bis in unsere Tage behauptet haben.                   Organisation, auch der Wirtschaft, ersetzt das natür-
                                                                liche Wachstum der menschlichen Gemeinschaft.
Die National-Ökonomie beginnt                                   Reichtum und Armut entstehen.
Diese neue Epoche, die National-Ökonomie, begann
etwa um das Jahr 3.000 vor unserer Zeitrechnung, als            Die Käuflichkeit aller Güter und Waren
sich in den Flusstälern des Nils, des Euphrats und              Die Käuflichkeit aller Güter und Werte bewirkt den
Tigris, des lndus und des Hoanghos [Hwangho, gelber             Verlust des ganzheitlichen Wesens des Menschen: So
Fluss] eine größere Anzahl von Menschen vereinigte,             wird jeder Sieg auf dem Wege des Fortschritts zu einer
um die Gewalt der Ströme zu bändigen und das                    Niederlage. Die Epoche der höchsten Schöpfungen
Wasser ihren Zwecken nutzbar zu machen. Durch                   des Menschen wird zur Epoche seiner tiefsten Selbst-
Anlage von Dämmen, Staubecken und Kanälen                       erniedrigung.
verwandelten sie öde Landstriche in fruchtbare Felder
und blühende Gärten. Aus der gemeinsamen Arbeit                 Mit dem Handel beginnen Krieg und Raub
erwuchs ein Gefühl für die gegenseitige Abhängigkeit            Wenn wir heute, an der Wende vom zweiten zum
und für die Kraft der Gemeinschaft. Die Menschen                dritten Jahrtausend, auf diese Epoche der hinter uns
lernten, dass große Aufgaben nur durch die Über-                liegenden 5.000 Jahre zurückblicken, so erkennen wir,
nahme fester Pflichten zu bewältigen sind und dass              dass diese Zeit durch allen Wechsel der Staaten,
die Existenz des Einzelnen auf Dauer nur durch die              Reiche, Dynastien, Religionen, Gesellschaftsord-
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nungen hindurch vom gleichen Grundzug geprägt                   Armut, das sind 14 %, in den USA sind es 10 % der
wurde: vom Streben nach Reichtum und Macht, wie                 Weißen und 31 % der Schwarzen. Und auch hier
es der Durchbruch von Handel, Krieg und Raub beim               werden die Reichen von Jahr zu Jahr reicher. Genau
Übergang von der Lokal-Ökonomie zur National-                   um 62 % stieg in den USA in den letzten zehn Jahren
Ökonomie in die Welt gebracht hatte. Dieser Über-               das Einkommen der reichsten 20 %, während in der
gang, der in den wenigen Hochkulturen der großen                gleichen Zeit das Einkommen der ärmsten 20 % der
Flusstäler vor 5.000 Jahren begann, ereignete sich in           US-Bevölkerung um 14 % gesunken ist. Die Polari-
Südeuropa erst vor rund 3.000 Jahren, in Nordeuropa             sierung schreitet also innerhalb der Industrieländer
vor 1.500 Jahren, in den meisten außereuropäischen              ebenso fort wie das Verhältnis von Industrieländern
Ländern erst vor 500 Jahren mit der kolonialen Besitz-          zu Entwicklungsländern.
nahme durch die europäischen Mächte und bei den                 Überall in der Welt werden Güter und Dienst-
letzten, entlegensten Stämmen und Völkern erst vor              leistungen aller Art dringend benötigt, trotzdem sind
hundert oder vor fünfzig Jahren. Obwohl es durch                in Westeuropa 35 Millionen Menschen arbeitslos,
die ganze Epoche der National-Ökonomie his                      weltweit sind es 820 Millionen, fast ein Drittel der
heute Inseln der Lokal-Ökonomie gegeben hat, ist                arbeitsfähigen Menschen.
die Einbeziehung aller Familien, Stämme, Völker
und Staaten in die von den reichen „Herren“-                    Spekulation beherrscht den Geldverkehr
Völkern organisierte marktwirtschaftliche National-             Und die sich täglich verdichtenden globalen Kapital-
Ökonomie jetzt weltweit vollzogen.                              ströme schaffen keine Arbeitsplätze und keine
Hat sie sich bewährt? Kann sie Grundlage der vor uns            materiellen Werte, sie sind nicht mehr auf Profit
liegenden Global-Ökonomie sein?                                 gerichtet, sondern allein auf den Zins. Das Volumen
                                                                der internationalen Geldströme hat sich in den letzten
Täglich verhungern weltweit 40.000 Menschen                     sechs Jahren verzehnfacht. Täglich wechseln nun
Das Jahrhundert, dessen Ende wir entgegengehen, hat             mehr als 1.000 Milliarden Dollar weltweit den Besitzer
uns mehr wissenschaftliche und technische Fort-                 – nur 1 % davon (täglich etwa zehn Milliarden) für die
schritte gebracht als die ganze Weltgeschichte zuvor.           Abwicklung des Welthandels – 99 % der Geld-
Die Massenproduktion hat vielen Menschen Güter                  bewegungen sind rein spekulativ.
beschert, die früher wenigen vorbehalten waren.                 Die Auslandsguthaben der Banken haben sich seit
Verkehr und Kommunikation haben die Völker enger                1980 von 1.836 Milliarden Dollar auf mehr als 8.000
zusammenwachsen lassen. Wenn vor hundert Jahren                 Milliarden Dollar vervierfacht, sie sind also jährlich
vier Bauern nötig waren, um einen Städter zu                    fast um 30 % gewachsen. Der Anteil des reinen Zins-
ernähren, so haben Mechanisierung, Pflanzenzucht                einkommens gegenüber dem Unternehmergewinn
und Chemie es geschafft, dass heute ein Bauer 25                stieg von 7 % im Jahre 1960 auf fast 60 %.
Menschen ernähren kann. Trotzdem überwiegen auf
der Erde Mangel, Entbehrung, Not. Eine Milliarde                Armut und Reichtum wachsen ins Unermessliche
Menschen leben in Wohlstand (ein Zehntel davon im               In den reichsten Ländern verbrauchen die Menschen
Überfluss), drei Milliarden in Armut, mehr als eine             400 Mal so viel wie die Menschen in den ärmsten
Milliarde hungert. Seit 1945 sind 600 Millionen                 Ländern, die Einwohner der Schweiz verbrauchen
Menschen verhungert, das sind zehnmal mehr                      also an einem Tag mehr als die Bewohner Mosambiks
Menschen als der Zweite Weltkrieg Tote gefordert hat,           im ganzen Jahr. Dabei handelt es sich um Durch-
und täglich verhungern weltweit 40.000 Kinder,                  schnittswerte. Die Direktoren großer Industrie-
während unsere Lager überquellen und die euro-                  Unternehmen in reichen Ländern verdienen in einer
päischen Staaten Milliarden für die Stilllegung frucht-         Minute so viel wie die Menschen in den armen
barer Äcker zahlen.                                             Ländern in ihrem ganzen Leben. Und die Einkommen
                                                                der Eigentümer sind noch höher: Ein südafrikani-
Jeder Dritte ist arbeitslos                                     scher Minenbesitzer verdient zwei Milliarden im Jahr,
Aber auch in den reichen Ländern gibt es Not: In den            das ist dreimal so viel wie das jährliche Einkommen
zwölf EU-Staaten leben 44 Millionen Menschen in                 der fünf Millionen Einwohner des Tschad insgesamt.
                                                          –7–
Wenn es Aufgabe der Wirtschaft ist, die allgemeinen           Die Überbewertung der Industrieprodukte
Bedürfnisse durch sinnvolle Organisation der Arbeit           Obwohl die schnelle Rationalisierung in den
zu befriedigen, müssen wir feststellen, dass unser            Industriestaaten eigentlich die Industrieprodukte
Wirtschaftssystem seine Aufgabe nicht erfüllt. Es             gegenüber den Naturprodukten verbilligen müsste,
besteht auch keine Hoffnung, dass es sie in Zukunft           also die Weltmarktpreise der Naturprodukte gegen-
wird erfüllen können, denn dem ihm zugrunde                   über den Industrieprodukten hätten steigen müssen,
liegenden System der Marktwirtschaft wohnt die                waren 1990 die Preise für Naturprodukte (= Rohstof-
Tendenz inne, dass die Reichen immer reicher werden           fe und landwirtschaftliche Produkte) auf 59 % ihres
und die Armen immer ärmer.                                    Preises von 1980 gefallen. Dadurch sank der finan-
Und diese Polarisierung verschärft sich noch seit dem         zielle Anteil der armen Länder am Welthandel von
Ende des politischen Kolonialismus in den sechziger           43 % (1980) auf 26 % (1990) – nicht mengenmäßig
Jahren unseres Jahrhunderts, als viele Menschen               und nicht nach ihrem Wert, sondern nach ihrem Welt-
hofften, dass nun eine Wende zum Guten eintritt. Der          marktpreis, der zum Hebel der Ausbeutung der
Anteil der ärmsten 20 % der Erdbevölkerung am                 außereuropäischen Welt seit dem Ende des politi-
Welteinkommen hat sich in den letzten zwanzig                 schen Kolonialismus geworden ist.
Jahren von 2,3 % auf 1,4 % vermindert, während der
Anteil der reichsten 20 % von 74 % (1970) auf 83 %            Das Ende der Epoche der National-Ökonomie
(1990) gestiegen ist. Die Zahl der Hungertoten hat            Aber nicht nur die Zeit des politischen Kolonialismus
eine Höhe von vierzig Millionen jährlich erreicht.            ist vorüber. Die ganze, seit 5.000 Jahren die Wirtschaft
Dabei würde allein die Menge des weltweit geernteten          der Welt prägende Epoche der National-Ökonomie
Getreides (durchschnittlich 964 Gramm pro Kopf                neigt sich ihrem Ende zu. Die Erde steht im Begriff, zu
und Tag) ausreichen, um alle Menschen satt zu                 einem einzigen Lebensraum zusammenzuwachsen.
machen (Tagesbedarf 750 Gramm). Aber in Europa                Wir treten in eine neue Epoche der Wirtschafts-
werden 57 % des Getreides als Viehfutter verwendet,           geschichte ein, die Epoche der Global-Ökonomie.
in den USA sind es 70 %.
                                                              Die Marktwirtschaft endet mit National-Ökonomie
Der Weltmarktpreis als Hebel der Ausbeutung                   Vorbereitet wurde dieser jetzt vor unseren Augen sich
Nicht das Bevölkerungswachstum und nicht die                  vollziehende Übergang durch die technischen und
Natur oder der Mensch tragen die Schuld an der                wissenschaftlichen Errungenschaften der letzten
wachsenden Not und am Hunger in den armen                     anderthalb Jahrhunderte. Auto und Flugzeug, ein
Ländern, sondern unser Wirtschaftssystem, die                 weltumspannendes Straßen- und Schienennetz lassen
Marktwirtschaft, in der Güter und Dienstleistungen            die Menschen näher zusammenrücken, auch der
nicht zu ihrem Wert ausgetauscht werden, sondern              Güteraustausch wird vereinfacht und beschleunigt.
zum Weltmarktpreis, der sich seit den sechziger               Elektrik macht Energie transportabel. Erdöl, Erdgas,
Jahren ständig weiter zugunsten der reichen                   Atomkraft, Wasser- und Sonnenkraft verbilligen die
Industrieländer verschiebt.                                   Produktion und den weltweiten Transport der Güter.
                                                              Telefon, Radio, Fernsehen machen in dieser globalen
So muss Brasilien für eine Lokomotive, für die es vor         Vernetzung die Menschen zu Zeugen des gleichzeiti-
zwanzig Jahren 15.000 Sack Kaffee zahlte, heute das           gen Geschehens auf der ganzen Erde. Eine Sprache
Dreifache (46.000 Sack Kaffee) geben. Der Wert der            entwickelt sich zur Weltsprache, mehrere Währungen
Lokomotive hat sich in diesen zwanzig Jahren nicht            gelten weltweit. Rationalisierung und Automation
verdreifacht, und der Wert des Kaffees hat sich nicht         vervielfachen die Produktivität; die Computerisie-
verringert.Verändert hat sich nur der Weltmarktpreis,         rung erreicht mit den sich selbst reproduzierenden
der das Austauschverhältnis zwischen den über-                Systemen eine Stufe, die bei sinkender Arbeitszeit die
wiegend von den reichen Ländern angebotenen                   Lebensgrundlage für alle Menschen sichern kann.
Industrieprodukten und den vorwiegend von den                 Voraussetzung für eine solche weltweite allgemeine
armen Ländern angebotenen Naturprodukten                      Lebenssicherung ist aber ein Wirtschaftssystem, das
bestimmt.                                                     dieser Aufgabe gewachsen ist. Die bis in unsere Tage
                                                        –8–
gültige National-Ökonomie und die ihr zugrunde                  Voltaire hat das Wesen der in diesen zehn Sätzen
liegende Marktwirtschaft ist das nicht. Ist es möglich,         zusammengefassten Prinzipien der National-Öko-
dieses Wirtschaftssystem auf die Erfordernisse der              nomie in einem einzigen Satz beschrieben: »Es ist klar,
Global-Ökonomie umzustellen?                                    dass ein Land nur gewinnen kann, wenn ein anderes
                                                                verliert« und Pareto hat es in unserem Jahrhundert so
Die Prinzipien der nicht-äquivalenten Ökonomie                  gesagt: »Niemand kann besser gestellt werden, ohne
Dies sind die der National-Ökonomie zugrunde                    die Lage eines anderen zu verschlechtern«. In der
liegenden Prinzipien, wie sie sich in den letzten               Global-Ökonomie aber darf nicht ein Land oder ein
Jahrhunderten herausgeschält haben:                             Mensch auf Kosten eines anderen gewinnen.
1) Ziel der Wirtschaft ist der Wohlstand der eigenen            Aber gibt es ein Wirtschaftssystem, das sich in diesem
    Nation.                                                     entscheidenden Punkt von der Marktwirtschaft
2) Der Staat hat die Interessen der Wirtschaft nach             unterscheidet? Gibt es eine Alternative zur National-
    außen zu schützen                                           Ökonomie?
    (Zölle, Steuern, Einfuhrbeschränkungen), nach
    innen zu fördern (Abgaben-Vergünstigungen,                  Alternative zur National-Ökonomie
    Privilegien, Subventionen) und weltweit macht-              Wenn wir die Ökonomie und ihre Geschichte auf die
    voll zur Geltung zu bringen (Embargo, Sanktio-              ihr insgesamt zugrunde liegenden Prinzipien unter-
    nen, Krieg).                                                suchen, finden wir nur zwei Archetypen: Die äquiva-
3) Der Staat darf die freie Entfaltung der Wirtschaft           lente Ökonomie, in der die Menschheit seit Beginn
    nicht einschränken.                                         ihrer Wirtschaftsgeschichte fast 800.000 Jahre lang
4) Grund und Boden, Bodenschätze und Produk-                    lebte, und die nicht-äquivalente Ökonomie, die vor
    tionsmittel sind Privateigentum.                            etwa 6.000 Jahren begann, die Wirtschaft auf eine
5) Die Struktur der Wirtschaft ist hierarchisch, alle           neue Grundlage zu stellen und die in den vergangenen
    Entscheidungsgewalt liegt bei den Eigentümern               fünf Jahrtausenden die ganze Erde ihrem System
    der Produktionsmittel.                                      unterwarf (siehe die Gegenüberstellung der beiden
6) Art und Menge der Produktion sowie die Vertei-               Archetypen der Wirtschaft auf der folgenden Seite).
    lung der produzierten Güter regeln sich selbst
    durch Angebot und Nachfrage (Marktwirtschaft).              Bildunterschrift, Seite 10:
7) Die auf freiem Wettbewerb beruhende Markt-
                                                                Wenn wir die beiden Tafeln anschauen, wird uns die
    wirtschaft führt von selbst zur Harmonie der indi-          grundsätzliche Unvereinbarkeit der beiden Archetypen der
    viduellen und sozialen Interessen.                          Ökonomie klar:
8) Durch den freien Wettbewerb pendelt sich der
                                                                Der blaue Globus steht auf beiden Tafeln für die Gesamt-
    Preis jedes Produktes auf seinen »natürlichen               heit der erzeugten Güter und erbrachten Leistungen aller
    Preis« ein, der langfristig im Mittel seinem Wert           Menschen der Erde. Ihm stehen die Individuen als
    entspricht.                                                 Schöpfer aller Werte und zugleich als deren Empfänger
                                                                gegenüber in jeweils drei verschiedenen Typen, für die
9) Die menschliche Arbeit ist käuflich, ihr Preis wird
                                                                Buchenstaben A, B und C gesetzt sind. Die Stärke des roten
    wie der Preis jedes anderen Gutes von Angebot               Pfeils zeigt uns den Wert der vom gleichen Menschen dafür
    und Nachfrage bestimmt.                                     empfangenen Güter und Leistungen.
10) Individuelles Gewinnstreben ist die entscheiden-
                                                                Die obere Tafel zeigt uns die nicht-äquivalente Ökonomie:
    de letzte Antriebskraft der Wirtschaft.                     A empfängt weniger, als er einbringt, B empfängt mehr, als
                                                                er einbringt, C empfängt nur, ohne etwas einzubringen –
Diese Lehrsätze der Marktwirtschaft stimmen nicht               dies ist die Struktur der nicht-äquivalenten Ökonomie, die
                                                                Strukture unser heutigen Wirtschaft, der Marktwirtschaft.
mit der Wirklichkeit überein (6, 7, 8) oder sie
beschreiben einen Zustand, ohne dessen Veränderung              Die untere Tafel zeigt uns, dass A, B und C Güter und Leis-
die Global-Ökonomie ihr eigentliches Ziel, die                  tungen von verschiedenem Wert einbringen, A am meis-
                                                                ten, C am wenigsten. Aber hier empfängt jeder genau so
Versorgung aller Menschen der Erde mit den lebens-
                                                                viel, wie er eingebracht hat – dies ist die Struktur der äqui-
notwendigen Gütern und Leistungen, nicht erfüllen               valenten Ökonomie: wer am meisten einbringt, erhält am
kann (1, 2, 3, 4, 5, 9, 10).                                    meisten, wer am wenigsten einbringt, erhält am wenigsten.

                                                          –9–
Archetypen der Wirtschaft                                 Entsprechung von Input und Output
                                                          In der vor uns liegenden Epoche der Global-
  Nicht-Äquivalente Ökonomie                              Ökonomie steht der Einzelne wie bisher nicht direkt
                                                          dem Ganzen aller erzeugten Güter und erbrachten
                                                          Leistungen gegenüber. Aber das Prinzip der
                                                          Äquivalenz umfasst, wie das Prinzip der Nicht-
                                                          Äquivalenz, grundsätzlich alle Stufen der Wirtschaft.
                                                          So stehen die einzelnen Pfeile auf diesen Tafeln auch
                                                          für das Verhältnis des einzelnen Menschen zu seinem
                                                          Betrieb, für das Verhältnis des einzelnen Betriebes zur
                                                          Wirtschaft seines Staates wie für das Verhältnis der
                                                          Wirtschaft des einzelnen Staates zum Ganzen der
                                                          Global-Ökonomie. Und auf allen Stufen ist die
                                                          vollständige Entsprechung von Input und Output
                                                          das Merkmal der äquivalenten Ökonomie, wie
                                                          ihre Nicht-Entsprechung das Kennzeichen der
                                                          nicht-äquivalenten Ökonomie ist.

                                                          Wie es zur Marktwirtschaft gekommen ist
                                                          Wenn die äquivalente Ökonomie als die ursprüng-
                                                          liche Form der Wirtschaft die einzige Alternative
                                                          zu der vor unseren Augen zu Ende gehenden
       Äquivalente Ökonomie                               nicht-äquivalenten Ökonomie ist, müssen wir fragen,
                                                          wie es überhaupt zu unserer heutigen, das eigentliche
                                                          Ziel der Wirtschaft, die allgemeine Bedarfsdeckung
                                                          verfehlenden, nicht-äquivalenten Ökonomie kommen
                                                          konnte. Gehen wir also zurück zu den Anfängen der
                                                          Wirtschaftstheorie.
                                                          Aristoteles ist der Begründer der wissenschaftlichen
                                                          Kategorienlehre wie der Logik, die durch richtige
                                                          Begriffe, Urteile und Schlüsse zum Wesen der Dinge
                                                          vordringt. Er hat vor 2.300 Jahren die Einzelwissen-
                                                          schaften verselbstständigt – auch die Ökonomie,
                                                          und er ist ihr erster Theoretiker – Theoretiker im
                                                          eigentlichen Sinne des Wortes, der durch denkende
                                                          Betrachtung der Wirklichkeit deren Grundsätze
                                                          Auffindende und Beschreibende. Er sieht die
                                                          Wirtschaft auf dem Hintergrund der Politik, der
                                                          Ethik, des Rechts, der Geschichte.

                                                          Bereicherung ist nicht Bestandteil der Wirtschaft
                                                          In der Wirtschaftslehre des Aristoteles ist »Öko-
                                                          nomie« die Bezeichnung für die Erwerbskunst, deren
       Das Einzelne ist der Mensch ist seinem
  Verhältnis zum Ganzen der Weltwirtschaft, aber          Inhalt die Schaffung der zum Unterhalt von Haus und
    auch in seinem Verhältnis zu jedem kleineren          Staat erforderlichen Mittel ist, also die Bedarfs-
  Ganzen (seinem Betrieb, seiner Volkswirtschaft).        deckung.
    Ebenso ist das Einzelne das Volk, der Staat in        Daneben beschreibt Aristoteles eine zweite Art von
 seinemVerhältnis zum Ganzen der Weltwirtschaft.          Erwerbskunst, die im Gegensatz zur ersten nicht von
                                                     – 10 –
der Natur vorgegeben ist, sondern ihr künstlich             man darf«. Für Aristoteles ist die Ökonomie nicht
hinzugefügt wurde. Diese zweite Art von Erwerbs-            autonom, hat also keine ihr allein eigenen Gesetze.
kunst gehört nicht zur Wirtschaft (Ökonomie),               Der Mensch ist von Natur aus ein gemeinschafts-
sie stellt eine eigene Erscheinung dar, die Chrematistik    bildendes Wesen, das sich nicht für sich allein,
(= Bereicherung). »Weil diese der Ökonomie nahe             sondern im Staate erfüllt. So bleibt die Ökonomie des
steht«, sagt Aristoteles, »halten sie viele Leute für       Aristoteles immer Staats- und Menschenlehre.
identisch mit dieser; sie ist es aber nicht«.               Deshalb ist für ihn die wichtigste, allen übergeordnete
                                                            Wissenschaft die Politik, der die Wirtschaft ebenso
Gewinnstreben verdrängt Bedarfsdeckung                      wie die Kriegsführung oder die Redekunst untersteht.
In Griechenland und Kleinasien hatte Aristoteles            So hat Aristoteles seiner ökonomischen Theorie keine
noch Dorfgemeinschaften kennen gelernt, in denen            eigene Abhandlung gewidmet, sie ist Teil seiner
Güter überwiegend oder fast ausschließlich von den          Bücher über Ethik und Politik.
Produzenten auf äquivalenter Grundlage direkt
getauscht wurden. Er sagt darüber: »Dieser Tausch           Natürliche Bedürfnisse und Unersättlichkeit
ist weder gegen die Natur, noch ist er eine Art des         In den Lehren des Aristoteles ist die Gedankenwelt der
Gelderwerbs, denn er dient nur zur Ergänzung der            griechischen Philosophen seit Pythagoras zu einem
natürlichen Selbstständigkeit«. Dann beschreibt             Ganzen verschmolzen und geordnet. So ist seine
Aristoteles, wie mit dem Aufkommen des Geldes (die          Ökonomie zusammenfassender Ausdruck der philo-
ersten Münzen wurden in Kleinasien dreihundert              sophisch-politischen Wirtschaftslehre dieser Epoche
Jahre vor Aristoteles geprägt) die zweite Art der           wie ihrer zahlreichen ökonomischen Schriften. Auch
Erwerbskunst begann, der Handel, der nicht mehr der         Erkenntnisse und Einsichten seines Lehrers Plato und
Bedarfsdeckung dient, sondern nur einen möglichst           dessen Lehrers Sokrates sind in ihren Grundaussagen
großen Gewinn erzielen will. Diese Bereicherung             darin enthalten. So die Aufdeckung der Unersättlich-
(Chrematistik) ist für Aristoteles der widernatürliche      keit der Chrematistik als Ursache des Krieges: Plato
Gebrauch menschlicher Fähigkeiten, eine Störung der         beschrieb die natürlichen Bedürfnisse des Menschen,
Ökonomie.                                                   Nahrung, Wohnung, Bekleidung und ihre Befriedi-
Aristoteles weist dann auf die Unersättlichkeit der         gung in der »rechten Stadt, die gleichsam gesund ist«.
Chrematistik hin: Während der Wirtschaft in der             Ihr stellte er die »aufgeschwemmte Stadt« gegenüber,
Bedarfsdeckung eine natürliche Grenze gesetzt ist,          wo die Grenzen des Notwendigen überschritten
sucht die Chrematistik ihr Geld ins Endlose zu              werden und maßloses Besitzstreben zu Überfluss und
vermehren: »Sie wird mit Recht getadelt«, sagt Aristo-      Luxus führt.
teles, »weil sie nicht der Natur folgt, sondern auf
Ausbeutung ausgeht. Ihr zur Seite tritt das Wucher-         Der Ursprung des Krieges
gewerbe, das aus guten Gründen verhasst ist, weil es        Der Grund und Boden, der für die Bedürfnis-
seinen Erwerb aus dem Gelde selbst zieht und nicht          befriedigung ausreicht, wird nun zu klein. »Also
aus den Dingen, zu deren Vertrieb das Geld eingeführt       werden wir von den Nachbarn Land abtrennen
wurde. Denn dies sollte nur zur Erleichterung des           müssen und ebenso diese von unserem, und von nun
Austauschs dienen, der Zins aber bewirkt, dass es sich      an werden wir Krieg zu führen haben«. Und Plato
selbst vermehrt. Deshalb ist diese Art des Erwerbs die      schließt: »Wir haben den Ursprung des Krieges in dem
allernaturwidrigste«.                                       gefunden, dessen Vorhandensein sowohl für die
                                                            Staaten im Ganzen als auch für den einzelnen Bürger
Natürliche Eigenliebe und Egoismus                          persönlich meist eine Veranlassung zum Unheil wird«
Schließlich verwirft er die Selbstsucht, die in der         – in der Maßlosigkeit, die mit der Chrematistik die
Chrematistik gipfelt, ganz allgemein: »Dass jeder-          Wirtschaft ergriffen hat. Aus seinem Grundsatz vom
mann sich selbst liebt, liegt in unserer natürlichen        Vorrang des Ganzen vor den Teilen wuchs Platos
Anlage. Dagegen wird der Egoismus mit Recht                 Lehre von der dem Lebensgesamt dienenden Wirt-
getadelt. Denn dieser besteht nicht darin, dass man         schaft, die niemals mehr als ein Mittel für Staat und
sich selbst liebt, sondern dass man sich mehr liebt als     Mensch sein darf.
                                                       – 11 –
Platos Lehrer Sokrates hatte bereits das entscheidende      erreicht hatte und die Wirtschaft schon fast gänzlich
Kriterium der Wirtschaft in seiner allgemeinsten            von Chrematistik beherrscht war. Die dieser ent-
Form ausgesprochen: »Höchste Tugend ist die                 sprechende hegemoniale, imperiale Ausrichtung
Genügsamkeit«. Das war die Zurückweisung der                Griechenlands durch seinen Schüler Alexander den
Maßlosigkeit, wie sie durch die Chrematistik                Großen war für Aristoteles so unannehmbar, dass er
(Bereicherung) in die Ökonomie gekommen war.                sich bei dessen Thronbesteigung von ihm trennte.
                                                            Dabei wusste er, dass schon 2.000 Jahre vor ihm
Die Prinzipien der äquivalenten Ökonomie                    Sargons erstes über den Stadtstaat hinausgewachsenes
Alle diese Erkenntnisse gingen in die Wirtschaftslehre      assyrisches Reich, wie alle späteren Imperien, wirt-
des Aristoteles ein, deren wichtigste Grundzüge ich         schaftlich auf Beute, Tribut und Steuern aufgebaut
hier zusammenfasse:                                         war. Dieser räuberische Grundzug war mit der ihm
1) Der Mensch ist von Natur aus ein gemeinschafts-          zugrunde liegenden Chrematistik auch dem Römer-
    bildendes Wesen, er erfüllt sich im Staate und          reich zu Eigen, das zu Lebzeiten des Aristoteles im
    dessen Gesetzen.                                        Begriffe stand, zum größten geschlossenen Imperium
2) Die Wirtschaft hat gegenüber dem Staate keine            aufzusteigen. Dabei blieb die Wirtschaft in Rom
    eigenständige, eigengesetzliche, sondern nur eine       dienendes Organ des Staates.
    dienende Funktion.
3) Aufgabe der Wirtschaft ist die Befriedigung der          Gemeinwohl verbietet Bereicherung
    menschlichen Bedürfnisse.                               Grundzüge der Ökonomie des Aristoteles erhielten
4) Wie den menschlichen Bedürfnissen ist auch dem           sich nach dem Ende des Römerreiches im moslemi-
    Erwerbsstreben der Wirtschaft eine natürliche           schen Nordafrika, in Vorderasien und im christlichen
    Grenze gesetzt.                                         Europa. Albertus Magnus und Thomas von Aquin
5) Notwendige Ergänzung der Gütererzeugung ist              haben versucht, die Philosophie des Aristoteles mit
    der zur Ökonomie gehörende Gütertausch, bei             dem Christentum in der Scholastik zu verschmelzen.
    dem Verschiedenartiges, aber Gleichwertiges,            Beide hatten als Bettelmönche ein Armutsgelübde
    ohne Gewinn (= äquivalent) ausgetauscht wird.           abgelegt und übernahmen wesentliche sittliche
6) Außer der Ökonomie gibt es die Chrematistik              Grundlagen der Ökonomie des Aristoteles. Ziel des
    (Bereicherung), die auf Handel und Geldverleih          Wirtschaftens ist auch ihnen das Wohl des Gemein-
    beruht, und deren einziges Ziel der Gelderwerb          wesens. Wer nur unbegrenzt Reichtümer erwerben
    ist. Sie stört die Ökonomie in ihrer freien             will, verkennt das Wesen der Wirtschaft. Indes ist die
    Entfaltung und hindert sie dadurch an der               Verurteilung der Chrematistik bei Thomas von Aquin
    Erfüllung ihrer Aufgabe.                                nicht mehr so unbedingt wie bei Aristoteles. Ihre
7) Das Erwerbsstreben der Chrematistik (Bereiche-           grundsätzliche Ablehnung wird bei ihm ein-
    rung) kennt keine Grenze. Ihre Unersättlichkeit         geschränkt durch den Hinweis, dass die Verwendung
    ist widernatürlich und lebensfeindlich.                 von Gewinnen für wohltätige Zwecke den Handel
8) Die Chrematistik (Bereicherung) ist letzte               legitimieren kann. Auch bei seiner Verurteilung des
    Ursache von Handel, Raub und Krieg.                     Zinsnehmens macht Thomas von Aquin Ausnahmen.
9) Mangel und Überfluss, Armut und Reichtum sind            Aber unbedingt ist seine Forderung nach Maß –
    gemeinsam entstanden und bedingen einander.             worunter er das versteht, was Aristoteles »Genüg-
10) Leben ist Tätigkeit. Nur eine um ihrer selbst willen    samkeit« nannte.
    ausgeübte Tätigkeit bringt dauerhafte Erfüllung.
    Das Leben des Gelderwerbs ist kein lebenswertes         Die Wirtschaft als geschlossener Kreislauf
    Leben.                                                  In dieser Form hat der ökonomische Teil der Lehren
                                                            des Thomas von Aquin auf die Wirtschaftstheorie von
Der räuberische Grundzug aller Nationalstaaten              Staat und Kirche eingewirkt und ist bei den Päpsten
Aristoteles hat diese Grundsätze zu einer Zeit nieder-      Leo XIII. und Johannes Paul II. in deren Enzykliken
geschrieben, als Athen bereits einen hohen Stand            [päpstliche Rundschreiben] über die menschliche
technischer und zivilisatorischer Entwicklung               Arbeit (1891 und 1981) eingegangen. Auch Öko-
                                                       – 12 –
nomen haben daraus geschöpft, wobei besonders die           Normen mehr zu stellen. Die Ökonomen sahen
Zurückführung der Wirtschaft auf die den Staat              deshalb in Quesnay den Befreier ihrer Disziplin aus
ethisch begründende Gerechtigkeit übernommen                allen Abhängigkeiten und damit den theoretischen
wurde, wie sie sich schon bei Aristoteles fand. Ebenso      Begründer der National-Ökonomie als autonomer
hat sich dessen unbedingter Vorrang der Staatsraison        Wissenschaft. In Quesnays Kreislauf der Wirtschaft,
auf diesem Wege bis zu Colbert erhalten, der im             der nicht ein Kreislauf der Werte ist, sondern nur ein
Jesuitenkolleg zu Reims mit den Lehren des Thomas           Kreislauf der Preise, bleibt neben der Reproduktion
von Aquin die Grundsätze des Aristoteles aufnahm.           der verbrauchten Reserven ein Überschuss, das
In seinem Merkantilismus führte Colbert die Unter-          »Nettoprodukt«. Dieses Nettoprodukt fällt allein dem
ordnung der Wirtschaft unter die Herrschaft des             Grundbesitzer zu, während für Landwirte und Hand-
Staates (der für ihn mit dem absoluten Herrscher            werker die Rechnung mit plus/minus Null aufgeht.
identisch war), auf ihren Höhepunkt. Das wirtschaft-
liche Verhältnis zum Ausland, insbesondere zu den           Selbstverantwortlich – aber im Staat eingebunden
Kolonien, entwickelte er als System einseitiger Vorteil-    Quesnays »Tableau Èconomique« stellt also den
nahme durch nicht-äquivalenten Handel.                      Kreislauf der nicht-äquivalenten Ökonomie dar. So ist
                                                            für ihn die aus seiner Autonomie der Wirtschaft
Die Wirtschaft als selbstständige Erscheinung               folgende Wirtschaftsfreiheit (»Laissez faire«) verein-
»Ein schönes unbekanntes Stück Arbeit« wollte der           bar mit dem feudalen Absolutismus seiner Zeit,
französische Arzt François Quesnay leisten, als er sich     dessen Anhänger er war. Quesnays Schüler Turgot
62-jährig der Ökonomie zuwandte. Hatte man seit             konnte sogar Ludwig XVI. als dessen Finanzminister
den Anfängen der Wirtschaftstheorie in der Öko-             davon überzeugen, dass die freie Konkurrenz für den
nomie stets nur einen dem Staate dienenden, von             im absoluten Königtum repräsentierten Staat von
politischen, ethischen und rechtlichen Überlegungen         Vorteil ist. Quesnays theoretische Darstellung der
gelenkten, unselbstständigen Lebensbereich gesehen,         Autonomie der Wirtschaft schränkt die Staatsgewalt
so hatte Quesnay sich vorgenommen, die Wirtschaft           in keiner Weise ein, sie beschreibt nur die Wirtschaft
als selbstständige Erscheinung zu beschreiben, die nur      als selbstständige, selbstverantwortliche Erscheinung.
ihren eigenen Gesetzen zu folgen hat. Er beschrieb
Produktion und Verbrauch als einen in sich geschlos-        Erst Adam Smith, durch den Quesnays Lehren
senen, natürlichen Kreislauf.                               Bestandteil der klassischen Volkswirtschaft wurden,
                                                            hat die Forderung erhoben, die Wirtschaft sich selbst
Die Ökonomie als autonome Wissenschaft                      zu überlassen. Damit wurde die Ökonomie zu einer
Wie der englische Naturforscher Harvey 1618 durch           eigenständigen Erscheinung auch dem Staate gegen-
die Entdeckung des Blutkreislaufs Anthropologie und         über, der durch Smith aus der Pflicht entlassen wurde,
Medizin revolutionierte, wollte Quesnay durch seine         »den Gewerbefleiß der Privatleute zu überwachen
Beschreibung des Wirtschaftskreislaufs die Ökono-           und ihn auf das Gemeinwohl hinzulenken«.
mie zu einer autonomen Wissenschaft machen.                 Nach Smith ist die der Staatsgewalt entwachsene
Mirabeau nannte Quesnays Tableau Èconomique                 Wirtschaft mit sich selbst und der Gesellschaft in
»die dritte große Entdeckung der Menschheits-               Harmonie, weil die private Vorteilssuche am besten
geschichte neben der Schrift und dem Geld«, und             die allgemeine Wohlfahrt bewirkt.
Quesnays Schüler stellten es neben die Bibel.
                                                            Die Wirtschaft als Basis der Geschichte?
Wie ist diese Einschätzung zu erklären? Die Wirtschaft      Stehen bei Smith Staat und Wirtschaft bei klarer
war von Quesnay auf Grund wissenschaftlicher                Aufgabentrennung einander noch gleichrangig
Beweisführung erkannt und beschrieben als Wesen             gegenüber, so vollzieht hundert Jahre später Karl
eigener Art mit eigenen Gesetzen, das in seinem             Marx die Absolutsetzung der Wirtschaft auch gegen-
natürlichen Gang nicht durch Eingriffe gestört              über dem Staat. Er ging damit weit über Quesnay und
werden durfte. Die Wirtschaft hatte sich auch keinen        Smith hinaus: Die ökonomische Struktur der Gesell-
ethischen, rechtlichen, sozialen oder religiösen            schaft wurde für ihn zur »Basis«, die den politischen,
                                                       – 13 –
juristischen, philosophischen, religiösen und künstle-      Das Ende von Gemeinsinn und Solidarität
rischen »Überbau« prägt. Folgerichtig hat Marx              Der Gemeinsinn des Menschen, sein solidarisches
die Geschichte der Wirtschaft als die einzige aus           Bewusstsein, sein natürliches Streben nach einer
sich selbst heraus verständliche Erscheinung zum            höheren Form des Seins sind durch egoistisches
Schlüsselprozess aller historischen Entwicklung             Vorteilsstreben ersetzt. Die Wirtschaft dient nicht
erklärt. So teilte er die Weltgeschichte in die Perioden    mehr dem Staat und der ihn tragenden Menschen-
Sklaverei – Feudalismus – Kapitalismus ein und              gemeinschaft, sondern allein der individuellen
deutete den Kommunismus als die mit naturgesetz-            Bereicherung einiger weniger. Güter und Leistungen
licher Notwendigkeit auf den voll entwickelten              werden nicht zu ihrem Wert ausgetauscht, sondern zu
Kapitalismus folgende Periode. Er hat damit den             einem Preis, der sich aus Angebot und Nachfrage
Irrglauben der klassischen Ökonomie an die Auto-            ergibt. Wenn wir nun aus der Geschichte wissen, dass
nomie der Wirtschaft übernommen und ihn zur                 der entscheidende Wandel der Wirtschaft vor gut
Suprematie [Vorrangstellung] der Wirtschaft über-           5.000 Jahren mit dem allmählichen Übergang der bis
steigert. Der Staat war für Marx nur noch eine              zu diesem Zeitpunkt äquivalenten Ökonomie in die
Erscheinung der Klassengesellschaft, die mit dem            nicht-äquivalente Ökonomie begann, wenn also der
Ende des Kapitalismus überflüssig wird und abstirbt.        Unterschied in der Bejahung oder Verneinung der
Übrig bleibt die Wirtschaft, die alle anderen Lebens-       Äquivalenz liegt, müssen wir nun nach Inhalt und
bereiche prägt.                                             Sinn des Begriffs »Äquivalenz« fragen.

Damit war aus der bei Aristoteles, Thomas von Aquin         Die äquivalente Ökonomie als Hoffnung
und Colbert noch dem Staate dienenden Wirtschaft            Rudolf Mayer erklärte 1842 die Äquivalenz von
nach deren Verselbstständigung durch Quesnay und            Wärme und Arbeit zum ersten Satz der mechanischen
Smith nun durch Marx ihr Vorrang gegenüber Staat,           Wärmelehre. Danach entspricht die Arbeit, die
Recht, Moral, Kunst und Wissenschaft postuliert und         notwendig ist, um ein Kilogramm 428 Meter hoch zu
historisch begründet. Praktisch verwirklicht wurde          heben, der Energie zur Erwärmung eines Liters
diese Suprematie der Ökonomie durch die ganz von            Wasser von 15 auf 16 Grad. Diese genaue Ent-
Chrematistik beherrschte Marktwirtschaft unseres            sprechung zweier verschiedener Erscheinungen ist
Jahrhunderts.                                               schon das ganze Äquivalenz-Prinzip. In der Physik ist
                                                            es die Gleichwertigkeit von Masse und Energie, in der
Die Hegemonie der Wirtschaft                                Chemie die Entsprechung von Elementen, die in
Die Geschichte der Wirtschaft, die der Mensch vor           Verbindungen einander ersetzen können, in der
800.000 Jahren mit der bewussten Veränderung der            Astronomie die Gleichsetzung von Masseverlust und
Natur durch selbst gefertigte Werkzeuge begann, die         Energieabstrahlung. Auch die Geometrie kennt den
zu Ackerbau und Viehzucht führte, zu festen Berufen         Begriff der Äquivalenz wie die Psychologie, die Logik,
und zu geordneten Gemeinwesen, war jahrhundert-             die Atomphysik, die Kybernetik, die Mathematik, die
tausendelang lokale Bedarfsdeckungswirtschaft. Sie          Mengenlehre, das Recht. Für die Ökonomie bedeutet
wurde mit dem Aufkommen von Handel und Krieg                Äquivalenz die Gleichwertigkeit von Gütern und
zur nicht-äquivalenten Ökonomie in Form nationaler          Leistungen, die in der arbeitsteiligen Wirtschaft
Marktwirtschaften.                                          ausgetauscht werden, also die vollkommene Ent-
                                                            sprechung von Leistung und Gegenleistung, von Wert
Bereicherung als einziger Antrieb der Wirtschaft            und Preis.
Diese letzte Epoche der Wirtschaftsgeschichte
umfasst nur 5.000 Jahre, also weniger als ein Prozent       Äquivalenz-Prinzip nur global realisierbar
der Wirtschaftsgeschichte, und die Autonomie und            Die in der National-Ökonomie verwirklichte Markt-
Hegemonie der Wirtschaft ist erst anderthalb Jahr-          wirtschaft mit ihrem sie beherrschenden Prinzip der
hunderte alt.Aber diese kurze Episode der Wirtschaft-       Bereicherung einzelner Menschen, Städte, Staaten ist
geschichte hat den Menschen und sein Verhältnis zur         unvereinbar mit der äquivalenten Ökonomie. Auch
Ökonomie von Grund auf verändert.                           die heute als »Weltwirtschaft« bezeichnete immer
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innigere Verflechtung einzelner Volkswirtschaften           später so zusammenfasste: »Arbeit ist der letzte und
und deren ökonomische Durchdringung der ganzen              wirkliche Maßstab, nach dem der Wert aller Waren
Erde ist noch marktwirtschaftlich organisiert, also         zu allen Zeiten und an allen Orten gemessen und
nicht-äquivalent. Erst wenn das bloße Nebeneinander         verglichen werden kann, da sie sich niemals in ihrem
konkurrierender Nationalökonomien und Wirt-                 Wert verändert«. Damit war die Arbeitswertlehre
schaftsblöcke übergeht in die alle Menschen und             allgemein gültig formuliert und die Unveränderlich-
Staaten gleichrangig in eine weltweite Binnenwirt-          keit des Wertes der Arbeit (= ihre Unabhängigkeit
schaft einbeziehende Global-Ökonomie, ist die               vom Marktgeschehen) zu ihrem entscheidenden
Stunde der äquivalenten Wirtschaft gekommen.                Kriterium erklärt.

Das Fehlen eines absoluten Wertmaßes                        Historische Zuordnung des Äquivalenz-Prinzips
Dann aber brauchen wir spätestens ein Wertmaß, um           In diesem Zusammenhang hat Smith die Epoche der
zur Äquivalenz beim Austausch von Gütern und                Ökonomie beschrieben, wie sie bis vor 5.000 Jahren
Leistungen zu gelangen und die Wirtschaft im                auf der ganzen Erde bestand, also die Epoche der
Zustand der Äquivalenz zu halten. Die Ökonomen der          äquivalenten Ökonomie. »Ursprünglich, vor der
zu Ende gehenden Epoche der nicht-äquivalenten              Landnahme und der Ansammlung von Kapital,
National-Ökonomie haben ein solches Wertmaß                 gehört dem Arbeiter der ganze Ertrag der Arbeit. Er
nicht geschaffen, weil sie es nicht brauchten. Ohne         muss weder mit einem Grundbesitzer noch mit einem
objektive Wertlehre und ein auf ihr beruhendes,             Unternehmer teilen«. Smith hat auch dargestellt, wie
absolutes Wertmaß befindet sich so die ökonomische          die Wirtschaft sich hätte entwickeln können, wenn
Theorie noch heute in einem vorwissenschaftlichen           damals nicht mit der Bereicherung (Chrematistik) die
Stadium, und alle wissenschaftlichen Abhandlungen           Epoche der nicht-äquivalenten Ökonomie begonnen
über Wert und Preis sind bloße Spekulationen. Die           hätte: »Wäre dieser Zustand bestehen geblieben, hätte
Forderung nach einem praktikablen Wertmaß auf der           der Lohn mit jeder Verbesserung der produktiven
Grundlage einer objektiven, absoluten Wertlehre ist         Kräfte der Arbeit, zu der die Arbeitsteilung Anlass
aber im Augenblick des Überganges von der National-         gibt, zugenommen. Alle Dinge wären nach und nach
Ökonomie zur Global-Ökonomie unabweisbar                    billiger geworden, man hätte alles mit weniger
geworden.                                                   Arbeitsaufwand herstellen können, und da natürlich
                                                            auf dieser Stufe der Entwicklung Güter, welche die
Klassische Ökonomie begründet Arbeitswertlehre              gleiche Menge Arbeit enthalten, gegeneinander
Im England des 18. Jahrhundert begann mit dem               getauscht werden, hätte man alle Waren auch mit dem
Übergang zur Fabrikarbeit das Nachdenken über die           Ertrag eines geringeren Arbeitseinsatzes kaufen
eigentliche Quelle des Volkswohlstandes. Damit war          können.«
die ökonomische Theorie in jene Entwicklungsstufe
eingetreten, die man als die klassische bezeichnet, weil    Nicht-äquivalente Ökonomie teilt Arbeitswert
sie zu überzeitlich gültigen Aussagen gelangte. Ihre        Schließlich beschreibt Smith noch den tatsächlichen
wichtigste Leistung war die Objektivierung der              Verlauf der Geschichte: »Sobald sich nun aber Kapital
Wertlehre, wie sie mit der Schaffung der Arbeits-           in den Händen Einzelner gebildet hat, werden es
wertlehre verbunden war. Nach Vorarbeiten von Petty         einige von ihnen natürlich dazu verwenden, um
und Home formulierte sie Adam Smith 1776 in                 arbeitsame Leute zu beschäftigen, denen sie Roh-
seinem Hauptwerk, das er mit dem Satz begann:               materialien und Unterhalt bieten, um einen Gewinn
»Die jährliche Arbeit eines Volkes ist die Quelle,          aus dem Verkauf ihres Produktes zu erzielen, genauer
aus der es ursprünglich mit allen notwendigen und           gesagt, aus dem Verkauf dessen, was deren Arbeit dem
angenehmen Dingen versorgt wird«. Bedenkt man,              Material an Wert hinzufügt. Ganz gleich, ob man nun
dass damals die Merkantilisten das Geld und die             das fertige Erzeugnis gegen Geld, Arbeit oder andere
Physiokraten die Natur als Quelle des Reichtums eines       Güter tauscht, es muss einen Erlös erbringen, der über
Volkes deuteten, dann lag in diesem Satz von Smith          den Materialkosten und den Arbeitslöhnen liegt und
bereits sein Bekenntnis zur Arbeitswertlehre, das er        der ausreicht, um den Gewinn des Unternehmers, der
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