Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik - Année politique Suisse

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Ausgewählte Beiträge zur
Schweizer Politik
  Suchabfrage           12.07.2019

  Thema                 Keine Einschränkung
  Schlagworte           Keine Einschränkung
  Akteure               Santésuisse – Schweizer Krankenversicherer
  Prozesstypen          Keine Einschränkung
  Datum                 01.01.1988 - 01.01.2018

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.88 - 01.01.18
Impressum
Herausgeber
Année Politique Suisse
Institut für Politikwissenschaft
Universität Bern
Fabrikstrasse 8
CH-3012 Bern
www.anneepolitique.swiss

Beiträge von
Benteli, Marianne
Bühlmann, Marc
Caroni, Flavia
Frick, Karin
Heidelberger, Anja
Künzler, Johanna
Rohrer, Linda
Schnyder, Sébastien
Schubiger, Maximilian

Bevorzugte Zitierweise

Benteli, Marianne; Bühlmann, Marc; Caroni, Flavia; Frick, Karin; Heidelberger, Anja;
Künzler, Johanna; Rohrer, Linda; Schnyder, Sébastien; Schubiger, Maximilian 2019.
Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik: Santésuisse – Schweizer
Krankenversicherer, 2001 - 2018. Bern: Année Politique Suisse, Institut für
Politikwissenschaft, Universität Bern. www.anneepolitique.swiss, abgerufen am
12.07.2019.

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.88 - 01.01.18
Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Chronik                                                                     1
    Grundlagen der Staatsordnung                                                       1
       Rechtsordnung                                                                   1
           Datenschutz und Statistik                                                   1
       Institutionen und Volksrechte                                                   2
           Bundesrat                                                                   2
    Sozialpolitik                                                                      6
       Gesundheit, Sozialhilfe, Sport                                                  6
           Gesundheitspolitik                                                          6
           Ärzte und Pflegepersonal                                                    8
           Medikamente                                                                 9
       Sozialversicherungen                                                            9
           Krankenversicherung                                                         9

Parteien, Verbände und Interessengruppen                                             18
       Verbände                                                                      18
          Gesundheit                                                                 18

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.88 - 01.01.18   I
Abkürzungsverzeichnis
SGK-SR           Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates
GDK              Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen
                 und -direktoren
ETH              Eidgenössische Technische Hochschule
SGK-NR           Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates
OECD             Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
BAG              Bundesamt für Gesundheit
EU               Europäische Union
EDI              Eidgenössisches Departement des Inneren
EDÖB             Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
KMU              Kleine und mittlere Unternehmen
FMH              Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte
SUVA             Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
EVG              Eidgenössisches Versicherungsgericht
TPW              Taxpunktwert
KVG              Bundesgesetz über die Krankenversicherungen
EDA              Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten
OKP              Obligatorische Krankenpflegeversicherung
DSG              Bundesgesetz über den Datenschutz
KOF              Konjunkturforschungsstelle
FRC              Fédération romande des consommateurs (Konsumentenschutz der
                 Romandie)
AGVS             Auto Gewerbe Verband Schweiz
VSV              Verband des Schweizerischen Versandhandels
FER              Fédération des Entreprises Romandes
SAB              Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete
CLASS            Gesundheitsdirektorenkonferenz der lateinischen Schweiz
KKA              Konferenz der Kantonalen Ärztegesellschaften
DVSP             Dachverband Schweizerischer Patientenstellen

CSSS-CE          Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil des
                 Etats
CDS              Conférence suisse des directrices et directeurs cantonaux de la santé
EPF              École polytechnique fédérale
CSSS-CN          Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil
                 national
OCDE             Organisation de coopération et de développement économiques
OFSP             Office fédéral de la santé publique
UE               Union européenne
DFI              Département fédéral de l'intérieur
PFPDT            Préposé fédéral à la protection des données et à la transparence
PME              petites et moyennes entreprises
FMH              Fédération des médecins suisses
SUVA             Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents
TFA              Tribunal fédéral des assurances
VP               valeur du point
LAMal            Loi fédérale sur l'assurance-maladie
DFAE             Département fédéral des affaires étrangères
AOS              Assurance obligatoire des soins
LPD              Loi fédérale sur la protection des données
KOF              Centre de recherches conjoncturelles
FRC              Fédération romande des consommateurs
UPSA             Union professionnelle suisse de l’automobile
ASVAD            Association Suisse de Vente à Distance
FER              Fédération des Entreprises Romandes
SAB              Groupement suisse pour les régions de montagne
CLASS            Conférence latine des affaires sanitaires et sociales
CCM              Conférence des Sociétés Cantonales de Médicine
FSP              Fédération Suisse des Patientes

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.88 - 01.01.18   II
ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.88 - 01.01.18   1
Allgemeine Chronik
                     Grundlagen der Staatsordnung
                     Rechtsordnung
                     Datenschutz und Statistik
BUNDESRATSGESCHÄFT   Die Vernehmlassung zur Totalrevision des Datenschutzgesetzes (DSG) und zur
DATUM: 10.08.2017
KARIN FRICK
                     Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz umfasste neben diesem Hauptentwurf
                     auch einen Entwurf für einen Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung und
                     Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU zur Übernahme
                     der Richtlinie (EU) 2016/680 sowie einen Entwurf für die Revision des Übereinkommens
                     SEV 108 des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen
                     Verarbeitung personenbezogener Daten. Im Zentrum des Gesetzgebungsprojektes
                     stehen die Verbesserung der Transparenz von Datenbearbeitungen, die Förderung der
                     Selbstregulierung bei den Verantwortlichen in Form von Empfehlungen der guten Praxis
                     sowie die Stärkung der Position und Unabhängigkeit des EDÖB. Im Einklang mit den
                     europäischen Datenschutzbestimmungen soll darüber hinaus der Schutz von Daten
                     juristischer Personen aufgehoben werden, um insbesondere den Datenaustausch mit
                     dem Ausland zu erleichtern. Einige Anforderungen der EU-Richtlinie 2016/680
                     erfordern ausserdem Anpassungen im Strafgesetzbuch, in der Strafprozessordnung, im
                     Rechtshilfegesetz und im Schengen-Informationsaustauschgesetz.
                     Unter den insgesamt 222 Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern befanden
                     sich alle Kantone, acht politische Parteien (BDP, CVP, FDP, GLP, GP, SP, SVP, PP), drei
                     eidgenössische           Gerichte         (Bundesgericht,         Bundespatentgericht,
                     Bundesverwaltungsgericht) sowie zahlreiche weitere Organisationen aus den
                     betroffenen Kreisen. Während die Übernahme der EU-Richtlinie 2016/680 sowie der
                     Anforderungen im SEV 108 unumstritten waren, wurde die Revision des DSG und
                     weiterer Erlasse zum Datenschutz von der Mehrheit der Vernehmlasserinnen und
                     Vernehmlasser im Grundsatz ebenfalls begrüsst. Vielerseits gelobt wurde beispielsweise
                     das Vorhaben, das schweizerische Datenschutzrecht so weit an die europäischen
                     Vorgaben anzupassen, dass die Schweiz von der EU weiterhin als Drittstaat mit
                     angemessenem Datenschutzniveau anerkannt wird. Vorbehalte bestanden jedoch
                     gegenüber dem – insbesondere für KMU – grossen Verwaltungsaufwand sowie
                     gegenüber dem „Swiss Finish“: Rund die Hälfte der Teilnehmenden bemängelte, dass
                     der Entwurf unnötigerweise über die europäischen Anforderungen hinaus gehe.
                     Demgegenüber ging er rund einem Fünftel der Teilnehmenden – hauptsächlich aus
                     Konsumentenschutzkreisen – zu wenig weit. Auf harsche Kritik von verschiedensten
                     Seiten stiess das vorgesehene Sanktionensystem. Laut Bericht wünschten sich „sehr
                     viele Teilnehmer“ dessen „vollständige Überarbeitung“, darunter BDP, CVP, FDP, GP,
                     und SP, 18 Kantone sowie Economiesuisse, der Verein Unternehmens-Datenschutz, die
                     FRC, Privatim und die Stiftung für Konsumentenschutz. Hauptsächlich wurde kritisiert,
                     dass keine direkte Strafbarkeit für Unternehmen vorgesehen ist, sondern
                     strafrechtliche Sanktionen, die in erster Linie auf natürliche Personen ausgerichtet
                     sind. In diesem Zusammenhang herrschte die Befürchtung, es könnten einfache
                     Angestellte ohne Entscheidungs- und Vertretungsbefugnis verurteilt werden. Dies
                     wiederum erschwere es den Unternehmen, qualifiziertes und motiviertes Personal –
                     insbesondere Datenschutzverantwortliche – zu rekrutieren. Der häufigste
                     Änderungsvorschlag zielte daher auf ein Modell mit Verwaltungssanktionen anstatt
                     Strafverfahren, die direkt gegen die Unternehmen und nicht gegen Privatpersonen
                     verhängt werden könnten. Verwaltungssanktionen, so die Hoffnung, hätten eine
                     grössere Wirksamkeit als das bislang für die Strafbestimmungen im DSG nur selten
                     angewandte Strafverfahren. Weitere umstrittene Punkte waren auch die Höhe der
                     Bussen – welche einerseits als zu hoch und andererseits als zu niedrig kritisiert wurde –
                     sowie der Katalog der strafbaren Verhaltensweisen, welcher ebenfalls wahlweise als
                     unvollständig bzw. zu umfangreich bezeichnet wurde. Kritisiert wurden des Weiteren
                     auch die mangelhafte Regulierungsfolgeabschätzung und die fehlenden Ausführungen
                     zum Verhältnis zwischen dem Datenschutzrecht des Bundes und jenem auf kantonaler
                     Ebene. Hierzu äusserten auch die Kantone Glarus, Solothurn und Zürich Bedenken, dass
                     die Frist für die Anpassung des kantonalen Rechts zu kurz bemessen sei. Die SVP, die
                     Kantone Schwyz und Waadt sowie einige betroffene Kreise – darunter der AGVS, Auto
                     Schweiz, die FER, PharmaSuisse, Santésuisse sowie der VSV – lehnten den Vorentwurf in
                     der vorliegenden Form ausdrücklich ab, befanden sich damit jedoch klar in der
                     Minderheit aller Vernehmlassungsteilnehmenden. 1

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.88 - 01.01.18   2
Institutionen und Volksrechte
                    Bundesrat
WAHLGESCHÄFT        Ziemlich überraschend – sogar für seine eigene Partei – gab Didier Burkhalter Mitte
DATUM: 20.09.2017
MARC BÜHLMANN
                    Juni 2017 seinen Rücktritt bekannt. Nach acht Jahren im Bundesrat – zwei Jahre als
                    Innen- und sechs Jahre als Aussenminister – und vorher sechs Jahren im Nationalrat
                    habe er das Bedürfnis, etwas anderes zu machen: „J'ai ressenti le besoin de changer de
                    vie”. In den Medien war Burkhalter seit einiger Zeit zwar als etwas amtsmüde dargestellt
                    worden – insbesondere seine häufige Absenz in Bundesbern und der Umstand, dass er
                    lieber von Neuenburg aus arbeite, wurden moniert –, zudem habe er zunehmend den
                    Rückhalt für das Europadossier verloren, der Rücktritt war aber doch nicht erwartet
                    worden. Insbesondere auch, weil er wenige Tage vor einer EU-Standortbestimmung im
                    Bundesrat erfolgte. Der Zeitpunkt des Rücktritts wurde denn auch als äusserst
                    ungünstig bezeichnet, weil die Regierung dadurch aussenpolitisch während Monaten
                    gelähmt sei, so etwa die Reaktion von CVP-Präsident Gerhard Pfister.
                    Die Bilanz zu Burkhalters Wirken, die in den Medien im Anschluss an die
                    Rücktrittserklärung gezogen wurde, war gemischt. Burkhalter sei ein guter Bundesrat
                    gewesen, „weltoffen und weltfremd zugleich” so etwa die BaZ. Zwar habe Burkhalter auf
                    dem internationalen Parkett brilliert – von praktisch allen Medienbeiträgen erwähnt
                    wurde immer wieder seine Rolle als Vorsitzender der OSZE in der Ukraine-Krise –, in
                    der Innen- bzw. Europapolitik habe er sich aber immer wieder selbst ins Abseits
                    gestellt. Die Erwartungen, die man in ihn gesetzt habe, etwa als Gegenspieler von
                    Christoph Blocher das Rahmenabkommen mit der EU abzuschliessen, habe er nicht
                    erfüllt. Dass das EU-Dossier an einem toten Punkt angelangt sei, sei „le gros point noir
                    de son bilan”, schlussfolgerte die Tribune de Genève. Darüber hinaus habe er sich von
                    seiner Partei immer mehr distanziert. Als Westschweizer Liberaler habe er eine Mitte-
                    Links-Politik priorisiert, was ihm in der Partei angekreidet worden sei, so die NZZ. Als
                    Indiz für das schlechte Verhältnis zwischen Partei und Magistrat wurde der Umstand
                    gedeutet, dass die FDP erst rund zwei Stunden vor der Ankündigung vom Rücktritt in
                    Kenntnis gesetzt worden sei. Vor allem von rechtsbürgerlicher Seite wurde der Vorwurf
                    immer lauter, dass Burkhalter daran schuld sei, dass sich die SVP-FDP-Mehrheit in der
                    Exekutive nicht deutlicher zeige.

                    Bereits am Tag der Rücktrittsmeldung stellten die Medien Spekulationen bezüglich
                    potenzieller Nachfolger an. Gute Karten habe vor allem Ignazio Cassis, der aktuelle
                    Fraktionspräsident der FDP, da der Anspruch des Kantons Tessin, nach 1999 wieder
                    einen Sitz in der Regierung zu haben, kaum mehr umgangen werden könne und die
                    Westschweiz auch mit nur noch zwei Magistraten adäquat vertreten sei. Werde der Sitz
                    jetzt nicht dem Tessin zugesprochen, würden wohl weitere 10 Jahre vergehen, bis es
                    eine neue Chance gäbe, rechnete Ex-FDP-Präsident Fulvio Pelli vor. Neben Cassis
                    wurden auch dem Tessiner Staatsrat Christian Vitta und der ehemaligen National- und
                    Staatsrätin Laura Sadis sowie Karin Keller-Sutter und Martin Schmid als Vertreterin oder
                    Vertreter der Ostschweiz, die ebenfalls seit längerem Anspruch auf einen
                    Bundesratssitz erhebt, gute Chancen eingeräumt. Die Romandie sei aber nicht zum
                    Vornherein auszuschliessen, weil die Freisinnig-Liberalen in der Westschweiz deutlich
                    auf dem Vormarsch seien. Den verlorenen Sitz werde die französische Schweiz wohl
                    nicht kampflos preisgeben, war in den Medien zu lesen. Aus der Westschweiz fielen
                    denn auch rasch die Namen des Genfer Regierungsrats Pierre Maudet und des
                    Nationalrats Christian Lüscher. Die beiden Waadtländer Staatsräte Jacqueline de
                    Quattro und Pascal Broulis, aber auch Nationalrätin Isabelle Moret und Ständerat Olivier
                    Français wurden trotz ihres Handicaps, wie bereits Guy Parmelin aus dem Kanton
                    Waadt zu stammen, ebenfalls als valable Kandidatinnen und Kandidaten auf das sich
                    drehende Karussell gesetzt. Auch der Name Raphaël Comte wurde für den Kanton
                    Neuenburg ins Spiel gebracht.

                    Dass die FDP einen Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz hat, war kaum
                    umstritten. Die Parteileitung machte rasch klar, dass es sich beim Nachfolger von
                    Burkhalter um einen „Lateiner” handeln soll – ob Tessiner oder Romand liess man
                    bewusst offen. Die FDP-Frauen, die seit 1989 keine Vertretung mehr in der
                    Landesregierung gehabt hatten, forderten per Kommuniqué bei dieser oder spätestens
                    der nächsten Vakanz eine Bundesrätin. Auch die Grünen verlangten, dass die FDP eine
                    Frau portiere. Die SVP forderte einen Kandidaten mit klar bürgerlichem Profil. Die
                    Mitte-Rechts-Mehrheit müsse jetzt endlich auch im Bundesrat durchgesetzt werden.
                    Die FDP machte früh deutlich, dass man sicher kein Einerticket präsentieren wolle. Bis
                    Mitte August hatten die Kantonalsektionen Zeit, Vorschläge zu machen. Die Fraktion
                    wollte sich dann Anfang September entscheiden.

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.88 - 01.01.18   3
Die Tessiner Kantonalsektion portierte – nach langer Diskussion, ob man ein Einer-
oder ein Zweierticket präsentieren wolle – am 1. August einzig Ignazio Cassis. Sowohl
Sadis als auch Vitta sagten Cassis ihre Unterstützung zu. Obwohl Sadis sowohl die
Ansprüche aus dem Tessin, als auch der Frauenvertretung hätte erfüllen können, wurde
sie nicht berücksichtigt. Vor allem ihre (zu) lange Absenz von der (nationalen) Politik
dürfte hierfür mitentscheidend gewesen sein. Mit nur einem Kandidaten aus dem
Tessin würde zudem das Risiko von Stimmenaufteilung minimiert, so die kantonale
Parteileitung. Das Einerticket wurde auch als Referenz an die Romandie interpretiert;
der Weg sei jetzt offen, um eine Frau aus der Romandie zu portieren. Die Frauenfrage
wurde auch deshalb noch virulenter, weil Doris Leuthard ebenfalls am 1. August ihren
Rücktritt ankündigte. Als Kandidatinnen aus der Romandie gerieten insbesondere
Isabelle Moret und Jacqueline de Quattro in den Fokus. Der zweite offizielle Kandidat
war dann allerdings doch wieder ein Mann: Am 8. August wurde Pierre Maudet von der
Genfer Kantonalsektion einstimmig auf den Schild gehoben. Der Genfer Regierungsrat
rechnete sich zwar nur geringe Chancen aus, wollte aber mit Jugend, Modernität und
Urbanität punkten. Der zweite, lange ebenfalls als Kandidat gehandelte Genfer,
Christian Lüscher, hatte sich kurz zuvor aus persönlichen Gründen selber aus dem
Rennen genommen und eine Lanze für seinen jüngeren Genfer Parteikollegen
gebrochen. Komplizierter gestaltete sich die offizielle Nominierung der dritten
potenziellen Kandidatin. In der Presse wurde ein parteiinterner Zwist über und
zwischen den drei Papabili der FDP-Sektion Waadt vermutet. Jacqueline de Quattro
und Olivier Français zogen sich dann allerdings zurück, um den Platz für Isabelle Moret
frei zu machen, die sich zwar erst spät – und später als die beide anderen – für eine
Kandidatur entschieden hatte, am 10. August von ihrer Kantonalsektion aber als einzige
Kandidatin aufgestellt wurde.

Nach Ablauf der Meldefrist standen also drei Kandidierende aus drei Kantonen fest.
Sofort gingen die Spekulationen los, ob die FDP ein Zweierticket oder ein Dreierticket
aufstellen würde. Dabei schien klar, dass Cassis gesetzt war, folglich entweder nur
gegen Moret oder aber gegen Moret und Maudet antreten würde. Der Umstand, dass
Moret zwar aus dem Kanton Waadt kommt, die FDP aber nicht auf eine mögliche
Frauenvertretung verzichten konnte, sowie der umtriebige „Wahlkampf” von Maudet –
der Blick sprach von schlechten Karten, die der Genfer aber brillant spiele – waren wohl
die Hauptgründe für das Dreierticket, das die FDP-Fraktion offiziell am 1. September
aufstellte. Das „tricket” (LT), das in der Fraktion knapp mit 22 zu 19 Stimmen
beschlossen worden sei, stosse niemanden vor den Kopf, sei aber auch der Weg des
geringsten Widerstands (NZZ) und ein klarer Etappensieg für Maudet (BaZ). Das
Dreierticket wurde auch als gute Kunde für den Favoriten Cassis gewertet, dessen
Chancen sich dadurch noch weiter erhöhten, weil sich die Stimmen seiner Gegner
aufteilen dürften.

Die Kandidatin und die beiden Kandidaten wurden in der Presse unterschiedlich
porträtiert. Cassis galt von Anfang an als eigentlicher Kronfavorit. Einziges Manko des in
Bundesbern bestens vernetzten Tessiner Arztes sei seine mit der Präsidentschaft beim
Krankenkassenverband Curafutura verbundene Nähe zu den Krankenkassen.
Insbesondere der Lega, aber auch der SP, war dieses Amt von „Krankencassis” (SGT, So-
Bli, TA, WW) ein Dorn im Auge. Ausführlich diskutiert wurde zudem die politische
Position des Tessiners. Das Parlamentarierrating der NZZ zeigte, dass er seit seinem
Amtsantritt als Fraktionspräsident der FDP vom linken Rand der Partei leicht in die
Mitte gerückt war. Insbesondere die SVP betrachtete Cassis freilich als den ihr am
nächsten stehenden der drei Kandidierenden. Letztlich gab es aber kaum etwas, was
die „occasione d'oro per il Ticino” (CdT) behindert hätte. Die zahlreichen giftigen
Angriffe auf die Gesundheitspolitik von Cassis konnten ihm scheinbar nichts anhaben.
Auch seine doppelte Nationalität bzw. der Umstand, dass er seinen italienischen Pass
abgab und damit zwar Applaus von rechts, aber auch Kritik von links erhielt und eher
unfreiwillig eine Debatte um die doppelte Nationalität von Mitgliedern von
Bundesbehörden lancierte – diskutiert wurde sogar die Frage, ob man als Doppelbürger
loyal sein könne –, schadete dem Südschweizer nicht.
Der grosse Trumpf von Isabelle Moret sei, dass sie eine Frau sei, war den Medien zu
vernehmen. Die dezidiert bürgerlich politisierende 46-Jährige spreche drei
Landessprachen fliessend, sei gut vernetzt, in den über 10 Jahren im Nationalrat aber
kaum aufgefallen. Dies beinhalte immerhin auch, dass sie bisher keine Fehler gemacht
habe (TA). Moret selber betonte von Anfang an, dass „Frausein” kein politisches
Argument sei. Sie wolle lieber mit ihrer Dynamik punkten und frischen Wind ins
Europadossier bringen. Sie betonte allerdings auch, dass sie die erste Mutter mit
Schulkindern in der Exekutive wäre. Allerdings hinterliess die Anwältin laut
verschiedenen Medien in ihrem Wahlkampf keinen überzeugenden Eindruck (WW),

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.88 - 01.01.18   4
wurde von vielen Seiten angegriffen und wirkte ab und zu nicht wirklich souverän (NZZ).
Ihr Wahlkampf sei „ungenügend” (SGT) und „harzig” (AZ) und wurde gar als chaotisch
bezeichnet (24 Heures).
Pierre Maudet, 39 Jahre alt, wurde als politisches Naturtalent beschrieben. Der forsche
und ambitionierte Regierungsrat habe sich innert kurzer Zeit vom Stadtpräsidenten
zum Aushängeschild der Kantonsregierung entwickelt, was ihm auch Vergleiche mit dem
französischen Präsidenten Emmanuel Macron einbringe (AZ). Sein Nachteil sei allerdings
die schwache Vernetzung in Bundesbern. In der Regel würden die
Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier einen Bundesrat oder eine
Bundesrätin aus den eigenen Reihen vorziehen. Sein Wahlkampf wurde hingegen als
exzellent bezeichnet (Blick). Maudet sei vor allem in der Deutschschweiz unterschätzt
worden, was das Beste sei, was einem Politiker passieren könne (TA). Vor allem
inhaltlich konnte Maudet mit verschiedenen originellen Positionen überzeugen: Er
spreche als einziger wirklich „Klartext” (BaZ), gelte in der Europafrage aber als EU-Turbo
(WW), was ihn bei der Ratsrechten wohl Stimmen kosten werde.

Die „Kampagne” vor den Bundesratswahlen – eigentlich ein Unding, wenn man
bedenkt, dass der Bundesrat von der Vereinigten Bundesversammlung und nicht von
der Bevölkerung gewählt wird – nahm ein Ausmass an, das angesichts der Ausgangslage
erstaunte. Da die Bundesratswahlen eine in der Schweizer Politik eher seltene Chance
für eine Personalisierung der Politik bieten, liefen die Medien auf Hochtouren. In der
APS-Zeitungsdokumentation finden sich von Burkhalters Rücktrittsankündigung Mitte
Juni bis Ende September mehr als 800 Zeitungsartikel zum Thema Bundesratswahlen.
Die FDP selber trug freilich mit geschicktem Politmarketing das Ihre dazu bei, dass die
Berichterstattung am Kochen blieb. Mit einer FDP-Roadshow tingelten die
Kandidierenden     durch     die    Schweiz.     Zahlreiche  Homestories,    Lifechats,
Bevölkerungsbefragungen und gar graphologische Gutachten fanden den Weg in die
Presse. Inhaltlich ging es letztlich primär um die Frage, ob die Vertretung der
Sprachregion oder die Vertretung der Frauen höher gewichtet werden soll. Oder mit
anderen Worten: ob die 20 Jahre Bundesrat ohne Tessiner oder die 30 Jahre ohne
FDP-Frau beendet werden sollten. Wirklich inhaltliche Diskussionen wurden hingegen
kaum geführt, auch wenn die Aussen- bzw. Europapolitik bzw. der Reset-Knopf, den
Cassis in den Verhandlungen mit der EU zu drücken angekündigt hatte, sich angeboten
hätten.

Nach der offiziellen Bekanntgabe des Dreiertickets standen am 12. und am 19.
September die Hearings auf dem Programm, womit auch die anderen Parteien wieder
stärker in den medialen Fokus gerieten. Den Auftakt machte die SVP, deren
Parteipräsident Albert Rösti die beiden Romand.e.s stark kritisierte und sich früh für
Cassis aussprach. Wichtigstes Kriterium für die Volkspartei sei die Haltung zum
Rahmenabkommen mit der EU. Allerdings wurde gemutmasst, dass die Bauern in der
SVP-Fraktion wohl eher auf Moret setzen würden, da diese mehr Sympathien für die
Anliegen der Landwirtschaft gezeigt habe. Unzufrieden mit dem Dreierticket zeigte sich
die SP: „Zwei Super-Lobbyisten und ein Hardliner in der Aussenpolitik” weckten keine
Begeisterung (SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann in der BZ). Inhaltliche Kriterien
stellten die Genossen aber – wie auch die CVP und die GP – nicht auf. Der CVP-
Parteipräsident Gerhard Pfister hatte sich allerdings ebenfalls schon früh für die
Ansprüche des Tessins, also für Cassis, ausgesprochen. Dieser sei allerdings für einige
CVP-Mitglieder zu weit rechts, mutmasste die Zeitung LeTemps. Nach den Hearings
zeigten sich die Parteien zwar noch bedeckt – mit Ausnahme der SVP, die demonstrativ
für Cassis Stellung bezog –, die Favoritenrolle des Tessiner Kandidaten schien sich
allerdings noch einmal verstärkt zu haben. Maudet schien hingegen eher nicht auf
Wohlwollen gestossen zu sein. Die SP und die CVP konnten sich nicht auf einen der drei
Kandidierenden einigen und gaben entsprechend keine Wahlempfehlung ab – anders
als die FDP- und die GLP-Fraktion, die alle drei Kandidierenden empfahlen, die SVP-
Fraktion, die sich für Cassis aussprach, die GP-Fraktion, die Moret empfahl, und die
BDP-Fraktion, die Maudet auf den Schild hob.

Kurz vor der Ersatzwahl bilanzierte die WOZ die vorherrschende Meinung, dass sich
grundsätzlich keine Überraschung abzeichne: Die Bundesratswahlen hätten bisher viel
Tamtam, aber nur wenig Spannung verheissen. Mit der Diskussion verschiedener
Szenarios versuchten die Medien dieser Spannungslosigkeit entgegenzuwirken. Drei
Möglichkeiten, Cassis zu verhindern, seien denkbar: Isabelle Moret könne dank ihrem
Frauenbonus und der Unterstützung aller Bauernvertreter sowie mit Hilfe der Stimmen
all jener Parlamentarierinnen und Parlamentarier, welche die Frauenfrage möglichst
rasch klären wollten, gewinnen; ein Sieg von Pierre Maudet wäre dann möglich, wenn
sich die Mehrheit der Bundesversammlung von seinen Fähigkeiten überzeugen liesse.

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.88 - 01.01.18   5
Dies sei durchaus möglich, wenn es ab dem dritten Wahlgang zu einem Zweikampf
zwischen Cassis und Maudet kommen würde. Ins Spiel gebracht wurde mit Laura Sadis
auch eine Sprengkandidatin, die vor allem bei der Linken auf Unterstützung zählen
könnte. Roger Nordmann gab zu Protokoll, dass die Tessinerin in der Tat die Synthese
der drei aktuell Kandidierenden gewesen wäre: „Elle a une expérience d’exécutif, elle
est italophone et elle a la capacité d’être une femme” (LT). Die Lust der SP auf
Experimente halte sich allerdings in Grenzen.

Die Ersatzwahl am 20. September war schliesslich noch weniger spannend, als von den
zahlreichen Medien vor Ort befürchtet worden war. Schon im zweiten Wahlgang wurde
Ignazio Cassis zum 87. Bundesrat gewählt und zum Nachfolger von Didier Burkhalter
gekürt. Der achte Bundesrat aus dem Kanton Tessin hatte bereits im ersten Wahlgang
109 Stimmen erhalten, damit allerdings das absolute mehr von 122 Stimmen verfehlt.
Weil die Basler Nationalrätin Sibel Arslan (basta, BS) im ersten Durchgang fehlte, waren
lediglich 245 Wahlzettel eingegangen. Die Baslerin erklärte ihr Fernbleiben als stillen
Protest gegen den Rücktritt von Bundesrat Burkhalter, dessen Abschiedsrede sie
bewegt habe. Wie erwartet splitteten sich die Stimmen für Maudet (62 Stimmen) und
Moret (55 Stimmen) auf. Diverse erhielten 16 Stimmen und drei Stimmzettel waren leer
geblieben. Weil von den Diversen niemand zehn Stimmen erreicht hatte, wurden keine
Namen genannt. Ob also beispielsweise Laura Sadis im Rennen war oder nicht, wird das
Geheimnis des Stimmbüros bleiben. Im zweiten Umgang fielen zahlreiche Stimmen für
Moret auf Cassis. Die 125 Stimmen reichten dem Tessiner knapp für die absolute
Mehrheit. Maudet konnte zwar noch einmal zulegen und erhielt 90 Stimmen, dies
reichte allerdings nicht für einen dritten Wahlgang. Moret ihrerseits erhielt lediglich
noch 28 Stimmen. Eine Stimme entfiel auf Diverse und zwei Stimmzettel blieben erneut
leer – wahrscheinlich stammten sie von den beiden Lega-Parlamentariern, die zwar für
eine Tessiner Vertretung waren, nicht aber für Cassis stimmen wollten.
In den Medien wurde gemutmasst, dass vor allem die Stimmen der SVP entscheidend
gewesen seien, von denen im ersten Durchgang vereinzelte noch an Moret gegangen,
dann aber geschlossen für Cassis eingelegt worden seien. Weil Moret im ersten
Wahlgang auch von ihrer eigenen Partei zu wenig Unterstützung erhalten habe, hätte
die SP im zweiten Wahlgang umgeschwenkt und ziemlich geschlossen für Maudet
gestimmt, um die Wahl von Cassis zu verhindern. Den Namen Moret hätten lediglich
noch die Grünen sowie einige Ratsmitglieder aus der BDP, der CVP, der GLP und der
SVP auf den Wahlzettel geschrieben.

Cassis erklärte die Annahme der Wahl und bedankte sich bei allen Ratsmitgliedern,
auch bei denen, die ihm die Stimme verwehrt hätten. Man könne anderer Meinung sein,
letztlich würden aber alle die gleichen übergeordneten Ziele für die Schweiz anstreben.
Freiheit sei auch immer die Freiheit der anders Denkenden, zitierte er Rosa Luxemburg,
womit er vor allem die Ratslinke überraschte und sichtlich erfreute. Er verspreche vor
allem seiner Frau, der Gleiche zu bleiben wie vor der Wahl. Er fühle sich vor allem der
Kollegialität verpflichtet und werde als Brückenbauer die ganze Schweiz vertreten.
Bereits um 9.30 nahm die Sitzung mit der Vereidigung des neuen Bundesratsmitglieds
ihr Ende.

Die Regionen- und Sprachenfrage sei letztlich stärker gewichtet worden als die
Frauenfrage, so die Bilanz in den Medien am Tag nach der Wahl. „E la Svizzera è più
svizzera”, die Schweiz sei wieder ein bisschen mehr Schweiz, titelte der Corriere del
Ticino. Die Wahl von Cassis sei keine Überraschung und Maudet habe eine ehrenvolle
Niederlage eingefahren, so die ziemlich einhellige Meinung in den Deutsch- und
Westschweizer Medien. Vor wenigen Wochen hätte niemand in Bundesbern den Genfer
gekannt und jetzt habe er 90 Stimmen erhalten. Allerdings zeige seine Nichtwahl auch
die Schwierigkeiten für einen Kandidierenden, der nicht der Bundesversammlung
angehört. Für Moret hingegen, sowie für die Vertretung der Frauen im Bundesrat im
Allgemeinen, sei der Ausgang der Wahlen eine Schmach. Verschiedene Politikerinnen
kritisierten, dass das Beispiel Moret gezeigt habe, dass an Frauen wesentlich höhere
Massstäbe gesetzt würden als an Männer. Die SP habe Cassis nicht verhindern können
und müsse sich nun Vorwürfe gefallen lassen, weshalb sie auf Maudet gesetzt und so die
Vertretung der Frauen hintergangen habe. Die SP wies die Kritik allerdings an die FDP
zurück: Wäre Laura Sadis portiert worden, hätte die SP sie unterstützt. Während sich
die Rechte auf einen Mitte-Rechts-Bundesrat freute – Cassis wisse, wem er seine Wahl
zu verdanken habe, liess sich SVP-Präsident Rösti nach der Wahl zitieren –, winkte die
Linke ab: Es müssten auch im neuen Gremium nach wie vor unterschiedliche
Koalitionen geschmiedet werden, so etwa SP-Parteipräsident Christian Levrat. Die WOZ
befürchtete allerdings eine Zunahme der Polarisierung. Mit der Wahl von Cassis sei die
Kirche aber wieder im Dorf und die Sprachenfrage für eine Weile geregelt. Jetzt

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.88 - 01.01.18   6
müssten die Regionen wieder besser vertreten werden – so der Tenor vor allem aus der
                           Ostschweiz. Verschiedene Politikerinnen forderten zudem eine adäquatere Vertretung
                           von Frauen. Die Idee einer parlamentarischen Initiative, mit der eine angemessene
                           Frauenvertretung in der Verfassung festgeschrieben werden soll, verdichtete sich. Die
                           FDP-Frauen forderten zudem bei der nächsten FDP-Vakanz ein Frauen-Zweierticket.

                           Über die nach der Ersatzwahl anstehende Departementsverteilung war bereits früh
                           spekuliert worden. Insbesondere Alain Berset waren Ambitionen auf das frei gewordene
                           EDA nachgesagt worden. Allerdings hätte der Departementswechsel von Berset einen
                           unangenehmen Beigeschmack gehabt, weil kurz nach der Departementsverteilung die
                           Abstimmung zur Altersreform 2020 anstand, für die Berset mit Herzblut geworben
                           hatte. Der Wechsel ins Aussendepartement hätte von der Stimmbevölkerung als Flucht
                           interpretiert    werden      können.    Der     Bundesrat   solle  deshalb   mit   der
                           Departementsverteilung warten, forderte der ehemalige SVP-Präsident Toni Brunner
                           (svp, SG) kurz vor den Bundesratswahlen in der Presse. Wenn nämlich die AHV-Vorlage
                           verloren ginge, wäre Berset nicht mehr der richtige Innenminister. Ende September
                           kam es dann aber schliesslich zur mehrheitlich erwarteten Departementsverteilung. Das
                           freie EDA wurde vom neuen Kollegiumsmitglied Ignazio Cassis übernommen. Er setzte
                           damit eine eigentliche Tradition fort, da Tessiner Bundesräte sehr häufig als
                           Aussenminister amteten. Die Italianità und seine Vielsprachigkeit dürften Vorteile des
                           neuen EDA-Chefs sein. Mit ein Grund dafür, dass sonst alles beim Alten blieb, dürfte
                           auch die im Vorfeld der Bundesratswahl gemachte Aussage von Cassis gewesen sein,
                           dass es vielleicht nicht gut sei, wenn er mit seinen Verbindungen das Innendepartement
                           übernehmen würde. Cassis werde als Aussenminister „der bessere Burkhalter” sein,
                           weil er mehr Verständnis für die Deutschschweiz habe, besser kommuniziere und mehr
                           Kampfgeist habe, urteilte der Tages-Anzeiger. Auf ihn wartet nun das komplexe
                           Europadossier – und zahlreiche Erwartungen von links bis rechts. 2

                           Sozialpolitik
                           Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
                           Gesundheitspolitik
BUNDESRATSGESCHÄFT         Eine eigenständige und weitreichende Weichenstellung nahm der Ständerat bei der
DATUM: 04.10.2001
MARIANNE BENTELI
                           mittelfristigen Zukunft der Spitalfinanzierung vor. In einer neuen Übergangsbestimmung
                           zum KVG verpflichtete er den Bundesrat, innerhalb von fünf Jahren eine Vorlage zu
                           präsentieren, die ein monistisches Finanzierungssystem einführt. Danach sollen die
                           Kantone nicht länger direkt für Investitionen und Defizite der Spitäler aufkommen. Sie
                           müssten den Krankenkassen aber die Hälfte der von diesen zu übernehmenden
                           Gesamtkosten ersetzen – in Form von Subventionen (beispielsweise für die Bildung
                           eines Grossrisikopools), Beiträgen zur Prämienverbilligung oder als Risikoausgleich.
                           Damit würde bei den Kosten endlich Transparenz geschaffen, begründete die
                           vorberatende Kommission ihren Vorschlag zu diesem grundlegenden Systemwechsel;
                           gleichzeitig würde erreicht, dass öffentliche und private Spitäler nicht länger ungleich
                           behandelt werden. Santésuisse (ehemals KSK) als Dachverband der Krankenversicherer
                           begrüsste diese Marschrichtung, die Kantone, die ihre Entmachtung befürchten,
                           zeigten sich skeptisch. Im Dezember überwies der Nationalrat ein Postulat Zäch (cvp,
                           AG) (Po. 01.3604) für einen Bericht über die Einführung der monistischen
                           Spitalfinanzierung 3

INTERPELLATION / ANFRAGE   Der Ständerat hatte seine Mittlerrolle zwischen Kassen und Kantonen von der
DATUM: 21.06.2002
MARIANNE BENTELI
                           Bedingung abhängig gemacht, dass sich diese vorgängig seiner Beschlüsse über die
                           noch offenen Kosten für das Jahr 2001 einigten. Mitte März kamen die
                           Sanitätsdirektorenkonferenz und Santésuisse in Verhandlungen überein, dass die
                           Kantone den Krankenversicherern für 2001 Nachzahlungen von 250 Mio Fr. leisten. Es
                           stellte sich allerdings die Frage, wem diese Summe zugute kommen sollte. In seiner
                           Antwort auf eine Interpellation Joder (svp, BE) im Nationalrat vertrat der Bundesrat die
                           Ansicht, diese Gelder seien vollumfänglich den Zusatzversicherten, welche bisher ihren
                           Aufenthalt in den halbprivaten und privaten Abteilungen allein via Prämien bezahlten,
                           zurückzuerstatten. Mit der Kontrolle der korrekten Umsetzung wurde das Bundesamt
                           für Privatversicherungen beauftragt. 4

                           ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.88 - 01.01.18   7
POSITIONSPAPIER UND PAROLEN   Ausgehend von einem Bericht über das Malaise im Pflegebereich, das sich unter
DATUM: 05.10.2002
MARIANNE BENTELI
                              anderem in einem ausgetrockneten Arbeitsmarkt ausdrückt, verlangte die CVP
                              einerseits eine bessere soziale und finanzielle Anerkennung der Pflegeberufe,
                              andererseits eine Neuregelung der Finanzierung der Pflegeheime. Im Hintergrund
                              stand eine im Juli erlassene Verordnungsänderung, wonach die Pflegeheime die
                              effektiven Pflegekosten transparenter ausweisen müssen. Bis anhin wurden zum Teil
                              auch eigentliche Pflegeleistungen dem Bereich Hotellerie zugeordnet und den
                              Pflegebedürftigen direkt verrechnet. Mit der konsequenten Ausscheidung der
                              tatsächlichen Pflegekosten rechnen die Versicherer, auf mehrere Jahre verteilt, mit
                              Mehrkosten von rund 1,2 Mia Franken, was zu einem Prämienschub von gegen 10%
                              führen könnte. Ständerat und CVP-Präsident Stähelin (TG) verlangte deshalb den
                              umgehenden Übergang von der dualistischen zur monistischen Spital- und
                              Heimfinanzierung, wonach die Versicherer sämtliche tarifvertraglichen Leistungen für
                              die Krankenpflege berappen müssten. Die freiwerdenden Mittel, mit denen die Kantone
                              heute Spital- und Heimleistungen subventionieren, sollten in gleicher Höhe an die
                              Krankenkassen überwiesen werden mit dem gezielten Auftrag, die Kinderprämien
                              massiv zu verbilligen resp. ganz aufzuheben und die Langzeitpflege im Alter zu
                              finanzieren. Falls die Mittel nicht genügend sollten, sah Stähelin nur noch einen Ausweg:
                              die Einführung einer Zusatzprämie ab dem 50. Altersjahr. Diese sollte für alle
                              Schichten tragbar sein und dürfte 10 Fr. pro Monat nicht übersteigen. Diese Idee nahm
                              Santésuisse auf. Sie regte an, Leute ab 50 sollten verpflichtet werden, zusätzlich zur
                              obligatorischen Krankenversicherung eine Pflegeversicherung abzuschliessen, um die
                              künftige Lastenverteilung zwischen den Generationen wieder etwas zu entspannen. Der
                              Anteil der Ausgaben für eigentliche Pflegeleistungen (Spitex und Pflegeheime) sei vor
                              allem für die Altersgruppe 75+ bedeutsam. (Eine Studie der ETH zeigte, dass die
                              Überalterung der Bevölkerung die Prämien bis ins Jahr 2035 um jährlich 0,5% verteuern
                              wird .) Mit einer monatlichen Durchschnittsprämie von knapp 50 Franken ab Alter 50
                              könnten die Seniorinnen und Senioren die anfallenden Kosten weitgehend selber
                              finanzieren. Anlässlich der jährlichen Pressekonferenz zur Prämienentwicklung zeigte
                              sich Bundesrätin Dreifuss sehr besorgt ob dem Vorschlag von Santésuisse, der ihrer
                              Ansicht nach darauf abzielt, die mühsam aufgebaute Solidarität zu untergraben und das
                              Land zwischen Jungen und Älteren aufzuspalten. 5

PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   Im November des Vorjahres hatte das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass die
DATUM: 18.10.2002
MARIANNE BENTELI
                              Kantone aufgrund des seit 1996 in Kraft stehenden KVG ab 2001 in den öffentlichen und
                              öffentlich-subventionierten Spitälern auch bei einer privaten oder halbprivaten
                              Hospitalisierung den hälftigen Sockelbeitrag an die Betriebskosten bezahlen müssen,
                              was eine finanzielle Mehrbelastung von rund 700 Mio Fr. pro Jahr bedeutet hätte,
                              welche die Kantone ohne Steuererhöhungen als nicht verkraftbar erachteten. hier Sie
                              wandten sich deshalb mit der Bitte ans Bundesparlament, den Kostenschub erträglicher
                              zu machen. Die SGK des Ständerates bemühte sich daraufhin gemeinsam mit den
                              Kantonen und Santésuisse (ehemals KSK) um eine Lösung, die sowohl der an sich klaren
                              Rechtslage, welche die Kantone in den letzten sechs Jahren nicht hatten wahrhaben
                              wollen, als auch deren finanziellen Möglichkeiten Rechnung trägt. Zur Diskussion
                              standen eine vorgezogene Änderung der Spitalfinanzierungsbestimmungen im KVG, wie
                              sie die zweite Teilrevision ohnehin vorsieht, oder eine Übergangslösung mit einem
                              dringlichen Bundesgesetz.

                              Auf Antrag der SGK, welche ihre Vorschläge in die Form einer ausformulierten
                              parlamentarischen Initiative gekleidet hatte, stimmte der Ständerat einem dringlichen
                              Bundesbeschluss zu, welcher die Kantonsbeteiligung schrittweise einführt, dabei aber
                              auf die Abgeltung der effektiven Kosten verzichtet und stattdessen von den Tarifen der
                              allgemeinen Spitalabteilungen ausgeht, womit die Mehrbelastung der Kantone um 200
                              Mio Fr. pro Jahr reduziert wird. 2002 werden 60% des geschuldeten Betrages von den
                              Kantonen übernommen, 2003 80% und 2004 100%, was zu jährlichen Mehrkosten für
                              die Kantone von 300, 400 und schliesslich 500 Mio Fr. führt. Im Nationalrat versuchte
                              eine knappe Kommissionsmehrheit unter den Abgeordneten Gutzwiller (fdp, ZH),
                              Verwaltungsrat der grössten Privatspital-Betreiberin der Schweiz (Hirslanden), und Zäch
                              (cvp, AG), Direktionspräsident des privaten Paraplegikerzentrums Nottwil (LU), zu
                              erreichen, dass die Kantone ihre Beiträge auch an die privaten Spitäler, die auf der
                              kantonalen Spitalliste stehen, entrichten müssen. Mit 101 zu 64 Stimmen schloss sich im
                              Plenum aber eine Mehrheit der CVP und der FDP dem Antrag der SP an, die Frage der
                              Privatspitäler erst im Rahmen der 2. KVG-Revision anzugehen. Auf Wunsch der
                              Bundeskanzlei, die geltend machte, dass es noch nie ein sowohl dringliches als auch
                              (für das Jahr 2002) rückwirkendes Bundesgesetz gegeben habe, beantragte die
                              Kommission, auf die Dringlichkeit zu verzichten. Das Plenum liess sich aber von einem

                              ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.88 - 01.01.18   8
positiven Gutachten des Bundesamtes für Justiz sowie vom Argument überzeugen, die
                            Angelegenheit sei in erster Linie durch die uneinsichtige Haltung der Kantone
                            verschleppt worden, weshalb jetzt unbedingter Handlungsbedarf bestehe. Mit 128 zu 1
                            Stimmen wurde die Dringlichkeit bejaht und später mit 157 zu 7 Stimmen bestätigt. In
                            der Schlussabstimmung wurde die Vorlage von beiden Kammern einstimmig
                            verabschiedet. Mit dem Argument, der EVG-Entscheid sei bereits für 2002
                            vollumfänglich anzuwenden, reichte die Krankenkasse Assura das Referendum gegen
                            den dringlichen Bundesbeschluss ein. 6

POSTULAT                    Die Forderungen aus dem Postulat Eder (fdp, ZG) Transparenz für Patienten über die
DATUM: 13.06.2016
MAXIMILIAN SCHUBIGER
                            Qualität im Spitalbereich wurden im Wesentlichen mit der Neubildung einer
                            elektronischen Informationsplattform erfüllt, weswegen das Postulat 2016
                            abgeschrieben werden konnte. Santésuisse und das Konsumentenforum hatten im
                            November 2015 informiert, dass die Plattform «Spitalfinder» ins Leben gerufen worden
                            sei. Dort können verschiedene Kriterien für die Qualitätsentwicklung in Spitälern
                            eingesehen werden.

                            Ärzte und Pflegepersonal
GERICHTSVERFAHREN           Eine weitere Querele – diesmal zwischen dem Branchenverband der Schweizer Spitäler
DATUM: 13.09.2003
MARIANNE BENTELI
                            H+ und Santésuisse – betraf den Taxpunktwert (TPW) für ambulante Leistungen der
                            Spitäler. Bundesrat und Preisüberwacher hatten im Vorfeld der Verhandlungen die
                            Empfehlung abgegeben, zur Wahrung der angestrebten Kostenneutralität der TarMed-
                            Einführung sollten die TWP die Obergrenze von einem Franken nicht überschreiten. H+
                            stimmte dem für die öffentlichen Spitäler zu, weshalb Ende Jahr in 16 Kantonen die
                            Verträge abgeschlossen werden konnten, verlangte aber für die nicht subventionierten
                            Privatkliniken TWP, die deutlich darüber lagen. H+ argumentierte, im Mittel würden die
                            TWP der öffentlichen und der privaten Spitäler immer noch knapp unter einem Franken
                            liegen, Santésuisse weigerte sich aber, im Einzelfall über die postulierte Obergrenze
                            hinauszugehen. Als Santésuisse die Verhandlungen für gescheitert erklärte und die
                            Kantone aufforderte, TPW zu verordnen, reichte H+ eine Klage gegen die Versicherer
                            ein, die Ende Jahr noch hängig war. Eine Einigung über die TWP konnte Santésuisse
                            hingegen mit sämtlichen kantonalen Ärztegesellschaften erzielen; diese werden für die
                            18-monatige Einführungsphase von TarMed zwischen 78 Rp. (Wallis) und 98 Rp. (Genf)
                            liegen. (Zu Bedenken des Eidg. Datenschutzbeauftragten gegenüber der Weitergabe von
                            sensiblen Personendaten auf den neuen TarMed-Rechnungsformularen siehe hier) 7

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   Die stufenweise Einführung der neuen, einheitlichen Tarifstruktur TarMed – 1.5.2003
DATUM: 20.11.2003
MARIANNE BENTELI
                            für den Invaliden-, Militär- und Unfallversicherungsbereich und 1.1.2004 für den
                            Krankenversicherungsbereich – verlief harzig und war von Misstönen begleitet.
                            Insbesondere die Vereinigung der invasiv und operativ tätigen Ärzteschaft (FMS) gab
                            ihren grundsätzlichen Widerstand gegen das neue Tarifwerk, welches die intellektuelle
                            Leistung der Ärzte etwas höher, die technischen und operativen Massnahmen dafür
                            etwas tiefer bewertet, nicht auf. Nach einer ersten Weigerung, den TarMed
                            anzuwenden, reichte sie Ende Jahr zwei Klagen ein. Die eine richtet sich gegen die
                            beiden Vertragsparteien FMH und Santésuisse und verlangt eine Neuaushandlung des
                            gesamten TarMed, die andere betrifft die SUVA und fordert einen Anwendungsstopp im
                            Unfallversicherungsbereich. 8

                            ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK      01.01.88 - 01.01.18   9
Medikamente
ANDERES                     Im Juni kündigte Santésuisse einseitig den LOA-Vertrag mit den Apothekern per Ende
DATUM: 14.11.2003
MARIANNE BENTELI
                            2003. Dieser Vertrag regelt die Entschädigung der Apotheken für die Abgabe von
                            Medikamenten aus der Grundversicherung. Erst Mitte November wurde eine Einigung
                            erzielt, die verhinderte, dass die Patientinnen und Patienten ab Anfang 2004 das Geld
                            für ärztlich verschriebene Medikamente hätten vorstrecken und selber mit den
                            Krankenkassen abrechnen müssen. Für 2005 soll aber ein neuer Vertrag ausgehandelt
                            werden. 9

                            Sozialversicherungen
                            Krankenversicherung
VOLKSINITIATIVE             Besonders sauer stiess den Befürwortern die Rolle von Santésuisse auf, dem
DATUM: 20.01.2007
MARIANNE BENTELI
                            Dachverband der Krankenversicherer. Bereits in der Ständeratsdebatte hatte Fetz (sp,
                            BS) einen aus Prämiengeldern gespiesenen und mit CHF 7 Mio. dotierten Politfonds von
                            Santésuisse kritisiert. Brändli (svp, GR), Präsident von Santésuisse, hatte zugeben
                            müssen, dass ein Teil der Fondsgelder tatsächlich in diese Abstimmungskampagne
                            fliesse. 10

MOTION                      Ständerat Frick (cvp, SZ) wollte mit einer Motion den Bundesrat verpflichten, zur
DATUM: 25.09.2007
MARIANNE BENTELI
                            Verhinderung der „Billigkassen“ eine Ergänzung des KVG vorzulegen, wonach
                            Krankenkassen unter einheitlicher Leitung (Konzern, Kassenkonglomerate und
                            dergleichen) für die obligatorische Grundversicherung in derselben Prämienregion
                            jeweils dieselbe Prämie festlegen müssen. Im Plenum konnte Santésuisse-Präsident
                            Brändli (svp, GR) mit einem Ordnungsantrag erreichen, dass der Vorstoss zur weiteren
                            Vorbereitung an die Kommission zurückgegeben wurde. 11

STUDIEN / STATISTIKEN       Da Versicherer seit drei Jahren verpflichtet sind, ihre Leistungen zu sistieren, sobald
DATUM: 25.10.2008
LINDA ROHRER
                            sie in einem Betreibungsverfahren ein Fortsetzungsbegehren gestellt haben, waren im
                            Berichtsjahr faktisch 120'000 bis 150'000 Versicherte ohne Versicherungsschutz. Weil
                            diese Personen trotzdem medizinische Leistungen in Anspruch nahmen, entstanden
                            offene     Spitalrechnungen    im    Umfang     von    über    CHF    80    Mio.    Die
                            Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und der Krankenkassenverband Santésuisse
                            fanden nun eine gemeinsame Lösung für das Problem dieser unbezahlten
                            Spitalrechnungen. Während die Kantone in Zukunft 85% der Kosten übernehmen,
                            welche Grundversicherte nicht bezahlen können, zahlen die Kassen die restlichen 15%
                            und wollen in jedem Fall die Leistungserbringung gewährleisten. 12

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   Bei einem Gesundheitsgipfel im Frühjahr forderte Bundesrat Couchepin die Einführung
DATUM: 21.04.2009
LINDA ROHRER
                            einer Praxisgebühr von CHF 30, um unnötige Arztbesuche zu verhindern. Diese
                            finanzielle Hürde sollte die Patienten davon abhalten, wegen Bagatellen die
                            Krankenkasse zu beanspruchen. Die Belastung chronisch Kranker wurde dabei
                            allerdings begrenzt. Der Vorschlag stiess auf sehr viel Kritik: Einzig der
                            Krankenkassenverband Santésuisse stand der vorgeschlagenen Praxisgebühr positiv
                            gegenüber. Neben der Praxisgebühr stellte Couchepin wenig später noch weitere
                            Massnahmen vor, um die angekündigten massiven Prämienerhöhungen zu stoppen.
                            Einerseits sollte eine Telefonberatung eingeführt werden, welche alle Versicherer
                            kostenlos erbringen müssen. Andererseits wollte der Bundesrat die Kompetenz
                            erhalten, die Senkung der Arzttarife bei einer überdurchschnittlichen Kostensteigerung
                            beschliessen zu können. Mit Leistungsaufträgen sollten die Kantone zudem dazu
                            gebracht werden, die Kosten bei den Spitalambulatorien zu senken. Für die Verbilligung
                            von Krankenkassenprämien forderte Couchepin zudem den Einsatz von mehr
                            Bundesmitteln. 13

                            ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.88 - 01.01.18   10
PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   In eine ähnliche Richtung zielte auch eine parlamentarische Initiative Jacqueline Fehr
DATUM: 28.05.2009
LINDA ROHRER
                              (sp, ZH), welche verlangte, dass Personen, die in einem operativen oder strategischen
                              Leitungsgremium von Krankenkassen sitzen oder in den Leitungsgremien der
                              entsprechenden        Verbände,       namentlich   Santésuisse,   tätig   sind,    der
                              Bundesversammlung nicht angehören dürfen. Die Kommission des Nationalrates
                              beantragte mit 16 zu 8 Stimmen, die parlamentarische Initiative abzulehnen. Dies mit
                              der Begründung, dass Krankenkassen zwar im obligatorischen Bereich
                              Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, aber der Bund keine beherrschende Stellung
                              einnehme, da er weder die geschäftsleitenden Gremien bestimme noch die
                              Krankenkassen finanziere. Der Nationalrat folgte der Mehrheit seiner Kommission und
                              lehnte die Initiative mit 104 zu 61 Stimmen ab. 14

PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   Au mois de mars, l’association des hôpitaux, H+, la FMH ainsi que quatorze
DATUM: 07.06.2011
SÉBASTIEN SCHNYDER
                              organisations professionnelles et syndicales ont lancé un appel soutenu par la
                              Conférence des directeurs cantonaux de la santé afin que l’introduction du système de
                              montants forfaitaires en fonction du diagnostic (DRG) mettant les hôpitaux en
                              concurrence ne nuise pas aux conditions de travail et à la formation du personnel
                              soignant. Ils craignent que cette concurrence porte préjudice à la qualité des soins en
                              poussant les hôpitaux à dispenser des prestations moins complètes. Certaines
                              organisations ont demandé un moratoire sur la mise en œuvre de la loi. Par ailleurs,
                              Santésuisse et la Conférence des directeurs cantonaux de la santé ont évalué le surcroît
                              de charge global pour la mise en place du nouveau système à 1 milliard de francs pour
                              les cantons et à 400 millions de francs pour les caisses. Ils ont également estimé que ce
                              dernier entraîne une augmentation de 1,6 à 2% des primes de l’assurance de base. En
                              mai, la CSSSP-CE a déposé une initiative parlementaire visant à interdire en urgence les
                              augmentations de primes durant trois ans. Cette dernière a rencontré l’opposition des
                              cantons et a finalement été rejetée par les chambres, seules l’UDC et une partie du
                              groupe PDC l’ayant clairement soutenue. En juillet, H+ et Santésuisse ont conclu une
                              convention permettant la transmission aux assureurs des données relatives aux
                              diagnostics afin de contrôler les coûts. Certains acteurs comme Privatim, l’association
                              des commissaires suisses à la protection des données, ont fortement protesté tandis
                              que les hôpitaux, en contradiction avec leur faîtière, et de nombreux prestataires de
                              soins ont refusé cette pratique l’estimant inacceptable au vu du secret médical et
                              inutile. Au mois de novembre, de nombreuses manifestations ont eu lieu dans
                              l’ensemble du pays afin de protester contre le nouveau financement hospitalier. Les
                              professionnels de la santé ont estimé que le nouveau système aggrave des conditions
                              de travail déjà difficiles, notamment en raison de sous-dotation en personnel, tandis
                              que le syndicat des services publics a estimé que les décisions sont prises sans
                              consultation du personnel. 15

STUDIEN / STATISTIKEN         Der Krankenversichererverband Santésuisse legte eine Studie vor, wonach die Margen
DATUM: 26.10.2012
FLAVIA CARONI
                              auf Medikamente, welche die abgebenden Ärzte, Apotheken und Spitäler für ihren
                              Aufwand beim Medikamentenverkauf entschädigen, in der Schweiz deutlich über dem
                              Niveau vergleichbarer europäischer Länder liegen. Dies mache zwei Prozent der
                              Krankenkassenprämien aus. Insbesondere die Ärzte würden an der Abgabe von
                              Medikamenten doppelt verdienen. Der Verband forderte eine Angleichung, welche er in
                              Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern erreichen wollte. Dafür wäre jedoch eine
                              Anpassung der entsprechenden Verordnung nötig, da derzeit das BAG für die
                              Festsetzung der Medikamentenpreise und der Margen zuständig ist. Die Reaktionen auf
                              die Forderung waren heftig. Die Ärztevereinigung FMH etwa warf der Santésuisse vor,
                              bewusst falsche Aussagen zu machen und auf dem Rücken der Haus- und Kinderärzte
                              sparen zu wollen. 16

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE     Im Sommer kündigte der Branchenverband der Krankenversicherer, Santésuisse, für das
DATUM: 01.01.2013
FLAVIA CARONI
                              Jahr 2013 ein moderates Prämienwachstum von zwei bis drei Prozent an. Im Herbst gab
                              das BAG einen Anstieg von gar nur 1,5% bekannt. Ab 2014 drohten jedoch unter
                              anderem aufgrund der Unsicherheit bei der neuen Spitalfinanzierung wieder grössere
                              Aufschläge. 17

                              ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.88 - 01.01.18   11
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