BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG - DIE ZUKUNFT DES WOHNENS IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25. APRIL 2018

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BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG - DIE ZUKUNFT DES WOHNENS IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25. APRIL 2018
BÜNDNIS FÜR
             WOHNEN UND LEBEN
             IN WOLFSBURG
             DIE ZUKUNFT DES WOHNENS IN WOLFSBURG

             DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25. APRIL 2018

APRIL 2018
BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG - DIE ZUKUNFT DES WOHNENS IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25. APRIL 2018
INHALT
                        EINLEITUNG.................................................................................................................................................... 5

                        SOZIALE WOHNUNGSPOLITIK IN WOLFSBURG
                        Bernhard Faller (Quaestio) und Sigird Landsmann (Stadt Wolfsburg) ............................................................6
                        Rahmenbedingungen einer sozialorientierten Wohnungsmarktentwicklung in Wolfsburg ..............................6
                        Geförderter Wohnungsbau in Wolfsburg .........................................................................................................8
                        Instrumente und Zielgruppen sozialer Wohnungspolitik ................................................................................11
                        Resümee und Empfehlungen.........................................................................................................................14
                        Diskussion ......................................................................................................................................................15

                        WETTBEWERB ZUKUNFTSSTADT: ViWoWolfsburg2030+
                        Prof. Elke Pahl-Weber (TU Berlin) und Ralf Sygusch (Stadt Wolfsburg) ......................................................19
                        Wettbewerb Zukunftsstadt .............................................................................................................................19
                        Digital und vernetzt in die Zukunft ..................................................................................................................19
                        Urban Design Thinking in Wolfsburg .............................................................................................................20
                        Projektvorschläge für ViWoWolfsburg2030+ .................................................................................................22
                        Diskussion ......................................................................................................................................................25

                        VERSCHIEDENES UND AUSBLICK ............................................................................................................27

                        Anhang: Teilnehmende der 13. Sitzung .........................................................................................................29

                        Abbildungs- und Quellennachweis: Die abgebildeten Grafiken und Fotos wurden, sofern nicht anders
                        gekennzeichnet, von den Referenten bereitgestellt. Fotos der Veranstaltung: N. Rehsöft

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BÜNDNISMITGLIEDER
                        Stadt Wolfsburg/ Verwaltung         Oberbürgermeister
                                                            Stadtbaurat
                                                            Ref. 21 - Strategische Planung, Stadtentwicklung, Statistik
                                                            GB 06 - Stadtplanung und Bauberatung
                                                            GB 11 - Grundstücks- und Gebäudemanagement
                                                            GB 03 - Soziales und Gesundheit
                                                            Ref. 31- Kommunikation
                                                            Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen

                        Politische Vertreter                SPD, CDU, PUG, Bündnis 90/ Grünen, FDP, Linke & Piraten, AfD

                        Wohnungsgesellschaften              Neuland Wohnungsgesellschaft mbH
                                                            Volkswagen Immobilien GmbH
                                                            Allertal Immobilien eG

                        Volkswagen AG                       Betriebsrat
                                                            Personalentwicklung

                        Bauträger/ Projektentwickler        Volksbank BraWo Projekt GmbH
                                                            Sparkasse Wolfsburg-Gifhorn

                        Stadtwerke Wolfsburg AG             Vorstand

                        Interessenverbände                  Mieterverein Wolfsburg und Umgebung e.V.
                                                            Haus & Grund Wolfsburg und Umgebung e.V.

                        Veranstalter/ Geschäftsführung                    Moderation                    Dokumentation
  IMPRESSUM             Stadt Wolfsburg, Ref. für Strategische Planung,
                        Stadtentwicklung, Statistik
                                                                          Prof. Elke Pahl-Weber
                                                                          TU Berlin
                                                                                                        Dipl. Ing. Nicoletta Rehsöft
                                                                                                        Stadt+Bild, Albstadt
                        Verena.Lichtenstein@stadt.wolfsburg.de            pahl-weber@isr.tu-berlin.de   www.stadtundbild.de

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BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG - DIE ZUKUNFT DES WOHNENS IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25. APRIL 2018
EINLEITUNG
                        Die besondere Situation Wolfsburgs als Stadtneugründung       Mit dem Projekt „Visionen zum Wohnen in Wolfsburg 2030+:
                        mit einer spezifischen Ortsstruktur und Bausubstanz, einer    digital und vernetzt in die Zukunft“ nimmt Wolfsburg seit
                        in den vergangenen Jahren außergewöhnlich stark prospe-       2015 am bundesweiten Wettbewerb „Zukunftsstadt“ teil. Ziel
                        rierenden Beschäftigung und einem bundesweit einmaligen       der aktuellen 2. Phase ist, vor dem Hintergrund der Digitali-
                        Anteil an Pendlern bzw. multilokalen Personen erfordert an-   sierung nachhaltige und innovative Projektideen für ein bes-
                        gesichts der damit verbundenen aktuellen Entwicklung vor      seres Leben in der Stadt der Zukunft zu erarbeiten, um sie in
                        allem im Bereich des Wohnungsangebots und der Mobilität       der 3. Phase in „Reallaboren“ zu erproben. Teams aus
                        verstärkte Anstrengungen einer „Strategischen Wohnstand-      Bürgerschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, lokaler Politik und
                        ortentwicklung“. Das „Bündnis für Wohnen und Leben in         Verwaltung haben gemeinsam ihre Vorstellungen in den
                        Wolfsburg“ ist hierfür ein wichtiges Element. Es bietet die   Themenfeldern Wohnvielfalt, Mobilität und Energie an einen
                        Plattform, um im Expertenkreis die Entwicklungen auf dem      Tisch gebracht. Die finalen Projektvorschläge werden vor-
                        Wohnungsmarkt zu reflektieren, zwischen den verschiede-       gestellt und mit Blick auf die Umsetzung offen diskutiert.
                        nen Interessengruppen zu erörtern und bei der Gestaltung
                                                                                      „Es tut sich etwas in Wolfsburg, mittlerweile haben wir einige
                        der künftigen Wohnungs- und Baulandpolitik und damit der
                                                                                      gute Neubauprojekte fertiggestellt, die mit der Wohnbau-
                        Profilierung des Wohnstandortes Wolfsburg mitzuwirken.
                                                                                      offensive vorangetrieben wurden“, begrüßt OB Klaus Mohrs
                                                                                      das Bündnis „Wohnen und Leben in Wolfsburg“ zu seiner
                        2017 wurden im Bündnis intensiv Ansätze zur Steigerung        13. Sitzung. Prof. Elke Pahl-Weber leitet in das erste
                        der Neubautätigkeit diskutiert. Am 25. April stehen nun mit   Schwerpunktthema ein. Die Frage einer sozialverantwort-
                        den Themen soziale Wohnraumversorgung und „ViWo               lichen Wohnungsversorgung wurde bereits mehrfach im
                        Wolfsburg2030+“ qualitative Fragen für die Zukunft des        Bündnis diskutiert – angesichts der besonderen Situation in
                        Wohnens in Wolfsburg im Mittelpunkt.                          der Stadt mit sehr kontroversen Ansichten dazu, welche
                        Die Bezahlbarkeit von Wohnraum ist in wachsenden Städten      Rolle der geförderte Mietwohnungsbau in Wolfsburg spielen
                        eine größer werdende Herausforderung und rückt auch in        sollte. Einerseits hat Wolfsburg im Städtevergleich einen
                        Wolfsburg verstärkt in die öffentliche Aufmerksamkeit. Wie    sehr günstigen Mietwohnungsbestand, der für Haushalte mit
                        sich die Situation der sozialen Wohnraumversorgung in         geringen Einkommen bezahlbaren Wohnraum gewährleistet.
                        Wolfsburg darstellt, welchen Beitrag der geförderte Woh-      Gleichzeitig führt der enorme Wachstumsdruck in bestimm-
                        nungsbau leisten kann, welche Instrumente darüber hinaus      ten Segmenten bereits zu spürbaren Preissteigerungen, aus
                        verfolgt werden und welche Bedarfe sich daraus ergeben,       denen durchaus Handlungsbedarf für die Stadt entstehen
                        wurde in einer Studie von dem Büro Quaestio untersucht,       kann. Mit der Quaestio-Studie liegen nun sehr interessante
                        die von Bernhard Faller vorgestellt wird. Ergänzt wird der    Ergebnisse vor, auf deren Grundlage das Thema soziale
                        Vortrag von einem Input von Sigrid Landsmann (Stadt           Wohnraumversorgung in dieser Runde
                        Wolfsburg) zu der Entwicklung des geförderten Woh-            fundiert diskutiert werden kann.
                        nungsbaus in Wolfsburg. Im Anschluss wird im Gremium          Wir freuen uns auf eine interessante
                        über Bedarfe und Instrumente diskutiert.                      Diskussion!

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SOZIALE WOHNUNGSPOLITIK
                             IN WOLFSBURG BERNHARD FALLER (QUAESTIO) UND SIGRID LANDSMANN (STADT WOLFSBURG)
                               Bernhard Faller stellt die Zwischenergebnisse der Quaestio-    soziale Frage, die v.a. die Wachstumsregionen in ganz
                               Studie „Herausforderungen und Empfehlungen für eine            Deutschland beschäftigt und intensiv in den Medien dis-
                               sozialorientierte Wohnungspolitik in Wolfsburg“ vor, bei der   kutiert wird. Wohnungspolitische Debatte und öffentliche
                               Rahmenbedingungen in Wolfsburg analysiert und Interviews       Wahrnehmung spiegeln dabei nicht immer die tatsächliche
                               mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung geführt wurden. Sigrid    Situation wieder: Nicht alle Städte und Regionen sind glei-
                               Landsmann ergänzt die Ausführungen mit einem Überblick         chermaßen vom Preisdruck betroffen und nicht überall ent-
                               zum Status Quo der Sozialwohnungsbestände in Wolfsburg.        stehen daraus soziale Probleme.1 Die Wohnungsfrage sollte
                                                                                              daher immer mit viel Sensibilität für die lokalen Bedingungen
                               Seit zehn Jahren ist ein zunehmender Druck mit steigenden
                                                                                              und auf Grundlage fundierter Erhebungen diskutiert werden
                               Preisen auf den Wohnungsmärkten in wachsenden Städten
                                                                                              – dieser Ansatz wurde auch in der Quaestio-Studie für
                               in Deutschland zu verzeichnen und es wird verstärkt wieder
                                                                                              Wolfsburg verfolgt. Zentrale Fragestellung war, ob Wolfs-
                               in den Wohnungsneubau investiert. Mit dem Druck steigt
                                                                                              burg über den Status Quo hinaus, der von einem umfang-
                               auch die Sensibilität für die sozialen Fragen des Wohnens –
                                                                                              reichen Bestand günstiger Mietwohnungen geprägt ist,
                               auf engen Märkten sind v.a. Haushalte mit geringen
                                                                                              weitere Instrumente und Maßnahmen einer aktiven sozialen
                               Einkommen von steigenden Preisen betroffen. Obwohl
                                                                                              Wohnraumpolitik benötigt.
                               versucht wird, diese über kleinere Wohnungen und
                               Abstriche bei der Wohnqualität zu kompensieren, muss ein
                                                                                              Rahmenbedingungen einer sozialorientierten Woh-
                               wachsender Teil der Haushaltseinkommen für das Wohnen
                                                                                              nungsmarktentwicklung in Wolfsburg
                               ausgegeben und an anderer Stelle eingespart werden, z.B.
                               bei Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Kultur. Im            Zur Betrachtung der Mietpreisentwicklung wurden Daten der
                               Mittelpunkt sozialer Wohnungspolitik steht heute weniger die   N-Bank sowie der drei großen Wolfsburger Wohnungsunter-
                               Behebung „klassischer“ Wohnungsnot mit ungesunden              nehmen VWI, Neuland und Allertal ausgewertet. Bei den
                               Wohnverhältnissen, sondern die Bezahlbarkeit von Wohn-         Unternehmensdaten handelt es sich um Wiedervermie-
                               raum und Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe für alle      tungen, die seit 2007 der Stadt weitergegeben werden,
                               Bevölkerungsschichten – auch dies zu Recht eine wichtige       während die N-Bank Online-Angebote auswertet, die v.a.
                                                                                              von privaten Eigentümern eingestellt werden. Während die
Entwicklung der Mieten                                                                        Kaltmieten lange Zeit im Durchschnitt bei 5 €/qm stagnierten
in Wolfsburg                                                                                  (bzw. inflationsbereinigt real leicht sanken) zeigen beide
-- Wiedervermietungsmie-                                                                      Mietpreiskurven in den letzten Jahren eine Steigerung,
ten VWI, Neuland, Allertal                                                                    jedoch mit unterschiedlicher Intensität. Bei den großen
-- Angebotsmieten (N-                                                                         1
                                                                                                  So hat z.B. eine Analyse in Saarbrücken gezeigt,
Bank/ ImmobilienScout24)                                                                          dass die Stadt nicht wie befürchtet von Gentrifizie-
                                                                                                  rung betroffen ist, sondern im Gegenteil an fehlen-
                                                                                                  der Investitionsbereitschaft krankt – u.a. aufgrund
                                                                                                  zu geringer Preise. Von den Medien wurden die
                                                                                                  Ergebnisse jedoch weiterhin angezweifelt.

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BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG - DIE ZUKUNFT DES WOHNENS IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25. APRIL 2018
Unternehmen erhöhte sich die Wiedervermietung moderat                             Mehr als    Verteilung der Wohnun-
                          auf durchschnittlich 6,75 €/qm, wohingegen die privaten                           7,00 €/qm   gen nach Miethöhe
                          Online-Angeboten auf 9 €/qm stiegen. Bei der Verteilung                                       2015: 21.813 Wohnungen
                          nach Miethöhen haben 2016 92 % der angebotenen                                                2016: 21.517 Wohnungen
                          Wohnungen in Wolfsburg eine Miete unter 7 €/qm und sind
                                                                                          bis 5,60 €/qm
                          damit auch für niedrige und mittlere Einkommen zugänglich.
                          44 % liegen im niedrigen Segment unter 5,60 €/qm. In
                          anderen Städten zeigt sich hier ein komplett anderes Bild, so              5,61-7,00 €/qm
                          werden z.B. in Bonn nahezu keine Wohnungen unter 7 €/qm
                          angeboten. Im Vergleich zum Vorjahr ist auch in Wolfsburg                                     Verteilung der Bestände
                          der Anteil günstiger Mietangebote leicht, aber nicht                                          der Wohnungsgesell-
                          gravierend rückläufig.                                                                        schaften im Stadtgebiet

                          Das vergleichsweise geringe Mietniveau in Wolfsburg ist auf
                          die besondere Entstehungsgeschichte der Stadt zurück-
                          zuführen. Die Siedlungsstruktur ist bis heute durch große
                          Mietwohnungsbestände der 1950er bis 1970er Jahre ge-
                          prägt, mit zweckmäßigen aber eher einfachen und kompak-
Mieten nach NWoFG-        ten Wohnungen, die sich gleichmäßig über die gesamte
Einkommensgruppen
                          Stadt verteilen. 60 % der Mietwohnungen sind im Besitz der
Niedersächsisches Wohn-   großen lokalen Wohnungsunternehmen, im Städtevergleich
raumförderungsgesetz
                          ist das ist ein ungewöhnlich hoher Marktanteil. Die städ-
                          tische Gesellschaft Neuland, das Werksunternehmen Volks-
                          wagen-Immobilien und die Genossenschaft Allertal fühlen
                          sich der sozialen Wohnraumraumversorgung in Wolfsburg
                          verpflichtet und kooperieren eng mit der Stadt.
                          Der Kaufpreis von Eigentumswohnungen ist in nur fünf Jah-
                          ren um über 1.100€/qm auf ca. 2.700 €/qm gestiegen, das
                          ist ein Plus von 75 % gegenüber dem Ausgangswerts von
                          2011. Dieser Wert mag zunächst erschrecken, relativiert                                       Preisentwicklung bei
                          sich aber wenn man bedenkt, dass vor sieben Jahren fast                                       Eigentumswohnungen
                          nur Altbauwohnungen zum Verkauf standen, während                                              Quelle: Grundstücksmarkt-
                                                                                                                        bericht GAG BS-Wob
                          mittlerweile durch die Wohnbauoffensive viele hochwertige
                          Neubauwohnungen auf den Markt gekommen sind.

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BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG - DIE ZUKUNFT DES WOHNENS IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25. APRIL 2018
Die Analyse verdeutlicht, dass die Mietpreissteigerungen im     Geförderter Wohnungsbau in Wolfsburg
                        Vergleich mit anderen Städten recht moderat sind. Eine der
                        Ursachen ist die Dominanz der Unternehmen VWI, Neuland
                        und Allertal auf dem Mietwohnungsmarkt, aber auch die
                        Wohnungsbauoffensive nimmt Druck aus dem Bestands-
                        markt. Zudem bietet das Wolfsburger Umland gut erreich-
                        bare Alternativen zu vernünftigen Preisen, insbesondere für
                        die Eigenheimbildung, so dass eine Abwanderung relativ
                        einfach möglich ist.
                        Ein Großteil der Preissteigerungen beruht auf der umfang-
                        reichen Neubautätigkeit und wirkt v.a. im Eigentums-
                        segment. Die sehr hohen Qualität der Neubauprojekte führt
                        zu einer städtebaulichen Aufwertung und sozialen Mischung
                        der Quartiere, sie bringen urbane, moderne Wohnqualitäten
                        in die monostrukturieren Nachkriegsquartiere und sind eine
                        Bereicherung für die städtebauliche Vielfalt. Trotz des höhe-
                        ren Preisniveaus ist der Neubau daher insgesamt als positiv     Förderkonditionen für Mietwohnungen in Niedersachsen
                        für die Wohnstandortentwicklung von Wolfsburg zu bewer-
                        ten.                                                            Das Land Niedersachsen legt regelmäßig Förderprogramme
                                                                                        für den Wohnungsbau auf. Bis vor einigen Jahren spielte der
                        Der sukzessive Abbau von Wohnungsleerstand sowie stei-          geförderte Mietwohnungsbau in Wolfsburg nur eine unter-
                        gende Wartezeiten für Grundstücke und Mietwohnungen             geordnete Rolle, da auf einen ausgewogenen Wohnungs-
                        deuten auf drohende Wohnungsmarktengpässe hin. Die              markt mit einem umfangreichen Bestand an günstigen Miet-
                        steigenden Preise für Wohneigentum und auf dem Grund-           wohnungen zurückgegriffen werden konnte. 2014 wurde die
                        stücksmarkt sind jedoch nicht unbedingt Ausdruck einer          Landesförderung für allgemeinen Mietwohnungsbau an-
                        Knappheit, sondern werden auch durch das niedrige Zins-         gepasst und seitdem mehrfach verbessert. Aktuell gibt es in
                        niveau getragen. Aktuell lassen sich mit demselben Ein-         Niedersachsen zwei Förderwege mit unterschiedlichen Ein-
                        kommen deutlich höhere Kredite als früher finanzieren – die     kommens- und Mietobergrenzen sowie Förderkonditionen.
                        persönlichen Belastungen werden dadurch nicht höher,            Beim 1. Förderweg (Wohnungen für Haushalte mit geringem
                        allerdings steigt das Risiko für die Zukunft.                   Einkommen) darf die Kaltmiete maximal 5,60 €/qm be-
                                                                                        tragen, beim 2. Förderweg (mittlere Einkommen) liegt die
                                                                                        Mietobergrenze bei 7 €/qm.

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Beispielrechnungen:
Förderbetrag je nach
Gesamtkosten
Mietwohnungen im
1. und 2. Förderweg

                                                                                        Einkommensgrenzen für Wohnberechtigungsscheine

                        Seit 2017 wird im 1. Förderweg zusätzlich zu den Darlehen       Seit 2012 sind in Wolfsburg rund 560 Wohnungen aus den
                        ein Tilgungsnachlass von 15 % gewährt – allerdings erst         Sozialbindungen herausgefallen und knapp 200 Wohnungen
                        zum Ende der Darlehenslaufzeit, was von den Wohnungs-           wurden mit Hilfe von Landesfördermitteln neu errichtet – der
                        unternehmen als problematisch kommuniziert wurde. Die           Wohnungsbestand mit Mietpreis- und Belegungsbindungen
                        Förderhöhe richtet sich nach den Gesamtkosten inkl. Grund-      hat sich dadurch in nur fünf Jahren von ca. 2.000 auf ca.
                        stückskosten, technischer Ausstattung und Bauneben-             1.600 Wohnungen reduziert. In den nächsten 5 Jahren wer-
                        kosten. Die Tabelle zeigt beispielhaft die Förderhöhe für den   den die Bindungen von ca. weiteren 1.000 Wohnungen aus-
                        1 Förderweg (75 % bzw. 85 % in Einzelfällen zzgl. 15 % Til-     laufen; dem gegenüber stehen ca. 600 Wohnungen, die v.a.
                        gungsnachlass) und den 2. Förderweg (45 % der Gesamt-           in den großen Neubaugebieten wie Hellwinkel Terrassen
                        kosten). Die förderfähigen Gesamtkosten sind bei                oder Sonnenkamp, aber auch in kleineren Investorenpro-
                        2.900€/qm gedeckelt, d.h. der maximale Förderbetrag             jekten mit Hilfe von Landesfördermitteln neu gebaut werden.
                        beträgt 2.465 €/qm.                                             Im Jahr 2022 wird es in Wolfsburg voraussichtlich 1.200
                        Wohnberechtigt sind Haushalte, die unter die Einkommens-        sozialgebundene Wohnungen geben. Die Stadt hofft, dass
                        grenzen fallen, die im Niedersächsischen Wohnraumförde-         mit dem neuen Landesprogramm der geförderte Woh-
                        rungsgesetz (NWoFG) festgelegt sind. Diese richten sich         nungsneubau in Wolfsburg noch weiter intensiviert wird – die
                        nach Förderweg und Haushaltsgröße. Bei dem anrechenba-          Nachfrage wächst, dass zeigt auch die deutlich gestiegene
                        ren Einkommen werden die Sozialausgaben von dem Brut-           Zahl der Haushalte mit Wohnberechtigungsscheinen.
                        toeinkommen abgezogen. Die Beispielrechnung zeigt, dass
                        breite Bevölkerungsschichten berechtigt sind, geförderte
                        Wohnungen zu mieten: Die Einkommensgrenze für eine Fa-
                        milie mit zwei Kindern liegt beim 2. Förderweg bei einem
                        Bruttoeinkommen von 81.000 €.

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Der Großteil der geförderten Wohnungsbestände liegt zur-
                                                                           zeit in Vorsfelde (317 WE), Westhagen (296 WE), Stadtmitte
                                                                           (292 WE), Neuhaus/ Reislingen (222 WE) und Nordstadt
                                                                           (178 WE).
                                                                           Ein Antrag auf Wohnungsbauförderung läuft grundsätzlich
                                                                           über die Stadt Wolfsburg, die die Funktion der Wohnraum-
                                                                           förderstelle übernimmt. Der Antrag wird an das Land weiter-
                                                                           gereicht, wenn er den städtischen Zielen entspricht. Die
                                                                           Stadt kann damit Einfluss auf Umfang, Wohnungszuschnitt,
                                                                           Lage und Ausstattung der geförderten Wohnungen nehmen
                                                                           und z.B. aktiv den Wohnungsmix im Quartier steuern.
                                                                           Die Hauptakteure des geförderten Wohnungsbaus in Wolfs-
                                                                           burg sind die städtische Wohnungsbaugesellschaft Neuland
                                                                           und die Genossenschaft Allertal mit insgesamt ca. 1.300
                                                                           WE; die restlichen 300 Wohnungen sind größtenteils im
                                                                           Besitz der Sahle Wohnbau und der Diakonie.

                                                                                                                        Anbieter von Wohnraum
                                                                                                                        mit Belegungsbindungen
                                                                                                                        in Wolfsburg
                                                                                                                        Stand Dez. 2017

Wohnungen in der Belegungsbindung in Wolfsburg – Status Quo und Prognose

 BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25.4.2018                            10
BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG - DIE ZUKUNFT DES WOHNENS IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25. APRIL 2018
Instrumente und Zielgruppen sozialer Wohnungspolitik
                                     Kernzielgruppe der sozialen Wohnungspolitik sind Haus-
                                     halte, die Transferleistungen nach SGB II bekommen
                                     (z.B. Hartz-IV-Empfänger) und damit Anspruch auf die Über-
                                     nahme der Kosten der Unterkunft (KdU) haben. Die Zahl der
                                     Bedarfsgemeinschaften mit Anspruch auf KdU in Wolfsburg
                                     war seit 2006 rückläufig, stieg aber seit 2016 wieder etwas
                                     an. Die Unterkunfts-Leistungen der Stadt haben zugenom-
                                     men und lagen 2017 ohne Nebenkosten bei ca. 1,4 Mio. €.

                                                                                                            Anerkannte Unterkunftskosten im Städtevergleich

                                                                                                            Im Durchschnitt liegen die anerkannten Unterkunftskosten
                                                                                                            (Kaltmiete) bei 6,51 €/qm und sind seit 2015 um 14,6 %
                                                                                                            gestiegen. Im Städtevergleich liegen die KdU-Leistungen in
                                                                                                            Wolfsburg an zweiter Stelle hinter Münster (6,98 €/qm) –
                                                                                                            trotz seines im Vergleich sehr geringen Mietniveaus. Dies ist
                                                                                                            darauf zurückzuführen, dass es in Wolfsburg anders als in
                                                                                                            den meisten Städten keine fixierte Obergrenze für KdU-
                                                                                                            Leistungen gibt, sondern die Übernahme für jeden Einzelfall
                                                                                                            abgewogen und bewilligt wird.

Leistungsempfänger nach SGB II in Wolfsburg 2005 bis 2017
Bedarfsgemeinschaften mit Anspruch auf Übernahme der KdU und jährliche KdU-Leistungen der Stadt Wolfsburg

BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25.4.2018                                                                   11
Trotz des Rückgangs der geförderten Wohnungen sind bis-                   arbeiterische Unterstützung vermittelt. Angesichts der stark
                                    lang in Wolfsburg noch keine gravierenden Versorgungs-                    rückläufigen bundesweiten Zuwanderungszahlen lässt sich
                                    probleme bei Transferleistungsempfängern zu erkennen –                    daraus in Wolfsburg aktuell kein größerer Handlungsbedarf
                                    insbesondere deshalb, weil viele Bestandswohnungen auch                   bei der Wohnraumversorgung abzeichnen.
                                    ohne Mietpreis- und Belegungsbindungen zu bezahlbaren
                                    Preisen an diese Haushalte vermietet werden.
                                                                                                              Für Wohnungsnotfälle bietet die Stadt Wolfsburg ein um-
                                                                                                              fassendes präventives Angebot zur Verhinderung von Ob-
                                    Anspruch auf SGB II und KdU haben auch Flüchtlinge,                       dachlosigkeit. Ziel der städtischen Stelle ist es, verschuldete
                                    deren Asylbescheid positiv beschieden wurde. Ein Großteil                 Haushalt durch Unterstützung zu befähigen, die Mietrück-
Flüchtlinge 2015 bis 2017
                                    dieser Menschen kann in Wolfsburg mittlerweile auf dem                    stände auszugleichen und dadurch die Haushalte in den
in Deutschland                      freien Wohnungsmarkt untergebracht werden. Wichtige                       Wohnungen zu halten und auf diesem Weg Wohnungslosig-
Quelle: Bundesamt für               Kooperationspartner sind die großen lokalen Wohnungs-                     keit vorzubeugen. Jährlich werden ca. 400 Haushalte be-
Migration und Flüchtlinge           unternehmen. Im Einzelfall wird bei Bedarf ambulante sozial-              treut, die von Obdachlosigkeit bedroht sind; 2017 mussten
                                                                                                              nur vier Personen in einer Obdachlosenunterkunft unter-
                                                                                                              gebracht werden. Auch hier ist die Basis eine gut funktio-
                                                                                                              nierende Kooperation mit den lokalen Wohnungsunter-
                                                                                                              nehmen. Besondere Bedarfe haben Personen mit psychi-
                                                                                                              schen Erkrankungen, die z.T. nicht alleine wohnen können.
                                                                                                              Hier gibt es in Wolfsburg zwar gute, dezentrale Angebote mit
                                                                                                              psychologischer Betreuung, die jedoch nicht für die
                                                                                                              wachsenden Bedarfe ausreichen.

                                                                                                              Für Studierende und Auszubildende gibt es in Wolfsburg,
                                                                                                              das keine etablierte Studentenstadt ist, nur wenige spe-
                                                                                                              zialisierte Angebote. Auch auf dem freien Wohnungsmarkt
                                                                                                              gibt es nur wenige Kleinstwohnungen und die Konkurrenz in
                                                                                                              diesem Marktsegment ist u.a. aufgrund der großen Gruppe
                                                                                                              der VW-Azubis und multilokalen VW-Mitarbeiter sehr hoch.
                                                                                                              Für diese Zielgruppe werden daher Versorgungsengpässe
                                                                                                              konstatiert.

* Bis Juni 2015 liegen keine monatsgenauen Auswertungen aus dem EASY-System vor. Die vorliegenden Quartals-
werte für das erste und zweite Quartal 2015 wurden für diese Abbildung modellhaft auf die Monate verteilt.

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Für pflegebedürftige Personen besteht Bedarf an klein-         Der tabellarische Überblick zeigt, dass Wolfsburg bereits
                               räumig verfügbaren, barrierearmen Wohnungen in den             eine Vielzahl von Instrumenten sozialer Wohnungspolitik
                               Quartieren. Die Kapazitäten von Pflegeeinrichtungen sind       anwendet, von der breiten Stärkung geförderter Wohnungs-
                               ausgeschöpft, zudem entspricht diese Wohnform nicht dem        bauvorhaben bis hin zu Angeboten für besondere Ziel-
                               Wunsch der meisten Menschen für ein Wohnen im Alter und        gruppen. Bislang nicht genutzt wird die Möglichkeit fester
                               bei Pflegebedürftigkeit. Bevorzugtes Wohn- und Versor-         Bewirtschaftungsvereinbarungen, um die gute Kooperation
                               gungsumfeld ist die eigene Wohnung in der angestammten         zu den Wohnungsunternehmen, die bislang eher auf infor-
                               Nachbarschaft. Dies entspricht auch der wohnungspoli-          meller Basis läuft, zu verstetigen und die Rechte der Stadt
                               tischen Zielsetzung, in Zukunft flexible Angebote für ein      zu stärken. Viele Städte stehen bei diesem Thema noch am
                               selbstständiges Leben mit sozialer Teilhabe im Quartier ver-   Anfang – ein gutes Beispiel liefert hier die Stadt Potsdam,
                               stärkt zu fördern. Entsprechende Quartierskonzepte werden      die einen Kooperationsvertrag mit ihrer eigenen Wohnungs-
                               derzeit in Wolfsburg vorbereitet.                              baugesellschaft abgeschlossen hat.

Instrumente einer sozialen
Wohnraumpolitik in Wolfsburg

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Resümee und Empfehlungen                                       Quoten und Investorenauswahlverfahren umzusetzen. In
                        Zusammenfassend ist in der letzten Dekade zwar eine            den Bestandsquartieren sollten dagegen Standorte und
                        Verengung des Wolfsburger Wohnungsmarktes zu beobach-          Konditionen für geförderten Neubau aus dem lokalen Kon-
                        ten, zu einer hohen Nachfrage nach Wohnraum und einem          text heraus bestimmt und im Einzelnen mit den Investoren
                        hohen Neubaubedarf geführt hat. Bislang hat dies jedoch        vereinbart werden. Dabei können kooperativ auch fehlende
                        nicht zu gravierenden Problemen in der sozialen Wohnraum-      Versorgungsstrukturen und Treffpunkte etabliert werden.
                        versorgung geführt. Preissteigerungen sind teilweise durch     Basis ist eine qualifizierte Datenbasis und ein zielführendes
                        den vermehrten Wohnungsneubau zu erklären, der im Rah-         Monitoring. In Zusammenfassung der Analyse und der
                        men der Wohnbauoffensive von der Stadt aktiv gefördert         Gespräche mit den Mitarbeitern der Verwaltung wird im
                        wird und neben der Marktentlastung auch positive qualitative   Einzelnen empfohlen:
                        Effekte für den Wohnstandort bringt. Wolfsburg ist geprägt     - Bei Investorenauswahlverfahren (IAV)/ Konzeptvergaben
                        durch einen umfangreichen, preisgünstigen Mietwohnungs-           und größeren Planungsvorhaben insbesondere preis-
                        bestand aus den 1950 bis 1970er Jahren, der überwiegen            günstige Wohnungen für große Familien sowie
                        im Besitz der großen lokalen Wohnungsunternehmen ist.             Kleinstwohnungen für junge Haushalte (Studenten,
                        Zudem setzt die Stadt bereits ein breites Instrumenten-           Azubis) einfordern
                        bündel für eine soziale Wohnungspolitik ein.
                                                                                       -   Anpassung der Wohnungsbestände an den demogra-
                        Ist zur Sicherung einer sozialen Wohnraumversorgung eine           phischen Wandel/ Quartierskonzepte (in Arbeit): Quar-
                        umfassende und konsequente Neubautätigkeit im sozialen             tiere durch geeignete Wohnungen ergänzen, Nach-
                        Wohnungsbau erforderlich? Angesichts steigender Preise             barschaften und Selbsthilfe stärken (Quartiersmanage-
                        und abschmelzender Sozialwohnungsbestände stehen der-              ment), flexible Unterstützungsleistungen in Kooperation
                        zeit viele deutsche Städte vor dieser Frage und versuchen          von Wohnungswirtschaft und Wohlfahrtsverbänden
                        den negativen Entwicklungen mit Baulandmodellen, Förder-
                        quoten, Kooperationsvereinbarungen u.v.m. zu begegnen.         -   Fortsetzung/ Ausbau eines Wohnungsmarktmonito-
                        Wolfsburg ist in der besonderen Lage, einen Großteil der           rings auf Stadtteilebene: Erfassung Unterbringungspro-
                        Baugrundstücke zu besitzen, so dass städtische Zielsetzun-         bleme inkl. KdU, Entwicklung Mieten/ Leerstand, Struktur
                        gen ohne Baulandmodell und feste Quoten im Rahmen von              des Wohnungsangebots, soziale Zusammensetzung
                        Konzeptvergaben umgesetzt und dabei standortbezogen            -   Punktuelle Nachsteuerung des Wohnungsangebotes:
                        und individuell festgelegt werden können. Neben der Woh-           Förderquoten im Einzelfall festlegen (IAV/ städtebauliche
                        nungsversorgung muss zudem die soziale Mischung im                 Verträge), Kooperationsvereinbarungen mit der Woh-
                        Quartier gewährleistet werden, um den gesellschaftlichen           nungswirtschaft und ggf. Einzeleigentümern
                        Zusammenhalt zu stärken.
                        Für die soziale Wohnungspolitik in Wolfsburg wird empfoh-
                        len, in den großen Neubauquartieren weiterhin einen be-
                        stimmten Anteil geförderter Wohnungen mit Hilfe von

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Diskussion                                                      Rolle für die soziale Mischung in den Quartieren, als Mittel
                        Diskutiert wird, welchen Umfang und welche Aufgabe der          gegen die Isolation einzelner Bevölkerungsgruppen und den
                        geförderte Wohnungsbau in Wolfsburg in Zukunft haben            gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt. Der Förder-
                        sollte und welche ergänzenden Instrumente für eine soziale      bedarf sollte daher nicht an Quoten festgemacht, sondern
                        Wohnraumversorgung sinnvoll sind.                               zielgerichtet für die einzelnen Quartiere bestimmt werden.
                                                                                        Kai-Uwe Hirschheide und OB Klaus Mohrs unterstützen den
                        Bedarf an geförderten Wohnungsbau in Wolfsburg                  Ansatz einer differenzierten Betrachtung einzelner Quartiere.
                        Wie kann der Neubaubedarf geförderter Wohnungen in              Die Stadt verfolgt schon lange die Philosophie der sozialen
                        Wolfsburg quantifiziert werden? In vier Jahren wird es in       Mischung im Quartier. So ist z.B. das Neubauquartier Hell-
                        Wolfsburg voraussichtlich noch 1.200 gebundene Wohnun-          winkel bewusst mit einer Mischung geförderter Mietwoh-
                        gen geben, wie viele Haushalte werden dann anspruchs-           nungen und hochpreisiger Wohnangebote konzeptioniert.
                        berechtigt sein?                                                Mit Hilfe der Daten der Wohnungsunternehmen konnte
                                                                                        gezeigt werden, dass der Wolfsburger Wohnungsmarkt
                        Der genaue Bedarf an geförderten Wohnungen lässt sich           entgegen der Pressemeldungen keineswegs von unzumut-
                        nicht ohne weiteres beziffern, wie Bernhard Faller erläutert,   baren Mietpreissteigerungen dominiert wird. Es gibt jedoch
                        und wird in vielen Städten sehr kontrovers diskutiert. Das
                                                                                        insgesamt zu wenige Wohnungen in Wolfsburg.
                        deutsche Fördersystem beruht als Kind der Nachkriegszeit
                        auf der Annahme einer „nivellierten Mittelstandsgesell-         Hans-Dieter Brand ergänzt, dass die Neuland im letzten
                        schaft“. Geförderter Wohnungsbau wurde damals als Typus         Jahr 1.200 Bestandswohnungen zu durchschnittlich
                        für breite Mittelschichten entwickelt – die Versorgung von      6,30 €/qm wiedervermietet hat. Der Gesamtbestand liegt im
                        Arbeitslosen, Geringverdienern und Wohnungsnotfällen            Mittel bei 5,75 €/qm, das ist knapp über der Fördermiete im
                        stand nicht im Mittelpunkt. Bis heute zielt die Wohnbau-        1. Förderweg. Für den Unterhalt der Bestände sieht er keine
                        förderung auf eine Mischung der Einkommensgruppen und           Probleme durch das geringe Mietniveau. Höherwertige Qua-
                        Miethöhen, dies ist auch Teil des Anreizsystems für Investo-    litäten können auf diesem Niveau jedoch nicht geschaffen
                        ren. In den meisten Städten haben mittlerweile die Hälfte der   werden. Angesichts dieses sehr geringen Bestandsmiet-
                        Haushalte Anspruch auf eine geförderte Wohnung. Alle            niveaus sieht Ulrich Sörgel für VWI keinen Bedarf an Sozial-
                        Berechtigten in geförderten Wohnungen unterzubringen ist        wohnungen – wohl aber an hochwertigem Neubau mit
                        nicht nur illusorisch, sondern auch nicht erforderlich: Viele   neuen Qualitäten.
                        nicht gebundene Wohnungen bewegen sich innerhalb der
                        Fördermieten, v.a. ältere Bestände sind oft günstiger als       Rolle des frei finanzierten Wohnungsneubaus für die
                        geförderter Neubau. Dies gilt insbesondere für Wolfsburg mit    soziale Wohnraumversorgung
                        seinem vergleichsweise geringen Mietniveau; auch sind           Prof. Elke Pahl-Weber verweist auf Unter-
                        Haushalte mit einem besonderen Unterstützungsbedarf in          suchungen der Landessparkasse NRW
                        Wolfsburg gut versorgt. Über die Versorgung hinaus spielt       und empirica zu Sickereffekten von Neu-
                        der geförderte Wohnungsbau in Wolfsburg eine wichtige           bauten: Anhand konkreter Beispiele konn-

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te gezeigt werden, dass selbst hochpreisige Neubauten           beiträgt. Es sollten daher weiterhin Angebote im gesamten
                        auch das untere Wohnungsmarktsegment entlasten, Preis-          Wohnungsmarktspektrum gefördert werden.
                        steigerungen dämpfen und Wohnungen für Haushalte mit
                        geringem Einkommen frei machen. Hierfür ist jedoch eine         Rentabilität geförderten Wohnungsbaus in Wolfsburg
                        ausreichende Fluktuationsreserve erforderlich, die in Wolfs-    Es wird darauf hingewiesen, dass Renditeverluste im geför-
                        burg mit einer Leerstandsquote von unter 1 % bei weitem         derten Wohnungsbau von Investoren oft über Aufschläge im
                        nicht gegeben ist. Vor diesem Hintergrund hat Neubau auch       frei finanzierten Neubau kompensiert werden. Haushalte mit
                        eine wichtige quantitative Funktion für den Wohnungsmarkt       mittleren Einkommen, die nicht sozialwohnungsberechtigt
                        in Wolfsburg, im frei finanzierten wie auch im geförderten      sind, finden deshalb in vielen Neubauquartieren keinen
                        Segment.                                                        bezahlbaren Wohnraum mehr. Die angestrebte soziale Mi-
                        Die Wirkung von Sickerketten wird auch von Hans-Dieter          schung im Quartier wird dadurch unterlaufen.
                        Brand bestätigt. Im Goethepark konnte die Neuland 68            Bernhard Faller erläutert, dass in einer Modellrechnung ge-
                        Neubauwohnungen mit einer Kaltmiete von 11 €/qm sehr gut        zeigt wurde, dass in Wolfsburg im 1. Förderweg mit Til-
                        vermieten. Eingezogen sind jedoch nicht wie geplant externe     gungszuschuss und preisreduzierten städtischen Grund-
                        VW-Führungskräfte, sondern v.a. Haushalte aus dem direk-        stücken eine positive Rendite erzielt werden kann. Die Ren-
                        ten Umfeld. Für eine zeitgemäße Wohnung im angestamm-           dite des geförderten Wohnungsbaus liegt jedoch auch in
                        ten Quartier, wurde eine Verdreifachung der Miete in Kauf       Wolfsburg unterhalb des freifinanzierten Wohnungsbaus. Es
                        genommen. Durch den Umzug wurden schließlich Bestands-          wird vereinbart, dass Quaestio dem Bündnis das Modell zur
                        wohnungen mit Mieten um die 5 €/qm frei, die auch für           Verfügung stellt.
                        Haushalte mit geringen Einkommen bezahlbar sind.
                        Für Ulrich Sörgel sind die nachgefragten neuen Wohn-            Baulandbereitstellung für Eigenheime im Umland
                        qualitäten weder im Bestand noch im geförderten Woh-            Für Prof. Elke Pahl-Weber gehört zur sozialen Wohnraum-
                        nungsbau zu erreichen sind, hierfür ist hochwertiger Neubau     versorgung auch die Bezahlbarkeit von Eigenheimen, hier
                        erforderlich. In Folge der enormen Baukostensteigerungen        spielt der Grundstücksmarkt eine zentrale Rolle. Die für
                        lassen sich niedrige qm-Preise im Neubau jedoch kaum            Wolfsburg konstatierte Umlandwanderung ist seit ca. zehn
                        noch realisieren. Zeitgemäße Wohnqualitäten bei bezahl-         Jahren auch in anderen Städten ein unterschätztes Phäno-
                        baren Wohnkosten können seiner Ansicht nach nur noch            men. Gerade in den wachsenden Städten mit hohem Markt-
                        über eine Reduzierung der Wohnungsgrößen erreicht wer-          druck wandern v.a. junge Familien für die Eigentumsbildung
                        den, wie sie VWI bereits mit Kleinstwohnungen und Mikro-        ins Umland. Dies zeigt sich in der demografischen Entwick-
                        appartements realisiert.                                        lung dieser Städte, in denen die Altersgruppe der 30- bis 50-
                        Für Prof. Elke Pahl-Weber zeigen die Beispiele, dass der frei   Jährigen abnimmt. Gleichzeitig ziehen v.a.
                        finanzierte Wohnungsneubau eine wichtige Rolle für die          junge Menschen aus dem europäischen
                        Wohnstandort- und Quartiersentwicklung in Wolfsburg hat         Ausland in die Städte, in Wolfsburg spie-
                        und letztlich auch zu einer sozialen Wohnraumversorgung         len zudem Multilokale eine wichtige Rolle.

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Diese erneute Suburbanisierung, die längst überwunden          wicklung überschätzt. Seiner Erfahrung nach handeln
                        geglaubt war, stellt die Städte vor große Herausforderungen.   gerade die traditionellen Genossenschaften sehr bestands-
                        OB Mohrs ist der Ansicht, dass Wolfsburg die weiterhin hohe    und mitgliederorientiert. Oft findet eine Konzentration auf
                        Nachfrage nach Eigenheimgrundstücke keinesfalls komplett       größere Bestände statt. Zentrales Interesse der Genossen-
                        auf seinem Stadtgebiet decken kann. Aufgrund der guten Er-     schaften ist der soziale Zusammenhalt in den Nachbar-
                        reichbarkeit des Umlandes wird sich ein Eigenheim-Speck-       schaften. Neben Baugenossenschaften bieten auch Bau-
                        gürtel in den Dörfern um Wolfsburg nicht verhindern lassen.    gruppen eine neue Form des Eigentums, sie umfassen
                        Dies ist seiner Meinung nach auch gar nicht das Ziel; viel-    jedoch bislang nur ein sehr kleines Marktsegment.
                        mehr sollte sich Wolfsburg auf den urbanen Geschosswoh-        Prof. Elke Pahl-Weber berichtet von dem Wiener Genos-
                        nungsbau konzentrieren – und dabei auch hochwertige            senschaftsmodell, das eine lange Tradition hat. Ein Großteil
                        Angebote realisieren, um Haushalte mit hohem Einkommen         der günstigen Wohnungen in Wien ist im Besitz von
                        in der Stadt zu halten. Damit Wolfsburg nicht nur die Lasten   Genossenschaften. Der Anteil den man als Mieter beim
                        der Umlandwanderung trägt (steigende Infrastrukturkosten       Einzug kaufen muss, liegt bei ca. 20.000 € – beim Auszug
                        bei sinkenden Steuereinkommen), sondern auch von ihr pro-      bekommt man ihn verzinst zurückgezahlt. Auch Hamburger
                        fitiert, wäre aus seiner Sicht eine Gebietsreform dringend     Genossenschaften sind aktuell sehr aktiv im Neubau tätig.
                        erforderlich.                                                  Die Wohnungen sind für Hamburg günstig, liegen jedoch
                        Aus dem Bündnis wird ergänzt, dass auch ohne schwierig         immer noch über dem in Wolfsburg üblichen Niveau.
                        umzusetzende Gebietsreform Wohnbauland gemeinsam mit           Herr Backhausen bestätigt, dass auch die
                        den Nachbargemeinden entwickelt werden muss. Stadt-            Allertal Mitgliederorientiert ist: sie hat den
                        wachstum und Grundstücksvergabe sollten in einem regio-        klaren Förderauftrag, freie Wohnungen
                        nalen Konzept koordiniert werden – auch unter dem Aspekt       zuerst Mitglieder anzubieten, wobei lang-
                        der Bezahlbarkeit von Wohnen und Wohneigentumsbildung.         jährige Mitglieder bevorzugt werden.
                                                                                       Selbstverständlich will die Allertal auch
                        Genossenschaften und Baugruppen als Anbieter                   neue Mitglieder gewinnen: Ein Neumitglied
                        bezahlbaren Wohnraums                                          hat i.d.R. eine Wartezeit von drei Monaten
                        Gute Potenziale zur Schaffung günstigen Wohnraums bieten       für eine Wohnung. Die Bestandsmieten
                        auch gemeinschaftliche Eigentumsformen wie z.B. das ge-        liegen bei 5,71 €/qm, bei Wiedervermie-
                        nossenschaftliche Bauen. In Berlin gibt es viele gute Bei-     tung werden 6,71 €/qm aufgerufen. Die
                        spielprojekte, die sich über neue Eigentümerstrukturen von     Allertal ist auch im Neubau tätig und auf
                        den Preissteigerungen abkoppeln und zudem eine klein-          der Suche nach Grundstücken. Ziel ist
                        teilige soziale Mischung in den Nachbarschaften fördern.       eine Neubaumiete unter 10 €/qm. Aktuell
                        Wie groß ist das Potenzial in Wolfsburg?                       baut die Allertal fünf Einfamilienhäuser in
                                                                                       diesem Preissegment.
                        Nach Ansicht von Herrn Faller wird in vielen Städten das
                        Potenzial von Genossenschaften für die Wohnstandortent-

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Kooperationsvereinbarungen                                     Prof. Elke Pahl-Weber bedankt sich für die interessante Dis-
                        Ergänzend zum geförderten Neubau kann mit Bewirtschaft-        kussion der Ergebnisse des Quaestio-Gutachtens, dessen
                        ungsvereinbarungen das Angebot an kostengünstigen Woh-         Einschätzung vom Bündnis geteilt wird.
                        nungen gesichert werden. Sehr gute Potenziale werden hier      Aus der Diskussion haben sich folgende Themen für die
                        in Zusammenarbeit mit den großen lokalen Wohnungs-             weitere Bündnisarbeit herauskristallisiert:
                        unternehmen gesehen, mit denen bereits eine gute Zusam-        - Kooperationsvereinbarungen zwischen Stadt und Woh-
                        menarbeit besteht. Da die Stadt Wolfsburg bislang keine           nungsunternehmen, Beispiele anderer Städte
                        Erfahrung mit Kooperationsverträgen hat, wird vorgeschla-
                                                                                       - Quartiersbezogenes Monitoring anhand räumlich aus-
                        gen, Beispiele aus anderen Städten heranzuziehen. Koope-
                                                                                          gewerteter Sozial- und Wohnungsdaten der Stadt
                        rationsverträge können flexibel mit den Unternehmen ver-
                        einbart werden und auf diese Weise bedarfsgerecht Verein-      - Mietwohnungsbestände in Wolfsburg: Qualitäten und
                        barungen getroffen werden, die die soziale Wohnraum-              Aufwertungsbedarfe
                        versorgung in Wolfsburg stärkt.

                        Quartiersbezogenes Monitoring
                        Ulrich Sörgel hält das empfohlene lokale Monitoring für sehr
                        hilfreich, um je nach Entwicklung der Sozialstrukturen in
                        einem Quartier dort passgenaue Projekte zu entwickeln. Bei
                        den Wohnungsbauunternehmen liegen viele Sozial- und
                        Wohnungsdaten vor, mit denen ein Monitoring unterstützt
                        werden kann.
                        Ralf Sygusch verweist auf die Onlinedatenbank der Stadt
                        Wolfsburg, in der eine Vielzahl quartiersbezogener Indi-
                        katoren abgerufen und räumlich dargestellt werden können.

BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25.4.2018                                          18
WETTBEWERB ZUKUNFTSSTADT
                       ViwoWolfsburg2030+ PROF. ELKE PAHL-WEBER (TU BERLIN) UND RALF SYGUSCH (STADT WOFLSBURG)
                         Prof. Elke Pahl-Weber unterstützt mit der TU Berlin die Teil-   Digital und vernetzt in die Zukunft
                         nahme der Stadt Wolfsburg am Wettbewerb Zukunftsstadt           Die TU Berlin hat sich anhand von Literatur- und Desktop-
                         mit dem Projekt „ViWoWolfsburg2030+: digital und                recherche mit der Frage beschäftigt, was Digitalisierung für
                         vernetzt in die Zukunft“. An der TU Berlin wird das Projekt     die Stadtentwicklung bedeutet und wie diese konkret in
                         von Paula Hentschel betreut; Ansprechpartner bei der Stadt      Wolfsburg umgesetzt werden kann.
                         Wolfsburg sind Vera Ptacek und André Nissen vom Referat
                                                                                         Prof. Bieber sieht in seiner Expertise für den WBGU in der
                         für Strategische Planung, Stadtentwicklung und Statistik.
                                                                                         Digitalisierung große Chancen für die Entwicklung neuer
                                                                                         nachhaltiger Stadtentwicklungsstrategien, z.B. mit neuen
                         Wettbewerb Zukunftsstadt
Visionen zum Wohnen                                                                      Konzepten der Nachverdichtung oder ressourcensparenden
in Wolfsburg 2030+:      Der Wettbewerb Zukunftsstadt wurde von mehreren raum-           energieeffizienten Systemen.2 Angesichts der Herausforde-
Digital und vernetzt     bezogenen Bundesministerien initiiert und wird vom Bundes-
in die Zukunft                                                                           rungen des Klimawandels und der gesellschaftlichen Trans-
                         ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vergeben.          formation ist auch eine Transformation der Städte
www.wolfsburg.de/
zukunftsstadt
                         Die Nationale Plattform Zukunftsstadt bietet Experten die       erforderlich. Voraussetzung ist der Erhalt der natürlichen
                         Möglichkeit, in verschiedenen Forschungsfeldern einer           Lebensgrundlagen, die politische und wirtschaftliche Teil-
                         nachhaltigen Stadtentwicklung zusammenzuarbeiten. Der           habe der Menschen und die Wahrung der Eigenart der
                         Wettbewerb Zukunftsstadt ist untergliedert in drei Phasen.      Städte. Die Einbeziehung digitaler Möglichkeiten und
                         Nach einer erfolgreichen ersten Phase wurde Wolfsburg           smarter Lösungen kann dies unterstützen. Smart Cities
                         zusammen mit 22 weiteren Kommunen für die zweite Phase          können „Treiber von Stadt- und Standortentwicklung“ sein,
                         ausgewählt, die Ende Juni 2018 endet.                           indem sie „Märkte für Start-Ups, die Kreativ- und Tech-
                         In Phase 1 wurden Visionen für die fünf Handlungsfelder         nologiewirtschaft eröffnen“.
                         Wohnvielfalt, Mobilität, Energie, Quartiersqualitäten und       Die Smart City Charta des BBSR3 formuliert Leitlinien für
                         Freiraum entwickelt.                                            eine nachhaltige Gestaltung der digitalen Transformation
                         Für Phase 2 betrachtet Wolfsburg die Handlungsfelder aus        von Kommunen, die auch in das Projekt ViWoWolfsburg
                         dem Blickwinkel digitaler und smarter Lösungsansätze, wel-      2030+ einfließen. Townsend4 verweist auf die Risiken der
                         cher mit der Digitalisierungsoffensive der Stadt in Koope-      Digitalisierung für Datenschutz und Sicherheit digital
                         ration mit VW einhergeht. Es wird herausgearbeitet, was
                         dieses Thema für die drei Handlungsfelder Energie, Mobilität    2
                                                                                             „Digitalisierung und die Smart City. Ressource und
                         und Wohnen bedeutet. Hierzu werden konkrete Projekte                Barriere transformativer Urbanisierung“, Bieber, C
                         konzeptioniert, mit denen sich Wolfsburg für eine Teilnahme         & Bihr, P., im Auftrag des Wissenschaftlichen Bei-
                         an Phase 3 bewerben könnte.                                         rats der Bundesregierung Globale Umweltverän-
                                                                                             derungen, Berlin 2016
                         In Phase 3 werden ausgewählte Komponenten des Gesamt-           3
                                                                                             „Smart City Charta“, Bundesinstitut für Bau-, Stadt-
                         konzepts in Form von Reallaboren umgesetzt.                         und Raumforschung, Berlin 2017
                                                                                         4
                                                                                             “Big Data, civic hackers, and the question for a new
                                                                                             utopia”, Townsend, Anthony M., Norten, New York/
                                                                                             London 2013

BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25.4.2018                                                        19
gesteuerter Infrastruktur. Ein Algorithmus entstehe derzeit      Urban Design Thinking in Wolfsburg
                        „weitgehend außerhalb demokratisch-legitimierter Strukturen      Um Ideen und konkrete raumbezogene Projekte für digitale
                        und hat dennoch reale Auswirkungen.“ So müssen sich die          und smarte Angebote in der Stadt zu entwickeln, die auf den
                        Städte z.B. mit der Frage beschäftigen, wie sie ihr digital      tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen basieren, wurde
                        gesteuertes Abwassersystem schützen können. Die Charta           in den Workshops die Methode Urban Design Thinking an-
                        fordert: „Die wesentliche Aufgabe einer Smart City muss          gewendet, die von Prof. Elke Pahl-Weber in Zusammen-
                        also darin bestehen, gemeinsam mit den Bewohnern der             arbeit mit Prof. zu Knyphausen-Aufseß an der TU Berlin
                        Stadt eine Smart City Strategie mit Zielen, Grundsätzen und      entwickelt wurde.
                        Maßnahmen zum Datenschutz und Datensicherheit zu
                        verhandeln und sich durch politische Beschlüsse daran zu
                        binden“.
                        Das Thema Smart City wird auch von der Bauabteilung, die
                        jetzt Teil des Bundesinnenministeriums ist weiterverfolgt, ein
                        erstes Treffen dazu hat am 11.4.2018 stattgefunden. Wie
                        gehen die Städte mit dem Thema Digitalisierung und Smart
                        City um? Was sind die konkreten Herausforderungen? Hier
                        wurde ein umfassender Informationsbedarf deutlich. Von der
                        bisher sehr allgemeinen Diskussion muss der Schritt zu           Urban Design Thinking basiert auf dem aus der Produktent-
                        konkreten Projekten gemacht werden.                              wicklung seit den 1990er Jahren bekannten Design Thinking
                        Lösungen zur Smart City müssen für jede Stadt individuell        und wendet dieses auf den städtischen Kontext an. Ein
                        entwickelt werden und im Mittelpunkt müssen die Anwender         wichtiger Erfolgsfaktor liegt darin, auf nutzerzentrierte Pro-
                        der neuen Technologien stehen – diese Erkenntnis hat sich        bleme einzugehen und diese zu versteh-
                        mittlerweile auf allen Ebenen durchgesetzt. Es geht nicht um     en. Voraussetzung ist die Zusammen-
                        das technische Mach- und Vermarktbare, sondern um die            arbeit mit allen Akteuren, von Techni-
                        tatsächlichen Bedarfe. Der Dialog mit den Bewohnern einer        kern, politischen Entscheidern, Investo-
                        Stadt ist daher ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur           ren und Endnutzern. Der Prozess des
                        Transformation der Städte. Hier setzt auch das Förder-           Urban Design Thinking ist nicht linear
                        projekt ViWoWolfsburg2030+ an. In Interviews im Rahmen           sondern iterativ, d.h. die einzelnen Pha-
                        eines Seminars der TU Berlin, Workshops für verschiedene         sen können sich unter dem Einfluss neu
                        Zielgruppen und einer Online-Befragung wurden die Wolfs-         gewonnener Erkenntnisse – z.B. aus
                        burger die gesamte Projektlaufzeit hindurch daran beteiligt,     wissenschaftlicher Recherche, dem
                        gemeinsam Projektideen für das zukünftige Wolfsburg zu           Feedback von Nutzern oder Langzeit-
                        entwickeln. Die Ergebnisse von Workshops und Befragung           Monitoring – wiederholen, um das Er-
                        sind unter www.wolfsburg.de/zukunftsstadt online abrufbar.       gebnis zu optimieren.
                                                                                         Methode des Urban Design Thinking
                                                                                         Iterativer Prozess (oben) und Dimensionen (unten)

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Ein Beispiel zeigt das Vorgehen: Ein stark frequentierter
                           Platz in London sollte neu gestaltet werden, um die hohen
                           Unfallraten zu reduzieren. Um das Nutzerverhalten zu ver-
                           stehen, wurde der Platz für zwei Monate für den Verkehr
                           gesperrt, so dass die Fußgänger frei ihren Weg wählen
                           konnten. Die bevorzugten Wegen wurde vor Ort visualisiert
                           und daraus das neue Platzkonzept entwickelt. Auf tech-
                           nische Lösungen wie z.B. Brücken, Tunnel oder Straßen-
                           sperrungen konnte so verzichtet werden. Damit ist ein an
                           den Bedarfen orientierter Weg gefunden worden, ohne hohe
                           technisch bedingte Investitionen finanzieren zu müssen, die
                           zudem auch noch unterhalten werden müssten.

Bürgerworkshop 9.9.2017

                           Für das Förderprojekt ViWoWolfsburg2030+ wurde Urban
                           Design Thinking mit dem Ziel angewendet, gemeinsam mit
Prototyp aus dem Kinder-   Bürgern und Experten Prototypen für smarte Projekte der
und Jugendworkshop         Zukunftsstadt Wolfsburg zu entwickeln, die dann in der 3.
                           Wettbewerbsphase umgesetzt werden können. Studierende
                           der TU Berlin haben Gespräche mit 220 Bürgern geführt, um
                           die Wünsche und Probleme der Menschen vor Ort zu
                           erfassen und daraus Kernbedarfe in den drei Handlungs-
                           feldern Wohnvielfalt, Mobilität und Energie für Wolfsburg
                           abzuleiten. Die Aufgabe bestand darin, für diese Kern-
                           bedarfe im Rahmen einer Workshop-Reihe mit Bürgern,
Urban Lab #2 14.12.2017
                           Kindern und Fachleuten kreative und zukunftsfähige Lösun-
                           gen zu entwickeln und diese in Form von Prototypen
                           physisch zu bauen, um sie durch die Visualisierung besser
                           erklären und anhand des Feedbacks optimieren zu können.

BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25.4.2018     21
Projektvorschläge für ViWoWolfsburg2030+                       Bedarfe
                        Ralf Sygusch stellt die in der gemeinsamen Workshop-Arbeit     - Wunsch nach bedarfsgerechten Wohnungen
                        entwickelten Projekte vor, mit denen sich Wolfsburg für die      (zentrumsnah, barrierearm, saniert, bezahlbar)
                        3. Phase des Wettbewerbs Zukunftsstadt bewerben könnte.        - Bessere Erreichbarkeit von Nahversorgung
                        Prämisse war die Entwicklung themenfeldübergreifender,           (v.a. für hilfsbedürftige Menschen)
                        vernetzter, nachhaltiger und eigenwirtschaftlich funktionie-   - Flexiblere Wohnungsgrößen, die sich den verändernden
                        render Lösungen. Um die Umsetzbarkeit der Projekte zu ge-        Lebensphasen der Wolfsburger anpassen
                        währleisten, wurden Experten zu den Fachthemen Digitali-
                                                                                       - Wunsch nach Aufbrechen der Anonymität und
                        sierung, Wohnen, Mobilität, Energie und Recht in die Work-
                                                                                         Homogenität der Nachbarschaft (Jung und Alt)
                        shops einbezogen. Mit lokalen Partnern wie den Stadt-
                        werken, der Neuland und der Energieagentur Wolfsburg
                        wurden Chancen erörtert, die Ideen mit bereits vorhandenen     Projektvorschläge
                        Projektansätzen zu verbinden. Ein Workshop, den Volks-
                        wagen und die Stadt Wolfsburg parallel mit ihren Azubis
                        durchgeführt haben, bestätigte die ermittelten Bedarfe und
                        Lösungsansätze auch bei den jungen Berufstätigen. Die
                        öffentliche Resonanz auf die Workshops war leider geringer
                        als erhofft – was auch darauf hinweist, dass bei dem Thema
                        digitale Transformation der Stadt eine breite Betroffenheit
                        erst noch erzeugt werden muss.
                        Die Projektvorschläge sind den drei Themenfeldern Wohn-
                        vielfalt, Mobilität und Energie zugeordnet. Sie gründen auf
                        jeweils formulierten Zukunftsvisionen und berücksichtigen
                        die ermittelten Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger.

                        Themenfeld Wohnvielfalt
                        Zukunftsvision: Wolfsburg vollzieht den nachhaltigen Umbau
                        der Stadt (inkl. Erweiterung und Rückbau) durch die Umset-
                        zung von Maßnahmen in unterschiedlichen Quartiers-Typo-
                        logien und gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Stadt-
                        strukturen von morgen.

BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25.4.2018                                       22
Themenfeld Mobilität                                        Themenfeld Energie
                        Zukunftsvision: Wolfsburg bietet in Zukunft eine multimo-   Zukunftsvision:
                        dale, klimafreundliche und gesunde Mobilität.               Klimaschutz durch Kompetenz, Qualität und Innovation.

                        Bedarfe                                                     Bedarfe:
                        - Übergreifendes Thema: Multimodalität                      Beratungs- und praktische Informationsbedarfe zu
                        - Nachhaltige Organisation des motorisierten                - Energiekreisläufen in Wolfsburg
                          Individualverkehrs, attraktive Ergänzungen des ÖPNV       - Produktion alternativer Energien/ Speicher- und
                          und des nicht motorisierten Individualverkehrs               Netzkapazitäten in Wolfsburg
                        - Wunsch nach einfachem, komfortablen Wechsel               - Persönliche Einflussnahme, v.a. wie Energie eingespart
                          zwischen den Fortbewegungsarten                              werden kann (z.B. Begrünung…)

                        Projektvorschläge                                           Projektvorschläge

BÜNDNIS FÜR WOHNEN UND LEBEN IN WOLFSBURG DOKUMENTATION DER 13. SITZUNG AM 25.4.2018                                      23
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