BEGRENZEN UND GESTALTEN! - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen - Gute Arbeit für alle
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MITBESTIMMUNGSPRAXIS Nr. 19 · November 2018 BEGRENZEN UND GESTALTEN! Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen Stefan Stracke & Katrin Vitols
AUTOREN WEITERE TITEL UNTER Stefan Stracke, Dr. rer. pol., www.boeckler.de/62346.htm Senior Consultant bei wmp consult – Wilke Maack GmbH, Ham- burg. Arbeitsschwerpunkte: Industrielle Beziehungen, Personal- und Organisationsentwicklung, Strategische Personalplanung, Innovationsmanagement, Unternehmens- und Branchenanalysen, Schulungen und Seminare. MITBESTIMMUNGSPORTAL Katrin Vitols, Dr. sc. pol., Der Böckler-Infoservice bietet Mit- Senior Consultant bei wmp consult – Wilke Maack GmbH, bestimmungsakteuren spezifisches Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Arbeitsmarkt- und Beschäfti- Handlungs- und Orientierungs- gungssysteme, Industrielle Beziehungen, Corporate Social Res- ponsibility / Nachhaltigkeit und Corporate Governance. wissen, u. a. Branchenmonitore, Themenradar, Wissen kompakt, Szenarien Mitbestimmung 2035. Jetzt kostenlos anmelden auf: www.mitbestimmung.de PRAXISWISSEN BETRIEBSVEREINBARUNGEN Sonderdruck im Rahmen der Kampagne Analysen und Gestaltungshilfen, „Gute Arbeit für alle“ der IG Metall. Beispiele aus der Praxis. Mehr Informationen auf www.gute-arbeit-fuer-alle.de. www.boeckler.de/ Kontakt: industrienahe-dienstleistungen@igmetall.de betriebsvereinbarungen Produktnummer der IG Metall: 42509-81044 IMPRESSUM Herausgeber Redaktion Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) Jan-Paul Giertz, der Hans-Böckler-Stiftung Referatsleiter Personalmanagement und Mitbestimmung, Hans-Böckler-Stiftung, Telefon: +49 (211) 77 78-185 Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf Jan-Paul-Giertz@boeckler.de Telefon +49 (211) 77 78-172 Ausgabe www.mitbestimmung.de Mitbestimmungspraxis Nr. 19 Pressekontakt: Rainer Jung, +49 (211) 77 78-150 issn 2366-0449 rainer-jung@boeckler.de Nachdruck und sonstige Verbreitung – auch auszugsweise – Satz: Yuko Stier nur mit Quellenangabe zulässig. Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 2
MITBESTIMMUNGSPRAXIS Nr. 19 · November 2018 BEGRENZEN UND GESTALTEN! Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen ABSTRACT Seit vielen Jahren werden in Industrie- und Dienstleistungsbranchen betriebliche Aufgaben über Werk- und Dienstverträge an externe Partner vergeben. Es ist in der Regel unkritisch, wenn für spezialisierte Tätigkeiten von außen Experten hinzugezogen werden. Problematisch sind jedoch Werk- und Dienstverträge, die in Kern- prozesse eines Unternehmens eingreifen und zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen führen. Betriebsräte können darauf hinwirken, den Rahmen für die Vergabe und den Einsatz von Werk- und Dienstverträgen zu begrenzen und auszugestalten. Mögliche Handlungsfelder und rechtliche Ansatzpunkte werden in der vorlie- genden Praxishilfe dargestellt und anhand von Unternehmensbeispielen illustriert. Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 3
INHALT Abstract........................................................................................................................ 3 1 Einleitung.............................................................................................................. 5 2 Was ist ein Werkvertrag? Was ist ein Dienstvertrag?.......................................... 5 3 Rechte und Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz.................................................................. 6 4 Die Basis: Orientierung und Überblick verschaffen............................................. 10 4.1 Hintergründe und Motive der Fremdvergabe klären..................................................... 10 4.2 Im Betriebsrat Expertenwissen aufbauen und sich vernetzen ......................................11 4.3 Angebote zur Beratung und Qualifizierung nutzen.........................................................11 4.4 Informationen beschaffen – Dem Arbeitgeber die richtigen Fragen stellen und Unterlagen anfordern.............................................................................................. 12 4.5 Interne Öffentlichkeit erreichen und Beschäftigte befragen......................................... 13 4.6 Über den Aufsichtsrat Informationen einholen und Fremdvergaben beraten.............. 14 5 Wie kann der Betriebsrat aktiv werden? – 7 Handlungsfelder im Überblick........ 15 5.1 Handlungsfeld 1: Werk- und Dienstverträge beurteilen und auf Rechtssicherheit prüfen....................... 15 5.2 Handlungsfeld 2: Auf die Gründung gemeinsamer Ausschüsse und Arbeitsgruppen hinwirken............. 18 5.3 Handlungsfeld 3: Wirtschaftlichkeits- und Risikoanalysen durchführen................................................... 18 5.4 Handlungsfeld 4: Verbindliche Regelungen in Form von freiwilligen Betriebsvereinbarungen festlegen... 19 5.5 Handlungsfeld 5: Arbeitsschutz – Schwachstellen der Werk- und Dienstvertragsunternehmen systematisch durchleuchten..........................................................................................22 5.6 Handlungsfeld 6: Die Einhaltung von Sozial- und Verhaltensstandards durch die Werk- und Dienstvertragsunternehmen überwachen und Verstöße sanktionieren................23 5.7 Handlungsfeld 7: Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte bei der gewerkschaftlichen Organisation, der Betriebsratsgründung und der Netzwerkbildung unterstützen..............................24 Nachwort................................................................................................................... 26 Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 4
1 EINLEITUNG: Gewerkschaften Einfluss auf den Umfang von Werk- und Dienstverträgen und die Arbeits- und Beschäf- WERK- UND DIENSTVERTRÄGE – tigungsbedingungen in den Fremdfirmen nehmen EINE HERAUSFORDERUNG FÜR können. DIE MITBESTIMMUNG Entstanden ist die Praxishilfe im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projektes „Der In vielen Branchen und Unternehmen zeigt sich ein Einfluss von Betriebsräten und Gewerkschaften auf anhaltender Trend, betriebliche Aufgaben über Werk- Werk- und Dienstvertragskonzepte: Herausforderun- und Dienstverträge nach außen zu vergeben. Eine be- gen und Gestaltungswege“, das von der Hamburger sondere Form sind sogenannte Onsite-Werkverträge, Beratungsfirma wmp consult zwischen Januar 2017 deren Verbreitung in den letzten Jahren zugenommen und März 2018 durchgeführt wurde. Eingeflossen hat. Dabei wird die vertraglich geschuldete Leis- sind Erkenntnisse aus einer Umfrage unter 520 Be- tung auf dem Betriebsgelände des Einsatzunterneh- triebsräten und Ergebnisse aus neun Unternehmens- mens (=Auftraggeber, Stammbetrieb oder Besteller) fallstudien in Einsatz- und Anbieterunternehmen. erbracht. Zusätzlich wurden Haustarifverträge und Betriebsver- Es ist in der Regel nichts dagegen einzuwenden, einbarungen zum Thema analysiert. wenn spezialisierte Tätigkeiten, über die der Stamm- betrieb nicht verfügt, kurzfristig über Werk- und Dienstverträge abgedeckt werden. Problematisch Wer mehr wissen möchte sind jedoch Werk- und Dienstverträge, die in Kern- prozesse der Wertschöpfung eingreifen und zu einer Vitols, Katrin (i. E.): Die Praxis von Werk- und Dienstver- dauerhaften Spaltung in Kern- und Randbelegschaf- trägen: Probleme und Handlungsmöglichkeiten für die betriebliche Mitbestimmung. Reihe: Study der Hans- ten mit unterschiedlichen Entgelt- und Arbeitsbedin- Böckler-Stiftung gungen führen. Dadurch kann sich das Arbeitsklima verschlechtern, Spannungen und Konflikte können Vitols, Katrin (i. E.): Werk- und Dienstverträge. Praxis- entstehen. Werden durch Werk- und Dienstverträge wissen Betriebsvereinbarungen. Reihe: Study der Hans- Böckler-Stiftung tarifliche und Arbeitssicherheitsstandards unterlau- fen, ist dies nicht nur zum Nachteil der Fremdbeschäf- tigten, auch die Stammbeschäftigen geraten unter Druck – ganz gleich, ob es sich um Onsite-Werkver- träge handelt oder um Werkverträge, die außerhalb des Betriebsgeländes ausgeführt werden. 2 WAS IST EIN WERKVERTRAG? Kurzfristig wollen viele Unternehmen durch die WAS IST EIN DIENSTVERTRAG? Vergabe von Werk- und Dienstverträgen Kosten sen- ken, langfristig kann durch die Fremdvergabe Know- Mit Werk- und Dienstverträgen werden Vertragsfor- how verloren gehen und es können neue Abhängig- men zwischen einem Werk- und Dienstvertragsunter- keiten entstehen – wenn z. B. betriebliche Kernfunkti- nehmen (mit Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten) onen dauerhaft an externe Auftragnehmer vergeben als Auftragnehmer2 und einem Einsatzunternehmen werden. als Auftraggeber bezeichnet. Während sich ein Werk- Nicht jeder Werk- und Dienstvertrag lässt sich ver- vertragsunternehmen zur erfolgreichen Erbringung hindern. Doch Betriebsräte im Einsatzunternehmen eines Werkes verpflichtet (§ 631 BGB), beziehen sich können eine entscheidende Rolle dabei spielen, den Dienstverträge auf die Erbringung einer Tätigkeit Rahmen für die Vergabe und den Einsatz von Werk- durch den Dienstverpflichteten, ohne dass ein kon- und Dienstverträgen zu begrenzen und auszugestal- kret definierter Erfolg (bzw. ein Gewerk) geschuldet ten. So können nachteilige Effekte für Beschäftigte in wird (§ 611 BGB). Stamm- und Fremdunternehmen1 vermindert werden. Werkvertragsunternehmen müssen ein bestimm- Ansatzpunkte dafür werden in der vorliegenden tes Arbeitsergebnis, das über eine bloße Tätigkeit Praxishilfe skizziert, die sich an Betriebsräte in Ein- hinausgeht, selbstständig herbeiführen; sie tragen satzunternehmen richtet. Es werden Orientierungs- dabei die volle unternehmerische Verantwortung. punkte aufgezeigt, wie sich problematische Werk- Dienstvertragsunternehmen erfüllen bereits mit der und Dienstverträge vermeiden oder zumindest ein- Verrichtung der geschuldeten Tätigkeiten die vertrag- dämmen lassen. Zunächst werden Unterschiede zwi- lichen Anforderungen. Es spielt dabei keine Rolle, ob schen Werk- und Dienstvertrag erläutert und Rechte die Tätigkeit auf Dauer angelegt ist oder einmalig er- des Betriebsrats bei Werk- und Dienstverträgen auf- folgen soll. gezeigt. Im Mittelpunkt steht die Beschreibung von Um einen Werkvertrag handelt es sich beispiels- Handlungsfeldern und Instrumenten, wie Betriebsräte weise, wenn ein Unternehmen eine Papierfabrik mit des Einsatzunternehmens im Schulterschluss mit der Herstellung von Spezialkartons für die Verpa- 1 Unter Fremdunternehmen sind hier in der Regel Werk- und Dienstvertragsunternehmen zu verstehen, die mit ihren 2 Werk- und Dienstverträge können auch durch Einzelper- Beschäftigten auf dem Betriebsgelände des Stammunter- sonen ausgeführt werden. Dabei handelt es sich um Solo- nehmens oder in dessen Umfeld tätig sind. Selbstständige bzw. Freelancer. Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 5
ckung von Waren beauftragt. Ein klassisches Beispiel 3 RECHTE UND für einen Dienstvertrag ist ein Reinigungsunterneh- EINFLUSSMÖGLICHKEITEN men, das den Auftrag hat, die Büroräume eines Un- ternehmens zu reinigen. Wann, wie und mit wie viel DES BETRIEBSRATS NACH DEM eigenem Personal gereinigt wird, entscheidet das BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ Reinigungsunternehmen. Bei Onsite-Werkverträgen, die auf dem Betriebs- Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eröffnet gelände erbracht werden, ist die Vertragsbeziehung dem Betriebsrat eine Reihe von Handlungsmöglich- in der Regel langfristig angelegt. Hinter diesem Kons- keiten, um Einfluss auf die Fremdvergabe auszuüben trukt können sich Kantinenbetriebe oder Sicherheits- und Interessenvertretungspolitik auch im Sinne der und Reinigungsdienste verbergen, es kann sich aber Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten auf dem Be- auch um Leistungen handeln, die eng mit dem „Kern- triebsgelände zu betreiben. geschäft“ des Einsatzunternehmens verknüpft sind. Bis zum Zeitpunkt des konkreten Einsatzes von In der Praxis lässt sich beobachten, dass Werk- Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten kann der und Dienstvertragsunternehmen als Hauptunterneh- Betriebsrat des auftraggebenden Unternehmens mer ebenfalls über Werk- oder Dienstverträge ein auf unterschiedlichem Wege aktiv werden, um eine oder mehrere Subunternehmen mit der Durchführung aus seiner Sicht wenig sinnvolle Beschäftigung von der Tätigkeiten beauftragen. Daraus können ganze Fremdfirmen zu verhindern oder zumindest einzu- Subunternehmerketten entstehen, wie es sich z. B. in dämmen. Dabei kann eine Reihe von Informations-, der Schlachtindustrie und der Fleisch verarbeitenden Beratungs- und Initiativrechten genutzt werden, bei- Industrie zeigt. spielsweise mit Blick auf die Planung von Arbeitsplät- Anders als bei der Leiharbeit besteht bei Werk- und zen (§ 90 BetrVG), Personalplanung (§ 92 BetrVG) oder Dienstverträgen kein Weisungsrecht des Auftragge- Beschäftigungssicherung (§ 92 a BetrVG). bers gegenüber den Beschäftigten des Werk- oder Kommen Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte Dienstvertragsunternehmens. Es darf auch keine Ein- auf dem Betriebsgelände bereits zum Einsatz, haben gliederung dieser Beschäftigten in die Arbeitsabläu- Betriebsräte des auftraggebenden Unternehmens fe des Einsatzbetriebes stattfinden. Das Werk- bzw. umfangreiche Informations- und Beratungsrech- Dienstvertragsunternehmen hat die Leistung mit ei- te. Neben dem zentralen Unterrichtungsrecht nach genen Beschäftigten (ggf. unter Hinzuziehung von § 80 BetrVG können auch Möglichkeiten der Mitbe- Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitern) zu erbrin- stimmung nach § 87 BetrVG erwogen werden. Hier gen, deren Einsatz der Auftragnehmer allein steuert. kommen z. B. Regelungen über die Verhütung von Nur der Auftragnehmer darf die Arbeitszeit festlegen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über und ggf. Mehrarbeit anordnen. Sind diese Bedingun- den Arbeits- und Gesundheitsschutz im Rahmen der gen nicht gegeben, kann es sich bei den Werk- oder gesetzlichen Vorschriften und der Unfallverhütungs- Dienstverträgen de facto um „Scheinwerk- oder vorschriften für alle auf dem Werksgelände Beschäf- Dienstverträge“ bzw. illegale Arbeitnehmerüberlas- tigten in Betracht. sung handeln. Entscheidend ist, dass der Betriebsrat seine recht- lichen Möglichkeiten nicht einzeln wahrnimmt, son- dern verschiedene Rechte miteinander kombiniert Wer mehr wissen möchte bzw. im Zusammenhang betrachtet. Nur wenn schon bei der Personalplanung und der Beschäftigungs- DGB: Informationsplattform „Werkverträge und Leihar- sicherung angesetzt wird, lassen sich frühzeitig beit: Missbrauch stoppen“. www.dgb.de/schwerpunkt/ Tendenzen und Entwicklungen erkennen und An- werkvertraege-und-leiharbeit/ satzpunkte für Gegenstrategien identifizieren. Auch IG Metall: Zwölf Fragen – zwölf Antworten zum Thema die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung im Werkvertrag. www.igmetall.de/ratgeber-werkver- Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG) sollten genutzt trag-13384.htm werden. Ein zusätzlicher „Hebel“ ist die Bildung „betriebli- ver.di (2013): Was tun gegen (Schein-)Werkverträge? Ar- beitspapier für Betriebs- und Personalräte. www.hun- cher Koalitionen“ mit der Personalabteilung und wei- dertprozentich.de/images/stories/einhundertprozentich/ teren dem Thema gegenüber aufgeschlossenen Ma- pdfs/arbpapier_brpr_nr9.pdf nagementbereichen. Denkbar sind auch „Allianzen“ zwischen Betriebsrat und Führungskräften in von Outsourcing bedrohten Unternehmensteilen. Grundsätzlich ist eine Rechtsberatung durch die zuständige Gewerkschaft oder einen externen Ar- beitsrechtsexperten gemäß § 80 Abs. 3 und § 111 BetrVG zu empfehlen. Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 6
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Um dieser Werk- und Dienstverträge – Rechte Überwachungspflicht nachzukommen, besteht nach des Betriebsrats nach dem Betriebs- § 80 BetrVG eine Informationspflicht des Arbeitgebers verfassungsgesetz (ohne Anspruch auf gegenüber dem Betriebsrat. Der Arbeitgeber hat den Vollständigkeit) Betriebsrat anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend über die Beschäftigung von betriebsfrem- § 80 BetrVG dem Personal zu unterrichten. Dazu gehören auch – Überwachungsrechte /-pflichten zur Einhal- Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte. tung von Gesetzen, Verordnungen, Unfall- Durch die seit dem 1. April 2017 geltenden gesetz- verhütungsvorschriften, Tarifverträgen und lichen Neuregelungen zur Arbeitnehmerüberlassung Betriebsvereinbarungen sind die Informationsrechte erweitert und präzisiert – Recht auf Information über den Einsatz von worden: Der Betriebsrat ist über Einsatzdauer, Ein- Fremdfirmenbeschäftigten satzort und Arbeitsaufgabe zu informieren – und zwar – Förderung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen, insbeson- und des betrieblichen Umweltschutzes dere dem Vertrag, dem der Fremdpersonaleinsatz zu- – Förderung und Sicherung der Beschäftigung im grunde liegt. Betrieb als allgemeine Aufgaben des Betriebsrats Durch diese Vorschrift wird dem Betriebsrat die Möglichkeit eingeräumt, sich vom Arbeitgeber zu In- § 87 BetrVG: Mitbestimmungsrechte bei der Ver- formationszwecken alle Unterlagen aushändigen zu teilung von Arbeitszeit, der vorübergehenden Ver- lassen, die er für seine Arbeit benötigt. Der Betriebsrat längerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, der soll durch die Vorlage der notwendigen Unterlagen in Einführung und Anwendung von technischen Ein- die Lage versetzt werden, eigenständig zu überprüfen, richtungen sowie bei der Gestaltung von betriebli- ob er tätig werden muss oder nicht. Der Betriebsrat chen Regelungen zum Gesundheitsschutz sollte jedoch schon bei dem Informationsbegehren gegenüber dem Arbeitgeber präzise Angaben darü- § 89 BetrVG: Arbeits- und betrieblicher Umwelt- ber machen, welche Unterlagen er einsehen will (z. B. schutz Vertragsentwürfe, Ausschreibungen, abgeschlossene Verträge mit den Fremdfirmen und deren Subunter- § 90 BetrVG: Unterrichtungs- und Beratungsrechte nehmen, Kontrolllisten zu Einsatztagen und Einsatzzei- bei Planung von Bauten, Räumen, Anlagen, Arbeits- ten der einzelnen Beschäftigten der Fremdfirmen) und verfahren, Arbeitsabläufen, Arbeitsplätzen (z. B. bei wozu er diese benötigt. Im Falle von Werk- und Dienst- Beschäftigung von Fremdfirmen, Outsourcing) vertragsbeschäftigten reicht als Begründung, dass der Betriebsrat anhand notwendiger Unterlagen überprü- § 92 BetrVG: Unterrichtungs-, Beratungs- und fen können muss, inwieweit er für diese Beschäftigten Vorschlagsrechte bei der Personalplanung zuständig ist bzw. inwieweit ihm Mitbestimmungs- (Fremdleistungsplanung) rechte bezüglich dieser Beschäftigten zustehen. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat so früh zu in- § 92 a BetrVG: Beratung von Vorschlägen des Be- formieren, dass dieser noch vor Abschluss des Ver- triebsrats zur Sicherung von Beschäftigung, Alter- trages mit einer Fremdfirma Möglichkeiten zur Ein- nativen zur Ausgliederung oder Vergabe an andere flussnahme auf die Vertragsbestandteile hat (vgl. Lan- Unternehmen desarbeitsgericht Köln v. 09.08.1989 – t TaBV 3 / 89). Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber aber nur die § 106 BetrVG: Unterrichtungs- und Beratungsrech- Unterlagen verlangen, die diesem auch tatsächlich te des Wirtschaftsausschusses vorliegen. Die Informationsansprüche des Betriebsrats beziehen sich nicht auf Beschäftigte von Werk- oder § 111 BetrVG: Fremdvergabe / Outsourcing als Dienstvertragsunternehmen, die nur „kurzfristig“ im Betriebsänderung Betrieb tätig sind (z. B. Handwerker, die nur kurz eine Reparatur vornehmen). § 112 BetrVG: Interessenausgleich über die Be- Für den Betriebsrat empfiehlt es sich, mit dem Ar- triebsänderung, Sozialplan beitgeber eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die die Modalitäten der Einsichtnahme in entspre- chende Unterlagen regelt. Weitere Informationsrechte des Betriebsrats erge- ben sich aus § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Sobald der Ar- Einige wichtige Regelungen im Überblick: beitgeber mit Planungen beginnt, die in Abhängigkeit von einem Fremdfirmeneinsatz Umgestaltungen des Informationsrechte des Betriebsrats Arbeitsplatzes, der Arbeitsabläufe und der Arbeitsum- Nach § 80 BetrVG hat der Betriebsrat eine Überwa- gebung vorsehen, ist er verpflichtet, den Betriebsrat chungspflicht über die Einhaltung von Gesetzen, Ver- rechtzeitig und umfassend darüber zu unterrichten. ordnungen und Tarifverträgen. Dazu gehört auch die Ein Zusammenhang zum Thema Werk- und Dienst- Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des verträge kann auch hergestellt werden, wenn die Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 7
Planungen nach § 90 BetrVG Rationalisierungsmaß- nehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Arbeit vor. nahmen oder die Ausgliederung interner Arbeitsberei- Der Betriebsrat ist beispielsweise beratend hinzuzu- che (z. B. IT, Logistik, Werkstätten) bei gleichzeitigem ziehen, wenn das Einsatzunternehmen Arbeitsmate- Einsatz von Fremdfirmen betreffen. Der Betriebsrat ist rialien oder Räumlichkeiten für das Fremdpersonal über die Planungen zu informieren. Bei rechtzeitiger zur Verfügung stellt oder diesbezüglich Änderungen Kenntnis kann er argumentativ gegensteuern und Al- plant. ternativen zur externen Vergabe vorschlagen. § 92 Abs. 1 Satz 2 BetrVG regelt die gegenseitige Nach § 92 BetrVG besitzt der Betriebsrat ein Infor- Beratung von Arbeitgeber und Betriebsrat über Art mationsrecht im Rahmen der Personalplanung. Ge- und Umfang der beabsichtigten Maßnahmen der Per- mäß den seit dem 1. April 2017 geltenden gesetzlichen sonalplanung und über die Vermeidung von Härten. Neuregelungen zur Arbeitnehmerüberlassung hat sich Der Arbeitgeber muss sich mit dem Anliegen des Be- die Unterrichtung zur Personalplanung auch auf den triebsrats auseinandersetzen und seine Fragen beant- aktuellen und geplanten Einsatz von Fremdpersonal zu worten. Die Personalplanung selbst muss der Arbeit- beziehen. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat geber nicht mit dem Betriebsrat beraten. Er ist aber über die Personalplanung, insbesondere über den ge- verpflichtet, über die Konsequenzen der geplanten genwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über Änderungen Auskunft zu geben. die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen – einschließlich der geplanten Beschäftigung von Per- Vorschlags- bzw. Initiativrechte des Betriebsrats sonen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeit- Nach § 92a BetrVG kann der Betriebsrat Vorschläge geber stehen – anhand von Unterlagen zu informieren. zur Förderung und Sicherung der Beschäftigung ma- Die Unterrichtung hat rechtzeitig zu erfolgen, d. h. chen, u. a. über Alternativen zu Ausgliederungen oder zu einem Zeitpunkt, an dem noch Veränderungen an die Vergabe von Tätigkeiten an andere Unternehmen. der Planung möglich sind. Der Arbeitgeber muss den Dazu können Vorschläge zur Erledigung betrieblicher Betriebsrat allerdings erst dann über die Personalpla- Aufgaben durch Stammbeschäftigte anstelle von nung unterrichten, wenn die Überlegungen des Arbeit- Fremdbeschäftigten und / oder zur Qualifizierung der gebers das Planungsstadium erreicht haben. Zudem Stammbelegschaft gehören. Der Arbeitgeber muss muss die Unterrichtung umfassend, also vollständig diese Vorschläge mit dem Betriebsrat beraten. Lehnt erfolgen, d. h. der Arbeitgeber muss den Betriebsrat der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats ab, über Fakten und Tatsachen informieren, die ihm vorlie- muss er dies begründen (in Unternehmen mit mehr gen und auf denen die Personalplanung basiert. als 100 Beschäftigten hat die Begründung schriftlich Dies betrifft etwa Informationen zur Personalbe- zu erfolgen). darfsplanung (Sind externe Beschaffungsmaßnahmen Ob der Arbeitgeber den Vorschlägen des Betriebs- geplant?) oder zur Personaleinsatzplanung (Wie wird rats folgt oder nicht, ist zwar der unternehmerischen das Personal eingesetzt? Wie sind die Beschäftigten Entscheidungsfreiheit überlassen. Allerdings kann der den Arbeitsplätzen zugeordnet? Sollen Leistungen an Betriebsrat den Arbeitgeber bei weiteren Verhandlun- Fremdfirmen vergeben werden?) sowie die sich dar- gen möglicherweise mit den schriftlichen (oder im aus ergebenden personellen Maßnahmen (siehe Kap. Falle eines Betriebes mit weniger als 100 Beschäftig- 4.4). In diesem Zusammenhang können sich für den ten mit den durch den Betriebsrat selbst verschrift- Betriebsrat wichtige Informationen ergeben, inwieweit lichten) Aussagen des Arbeitgebers zur Ablehnung Werk- oder Dienstvertragsbeschäftigte – unzulässiger- konfrontieren (Stichwort: Koppelungsgeschäfte). weise – in den Arbeitsablauf integriert werden. Zu den Informationen, die der Arbeitgeber offen- Mitbestimmungsrechte bei sozialen zulegen hat, können auch Planungsdaten gehören, Angelegenheiten die zwar in einem anderen Kontext erhoben wurden Die starken Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats – beispielsweise im Rahmen von Produktions- und In- in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG können vestitionsentscheidungen –, die der Betriebsrat aber im Zusammenhang mit Fremdvergaben meist nicht benötigt, um sich ein verlässliches Bild von der Per- genutzt werden, da die Beschäftigten der Werk- und sonalplanung zu machen (vgl. Bundesarbeitsgericht, Dienstvertragsunternehmen nur den Weisungen des Beschluss vom 19.06.1984 – 1 ABR 6 / 83). Dies ist Auftragnehmers, nicht aber denen des Einsatzunter- nicht unwesentlich, wenn die Personalplanung, z. B. nehmens unterliegen. Berührungspunkte mit dem als Folge von Auftragsrückgängen, Rationalisierungs- § 87 BetrVG entstehen aber dann, wenn die Rechte maßnahmen vorsieht. Bei einem Personalabbau ist die der Stammbeschäftigten durch den parallelen Einsatz Stammbelegschaft zu schützen. Bevor es zu betriebs- von Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten auf dem bedingten Kündigungen kommt, sollten möglichst Betriebsgelände beeinflusst werden. sämtliche Fremdfirmeneinsätze in den betroffenen Be- Ein Beispiel sind verhaltenssteuernde Maßnahmen. reichen beendet werden. Zu denken ist etwa an Konstellationen, bei denen der Einsatz von Fremdbeschäftigten Auswirkungen Beratungsrechte des Betriebsrats auf die Ordnung im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) § 90 BetrVG sieht eine rechtzeitige Beratung des Ar- oder auf die technische Überwachung der eigenen beitgebers mit dem Betriebsrat über die vorgesehe- Beschäftigten (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) haben könn- nen Maßnahmen und Auswirkungen auf die Arbeit- te. Umgekehrt sind Fälle vorstellbar, bei denen durch Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 8
die Einführung und Anwendung technischer Kontroll- nem gemeinsamen Arbeitsplatz tätig werden. Arbeit- systeme zur Überwachung der Leistungen und des geber und Betriebsräte dieser Betriebe haben darauf Verhaltens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch zu achten, dass Sicherheits- und Gesundheitsbestim- personenbezogene Daten der Werk- und Dienstver- mungen eingehalten werden. tragsbeschäftigten erfasst werden. Nach § 87 Abs. 1 Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Nr. 1 BetrVG können Betriebsvereinbarungen z. B. zum BetrVG gilt auch, wenn sich das Einsatzunternehmen Thema Torkontrolle / technische Zugangskontrollsys- als Auftraggeber gemäß § 8 Abs. 2 ArbSchG verge- teme oder zur Nutzung von Werkausweisen auf Werk- wissern muss, dass das Fremdpersonal eine ange- und Dienstvertragsbeschäftigte ausgeweitet werden. messene Sicherheitsunterweisung erhalten hat. Wie En weiterer Berührungspunkt ergibt sich über die dies zu erfolgen hat, unterliegt der Mitbestimmung Gestaltung der Arbeitszeit. Wirkt sich der Einsatz von des Betriebsrats. Fremdfirmen auf die Arbeitszeit der Stammbeleg- schaft aus, so wird dadurch die Dauer oder die Lage Betriebsänderung, Interessenausgleich und der Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Sozialplan BetrVG berührt. Der beim Arbeitseinsatz beider Be- Sollte eine geplante Outsourcingmaßnahme eine schäftigtengruppen entstehende Koordinationsbe- Betriebsänderung mit sich bringen, hat sich der Ar- darf kann neue Verhandlungen bzw. neue Arbeitszeit- beitgeber nach § 111 BetrVG mit dem Betriebsrat nach vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebs- vorausgegangener Unterrichtung zu beraten. Als rat erforderlich machen. Betriebsänderung gilt dabei z. B. die Stilllegung oder Darüber hinaus kann der Betriebsrat bei Mehrar- Einschränkung wesentlicher Betriebsteile infolge beit sein Initiativrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG einer Fremdvergabe. Hierbei kommen auch die ent- wahrnehmen, um den Einsatz von Werk- und Dienst- sprechenden Regelungen nach § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG verträgen einzudämmen (vgl. Landesarbeitsgericht (Interessenausgleich) und § 112 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 Baden-Württemberg v. 05.08.2005). Der Arbeitgeber BetrVG (Sozialplan) zur Geltung. hat bei einem vorübergehend erhöhten Arbeitsanfall immer die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu Informations- und Beratungsrechte des beachten, wenn er den Einsatz von Fremdfirmenbe- Wirtschaftsausschusses schäftigten zur Abdeckung des Arbeitskräftebedarfs Besteht in Unternehmen ein Wirtschaftsausschuss, erwägt. In einer Betriebsvereinbarung kann beispiels- kommen dessen Unterrichtungs- und Beratungsrech- weise als Grundsatz aufgenommen werden, dass bei te nach § 106 BetrVG zum Tragen. Der Arbeitgeber hat Mehrarbeit (soweit zumutbar), Teilzeitaufstockung, den Wirtschaftsausschuss anhand der Vorlage von Entfristung, Versetzung nach Qualifizierung etc. vor- Unterlagen rechtzeitig und umfassend über die wirt- rangig auf Stammbeschäftigte zurückgegriffen wer- schaftlichen Angelegenheiten zu informieren und mit den soll. diesem darüber zu beraten. Dazu gehört auch der Ein- Ein wirksamer Ansatzpunkt für Betriebsräte ist das satz von Werk- und Dienstverträgen, soweit diese die Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Unfall- Interessen der Stammbeschäftigten berühren. Der verhütung. Nach § 89 Abs. 1 BetrVG hat sich der Be- Arbeitgeber muss erläutern, welche Vor- und Nach- triebsrat für die Durchführung der Vorschriften über teile die Fremdvergabe hat und welche Auswirkungen den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb auf die Stammbeschäftigten bestehen. einzusetzen. Laut § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Be- Denkbare Fälle sind die Ausgliederung eines Ar- triebsrat des auftraggebenden Unternehmens ein beitsbereichs und die Fremdvergabe der Tätigkeiten, Mitbestimmungsrecht bei der Umsetzung der Vor- die im Sinne des § 106 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG als Rationa- schriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die lisierungsvorhaben zu werten sind, die Einschränkung sich auch auf Personen erstrecken, die nicht in einem oder Stilllegung eines Betriebes oder Betriebsteils im direkten Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Es Sinne des § 106 Abs. 3 Nr. 6 BetrVG oder die Änderung reicht aus, dass die Personen im Organisations- oder der Betriebsorganisation im Sinne des § 106 Abs. 3 Verantwortungsbereich des Einsatzunternehmens tä- Nr. 9 BetrVG, wenn durch die Fremdvergabe z. B. die tig werden – und dies ist bei Onsite-Werkverträgen Veränderung von Führungshierarchien angenommen der Fall. Da durch den Einsatz von betriebsfremden werden kann. Beschäftigten auch das Unfallrisiko für die Stammbe- schäftigten steigen kann, kann der Betriebsrat sein Exkurs: Tarifverträge Mitbestimmungsrecht z. B. dafür nutzen, Auflagen Weitere Handlungsmöglichkeiten für Betriebsräte er- festzulegen, wonach Werk- und Dienstvertragsbe- geben sich in manchen Branchen aus existierenden schäftigte nur in bestimmten Bereichen des auftrag- Tarifverträgen. Hier sind explizit der „Tarifvertrag über gebenden Unternehmens eingesetzt werden dürfen. den Einsatz von Werkverträgen“ in der Stahlindustrie Viele arbeitsschutzrechtliche Vorschriften begrün- aus dem Jahr 2014 und der „Tarifvertrag zur Rege- den auch Pflichten des Einsatzunternehmens gegen- lung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der über betriebsfremden Arbeitskräften. Beispielsweise Bundesrepublik Deutschland“ aus dem Jahr 2013 zu fordert § 8 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) Auftragge- nennen. In beiden Tarifverträgen werden Grundprin- ber und Auftragnehmer zur arbeitsschutzbezogenen zipien zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen Zusammenarbeit auf, wenn ihre Beschäftigten an ei- definiert, zudem wird der Rahmen für Steuerungs- Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 9
und Beteiligungsprozesse auf betrieblicher Ebene 4 DIE BASIS: ORIENTIERUNG UND vorgegeben. Die Einhaltung der Regelungen der Ta- ÜBERBLICK VERSCHAFFEN rifverträge ist vom Betriebsrat zu überwachen. Für die betriebliche Umsetzung dieser Grundprinzipien ist Wie lassen sich die gesetzlichen Regelungen in der zu empfehlen, ergänzend eine Betriebsvereinbarung Praxis nutzen? Zunächst einmal ist es wichtig, sich als abzuschließen. Betriebsrat einen genauen Überblick über den Fremd- firmeneinsatz zu verschaffen und im Betriebsrat hierzu ein Meinungsbild zu organisieren (Siehe Abbildung 1). Wer mehr wissen möchte Absenger, Nadine (2017): Die Reform von Leiharbeit und 4.1 Hintergründe und Motive der Fremdvergabe Werkverträgen: erfreuliche Neuerung, aber auch viele klären Schwächen. WSI-Mitteilungen, 1 / 2017, S. 70 – 73. www. boeckler.de/wsi-mitteilungen_106800_106806.htm Welche Betriebsratsstrategie bzw. welche Heran- BMAS: Informationen zu den gesetzlichen Neuregelun- gehensweise verfolgt wird, hängt wesentlich davon gen bei Leiharbeit und Werkverträgen. www.bmas.de/ ab, welche Motive und Gründe bei der Nutzung von DE/Schwerpunkte/Leiharbeit-Werkvertraege/leiharbeit- Werk- und Dienstverträgen für die Verantwortlichen werkvertraege.html;jsessionid=F4B8CB1B296A8588A4F4 DC4971636FD0 im Einsatzunternehmen eine Rolle spielen. Mit der Vergabe von Werk- und Dienstverträgen Arbeitsbereich „Praxiswissen Betriebsvereinbarungen“ verfolgen Arbeitgeber in der Regel drei zentrale Ziele: der Hans-Böckler-Stiftung. www.boeckler.de/betriebs- vereinbarungen 1. Nutzung von Spezial-Know-how IG BCE (2013): Werk- und Dienstverträge: Ratgeber für Für die Leistungserstellung sind in einzelnen Berei- die Praxis, Information für Betriebsräte. www.igbce.de/ chen und bei speziellen Aufgaben besondere Kompe- vanity/renderDownloadLink/4184/52680 tenzen und Betriebsmittel erforderlich, über die der Stammbetrieb nicht verfügt, die nicht vorgehalten werden sollen oder die von spezialisierten Dienstleis- tern besser bereitgestellt werden können. Durch die Fremdvergabe will sich der Einsatzbetrieb auf seine Abbildung 1 Kernkompetenzen konzentrieren. Werk- und Dienstverträge – Orientierung und Überblick verschaffen 2. Kosteneinsparung Durch den Fremdfirmeneinsatz sollen die Herstellkos- ten gesenkt werden. Sofern es sich bei den hinzuge- zogenen Leistungen nicht um Spezialdienstleistungen HINTERGRÜNDE UND MOTIVE DER FREMDVERGABE KLÄREN etwa im IT- oder Ingenieursbereich handelt, erhalten Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte in der Regel niedrigere Stundenlöhne als die Stammbeschäftig- ten. Die Fremdbeschäftigten unterliegen häufig kei- IM BETRIEBSRAT EXPERTENWISSEN AUFBAUEN nem Tarifvertrag oder einem Tarifvertrag, der deutlich UND SICH VERNETZEN unterhalb des Standards von Branchentarifverträgen liegt, die in Einsatzunternehmen gelten. ANGEBOTE ZUR BERATUNG UND QUALIFIZIERUNG NUTZEN 3. Erhöhung der Flexibilität In vielen Branchen haben Just-in-Time-Konzepte stark an Bedeutung gewonnen, die „Produktion auf Lager“ bindet Kapital und wird als wenig effizient angesehen. INFORMATIONEN BESCHAFFEN – DEM ARBEITGEBER DIE Bei kurzfristigen Produktionsschwankungen wird vor RICHTIGEN FRAGEN STELLEN UND UNTERLAGEN ANFORDERN allem das Personal als wichtige „Flexibilisierungs- reserve“ betrachtet – und der Einsatz von Fremdbe- schäftigten ist ein wesentlicher Faktor zur Erhöhung INTERNE ÖFFENTLICHKEIT ERREICHEN der Flexibilität. Mithilfe des Fremdfirmeneinsatzes UND BESCHÄFTIGTE BEFRAGEN soll in der Regel auch ein Teil des Beschäftigungsrisi- kos nach außen gegeben werden. ÜBER DEN AUFSICHTSRAT INFORMATIONEN EINHOLEN In der Regel ist nichts dagegen einzuwenden, wenn UND FREMDVERGABEN BERATEN Arbeiten, die Spezialwissen erfordern und nur selten anfallen, über Werk- und Dienstverträge abgedeckt werden. Problematisch sind jedoch Werk- und Dienst- Quelle: Eigene Darstellung © I.M.U. 2018 verträge, die genutzt werden, um tarifliche und die Arbeitssicherheit betreffende Standards zu unterlau- Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 10
fen. Dadurch geraten auch die Stammbelegschaften in – Welche Ziele verfolgt der Betriebsrat mit seinem den Einsatzunternehmen unter Druck. Durch den Ein- Handeln? satz von Werk- und Dienstverträgen dürfen auch nicht – Wie muss er sich organisieren und vorgehen, um die Kernkompetenzen des Stammbetriebes gefährdet die Ziele zu erreichen? werden. – Welche Hindernisse könnten dabei auftreten? – Auf welche Stärken kann der Betriebsrat bauen? – Welche Unterstützung kann der Betriebsrat für Wer mehr wissen möchte sein Vorhaben organisieren – in der Führungsebe- ne, in der Personalabteilung, in anderen Fachab- Fokus Industrienahe Dienstleistungen / Werkverträge: teilungen, in der Belegschaft, durch die Gewerk- Was sind Industrienahe Dienstleistungen (InDl) und schaft etc.? Werkverträge? www.gute-arbeit-fuer-alle.de/InDl Neubäumer, Renate (2017): Die Bedeutung von Nicht- Auch zwischen Betriebsräten unterschiedlicher Be- Lohnkosten für atypische Beschäftigung aus Sicht von triebe oder Standorte eines Unternehmens oder eines Betrieben und Arbeitnehmern. WSI-Mitteilungen, GBR sollten die Strategien zum Umgang mit Werk- 1 / 2017, S. 36 – 43. www.boeckler.de/wsi-mitteilun- oder Dienstverträgen diskutiert werden. gen_106800_106810.htm Hertwig, Markus / Kirsch, Johannes / Wirth, Carsten (2015): Onsite-Werkverträge: Verbreitung und Praktiken im Verarbei- 4.3 Angebote zur Beratung und Qualifizierung tenden Gewerbe. WSI-Mitteilungen 6 / 2015, S. 457 – 465. nutzen www.boeckler.de/wsimit_2015_06_hertwig.pdf Obermeier, Tim / Sell, Stefan (2016): Werkverträge ent- Der Betriebsrat kann nach § 80 Abs. 3 BetrVG und in lang der Wertschöpfungskette. Zwischen unproblemati- Abstimmung mit dem Arbeitgeber Sachverständige scher Normalität und problematischer Instrumentalisie- zu Beratungen über Werk- und Dienstverträge hinzu- rung. www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_012_2016.pdf ziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. Be- steht ein Wirtschaftsausschuss, hat der Betriebsrat 4.2 Im Betriebsrat Expertenwissen aufbauen ebenfalls die Möglichkeit, diesen zurate zu ziehen – und sich vernetzen insbesondere, wenn ihm nicht nur Mitglieder des Be- triebsrats angehören (§§ 106 und 107 BetrVG). Es ist sinnvoll, im Betriebsrat eine verantwortliche Person zu bestimmen, die sich explizit mit dem The- ma Werk- und Dienstverträge beschäftigt. Nur wenn der Betriebsrat selbst Ressourcen einplant und Exper- Praxisbeispiel tenwissen aufbaut, ist er in der Lage, mit dem Arbeit- IG Metall Bremen: Angebote zur Qualifizierung und geber auf Augenhöhe über Werkvertragsthemen zu Netzwerkbildung diskutieren und zu verhandeln. Zu empfehlen ist auch die Bildung eines Ausschus- In den Jahren 2014 bis 2016 hat die IG Metall Bremen Weiterbil- ses zum Thema Fremdvergabe. In Betrieben mit mehr dungslehrgänge für Betriebsräte angeboten, um betriebliche Ex- als 100 Beschäftigten hat der Betriebsrat das Recht, pertinnen und Experten auszubilden, die eigene Ausschüsse zu bilden und ihnen bestimmte Aufgaben zu übertragen. Als Grundlage hierfür die- – im Betrieb die Informationslage zu Werkverträgen klären nen die §§ 28 BetrVG (Übertragung von Aufgaben auf – die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten kennen und in den be- Ausschüsse) und 28a BetrVG (Übertragung von Auf- trieblichen Alltag einbringen gaben auf Arbeitsgruppen, die im Rahmen der ihnen – die betriebliche Öffentlichkeitsarbeit strategisch nutzen und übertragenen Aufgaben mit dem Arbeitgeber auch – die Umsetzung der Werkverträge im Betrieb untersuchen und Vereinbarungen schließen können). entsprechende Handlungsstrategien für die betriebliche Interes- Um gemeinsam eine Handlungsstrategie zu entwi- senvertretung entwickeln. ckeln und einen Forderungskatalog gegenüber dem Arbeitgeber aufzustellen, ist es hilfreich, im Betriebs- Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden gemeinsam mit den rat einen Workshop oder eine Klausur durchzuführen. jeweiligen Betriebsratsspitzen explizit ausgesucht. Es sollte sich Für die Diskussion können die folgenden Fragen nütz- um Betriebsräte handeln, die in dem Betrieb zuständig für das The- lich sein: ma „Werkverträge“ sind oder zukünftig für diesen Bereich zustän- dig sein sollen. Die Weiterbildungsmodule wurden in der zweiten – Welche Probleme und Herausforderungen sieht Phase je nach betriebsspezifischer Situation mit einer strategi- der Betriebsrat? schen Beratung verknüpft. Betriebsräte sollten dabei unterstützt – Wie positioniert sich der Betriebsrat in Fragen der werden, ihren Fokus auf realistische und effektive Handlungsan- Fremdvergabe: Eindämmung oder gar keine Werk- sätze im Betrieb zu lenken. und Dienstverträge? (IG Metall Bremen 2017: Zusammenfassung des „Projektes Werkver- – Wie positioniert sich der Betriebsrat in Fragen der träge der IG Metall Bremen“) Personalplanung? Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 11
Mitglieder des Betriebsrats können auf die vielfäl- – Wie soll verarbeitet bzw. verkauft werden? Wie tigen Angebote der Gewerkschaften zurückgreifen, sieht das Produktions- und Absatzprogramm aus? sich in Fragen der Nutzung von Werk- und Dienst- – Wie und auf welche Weise soll gearbeitet wer- verträgen beraten zu lassen bzw. sich ausreichend zu den? Welche Arbeitsorganisation und Personalein- qualifizieren und weiterzubilden. Nach § 37 Abs. 6 und satzplanung wird dafür benötigt? Welche (neuen) Abs. 7 BetrVG können Betriebsräte an gewerkschaft- Technologien sollen dabei eingesetzt werden? lichen Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teil- nehmen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für Um alle notwendigen Informationen zur Werk- und die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Auch Be- Dienstvertragsarbeit im Unternehmen zu erhalten, triebsrätenetzwerke leisten hierbei wichtige Impulse. sollte ein schriftliches Informationsbegehren an den Schließlich lohnt ein Blick über den „eigenen Teller- Arbeitgeber gerichtet werden. Nützlich ist es, Unter- rand“ hinaus, um in Erfahrung zu bringen, wie andere lagen und Dokumente, die der Betriebsrat vom Ar- Unternehmen vergleichbare Herausforderungen ge- beitgeber anfordert, detailliert aufzulisten. Dazu ge- meistert haben. Zu vielen Themen gibt es schon gute hören u. a. Praxisbeispiele. Natürlich lässt sich nicht jeder Ansatz „1 zu 1“ auf das eigene Unternehmen übertragen. In – Informationen über das Volumen der erster Linie kommt es darauf an, aus den praktischen Fremdvergabe Erfahrungen anderer Betriebe und Betriebsräte zu ler- – eine Liste aller vergebenen Gewerke nen, um sich dann auf die Lösungsansätze zu konzen- – Werk- und Dienstvertragstexte (einschließlich Ver- trieren, die zum eigenen Unternehmen passen. tragsentwürfen) und Ausschreibungstexte – Informationen zur Personalbedarfsplanung (am besten für die nächsten drei Jahre) 4.4 Informationen beschaffen – Dem Arbeitge- – ein detaillierter Kostenvergleich zwischen Fremd- ber die richtigen Fragen stellen und Unterla- und Eigenleistung, Make-or-Buy-Risikoanalysen gen anfordern – Kostenstellenrechnungen mit Betriebsabrech- nungsbogen bzw. Umlageverfahren Betriebsräte haben häufig nicht genug Informationen – Berechnungen zum Zusatzaufwand eigener Mitar- über den Umfang der Vergabe von Werk- und Dienst- beiterinnen und Mitarbeiter zur Koordination der verträgen im Unternehmen und die mit den Fremdfir- Fremdfirmen men vereinbarten Bedingungen der Leistungserbrin- – Prozesskostenrechnungen von Auslagerungs- gung. In einigen Fällen wissen Betriebsräte auch nicht plänen genau, ob es sich bei den Beschäftigten der Fremdfir- – Investitionspläne men, die auf dem Betriebsgelände eingesetzt werden, – eine Eingangsliste der auf dem Betriebsgelände um Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern oder Werk- beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbei- und Dienstvertragsbeschäftigte handelt. ter von Werk- und Dienstvertragsunternehmen Um eine eigene Handlungsstrategie entwickeln zu (möglichst mit Kontrolllisten zu Einsatztagen und können, muss sich der Betriebsrat aber einen mög- Einsatzzeiten) lichst umfassenden Überblick über die fremdvergebe- – Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung nach den nen Gewerke und Dienste auf dem Betriebsgelände §§ 5 und 11 Arbeitsschutzgesetz und die Planungen des Arbeitgebers verschaffen. – eine Stunden- und Mehrarbeitsstatistik Dafür kann er seine Unterrichtungsrechte nach dem – Kontrolllisten zu Einsatztagen und Einsatzzeiten BetrVG nutzen (siehe hierzu Kap. 3). der einzelnen Beschäftigten der Fremdfirmen Wichtig ist, dem Arbeitgeber die passenden Fra- – eine Arbeitsunfallstatistik 3 gen zu stellen, z. B.: Der Betriebsrat sollte als Minimalanforderung darauf – Wie viele Fremdbeschäftigte sind über Leiharbeit drängen, dass eine Übersicht erstellt wird, auf der alle und Werk- und Dienstverträge auf dem Betriebs- Gewerke und Dienstaufträge aufgelistet werden – nur gelände tätig? In welchen Bereichen kommen sie so können alle Werk- und Dienstverträge erfasst wer- zum Einsatz? Was ist der Grund für den Einsatz? den. Nach Möglichkeit sollte auch in Erfahrung ge- – Von welchen Firmen werden die Fremdbeschäf- bracht werden, welche Personen auf dem Betriebsge- tigten eingesetzt? In welcher Rechtsbeziehung lände in welcher vertraglichen Bindung stehen. Dazu stehen sie zum Unternehmen? Zu welchen Bedin- eignen sich digitale Betriebslandkarten und die Nut- gungen arbeiten sie? zung von Daten aus Zugangskontrollsystemen. – Wo gibt es Abhängigkeiten zwischen Stamm- und Werk- bzw. Dienstvertragsbeschäftigten (etwa wenn Fremdbeschäftigte Vorprodukte fertigen)? – Welche neuen Produkte / Dienstleistungen oder 3 Eine Unfallanzeige ist in erster Linie Angelegenheit des Fremdunternehmens. Bei der Ausgestaltung eines Werk- Geschäftsfelder sollen in Zukunft auf- oder ausge- und Dienstvertrages kann vereinbart werden, dass die im baut werden? Welche Investitionen sind geplant? Einsatzunternehmen zuständigen Stellen über Personen- schäden unterrichtet werden und diesen eine Kopie der Welche Bereiche könnten andererseits von Out- Unfallanzeige zugestellt wird (siehe KomNet Dialog 5590 sourcing betroffen sein? www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/5590). Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 12
Wer mehr wissen möchte Praxisbeispiel BMW Regensburg: Digitale IG Metall (2012): Viel Arbeit am Rand. Werkverträge und Outsourcing: Arbeitshilfe für Betriebsräte (inkl. Check- „Betriebslandkarte“ mit liste – Betriebsrecherche Werkvertrag / Fremdfirmenein- Werkvertragsfirmen satz). www.zukunft-werk-vertrag.de/wp-content/up- loads/2013/11/120628_IGM_NRW_Werkvertraege_AH- Bei BMW in Regensburg ist seit 2017 ein EDV- fuerBR_KORR_ANSICHT.pdf Tool im Einsatz, zu dem sowohl Management Stracke, Stefan et al. (2017): Strategische Personalpla- als auch Betriebsrat Zugang haben. Das Tool nung mit Weitblick. Ein Ratgeber für Betriebsräte. www. zeigt eine digitale Karte des Werksgeländes. inqa.de/DE/Angebote/Publikationen/strategische-perso- Der Nutzer kann mithilfe der Karte abrufen, wo nalplanung-betriebsraete.html auf dem Gelände welches Werkvertragsunter- nehmen tätig ist. Zudem sind „Partnervisiten- karten“ mit Daten zu Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern, zu lieferndem Gewerk, Ver- 4.5 Interne Öffentlichkeit erreichen und Be- tragslaufzeit etc. aufgeführt; die Daten werden schäftigte befragen laufend aktualisiert. Informationen zur Zahl der Beschäftigten der Werkvertragsunternehmen Will der Betriebsrat seine Forderungen durchsetzen, sind dort jedoch nicht zu finden. sind gute Argumente, aber auch politischer Druck gefragt. Ohne breite Diskussion im Betrieb und ohne Unterstützung der Belegschaft ist jede noch so gute Strategie des Betriebsrats nur die Hälfte wert. Deshalb ist bei jedem Schritt zu überlegen, wie der Betriebsrat Praxisbeispiel die Stammbelegschaft und die Werk- und Dienstver- Procter & Gamble, Euskirchen: Be- tragsbeschäftigten auf dem Betriebsgelände in die triebsvereinbarung mit Regelungen Diskussionen einbeziehen kann. Wichtig ist, dass bei zur Information des Betriebsrats den Beschäftigten ein Problembewusstsein da ist und eine direkte Betroffenheit hergestellt wird. Dies lässt Eine Regelung in einer freiwilligen Betriebsver- sich z. B. erreichen, indem mögliche Rechtsverstöße einbarung bei Procter & Gamble am Standort und Missstände bei Fremdfirmen aufgedeckt und als Euskirchen sieht vor, dass sich der Betriebsrat Risiken für das eigene Unternehmen angesprochen einen genauen Überblick darüber verschaffen werden. kann, welches Fremdpersonal über Arbeitneh- Das Unterrichtungsrecht des Betriebsrats nach merüberlassung und Werk- und Dienstverträge § 80 Abs. 2 BetrVG schließt nicht aus, dass der Be- auf dem Betriebsgelände tätig ist. Ausgewählte triebsrat selbst Mitarbeiterbefragungen in der Vertreterinnen und Vertreter des Betriebsrats Stammbelegschaft durchführt, um Informationen zu sind berechtigt, dafür auf Daten des auf dem beschaffen, die der Erfüllung seiner gesetzlichen Auf- Werksgelände genutzten Systems der Zugangs- gaben dienen (§ 80 Abs. 1 BetrVG). Die Befragung darf kontrolle zurückzugreifen. allerdings nicht zu Störungen des Betriebsfriedens oder des Betriebsablaufs führen. Details über die Arbeitsbedingungen der Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten erhält man in der In Arbeitnehmerfragen ist in der Regel die Perso- Regel nur dann, wenn man mit den Beschäftigten nalabteilung der erste Ansprechpartner für den Be- der externen Firmen in Kontakt kommt oder wenn triebsrat. Bei Werk- und Dienstverträgen wird das die Fremdfirmen einen Betriebsrat haben, mit dem eingesetzte Personal jedoch beim Auftragnehmer man sich in Verbindung setzen kann. Vor allem bei gemanagt und für die Fremdvergabe sind beim Auf- Themen wie Arbeits- und Gesundheitsschutz sind traggeber meist andere Bereiche als die Personalab- die Beschäftigten eine wichtige Informationsquelle. teilung zuständig (z. B. Einkauf, Finanzen, Fachabtei- In jedem Fall sollte die zuständige Gewerkschaft in lungen). Daher ist sicherzustellen, dass die für den den Prozess einbezogen werden. Sie kann wichtige Betriebsrat relevanten Informationen bei einer Stelle Unterstützung leisten, z. B. mit einer Sprechstunde für zusammenlaufen (dies kann dann durchaus die Perso- Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte außerhalb der nalabteilung sein). Diese Stelle sollte in der Lage sein, Arbeitszeit. die Informationspflichten des Arbeitgebers zu erfüllen Um sich einen guten Überblick zu verschaffen, ist und für den Betriebsrat als Ansprechpartner zur Ver- es vorteilhaft, betriebliche Expertinnen und Experten fügung zu stehen. wie etwa Fachkräfte für Arbeitssicherheit einzubezie- Mit der Informationsbeschaffung oder im An- hen. Diese können die Situation und den möglichen schluss daran sollte das Rechtsverhältnis der Fremd- Handlungsbedarf in der Regel gut einschätzen. Be- vergabe geklärt werden: Handelt es sich um einen triebsräte können hierbei ihr Recht nutzen, bei der Su- Werk- bzw. Dienstvertrag, um Leiharbeit oder sogar che nach Problemlösungen sachkundige Beschäftig- um illegale Arbeitnehmerüberlassung? te zurate zu ziehen (§ 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 13
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