BEGRENZEN UND GESTALTEN! - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen - Gute Arbeit für alle

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BEGRENZEN UND GESTALTEN! - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen - Gute Arbeit für alle
MITBESTIMMUNGSPRAXIS
Nr. 19 · November 2018

BEGRENZEN UND GESTALTEN!
Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen

Stefan Stracke & Katrin Vitols
BEGRENZEN UND GESTALTEN! - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen - Gute Arbeit für alle
AUTOREN                                                                                                        WEITERE TITEL UNTER

                        Stefan Stracke, Dr. rer. pol.,                                                         www.boeckler.de/62346.htm
                        Senior Consultant bei wmp consult – Wilke Maack GmbH, Ham-
                        burg. Arbeitsschwerpunkte: Industrielle Beziehungen, Personal-
                        und Organisationsentwicklung, Strategische Personalplanung,
                        Innovationsmanagement, Unternehmens- und Branchenanalysen,
                        Schulungen und Seminare.                                                               MITBESTIMMUNGSPORTAL

                        Katrin Vitols, Dr. sc. pol.,
                                                                                                               Der Böckler-Infoservice bietet Mit-
                        Senior Consultant bei wmp consult – Wilke Maack GmbH,
                                                                                                               bestimmungsakteuren spezifisches
                        Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Arbeitsmarkt- und Beschäfti-
                                                                                                               Handlungs- und Orientierungs-
                        gungssysteme, Industrielle Beziehungen, Corporate Social Res-
                        ponsibility / Nachhaltigkeit und Corporate Governance.                                 wissen, u. a. Branchenmonitore,
                                                                                                               Themenradar, Wissen kompakt,
                                                                                                               Szenarien Mitbestimmung 2035.
                                                                                                               Jetzt kostenlos anmelden auf:
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                                                                                                               PRAXISWISSEN
                                                                                                               BETRIEBSVEREINBARUNGEN

                       Sonderdruck im Rahmen der Kampagne                                                      Analysen und Gestaltungshilfen,
                       „Gute Arbeit für alle“ der IG Metall.                                                   Beispiele aus der Praxis.
                       Mehr Informationen auf www.gute-arbeit-fuer-alle.de.                                    www.boeckler.de/
                       Kontakt: industrienahe-dienstleistungen@igmetall.de                                     betriebsvereinbarungen

                       Produktnummer der IG Metall: 42509-81044

IMPRESSUM

                        Herausgeber                                                      Redaktion
                        Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.)      Jan-Paul Giertz,
                        der Hans-Böckler-Stiftung                                        Referatsleiter Personalmanagement und Mitbestimmung,
                                                                                         Hans-Böckler-Stiftung, Telefon: +49 (211) 77 78-185
                        Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf
                                                                                         Jan-Paul-Giertz@boeckler.de
                        Telefon +49 (211) 77 78-172
                                                                                         Ausgabe
                        www.mitbestimmung.de
                                                                                         Mitbestimmungspraxis Nr. 19
                        Pressekontakt: Rainer Jung, +49 (211) 77 78-150
                                                                                         issn 2366-0449
                        rainer-jung@boeckler.de
                                                                                         Nachdruck und sonstige Verbreitung – auch auszugsweise –
                        Satz: Yuko Stier                                                 nur mit Quellenangabe zulässig.

Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 2
BEGRENZEN UND GESTALTEN! - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen - Gute Arbeit für alle
MITBESTIMMUNGSPRAXIS
Nr. 19 · November 2018

BEGRENZEN UND GESTALTEN!
Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen

ABSTRACT
Seit vielen Jahren werden in Industrie- und Dienstleistungsbranchen betriebliche Aufgaben über Werk- und
Dienstverträge an externe Partner vergeben. Es ist in der Regel unkritisch, wenn für spezialisierte Tätigkeiten
von außen Experten hinzugezogen werden. Problematisch sind jedoch Werk- und Dienstverträge, die in Kern-
prozesse eines Unternehmens eingreifen und zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen führen. Betriebsräte
können darauf hinwirken, den Rahmen für die Vergabe und den Einsatz von Werk- und Dienstverträgen zu
begrenzen und auszugestalten. Mögliche Handlungsfelder und rechtliche Ansatzpunkte werden in der vorlie-
genden Praxishilfe dargestellt und anhand von Unternehmensbeispielen illustriert.

                                                                                         Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 3
BEGRENZEN UND GESTALTEN! - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen - Gute Arbeit für alle
INHALT
                        Abstract........................................................................................................................ 3

                       1      Einleitung.............................................................................................................. 5

                        2     Was ist ein Werkvertrag? Was ist ein Dienstvertrag?.......................................... 5

                        3     Rechte und Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats
                              nach dem Betriebsverfassungsgesetz.................................................................. 6

                       4   Die Basis: Orientierung und Überblick verschaffen............................................. 10
                       4.1 Hintergründe und Motive der Fremdvergabe klären..................................................... 10
                       4.2 Im Betriebsrat Expertenwissen aufbauen und sich vernetzen ......................................11
                       4.3 Angebote zur Beratung und Qualifizierung nutzen.........................................................11
                       4.4 Informationen beschaffen – Dem Arbeitgeber die richtigen Fragen stellen
                           und Unterlagen anfordern.............................................................................................. 12
                       4.5 Interne Öffentlichkeit erreichen und Beschäftigte befragen......................................... 13
                       4.6 Über den Aufsichtsrat Informationen einholen und Fremdvergaben beraten.............. 14

                        5   Wie kann der Betriebsrat aktiv werden? – 7 Handlungsfelder im Überblick........ 15
                        5.1 Handlungsfeld 1:
                            Werk- und Dienstverträge beurteilen und auf Rechtssicherheit prüfen....................... 15
                        5.2 Handlungsfeld 2:
                            Auf die Gründung gemeinsamer Ausschüsse und Arbeitsgruppen hinwirken............. 18
                        5.3 Handlungsfeld 3:
                            Wirtschaftlichkeits- und Risikoanalysen durchführen................................................... 18
                        5.4 Handlungsfeld 4:
                            Verbindliche Regelungen in Form von freiwilligen Betriebsvereinbarungen festlegen... 19
                        5.5 Handlungsfeld 5:
                            Arbeitsschutz – Schwachstellen der Werk- und Dienstvertragsunternehmen
                            systematisch durchleuchten..........................................................................................22
                        5.6 Handlungsfeld 6:
                            Die Einhaltung von Sozial- und Verhaltensstandards durch die Werk-
                            und Dienstvertragsunternehmen überwachen und Verstöße sanktionieren................23
                        5.7 Handlungsfeld 7:
                            Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte bei der gewerkschaftlichen Organisation,
                            der Betriebsratsgründung und der Netzwerkbildung unterstützen..............................24

                        Nachwort................................................................................................................... 26

Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 4
BEGRENZEN UND GESTALTEN! - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen - Gute Arbeit für alle
1      EINLEITUNG:                                            Gewerkschaften Einfluss auf den Umfang von Werk-
                                                              und Dienstverträgen und die Arbeits- und Beschäf-
       WERK- UND DIENSTVERTRÄGE –
                                                              tigungsbedingungen in den Fremdfirmen nehmen
       EINE HERAUSFORDERUNG FÜR                               können.
       DIE MITBESTIMMUNG                                          Entstanden ist die Praxishilfe im Rahmen des von
                                                              der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projektes „Der
In vielen Branchen und Unternehmen zeigt sich ein             Einfluss von Betriebsräten und Gewerkschaften auf
anhaltender Trend, betriebliche Aufgaben über Werk-           Werk- und Dienstvertragskonzepte: Herausforderun-
und Dienstverträge nach außen zu vergeben. Eine be-           gen und Gestaltungswege“, das von der Hamburger
sondere Form sind sogenannte Onsite-Werkverträge,             Beratungsfirma wmp consult zwischen Januar 2017
deren Verbreitung in den letzten Jahren zugenommen            und März 2018 durchgeführt wurde. Eingeflossen
hat. Dabei wird die vertraglich geschuldete Leis-             sind Erkenntnisse aus einer Umfrage unter 520 Be-
tung auf dem Betriebsgelände des Einsatzunterneh-             triebsräten und Ergebnisse aus neun Unternehmens-
mens (=Auftraggeber, Stammbetrieb oder Besteller)             fallstudien in Einsatz- und Anbieterunternehmen.
erbracht.                                                     Zusätzlich wurden Haustarifverträge und Betriebsver-
   Es ist in der Regel nichts dagegen einzuwenden,            einbarungen zum Thema analysiert.
wenn spezialisierte Tätigkeiten, über die der Stamm-
betrieb nicht verfügt, kurzfristig über Werk- und
Dienstverträge abgedeckt werden. Problematisch                    Wer mehr wissen möchte
sind jedoch Werk- und Dienstverträge, die in Kern-
prozesse der Wertschöpfung eingreifen und zu einer                Vitols, Katrin (i. E.): Die Praxis von Werk- und Dienstver-
dauerhaften Spaltung in Kern- und Randbelegschaf-                 trägen: Probleme und Handlungsmöglichkeiten für die
                                                                  betriebliche Mitbestimmung. Reihe: Study der Hans-
ten mit unterschiedlichen Entgelt- und Arbeitsbedin-              Böckler-Stiftung
gungen führen. Dadurch kann sich das Arbeitsklima
verschlechtern, Spannungen und Konflikte können                   Vitols, Katrin (i. E.): Werk- und Dienstverträge. Praxis-
entstehen. Werden durch Werk- und Dienstverträge                  wissen Betriebsvereinbarungen. Reihe: Study der Hans-
                                                                  Böckler-Stiftung
tarifliche und Arbeitssicherheitsstandards unterlau-
fen, ist dies nicht nur zum Nachteil der Fremdbeschäf-
tigten, auch die Stammbeschäftigen geraten unter
Druck – ganz gleich, ob es sich um Onsite-Werkver-
träge handelt oder um Werkverträge, die außerhalb
des Betriebsgeländes ausgeführt werden.                       2      WAS IST EIN WERKVERTRAG?
   Kurzfristig wollen viele Unternehmen durch die
                                                                     WAS IST EIN DIENSTVERTRAG?
Vergabe von Werk- und Dienstverträgen Kosten sen-
ken, langfristig kann durch die Fremdvergabe Know-            Mit Werk- und Dienstverträgen werden Vertragsfor-
how verloren gehen und es können neue Abhängig-               men zwischen einem Werk- und Dienstvertragsunter-
keiten entstehen – wenn z. B. betriebliche Kernfunkti-        nehmen (mit Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten)
onen dauerhaft an externe Auftragnehmer vergeben              als Auftragnehmer2 und einem Einsatzunternehmen
werden.                                                       als Auftraggeber bezeichnet. Während sich ein Werk-
   Nicht jeder Werk- und Dienstvertrag lässt sich ver-        vertragsunternehmen zur erfolgreichen Erbringung
hindern. Doch Betriebsräte im Einsatzunternehmen              eines Werkes verpflichtet (§ 631 BGB), beziehen sich
können eine entscheidende Rolle dabei spielen, den            Dienstverträge auf die Erbringung einer Tätigkeit
Rahmen für die Vergabe und den Einsatz von Werk-              durch den Dienstverpflichteten, ohne dass ein kon-
und Dienstverträgen zu begrenzen und auszugestal-             kret definierter Erfolg (bzw. ein Gewerk) geschuldet
ten. So können nachteilige Effekte für Beschäftigte in        wird (§ 611 BGB).
Stamm- und Fremdunternehmen1 vermindert werden.                  Werkvertragsunternehmen müssen ein bestimm-
   Ansatzpunkte dafür werden in der vorliegenden              tes Arbeitsergebnis, das über eine bloße Tätigkeit
Praxishilfe skizziert, die sich an Betriebsräte in Ein-       hinausgeht, selbstständig herbeiführen; sie tragen
satzunternehmen richtet. Es werden Orientierungs-             dabei die volle unternehmerische Verantwortung.
punkte aufgezeigt, wie sich problematische Werk-              Dienstvertragsunternehmen erfüllen bereits mit der
und Dienstverträge vermeiden oder zumindest ein-              Verrichtung der geschuldeten Tätigkeiten die vertrag-
dämmen lassen. Zunächst werden Unterschiede zwi-              lichen Anforderungen. Es spielt dabei keine Rolle, ob
schen Werk- und Dienstvertrag erläutert und Rechte            die Tätigkeit auf Dauer angelegt ist oder einmalig er-
des Betriebsrats bei Werk- und Dienstverträgen auf-           folgen soll.
gezeigt. Im Mittelpunkt steht die Beschreibung von               Um einen Werkvertrag handelt es sich beispiels-
Handlungsfeldern und Instrumenten, wie Betriebsräte           weise, wenn ein Unternehmen eine Papierfabrik mit
des Einsatzunternehmens im Schulterschluss mit                der Herstellung von Spezialkartons für die Verpa-

1   Unter Fremdunternehmen sind hier in der Regel Werk- und
    Dienstvertragsunternehmen zu verstehen, die mit ihren     2   Werk- und Dienstverträge können auch durch Einzelper-
    Beschäftigten auf dem Betriebsgelände des Stammunter-         sonen ausgeführt werden. Dabei handelt es sich um Solo-
    nehmens oder in dessen Umfeld tätig sind.                     Selbstständige bzw. Freelancer.

                                                                                                      Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 5
ckung von Waren beauftragt. Ein klassisches Beispiel         3    RECHTE UND
                        für einen Dienstvertrag ist ein Reinigungsunterneh-
                                                                                          EINFLUSSMÖGLICHKEITEN
                        men, das den Auftrag hat, die Büroräume eines Un-
                        ternehmens zu reinigen. Wann, wie und mit wie viel                DES BETRIEBSRATS NACH DEM
                        eigenem Personal gereinigt wird, entscheidet das                  BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ
                        Reinigungsunternehmen.
                           Bei Onsite-Werkverträgen, die auf dem Betriebs-           Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eröffnet
                        gelände erbracht werden, ist die Vertragsbeziehung           dem Betriebsrat eine Reihe von Handlungsmöglich-
                        in der Regel langfristig angelegt. Hinter diesem Kons-       keiten, um Einfluss auf die Fremdvergabe auszuüben
                        trukt können sich Kantinenbetriebe oder Sicherheits-         und Interessenvertretungspolitik auch im Sinne der
                        und Reinigungsdienste verbergen, es kann sich aber           Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten auf dem Be-
                        auch um Leistungen handeln, die eng mit dem „Kern-           triebsgelände zu betreiben.
                        geschäft“ des Einsatzunternehmens verknüpft sind.                Bis zum Zeitpunkt des konkreten Einsatzes von
                           In der Praxis lässt sich beobachten, dass Werk-           Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten kann der
                        und Dienstvertragsunternehmen als Hauptunterneh-             Betriebsrat des auftraggebenden Unternehmens
                        mer ebenfalls über Werk- oder Dienstverträge ein             auf unterschiedlichem Wege aktiv werden, um eine
                        oder mehrere Subunternehmen mit der Durchführung             aus seiner Sicht wenig sinnvolle Beschäftigung von
                        der Tätigkeiten beauftragen. Daraus können ganze             Fremdfirmen zu verhindern oder zumindest einzu-
                        Subunternehmerketten entstehen, wie es sich z. B. in         dämmen. Dabei kann eine Reihe von Informations-,
                        der Schlachtindustrie und der Fleisch verarbeitenden         Beratungs- und Initiativrechten genutzt werden, bei-
                        Industrie zeigt.                                             spielsweise mit Blick auf die Planung von Arbeitsplät-
                           Anders als bei der Leiharbeit besteht bei Werk- und       zen (§ 90 BetrVG), Personalplanung (§ 92 BetrVG) oder
                        Dienstverträgen kein Weisungsrecht des Auftragge-            Beschäftigungssicherung (§ 92 a BetrVG).
                        bers gegenüber den Beschäftigten des Werk- oder                  Kommen Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte
                        Dienstvertragsunternehmens. Es darf auch keine Ein-          auf dem Betriebsgelände bereits zum Einsatz, haben
                        gliederung dieser Beschäftigten in die Arbeitsabläu-         Betriebsräte des auftraggebenden Unternehmens
                        fe des Einsatzbetriebes stattfinden. Das Werk- bzw.          umfangreiche Informations- und Beratungsrech-
                        Dienstvertragsunternehmen hat die Leistung mit ei-           te. Neben dem zentralen Unterrichtungsrecht nach
                        genen Beschäftigten (ggf. unter Hinzuziehung von             § 80 BetrVG können auch Möglichkeiten der Mitbe-
                        Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitern) zu erbrin-          stimmung nach § 87 BetrVG erwogen werden. Hier
                        gen, deren Einsatz der Auftragnehmer allein steuert.         kommen z. B. Regelungen über die Verhütung von
                        Nur der Auftragnehmer darf die Arbeitszeit festlegen         Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über
                        und ggf. Mehrarbeit anordnen. Sind diese Bedingun-           den Arbeits- und Gesundheitsschutz im Rahmen der
                        gen nicht gegeben, kann es sich bei den Werk- oder           gesetzlichen Vorschriften und der Unfallverhütungs-
                        Dienstverträgen de facto um „Scheinwerk- oder                vorschriften für alle auf dem Werksgelände Beschäf-
                        Dienstverträge“ bzw. illegale Arbeitnehmerüberlas-           tigten in Betracht.
                        sung handeln.                                                    Entscheidend ist, dass der Betriebsrat seine recht-
                                                                                     lichen Möglichkeiten nicht einzeln wahrnimmt, son-
                                                                                     dern verschiedene Rechte miteinander kombiniert
                           Wer mehr wissen möchte                                    bzw. im Zusammenhang betrachtet. Nur wenn schon
                                                                                     bei der Personalplanung und der Beschäftigungs-
                           DGB: Informationsplattform „Werkverträge und Leihar-      sicherung angesetzt wird, lassen sich frühzeitig
                           beit: Missbrauch stoppen“. www.dgb.de/schwerpunkt/        Tendenzen und Entwicklungen erkennen und An-
                           werkvertraege-und-leiharbeit/
                                                                                     satzpunkte für Gegenstrategien identifizieren. Auch
                           IG Metall: Zwölf Fragen – zwölf Antworten zum Thema       die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung im
                           Werkvertrag. www.igmetall.de/ratgeber-werkver-            Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG) sollten genutzt
                           trag-13384.htm                                            werden.
                                                                                         Ein zusätzlicher „Hebel“ ist die Bildung „betriebli-
                           ver.di (2013): Was tun gegen (Schein-)Werkverträge? Ar-
                           beitspapier für Betriebs- und Personalräte. www.hun-      cher Koalitionen“ mit der Personalabteilung und wei-
                           dertprozentich.de/images/stories/einhundertprozentich/    teren dem Thema gegenüber aufgeschlossenen Ma-
                           pdfs/arbpapier_brpr_nr9.pdf                               nagementbereichen. Denkbar sind auch „Allianzen“
                                                                                     zwischen Betriebsrat und Führungskräften in von
                                                                                     Outsourcing bedrohten Unternehmensteilen.
                                                                                         Grundsätzlich ist eine Rechtsberatung durch die
                                                                                     zuständige Gewerkschaft oder einen externen Ar-
                                                                                     beitsrechtsexperten gemäß § 80 Abs. 3 und § 111
                                                                                     BetrVG zu empfehlen.

Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 6
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Um dieser
         Werk- und Dienstverträge – Rechte              Überwachungspflicht nachzukommen, besteht nach
         des Betriebsrats nach dem Betriebs-            § 80 BetrVG eine Informationspflicht des Arbeitgebers
         verfassungsgesetz (ohne Anspruch auf           gegenüber dem Betriebsrat. Der Arbeitgeber hat den
         Vollständigkeit)                               Betriebsrat anhand von Unterlagen rechtzeitig und
                                                        umfassend über die Beschäftigung von betriebsfrem-
§ 80 BetrVG                                             dem Personal zu unterrichten. Dazu gehören auch
– Überwachungsrechte /-pflichten zur Einhal-           Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte.
  tung von Gesetzen, Verordnungen, Unfall-                 Durch die seit dem 1. April 2017 geltenden gesetz-
  verhütungsvorschriften, Tarifverträgen und            lichen Neuregelungen zur Arbeitnehmerüberlassung
  Betriebsvereinbarungen                                sind die Informationsrechte erweitert und präzisiert
– Recht auf Information über den Einsatz von           worden: Der Betriebsrat ist über Einsatzdauer, Ein-
  Fremdfirmenbeschäftigten                              satzort und Arbeitsaufgabe zu informieren – und zwar
– Förderung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes          unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen, insbeson-
  und des betrieblichen Umweltschutzes                  dere dem Vertrag, dem der Fremdpersonaleinsatz zu-
– Förderung und Sicherung der Beschäftigung im         grunde liegt.
  Betrieb als allgemeine Aufgaben des Betriebsrats         Durch diese Vorschrift wird dem Betriebsrat die
                                                        Möglichkeit eingeräumt, sich vom Arbeitgeber zu In-
§ 87 BetrVG: Mitbestimmungsrechte bei der Ver-          formationszwecken alle Unterlagen aushändigen zu
teilung von Arbeitszeit, der vorübergehenden Ver-       lassen, die er für seine Arbeit benötigt. Der Betriebsrat
längerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, der         soll durch die Vorlage der notwendigen Unterlagen in
Einführung und Anwendung von technischen Ein-           die Lage versetzt werden, eigenständig zu überprüfen,
richtungen sowie bei der Gestaltung von betriebli-      ob er tätig werden muss oder nicht. Der Betriebsrat
chen Regelungen zum Gesundheitsschutz                   sollte jedoch schon bei dem Informationsbegehren
                                                        gegenüber dem Arbeitgeber präzise Angaben darü-
§ 89 BetrVG: Arbeits- und betrieblicher Umwelt-         ber machen, welche Unterlagen er einsehen will (z. B.
schutz                                                  Vertragsentwürfe, Ausschreibungen, abgeschlossene
                                                        Verträge mit den Fremdfirmen und deren Subunter-
§ 90 BetrVG: Unterrichtungs- und Beratungsrechte        nehmen, Kontrolllisten zu Einsatztagen und Einsatzzei-
bei Planung von Bauten, Räumen, Anlagen, Arbeits-       ten der einzelnen Beschäftigten der Fremdfirmen) und
verfahren, Arbeitsabläufen, Arbeitsplätzen (z. B. bei   wozu er diese benötigt. Im Falle von Werk- und Dienst-
Beschäftigung von Fremdfirmen, Outsourcing)             vertragsbeschäftigten reicht als Begründung, dass der
                                                        Betriebsrat anhand notwendiger Unterlagen überprü-
§ 92 BetrVG: Unterrichtungs-, Beratungs- und            fen können muss, inwieweit er für diese Beschäftigten
Vorschlagsrechte   bei  der   Personalplanung           zuständig ist bzw. inwieweit ihm Mitbestimmungs-
(Fremdleistungsplanung)                                 rechte bezüglich dieser Beschäftigten zustehen.
                                                           Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat so früh zu in-
§ 92 a BetrVG: Beratung von Vorschlägen des Be-         formieren, dass dieser noch vor Abschluss des Ver-
triebsrats zur Sicherung von Beschäftigung, Alter-      trages mit einer Fremdfirma Möglichkeiten zur Ein-
nativen zur Ausgliederung oder Vergabe an andere        flussnahme auf die Vertragsbestandteile hat (vgl. Lan-
Unternehmen                                             desarbeitsgericht Köln v. 09.08.1989 – t TaBV 3 / 89).
                                                        Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber aber nur die
§ 106 BetrVG: Unterrichtungs- und Beratungsrech-        Unterlagen verlangen, die diesem auch tatsächlich
te des Wirtschaftsausschusses                           vorliegen. Die Informationsansprüche des Betriebsrats
                                                        beziehen sich nicht auf Beschäftigte von Werk- oder
§ 111 BetrVG: Fremdvergabe / Outsourcing          als   Dienstvertragsunternehmen, die nur „kurzfristig“ im
Betriebsänderung                                        Betrieb tätig sind (z. B. Handwerker, die nur kurz eine
                                                        Reparatur vornehmen).
§ 112 BetrVG: Interessenausgleich über die Be-             Für den Betriebsrat empfiehlt es sich, mit dem Ar-
triebsänderung, Sozialplan                              beitgeber eine Betriebsvereinbarung abzuschließen,
                                                        die die Modalitäten der Einsichtnahme in entspre-
                                                        chende Unterlagen regelt.
                                                           Weitere Informationsrechte des Betriebsrats erge-
                                                        ben sich aus § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Sobald der Ar-
Einige wichtige Regelungen im Überblick:                beitgeber mit Planungen beginnt, die in Abhängigkeit
                                                        von einem Fremdfirmeneinsatz Umgestaltungen des
Informationsrechte des Betriebsrats                     Arbeitsplatzes, der Arbeitsabläufe und der Arbeitsum-
Nach § 80 BetrVG hat der Betriebsrat eine Überwa-       gebung vorsehen, ist er verpflichtet, den Betriebsrat
chungspflicht über die Einhaltung von Gesetzen, Ver-    rechtzeitig und umfassend darüber zu unterrichten.
ordnungen und Tarifverträgen. Dazu gehört auch die         Ein Zusammenhang zum Thema Werk- und Dienst-
Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des         verträge kann auch hergestellt werden, wenn die

                                                                                          Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 7
Planungen nach § 90 BetrVG Rationalisierungsmaß-           nehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Arbeit vor.
                        nahmen oder die Ausgliederung interner Arbeitsberei-       Der Betriebsrat ist beispielsweise beratend hinzuzu-
                        che (z. B. IT, Logistik, Werkstätten) bei gleichzeitigem   ziehen, wenn das Einsatzunternehmen Arbeitsmate-
                        Einsatz von Fremdfirmen betreffen. Der Betriebsrat ist     rialien oder Räumlichkeiten für das Fremdpersonal
                        über die Planungen zu informieren. Bei rechtzeitiger       zur Verfügung stellt oder diesbezüglich Änderungen
                        Kenntnis kann er argumentativ gegensteuern und Al-         plant.
                        ternativen zur externen Vergabe vorschlagen.                   § 92 Abs. 1 Satz 2 BetrVG regelt die gegenseitige
                            Nach § 92 BetrVG besitzt der Betriebsrat ein Infor-    Beratung von Arbeitgeber und Betriebsrat über Art
                        mationsrecht im Rahmen der Personalplanung. Ge-            und Umfang der beabsichtigten Maßnahmen der Per-
                        mäß den seit dem 1. April 2017 geltenden gesetzlichen      sonalplanung und über die Vermeidung von Härten.
                        Neuregelungen zur Arbeitnehmerüberlassung hat sich         Der Arbeitgeber muss sich mit dem Anliegen des Be-
                        die Unterrichtung zur Personalplanung auch auf den         triebsrats auseinandersetzen und seine Fragen beant-
                        aktuellen und geplanten Einsatz von Fremdpersonal zu       worten. Die Personalplanung selbst muss der Arbeit-
                        beziehen. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat       geber nicht mit dem Betriebsrat beraten. Er ist aber
                        über die Personalplanung, insbesondere über den ge-        verpflichtet, über die Konsequenzen der geplanten
                        genwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über        Änderungen Auskunft zu geben.
                        die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen
                        – einschließlich der geplanten Beschäftigung von Per-      Vorschlags- bzw. Initiativrechte des Betriebsrats
                        sonen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeit-    Nach § 92a BetrVG kann der Betriebsrat Vorschläge
                        geber stehen – anhand von Unterlagen zu informieren.       zur Förderung und Sicherung der Beschäftigung ma-
                            Die Unterrichtung hat rechtzeitig zu erfolgen, d. h.   chen, u. a. über Alternativen zu Ausgliederungen oder
                        zu einem Zeitpunkt, an dem noch Veränderungen an           die Vergabe von Tätigkeiten an andere Unternehmen.
                        der Planung möglich sind. Der Arbeitgeber muss den         Dazu können Vorschläge zur Erledigung betrieblicher
                        Betriebsrat allerdings erst dann über die Personalpla-     Aufgaben durch Stammbeschäftigte anstelle von
                        nung unterrichten, wenn die Überlegungen des Arbeit-       Fremdbeschäftigten und / oder zur Qualifizierung der
                        gebers das Planungsstadium erreicht haben. Zudem           Stammbelegschaft gehören. Der Arbeitgeber muss
                        muss die Unterrichtung umfassend, also vollständig         diese Vorschläge mit dem Betriebsrat beraten. Lehnt
                        erfolgen, d. h. der Arbeitgeber muss den Betriebsrat       der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats ab,
                        über Fakten und Tatsachen informieren, die ihm vorlie-     muss er dies begründen (in Unternehmen mit mehr
                        gen und auf denen die Personalplanung basiert.             als 100 Beschäftigten hat die Begründung schriftlich
                            Dies betrifft etwa Informationen zur Personalbe-       zu erfolgen).
                        darfsplanung (Sind externe Beschaffungsmaßnahmen              Ob der Arbeitgeber den Vorschlägen des Betriebs-
                        geplant?) oder zur Personaleinsatzplanung (Wie wird        rats folgt oder nicht, ist zwar der unternehmerischen
                        das Personal eingesetzt? Wie sind die Beschäftigten        Entscheidungsfreiheit überlassen. Allerdings kann der
                        den Arbeitsplätzen zugeordnet? Sollen Leistungen an        Betriebsrat den Arbeitgeber bei weiteren Verhandlun-
                        Fremdfirmen vergeben werden?) sowie die sich dar-          gen möglicherweise mit den schriftlichen (oder im
                        aus ergebenden personellen Maßnahmen (siehe Kap.           Falle eines Betriebes mit weniger als 100 Beschäftig-
                        4.4). In diesem Zusammenhang können sich für den           ten mit den durch den Betriebsrat selbst verschrift-
                        Betriebsrat wichtige Informationen ergeben, inwieweit      lichten) Aussagen des Arbeitgebers zur Ablehnung
                        Werk- oder Dienstvertragsbeschäftigte – unzulässiger-      konfrontieren (Stichwort: Koppelungsgeschäfte).
                        weise – in den Arbeitsablauf integriert werden.
                            Zu den Informationen, die der Arbeitgeber offen-       Mitbestimmungsrechte bei sozialen
                        zulegen hat, können auch Planungsdaten gehören,            Angelegenheiten
                        die zwar in einem anderen Kontext erhoben wurden           Die starken Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
                        – beispielsweise im Rahmen von Produktions- und In-        in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG können
                        vestitionsentscheidungen –, die der Betriebsrat aber       im Zusammenhang mit Fremdvergaben meist nicht
                        benötigt, um sich ein verlässliches Bild von der Per-      genutzt werden, da die Beschäftigten der Werk- und
                        sonalplanung zu machen (vgl. Bundesarbeitsgericht,         Dienstvertragsunternehmen nur den Weisungen des
                        Beschluss vom 19.06.1984 – 1 ABR 6 / 83). Dies ist         Auftragnehmers, nicht aber denen des Einsatzunter-
                        nicht unwesentlich, wenn die Personalplanung, z. B.        nehmens unterliegen. Berührungspunkte mit dem
                        als Folge von Auftragsrückgängen, Rationalisierungs-       § 87 BetrVG entstehen aber dann, wenn die Rechte
                        maßnahmen vorsieht. Bei einem Personalabbau ist die        der Stammbeschäftigten durch den parallelen Einsatz
                        Stammbelegschaft zu schützen. Bevor es zu betriebs-        von Werk- und Dienstvertragsbeschäftigten auf dem
                        bedingten Kündigungen kommt, sollten möglichst             Betriebsgelände beeinflusst werden.
                        sämtliche Fremdfirmeneinsätze in den betroffenen Be-          Ein Beispiel sind verhaltenssteuernde Maßnahmen.
                        reichen beendet werden.                                    Zu denken ist etwa an Konstellationen, bei denen
                                                                                   der Einsatz von Fremdbeschäftigten Auswirkungen
                        Beratungsrechte des Betriebsrats                           auf die Ordnung im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)
                        § 90 BetrVG sieht eine rechtzeitige Beratung des Ar-       oder auf die technische Überwachung der eigenen
                        beitgebers mit dem Betriebsrat über die vorgesehe-         Beschäftigten (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) haben könn-
                        nen Maßnahmen und Auswirkungen auf die Arbeit-             te. Umgekehrt sind Fälle vorstellbar, bei denen durch

Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 8
die Einführung und Anwendung technischer Kontroll-        nem gemeinsamen Arbeitsplatz tätig werden. Arbeit-
systeme zur Überwachung der Leistungen und des            geber und Betriebsräte dieser Betriebe haben darauf
Verhaltens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch      zu achten, dass Sicherheits- und Gesundheitsbestim-
personenbezogene Daten der Werk- und Dienstver-           mungen eingehalten werden.
tragsbeschäftigten erfasst werden. Nach § 87 Abs. 1          Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7
Nr. 1 BetrVG können Betriebsvereinbarungen z. B. zum      BetrVG gilt auch, wenn sich das Einsatzunternehmen
Thema Torkontrolle / technische Zugangskontrollsys-       als Auftraggeber gemäß § 8 Abs. 2 ArbSchG verge-
teme oder zur Nutzung von Werkausweisen auf Werk-         wissern muss, dass das Fremdpersonal eine ange-
und Dienstvertragsbeschäftigte ausgeweitet werden.        messene Sicherheitsunterweisung erhalten hat. Wie
    En weiterer Berührungspunkt ergibt sich über die      dies zu erfolgen hat, unterliegt der Mitbestimmung
Gestaltung der Arbeitszeit. Wirkt sich der Einsatz von    des Betriebsrats.
Fremdfirmen auf die Arbeitszeit der Stammbeleg-
schaft aus, so wird dadurch die Dauer oder die Lage       Betriebsänderung, Interessenausgleich und
der Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3      Sozialplan
BetrVG berührt. Der beim Arbeitseinsatz beider Be-        Sollte eine geplante Outsourcingmaßnahme eine
schäftigtengruppen entstehende Koordinationsbe-           Betriebsänderung mit sich bringen, hat sich der Ar-
darf kann neue Verhandlungen bzw. neue Arbeitszeit-       beitgeber nach § 111 BetrVG mit dem Betriebsrat nach
vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebs-         vorausgegangener Unterrichtung zu beraten. Als
rat erforderlich machen.                                  Betriebsänderung gilt dabei z. B. die Stilllegung oder
    Darüber hinaus kann der Betriebsrat bei Mehrar-       Einschränkung wesentlicher Betriebsteile infolge
beit sein Initiativrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG   einer Fremdvergabe. Hierbei kommen auch die ent-
wahrnehmen, um den Einsatz von Werk- und Dienst-          sprechenden Regelungen nach § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG
verträgen einzudämmen (vgl. Landesarbeitsgericht          (Interessenausgleich) und § 112 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4
Baden-Württemberg v. 05.08.2005). Der Arbeitgeber         BetrVG (Sozialplan) zur Geltung.
hat bei einem vorübergehend erhöhten Arbeitsanfall
immer die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu        Informations- und Beratungsrechte des
beachten, wenn er den Einsatz von Fremdfirmenbe-          Wirtschaftsausschusses
schäftigten zur Abdeckung des Arbeitskräftebedarfs        Besteht in Unternehmen ein Wirtschaftsausschuss,
erwägt. In einer Betriebsvereinbarung kann beispiels-     kommen dessen Unterrichtungs- und Beratungsrech-
weise als Grundsatz aufgenommen werden, dass bei          te nach § 106 BetrVG zum Tragen. Der Arbeitgeber hat
Mehrarbeit (soweit zumutbar), Teilzeitaufstockung,        den Wirtschaftsausschuss anhand der Vorlage von
Entfristung, Versetzung nach Qualifizierung etc. vor-     Unterlagen rechtzeitig und umfassend über die wirt-
rangig auf Stammbeschäftigte zurückgegriffen wer-         schaftlichen Angelegenheiten zu informieren und mit
den soll.                                                 diesem darüber zu beraten. Dazu gehört auch der Ein-
    Ein wirksamer Ansatzpunkt für Betriebsräte ist das    satz von Werk- und Dienstverträgen, soweit diese die
Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Unfall-        Interessen der Stammbeschäftigten berühren. Der
verhütung. Nach § 89 Abs. 1 BetrVG hat sich der Be-       Arbeitgeber muss erläutern, welche Vor- und Nach-
triebsrat für die Durchführung der Vorschriften über      teile die Fremdvergabe hat und welche Auswirkungen
den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb      auf die Stammbeschäftigten bestehen.
einzusetzen. Laut § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Be-        Denkbare Fälle sind die Ausgliederung eines Ar-
triebsrat des auftraggebenden Unternehmens ein            beitsbereichs und die Fremdvergabe der Tätigkeiten,
Mitbestimmungsrecht bei der Umsetzung der Vor-            die im Sinne des § 106 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG als Rationa-
schriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die       lisierungsvorhaben zu werten sind, die Einschränkung
sich auch auf Personen erstrecken, die nicht in einem     oder Stilllegung eines Betriebes oder Betriebsteils im
direkten Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Es     Sinne des § 106 Abs. 3 Nr. 6 BetrVG oder die Änderung
reicht aus, dass die Personen im Organisations- oder      der Betriebsorganisation im Sinne des § 106 Abs. 3
Verantwortungsbereich des Einsatzunternehmens tä-         Nr. 9 BetrVG, wenn durch die Fremdvergabe z. B. die
tig werden – und dies ist bei Onsite-Werkverträgen        Veränderung von Führungshierarchien angenommen
der Fall. Da durch den Einsatz von betriebsfremden        werden kann.
Beschäftigten auch das Unfallrisiko für die Stammbe-
schäftigten steigen kann, kann der Betriebsrat sein       Exkurs: Tarifverträge
Mitbestimmungsrecht z. B. dafür nutzen, Auflagen          Weitere Handlungsmöglichkeiten für Betriebsräte er-
festzulegen, wonach Werk- und Dienstvertragsbe-           geben sich in manchen Branchen aus existierenden
schäftigte nur in bestimmten Bereichen des auftrag-       Tarifverträgen. Hier sind explizit der „Tarifvertrag über
gebenden Unternehmens eingesetzt werden dürfen.           den Einsatz von Werkverträgen“ in der Stahlindustrie
    Viele arbeitsschutzrechtliche Vorschriften begrün-    aus dem Jahr 2014 und der „Tarifvertrag zur Rege-
den auch Pflichten des Einsatzunternehmens gegen-         lung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der
über betriebsfremden Arbeitskräften. Beispielsweise       Bundesrepublik Deutschland“ aus dem Jahr 2013 zu
fordert § 8 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) Auftragge-      nennen. In beiden Tarifverträgen werden Grundprin-
ber und Auftragnehmer zur arbeitsschutzbezogenen          zipien zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen
Zusammenarbeit auf, wenn ihre Beschäftigten an ei-        definiert, zudem wird der Rahmen für Steuerungs-

                                                                                            Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 9
und Beteiligungsprozesse auf betrieblicher Ebene                   4     DIE BASIS: ORIENTIERUNG UND
                          vorgegeben. Die Einhaltung der Regelungen der Ta-
                                                                                                   ÜBERBLICK VERSCHAFFEN
                          rifverträge ist vom Betriebsrat zu überwachen. Für
                          die betriebliche Umsetzung dieser Grundprinzipien ist              Wie lassen sich die gesetzlichen Regelungen in der
                          zu empfehlen, ergänzend eine Betriebsvereinbarung                  Praxis nutzen? Zunächst einmal ist es wichtig, sich als
                          abzuschließen.                                                     Betriebsrat einen genauen Überblick über den Fremd-
                                                                                             firmeneinsatz zu verschaffen und im Betriebsrat hierzu
                                                                                             ein Meinungsbild zu organisieren (Siehe Abbildung 1).
                              Wer mehr wissen möchte

                              Absenger, Nadine (2017): Die Reform von Leiharbeit und         4.1   Hintergründe und Motive der Fremdvergabe
                              Werkverträgen: erfreuliche Neuerung, aber auch viele                 klären
                              Schwächen. WSI-Mitteilungen, 1 / 2017, S. 70 – 73. www.
                              boeckler.de/wsi-mitteilungen_106800_106806.htm
                                                                                             Welche Betriebsratsstrategie bzw. welche Heran-
                              BMAS: Informationen zu den gesetzlichen Neuregelun-            gehensweise verfolgt wird, hängt wesentlich davon
                              gen bei Leiharbeit und Werkverträgen. www.bmas.de/             ab, welche Motive und Gründe bei der Nutzung von
                              DE/Schwerpunkte/Leiharbeit-Werkvertraege/leiharbeit-
                                                                                             Werk- und Dienstverträgen für die Verantwortlichen
                              werkvertraege.html;jsessionid=F4B8CB1B296A8588A4F4
                              DC4971636FD0                                                   im Einsatzunternehmen eine Rolle spielen.
                                                                                                Mit der Vergabe von Werk- und Dienstverträgen
                              Arbeitsbereich „Praxiswissen Betriebsvereinbarungen“           verfolgen Arbeitgeber in der Regel drei zentrale Ziele:
                              der Hans-Böckler-Stiftung. www.boeckler.de/betriebs-
                              vereinbarungen
                                                                                             1. Nutzung von Spezial-Know-how
                              IG BCE (2013): Werk- und Dienstverträge: Ratgeber für          Für die Leistungserstellung sind in einzelnen Berei-
                              die Praxis, Information für Betriebsräte. www.igbce.de/        chen und bei speziellen Aufgaben besondere Kompe-
                              vanity/renderDownloadLink/4184/52680                           tenzen und Betriebsmittel erforderlich, über die der
                                                                                             Stammbetrieb nicht verfügt, die nicht vorgehalten
                                                                                             werden sollen oder die von spezialisierten Dienstleis-
                                                                                             tern besser bereitgestellt werden können. Durch die
                                                                                             Fremdvergabe will sich der Einsatzbetrieb auf seine
                                                                               Abbildung 1   Kernkompetenzen konzentrieren.

Werk- und Dienstverträge – Orientierung und Überblick verschaffen                            2. Kosteneinsparung
                                                                                             Durch den Fremdfirmeneinsatz sollen die Herstellkos-
                                                                                             ten gesenkt werden. Sofern es sich bei den hinzuge-
                                                                                             zogenen Leistungen nicht um Spezialdienstleistungen
               HINTERGRÜNDE UND MOTIVE DER FREMDVERGABE KLÄREN                               etwa im IT- oder Ingenieursbereich handelt, erhalten
                                                                                             Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte in der Regel
                                                                                             niedrigere Stundenlöhne als die Stammbeschäftig-
                                                                                             ten. Die Fremdbeschäftigten unterliegen häufig kei-
                     IM BETRIEBSRAT EXPERTENWISSEN AUFBAUEN
                                                                                             nem Tarifvertrag oder einem Tarifvertrag, der deutlich
                               UND SICH VERNETZEN
                                                                                             unterhalb des Standards von Branchentarifverträgen
                                                                                             liegt, die in Einsatzunternehmen gelten.

               ANGEBOTE ZUR BERATUNG UND QUALIFIZIERUNG NUTZEN                               3. Erhöhung der Flexibilität
                                                                                             In vielen Branchen haben Just-in-Time-Konzepte stark
                                                                                             an Bedeutung gewonnen, die „Produktion auf Lager“
                                                                                             bindet Kapital und wird als wenig effizient angesehen.
               INFORMATIONEN BESCHAFFEN – DEM ARBEITGEBER DIE                                Bei kurzfristigen Produktionsschwankungen wird vor
             RICHTIGEN FRAGEN STELLEN UND UNTERLAGEN ANFORDERN                               allem das Personal als wichtige „Flexibilisierungs-
                                                                                             reserve“ betrachtet – und der Einsatz von Fremdbe-
                                                                                             schäftigten ist ein wesentlicher Faktor zur Erhöhung
                          INTERNE ÖFFENTLICHKEIT ERREICHEN                                   der Flexibilität. Mithilfe des Fremdfirmeneinsatzes
                             UND BESCHÄFTIGTE BEFRAGEN                                       soll in der Regel auch ein Teil des Beschäftigungsrisi-
                                                                                             kos nach außen gegeben werden.

                 ÜBER DEN AUFSICHTSRAT INFORMATIONEN EINHOLEN                                In der Regel ist nichts dagegen einzuwenden, wenn
                           UND FREMDVERGABEN BERATEN                                         Arbeiten, die Spezialwissen erfordern und nur selten
                                                                                             anfallen, über Werk- und Dienstverträge abgedeckt
                                                                                             werden. Problematisch sind jedoch Werk- und Dienst-
Quelle: Eigene Darstellung © I.M.U. 2018
                                                                                             verträge, die genutzt werden, um tarifliche und die
                                                                                             Arbeitssicherheit betreffende Standards zu unterlau-

Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 10
fen. Dadurch geraten auch die Stammbelegschaften in             – Welche Ziele verfolgt der Betriebsrat mit seinem
den Einsatzunternehmen unter Druck. Durch den Ein-                Handeln?
satz von Werk- und Dienstverträgen dürfen auch nicht            – Wie muss er sich organisieren und vorgehen, um
die Kernkompetenzen des Stammbetriebes gefährdet                  die Ziele zu erreichen?
werden.                                                         – Welche Hindernisse könnten dabei auftreten?
                                                                – Auf welche Stärken kann der Betriebsrat bauen?
                                                                – Welche Unterstützung kann der Betriebsrat für
  Wer mehr wissen möchte                                          sein Vorhaben organisieren – in der Führungsebe-
                                                                  ne, in der Personalabteilung, in anderen Fachab-
  Fokus Industrienahe Dienstleistungen / Werkverträge:            teilungen, in der Belegschaft, durch die Gewerk-
  Was sind Industrienahe Dienstleistungen (InDl) und              schaft etc.?
  Werkverträge? www.gute-arbeit-fuer-alle.de/InDl

  Neubäumer, Renate (2017): Die Bedeutung von Nicht-            Auch zwischen Betriebsräten unterschiedlicher Be-
  Lohnkosten für atypische Beschäftigung aus Sicht von          triebe oder Standorte eines Unternehmens oder eines
  Betrieben und Arbeitnehmern. WSI-Mitteilungen,                GBR sollten die Strategien zum Umgang mit Werk-
  1 / 2017, S. 36 – 43. www.boeckler.de/wsi-mitteilun-
                                                                oder Dienstverträgen diskutiert werden.
  gen_106800_106810.htm

  Hertwig, Markus / Kirsch, Johannes / Wirth, Carsten (2015):
  Onsite-Werkverträge: Verbreitung und Praktiken im Verarbei-   4.3   Angebote zur Beratung und Qualifizierung
  tenden Gewerbe. WSI-Mitteilungen 6 / 2015, S. 457 – 465.            nutzen
  www.boeckler.de/wsimit_2015_06_hertwig.pdf

  Obermeier, Tim / Sell, Stefan (2016): Werkverträge ent-       Der Betriebsrat kann nach § 80 Abs. 3 BetrVG und in
  lang der Wertschöpfungskette. Zwischen unproblemati-          Abstimmung mit dem Arbeitgeber Sachverständige
  scher Normalität und problematischer Instrumentalisie-        zu Beratungen über Werk- und Dienstverträge hinzu-
  rung. www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_012_2016.pdf             ziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung
                                                                der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. Be-
                                                                steht ein Wirtschaftsausschuss, hat der Betriebsrat
4.2   Im Betriebsrat Expertenwissen aufbauen                    ebenfalls die Möglichkeit, diesen zurate zu ziehen –
      und sich vernetzen                                        insbesondere, wenn ihm nicht nur Mitglieder des Be-
                                                                triebsrats angehören (§§ 106 und 107 BetrVG).
Es ist sinnvoll, im Betriebsrat eine verantwortliche
Person zu bestimmen, die sich explizit mit dem The-
ma Werk- und Dienstverträge beschäftigt. Nur wenn
der Betriebsrat selbst Ressourcen einplant und Exper-                        Praxisbeispiel
tenwissen aufbaut, ist er in der Lage, mit dem Arbeit-                       IG Metall Bremen: Angebote zur Qualifizierung und
geber auf Augenhöhe über Werkvertragsthemen zu                               Netzwerkbildung
diskutieren und zu verhandeln.
   Zu empfehlen ist auch die Bildung eines Ausschus-              In den Jahren 2014 bis 2016 hat die IG Metall Bremen Weiterbil-
ses zum Thema Fremdvergabe. In Betrieben mit mehr                 dungslehrgänge für Betriebsräte angeboten, um betriebliche Ex-
als 100 Beschäftigten hat der Betriebsrat das Recht,              pertinnen und Experten auszubilden, die
eigene Ausschüsse zu bilden und ihnen bestimmte
Aufgaben zu übertragen. Als Grundlage hierfür die-                – im Betrieb die Informationslage zu Werkverträgen klären
nen die §§ 28 BetrVG (Übertragung von Aufgaben auf                – die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten kennen und in den be-
Ausschüsse) und 28a BetrVG (Übertragung von Auf-                    trieblichen Alltag einbringen
gaben auf Arbeitsgruppen, die im Rahmen der ihnen                 – die betriebliche Öffentlichkeitsarbeit strategisch nutzen und
übertragenen Aufgaben mit dem Arbeitgeber auch                    – die Umsetzung der Werkverträge im Betrieb untersuchen und
Vereinbarungen schließen können).                                   entsprechende Handlungsstrategien für die betriebliche Interes-
   Um gemeinsam eine Handlungsstrategie zu entwi-                   senvertretung entwickeln.
ckeln und einen Forderungskatalog gegenüber dem
Arbeitgeber aufzustellen, ist es hilfreich, im Betriebs-          Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden gemeinsam mit den
rat einen Workshop oder eine Klausur durchzuführen.               jeweiligen Betriebsratsspitzen explizit ausgesucht. Es sollte sich
Für die Diskussion können die folgenden Fragen nütz-              um Betriebsräte handeln, die in dem Betrieb zuständig für das The-
lich sein:                                                        ma „Werkverträge“ sind oder zukünftig für diesen Bereich zustän-
                                                                  dig sein sollen. Die Weiterbildungsmodule wurden in der zweiten
– Welche Probleme und Herausforderungen sieht                     Phase je nach betriebsspezifischer Situation mit einer strategi-
  der Betriebsrat?                                                schen Beratung verknüpft. Betriebsräte sollten dabei unterstützt
– Wie positioniert sich der Betriebsrat in Fragen der             werden, ihren Fokus auf realistische und effektive Handlungsan-
  Fremdvergabe: Eindämmung oder gar keine Werk-                   sätze im Betrieb zu lenken.
  und Dienstverträge?                                             (IG Metall Bremen 2017: Zusammenfassung des „Projektes Werkver-
– Wie positioniert sich der Betriebsrat in Fragen der             träge der IG Metall Bremen“)
  Personalplanung?

                                                                                              Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 11
Mitglieder des Betriebsrats können auf die vielfäl-     – Wie soll verarbeitet bzw. verkauft werden? Wie
                        tigen Angebote der Gewerkschaften zurückgreifen,              sieht das Produktions- und Absatzprogramm aus?
                        sich in Fragen der Nutzung von Werk- und Dienst-            – Wie und auf welche Weise soll gearbeitet wer-
                        verträgen beraten zu lassen bzw. sich ausreichend zu          den? Welche Arbeitsorganisation und Personalein-
                        qualifizieren und weiterzubilden. Nach § 37 Abs. 6 und        satzplanung wird dafür benötigt? Welche (neuen)
                        Abs. 7 BetrVG können Betriebsräte an gewerkschaft-            Technologien sollen dabei eingesetzt werden?
                        lichen Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teil-
                        nehmen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für         Um alle notwendigen Informationen zur Werk- und
                        die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Auch Be-     Dienstvertragsarbeit im Unternehmen zu erhalten,
                        triebsrätenetzwerke leisten hierbei wichtige Impulse.       sollte ein schriftliches Informationsbegehren an den
                            Schließlich lohnt ein Blick über den „eigenen Teller-   Arbeitgeber gerichtet werden. Nützlich ist es, Unter-
                        rand“ hinaus, um in Erfahrung zu bringen, wie andere        lagen und Dokumente, die der Betriebsrat vom Ar-
                        Unternehmen vergleichbare Herausforderungen ge-             beitgeber anfordert, detailliert aufzulisten. Dazu ge-
                        meistert haben. Zu vielen Themen gibt es schon gute         hören u. a.
                        Praxisbeispiele. Natürlich lässt sich nicht jeder Ansatz
                        „1 zu 1“ auf das eigene Unternehmen übertragen. In          – Informationen über das Volumen der
                        erster Linie kommt es darauf an, aus den praktischen          Fremdvergabe
                        Erfahrungen anderer Betriebe und Betriebsräte zu ler-       – eine Liste aller vergebenen Gewerke
                        nen, um sich dann auf die Lösungsansätze zu konzen-         – Werk- und Dienstvertragstexte (einschließlich Ver-
                        trieren, die zum eigenen Unternehmen passen.                  tragsentwürfen) und Ausschreibungstexte
                                                                                    – Informationen zur Personalbedarfsplanung (am
                                                                                      besten für die nächsten drei Jahre)
                        4.4    Informationen beschaffen – Dem Arbeitge-             – ein detaillierter Kostenvergleich zwischen Fremd-
                               ber die richtigen Fragen stellen und Unterla-          und Eigenleistung, Make-or-Buy-Risikoanalysen
                               gen anfordern                                        – Kostenstellenrechnungen mit Betriebsabrech-
                                                                                      nungsbogen bzw. Umlageverfahren
                        Betriebsräte haben häufig nicht genug Informationen         – Berechnungen zum Zusatzaufwand eigener Mitar-
                        über den Umfang der Vergabe von Werk- und Dienst-             beiterinnen und Mitarbeiter zur Koordination der
                        verträgen im Unternehmen und die mit den Fremdfir-            Fremdfirmen
                        men vereinbarten Bedingungen der Leistungserbrin-           – Prozesskostenrechnungen von Auslagerungs-
                        gung. In einigen Fällen wissen Betriebsräte auch nicht        plänen
                        genau, ob es sich bei den Beschäftigten der Fremdfir-       – Investitionspläne
                        men, die auf dem Betriebsgelände eingesetzt werden,         – eine Eingangsliste der auf dem Betriebsgelände
                        um Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern oder Werk-             beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
                        und Dienstvertragsbeschäftigte handelt.                       ter von Werk- und Dienstvertragsunternehmen
                           Um eine eigene Handlungsstrategie entwickeln zu            (möglichst mit Kontrolllisten zu Einsatztagen und
                        können, muss sich der Betriebsrat aber einen mög-             Einsatzzeiten)
                        lichst umfassenden Überblick über die fremdvergebe-         – Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung nach den
                        nen Gewerke und Dienste auf dem Betriebsgelände               §§ 5 und 11 Arbeitsschutzgesetz
                        und die Planungen des Arbeitgebers verschaffen.             – eine Stunden- und Mehrarbeitsstatistik
                        Dafür kann er seine Unterrichtungsrechte nach dem           – Kontrolllisten zu Einsatztagen und Einsatzzeiten
                        BetrVG nutzen (siehe hierzu Kap. 3).                          der einzelnen Beschäftigten der Fremdfirmen
                           Wichtig ist, dem Arbeitgeber die passenden Fra-          – eine Arbeitsunfallstatistik 3
                        gen zu stellen, z. B.:
                                                                                    Der Betriebsrat sollte als Minimalanforderung darauf
                        – Wie viele Fremdbeschäftigte sind über Leiharbeit          drängen, dass eine Übersicht erstellt wird, auf der alle
                          und Werk- und Dienstverträge auf dem Betriebs-            Gewerke und Dienstaufträge aufgelistet werden – nur
                          gelände tätig? In welchen Bereichen kommen sie            so können alle Werk- und Dienstverträge erfasst wer-
                          zum Einsatz? Was ist der Grund für den Einsatz?           den. Nach Möglichkeit sollte auch in Erfahrung ge-
                        – Von welchen Firmen werden die Fremdbeschäf-               bracht werden, welche Personen auf dem Betriebsge-
                          tigten eingesetzt? In welcher Rechtsbeziehung             lände in welcher vertraglichen Bindung stehen. Dazu
                          stehen sie zum Unternehmen? Zu welchen Bedin-             eignen sich digitale Betriebslandkarten und die Nut-
                          gungen arbeiten sie?                                      zung von Daten aus Zugangskontrollsystemen.
                        – Wo gibt es Abhängigkeiten zwischen Stamm- und
                          Werk- bzw. Dienstvertragsbeschäftigten (etwa
                          wenn Fremdbeschäftigte Vorprodukte fertigen)?
                        – Welche neuen Produkte / Dienstleistungen oder             3   Eine Unfallanzeige ist in erster Linie Angelegenheit des
                                                                                        Fremdunternehmens. Bei der Ausgestaltung eines Werk-
                          Geschäftsfelder sollen in Zukunft auf- oder ausge-            und Dienstvertrages kann vereinbart werden, dass die im
                          baut werden? Welche Investitionen sind geplant?               Einsatzunternehmen zuständigen Stellen über Personen-
                                                                                        schäden unterrichtet werden und diesen eine Kopie der
                          Welche Bereiche könnten andererseits von Out-                 Unfallanzeige zugestellt wird (siehe KomNet Dialog 5590
                          sourcing betroffen sein?                                      www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/5590).

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               Praxisbeispiel
               BMW Regensburg: Digitale                       IG Metall (2012): Viel Arbeit am Rand. Werkverträge und
                                                              Outsourcing: Arbeitshilfe für Betriebsräte (inkl. Check-
               „Betriebslandkarte“ mit
                                                              liste – Betriebsrecherche Werkvertrag / Fremdfirmenein-
               Werkvertragsfirmen                             satz). www.zukunft-werk-vertrag.de/wp-content/up-
                                                              loads/2013/11/120628_IGM_NRW_Werkvertraege_AH-
   Bei BMW in Regensburg ist seit 2017 ein EDV-               fuerBR_KORR_ANSICHT.pdf
   Tool im Einsatz, zu dem sowohl Management
                                                              Stracke, Stefan et al. (2017): Strategische Personalpla-
   als auch Betriebsrat Zugang haben. Das Tool
                                                              nung mit Weitblick. Ein Ratgeber für Betriebsräte. www.
   zeigt eine digitale Karte des Werksgeländes.               inqa.de/DE/Angebote/Publikationen/strategische-perso-
   Der Nutzer kann mithilfe der Karte abrufen, wo             nalplanung-betriebsraete.html
   auf dem Gelände welches Werkvertragsunter-
   nehmen tätig ist. Zudem sind „Partnervisiten-
   karten“ mit Daten zu Ansprechpartnerinnen und
   Ansprechpartnern, zu lieferndem Gewerk, Ver-             4.5   Interne Öffentlichkeit erreichen und Be-
   tragslaufzeit etc. aufgeführt; die Daten werden                schäftigte befragen
   laufend aktualisiert. Informationen zur Zahl der
   Beschäftigten der Werkvertragsunternehmen                Will der Betriebsrat seine Forderungen durchsetzen,
   sind dort jedoch nicht zu finden.                        sind gute Argumente, aber auch politischer Druck
                                                            gefragt. Ohne breite Diskussion im Betrieb und ohne
                                                            Unterstützung der Belegschaft ist jede noch so gute
                                                            Strategie des Betriebsrats nur die Hälfte wert. Deshalb
                                                            ist bei jedem Schritt zu überlegen, wie der Betriebsrat
               Praxisbeispiel                               die Stammbelegschaft und die Werk- und Dienstver-
               Procter & Gamble, Euskirchen: Be-            tragsbeschäftigten auf dem Betriebsgelände in die
               triebsvereinbarung mit Regelungen            Diskussionen einbeziehen kann. Wichtig ist, dass bei
               zur Information des Betriebsrats             den Beschäftigten ein Problembewusstsein da ist und
                                                            eine direkte Betroffenheit hergestellt wird. Dies lässt
   Eine Regelung in einer freiwilligen Betriebsver-         sich z. B. erreichen, indem mögliche Rechtsverstöße
   einbarung bei Procter & Gamble am Standort               und Missstände bei Fremdfirmen aufgedeckt und als
   Euskirchen sieht vor, dass sich der Betriebsrat          Risiken für das eigene Unternehmen angesprochen
   einen genauen Überblick darüber verschaffen              werden.
   kann, welches Fremdpersonal über Arbeitneh-                  Das Unterrichtungsrecht des Betriebsrats nach
   merüberlassung und Werk- und Dienstverträge              § 80 Abs. 2 BetrVG schließt nicht aus, dass der Be-
   auf dem Betriebsgelände tätig ist. Ausgewählte           triebsrat selbst Mitarbeiterbefragungen in der
   Vertreterinnen und Vertreter des Betriebsrats            Stammbelegschaft durchführt, um Informationen zu
   sind berechtigt, dafür auf Daten des auf dem             beschaffen, die der Erfüllung seiner gesetzlichen Auf-
   Werksgelände genutzten Systems der Zugangs-              gaben dienen (§ 80 Abs. 1 BetrVG). Die Befragung darf
   kontrolle zurückzugreifen.                               allerdings nicht zu Störungen des Betriebsfriedens
                                                            oder des Betriebsablaufs führen.
                                                                Details über die Arbeitsbedingungen der Werk-
                                                            und Dienstvertragsbeschäftigten erhält man in der
    In Arbeitnehmerfragen ist in der Regel die Perso-       Regel nur dann, wenn man mit den Beschäftigten
nalabteilung der erste Ansprechpartner für den Be-          der externen Firmen in Kontakt kommt oder wenn
triebsrat. Bei Werk- und Dienstverträgen wird das           die Fremdfirmen einen Betriebsrat haben, mit dem
eingesetzte Personal jedoch beim Auftragnehmer              man sich in Verbindung setzen kann. Vor allem bei
gemanagt und für die Fremdvergabe sind beim Auf-            Themen wie Arbeits- und Gesundheitsschutz sind
traggeber meist andere Bereiche als die Personalab-         die Beschäftigten eine wichtige Informationsquelle.
teilung zuständig (z. B. Einkauf, Finanzen, Fachabtei-      In jedem Fall sollte die zuständige Gewerkschaft in
lungen). Daher ist sicherzustellen, dass die für den        den Prozess einbezogen werden. Sie kann wichtige
Betriebsrat relevanten Informationen bei einer Stelle       Unterstützung leisten, z. B. mit einer Sprechstunde für
zusammenlaufen (dies kann dann durchaus die Perso-          Werk- und Dienstvertragsbeschäftigte außerhalb der
nalabteilung sein). Diese Stelle sollte in der Lage sein,   Arbeitszeit.
die Informationspflichten des Arbeitgebers zu erfüllen          Um sich einen guten Überblick zu verschaffen, ist
und für den Betriebsrat als Ansprechpartner zur Ver-        es vorteilhaft, betriebliche Expertinnen und Experten
fügung zu stehen.                                           wie etwa Fachkräfte für Arbeitssicherheit einzubezie-
    Mit der Informationsbeschaffung oder im An-             hen. Diese können die Situation und den möglichen
schluss daran sollte das Rechtsverhältnis der Fremd-        Handlungsbedarf in der Regel gut einschätzen. Be-
vergabe geklärt werden: Handelt es sich um einen            triebsräte können hierbei ihr Recht nutzen, bei der Su-
Werk- bzw. Dienstvertrag, um Leiharbeit oder sogar          che nach Problemlösungen sachkundige Beschäftig-
um illegale Arbeitnehmerüberlassung?                        te zurate zu ziehen (§ 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).

                                                                                                Mitbestimmungspraxis Nr. 19 · November 2018 Seite 13
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